Lady (sieht ihm erstaunt nach). Sophie, spring ihm nach, frag' ihn
um seinen Namen! Er soll seine Söhne wieder haben. (Sophie ab.
Lady nachdenkend auf und nieder. Pause. Zu Sophien, die wieder
kommt.) Ging nicht jüngst ein Gerücht, daß das Feuer eine Stadt an
der Grenze verwüstet und bei vierhundert Familien an den Bettelstab
gebracht habe? (Sie klingelt.)
Sophie. Wie kommen Sie auf das? Allerdings ist es so, und die
mehresten dieser Unglücklichen dienen jetzt ihren Gläubigern als
Sklaven, oder verderben in den Schachten der fürstlichen
Silberbergwerke.
Bedienter (kommt). Was befehlen Milady?
Lady (gibt ihm den Schmuck). Daß das ohne Verzug in die Landschaft
gebracht werde!--Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl' ich,
und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand
ruiniert hat.
Sophie. Milady, bedenken Sie, daß Sie die höchste Ungnade wagen!
Lady (mit Größe). Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren
tragen? (Sie winkt dem Bedienten; dieser geht.) Oder willst du, daß
ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Thränen zu Boden
sinke?--Geh, Sophie--Es ist besser, falsche Juwelen im Haar und das
Bewußtsein dieser That im Herzen zu haben!
Sophie. Aber Juwelen wie diese! Hätten Sie nicht Ihre schlechtern
nehmen können? Nein, wahrlich, Milady! es ist Ihnen nicht zu
vergeben.
Lady. Närrisches Mädchen! Dafür werden in einem Augenblick mehr
Brillanten und Perlen für mich fallen, als zehn Könige in ihren
Diademen getragen, und schönere-Bedienter (kommt zurück). Major von
Walter-Sophie (springt auf die Lady zu). Gott! Sie verblassen-Lady.
Der erste Mann, der mir Schrecken macht--Sophie--Jetzt sei unpäßlich,
Eduard--Halt--Ist er aufgeräumt? Lacht er? Was spricht er? O,
Sophie! Nicht wahr, ich sehe häßlich aus?
Sophie. Ich bitte Sie, Lady-Bedienter. Befehlen Sie, daß ich ihn
abweise?
Lady (stotternd). Er soll mir willkommen sein. (Bedienter hinaus.)
Sprich, Sophie--Was sag' ich ihm? Wie empfang' ich ihn?--Ich werde
stumm sein.--Er wird meiner Schwäche spotten--Er wird--o was ahnet
mir--Du verlässest mich, Sophie?--Bleib!--Doch nein! Gehe!--So bleib
doch! (Der Major kommt durch das Vorzimmer.)
Sophie. Sammeln Sie sich! Er ist schon da!
Dritte Scene.
Ferdinand von Walter. Die Vorigen.
Ferdinand (mit einer kurzen Verbeugung). Wenn ich Sie worin
unterbreche, gnädige Frau-Lady (unter merkbarem Herzklopfen). In
nichts, Herr Major, das mir wichtiger wäre.
Ferdinand. Ich komme auf Befehl meines Vaters-Lady. Ich bin seine
Schuldnerin.
Ferdinand. Und soll Ihnen melden, daß wir uns heirathen--So weit der
Auftrag meines Vaters.
Lady (entfärbt sich und zittert). Nicht Ihres eigenen Herzens?
Ferdinand. Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen.
Lady (mit einer Beängstigung, daß ihr die Worte versagen). Und Sie
selbst hätten sonst nichts beizusetzen?
Ferdinand (mit einem Blick auf die Mamsell). Noch sehr viel, Milady!
Lady (gibt Sophien einen Wink, diese entfernt sich). Darf ich Ihnen
diesen Sopha anbieten?
Ferdinand. Ich werde kurz sein, Milady!
Lady. Nun?
Ferdinand. Ich bin ein Mann von Ehre.
Lady. Den ich zu schätzen weiß.
Ferdinand. Cavalier.
Lady. Kein beßrer im Herzogthum.
Ferdinand. Und Officier.
Lady (schmeichelhaft). Sie berühren hier Vorzüge, die auch Andere
mit Ihnen gemein haben. Warum verschweigen Sie größere, worin Sie
einzig sind?
Ferdinand (frostig). Hier brauch' ich sie nicht.
Lady (mit immer steigender Angst). Aber für was muß ich diesen
Vorbericht nehmen?
Ferdinand (langsam und mit Nachdruck). Für den Einwurf der Ehre,
wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen.
Lady (auffahrend). Was ist das, Herr Major?
Ferdinand (gelassen). Die Sprache meines Herzens--meines
Wappens--und dieses Degens.
Lady. Diesen Degen gab Ihnen der Fürst.
Ferdinand. Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fürsten--mein
Herz Gott--mein Wappen ein halbes Jahrtausend.
Lady. Der Name des Herzogs-Ferdinand (hitzig). Kann der Herzog
Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen münzen wie seine
Dreier?--Er selbst ist nicht über die Ehre erhaben, aber er kann
ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin über
seine Schande herwerfen. Ich bitte mir aus, davon nichts mehr,
Milady.--Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und
Ahnen--oder von dieser Degenquaste--oder von der Meinung der Welt.
Ich bin bereit, Dies alles mit Füßen zu treten, sobald Sie mich nur
überzeugt haben werden, daß der Preis nicht schlimmer noch als das
Opfer ist.
Lady (schmerzhaft von ihm weggehend). Herr Major! das hab' ich nicht
verdient.
Ferdinand (ergreift ihre Hand). Vergeben Sie. Wir reden hier
ohne Zeugen. Der Umstand, der Sie und mich--heute und nie
mehr--zusammenführt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein
geheimstes Gefühl nicht zurück zu halten.--Es will mir nicht
zu Kopfe, Milady, daß eine Dame von so viel Schönheit und
Geist--Eigenschaften, die ein Mann schätzen würde--sich an einen
Fürsten sollte wegwerfen können, der nur das Geschlecht an ihr
zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schämte,
vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten.
Lady (schaut ihm groß ins Gesicht). Reden Sie ganz aus!
Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Erlauben Sie mir--ich kann
es nicht glauben, daß Sie eine Brittin sind. Die freigeborne Tochter
des freiesten Volks unter dem Himmel--das auch zu stolz ist, fremder
Tugend zu räuchern--kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen.
Es ist nicht möglich, daß Sie eine Brittin sind,--oder das Herz
dieser Brittin muß um so viel kleiner sein, als größer und kühner
Britanniens Adern schlagen.
