Johann Shiller

Die Braut von Messina
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Und sollt' ich mich dem Manne nicht ergeben,
  Der in der Welt allein sich an mich schloß?
  Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,
  Und frühe schon hat ich ein strenges Loos
  (Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)
  Gerissen von dem mütterlichen Schooß.
  Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,
  Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren.

  Und so erwuchs ich still am stillen Orte,
  In Lebens Gluth den Schatten beigesellt,
  --Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,
  Schön, wie ein Gott, und männlich, wie ein Held.
  O, mein Empfinden nennen keine Worte!
  Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,
  Und schnell, als wär' es ewig so gewesen,
  Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen.

  Vergib, du Herrliche, die mich geboren,
  Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden,
  Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.
  Nicht frei erwählt' ich's, es hat mich gefunden;
  Ein dringt der Gott auch zu verschloßnen Thoren,
  Zu Perseus' Thurm hat er den Weg gefunden,
  Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.
  Wär' es an öde Klippen angebunden
  Und an des Atlas himmeltragende Säulen,
  So wird ein Flügelroß es dort ereilen.

  Nicht hinter mich begehr' ich mehr zu schauen,
  In keine Heimath sehn' ich mich zurück;
  Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,
  Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?
  Mit meinem Loos will ich mich gern bescheiden,
  Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.

  Nicht kenn' ich sie und will sie nimmer kennen,
  Die sich die Stifter meiner Tage nennen,
  Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.
  Ein ewig Räthsel bleiben will ich mir;
  Ich weiß genug, ich lebe dir! (Aufmerkend.)
  Horch, der lieben Stimme Schall!
  --Nein, es war der Wiederhall
  Und des Meeres dumpfes Brausen,
  Das sich an den Ufern bricht,
  Der Geliebte ist es nicht!
  Weh mir! Weh mir! Wo er weilet?
  Mich umschlingt ein kaltes Grausen!
  Immer tiefer
  Singt die Sonne! Immer öder
  Wird die Öde! Immer schwerer
  Wird das Herz--Wo zögert er? (Sie geht unruhig umher.)

  Aus des Gartens sichern Mauern
  Wag' ich meinen Schritt nicht mehr.
  Kalt ergriff mich das Entsetzen,
  Als ich in die nahe Kirche
  Wagte meinen Fuß zu setzen;
  Denn mich trieb's mit mächt'gem Drang
  Aus der Seele tiefsten Tiefen,
  Als sie zu der Hora riefen,
  Hinzuknien an heil'ger Stätte,
  Zu der Göttlichen zu flehn,
  Nimmer konnt' ich widerstehn.
  Wenn ein Lauscher mich erspähte?
  Voll von Feinden ist die Welt,
  Arglist hat auf allen Pfaden,
  Fromme Unschuld zu verrathen,
  Ihr betrüglich Netz gestellt.
  Grauend hab' ich's schon erfahren,
  Als ich aus des Klosters Hut
  In die fremden Menschenschaaren
  Mich gewagt mit frevelm Muth.
  Dort, bei jenes Festes Feier,
  Da der Fürst begraben ward,
  Mein Erkühnen büßt' ich theuer,
  Nur ein Gott hat mich bewahrt--
  Da der Jüngling mir, der fremde,
  Nahte, mit dem Flammenauge,
  Und mit Blicken, die mich schreckten,
  Mir das Innerste durchzuckten,
  In das tiefste Herz mir schaute--
  Noch durchschauert kaltes Grauen,
  Da ich's denke, mir die Brust!
  Nimmer, nimmer kann ich schauen
  In die Augen des Geliebten,
  Dieser stillen Schuld bewußt! (Aufhorchend.)
  Stimmen im Garten!
  Er ist's, der Geliebte!
  Er selber! Jetzt täuschte
  Kein Blendwerk mein Ohr.
  Es naht, es vermehrt sich!
  In seine Arme!
  An seine Brust!

(Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens.
Don Cesar tritt ihr entgegen.)



Zweiter Auftritt.


Don Cesar. Beatrice. Der Chor.

Beatrice (mit Schrecken zurückfliehend.)
  Weh mir! Was seh' ich!

(In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein.)

Don Cesar.
                        Holde Schönheit, fürchte nichts!
(Zu dem Chor.)
  Der rauhe Anblick eurer Waffen schreckt
  Die zarte Jungfrau--Weicht zurück und bleibt
  In ehrerbiet'ger Ferne!
(Zu Beatricen.)
                          Fürchte nichts!
  Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig.

(Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift
ihre Hand.)

  Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte,
  Verbarg dich diese lange Zeit? Dich hab' ich
  Gesucht, nach dir geforschet; wachend, träumend
  Warst du des Herzens einziges Gefühl,
  Seit ich bei jenem Leichenfest des Fürsten,
  Wie eines Engels Lichterscheinung, dich
  Zum erstenmal erblickte--Nicht verborgen
  Blieb dir die Macht, mit der du mich bezwangst.
  Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln,
  Die Hand, die in der deinen zitternd lag,
  Verrieth sie dir--ein kühneres Geständniß
  Verbot des Ortes ernste Majestät.
  --Der Messe Hochamt rief mich zum Gebet,
  Und da ich von den Knieen jetzt erstanden,
  Die ersten Blicke schnell auf dich sich heften,
  Warst du aus meinen Augen weggerückt;
  Doch nachgezogen mit allmächt'gen Zaubers Banden
  Hast du mein Herz mit allen seinen Kräften.
  Seit diesem Tage such' ich rastlos dich
  An aller Kirchen und Paläste Pforten,
  An allen offnen und verborgnen Orten,
  Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann,
  Hab' ich das Netz der Späher ausgebreitet;
  Doch meiner Mühe sah ich keine Frucht,
  Bis endlich heut, von einem Gott geleitet,
  Des Spähers glückbekrönte Wachsamkeit
  In dieser nächsten Kirche sich entdeckte.

(Hier macht Beatrice, welche in dieser ganzen Zeit zitternd und
abgewandt gestanden, eine Bewegung des Schreckens.)

  Ich habe dich wieder, und der Geist verlasse
  Eher die Glieder, eh' ich von dir scheide!
  Und daß ich fest sogleich den Zufall fasse
  Und mich verwahre vor des Dämons Neide,
  So red' ich dich vor diesen Zeugen allen
  Als meine Gattin an und reiche dir
  Zum Pfande deß die ritterliche Rechte. (Er stellt sie dem Chor dar.)

  Nicht forschen will ich, wer du bist--Ich will
  Nur dich von dir, nichts frag' ich nach dem Andern
  Daß deine Seele, wie dein Ursprung, rein,
  Hat mir dein erster Blick verbürget und beschworen,
  Und wärst du selbst die Niedrigste geboren,
  Du müßtest dennoch meine Liebe sein,
  Die Freiheit hab' ich und die Wahl verloren.

  Und daß du wissen mögest, ob ich auch
  Herr meiner Thaten sei und hoch genug
  Gestellt auf dieser Welt, auch das Geliebte
  Mit starkem Arm zu mir emporzuheben,
  Bedarf's nur, meinen Namen dir zu nennen.
  --Ich bin Don Cesar, und in dieser Stadt
  Messina ist kein Größrer über mir.

(Beatrice schaudert zurück; er bemerkt es und fährt nach einer
kleinen Weile fort.)

