ISABEAU. Ich habe Leidenschaften, warmes Blut
Wie eine andre, und ich kam als Königin
In dieses Land, zu leben, nicht zu scheinen.
Sollt ich der Freud absterben, weil der Fluch
Des Schicksals meine lebensfrohe Jugend
Zu dem wahnsinngen Gatten hat gesellt?
Mehr als das Leben lieb ich meine Freiheit,
Und wer mich hier verwundet--Doch warum
Mit euch mich streiten über meine Rechte?
Schwer fließt das dicke Blut in euren Adern,
Ihr kennt nicht das Vergnügen, nur die Wut!
Und dieser Herzog, der sein Lebenlang
Geschwankt hat zwischen Bös und Gut, kann nicht
Von Herzen hassen noch von Herzen lieben.
--Ich geh nach Melun. Gebt mir diesen da,
(auf Lionel zeigend) Der mir gefällt, zur Kurzweil und Gesellschaft,
Und dann macht, was ihr wollt! Ich frage nichts
Nach den Burgundern noch den Engelländern.
(Sie winkt ihrem Pagen und will gehen)
LIONEL. Verlaßt Euch drauf. Die schönsten Frankenknaben,
Die wir erbeuten, schicken wir nach Melun.
ISABEAU (zurückkommend).
Wohl taugt ihr, mit dem Schwerte dreinzuschlagen,
Der Franke nur weiß Zierliches zu sagen. (Sie geht ab)
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Dritter Auftritt
Talbot. Burgund. Lionel
TALBOT. Was für ein Weib!
LIONEL. Nun eure Meinung, Feldherrn!
Fliehn wir noch weiter oder wenden uns
Zurück, durch einen schnellen kühnen Streich
Den Schimpf des heutgen Tages auszulöschen?
BURGUND. Wir sind zu schwach, die Völker sind zerstreut,
Zu neu ist noch der Schrecken in dem Heer.
TALBOT. Ein blinder Schrecken nur hat uns besiegt,
Der schnelle Eindruck eines Augenblicks.
Dies Furchtbild der erschreckten Einbildung
Wird, näher angesehn, in nichts verschwinden.
Drum ist mein Rat, wir führen die Armee
Mit Tagesanbruch über den Strom zurück,
Dem Feind entgegen.
BURGUND. Überlegt--
LIONEL. Mit Eurer
Erlaubnis. Hier ist nichts zu überlegen.
Wir müssen das Verlorne schleunig wieder
Gewinnen oder sind beschimpft auf ewig.
TALBOT. Es ist beschlossen. Morgen schlagen wir.
Und dies Phantom des Schreckens zu zerstören,
Das unsre Völker blendet und entmannt,
Laßt uns mit diesem jungfräulichen Teufel
Uns messen in persönlichem Gefecht.
Stellt sie sich unserm tapfern Schwert, nun dann,
So hat sie uns zum letztenmal geschadet,
Stellt sie sich nicht, und seid gewiß, sie meidet
Den ernsten Kampf, so ist das Heer entzaubert.
LIONEL. So seis! Und mir, mein Feldherr, überlasset
Dies leichte Kampfspiel, wo kein Blut soll fließen.
Denn lebend denk ich das Gespenst zu fangen,
Und vor des Bastards Augen, ihres Buhlen,
Trag ich auf diesen Armen sie herüber
Zur Lust des Heers, in das britannsche Lager.
BURGUND. Versprechet nicht zu viel.
TALBOT. Erreich ich sie,
Ich denke sie so sanft nicht zu umarmen.
Kommt jetzo, die ermüdete Natur
Durch einen leichten Schlummer zu erquicken,
Und dann zum Aufbruch mit der Morgenröte. (Sie gehen ab)
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Vierter Auftritt
Johanna mit der Fahne, in Helm und Brustharnisch, sonst aber
weiblich gekleidet, Dunois, La Hire, Ritter und Soldaten zeigen
sich oben auf dem Felsenweg, ziehen still darüber hinweg, und
erscheinen gleich darauf auf der Szene
JOHANNA (zu den Rittern, die sie umgeben, indem der Zug oben
immer noch fortwährt). Erstiegen ist der Wall, wir sind im Lager!
Jetzt werft die Hülle der verschwiegner Nacht
Von euch, die euren stillen Zug verhehlte,
Und macht dem Feinde eure Schreckensnähe
Durch lauten Schlachtruf kund--Gott und die Jungfrau!
ALLE (rufen laut unter wildem Waffengetös).
Gott und die Jungfrau! (Trommeln und Trompeten)
SCHILDWACHE (hinter der Szene). Feinde! Feinde! Feinde!
JOHANNA. Jetzt Fackeln her! Werft Feuer in die Zelte!
Der Flammen Wut vermehre das Entsetzen,
Und drohend rings umfange sie der Tod!
(Soldaten eilen fort, sie will folgen)
DUNOIS (hält sie zurück). Du hast das Deine nun erfüllt, Johanna!
Mitten ins Lager hast du uns geführt,
Den Feind hast du in unsre Hand gegeben.
Jetzt aber bleibe von dem Kampf zurück,
Uns überlaß die blutige Entscheidung.
LA HIRE. Den Weg des Siegs bezeichne du dem Heer,
Die Fahne trag uns vor in reiner Hand,
Doch nimm das Schwert, das tödliche, nicht selbst,
Versuche nicht den falschen Gott der Schlachten,
Denn blind und ohne Schonung waltet er.
JOHANNA. Wer darf mir Halt gebieten? Wer dem Geist
Vorschreiben, der mich führt? Der Pfeil muß fliegen,
Wohin die Hand ihn seines Schützen treibt.
Wo die Gefahr ist, muß Johanna sein,
Nicht heut, nicht hier ist mir bestimmt zu fallen,
Die Krone muß ich sehn auf meines Königs Haupt,
Dies Leben wird kein Gegner mir entreißen,
Bis ich vollendet, was mir Gott geheißen. (Sie geht ab)
LA HIRE. Kommt, Dunois! Laßt uns der Heldin folgen,
Und ihr die tapfre Brust zum Schilde leihn! (Gehen ab)
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Fünfter Auftritt
Englische Soldaten fliehen über die Bühne. Hierauf Talbot
ERSTER. Das Mädchen! Mitten im Lager!
ZWEITER. Nicht möglich! Nimmermehr! Wie kam sie in das Lager?
DRITTER. Durch die Luft! Der Teufel hilft ihr!
VIERTER und FÜNFTER.
Flieht! Flieht! Wir sind alle des Todes! (Gehen ab)
TALBOT (kommt). Sie hören nicht--Sie wollen mir nicht stehn!
Gelöst sind alle Bande des Gehorsams,
Als ob die Hölle ihre Legionen
Verdammter Geister ausgespieen, reißt
Ein Taumelwahn den Tapfern und den Feigen
Gehirnlos fort, nicht eine kleine Schar
Kann ich der Feinde Flut entgegenstellen,
Die wachsend, wogend in das Lager dringt!
--Bin ich der einzig Nüchterne und alles
Muß um mich her in Fiebers Hitze rasen?
Vor diesen fränkschen Weichlingen zu fliehn,
Die wir in zwanzig Schlachten überwunden!--
Wer ist sie denn, die Unbezwingliche,
Die Schreckensgöttin, die der Schlachten Glück
Auf einmal wendet, und ein schüchtern Heer
Von feigen Rehn in Löwen umgewandelt?
Eine Gauklerin, die die gelernte Rolle
Der Heldin spielt, soll wahre Helden schrecken?
Ein Weib entriß mir allen Siegesruhm?
SOLDAT (stürzt herein). Das Mädchen! Flieh! Flieh, Feldherr!
TALBOT (stößt ihn nieder). Flieh zur Hölle
Du selbst! Den soll dies Schwert durchbohren,
Der mir von Furcht spricht und von feiger Flucht. (Er geht ab)
ZWEITER AUFZUG
Sechster Auftritt
Der Prospekt öffnet sich. Man sieht das englische Lager in
vollen Flammen stehen. Trommeln, Flucht und Verfolgung. Nach
einer Weile kommt Montgomery
MONTGOMERY (allein).