Lady. Sind Sie zu Ende?
Ferdinand. Man könnte antworten, es ist weibliche
Eitelkeit--Leidenschaft--Temperament--Hang zum Vergnügen. Schon
öfters überlebte Tugend die Ehre. Schon Manche, die mit Schande in
diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit
sich ausgesöhnt und das häßliche Handwerk durch einen schönen
Gebrauch geadelt--Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des
Landes, die vorher nie so gewesen?--Das war im Namen des Herzogthums.
--Ich bin zu Ende.
Lady (mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, daß
solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch,
dem ich darauf antworte--Daß Sie meine Hand verwerfen, darum schätz'
ich Sie. Daß Sie meine Hand lästern, vergebe ich Ihnen. Daß es Ihr
Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt,
Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine
Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muß dieser Dame eine große
Seele zutrauen, oder--von Sinnen sein--Daß Sie den Ruin des Landes
auf meine Brust wälzen, vergebe Ihnen Gott der Allmächtige, der Sie
und mich und den Fürsten einst gegen einander stellt.--Aber Sie haben
die Engländerin in mir aufgefordert, und auf Vorwürfe dieser Art muß
mein Vaterland Antwort haben.
Ferdinand (auf seinen Degen gestützt). Ich bin begierig.
Lady. Hören Sie also, was ich, außer Ihnen, noch Niemand vertraute,
noch jemals einem Menschen vertrauen will.--Ich bin nicht die
Abenteurerin, Walter, für die Sie mich halten. Ich könnte groß thun
und sagen: ich bin fürstlichen Geblüths--aus des unglücklichen Thomas
Norfolks Geschlechte, der für die schottische Maria ein Opfer ward.
--Mein Vater, des Königs oberster Kämmerer, wurde bezichtigt, in
verrätherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen
Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet.--Alle unsre Güter
fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine
Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich--ein vierzehnjähriges
Mädchen--flohe nach Deutschland mit meiner Wärterin--einem Kästchen
Juwelen--und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit
ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.
Ferdinand (wird nachdenkend und heftet wärmere Blicke auf die Lady).
Lady (fährt fort mit immer zunehmender Rührung). Krank--ohne
Namen--ohne Schutz und Vermögen--eine ausländische Waise, kam ich
nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen
Französisch--ein wenig Filet und den Flügel--desto besser verstund
ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu
schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die
Schmeicheleien der Großen Ihres Geschlechts aufzunehmen.--Sechs Jahre
waren schon hingeweint.--Und die letzte Schmucknadel flog
dahin--Meine Wärterin starb--und jetzt führte mein Schicksal Ihren
Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah
in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder
mein Leiden das Tiefste wäre?--Der Herzog sah mich, verfolgte mich,
fand meinen Aufenthalt,--lag zu meinen Füßen und schwur, daß er mich
liebe. (Sie hält in großen Bewegungen inne, dann fährt sie fort mit
weinender Stimme.) Alle Bilder meiner glücklichen Kindheit wachten
jetzt wieder mit verführendem Schimmer auf--Schwarz wie das Grab
graute mich eine trostlose Zukunft an--Mein Herz brannte nach einem
Herzen--Ich sank an das seinige. (Von ihm wegstürzend.). Jetzt
verdammen Sie mich!
Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und hält sie zurück). Lady! o
Himmel! Was hör' ich? Was that ich?--Schrecklich enthüllt sich mein
Frevel mir. Sie können mir nicht mehr vergeben.
Lady (kommt zurück und hat sich zu sammeln gesucht). Hören Sie
weiter. Der Fürst überraschte zwar meine wehrlose Jugend--aber das
Blut der Norfolk empörte sich in mir: Du, eine geborene Fürstin,
Emilie, rief es, und jetzt eines Fürsten Concubine?--Stolz und
Schicksal kämpften in meiner Brust, als der Fürst mich hieher brachte
und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand!--Die
Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyäne, die sich
mit Heißhunger Opfer sucht.--Fürchterlich hatte sie schon in diesem
Lande gewüthet--hatte Braut und Bräutigam zertrennt--hatte selbst der
Ehen göttliches Band zerrissen--hier das stille Glück einer Familie
geschleift--dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest
aufgeschlossen, und sterbende Schülerinnen schäumten den Namen ihres
Lehrers unter Flüchen und Zuckungen aus--Ich stellte mich zwischen
das Lamm und den Tiger, nahm einen fürstlichen Eid von ihm in einer
Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte
aufhören.
Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts
mehr, Milady! Nicht weiter!
Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz
gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf.
Flatterhafte Pariserinnen tändelten mit dem furchtbaren Scepter, und
das Volk blutete unter ihren Launen--Sie alle erlebten ihren Tag.
Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette,
als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zügel ab, der wollüstig in
meiner Umarmung erschlappte--dein Vaterland, Walter, fühlte zum
erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen.
(Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O daß der Mann, von dem
ich allein nicht verkannt sein möchte, mich jetzt zwingen muß, groß
zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu
versengen!--Walter, ich habe Kerker gesprengt--habe Todesurtheile
zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkürzt. In
unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam
gegossen--mächtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache
der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thräne gerettet--Ha,
Jüngling, wie süß war mir das! Wie stolz konnte mein Herz jede
Anklage meiner fürstlichen Geburt widerlegen!--Und jetzt kommt der
Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte--der Mann, den mein
erschöpftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden
schuf--der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon
umfasse-Ferdinand (fällt ihr ins Wort, durch und durch erschüttert).
Zu viel! zu viel! Das ist wieder die Abrede, Lady. Sie sollten sich
von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen
Sie--ich beschwöre Sie--schonen Sie meines Herzens, das Beschämung
und wüthende Reue zerreißen-Lady (hält seine Hand fest). Jetzt oder
nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand--das Gewicht dieser
Thränen mußt du noch fühlen. (Im zärtlichsten Ton.) Höre,
Walter--wenn eine Unglückliche--unwiderstehlich, allmächtig an dich
gezogen--sich an dich preßt mit einem Busen voll glühender,
unerschöpflicher Liebe--Walter!--und du jetzt noch das kalte Wort
Ehre sprichst--wenn diese Unglückliche--niedergedrückt vom Gefühl
ihrer Schande--des Lasters überdrüssig--heldenmäßig emporgehoben vom
Rufe der Tugend--sich so--in deine Arme wirft (sie umfaßt ihn,
beschwörend und feierlich)--durch dich gerettet--durch dich dem
Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm
abgewandt, mit hohler bebender Stimme) deinem Bild zu entfliehen, dem
fürchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere
Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt-Ferdinand (von ihr
losreißend, in der schrecklichsten Bedrängniß). Nein, beim großen
Gott! ich kann das nicht aushalten--Lady, ich muß--Himmel und Erde
liegen auf mir--ich muß Ihnen ein Geständniß thun, Lady!