  Dein Staunen lob' ich und dein sittsam Schweigen,
  Schamhafte Demuth ist der Reize Krone,
  Denn ein Verborgenes ist sich das Schöne,
  Und es erschrickt vor seiner eignen Macht.
  --Ich geh' und überlasse dich dir selbst,
  Daß sich dein Geist von seinem Schrecken löse,
  Denn jedes Neue, auch das Glück, erschreckt. (Zu dem Chor.)
  Gebt ihr--sie ist's von diesem Augenblick--
  Die Ehre meiner Braut und eurer Fürstin!
  Belehret sie von ihres Standes Größe.
  Bald kehr' ich selbst zurück, sie heimzuführen,
  Wie's meiner würdig ist und ihr gebührt. (Er geht ab.)



Dritter Auftritt.


Beatrice und der Chor.

Chor. (Bohemund.)
  Heil dir, o Jungfrau,
  Liebliche Herrscherin!
  Dein ist die Krone,
  Dein ist der Sieg!

  Als die Erhalterin
  Dieses Geschlechtes,
  Künftiger Helden
  Blühende Mutter begrüß' ich dich!

(Roger.)
  Dreifaches Heil dir!
  Mit glücklichen Zeichen,
  Glückliche, trittst du
  In ein götterbegünstigtes, glückliches Haus,
  Wo die Kränze des Ruhmes hängen,
  Und das goldene Scepter in stetiger Reihe
  Wandert vom Ahnherrn zum Enkel hinab.

(Bohemund.)
  Deines lieblichen Eintritts
  Werden sich freuen
  Die Penaten des Hauses,
  Die hohen, die ernsten,
  Verehrten Alten.
  Au den Schwelle empfangen
  Wird dich die immer blühende Hebe
  Und die goldne Victoria,
  Die geflügelte Göttin,
  Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters,
  Ewig die Schwingen zum Siege gespannt.

(Roger.)
  Nimmer entweicht
  Die Krone der Schönheit
  Aus diesem Geschlechte;
  Scheidend reicht
  Eine Fürstin der andern
  Den Gürtel der Anmuth
  Und den Schleier der züchtigen Scham.
  Aber das Schönste
  Erlebt mein Auge,
  Denn ich sehe die Blume der Tochter,
  Ehe die Blume der Mutter verblüht.

Beatrice (aus ihrem Schrecken erwachend).
  Wehe mir! In welche Hand
  Hat das Unglück mich gegeben!
  Unter allen,
  Welche leben,
  Nicht in diese sollt' ich fallen!

  Jetzt versteh' ich das Entsetzen,
  Das geheimnißvolle Grauen,
  Das mich schaudernd stets gefaßt,
  Wenn man mir den Namen nannte
  Dieses furchtbaren Geschlechtes,
  Das sich selbst vertilgend haßt,
  Gegen seine eignen Glieder
  Wüthend mit Erbittrung rast!
  Schaudernd hört' ich oft und wieder
  Von dem Schlangenhaß der Brüder,
  Und jetzt reiße mein Schreckenschicksal
  Mich, die Arme, Rettungslose,
  In den Strudel dieses Hasses,
  Diese Unglücks mich hinein! (Sie flieht in den Gartensaal.)



Vierter Auftritt.


Chor. (Bohemund.)
  Den begünstigten Sohn der Götter beneid' ich,
  Den beglückten Besitzer der Macht!
  Immer das Köstlichste ist sein Antheil,
  Und von Allem, was hoch und herrlich
  Von den Sterblichen wird gepriesen,
  Bricht er die Blume sich ab.

(Roger.)
  Von den Perlen, welche der tauchender Fischer
  Auffängt, wählt er die reinsten für sich.
  Für den Herrscher legt man zurück das Beste,
  Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit,
  Wenn sich die Diener durchs Loos vergleichen,
  Ihm ist das Schönste gewiß.

(Bohemund.)
  Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod,
  Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt,
  Dieses beneid' ich ihm unter allem,
  Daß er heimführt die Blume der Frauen,
  Die das Entzücken ist aller Augen,
  Daß er sie eigen besitzt.

(Roger.)
  Mit dem Schwerte springt der Corsar an die Küste
  In dem nächtlich ergreifenden Überfall;
  Männer führt er davon und Frauen
  Und ersättigt die wilde Begierde.
  Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren,
  Die ist des Königes Gut.

(Bohemund.)
  Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang
  Und die Schwelle des heiligen Raums,
  Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimniß
  Dringe und der Herrscher uns lobe,
  Der das Köstlichste, was er besitzet,
  Unsrer Bewahrung vertraut. 
(Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde.)


Die Scene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes.



Fünfter Auftritt.


Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar.

Isabella.
  Nun endlich ist mir der erwünschte Tag,
  Der langersehnte, festliche, erschienen--
  Vereint seh' ich die Herzen meiner Kinder,
  Wie ich die Hände leicht zusammenfüge,
  Und im vertrauten Kreis zum erstenmal
  Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen.
  Fern ist der fremden Zeugen rohe Schaar,
  Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte--
  Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr,
  Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut
  Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang
  Mit altverjährtem Eigenthum genistet,
  Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd,
  Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner
  Heimkehrend nahen mit der Freude Schall,
  Den neuen Bau lebendig zu beginnen:
  So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen
  Gefolge, dem hohläugigten Verdacht,
  Der schellen Mißgunst und dem bleichen Neide,
  Aus diesen Thoren murrend zu der Hölle,
  Und mit dem Frieden zieht geselliges
  Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein. (Sie hält inne.)
  --Doch nicht genug, daß dieser heut'ge Tag
  Jedem von beiden einen Bruder schenkt,
  Auch eine Schwester hat er euch geboren.
  --Ihr staunt? Ihr seht mich mir Verwundrung an?
  Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich
  Das Siegel breche und das Siegel löse
  Von einem lang verschlossenen Geheimniß.
  --Auch eine Tochter hat' ich Eurem Vater
  Geboren--eine jüngre Schwester lebt
  Euch noch--Ihr sollt noch heute sie umarmen.

Don Cesar.
  Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns,
  Und nie vernahmen wir von dieser Schwester!

Don Manuel.
  Wohl hörten wir in früher Kinderzeit,
  Daß eine Schwester uns geboren worden;
  Doch in der Wiege schon, so ging die Sage,
  Nahm sie der Tod hinweg.

Isabella. Die Sage lügt!
  Sie lebt!

Don Cesar.
  Sie lebt, und du verschwiegest uns?

Isabella.
  Von meinem Schweigen geb' ich Rechenschaft.
  Hört, was gesäet ward in frührer Zeit
  Und jetzt zur frohen Ernte reifen soll.
  --Ihr wart noch zarte Knaben, aber schon
  Entzweite euch der jammervolle Zwist,
  Der ewig nie mehr wiederkehren möge,
  Und häufte Gram auf eurer Eltern Herz.
  Da wurde eurem Vater eines Tages
  Ein seltsam wunderbarer Traum. Ihm däuchte,
  Er säh' aus seinem hochzeitlichen Bette
  Zwei Lorbeerbäume wachsen, ihr Gezweig
  Dicht in einander flechtend--zwischen beiden
  Wuchs eine Lilie empor--Sie ward
  Zur Flamme, die, der Bäume dicht Gezweig
  Und das Gebälk ergreifend, prasseln aufschlug
  Und, um sich wüthend, schnell das ganze Haus
  In ungeheurer Feuerfluth verschlang.

  Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte,
  Befragt' der Vater einen sternekundigen
  Arabier, der sein Orakel war,
  An dem sein Herz mehr hing, als mir gefiel,
  Um die Bedeutung. Der Arabier
  Erklärte: wenn mein Schooß von einer Tochter
  Entbunden würde, tödten würde sie ihm
  Die beiden Söhne und sein ganzer Stamm
  Durch sie vergehn--Und ich ward Mutter einer Tochter;
  Der Vater aber gab den grausamen
  Befehl, die neugeborene alsbald
  Ins Meer zu werfen. Ich vereitelte
  Den blut'gen Vorsatz und erhielt die Tochter
  Durch eines treuen Knechts verschwiegnen Dienst.