Wo soll ich hinfliehn? Feinde ringsumher und Tod!
Hier der ergrimmte Feldherr, der mit drohndem Schwert
Die Flucht versperrend uns dem Tod entgegentreibt.
Dort die Fürchterliche, die verderblich um sich her
Wie die Brunst des Feuers raset--Und ringsum kein Busch,
Der mich verbärge, keiner Höhle sichtet Raum!
O wär ich nimmer über Meer hieher geschifft,
Ich Unglückselger! Eitler Wahn betörte mich,
Wohlfeilen Ruhm zu suchen in dem Frankenkrieg,
Und jetzo führt mich das verderbliche Geschick
In diese blutge Mordschlacht.--Wär ich weit von hier
Daheim noch an der Savern' blühendem Gestad,
Im sichern Vaterhause, wo die Mutter mir
In Gram zurückblieb und die zarte süße Braut.
(Johanna zeigt sich in der Ferne)
Weh mir! Was seh ich! Dort erscheint die Schreckliche!
Aus Brandes Flammen, düster leuchtend, hebt sie sich,
Wie aus der Hölle Rachen ein Gespenst der Nacht
Hervor.--Wohin entrinn ich! Schon ergreift sie mich
Mit ihren Feueraugen, wirft von fern
Der Blicke Schlingen nimmer fehlend nach mir aus.
Um meine Füße, fest und fester, wirret sich
Das Zauberknäuel, daß sie gefesselt mir die Flucht
Versagen! Hinsehn muß ich, wie das Herz mir auch
Dagegen kämpfe, nach der tödlichen Gestalt!
(Johanna tut einige Schritte ihm entgegen, und bleibt wieder
stehen)
Sie naht! Ich will nicht warten, bis die Grimmige
Zuerst mich anfällt! Bittend will ich ihre Knie
Umfassen, um mein Leben flehn, sie ist ein Weib,
Ob ich vielleicht durch Tränen sie erweichen kann!
(Indes er auf sie zugehen will, tritt sie ihm rasch entgegen)
ZWEITER AUFZUG
Siebenter Auftritt
Johanna. Montgomery
JOHANNA. Du bist des Todes! Eine britsche Mutter zeugte dich.
MONTGOMERY (fällt ihr zu Füßen).
Halt ein, Furchtbare! Nicht den Unverteidigten
Durchbohre. Weggeworfen hab ich Schwert und Schild,
Zu deinen Füßen sink ich wehrlos, flehend hin.
Laß mir das Licht des Lebens, nimm ein Lösegeld.
Reich an Besitztum wohnt der Vater mir daheim
Im schönen Lande Wallis, wo die schlängelnde
Savern' durch grüne Auen rollt den Silberstrom,
Und fünfzig Dörfer kennen seine Herrschaft an.
Mit reichem Golde löst er den geliebten Sohn,
Wenn er mich im Frankenlager lebend noch vernimmt.
JOHANNA. Betrogner Tor! Verlorner! In der Jungfrau Hand
Bist du gefallen, die verderbliche, woraus
Nicht Rettung noch Erlösung mehr zu hoffen ist.
Wenn dich das Unglück in des Krokodils Gewalt
Gegeben oder des gefleckten Tigers Klaun,
Wenn du der Löwenmutter junge Brut geraubt,
Du könntest Mitleid finden und Barmherzigkeit,
Doch tödlich ists, der Jungfrau zu begegnen.
Denn dem Geisterreich, dem strengen, unverletzlichen,
Verpflichtet mich der furchtbar bindende Vertrag,
Mit dem Schwert zu töten alles Lebende, das mir
Der Schlachten Gott verhängnisvoll entgegenschickt.
MONTGOMERY. Furchtbar ist deine Rede, doch dein Blick ist sanft,
Nicht schrecklich bist du in der Nähe anzuschaun,
Es zieht das Herz mich zu der lieblichen Gestalt.
O bei der Milde deines zärtlichen Geschlechts
Fleh ich dich an. Erbarme meiner Jugend dich!
JOHANNA. Nicht mein Geschlecht beschwöre! Nenne mich nicht Weib.
Gleichwie die körperlosen Geister, die nicht frein
Auf irdsche Weise, schließ ich mich an kein Geschlecht
Der Menschen an, und dieser Panzer deckt kein Herz.
MONTGOMERY. O bei der Liebe heilig wallendem Gesetz,
Dem alle Herzen huldigen, beschwör ich dich.
Daheimgelassen hab ich eine holde Braut,
Schön wie du selbst bist, blühend in der Jugend
Sie harret weinend des Geliebten Wiederkunft,
O wenn du selber je zu lieben hoffst, und hoffst
Beglückt zu sein durch Liebe! Trenne grausam nicht
Zwei Herzen, die der Liebe heilig Bündnis knüpft!
JOHANNA. Du rufest lauter irdisch fremde Götter an,
Die mir nicht heilig, noch verehrlich sind. Ich weiß
Nichts von der Liebe Bündnis, das du mir beschwörst,
Und nimmer kennen werd ich ihren eiteln Dienst.
Verteidige dein Leben, denn dir ruft der Tod.
MONTGOMERY. O so erbarme meiner jammervollen Eltern dich,
Die ich zu Haus verlassen. Ja gewiß auch du
Verließest Eltern, die die Sorge quält um dich.
JOHANNA. Unglücklicher! Und du erinnerst mich daran,
Wie viele Mütter dieses Landes kinderlos,
Wie viele zarte Kinder vaterlos, wie viel
Verlobte Bräute Witwen worden sind durch euch!
Auch Englands Mütter mögen die Verzweiflung nun
Erfahren, und die Tränen kennenlernen,
Die Frankreichs jammervolle Gattinnen geweint.
MONTGOMERY. O schwer ists, in der Fremde sterben unbeweint.
JOHANNA. Wer rief euch in das fremde Land, den blühnden Fleiß
Der Felder zu verwüsten, von dem heimschen Herd
Uns zu verjagen und des Krieges Feuerbrand
Zu werfen in der Städte friedlich Heiligtum?
Ihr träumtet schon in eures Herzens eitelm Wahn,
Den freigebornen Franken in der Knechtschaft Schmach
Zu stürzen und dies große Land, gleichwie ein Boot,
An euer stolzes Meerschiff zu befestigen!
Ihr Toren! Frankreichs königliches Wappen hängt
Am Throne Gottes, eher rißt ihr einen Stern
Vom Himmelwagen, als ein Dorf aus diesem Reich,
Dem unzertrennlich ewig einigen!--Der Tag
Der Rache ist gekommen, nicht lebendig mehr
Zurückemessen werdet ihr das heilge Meer,
Das Gott zur Länderscheide zwischen euch und uns
Gesetzt, und das ihr frevelnd überschritten habt.
MONTGOMERY (läßt ihre Hand los).
O ich muß sterben! Grausend faßt mich schon der Tod.
JOHANNA. Stirb, Freund! Warum so zaghaft zittern vor dem Tod,
Dem unentfliehbaren Geschick?--Sieh mich an! Sieh!
Ich bin nur eine Jungfrau, eine Schäferin
Geboren, nicht des Schwerts gewohnt ist diese Hand,
Die den unschuldig frommen Hirtenstab geführt.
Doch weggerissen von der heimatlichen Flur,
Vom Vaters Busen, von der Schwestern lieber Brust
Muß ich hier, ich muß--mich treibt die Götterstimme, nicht
Eignes Gelüsten,--euch zu bitterm Harm, mir nicht
Zur Freude, ein Gespenst des Schreckens würgend gehn,
Den Tod verbreiten und sein Opfer sein zuletzt!
Denn nicht den Tag der frohen Heimkehr werd ich sehn,
Noch vielen von den Euren werd ich tödlich sein,
Noch viele Witwen machen, aber endlich werd
Ich selbst umkommen und erfüllen mein Geschick.
--Erfülle du auch deines. Greife frisch zum Schwert,
Und um des Lebens süße Beute kämpfen wir.
MONTGOMERY (steht auf).
Nun, wenn du sterblich bist wie ich und Waffen dich
Verwunden, kanns auch meinem Arm beschieden sein,
Zur Höll dich sendend Englands Not zu endigen.