Lady (von ihm wegfliehend). Jetzt nicht! Jetzt nicht, bei Allem,
was heilig ist--in diesem entsetzlichen Augenblick nicht, wo mein
zerrissenes Herz an tausend Dolchstichen blutet--Sei's Tod oder
Leben--ich darf es nicht--ich will es nicht hören!
Ferdinand. Doch, doch, beste Lady! Sie müssen es. Was ich Ihnen
jetzt sagen werde, wird meine Strafbarkeit mindern und eine warme
Abbitte des Vergangenen sein--Ich habe mich in Ihnen betrogen, Milady.
Ich erwartete--ich wünschte, Sie meiner Verachtung würdig zu finden.
Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Haß zu verdienen,
kam ich her--Glücklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen wäre!
(Er schweigt eine Weile, darauf leise und schüchterner.) Ich liebe,
Milady--liebe ein bürgerliches Mädchen--Luise Millerin, eines Musikus
Tochter. (Lady wendet sich bleich von ihm weg, er fährt lebhafter
fort.) Ich weiß, worein ich mich stürze; aber wenn auch Klugheit die
Leidenschaft schweigen heißt, so redet die Pflicht desto lauter--Ich
bin der Schuldige. Ich zuerst zerriß ihrer Unschuld goldenen
Frieden--wiegte ihr Herz mit vermessenen Hoffnungen und gab es
verrätherisch der wilden Leidenschaft Preis--Sie werden mich an
Stand--an Geburt--an die Grundsätze meines Vaters erinnern--aber ich
liebe.--Meine Hoffnung steigt um so höher, je tiefer die Natur mit
Convenienzen zerfallen ist.--Mein Entschluß und das Vorurtheil!--Wir
wollen sehen, ob die Mode oder die Menschheit auf dem Platz bleiben
wird. (Lady hat sich unterdeß bis an das äußerste Ende des Zimmers
zurückgezogen und hält das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. Er
folgt ihr dahin.) Sie wollten mir etwas sagen, Milady?
Lady (im Ausdruck des heftigsten Leidens). Nichts, Herr von Walter!
Nichts, als daß Sie sich und mich und noch eine Dritte zu Grund
richten.
Ferdinand. Noch eine Dritte?
Lady. Wir können mit einander nicht glücklich w. Wir müssen doch
der Voreiligkeit Ihres Vaters zum Opfer werden. Nimmermehr werd' ich
das Herz eines Mannes haben, der mir seine Hand nur gezwungen gab.
Ferdinand. Gezwungen? Lady? gezwungen gab? und also doch gab?
Können Sie eine Hand ohne Herz erzwingen? Sie einem Mädchen den Mann
entwenden, der die ganze Welt dieses Mädchens ist? Sie einen Mann
von dem Mädchen reißen, das die ganze Welt dieses Mannes ist? Sie,
Milady--vor einem Augenblick die bewundernswürdige Britten?--Sie
können das?
Lady. Weil ich es muß. (Mit Ernst und Stärke.) Meine Leidenschaft,
Walter, weicht meiner Zärtlichkeit für Sie. Meine Ehre kann's nicht
mehr--Unsre Verbindung ist das Gespräch des ganzen Landes. Alle
Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die
Beschimpfung ist unauslöschlich, wenn ein Unterthan des Fürsten mich
ausschlägt. Rechten Sie mit Ihrem Vater. Wehren Sie sich, so gut
Sie können.--Ich lass' alle Minen springen. (Sie geht schnell ab.
Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehen. Pause. Dann
stürzt er fort durch die Flügelthüre.)
Vierte Scene.
Zimmer beim Musikanten.
Miller. Frau Millerin. Luise treten auf.
Miller (hastig ins Zimmer). Ich hab's ja zuvor gesagt!
Luise (sprengt ihn ängstlich an). Was, Vater? was?
Miller (rennt wie toll auf und nieder). Meinen Staatsrock
her--hurtig--ich muß ihm zuvorkommen--und ein weißes Manschettenhemd!
--Das hab' ich mir gleich eingebildet!
Luise. Um Gotteswillen! Was?
Millerin. Was gibt's denn? was ist's denn?
Miller (wirft seine Perrücke ins Zimmer). Nur gleich zum Friseur das!
--Was es gibt? (Vor den Spiegel gesprungen.) Und mein Bart ist auch
wieder fingerslang--Was es gibt?--Was wird's geben, du Rabenaas?--Der
Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen!
Frau. Da sehe man! Über mich muß gleich alles kommen.
Miller. Über dich? Ja, blaues Donnermaul! und über wen anders?
Heute früh mit deinem diabolischen Junker--Hab ich's nicht im Moment
gesagt?--Der Wurm hat geplaudert.
Frau. Ah was! Wie kannst du das wissen?
Miller. Wie kann ich das wissen?--Da!--unter der Hausthüre spukt ein
Kerl des Ministers und fragt nach dem Geiger.
Luise. Ich bin des Todes!
Miller. Du aber auch mit deinen Vergißmeinnicht-Augen! (Lacht
voller Bosheit.) Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in
die Wirthschaft gelegt hat, dem wird eine hübsche Tochter
geboren--Jetzt hab' ich's blank.
Frau. Woher weißt du denn, daß es der Luise gilt?--Du kannst dem
Herzog recommendiert worden sein. Er kann dich ins Orchester
verlangen.
Miller (springt nach seinem Rohr). Daß dich der Schwefelregen von
Sodom!--Orchester!--Ja, wo du Kupplerin den Discant wirst heulen und
mein blauer Hinterer den Conterbaß vorstellen! (Wirft sich in seinen
Stuhl.) Gott im Himmel!
Luise (setzt sich todtenbleich nieder). Mutter! Vater! Warum wird
mir auf einmal so bange?
Miller (springt wieder vom Stuhl auf). Aber soll mir der
Dintenkleckser einmal in den Schuß laufen?--Soll er mir laufen? Es
sei in dieser oder in jener Welt--Wenn ich ihm nicht Leib und Seele
breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten
im Vaterunser, und alle Bücher Mosis und der Propheten aufs Leder
schreibe, daß man die blauen Flecken bei der Auferstehung der Todten
noch sehen soll-Frau. Ja! fluch du und poltre du! Das wird jetzt
den Teufel bannen! Hilf, heiliger Herregott! Wo hinaus nun? Wie
werden wir Rath schaffen? Was nun anfangen? Vater Miller, so rede
doch! (Sie läuft heulend durchs Zimmer.)