Don Cesar.
  Gesegnet sei er, der dir hilfreich war!
  O, nicht an Rath gebricht's der Mutterliebe!

Isabella.
  Der Mutterliebe mächt'ge Stimme nicht
  Allein trieb mich, das Kindlein zu verschonen.
  Auch mir ward eines Traumes seltsames
  Orakel, als mein Schooß mit dieser Tochter
  Gesegnet war: Ein Kind, wie Liebesgötter schön,
  Sah ich im Grase spielen, und ein Löwe
  Kam aus dem Wald, der in dem blut'gen Rachen
  Die frisch gejagte Beute trug, und ließ
  Sie schmeichelnd in den Schooß des Kindes fallen.
  Und aus den Lüften schwang ein Adler sich
  Herab, ein zitternd Reh in seinen Fängen,
  Und legt es schmeichelnd in den Schooß des Kindes,
  Und beide, Löw' und Adler, legen, fromm
  Gepaart, sich zu des Kindes Füßen nieder.
  --Des Traums Verständniß löste mir ein Mönch,
  Ein gottgeliebter Mann, bei dem das Herz
  Rath fand und Trost in jeder ird'schen Noth.
  Der sprach: "Genesen würd' ich einer Tochter,
  "Die mir der Söhne streitende Gemüther
  "In heißer Liebesgluth vereinen würde."
  --Im Innersten bewahrt' ich mir dies Wort;
  Dem Gott der Wahrheit mehr als dem der Lüge
  Vertrauend, rettet' ich die Gott verheißne,
  Des Segens Tochter, meiner Hoffnung Pfand,
  Die mir des Friedens Werkzeug sollte sein,
  Als euer Haß sich wachsend stets vermehrte.

Don Manuel (seinen Bruder umarmend).
  Nicht mehr der Schwester braucht's, der Liebe Band
  Zu flechten, aber fester soll sie's knüpfen.

Isabella.
  So ließ ich an verborgner Stelle sie,
  Von meinen Augen fern, geheimnißvoll
  Durch fremde Hand erziehn--der Anblick selbst
  Des lieben Angesichts, den heißerflehten,
  Versagt' ich mir, den strengen Vater scheuend,
  Der, von des Argwohns ruheloser Pein
  Und finster grübelndem Verdacht genagt,
  Auf allen Schritten mir die Späher pflanzte.

Don Cesar.
  Drei Monde aber deckt den Vater schon
  Das stille Grab--Was wehrte dir, o Mutter,
  Die lang Verborgne an das Licht hervor
  Zu ziehn und unsre Herzen zu erfreuen?

Isabella.
  Was sonst, als euer unglücksel'ger Streit,
  Der, unauslöschlich wüthend, auf dem Grab
  Des kaum entseelten Vaters sich entflammte,
  Nicht Raum noch Stätte der Versöhnung gab?
  Konnt' ich die Schwester zwischen eure wild
  Entblößten Schwerter stellen? Konntet ihr
  In diesem Sturm die Mutterstimme hören?
  Und sollt' ich sie, des Friedens theures Pfand,
  Den letzten heil'gen Anker meiner Hoffnung,
  An eures Hasses Wuth unzeitig wagen?
  --Erst mußtet ihr's ertragen, euch als Brüder
  Zu sehn, eh' ich die Schwester zwischen euch
  Als einen Friedensengel stellen konnte.
  Jetzt kann ich's, und ich führe sie euch zu.
  Den alten Diener hab' ich ausgesendet,
  Und stündlich harr' ich seiner Wiederkehr,
  Der, ihrer stillen Zuflucht sie entreißend,
  Zurück an meine mütterliche Brust
  Sie führt und in die brüderlichen Arme.

Don Manuel.
  Und sie ist nicht die Einz'ge, die du heut
  In deine Mutterarme schließen wirst.
  Es zieht die Freude ein durch alle Pforten,
  Es füllt sich der verödete Palast
  Und wird der Sitz der blühnden Anmuth werden.
  --Vernimm, o Mutter, jetzt auch mein Geheimniß.
  Eine Schwester gibst du mir--Ich will dafür
  Dir eine zweite liebe Tochter schenken.
  Ja, Mutter! Segne deinen Sohn!--Dies Herz,
  Es hat gewählt; gefunden hab' ich sie,
  Die mir durchs Leben soll Gefährtin sein.
  Eh dieses Tages Sonne sinkt, führ' ich
  Die Gattin dir Don Manuels zu Füßen.

Isabella.
  An meine Brust will ich sie freudig schließen,
  Die meinen Erstgebornen mir beglückt;
  Auf ihren Pfaden soll die Freude sprießen,
  Und jede Blume, die das Leben schmückt,
  Und jedes Glück soll mir den Sohn belohnen,
  Der mir die schönste reicht der Mutterkronen!

Don Cesar.
  Verschwende, Mutter, deines Segens Fülle
  Nicht an den einen erstgebornen Sohn!
  Wenn Liebe Segen gibt, so bring' auch ich
  Dir eine Tochter, solcher Mutter werth,
  Die mich der Liebe neu Gefühl gelehrt.
  Eh dieses Tages Sonne sinkt, führt auch
  Don Cesar seine Gattin dir entgegen.

Don Manuel.
  Allmächt'ge Liebe! Göttliche! Wohl nennt
  Man dich mit Recht die Königin der Seelen!
  Dir unterwirft sich jedes Element,
  Du kannst das Feindlichstreitende vermählen;
  Nichts lebt, was deine Hoheit nicht erkennt,
  Und auch des Bruders wilden Sinn hast du
  Besiegt, der unbezwungen stets geblieben. (Don Cesar umarmend.)
  Jetzt glaub' ich an dein Herz und schließe dich
  Mit Hoffnung an die brüderliche Brust;
  Nicht zweifl' ich mehr an dir, denn du kannst lieben.

Isabella.
  Dreimal gesegnet sei mir dieser Tag,
  Der mir auf einmal jede bange Sorge
  Vom schwer beladnen Busen hebt--Gegründet
  Auf festen Säulen seh' ich mein Geschlecht,
  Und in der Zeiten Unermeßlichkeit
  Kann ich hinabsehn mit zufriednem Geist.
  Noch gestern sah ich mich im Wittwenschleier,
  Gleich einer Abgeschiednen, kinderlos,
  In diesen öden Sälen ganz allein,
  Und heute werden in der Jugend Glanz
  Drei blühnde Töchter mir zur Seite stehen.
  Die Mutter zeige sich, die glückliche,
  Von allen Weibern, die geboren haben,
  Die sich mit mir an Herrlichkeit vergleicht!
  --Doch welcher Fürsten königliche Töchter
  Erblühen denn an dieses Landes Grenzen,
  Davon ich Kunde nie vernahm?--denn nicht
  Unwürdig wählen konnten meine Söhne!

Don Manuel.
  Nur heute, Mutter, fordre nicht, den Schleier
  Hinwegzuheben, der mein Glück bedeckt.
  Es kommt der Tag, der Alles lösen wird,
  Am besten mag die Braut sich selbst verkünden,
  Deß sei gewiß, du wirst sie würdig finden.

Isabella.
  Des Vaters eignen Sinn und Geist erkenn' ich
  In meinem erstgebornen Sohn! Der liebte
  Von jeher, sich verborgen in sich selbst
  Zu spinnen und den Rathschluß zu bewahren
  Um unzugangbar fest verschlossenen Gemüth!
  Gern mag ich dir die kurze Frist vergönnen;
  Doch mein Sohn Cesar, deß bin ich gewiß,
  Wird jetzt mir eine Königstochter nennen.