In Gottes gnädge Hände leg ich mein Geschick.
Ruf du Verdammte deine Höllengeister an,
Dir beizustehen! Wehre deines Lebens dich!
(Er ergreift Schild und Schwert und dringt auf sie ein,
kriegerische Musik erschallt in der Ferne, nach einen kurzen
Gefechte fällt Montgomery)
ZWEITER AUFZUG
Achter Auftritt
Johanna allein
Dich trug dein Fuß zum Tode--Fahre hin!
(Sie tritt von ihm weg und bleibt gedankenvoll stehen)
Erhabne Jungfrau, du wirkst Mächtiges in mir!
Du rüstest den unkriegerischen Arm mit Kraft,
Dies Herz mit Unerbittlichkeit bewaffnest du.
In Mitleid schmilzt die Seele und die Hand erbebt,
Als bräche sie in eines Tempels heilgen Bau,
Den blühenden Leib des Gegners zu verletzen,
Schon vor des Eisens blanker Schneide schaudert mir,
Doch wenn es not tut, alsbald ist die Kraft mir da,
Und nimmer irrend in der zitternden Hand regiert
Das Schwert sich selbst, als wär es ein lebendger Geist.
ZWEITER AUFZUG
Neunter Auftritt
Ein Ritter mit geschloßnem Visier. Johanna
RITTER. Verfluchte! Deine Stunde ist gekommen,
Dich sucht ich auf dem ganzen Feld der Schlacht.
Verderblich Blendwerk! Fahre zu der Hölle
Zurück, aus der du aufgestiegen bist.
JOHANNA. Wer bist du, den sein böser Engel mir
Entgegen schickt? Gleich eines Fürsten ist
Dein Anstand, auch kein Brite scheinst du mir,
Denn dich bezeichnet die burgundsche Binde,
Vor der sich meines Schwertes Spitze neigt.
RITTER. Verworfne, du verdientest nicht zu fallen
Von eines Fürsten edler Hand. Das Beil
Des Henkers sollte dein verdammtes Haupt
Vom Rumpfe trennen, nicht der tapfre Degen
Des königlichen Herzogs von Burgund.
JOHANNA. So bist du dieser edle Herzog selbst?
RITTER (schlägt das Visier auf).
Ich bins. Elende, zittre und verzweifle!
Die Satanskünste schützen dich nicht mehr,
Du hast bis jetzt nur Schwächlinge bezwungen,
Ein Mann steht vor dir.
ZWEITER AUFZUG
Zehnter Auftritt
Dunois und La Hire zu den Vorigen
DUNOIS. Wende dich, Burgund!
Mit Männern kämpfe, nicht mit Jungfrauen.
LA HIRE. Wir schützen der Prophetin heilig Haupt,
Erst muß dein Degen diese Brust durchbohren--
BURGUND. Nicht diese buhlerische Circe fürcht ich,
Noch euch, die sie so schimpflich hat verwandelt.
Erröte, Bastard, Schande dir, La Hire,
Daß du die alte Tapferkeit zu Künsten
Der Höll erniedrigst, den verächtlichen
Schildknappen einer Teufelsdirne machst.
Kommt her! Euch allen biet ichs! Der verzweifelt
An Gottes Schutz, der zu dem Teufel flieht.
(Sie bereiten sich zum Kampf, Johanna tritt dazwischen)
JOHANNA. Haltet inne!
BURGUND. Zitterst du für deinen Buhlen?
Vor deinen Augen soll er--(Dringt auf Dunois ein)
JOHANNA. Haltet inne!
Trennt sie, La Hire--Kein französisch Blut soll fließen!
Nicht Schwerter sollen diesen Streit entscheiden.
Ein andres ist beschlossen in den Sternen--
Auseinander sag ich--Höret und verehrt
Den Geist, der mich ergreift, der aus mir redet!
DUNOIS. Was hältst du meinen aufgehobnen Arm,
Und hemmst des Schwertes blutige Entscheidung?
Das Eisen ist gezückt, es fällt der Streich,
Der Frankreich rächen und versöhnen soll.
JOHANNA (stellt sich in die Mitte und trennt beide Teile durch
einen weiten Zwischenraum, zum Bastard). Tritt auf die Seite!
(Zu La Hire) Bleib gefesselt stehen!
Ich habe mit dem Herzoge zu reden.
(Nachdem alles ruhig ist)
Was willst du tun, Burgund? Wer ist der Feind,
Den deine Blicke mordbegierig suchen?
Dieser edle Prinz ist Frankreichs Sohn wie du
Dieser Tapfre ist dein Waffenfreund und Landsmann,
Ich selbst bin deines Vaterlandes Tochter.
Wir alle, die du zu vertilgen strebst,
Gehören zu den Deinen--unsre Arme
Sind aufgetan dich zu empfangen, unsre Knie
Bereit dich zu verehren--unser Schwert
Hat keine Spitze gegen dich. Ehrwürdig
Ist uns das Antlitz, selbst im Feindeshelm,
Das unsers Königs teure Züge trägt.
BURGUND. Mit süßer Rede schmeichlerischem Ton
Willst du Sirene! deine Opfer locken.
Arglistge, mich betörst du nicht. Verwahrt
Ist mir das Ohr vor deiner Rede Schlingen
Und deines Auges Feuerpfeile gleiten
Am guten Harnisch meines Busens ab.
Zu den Waffen, Dunois!
Mit Streichen nicht mit Worten laß uns fechten.
DUNOIS. Erst Worte und dann Streiche. Fürchtest du
Vor Worten dich? Auch das ist Feigheit
Und der Verräter einer bösen Sache.
JOHANNA. Uns treibt nicht die gebieterische Not
Zu deinen Füßen, nicht als Flehende
Erscheinen wir vor dir.--Blick um dich her!
In Asche liegt das engelländsche Lager,
Und eure Toten decken das Gefild.
Du hörst der Franken Kriegstrommete tönen,
Gott hat entschieden, unser ist der Sieg.
Des schönen Lorbeers frisch gebrochnen Zweig
Sind wir bereit, mit unserm Freund zu teilen.
--O komm herüber! Edler Flüchtling komm!
Herüber, wo das Recht ist und der Sieg.
Ich selbst, die Gottgesandte, reiche dir
Die schwesterliche Hand. Ich will dich rettend
Herüberziehn auf unsre reine Seite!--
Der Himmel ist für Frankreich. Seine Engel,
Du siehst sie nicht, sie fechten für den König,
Sie alle sind mit Lilien geschmückt,
Lichtweiß wie diese Fahn ist unsre Sache,
Die reine Jungfrau ist ihr keusches Sinnbild.
BURGUND. Verstrickend ist der Lüge trüglich Wort,
Doch ihre Rede ist wie eines Kindes.
Wenn böse Geister ihr die Worte leihn,
So ahmen sie die Unschuld siegreich nach.
Ich will nicht weiter hören. Zu den Waffen!
Mein Ohr, ich fühle, ist schwächer als mein Arm.
JOHANNA. Du nennst mich eine Zauberin, gibst mir Künste
Der Hölle schuld--Ist Frieden stiften, Haß
Versöhnen ein Geschäft der Hölle? Kommt
Die Eintracht aus dem ewgen Pfuhl hervor?
Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut,
Wenn es der Kampf nicht ist ums Vaterland?
Seit wann ist die Natur so mit sich selbst
Im Streite, daß der Himmel die gerechte Sache
Verläßt, und daß die Teufel sie beschützen?
Ist aber das, was ich dir sage, gut,
Wo anders als von oben könnt ichs schöpfen?
Wer hätte sich auf meiner Schäfertrift
Zu mir gesellt, das kindsche Hirtenmädchen
In königlichen Dingen einzuweihn?
Ich bin vor hohen Fürsten nie gestanden,
Die Kunst der Rede ist dem Munde fremd.
Doch jetzt, da ichs bedarf dich zu bewegen,
Besitz ich Einsicht, hoher Dinge Kunde,
Der Länder und der Könige Geschick
Liegt sonnenhell vor meinem Kindesblick,
Und einen Donnerkeil führ ich im Munde.