Miller. Auf der Stell zum Minister will ich. Ich zuerst will mein
Maul aufthun--ich selbst will es angeben. Du hast es vor mir gewußt.
Du hättest mir einen Wink geben können. Das Mädel hätt' sich noch
weisen lassen. Es wäre noch Zeit gewesen--aber nein!--Da hat sich
was makeln lassen; da hat sich was fischen lassen! Da hast du noch
Holz obendrein zugetragen!--Jetzt sorg' auch für deinen Kuppelpelz.
Friß aus, was du einbrocktest! Ich nehme meine Tochter in Arm, und
marsch mit ihr über die Grenze!
Fünfte Scene.
Ferdinand von Walter stürzt erschrocken und außer Athem ins Zimmer.
Die Vorigen.
Ferdinand. War mein Vater da?
Luise (fährt mit Schrecken auf). Sein Vater! Allmächtiger Gott!
Frau (zugleich; schlägt die Hände zusammen). Der Präsident! Es ist
aus mit uns!
Miller (zugleich; lacht voller Bosheit). Gottlob! Gottlob! da haben
wir ja die Bescherung!
Ferdinand (eilt auf Luisen zu und drückt sie stark in die Arme).
Mein bist du, und wärfen Höll' und Himmel sich zwischen uns!
Luise. Mein Tod ist gewiß--Rede weiter--Du sprachst einen
schrecklichen Namen aus--Dein Vater?
Ferdinand. Nichts. Nichts. Es ist überstanden. Ich hab' dich ja
wieder. Du hast mich ja wieder. O, laß mich Athem schöpfen an
dieser Brust! Es war eine schreckliche Stunde.
Luise. Welche? Du tödtest mich?
Ferdinand (tritt zurück und schaut sie bedeutend an). Eine Stunde,
Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gewalt sich
warf--wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblaßte--wo meine Luise
aufhörte, ihrem Ferdinand Alles zu sein-Luise (sinkt mit verhülltem
Gesicht auf den Sessel nieder).
Ferdinand (geht schnell auf sie zu, bleibt sprachlos mit starrem
Blick vor ihr stehen, dann verläßt er sie plötzlich, in großer
Bewegung). Nein! Nimmermehr! Unmöglich, Lady! Zu viel verlangt!
Ich kann dir diese Unschuld nicht opfern--Nein, beim unendlichen Gott!
ich kann meinen Eid nicht verletzen, der mich laut wie des Himmels
Donner aus diesem brechenden Auge mahnt--Lady, blick hieher--hieher,
du Rabenvater--Ich soll diesen Engel würgen! Die Hölle soll ich in
diesen himmlischen Busen schütten? (Mit Entschluß auf sie zueilend.)
Ich will sie führen vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe
Verbrechen ist, soll der Ewige sagen. (Er faßt sie bei der Hand und
hebt sie vom Sessel.) Fasse Muth, meine Theuerste!--Du hast gewonnen!
Als Sieger komm' ich aus dem gefährlichsten Kampf zurück.
Luise. Nein! Nein! Verhehle mir nichts. Sprich es aus, das
entsetzliche Urtheil. Deinen Vater nanntest du? Du nanntest die
Lady?--Schauer des Todes ergreifen mich--Man sagt, sie wird heirathen.
Ferdinand (stürzt betäubt zu Luisens Füßen nieder). Mich,
Unglückselige!
Luise (nach einer Pause, mit stillem bebenden Ton und schrecklicher
Ruhe). Nun--was erschreck' ich denn? Der alte Mann dort hat mir's
ja oft gesagt--ich hab' es ihm nie glauben wollen. (Pause, dann
wirft sie sich Millern laut weinend in die Arme.). Vater, hier ist
deine Tochter wieder--Verzeihung, Vater!--Dein Kind kann ja nicht
dafür, daß dieser Traum so schön war, und--so fürchterlich jetzt das
Erwachen-Miller. Luise! Luise!--O Gott, sie ist von sich--Meine
Tochter, mein armes Kind--Fluch über den Verführer!--Fluch über das
Weib, das ihm kuppelte!
Frau (wirft sich jammernd auf Luisen). Verdien' ich diesen Fluch,
meine Tochter? Vergeb's Ihnen Gott, Baron!--Was hat dieses Lamm
gethan, daß Sie es würgen?
Ferdinand (springt an ihr auf, voll Entschlossenheit). Aber ich will
seine Kabalen durchbohren--durchreißen will ich alle diese eisernen
Ketten des Vorurtheils--Frei wie ein Mann will ich wählen, daß diese
Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln! (Er will
fort.)
Frau (eilt ihm nach, hängt sich an ihn). Der Präsident wird hieher
kommen--Er wird unser Kind mißhandeln--Er wird uns mißhandeln--Herr
von Walter, und Sie verlassen uns?
Miller (lacht wüthend). Verläßt uns! Freilich! Warum nicht?--Sie
gab ihm ja Alles hin! (Mit der einen Hand den Major, mit der andern
Luisen fassend.) Geduld, Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur über
diese da--Erwarte erst deinen Vater! wenn du kein Bube bist--Erzähl'
es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betrüger, oder, bei Gott!
(Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig.) Du sollst mir
zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zu
Schanden richtete!
Ferdinand (kommt zurück und geht auf und ab in tiefen Gedanken).
Zwar die Gewalt des Präsident ist groß--Vaterrecht ist ein weites
Wort--der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken, er
kann es weit damit treiben--weit!--Doch aufs Äußerste treibt's nur
die Liebe--Hier, Luise! Deine Hand ist die meinige! (Er faßt diese
heftig.) So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll!
--der Augenblick, der diese zwei Hände trennt, zerreißt auch den
Faden zwischen mir und der Schöpfung!
Luise. Mir wird bange! Blick' weg! Deine Lippen beben! Dein Auge
rollt fürchterlich-Ferdinand. Nein, Luise! Zittre nicht! Es ist
nicht Wahnsinn, was aus mir redet. Es ist das köstliche Geschenk des
Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepreßte Brust
nur durch etwas Unerhörtes sich Luft macht--Ich liebe dich, Luise--Du
sollst mir bleiben, Luise--Jetzt zu meinem Vater! (Er eilt schnell
fort und rennt--gegen den Präsident.)