Don Cesar.
  Nicht meine Weise ist's, geheimnißvoll
  Mich zu verhüllen, Mutter. Frei und offen,
  Wie meine Stirne, trag' ich mein Gemüth;
  Doch, was du jetzt von mir begehrst zu wissen,
  Das, Mutter--laß mich's redlich dir gestehn,
  Hab' ich mich selbst noch nicht gefragt. Fragt man,
  Woher der Sonne Himmelsfeuer flamme?
  Die alle Welt verklärt, erklärt sich selbst,
  Ihr Licht bezeugt, daß sie vom Lichte stamme.
  Ins klare Auge sah ich meiner Braut,
  Ins Herz des Herzens hab' ich ihr geschaut,
  Am reinen Glanz will ich die Perle kennen;
  Doch ihren Namen kann ich dir nicht nennen.

Isabella.
  Wie, mein Sohn Cesar? Kläre mir das auf.
  Zu gern dem ersten mächtigen Gefühl
  Vertrautest du, wie einer Götterstimme.
  Auf rascher Jugendthat erwart' ich dich,
  Doch nicht auf thöricht kindischer--Laß hören,
  Was deine Wahl gelenkt.

Don Cesar.
                       Wahl, meine Mutter?
  Ist's Wahl, wenn des Gestirnes Macht den Menschen
  Ereilt in der verhängnißvollen Stunde?
  Nicht, eine Braut zu suchen, ging ich aus,
  Nicht wahrlich solches Eitle konnte mir
  Zu Sinne kommen in dem Haus des Todes,
  Denn dorten fand ich, die ich nicht gesucht.
  Gleichgültig war und nichts bedeutend mir
  Der Frauen leer geschwätziges Geschlecht,
  Denn eine zweite sah ich nicht, wie dich,
  Die ich gleich wie ein Götterbild verehre.
  Es war des Vaters ernste Todtenfeier;
  Im Volksgedräng verborgen, wohnten wir
  Ihr bei, du weißt's, in unbekannter Kleidung;
  So hattest du's mit Weisheit angeordnet,
  Daß unsers Haders wild ausbrechende
  Gewalt des Festes Würde nicht verletze.
  --Mit schwarzem Flor behangen war das Schiff
  Der Kirche, zwanzig Genien umstanden,
  Mit Fackeln in den Händen, den Altar,
  Vor dem der Todtensarg erhaben ruhte,
  Mit weißbekreuztem Grabestuch bedeckt.
  Und auf dem Grabtuch sahe man den Stab
  Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone,
  Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen,
  Das Schwert mit diamantenem Gehäng.
  --Und Alles lag in stiller Andacht knieend,
  Als ungesehen jetzt vom hohen Chor
  Herab die Orgel anfing sich zu regen,
  Und hundertstimmig der Gesang begann--
  Und als der Chor noch fortklung, stieg der Sarg
  Mit sammt dem Boden, der ihn trug, allmählich
  Versinkend in die Unterwelt hinab,
  Das Grabtuch aber überschleierte,
  Weit ausgebreitet, die verborgne Mündung,
  Und auf der Erde blieb der ird'sche Schmuck
  Zurück, dem Niederfahrenden nicht folgend--
  Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs
  Schwang die befreite Seele sich nach oben,
  Den Himmel suchend und den Schooß der Gnade.
  --Dies alles, Mutter, ruf' ich dir, genau
  Beschreibend, ins Gedächtniß jetzt zurück,
  Daß du erkennest, ob zu jener Stunde
  Ein weltlich Wünschen mir im Herzen war.
  Und diesen festlich ernsten Augenblick
  Erwählte sich der Lenker meines Lebens,
  Mich zu berühren mit der Liebe Strahl.
  Wie es geschah, frag' ich mich selbst vergebens.

Isabella.
  Vollende dennoch! Laß mich Alles hören!

Don Cesar.
  Woher sie kam, und wie sie sich zu mir
  Gefunden, dieses frage nicht--Als ich
  Die Augen wandte, stand sie mir zur Seite,
  Und dunkel mächtig, wunderbar ergriff
  Im tiefsten Innersten mich ihre Nähe.
  Nicht ihres Wesens schöner Außenschein,
  Nicht ihres Lächelns holder Zauber war's,
  Die Reize nicht, die auf der Wange schweben,
  Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt--
  Es war ihr tiefste und geheimstes Leben,
  Was mich ergriff mit heiliger Gewalt,
  Wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben--
  Die Seelen schienen ohne Worteslaut
  Sich ohne Mittel geistig zu berühren,
  Als sich mein Athem mischte mit dem ihren;
  Fremd war sie mir und innig doch vertraut,
  Und klar auf einmal fühlt' ich's in mir werden,
  Die ist es oder Keine sonst auf Erden!

Don Manuel (mit Feuer einfallend).
  Das ist der Liebe heil'ger Götterstrahl,
  Der in die Seele schlägt und trifft und zündet,
  Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,
  Da ist kein Widerstand und keine Wahl,
  Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet.
  --Dem Bruder fall' ich bei, ich muß ihn loben,
  Mein eigen Schicksal ist's, was er erzählt,
  Den Schleier hat er glücklich aufgehoben
  Von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt.

Isabella.
  Den eignen freien Weg, ich seh' es wohl,
  Will das Verhängniß gehn mit meinen Kindern.
  Vom Berge stürzt der ungeheure Strom,
  Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn,
  Nicht des gemeßnen Pfades achtet er,
  Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut.
  So unterwerf' ich mich--wie kann ich's ändern?--
  Der unregiersam stärkern Götterhand,
  Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.
  Der Söhne Herz ist meiner Hoffnung Pfand,
  Sie denken groß, wie sie geboren sind.



Sechster Auftritt.


Donna Isabella. Don Manuel. Don Cesar. Diego zeigt sich an der Thüre.

Isabella.
  Doch, sieh, da kommt mein treuer Knecht zurück!
  Nur näher, näher, redlicher Diego!
  Wo ist mein Kind?--Sie wissen Alles! Hier
  Ist kein Geheimniß mehr--Wo ist sie? Sprich!
  Verbirg sie länger nicht! Wir sind gefaßt,
  Die höchste Freude zu ertragen. Komm!

(Sie will mit ihm nach der Thüre gehen.)

  Was ist das? Wie? Du zögerst? Du verstummst?
  Das ist kein Blick, der Gutes mir verkündet!
  Was ist dir? Sprich! Ein Schauder faßt mich an.
  Wo ist sie? Wo ist Beatrice?
(Will hinaus.)

Don Manuel. (für sich betroffen).
                              Beatrice!

Diego. (hält sie zurück).
                                        Bleib!

Isabella.
  Wo ist sie? Mich entseelt die Angst.

Diego.
                                    Sie folgt
  Mir nicht. Ich bringe dir die Tochter nicht.

Isabella.
  Was ist geschehn? Bei allen Heil'gen, rede!

Don Cesar.
  Wo ist die Schwester? Unglücksel'ger, rede!

Diego.
  Sie ist geraubt! Gestohlen von Corsaren!
  O, hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn!

Don Manuel.
  Faß dich, o Mutter!

Don Cesar.
                    Mutter, sei gefaßt!
  Bezwinge dich, bis du ihn ganz vernommen!

Diego.
  Ich machte schnell mich auf, wie du befohlen,
  Die oft betretne Straße nach dem Kloster
  Zum letztenmal zu gehn--Die Freude trug mich
  Auf leichten Flügeln fort.