BURGUND (lebhaft bewegt, schlägt die Augen zu ihr auf und
betrachtet sie mit Erstaunen und Rührung).
Wie wird mir? Wie geschieht mir? Ists ein Gott,
Der mir das Herz im tiefsten Busen wendet!
--Sie trügt nicht, diese rührende Gestalt!
Nein! Nein! Bin ich durch Zaubers Macht geblendet,
So ists durch eine himmlische Gewalt,
Mir sagts das Herz, sie ist von Gott gesendet.
JOHANNA. Er ist gerührt, er ists! Ich habe nicht
Umsonst gefleht, des Zornes Donnerwolke schmilzt
Von seiner Stirne tränentauend hin,
Und aus den Augen, Friede strahlend, bricht
Die goldne Sonne des Gefühls hervor.
--Weg mit den Waffen--drücket Herz an Herz--
Er weint, er ist bezwungen, er ist unser!
(Schwert und Fahne entsinken ihr, sie eilt auf ihn zu mit
ausgebreiteten Armen und umschlingt ihn mit leidenschaftlichem
Ungestüm. La Hire und Dunois lassen die Schwerter fallen und
eilen ihn zu umarmen)
DRITTER AUFZUG
Hoflager des Königs zu Chalons an der Marne
Erster Auftritt
Dunois und La Hire
DUNOIS. Wir waren Herzensfreunde, Waffenbrüder,
Für eine Sache hoben wir den Arm
Und hielten fest in Not und Tod zusammen.
Laßt Weiberliebe nicht das Band zertrennen,
Das jeden Schicksalswechsel ausgehalten.
LA HIRE. Prinz, hört mich an!
DUNOIS. Ihr liebt das wunderbare Mädchen,
Und mir ist wohl bekannt, worauf Ihr sinnt.
Zum König denkt Ihr stehnden Fußes jetzt
Zu gehen, und die Jungfrau zum Geschenk
Euch zu erbitten--Eurer Tapferkeit
Kann er den wohlverdienten Preis nicht weigern.
Doch wißt--eh ich in eines andern Arm
Sie sehe--
LA HIRE. Hört mich, Prinz!
DUNOIS. Es zieht mich nicht
Der Augen flüchtig schnelle Lust zu ihr.
Den unbezwungnen Sinn hat nie ein Weib
Gerührt, bis ich die Wunderbare sah,
Die eines Gottes Schickung diesem Reich
Zur Retterin bestimmt und mir zum Weibe,
Und in dem Augenblick gelobt ich mir
Mit heilgem Schwur als Braut sie heimzuführen.
Denn nur die Starke kann die Freundin sein
Des starken Mannes, und dies glühnde Herz
Sehnt sich an einer gleichen Brust zu ruhn,
Die seine Kraft kann fassen und ertragen.
LA HIRE. Wie könnt ichs wagen, Prinz, mein schwach Verdienst
Mit Eures Namens Heldenruhm zu messen!
Wo sich Graf Dunois in die Schranken stellt,
Muß jeder andre Mitbewerber weichen.
Doch eine niedre Schäferin kann nicht
Als Gattin würdig Euch zur Seite stehn,
Das königliche Blut, das Eure Adern
Durchrinnt, verschmäht so niedrige Vermischung.
DUNOIS. Sie ist das Götterkind der heiligen
Natur, wie ich, und ist mir ebenbürtig.
Sie sollte eines Fürsten Hand entehren,
Die eine Braut der reinen Engel ist,
Die sich das Haupt mit einem Götterschein
Umgibt, der heller strahlt als irdsche Kronen,
Die jedes Größte, Höchste dieser Erden
Klein unter ihren Füßen liegen sieht;
Denn alle Fürstenthronen aufeinander
Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut,
Erreichten nicht die Höhe, wo sie steht,
In ihrer Engelsmajestät!
LA HIRE. Der König mag entscheiden.
DUNOIS. Nein, sie selbst
Entscheide! Sie hat Frankreich frei gemacht
Und selber frei muß sie ihr Herz verschenken.
LA HIRE. Da kommt der König!
DRITTER AUFZUG
Zweiter Auftritt
Karl. Agnes Sorel. Du Chatel, der Erzbischof und Chatillon zu
den Vorigen
KARL (zu Chatillon). Er kommt! Er will als seinen König mich
Erkennen, sagt Ihr, und mir huldigen?
CHATILLON. Hier, Sire, in deiner königlichen Stadt
Chalons will sich der Herzog, mein Gebieter,
Zu deinen Füßen werfen.--Mir befahl er,
Als meinen Herrn und König dich zu grüßen,
Er folgt mir auf dem Fuß, gleich naht er selbst.
SOREL. Er kommt! O schöne Sonne dieses Tags,
Der Freude bringt und Frieden und Versöhnung!
CHATILLON. Mein Herr wird kommen mit zweihundert Rittern,
Er wird zu deinen Füßen niederknien,
Doch er erwartet, daß du es nicht duldest,
Als deinen Vetter freundlich ihn umarmest.
KARL. Mein Herz glüht, an dem seinigen zu schlagen.
CHATILLON. Der Herzog bittet, daß des alten Streits
Beim ersten Wiedersehn mit keinem Worte Meldung gescheh!
KARL. Versenkt im Lethe sei
Auf ewig das Vergangene. Wir wollen
Nur in der Zukunft heitre Tage sehn.
CHATILLON. Die für Burgund gefochten, alle sollen
In die Versöhnung aufgenommen sein.
KARL. Ich werde so mein Königreich verdoppeln!
CHATILLON. Die Königin Isabeau soll in dem Frieden
Mit eingeschlossen sein, wenn sie ihn annimmt.
KARL. Sie führet Krieg mit mir, nicht ich mit ihr.
Unser Streit ist aus, sobald sie selbst ihn endigt.
CHATILLON. Zwölf Ritter sollen bürgen für dein Wort.
KARL. Mein Wort ist heilig.
CHATILLON. Und der Erzbischof
Soll eine Hostie teilen zwischen dir und ihm,
Zum Pfand und Siegel redlicher Versöhnung.
KARL. So sei mein Anteil an dem ewgen Heil,
Als Herz und Handschlag bei mir einig sind.
Welch andres Pfand verlangt der Herzog noch?
CHATILLON (mit einem Blick auf Du Chatel).
Hier seh ich einen, dessen Gegenwart
Den ersten Gruß vergiften könnte.
(Du Chatel geht schweigend)
KARL. Geh,
Du Chatel! Bis der Herzog deinen Anblick
Ertragen kann, magst du verborgen bleiben!
(Er folgt ihm mit den Augen, dann eilt er ihm nach und umarmt ihn)
Rechtschaffner Freund! Du wolltest mehr als dies
Für meine Ruhe tun!
(Du Chatel geht ab)
CHATILLON. Die andern Punkte nennt dies Instrument.
KARL (zum Erzbischof). Bringt es in Ordnung. Wir genehmgen alles,
Für einen Freund ist uns kein Preis zu hoch.
Geht, Dunois! Nehmt hundert edle Ritter
Mit Euch und holt den Herzog freundlich ein.
Die Truppen alle sollen sich mit Zweigen
Bekränzen, ihre Brüder zu empfangen.
Zum Feste schmücke sich die ganze Stadt,
Und alle Glocken sollen es verkünden,
Daß Frankreich und Burgund sich neu verbünden.
(Ein Edelknecht kommt. Man hört Trompeten)
Horch! Was bedeutet der Trompeten Ruf?
EDELKNECHT. Der Herzog von Burgund hält seinen Einzug. (Geht ab)
DUNOIS (geht mit La Hire und Chatillon). Auf! Ihm entgegen!
KARL (zur Sorel). Agnes, du weinst? Beinah gebricht auch mir
Die Stärke, diesen Auftritt zu ertragen.
Wie viele Todesopfer mußten fallen,
Bis wir uns friedlich konnten wiedersehen.
Doch endlich legt sich jedes Sturmes Wut,
Tag wird es auf die dickste Nacht, und kommt
Die Zeit, so reifen auch die spätsten Früchte!
ERZBISCHOF (am Fenster).