Sechste Scene.
Der Präsident mit einem Gefolge von Bedienten. Vorige.
Präsident (im Hereintreten). Da ist er schon.
Alle (erschrocken).
Ferdinand (weicht einige Schritte zurück). Im Hause der Unschuld.
Präsident. Wo der Sohn Gehorsam gegen den Vater lernt?
Ferdinand. Lassen Sie und das-Präsident (unterbricht ihn, zu
Millern). Er ist der Vater?
Miller. Stadtmusikant Miller.
Präsident (zur Frau). Sie die Mutter?
Frau. Ach ja, die Mutter!
Ferdinand (zu Millern). Vater, bring Er die Tochter weg--sie droht
eine Ohnmacht.
Präsident. Überflüssige Sorgfalt! Ich will sie anstreichen. (Zu
Luisen.) Wie lang kennt Sie den Sohn des Präsidenten?
Luise. Diesem habe ich nie nachgefragt. Ferdinand von Walter
besucht mich seit dem November.
Ferdinand. Betet sie an.
Präsident. Erhielt sie Versicherungen?
Ferdinand. Vor wenig Augenblicken die feierlichste im Angesicht
Gottes.
Präsident (zornig zu seinem Sohn). Zur Beichte deiner Thorheit wird
man dir schon das Zeichen geben. (Zu Luisen.) Ich warte auf Antwort.
Luise. Er schwur mir Liebe.
Ferdinand. Und wird sie halten.
Präsident. Muß ich befehlen, daß du schweigst?--Nahm Sie den Schwur
an?
Luise (zärtlich). Ich erwiederte ihn.
Ferdinand (mit fester Stimme). Der Bund ist geschlossen.
Präsident. Ich werde das Echo hinaus werfen lassen. (Boshaft zu
Luisen.) Aber er bezahlte Sie doch jederzeit baar?
Luise (aufmerksam). Diese Frage verstehe ich nicht ganz.
Präsident (mit beißendem Lachen). Nicht? Nun! ich meine nur--Jedes
Handwerk hat, wie man sagt, einen goldenen Boden--auch Sie, hoff' ich,
wird Ihre Gunst nicht verschenkt haben--oder war's Ihr vielleicht
mit dem bloßen Verschluß gedient? Wie?
Ferdinand (fährt wie rasend auf). Hölle! was war das?
Luise (zum Major mit Würde und Unwillen). Herr von Walter, jetzt
sind Sie frei.
Ferdinand. Vater! Ehrfurcht befiehlt die Tugend auch im
Bettlerkleid.
Präsident (lacht lauter). Eine lustige Zumuthung! Der Vater soll
die Hure des Sohns respectieren.
Luise (stürzt nieder). O Himmel und Erde!
Ferdinand (mit Luisen zu gleicher Zeit, indem er den Degen nach dem
Präsidenten zückt, den er aber schnell wieder sinken läßt). Vater!
Sie hatten einmal ein Leben an mich zu fordern--Es ist bezahlt. (Den
Degen einsteckend.) Der Schuldbrief der kindlichen Pflicht liegt
zerrissen da-Miller (der bis jetzt furchtsam auf der Seite gestanden,
tritt hervor in Bewegung, wechselweis vor Wuth mit den Zähnen
knirschend und vor Angst damit klappernd): Euer Excellenz--Das Kind
ist des Vaters Arbeit--Halten zu Gnaden--Wer das Kind eine Mähre
schilt, schlägt den Vater ans Ohr, und Ohrfeig um Ohrfeig--Das ist so
Tax bei uns--Halten zu Gnaden.
Frau. Hilf, Herr und Heiland!--Jetzt bricht auch der Alte los--über
unserm Kopf wird das Wetter zusammenschlagen.
Präsident (der es nur halb gehört hat). Regt sich der Kuppler
auch?--Wir sprechen uns gleich, Kuppler.
Miller. Halten zu Gnaden. Ich heiße Miller, wenn Sie ein Adagio
hören wollen--mit Buhlschaften dien' ich nicht. So lang der Hof da
noch Vorrath hat, kommt die Lieferung nicht an uns Bürgersleut'.
Halten zu Gnaden.
Frau. Um des Himmels willen, Mann! Du bringst Weib und Kind um.
Ferdinand. Sie spielen hier eine Rolle, mein Vater, wobei Sie sich
wenigstens die Zeugen hätten ersparen können.
Miller (kommt ihm näher, herzhafter). Deutsch und verständlich.
Halten zu Gnaden. Euer Excellenz schalten und walten im Land. Das
ist meine Stube. Mein devotestes Compliment, wenn ich dermaleins ein
pro memoria bringe, aber den ungehobelten Gast werf' ich zur Thür
hinaus--Halten zu Gnaden.
Präsident (vor Wuth blaß). Was?--Was ist das? (Tritt näher.)
Miller (zieht sich sachte zurück). Das war nur so meine Meinung,
Herr--Halten zu Gnaden.
Präsident (in Flammen). Ha, Spitzbube! Ins Zuchthaus spricht dich
deine vermessene Meinung--Fort! Man soll Gerichtsdiener holen.
(Einige vom Gefolge gehen ab; der Präsident rennt voll Wuth durch das
Zimmer.) Vater ins Zuchthaus--an den Pranger Mutter und Metze von
Tochter!--Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme borgen. Für
diesen Schimpf muß ich schreckliche Genugthuung haben--Ein solches
Gesindel sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn
aneinander hetzen?--Ha, Verflucht! Ich will meinen Haß an eurem
Untergang sättigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will
ich meiner brennenden Rache opfern.
Ferdinand (tritt gelassen und standhaft unter sie hin). O nicht doch!
Seit außer Furcht! Ich bin zugegen. (Zum Präsidenten mit
Unterwürfigkeit.) Keine Übereilung, mein Vater! Wenn Sie sich selbst
lieben, keine Gewaltthätigkeit!--Es gibt eine Gegend in meinem Herzen,
worin das Wort Vater noch nie gehört worden ist--Dringen Sie nicht
bis in diese.
Präsident. Nichtswürdiger! Schweig! Reize meinen Grimm nicht noch
mehr!
Miller (kommt aus einer dumpfen Betäubung zu sich selbst).
Schau du nach deinem Kinde, Frau. Ich laufe zum Herzog--Der
Leibschneider--das hat mir Gott eingeblasen!--der Leibschneider
lernt die Flöte bei mir. Es kann mir nicht fehlen beim Herzog.
(Er will gehen.)