Don Cesar.
                          Zur Sache!

Don Manuel.
                                    Rede!

Diego.
  Und da ich in die wohlbekannten Höfe
  Des Klosters trete, die ich oft betrat,
  Nach deiner Tochter ungeduldig frage,
  Seh' ich des Schreckens Bild in jedem Auge,
  Entsetzt vernehm' ich das Entsetzliche.

(Isabella sinkt bleich und zitternd auf einen Sessel, Don Manuel
ist um sie beschäftigt.)

Don Cesar.
  Und Mauren, sagst du, raubten sie hinweg?
  Sah man die Mauren? Wer bezeugte dies?

Diego.
  Ein maurisch Räuberschiff gewahrte man
  In einer Bucht, unfern dem Kloster ankernd.

Don Cesar.
  Manch Segel rettet sich in diese Buchten
  Vor des Orkanes Wuth--Wo ist das Schiff?

Diego.
  Heut frühe sah man es in hoher See
  Mit voller Segel Kraft das Weite suchen.

Don Cesar.
  Hört man von anderm Raub noch, der geschehn?
  Dem Mauren gnügt einfache Beute nicht.

Diego.
  Hinweg getrieben wurde mit Gewalt
  Die Rinderheerde, die dort weidete.

Don Cesar.
  Wie konnten Räuber aus des Klosters Mitte
  Die Wohlverschloßne heimlich raubend stehlen?

Diego.
  Des Klostergartens Mauern waren leicht
  Auf hoher Leiter Sprossen überstiegen.

Don Cesar.
  Wie brachen sie ins Innerste der Zellen?
  Denn fromme Nonnen hält der strenge Zwang.

Diego.
  Die noch durch kein Gelübde sich gebunden,
  Sie durfte frei im Freien sich ergehen.

Don Cesar.
  Und pflegte sie des freien Rechtes oft
  Sich zu bedienen? Dieses sage mir.

Diego.
  Oft sah man sie des Gartens Stille suchen;
  Der Wiederkehr vergaß sie heute nur.

Don Cesar (nachdem er sich eine Weile bedacht).
  Raub, sagst du? War sie frei genug dem Räuber,
  So konnte sie in Freiheit auch entfliehen.

Isabella (steht auf).
  Es ist Gewalt! Es ist verwegner Raub!
  Nicht pflichtvergessen konnte meine Tochter
  Aus freier Neigung dem Entführer folgen!
  --Don Manuel! Don Cesar! Eine Schwester
  Dacht' ich euch zuzuführen; doch ich selbst
  Soll jetzt sie eurem Heldenarm verdanken.
  In eurer Kraft erhebt euch, meine Söhne!
  Nicht ruhig duldet es, daß eure Schwester
  Des frechen Diebes Beute sei--Ergreift
  Die Waffen! Rüstet Schiffe aus! Durchforscht
  Die ganze Küste! Durch alle Meere setzt
  Dem Räuber nach! Erobert euch die Schwester!

Don Cesar.
  Leb wohl! Zur Rache flieg' ich, zur Entdeckung!

(Er geht ab. Don Manuel aus einer tiefen Zerstreuung erwachend,
wendet sich beunruhigt zu Diego.)

Don Manuel.
  Wann, sagst du, sei sie unsichtbar geworden?

Diego.
  Seit diesem Morgen erst ward sie vermißt.

Don Manuel. (zu Donna Isabella).
  Und Beatrice nennt sich deine Tochter?

Isabella.
  Dies ist ihr Name! Eile! Frage nicht!

Don Manuel.
  Nur Eines noch, o Mutter, laß mich wissen--

Isabella.
  Fliege zur That! Des Bruders Beispiel folge!

Don Manuel.
  In welcher Gegend, ich beschwöre dich--

Isabella (ihn forttreibend).
  Sieh meine Thränen, meine Todesangst

Don Manuel.
  In welcher Gegend hieltst du sie verborgen?

Isabella.
  Verborgner nicht war sie im Schooß der Erde!

Diego.
  O, jetzt ergreift mich plötzlich bange Furcht.

Don Manuel.
  Furcht, und worüber? Sage, was du weißt.

Diego.
  Daß ich des Raubs unschuldig Ursach sei.

Isabella.
  Unglücklicher, entdecke, was geschehn!

Diego.
  Ich habe dir's verhehlt, Gebieterin,
  Dein Mutterherz mit Sorgen zu verschonen.
  Am Tage, als der Fürst beerdigt ward,
  Und alle Welt, begierig nach dem Neuen,
  Der ernsten Feier sich entgegendrängte,
  Lag deine Tochter--denn die Kunde war
  Auch in des Klosters Mauern eingedrungen--
  Lag sie mir an mit unabläß'gem Flehn,
  Ihr dieses Festes Anblick zu gewähren.
  Ich Unglückseliger ließ mich bewegen,
  Verhüllte sie in ernste Trauertracht,
  Und also war sie Zeugin jenes Festes.
  Und dort, befürcht' ich, in des Volks Gewühl,
  Das sich herbeigedrängt von allen Enden,
  Ward sie vom Aug des Räubers ausgespäht,
  Denn ihrer Schönheit Glanz birgt keine Hülle.

Don Manuel (vor sich, erleichtert).
  Glücksel'ges Wort, das mir das Herz befreit!
  Das gleicht ihr nicht! Dies Zeichen triff nicht zu.

Isabella.
  Wahnsinn'ger Alter! So verriethst du mich!

Diego.
  Gebieterin! Ich dacht' es gut zu machen.
  Die Stimme der Natur, die Macht des Bluts
  Glaubt' ich in diesem Wunsche zu erkennen;
  Ich hielt es für des Himmels eignes Werk,
  Der mit verborgen ahnungsvollem Zuge
  Die Tochter hintrieb zu des Vaters Grab!
  Der frommen Pflicht wollt' ich ihr Recht erzeigen,
  Und so, aus guter Meinung, schafft' ich Böses!

Don Manuel (vor sich).
  Was steh' ich hier in Furcht und Zweifelsqualen?
  Schnell will ich Licht mir schaffen und Gewißheit. (Will gehen.)

Don Cesar (der zurückkommt).
  Verzieh, Don Manuel; gleich folg' ich dir.

Don Manuel.
  Folge mir nicht! Hinweg! Mir folge Niemand! (Er geht ab.)

Don Cesar (sieht ihm verwundert nach).
  Was ist dem Bruder? Mutter, sage mir's.

Isabella.
  Ich kenn' ihn nicht mehr. Ganz verkenn' ich ihn.

Don Cesar.
  Du siehst mich wiederkehren, meine Mutter;
  Denn in des Eifers heftiger Begier
  Vergaß ich, um ein Zeichen dich zu fragen,
  Woran man die verlorne Schwester kennt.
  Wie find' ich ihre Spuren, eh' ich weiß,
  Aus welchem Ort die Räuber sie gerissen?
  Das Kloster nenne mir, das sie verbarg.

Isabella.
  Der heiligen Cecilia ist's gewidmet,
  Und hinterm Waldgebirge, das zum Ätna
  Sich langsam steigend hebt, liegt es versteckt;
  Wie ein verschwiegner Aufenthalt der Seelen.

Don Cesar.
  Sei guten Muths! Vertraue deinen Söhnen!
  Die Schwester bring' ich dir zurück, müßt' ich
  Durch alle Länder sie und Meere suchen.
  Doch eines, Mutter, ist es, was mich kümmert:
  Die Braut verließ ich unter fremdem Schutz.
  Nur dir kann ich das theure Pfand vertrauen,
  Ich sende sie dir her, du wirst sie schauen;
  An ihrer Brust, an ihrem lieben Herzen
  Wirst du des Grams vergessen und der Schmerzen. (Er geht ab.)