Der Herzog kann sich des Gedränges kaum
Erledigen. Sie heben ihn vom Pferd,
Sie küssen seinen Mantel, seine Sporen.
KARL. Es ist ein gutes Volk, in seiner Liebe
Raschlodernd wie in seinem Zorn.--Wie schnell
Vergessen ists, daß eben dieser Herzog
Die Väter ihnen und die Söhne schlug,
Der Augenblick verschlingt ein ganzes Leben!
--Faß dich, Sorel! Auch deine heftge Freude
Möcht ihm ein Stachel in die Seele sein,
Nichts soll ihn hier beschämen, noch betrüben.
DRITTER AUFZUG
Dritter Auftritt
Die Vorigen. Herzog von Burgund. Dunois. La Hire. Chatillon und
noch zwei andere Ritter von des Herzogs Gefolge. Der Herzog
bleibt am Eingang stehen, der König bewegt sich gegen ihn,
sogleich nähert sich Burgund und in dem Augenblick, wo er sich
auf ein Knie will niederlassen, empfängt ihn der König in seinen
Armen
KARL. Ihr habt uns überrascht--Euch einzuholen
Gedachten wir--Doch Ihr habt schnelle Pferde.
BURGUND. Sie trugen mich zu meiner Pflicht.
(Er umarmt die Sorel und küßt sie auf die Stirne)
Mit Eurer Erlaubnis,
Base. Das ist unser Herrenrecht
Zu Arras und kein schönes Weib darf sich
Der Sitte weigern.
KARL. Eure Hofstatt ist
Der Sitz der Minne, sagt man, und der Markt,
Wo alles Schöne muß den Stapel halten.
BURGUND. Wir sind ein handeltreibend Volk, mein König.
Was köstlich wächst in allen Himmelstrichen,
Wird ausgestellt zur Schau und zum Genuß
Auf unserm Markt zu Brügg, das höchste aber
Von allen Gütern ist der Frauen Schönheit.
SOREL. Der Frauen Treue gilt noch höhern Preis,
Doch auf dem Markte wird sie nicht gesehn.
KARL. Ihr steht in bösem Ruf und Leumund, Vetter,
Daß Ihr der Frauen schönste Tugend schmäht.
BURGUND. Die Ketzerei straft sich am schwersten selbst.
Wohl Euch, mein König! Früh hat Euch das Herz,
Was mich ein wildes Leben spät, gelehrt!
(Er bemerkt den Erzbischof und reicht ihm die Hand)
Ehrwürdger Mann Gottes! Euren Segen!
Euch trifft man immer auf dem rechten Platz,
Wer Euch will finden, muß im Guten wandeln.
ERZBISCHOF. Mein Meister rufe, wenn er will, dies Herz
Ist freudensatt und ich kann fröhlich scheiden,
Da meine Augen diesen Tag gesehn!
BURGUND (zur Sorel). Man spricht, Ihr habt Euch Eurer edeln Steine
Beraubt, um Waffen gegen mich daraus
Zu schmieden? Wie? Seid Ihr so kriegerisch
Gesinnt? Wars Euch so ernst mich zu verderben,
Doch unser Streit ist nun vorbei, es findet
Sich alles wieder, was verloren war,
Auch Euer Schmuck hat sich zurückgefunden,
Zum Kriege wider mich war er bestimmt,
Nehmt ihn aus meiner Hand zum Friedenszeichen.
(Er empfängt von einem seiner Begleiter das Schmuckkästchen und
überreicht es ihr geöffnet. Agnes Sorel sieht den König betroffen
an)
KARL. Nimm das Geschenk, es ist ein zweifach teures Pfand
Der schönen Liebe mir und der Versöhnung.
BURGUND (indem er eine brillantne Rose in ihre Haare steckt).
Warum ist es nicht Frankreichs Königskrone?
Ich würde sie mit gleich geneigtem Herzen
Auf diesem schönen Haupt befestigen.
(Ihre Hand bedeutend fassend)
Und--zählt auf mich, wenn Ihr dereinst des Freundes
Bedürfen solltet!
(Agnes Sorel in Tränen ausbrechend tritt auf die Seite, auch
der König bekämpft eine große Bewegung, alle Umstehende blicken
gerührt auf beide Fürsten)
BURGUND (nachdem er alle der Reihe nach angesehen, wirft er
sich in die Arme des Königs).
O mein König!
(In demselben Augenblick eilen die drei burgundischen Ritter
auf Dunois, La Hire und den Erzbischof zu und umarmen einander.
Beide Fürsten liegen eine Zeitlang einander sprachlos in den Armen)
Euch konnt ich hassen! Euch konnt ich entsagen!
KARL. Still! Still! Nicht weiter!
BURGUND. Diesen Engelländer
Konnt ich krönen! Diesem Fremdling Treue schwören!
Euch meinen König ins Verderben stürzen!
KARL. Vergeßt es! Alles ist verziehen. Alles
Tilgt dieser einzge Augenblick. Es war
Ein Schicksal, ein unglückliches Gestirn!
BURGUND (faßt seine Hand).
Ich will gutmachen! Glaubet mir, ich wills.
Alle Leiden sollen Euch erstattet werden,
Euer ganzes Königreich sollt Ihr zurück
Empfangen--nicht ein Dorf soll daran fehlen!
KARL. Wir sind vereint. Ich fürchte keinen Feind mehr.
BURGUND. Glaubt mir, ich führte nicht mit frohem Herzen
Die Waffen wider Euch. O wüßtet Ihr--
Warum habt Ihr mir diese nicht geschickt?
(Auf die Sorel zeigend) Nicht widerstanden hätt ich ihren Tränen!
--Nun soll uns keine Macht der Hölle mehr
Entzweien, da wir Brust an Brust geschlossen!
Jetzt hab ich meinen wahren Ort gefunden,
An diesem Herzen endet meine Irrfahrt.
ERZBISCHOF (tritt zwischen beide).
Ihr seid vereinigt, Fürsten! Frankreich steigt
Ein neu verjüngter Phönix aus der Asche,
Uns lächelt eine schöne Zukunft an.
Des Landes tiefe Wunden werden heilen,
Die Dörfer, die verwüsteten, die Städte
Aus ihrem Schutt sich prangender erheben,
Die Felder decken sich mit neuem Grün
Doch, die das Opfer eures Zwists gefallen,
Die Toten stehen nicht mehr auf, die Tränen,
Die eurem Streit geflossen, sind und bleiben
Geweint! Das kommende Geschlecht wird blühen,
Doch das vergangne war des Elends Raub,
Der Enkel Glück erweckt nicht mehr die Väter.
Das sind die Früchte eures Bruderzwists!
Laßts euch zur Lehre dienen! Fürchtet die Gottheit
Des Schwerts, eh ihrs der Scheid entreißt. Loslassen
Kann der Gewaltige den Krieg, doch nicht
Gelehrig wie der Falk sich aus den Lüften
Zurückschwingt auf des Jägers Hand, gehorcht
Der wilde Gott dem Ruf der Menschenstimme.
Nicht zweimal kommt im rechten Augenblick
Wie heut die Hand des Retters aus den Wolken.
BURGUND. O Sire! Euch wohnt ein Engel an der Seite.
--Wo ist sie? Warum seh ich sie nicht hier?
KARL. Wo ist Johanna? Warum fehlt sie uns
In diesem festlich schönen Augenblick,
Den sie uns schenkte?
ERZBISCHOF. Sire! Das heilge Mädchen
Liebt nicht die Ruhe eines müßgen Hofs,
Und ruft sie nicht der göttliche Befehl
Ans Licht der Welt hervor, so meidet sie
Verschämt den eitlen Blick gemeiner Augen!
Gewiß bespricht sie sich mit Gott, wenn sie
Für Frankreichs Wohlfahrt nicht geschäftig ist,
Denn allen ihren Schritten folgt der Segen.
DRITTER AUFZUG
Vierter Auftritt
Johanna zu den Vorigen. Sie ist im Harnisch, aber ohne Helm,
und trägt einen Kranz in den Haaren
KARL Du kommst als Priesterin geschmückt, Johanna,
Den Bund, den du gestiftet, einzuweihn?