Präsident. Beim Herzog, sagst du?--Hast du vergessen, daß ich die
Schwelle bin, worüber du springen oder den Hals brechen mußt?--Beim
Herzog, du Dummkopf?--Versuch' es, wenn du, lebendig todt, eine
Thurmhöhe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit
der Hölle liebäugelt und Schall und Licht wieder umkehren. Raßle
dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zu viel geschehen.
Siebente Scene.
Gerichtsdiener. Die Vorigen.
Ferdinand (eilt auf Luisen zu, die ihm halb todt in die Arme fällt).
Luise! Hilfe! Rettung! Der Schrecken überwältigt sie!
Miller (ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf und macht
sich zum Angriff gefaßt).
Frau (wirft sich auf die Kniee vor dem Präsident).
Präsident (zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entblößend). Legt
Hand an, im Namen des Herzogs--Weg von der Metze, Junge--Ohnmächtig
oder nicht--wenn sie nur erst das eiserne Halsband um hat, wird man
sie schon mit Steinwürfen aufwecken.
Frau. Erbarmung, Ihro Excellenz! Erbarmung! Erbarmung!
Miller (reißt seine Frau in die Höhe). Knie vor Gott! alte Heulhure,
und nicht vor--Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muß.
Präsident (beißt die Lippen). Du kannst dich verrechnen, Bube. Es
stehen noch Galgen leer! (Zu den Gerichtsdienern.) Muß ich es noch
einmal sagen?
Gerichtsdiener (dringen auf Luisen ein).
Ferdinand (springt an ihr auf und stellt sich vor sie, grimmig). Wer
will was? (Er zieht den Degen sammt der Scheide und wehrt sich mit
dem Gefäß.) Wag' es, sie anzurühren, wer nicht auch die Hirnschale an
die Gerichte vermiethet hat. (Zum Präsident.) Schonen Sie Ihrer
selbst! Treiben Sie mich nicht weiter, mein Vater.
Präsident (drohend zu den Gerichtsdienern). Wenn euch euer Brod lieb
ist, Memmen-Gerichtsdiener (greifen Luisen wieder an).
Ferdinand. Tod und alle Teufel! Ich sage: Zurück!--Noch einmal!
Haben Sie Erbarmen mit sich selbst. Treiben Sie mich nicht aufs
Äußerste, Vater.
Präsident (aufgebracht zu den Gerichtsdienern). Ist das euer
Diensteifer, Schurken?
Gerichtsdiener (greifen hitziger an).
Ferdinand. Wenn es denn sein muß (indem er den Degen zieht und
einige von denselben verwundet), so verzeih mir, Gerechtigkeit!
Präsident (voll Zorn). Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen
fühle. (Er faßt Luisen selbst, zerrt sie in die Höhe und übergibt
sie einem Gerichtsknecht.)
Ferdinand (lacht erbittert). Vater, Vater! Sie machen hier ein
beißendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so übel auf ihre Leute
verstund und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister
machte.
Präsident (zu den Übrigen). Fort mit ihr!
Ferdinand. Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major,
des Präsidenten Sohn--Bestehen Sie noch darauf?
Präsident. Desto possierlicher wird das Spektakel--Fort!
Ferdinand. Vater, ich werfe meinen Officiersdegen auf das Mädchen.
--Bestehen Sie noch darauf?
Präsident. Das Porte-Epée ist an deiner Seite des Prangerstehens
gewohnt worden--Fort! Fort! Ihr wißt meinen Willen.
Ferdinand (drückt einen Gerichtsdiener weg, faßt Luisen an einem Arm,
mit dem andern zückt er den Degen auf sie). Vater! Eh Sie meine
Gemahlin beschimpfen, durchstoß' ich sie--Bestehen Sie noch darauf?
Präsident. Thu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist.
Ferdinand (läßt Luisen fahren und blickt fürchterlich zum Himmel).
Du, Allmächtiger, bist Zeuge! Kein menschliches Mittel ließ ich
unversucht--ich muß zu einem teuflischen schreiten--Ihr führt sie zum
Pranger fort, unterdessen (dem Präsidenten ins Ohr rufend) erzähl'
ich der Residenz eine Geschichte, wie man Präsident wird. (Ab.)
Präsident (wie vom Blitz gerührt). Was ist das?--Ferdinand--Laßt sie
ledig! (Er eilt dem Major nach.)
Dritter Akt.
Saal beim Präsidenten.
Erste Scene.
Der Präsident und Sekretär Wurm kommen.
Präsident. Der Streich war verwünscht.
Wurm. Wie ich befürchtete, gnädiger Herr. Zwang erbittert die
Schwärmer immer, aber bekehrt sie nie.
Präsident. Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag
gesetzt. Ich urtheilte so: Wenn das Mädchen beschimpft wird, muß er,
als Officier, zurücktreten.
Wurm. Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen hätt' es auch kommen
sollen.
Präsident. Und doch--wenn ich es jetzt mit kaltem Blut
überdenke--Ich hätte mich nicht sollen eintreiben lassen--Es war eine
Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht hätte.
Wurm. Das denken Sie ja nicht. Der gereizten Leidenschaft ist keine
Thorheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf
zu Ihrer Regierung geschüttelt. Ich glaub's. Die Grundsätze, die er
aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht
einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Träumereien von
Seelengröße und persönlichem Adel an einem Hof, wo die größte
Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art,
groß und klein zu sein! Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack
am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird
seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich.
Präsident (verdrießlich). Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an
unserm Handel verbessern?
Wurm. Wie wird Ew. Excellenz auf die Wunde hinweisen, und auch
vielleicht auf den Verband. Einen solchen Charakter--erlauben
Sie--hätte man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind
machen sollen. Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind.
Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des
Verräthers band. Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmäßig
abzuschütteln; machen Sie ihn durch wiederholte Stürme auf seine
Leidenschaft glauben, daß Sie der zärtliche Vater nicht sind, so
dringen die Pflichten des Patrioten bei ihm vor. Ja, schon allein
die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwürdiges Opfer
zu bringen, könnte Reiz genug für ihn haben, selbst seinen Vater zu
stürzen.
Präsident. Wurm--Wurm--Er führt mich da vor einen entsetzlichen
Abgrund.
Wurm. Ich will Sie zurückführen, gnädiger Herr. Darf ich freimüthig
reden?
Präsident (indem er sich niedersetzt). Wie ein Verdammter zum
Mitverdammten.