Isabella.
  Wann endlich wird der Fluch sich lösen,
  Der über diesem Hause lastend ruht?
  Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen,
  Und nimmer stillt sich seines Neides Wuth.
  So nahe glaubt ich mich dem sichern Hafen,
  So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand,
  Und alle Stürme glaubt' ich eingeschlafen,
  Und freudig winkend sah ich schon das Land
  Im Abendglanz der Sonne sich erhellen;
  Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt,
  Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!

(Sie geht nach dem innern Hause, wohin ihr Diego folgt.)




Dritter Aufzug.

Die Scene verwandelt sich in den Garten.



Erster Auftritt.


Beide Chöre. Zuletzt Beatrice.
(Der Chor des Don Manuel kommt in festlichem Aufzug, mit Kränzen
geschmückt und die oben beschriebnen Brautgeschenke begleitend;
der Chor de Don Cesar will ihm den Eintritt verwehren.)

Erster Chor. (Cajetan.)
  Du würdest wohl thun, diesen Platz zu leeren.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Ich will's, wenn beßre Männer es begehren.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Du könntest merken, daß du lästig bist.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Deßwegen bleib' ich, weil es dich verdrießt.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Hier ist mein Platz. Wer darf zurück mich halten?

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Ich darf es thun, ich habe hier zu walten.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Mein Herrscher sendet mich, Don Manuel!

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Ich stehe hier auf meines Herrn Befehl.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Dem ältern Bruder muß der jüngre weichen.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Dem Erstbesitzenden gehört die Welt.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Verhaßter, geh und räume mir das Feld.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Nicht, bis sich unsre Schwerter erst vergleichen.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Find' ich dich überall in meinen Wegen?

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Wo mir's gefällt, da tret' ich dir entgegen.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Was hast du hier zu horchen und zu hüten?

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Was hast du hier zu fragen, zu verbieten?

Erster Chor. (Cajetan.)
  Dir steh' ich nicht zur Red und Antwort hier.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Und nicht des Wortes Ehre gönn' ich dir.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Ehrfurcht gebührt, o Jüngling, meinen Jahren.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  In Tapferkeit bin ich, wie du, erfahren!

Beatrice (stürzt heraus).
  Weh mir! Was wollen diese wilden Schaaren?

Erster Chor. (Cajetan.) zum zweiten
  Nichts acht' ich dich und deine stolze Miene!

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Ein beßrer ist der Herrscher, dem ich diene.

Beatrice.
  O, weh mir, weh mir, wenn er jetzt erschiene!

Erster Chor. (Cajetan.)
  Du lügst! Don Manuel besiegt ihn weit!

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Den Preis gewinnt mein Herr in jedem Streit.

Beatrice.
  Jetzt wird er kommen, dies ist seine Zeit.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Wäre nicht Friede, Recht verschafft' ich mir!

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Wär's nicht die Furcht, kein Friede wehrte dir.

Beatrice.
  O, wär' er tausend Meilen weit von hier!

Erster Chor. (Cajetan.)
  Das Gesetz fürcht' ich, nicht deiner Blicke Trutz.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Wohl thust du dran, es ist des Feigen Schutz.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Fang' an, ich folge!

Zweiter Chor. (Bohemund.)
                     Mein Schwert ist heraus!

Beatrice (in der heftigsten Beängstigung).
  Sie werden handgemein, die Degen blitzen!
  Ihr Himmelsmächte, haltet ihn zurück!
  Werft euch in seinen Weg, ihr Hindernisse,
  Eine Schlinge legt, ein Netz um seine Füße,
  Daß er verfehle diesen Augenblick!
  Ihr Engel alle, die ich flehend bat,
  Ihn herzuführen, täuschet meine Bitte,
  Weit, weit von hier entfernet seine Schritte!

(Sie eilt hinein. Indem die Chöre einander anfallen, erscheint Don Manuel.)



Zweiter Auftritt.


Don Manuel. Der Chor.

Don Manuel.
  Was seh' ich! Haltet ein!

Erster Chor (Cajetan, Berengar, Manfred) zum zweiten.
                          Komm an! Komm an!

Zweiter Chor. (Bohemund, Roger, Hippolyt.)
  Nieder mit ihnen! Nieder!

Don Manuel (tritt zwischen sie, mit gezogenem Schwert).
                          Haltet ein!

Erster Chor. (Cajetan.)
  Es ist der Fürst.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
                   Der Bruder! Haltet Friede!

Don Manuel.
  Den streck' ich todt auf dieses Rasens Grund,
  Der mit gezuckter Augenwimper nur
  Die Fehde fortsetzt und dem Gegner droht!
  Rast ihr? Was für ein Dämon reizt euch an,
  Des alten Zwistes Flammen aufzublasen,
  Der zwischen uns, den Fürsten abgethan
  Und ausgeglichen ist auf immerdar?
  --Wer fing den Streit an? Redet! Ich will's wissen.

Erster Chor. (Cajetan, Berengar.)
  Sie standen hier--

Zweiter Chor (Roger, Bohemund unterbrechend).
                    Sie kamen--

Don Manuel (zum ersten Chor).
                                Rede du!

Erster Chor. (Cajetan.)
  Wir kamen her, mein Fürst, die Hochzeitgaben
  Zu überreichen, wie du uns befahlst.
  Geschmückt zu einem Feste, keineswegs
  Zum Krieg bereit, du siehst es, zogen wir
  In Frieden unsern Weg, nichts Arges denkend
  Und trauend dem beschworenen Vertrag;
  Da fanden wir sie feindlich hier gelagert
  Und uns den Eingang sperrend mit Gewalt.

Don Manuel.
  Unsinnige, ist keine Freistatt sicher
  Genug vor eurer blinden, tollen Wuth?
  Auch in der Unschuld still verborgnen Sitz
  Bricht euer Hader friedestörend ein? (Zum zweiten Chor.)
  Weiche zurück! Hier sind Geheimnisse,
  Die deine kühne Gegenwart nicht dulden. (Da derselbe zögert.)
  Zurück Dein Herr gebietet dir's durch mich,
  Denn wir sind jetzt ein Haupt und ein Gemüth,
  Und mein Befehl ist auch der seine. Geh! (Zum ersten Chor.)
  Du bleibst und wahrst des Eingangs.

Zweiter Chor. (Bohemund.)
                                    Was beginnen?
  Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit,
  Und in der hohen Häupter Spahn und Streit
  Sich unberufen, vielgeschäftig drängen,
  Bringt wenig Dank und öfterer Gefahr.
  Denn wenn der Mächtige des Streits ermüdet,
  Wirft er behend auf den geringen Mann,
  Der arglos ihm gedient, den blut'gen Mantel
  Der Schuld, und leicht gereinigt steht er da.
  Drum mögen sich die Fürsten selbst vergleichen,
  Ich acht' es für gerathner, wir gehorchen.

(Der zweite Chor geht ab, der erste zieht sich nach dem Hintergrund
der Scene zurück. In demselben Augenblicke stürzt Beatrice heraus
und wirft sich in Don Manuels Arme.)



Dritter Auftritt.


Beatrice. Don Manuel.