BURGUND. Wie schrecklich war die Jungfrau in der Schlacht,
Und wie umstrahlt mit Anmut sie der Friede!
--Hab ich mein Wort gelöst, Johanna? Bist du
Befriedigt und verdien ich deinen Beifall?
JOHANNA. Dir selbst hast du die größte Gunst erzeigt.
Jetzt schimmerst du in segenvollem Licht,
Da du vorhin in blutrotdüsterm Schein
Ein Schreckensmond an diesem Himmel hingst.
(Sich umschauend)
Viel edle Ritter find ich hier versammelt
Und alle Augen glänzen freudenhell,
Nur einem Traurigen hab ich begegnet,
Der sich verbergen muß, wo alles jauchzt.
BURGUND. Und wer ist sich so schwerer Schuld bewußt,
Daß er an unsrer Huld verzweifeln müßte,
JOHANNA. Darf er sich nahn? O sage, daß ers darf?
Mach dein Verdienst vollkommen. Eine Versöhnung
Ist keine, die das Herz nicht ganz befreit.
Ein Tropfe Haß, der in dem Freudenbecher
Zurückbleibt, macht den Segenstrank zum Gift.
--Kein Unrecht sei so blutig, daß Burgund
An diesem Freudentag es nicht vergebe!
BURGUND. Ha, ich verstehe dich!
JOHANNA. Und willst verzeihn?
Du willst es, Herzog?--Komm herein, Du Chatel!
(Sie öffnet die Tür und führt Du Chatel herein, dieser bleibt
in der Entfernung stehen)
Der Herzog ist mit seinen Feinden allen
Versöhnt, er ist es auch mit dir.
(Du Chatel tritt einige Schritte näher und sucht in den Augen
des Herzogs zu lesen)
BURGUND. Was machst du
Aus mir, Johanna? Weißt du, was du foderst?
JOHANNA. Ein gütger Herr tut seine Pforten auf
Für alle Gäste, keinen schließt er aus;
Frei wie das Firmament die Welt umspannt,
So muß die Gnade Freund und Feind umschließen.
Es schickt die Sonne ihre Strahlen gleich
Nach allen Räumen der Unendlichkeit,
Gleichmessend gießt der Himmel seinen Tau
Auf alle durstenden Gewächse aus.
Was irgend gut ist und von oben kommt,
Ist allgemein und ohne Vorbehalt,
Doch in den Falten wohnt die Finsternis!
BURGUND. O sie kann mit mir schalten wie sie will,
Mein Herz ist weiches Wachs in ihrer Hand.
--Umarmt mich, Du Chatel; ich vergeb Euch.
Geist meines Vaters, zürne nicht, wenn ich
Die Hand, die dich getötet, freundlich fasse.
Ihr Todesgötter, rechnet mirs nicht zu,
Daß ich mein schrecklich Rachgelübde breche.
Bei euch dort unten in der ewgen Nacht,
Da schlägt kein Herz mehr, da ist alles ewig,
Steht alles unbeweglich fest--doch anders
Ist es hier oben in der Sonne Licht.
Der Mensch ist, der lebendig fühlende,
Der leichte Raub des mächtgen Augenblicks.
KARL (zu Johanna). Was dank ich dir nicht alles, hohe Jungfrau!
Wie schön hast du dein Wort gelöst!
Wie schnell mein ganzes Schicksal umgewandelt!
Die Freunde hast du mir versöhnt, die Feinde
Mir in den Staub gestürzt, und meine Städte
Dem fremden Joch entrissen--Du allein
Vollbrachtest alles.--Sprich, wie lohn ich dir!
JOHANNA. Sei immer menschlich, Herr, im Glück, wie dus
Im Unglück warst--und auf der Größe Gipfel
Vergiß nicht, was ein Freund wiegt in der Not,
Du hasts in der Erniedrigung erfahren.
Verweigre nicht Gerechtigkeit und Gnade
Dem letzten deines Volks, denn von der Herde
Berief dir Gott die Retterin--du wirst
Ganz Frankreich sammeln unter deinen Szepter,
Der Ahn, und Stammherr großer Fürsten sein,
Die nach dir kommen, werden heller leuchten,
Als die dir auf dem Thron vorangegangen.
Dein Stamm wird blühn, solang er sich die Liebe
Bewahrt im Herzen seines Volks,
Der Hochmut nur kann ihn zum Falle fahren,
Und von den niedern Hütten, wo dir jetzt
Der Retter ausging, droht geheimnisvoll
Den schuldgefleckten Enkeln das Verderben!
BURGUND. Erleuchtet Mädchen, das der Geist beseelt,
Wenn deine Augen in die Zukunft dringen,
So sprich mir auch von meinem Stamm! Wird er
Sich herrlich breiten wie er angefangen?
JOHANNA. Burgund! Hoch bis zu Throneshöhe hast
Du deinen Stuhl gesetzt, und höher strebt
Das stolze Herz, es hebt bis in die Wolken
Den kühnen Bau.--Doch eine Hand von oben
Wird seinem Wachstum schleunig Halt gebieten.
Doch fürchte drum nicht deines Hauses Fall!
In einer Jungfrau lebt es glänzend fort,
Und zeptertragende Monarchen, Hirten
Der Völker werden ihrem Schoß entblühn.
Sie werden herrschen auf zwei großen Thronen,
Gesetze schreiben der bekannten Welt
Und einer neuen, welche Gottes Hand
Noch zudeckt hinter unbeschifften Meeren.
KARL. O sprich, wenn es der Geist dir offenbaret,
Wird dieses Freundesbündnis, das wir jetzt
Erneut, auch noch die späten Enkelsöhne
Vereinigen?
JOHANNA (nach einem Stillschweigen).
Ihr Könige und Herrscher!
Fürchtet die Zwietracht! Wecket nicht den Streit
Aus seiner Höhle, wo er schläft, denn einmal
Erwacht bezähmt er spät sich wieder! Enkel
Erzeugt er sich, ein eisernes Geschlecht,
Fortzündet an dem Brande sich der Brand.
--Verlangt nicht mehr zu wissen! Freuet euch
Der Gegenwart, laßt mich die Zukunft still
Bedecken!
SOREL. Heilig Mädchen, du erforschest
Mein Herz, du weißt, ob es nach Größe eitel strebt.
Auch mir gib ein erfreuliches Orakel.
JOHANNA. Mir zeigt der Geist nur große Weltgeschicke,
Dein Schicksal ruht in deiner eignen Brust!
Dunois. Was aber wird dein eigen Schicksal sein,
Erhabnes Mädchen, das der Himmel liebt!
Dir blüht gewiß das schönste Glück der Erden,
Da du so fromm und heilig bist.
JOHANNA. Das Glück
Wohnt droben in dem Schoß des ewgen Vaters.
KARL. Dein Glück sei fortan deines Königs Sorge!
Denn deinen Namen will ich herrlich machen
In Frankreich, selig preisen sollen dich
Die spätesten Geschlechter--und gleich jetzt
Erfüll ich es.--Knie nieder!
(Er zieht das Schwert und berührt sie mit demselben)
Und steh auf Als eine Edle! Ich erhebe dich,
Dein König, aus dem Staube deiner dunkeln
Geburt--Im Grabe adl ich deine Väter--
Du sollst die Lilie im Wappen tragen,
Den Besten sollst du ebenbürtig sein
In Frankreich, nur das königliche Blut
Von Valois sei edler als das deine!
Der Größte meiner Großen fühle sich
Durch deine Hand geehrt, mein sei die Sorge,
Dich einem edeln Gatten zu vermählen.
DUNOIS (tritt vor). Mein Herz erkor sie, da sie niedrig war,
Die neue Ehre, die ihr Haupt umglänzt,
Erhöht nicht ihr Verdienst, noch meine Liebe.
Hier in dem Angesichte meines Königs
Und dieses heilgen Bischofs reich ich ihr
Die Hand als meiner fürstlichen Gemahlin,
Wenn sie mich würdig hält, sie zu empfangen.
KARL. Unwiderstehlich Mädchen, du häufst Wunder
Auf Wunder! Ja, nun glaub ich, daß dir nichts
Unmöglich ist. Du hast dies stolze Herz
Bezwungen, das der Liebe Allgewalt
Hohn sprach bis jetzt.