Wurm. Also verzeihen Sie--Sie haben, dünkt mich, der biegsamen
Hofkunst den ganzen Präsidenten zu danken, warum vertrauen Sie ihr
nicht auch den Vater an? Ich besinne mich, mit welcher Offenheit Sie
Ihren Vorgänger damals zu einer Partie Piquet beredeten und bei ihm
die halbe Nacht mit freundschaftlichem Burgunder hinwegschwemmten,
und das war doch die nämliche Nacht, wo die große Mine losgehen und
den guten Mann in die Luft blasen sollte--Warum zeigten Sie Ihrem
Sohne den Feind? Nimmermehr hätte dieser erfahren sollen, daß ich um
seine Liebesangelegenheit wisse. Sie hätten den Roman von Seiten des
Mädchens unterhöhlt und das Herz Ihres Sohnes behalten. Sie hätten
den klugen General gespielt, der den Feind nicht am Kern seiner
Truppen faßt, sondern Spaltungen unter den Gliedern stiftet.
Präsident. Wie war das zu machen?
Wurm. Auf die einfachste Art--und die Karten sind noch nicht ganz
vergeben. Unterdrücken Sie eine Zeit lang, daß Sie Vater sind.
Messen Sie sich mit einer Leidenschaft nicht, die jeder Widerstand
nur mächtiger machte--Überlassen Sie es mir, an ihrem eigenen Feuer
den Wurm auszubrüten, der sie zerfrißt.
Präsident. Ich bin begierig.
Wurm. Ich müßte mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen,
oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich, wie in der
Liebe. Machen Sie ihm das Mädchen verdächtig--Wahrscheinlich oder
nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstörende
Gährung zu jagen.
Präsident. Aber woher diesen Gran nehmen?
Wurm. Da sind wir auf dem Punkt--vor allen Dingen, gnädiger Herr,
erklären Sie sich mir, wie viel Sie bei der ferneren Weigerung des
Majors auf dem Spiel haben--in welchem Grade es Ihnen wichtig ist,
den Roman mit dem Bürgermädchen zu endigen und die Verbindung mit
Lady Milford zu Stand zu bringen?
Präsident. Kann Er noch fragen, Wurm?--Mein ganzer Einfluß ist in
Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zurückgeht, und wenn ich den
Major zwinge, mein Hals.
Wurm (munter). Jetzt haben Sie die Gnade und hören--Den Herrn Major
umspinnen wir mit List. Gegen das Mädchen nehmen wir Ihre ganze
Gewalt zu Hilfe. Wir dictieren ihr ein Billetdoux an eine dritte
Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major in die
Hände.
Präsident. Toller Einfall! Als ob sie sich so geschwind hin
bequemen würde, ihr eigenes Todesurtheil zu schreiben?
Wurm. Sie muß, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das
gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo tödtliche
Seiten, durch welche wir ihre Gewissen bestürmen können--ihren Vater
und den Major. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel; desto
freier können wir mit dem Musikanten umspringen.
Präsident. Als zum Exempel?
Wurm. Nach Dem, was Ew. Excellenz mir von dem Auftritt in
seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den
Vater mit einem Halsproceß zu bedrohen. Die Person des
Günstlings und Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten
der Majestät--Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen
dieser--Wenigstens will ich den armen Schächer mit diesem
zusammengeflickten Kobold durch ein Nadelöhr jagen.
Präsident. Doch--ernsthaft dürfte der Handel nicht werden.
Wurm. Ganz und gar nicht--Nur in so weit, als es nöthig ist, die
Familie in die Klemme zu treiben--Wir setzen also in aller Stille den
Musikus fest--Die Noth um so dringender zu machen, könnte man auch
die Mutter mitnehmen,--sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot,
von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen
Bedingung seiner Befreiung.
Präsident. Gut! Gut! Ich verstehe.
Wurm. Sie liebt ihren Vater--bis zur Leidenschaft, möcht' ich sagen.
Die Gefahr seines Lebens--seiner Freiheit zum Mindesten--die
Vorwürfe ihres Gewissens, den Anlaß dazu gegeben zu haben--die
Unmöglichkeit, den Major zu besitzen--endlich die Betäubung ihres
Kopfs, die ich auf mich nehme--es kann nicht fehlen--sie muß in die
Falle gehn.
Präsident. Aber mein Sohn? Wird er nicht auf der Stelle Wind davon
haben?
Wurm. Das lassen Sie meine Sorge sein, gnädiger Herr--Vater und
Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen
körperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheim zu halten
und den Betrug zu bestätigen.
Präsident. Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?
Wurm. Nichts bei uns, gnädiger Herr! Bei dieser Menschenart
Alles--Und sehen Sie nun, wie schön wir Beide auf diese Manier zum
Ziele kommen werden--Das Mädchen verliert die Liebe des Majors und
den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf,
und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art,
erkennen sie's noch zuletzt für Erbarmung, wenn ich der Tochter durch
meine Hand ihre Reputation wieder gebe.
Präsident (lacht unter Kopfschütteln). Ja, ich gebe mich dir
überwunden, Schurke! Das Geweb' ist satanisch fein. Der Schüler
übertrifft seinen Meister--Nun ist die Frage, an wen das Billet muß
gerichtet werden? Mit wem wir sie in Verdacht bringen müssen?
Wurm. Nothwendig mit Jemand, der durch den Entschluß Ihres Sohnes
Alles gewinnen oder Alles verlieren muß.
Wurm (nach einigem Nachdenken). Ich weiß nur den Hofmarschall.
Wurm (zuckt die Achseln). Mein Geschmack wär' es nun freilich nicht,
wenn ich Luise Millerin hieße.
Präsident. Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende
Garderobe--Eine Atmosphäre von Eau de mille fleurs und Bisam--und
jedes alberne Wort eine Handvoll Ducaten--und alles Das sollte die
Delicatesse einer bürgerlichen Dirne nicht endlich bestechen können?
O, guter Freund! so scrupulös ist die Eifersucht nicht! Ich schicke
zum Marschall. (Klingelt.)
Wurm. Unterdessen, daß Ew. Excellenz dieses und die Gefangennehmung
des Geigers besorgen, werd' ich hingehen und den bewußten Liebesbrief
aufsetzen.
Präsident (zum Schreibpult gehend). Den Er mir zum Durchlesen
heraufbringt, sobald er zu Stand sein wird. (Wurm geht ab. Der
Präsident setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht
auf und gibt ihm ein Papier.) Dieser Verhaftsbefehl muß ohne Aufschub
in die Gerichte--ein Andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir
bitten.
Kammerdiener. Der gnädige Herr sind so eben hier angefahren.