Beatrice.
  Du bist's. Ich habe dich wieder--Grausamer!
  Du hast mich lange, lange schmachten lassen,
  Der Furcht und allen Schrecknissen zum Raub
  Dahin gegeben--Doch nichts mehr davon!
  Ich habe dich--in deinen lieben Armen
  Ist Schutz und Schirm vor jeglicher Gefahr.
  Komm! Sie sind weg! Wir haben Raum zur Flucht,
  Fort, laß uns keinen Augenblick verlieren!
  (Sie will ihn mit sich fortziehen und sieht ihn jetzt erst genau an.)
  Was ist dir? So verschlossen feierlich
  Empfängst du mich--entziehst dich meinen Armen,
  Als wolltest du mich lieber ganz verstoßen?
  Ich kenne dich nicht mehr--Ist dies Don Manuel,
  Mein Gatte, mein Geliebter?

Don Manuel. Beatrice!

Beatrice.
  Nein, rede nicht! Jetzt ist nicht Zeit zu Worten!
  Fort laß uns eilen, schnell der Augenblick
  Ist kostbar--

Don Manuel.
              Bleib! Antworte mir!

Beatrice.
                                  Fort, Fort!
  Eh diese wilden Männer wiederkehren!

Don Manuel.
  Bleib! Jene Männer werden uns nicht schaden.

Beatrice.
  Doch, doch! Du kennst sie nicht. O, komm! Entfliehe!

Don Manuel.
  Von meinem Arm beschützt, was kannst du fürchten?

Beatrice.
  O, glaube mir, es gibt hier mächt'ge Menschen!

Don Manuel.
  Geliebte, keinen mächtiger als mich.

Beatrice.
  Du, gegen diese Vielen ganz allein?

Don Manuel.
  Ich ganz allein! Die Männer, die du fürchtest--

Beatrice.
  Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wem sie dienen.

Don Manuel.
  Mir dienen sie, und ich bin ihr Gebieter.

Beatrice.
  Du bist--Ein Schrecken fliegt durch meine Seele!

Don Manuel.
  Lerne mich endlich kennen, Beatrice!
  Ich bin nicht Der, der ich dir schien zu sein,
  Der arme Ritter nicht, der unbekannte,
  Der liebend nur um deine Liebe warb.
  Wer ich wahrhaftig bin, was ich vermag,
  Woher ich stamme, hab' ich dir verborgen.

Beatrice.
  Du bist Don Manuel nicht! Weh mir, wer bist du?

Don Manuel.
  Don Manuel heiß' ich--doch ich bin der Höchste,
  Der diesen Namen führt in dieser Stadt,
  Ich bin Don Manuel, Fürst von Messina.

Beatrice.
  Du wärst Don Manuel, Don Cesars Bruder?

Don Manuel.
  Don Cesar ist mein Bruder.

Beatrice.
                           Ist dein Bruder!

Don Manuel.
  Wie? Dies erschreckt dich? Kennst du den Don Cesar?
  Kennst du noch sonsten Jemand meines Bluts?

Beatrice.
  Du bist Don Manuel, der mit dem Bruder
  In Hasse lebt und unversöhnter Fehde?

Don Manuel. Wir sind versöhnt, seit heute sind wir Brüder,
  Nicht von Geburt nur, nein! von Herzen auch!

Beatrice.
  Versöhnt, seit heute!

Don Manuel.
                      Sage mir, was ist das?
  Was bringt dich so in Aufruhr? Kennst du mehr
  Als nur den Namen bloß von meinem Hause?
  Weiß ich dein ganz Geheimniß? Hast du nichts,
  Nichts mir verschwiegen oder vorenthalten?

Beatrice.
  Was denkst du? Wie? Was hätt' ich zu gestehen?

Don Manuel.
  Von deiner Mutter hast du mir noch nichts
  Gesagt. Wer ist sie? Würdest du sie kennen,
  Wenn ich sie dir beschriebe--dir sie zeigte?

Beatrice.
  Du kennst sie--kennst sie und verbargst sie mir?

Don Manuel.
  Weh dir und wehe mir, wenn ich sie kenne!

Beatrice.
  O, sie ist gütig, wie das Licht der Sonne!
  Ich seh' sie vor mir, die Erinnerung
  Belebt sich wieder, aus der Seele Tiefen
  Erhebt sich mir die göttliche Gestalt.
  Der braunen Locken dunkle Ringe seh' ich
  Des weißen Halses edle Form beschatten,
  Ich seh' der Stirne rein gewölbten Bogen,
  Des großen Auges dunkelhellen Glanz,
  Auch ihrer Stimme seelenvolle Töne
  Erwachen mir--

Don Manuel.
              Weh mir! Du schilderst sie!

Beatrice.
  Und ich entfloh ihr! Konnte sie verlassen,
  Vielleicht am Morgen eben dieses Tags,
  Der mich auf ewig ihr vereinen sollte!
  O, selbst die Mutter gab ich hin für dich!

Don Manuel.
  Messinas Fürstin wird dir Mutter sein.
  Zu ihr bring' ich dich jetzt; sie wartet deiner.

Beatrice.
  Was sagst du? Deine Mutter und Don Cesars?
  Zu ihr mich bringen? Nimmer, nimmermehr!

Don Manuel.
  Du schauderst? Was bedeutet dies Entsetzen?
  Ist meine Mutter keine Fremde dir?

Beatrice.
  O unglückselig traurige Entdeckung!
  O, hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn!

Don Manuel.
  Was kann dich ängstigen, nun du mich kennst,
  Den Fürsten findest in dem Unbekannten?

Beatrice.
  O, gib mir diesen Unbekannten wieder,
  Mit ihm auf dem Eiland wär' ich selig!

Don Cesar (hinter der Scene).
  Zurück! Welch vieles Volk ist hier versammelt?

Beatrice.
  Gott! Diese Stimme! Wo verberg' ich mich?

Don Manuel.
  Erkennst du diese Stimme? Nein, du hast
  Sie nie gehört und kannst sie nicht erkennen!

Beatrice.
  O, laß uns fliehen! Komm und weile nicht!

Don Manuel.
  Was fliehn? Es ist des Bruders Stimme, der
  Mich sucht; zwar wundert mich, wie er entdeckte--

Beatrice.
  Bei allen Heiligen des Himmels, meid' ihn!
  Begegne nicht dem heftig Stürmenden,
  Laß dich von ihm an diesem Ort nicht finden.

Don Manuel.
  Geliebte Seele, dich verwirrt die Furcht!
  Du hörst mich nicht, wir sind versöhnte Brüder!

Beatrice.
  O Himmel, rette mich aus dieser Stunde!

Don Manuel.
  Was ahnt mir! Welch ein Gedanke faßt
  Mich schaudernd?--Wär es möglich--Wäre dir
  Die Stimme keine fremde?--Beatrice,
  Du warst?--Mir grauet, weiter fort zu fragen!
  Du warst--bei meines Vaters Leichenfeier?

Beatrice.
  Wer mir!

Don Manuel.
        Du warst zugegen?

Beatrice.
                         Zürne nicht!

Don Manuel.
  Unglückliche, du warst?

Beatrice.
                       Ich war zugegen.

Don Manuel.
  Entsetzen!

Beatrice.
           Die Begierde war zu mächtig!
  Vergib mir! Ich gestand dir meinen Wunsch;
  Doch, plötzlich ernst und finster, ließest du
  Die Bitte fallen, und so schwieg auch ich.
  Doch weiß ich nicht, welch böses Sternes Macht
  Mich trieb mit unbezwinglichem Gelüsten.
  Des Herzens heißen Drang mußt' ich vergnügen;
  Der alte Diener lieh mir seinen Beistand,
  Ich war dir ungehorsam, und ich ging.

(Sie schmiegt sich an ihn, indem tritt Don Cesar herein, von dem
ganzen Chor begleitet.)



Vierter Auftritt.