LA HIRE (tritt vor). Johannas schönster Schmuck,
Kenn ich sie recht, ist ihr bescheidnes Herz.
Der Huldigung des Größten ist sie wert,
Doch nie wird sie den Wunsch so hoch erheben.
Sie strebt nicht schwindelnd irdscher Hoheit nach,
Die treue Neigung eines redlichen
Gemüts genügt ihr, und das stille Los,
Das ich mit dieser Hand ihr anerbiete.
KARL. Auch du, La Hire? Zwei treffliche Bewerber
An Heldentugend gleich und Kriegesruhm!
--Willst du, die meine Feinde mir versöhnt,
Mein Reich vereinigt, mir die liebsten Freunde
Entzwein? Es kann sie einer nur besitzen,
Und jeden acht ich solches Preises wert.
So rede du, dein Herz muß hier entscheiden.
SOREL (tritt näher). Die edle Jungfrau seh ich überrascht
Und ihre Wangen färbt die züchtge Scham.
Man geb ihr Zeit, ihr Herz zu fragen, sich
Der Freundin zu vertrauen und das Siegel
Zu lösen von der fest verschloßnen Brust.
Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo
Auch ich der strengen Jungfrau schwesterlich
Mich nahen, ihr den treu verschwiegnen Busen
Darbieten darf--Man laß uns weiblich erst
Das Weibliche bedenken und erwarte,
Was wir beschließen werden.
KARL (im Begriff zu gehen). Also seis!
JOHANNA. Nicht also, Sire! Was meine Wangen färbte,
War die Verwirrung nicht der blöden Scham.
Ich habe dieser edeln Frau nichts zu vertraun,
Dess' ich vor Männern mich zu schämen hätte.
Hoch ehrt mich dieser edeln Ritter Wahl.
Doch nicht verließ ich meine Schäfertrift,
Um weltlich eitle Hoheit zu erlagen,
Noch mir den Brautkranz in das Haar zu flechten,
Legt ich die ehrne Waffenrüstung an.
Berufen bin ich zu ganz anderm Werk,
Die reine Jungfrau nur kann es vollenden.
Ich bin die Kriegerin des höchsten Gottes,
Und keinem Manne kann ich Gattin sein.
ERZBISCHOF. Dem Mann zur liebenden Gefährtin ist
Das Weib geboren--wenn sie der Natur
Gehorcht, dient sie am würdigsten dem Himmel!
Und hast du dem Befehle deines Gottes,
Der in das Feld dich rief, genuggetan,
So wirst du deine Waffen von dir legen,
Und wiederkehren zu dem sanfteren
Geschlecht, das du verleugnet hast, das nicht
Berufen ist zum blutgen Werk der Waffen.
JOHANNA. Ehrwürdger Herr, ich weiß noch nicht zu sagen,
Was mir der Geist gebieten wird zu tun;
Doch wenn die Zeit kommt, wird mir seine Stimme
Nicht schweigen, und gehorchen werd ich ihr.
Jetzt aber heißt er mich mein Werk vollenden,
Die Stirne meines Herren ist noch nicht
Gekrönt, das heilge Öl hat seine Scheitel
Noch nicht benetzt, noch heißt mein Herr nicht König.
KARL. Wir sind begriffen auf dem Weg nach Reims.
JOHANNA. Laß uns nicht still stehn, denn geschäftig sind
Die Feinde rings, den Weg dir zu verschließen.
Doch mitten durch sie alle führ ich dich!
DUNOIS. Wenn aber alles wird vollendet sein,
Wenn wir zu Reims nun siegend eingezogen,
Wirst du mir dann vergönnen, heilig Mädchen--
JOHANNA. Will es der Himmel, daß ich sieggekrönt
Aus diesem Kampf des Todes wiederkehre,
So ist mein Werk vollendet--und die Hirtin
Hat kein Geschäft mehr in des Königs Hause.
KARL (ihre Hand fassend).
Dich treibt des Geistes Stimme jetzt, es schweigt
Die Liebe in dem gotterfüllten Busen.
Sie wird nicht immer schweigen, glaube mir!
Die Waffen werden ruhn, es führt der Sieg
Den Frieden an der Hand, dann kehrt die Freude
In jeden Busen ein, und sanftere
Gefühle wachen auf in allen Herzen--
Sie werden auch in deiner Brust erwachen,
Und Tränen süßer Sehnsucht wirst du weinen,
Wie sie dein Auge nie vergoß--dies Herz,
Das jetzt der Himmel ganz erfüllt, wird sich
Zu einem irdschen Freunde liebend wenden--
Jetzt hast du rettend Tausende beglückt,
Und einen zu beglücken wirst du enden!
JOHANNA. Dauphin! Bist du der göttlichen Erscheinung
Schon müde, daß du ihr Gefäß zerstören,
Die reine Jungfrau, die dir Gott gesendet,
Herab willst ziehn in den gemeinen Staub,
Ihr blinden Herzen! Ihr Kleingläubigen!
Des Himmels Herrlichkeit umleuchtet euch,
Vor eurem Aug enthüllt er seine Wunder,
Und ihr erblickt in mir nichts als ein Weib.
Darf sich ein Weib mit kriegerischem Erz
Umgeben, in die Männerschlacht sich mischen?
Weh mir, wenn ich das Rachschwert meines Gottes
In Händen führte, und im eiteln Herzen
Die Neigung trüge zu dem irdschen Mann!
Mir wäre besser, ich wär nie geboren!
Kein solches Wort mehr, sag ich euch, wenn ihr
Den Geist in mir nicht zürnend wollt entrüsten!
Der Männer Auge schon, das mich begehrt,
Ist mir ein Grauen und Entheiligung.
KARL. Brecht ab. Es ist umsonst sie zu bewegen.
JOHANNA. Befiehl, daß man die Kriegstrommete blase!
Mich preßt und ängstigt diese Waffenstille,
Es jagt mich auf aus dieser müßgen Ruh,
Und treibt mich fort, daß ich mein Werk erfülle,
Gebietrisch mahnend meinem Schicksal zu.
DRITTER AUFZUG
Fünfter Auftritt
Ein Ritter eilfertig
KARL. Was ists?
RITTER. Der Feind ist über die Marne gegangen,
Und stellt sein Heer zum Treffen.
JOHANNA (begeistert). Schlacht und Kampf!
Jetzt ist die Seele ihrer Banden frei.
Bewaffnet euch, ich ordn indes die Scharen. (Sie eilt hinaus)
KARL. Folgt ihr, La Hire--Sie wollen uns am Tore
Von Reims noch um die Krone kämpfen lassen!
DUNOIS. Sie treibt nicht wahrer Mut. Es ist der letzte
Versuch ohnmächtig wütender Verzweiflung.
KARL. Burgund, Euch sporn ich nicht. Heut ist der Tag,
Um viele böse Tage zu vergüten.
BURGUND. Ihr sollt mit mir zufrieden sein.
KARL. Ich selbst
Will Euch vorangehn auf dem Weg des Ruhms,
Und in dem Angesicht der Krönungsstadt
Die Krone mir erfechten.--Meine Agnes!
Dein Ritter sagt dir Lebewohl!
AGNES (umarmt ihn). Ich weine nicht, ich zittre nicht für dich,
Mein Glaube greift vertrauend in die Wolken!
So viele Pfänder seiner Gnade gab
Der Himmel nicht, daß wir am Ende trauern!
Vom Sieg gekrönt umarm ich meinen Herrn,
Mir sagts das Herz, in Reims' bezwungnen Mauern.
(Trompeten erschallen mit mutigem Ton und gehen, während daß
verwandelt wird, in ein wildes Kriegsgetümmel über, das
Orchester fällt ein bei offener Szene und wird von kriegerischen
Instrumenten hinter der Szene begleitet)
Der Schauplatz verwandelt sich in eine freie Gegend, die von
Bäumen begrenzt wird. Man sieht während der Musik Soldaten über
den Hintergrund schnell wegziehen
DRITTER AUFZUG
Sechster Auftritt
Talbot auf Fastolf gestützt und von Soldaten begleitet. Gleich
darauf Lionel
TALBOT. Hier unter diesen Bäumen setzt mich nieder,
Und ihr begebt euch in die Schlacht zurück,
Ich brauche keines Beistands, um zu sterben.