Beide Brüder. Beide Chöre. Beatrice.

Zweiter Chor (Bohemund) zu Don Cesar.
  Du glaubst uns nicht--Glaub deinen eignen Augen!

Don Cesar (tritt heftig ein und fährt beim Anblick seines Bruders
mit Entsetzen zurück.)
  Blendwerk der Hölle! Was? In seinen Armen!
(Näher tretend, zu Don Manuel.)
  Giftvolle Schlange! Das ist deine Liebe!
  Deßwegen logst du tückisch mir Versöhnung!
  O, eine Stimme Gottes war mein Haß!
  Fahre zur Hölle, falsche Schlangenseele! (Er ersticht ihn.)

Don Manuel.
  Ich bin des Todes--Beatrice--Bruder!

(Er sinkt und stirbt. Beatrice fällt neben ihm ohnmächtig nieder.)

Erster Chor. (Cajetan.)
  Mord! Mord! Herbei! Greift zu den Waffen alle!
  Mit Blut gerächet sei die blut'ge That! (Alle ziehen den Degen.)

Zweiter Chor. (Bohemund.)
  Heil uns! Der lange Zwiespalt ist geendigt.
  Nur einem Herrscher jetzt gehorcht Messina.

Erster Chor. (Cajetan, Berengar, Manfred.)
  Rache! Rache! Der Mörder falle! falle,
  Ein sühnend Opfer dem Gemordeten!

Zweiter Chor. (Bohemund, Roger, Hippolyt.)
  Herr, fürchte nichts, wir stehen treu zu dir.

Don Cesar (mit Ansehen zwischen sie tretend).
  Zurück--Ich habe meinen Feind getödtet,
  Der mein vertrauend redlich Herz betrog,
  Die Bruderliebe mir zum Fallstrick legte.
  Ein furchtbar gräßlich Ansehn hat die That,
  Doch der gerechte Himmel hat gerichtet.

Erster Chor. (Cajetan.)
  Weh die, Messina! Wehe! Wehe! Wehe!
  Das gräßlich Ungeheure ist geschehn
  In deinen Mauern--Wehe deinen Müttern
  Und Kindern, deinen Jünglingen und Greisen!
  Und wehe der noch ungebornen Frucht!

Don Cesar.
  Die Klage kommt zu spät--Hier schaffet Hilfe!
(Auf Beatricen zeigend.)
  Ruft sie ins Leben! Schnell entfernet sie
  Von diesem Ort des Schreckens und des Todes.
  --Ich kann nicht länger weilen, denn mich ruft
  Die Sorge fort um die geraubte Schwester.
  --Bringt sie in meiner Mutter Schloß und sprecht:
  Es sei ihr Sohn Don Cesar, der sie sende!

(Er geht ab; die ohnmächtige Beatrice wird von dem zweiten Chor
auf eine Bank gesetzt und so hinweg getragen; der erste Chor bleibt
bei dem Leichnam zurück, um welchen auch die Knaben, die die
Brautgeschenke tragen, in einem Halbkreis herumstehen.)



Fünfter Auftritt.


Chor. (Cajetan.)
  Sagt mir! Ich kann's nicht fassen und deuten,
  Wie es so schnell sich erfüllend genaht.
  Längst wohl sah ich im Geist mit weiten
  Schritten das Schreckensgespenst herschreiten
  Dieser entsetzlichen, blutigen That.
  Dennoch übergießt mich ein Grauen,
  Da sie vorhanden ist und geschehen,
  Da ich erfüllt muß vor Augen schauen,
  Was ich in ahnender Furcht nur gesehen.
  All mein Blut in den Adern erstarrt
  Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart.

Einer aus dem Chor. (Manfred.)
  Lasset erschallen die Stimme der Klage!
  Holder Jüngling!
  Da liegt er entseelt,
  Hingestreckt in der Blüthe der Tage,
  Schwer umfangen von Todesnacht,
  An der Schwelle der bräutlichen Kammer!
  Aber über dem Stummen erwacht
  Lauter, unermeßlicher Jammer.

Ein Zweiter. (Cajetan.)
  Wir kommen, wir kommen
  Mit festlichem Prangen
  Die Braut zu empfangen,
  Es bringen die Knaben
  Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben,
  Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen;
  Aber der Bräutigam höret nicht mehr,
  Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen,
  Denn der Schlummer der Todten ist schwer.

Ganzer Chor.
  Schwer und tief ist der Schlummer der Todten,
  Nummer erweckt ihn die Stimme der Braut,
  Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut,
  Starr und fühllos liegt er am Boden!

Ein Dritter. (Cajetan.)
  Was sind die Hoffnungen, was sind Entwürfe,
  Die der Mensch, der vergängliche, baut?
  Heute umarmtet ihr euch als Brüder,
  Einig gestimmt mit Herzen und Munde,
  Diese Sonne, die jetzo nieder
  Geht, sie leuchtete eurem Bunde!
  Und jetzt liegst du, dem Staube vermählt,
  Von des Brudermords Händen entseelt,
  In dem Busen die gräßliche Wunde!
  Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,
  Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,
  Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?

Chor. (Berengar.)
  Zu der Mutter will ich dich tragen,
  Eine unbeglückende Last!
  Diese Cypresse laßt uns zerschlagen
  Mit der mörderischen Schneide der Axt,
  Eine Bahre zu flechten aus ihren Zweigen,
  Nimmer soll sie Lebendiges zeugen,
  Die die tödtliche Frucht getragen,
  Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben,
  Keinem Wandrer mehr Schatten geben;
  Die sich genährt auf des Mordes Boden,
  Soll verflucht sein zum Dienst der Todten!

Erster. (Cajetan.)
  Aber wehe dem Mörder, wehe,
  Der dahin geht in thörichtem Muth!
  Hinab, hinab in der Erde Ritzen
  Rinnet, rinnet, rinnet sein Blut.
  Drunten aber im Tiefen sitzen
  Lichtlos, ohne Gesang und Sprache,
  Der Themis Töchter, die nie vergessen,
  Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen,
  Fangen es auf in schwarzen Gefäßen,
  Rühren und mengen die schreckliche Rache.

Zweiter. (Berengar.)
  Leicht verschwindet der Thaten Spur
  Von der sonnenbeleuchteten Erde,
  Wie aus dem Antlitz die leichte Geberde--
  Aber nichts ist verloren und verschwunden,
  Was die geheimnißvoll waltenden Stunden
  In den dunkel schaffenden Schooß aufnahmen--
  Die Zeit ist eine blühende Flur,
  Ein großes Lebendiges ist die Natur,
  Und alles ist Frucht, und alles ist Samen.

Dritter. (Cajetan.)
  Wehe, wehe dem Mörder, wehe,
  Der sich gesät die tödtliche Saat!
  Ein andres Antlitz, eh sie geschehen,
  Ein anderes zeigt die vollbrachte That.
  Muthvoll blickt sie und kühn dir entgegen,
  Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen;
  Aber ist sie geschehn und begangen,
  Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.
  Selber die schrecklichen Furien schwangen
  Gegen Orestes die höllischen Schlangen,
  Reizten den Sohn zu dem Muttermord an;
  Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen
  Wußte sie listig sein Herz zu betrügen,
  Bis er die tödtliche That nun gethan--
  Aber, da er den Schooß jetzt geschlagen,
  Der ihn empfangen und liebend getragen,
  Siehe, da kehrten sie
  Gegen ihn selber
  Schrecklich sich um--
  Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun
  Die den Mörder ergreifend fassen,
  Die von jetzt an ihn nimmer lassen,
  Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen,
  Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen
  Bis in das delphische Heiligthum.
                
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