FASTOLF. O unglückselig jammervoller Tag!
(Lionel tritt auf)
Zu welchem Anblick kommt Ihr, Lionel!
Hier liegt der Feldherr auf den Tod verwundet.
LIONEL. Das wolle Gott nicht! Edler Lord, steht auf!
Jetzt ists nicht Zeit, ermattet hinzusinken.
Weicht nicht dem Tod, gebietet der Natur
Mit Eurem mächtgen Willen, daß sie lebe!
TALBOT. Umsonst! Der Tag des Schicksals ist gekommen,
Der unsern Thron in Frankreich stürzen soll.
Vergebens in verzweiflungsvollem Kampf
Wagt ich das Letzte noch, ihn abzuwenden.
Vom Stahl dahin geschmettert lieg ich hier,
Um nicht mehr aufzustehn.--Reims ist verloren,
So eilt, Paris zu retten!
LIONEL. Paris hat sich vertragen mit dem Dauphin,
Soeben bringt ein Eilbot uns die Nachricht.
TALBOT (reißt den Verband ab).
So strömet hin, ihr Bäche meines Bluts,
Denn überdrüssig bin ich dieser Sonne!
LIONEL. Ich kann nicht bleiben.--Fastolf, bringt den Feldherrn
An einen sichern Ort, wir können uns
Nicht lange mehr auf diesem Posten halten.
Die Unsern fliehen schon von allen Seiten,
Unwiderstehlich dringt das Mädchen vor--
TALBOT. Unsinn, du siegst und ich muß untergehn!
Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.
Erhabene Vernunft, lichthelle Tochter
Des göttlichen Hauptes, weise Gründerin
Des Weltgebäudes, Führerin der Sterne,
Wer bist du denn, wenn du dem tollen Roß
Des Aberwitzes an den Schweif gebunden,
Ohnmächtig rufend, mit dem Trunkenen
Dich sehend in den Abgrund stürzen mußt!
Verflucht sei, wer sein Leben an das Große
Und Würdge wendet und bedachte Plane
Mit weisem Geist entwirft! Dem Narrenkönig
Gehört die Welt--
LIONEL. Mylord! Ihr habt nur noch
Für wenig Augenblicke Leben--denkt
An Euren Schöpfer!
TALBOT. Wären wir als Tapfre
Durch andre Tapfere besiegt, wir könnten
Uns trösten mit dem allgemeinen Schicksal,
Das immer wechselnd seine Kugel dreht--
Doch solchem groben Gaukelspiel erliegen!
War unser ernstes arbeitvolles Leben
Keines ernsthaftem Ausgangs wert?
LIONEL (reicht ihm die Hand).
Mylord, fahrt wohl! Der Tränen schuldgen Zoll
Will ich Euch redlich nach der Schlacht entrichten,
Wenn ich alsdann noch übrig bin. Jetzt aber
Ruft das Geschick mich fort, das auf dem Schlachtfeld
Noch richtend sitzt und seine Lose schüttelt.
Auf Wiedersehn in einer andern Welt,
Kurz ist der Abschied für die lange Freundschaft. (Geht ab)
TALBOT. Bald ists vorüber und der Erde geb ich,
Der ewgen Sonne die Atome wieder,
Die sich zu Schmerz und Lust in mir gefügt--
Und von dem mächtgen Talbot, der die Welt
Mit seinem Kriegsruhm füllte, bleibt nichts übrig,
Als eine Handvoll leichten Staubs.--So geht
Der Mensch zu Ende--und die einzige
Ausbeute, die wir aus dem Kampf des Lebens
Wegtragen, ist die Einsicht in das Nichts,
Und herzliche Verachtung alles dessen,
Was uns erhaben schien und wünschenswert--
DRITTER AUFZUG
Siebenter Auftritt
Karl. Burgund. Dunois. Du Chatel und Soldaten treten auf
BURGUND. Die Schanze ist erstürmt.
DUNOIS. Der Tag ist unser.
KARL (Talbot bemerkend).
Seht, wer es ist, der dort vom Licht der Sonne
Den unfreiwillig schweren Abschied nimmt?
Die Rüstung zeigt mir keinen schlechten Mann,
Geht, springt ihm bei, wenn ihm noch Hülfe frommt.
(Soldaten aus des Königs Gefolge treten hinzu)
Fastolf. Zurück! Bleibt fern! Habt Achtung vor dem Toten,
Dem ihr im Leben nie zu nahn gewünscht!
BURGUND. Was seh ich! Talbot liegt in seinem Blut!
(Er geht auf ihn zu. Talbot blickt ihn starr an und stirbt)
FASTOLF. Hinweg, Burgund! Den letzten Blick des Helden
Vergifte nicht der Anblick des Verräters!
DUNOIS. Furchtbarer Talbot! Unbezwinglicher!
Nimmst du vorlieb mit so geringem Raum,
Und Frankreichs weite Erde konnte nicht
Dem Streben deines Riesengeistes gnügen.
--Erst jetzo, Sire, begrüß ich Euch als König,
Die Krone zitterte auf Eurem Haupt,
So lang ein Geist in diesem Körper lebte.
KARL (nachdem er den Toten stillschweigend betrachtet).
Ihn hat ein Höherer besiegt, nicht wir!
Er liegt auf Frankreichs Erde, wie der Held
Auf seinem Schild, den er nicht lassen wollte.
Bringt ihn hinweg!
(Soldaten heben den Leichnam auf und tragen ihn fort)
Fried sei mit seinem Staube!
Ihm soll ein ehrenvolles Denkmal werden,
Mitten in Frankreich, wo er seinen Lauf
Als Held geendet, ruhe sein Gebein!
So weit als er, drang noch kein feindlich Schwert,
Seine Grabschrift sei der Ort, wo man ihn findet.
FASTOLF (gibt sein Schwert ab). Herr, ich bin dein Gefangener.
KARL (gibt ihm sein Schwert zurück). Nicht also!
Die fromme Pflicht ehrt auch der rohe Krieg,
Frei sollt Ihr Eurem Herrn zu Grabe folgen.
Jetzt eilt, Du Chatel--Meine Agnes zittert--
Entreißt sie ihrer Angst um uns--Bringt ihr
Die Botschaft, daß wir leben, daß wir siegten,
Und führt sie im Triumph nach Reims!
(Du Chatel geht ab)
DRITTER AUFZUG
Achter Auftritt
La Hire zu den Vorigen
DUNOIS. La Hire!
Wo ist die Jungfrau?
LA HIRE. Wie? Das frag ich Euch.
An Eurer Seite fechtend ließ ich sie.
DUNOlS. Von Eurem Arme glaubt ich sie beschützt,
Als ich dem König beizuspringen eilte.
BURGUND. Im dichtsten Feindeshaufen sah ich noch
Vor kurzem ihre weiße Fahne wehn.
DUNOlS. Weh uns, wo ist sie? Böses ahndet mir!
Kommt, eilen wir sie zu befrein.--Ich fürchte,
Sie hat der kühne Mut zu weit geführt,
Umringt von Feinden kämpft sie ganz allein,
Und hülflos unterliegt sie jetzt der Menge.
KARL. Eilt, rettet sie!
LA HIRE. Ich folg euch, kommt!
BURGUND. Wir alle! (Sie eilen fort)
DRITTER AUFZUG
Eine andre öde Gegend des Schlachtfelds
Man sieht die Türme von Reims in der Ferne, von der Sonne
beleuchtet
Neunter Auftritt
Ein Ritter in ganz schwarzer Rüstung, mit geschloßnem Visier.
Johanna verfolgt ihn bis auf die vordere Bühne, wo er stille
steht und sie erwartet
JOHANNA. Arglistger! Jetzt erkenn ich deine Tücke!
Du hast mich trüglich durch verstellte Flucht
Vom Schlachtfeld weggelockt und Tod und Schicksal
Von vieler Britensöhne Haupt entfernt.
Doch jetzt ereilt dich selber das Verderben.