Präsident. Noch besser--aber die Anstalten sollen mit Vorsicht
getroffen werden, sagt ihr, daß kein Aufstand erfolgt.
Kammerdiener. Sehr wohl, Ihr' Excellenz!
Präsident. Versteht ihr? Ganz in der Stille!
Kammerdiener. Ganz gut, Ihr' Excellenz! (Ab.)
Zweite Scene.
Der Präsident und der Hofmarschall.
Hofmarschall (eilfertig). Nur en passant, mein Bester!--Wie leben
Sie? Wie befinden Sie sich?--Heute Abend ist große Opéra Dido--das
süperbeste Feuerwerk--eine ganze Stadt brennt zusammen--Sie sehen sie
doch auch brennen? Was?
Präsident. Ich habe Feuerwerk genug in meinem eigenen Hause, das
meine ganze Herrlichkeit in die Luft nimmt--Sie kommen erwünscht,
lieber Marschall, mir in einer Sache zu rathen, thätig zu helfen, die
uns Beide poussiert, oder völlig zu Grund richtet. Setzen Sie sich.
Hofmarschall. Machen Sie mir nicht Angst, mein Süßer.
Präsident. Wie gesagt--poussiert, oder ganz zu Grund richtet. Sie
wissen mein Project mit dem Major und der Lady. Sie begreifen auch,
wie unentbehrlich es war, unser Beider Glück zu fixieren. Es kann
Alles zusammenfallen, Kalb. Mein Ferdinand will nicht.
Hofmarschall. Will nicht--will nicht--ich hab's ja in der ganzen
Stadt schon herumgesagt. Die Mariage ist in Jedermanns Munde.
Präsident. Sie können vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen.
Er liebt eine Andere.
Hofmarschall. Sie scherzen. Ist das auch wohl ein Hindernis?
Präsident. Bei dem Trotzkopf das unüberwindlichste.
Hofmarschall. Er soll so wahnsinnig sein und sein Fortune von sich
stoßen? Was?
Präsident. Fragen Sie ihn das und hören Sie, was er antwortet.
Hofmarschall. Aber, mon Dieu! was kann er denn antworten?
Präsident. Daß er der ganzen Welt das Verbrechen entdecken wolle,
wodurch wir gestiegen sind--daß er unsere falschen Briefe und
Quittungen angeben--daß er uns Beide ans Messer liefern wolle--das
kann er antworten.
Hofmarschall. Sind Sie von Sinnen?
Präsident. Das hat er geantwortet. Das war er schon Willens, ins
Werk zu richten--Davon hab' ich ihn kaum noch durch meine höchste
Erniedrigung abgebracht. Was wissen Sie hierauf zu sagen?
Hofmarschall (mit einem Schafsgesicht). Mein Verstand steht still.
Präsident. Das könnte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen
mir meine Spionen, daß der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei,
um die Lady zu werben.
Hofmarschall. Sie machen mich rasend. Wer sagen Sie? von Bock sagen
Sie?--Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen sind? Wissen
Sie auch, warum wir es sind?
Präsident. Das erste Wort, das ich höre.
Hofmarschall. Bester! Sie werden hören, und aus der Haut werden Sie
fahren--Wenn Sie sich noch des Hofballs entsinnen--es geht jetzt ins
einundzwanzigste Jahr--wissen Sie, worauf man den ersten Englischen
tanzte, und dem Grafen von Meerschaum das heiße Wachs von einem
Kronleuchter auf den Domino tröpfelte--Ach Gott, das müssen Sie
freilich noch wissen!
Präsident. Wer könnte so was vergessen?
Hofmarschall. Sehen Sie! da hatte Prinzessin Amalie in der Hitze des
Tanzes ein Strumpfband verloren--Alles kommt, wie befreiflich ist, in
Allarm--von Bock und ich--wir waren noch Kammerjunker--wir kriechen
durch den ganzen Redoutensaal, das Strumpfband zu suchen--endlich
erblick ich's--von Bock merkt's--von Bock darauf zu, reißt es mir aus
den Händen--ich bitte Sie!--bringt's der Prinzessin und schnappt mir
glücklich das Compliment weg--Was denken Sie?
Präsident. Impertinent!
Hofmarschall. Schnappt mir das Compliment weg--Ich meine in Ohnmacht
zu sinken. Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden.--Endlich
ermann' ich mich, nähere mich Ihrer Durchlaucht und spreche:
Gnädigste Frau! von Bock war so glücklich, Höchstdenenselben das
Strumpfband zu überreichen, aber wer das Strumpfband zuerst erblickte,
belohnt sich in der Stille und schweigt.
Präsident. Bravo, Marschall! Bravissimo!
Hofmarschall. Und schweigt--Aber ich werd's dem von Bock bis zum
jüngsten Gerichte noch nachtragen--der niederträchtige, kriechende
Schmeichler!--Und das war noch nicht genug--wie wir beide zugleich
auf das Strumpfband zu Boden fallen, wischt mir von Bock an der
rechten Frisur allen Puder weg, und ich bin ruiniert auf den ganzen
Ball.
Präsident. Das ist der Mann, der die Milford heirathen und die erste
Person am Hof werden wird.
Hofmarschall. Sie stoßen mir ein Messer ins Herz. Wird? wird?
Warum wird er? Wo ist die Nothwendigkeit?
Präsident. Weil mein Ferdinand nicht will und sonst Keiner sich
meldet.
Hofmarschall. Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den
Major zum Entschluß zu bringen?--Sei's auch noch so bizarr, so
verzweifelt!--Was in der Welt kann so widrig sein, das uns jetzt
nicht willkommen wäre, den verhaßten von Bock auszustechen?
Präsident. Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.
Hofmarschall. Bei mir steht? Und das ist?
Präsident. Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien.
Hofmarschall. Zu entzweien? Wie meinen Sie das?--Und wie mach' ich
das?
Präsident. Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Mädchen verdächtig
machen.
Hofmarschall. Daß sie stehle, meinen Sie?
Präsident. Ach nein doch! Wie glaubte er das?--daß sie es noch mit
einem Andern habe.
Hofmarschall. Dieser Andre?
Präsident. Müßten Sie sein, Baron.
Hofmarschall. Ich sein? Ich?--Ist sie von Adel?
Präsident. Wozu das? Welcher Einfall!--Eines Musikanten Tochter.
Hofmarschall. Bürgerlich also? Das wird nicht angehen. Was?
Präsident. Was wird nicht angehen? Narrenspossen! Wem unter der
Sonne wird es einfallen, ein paar runde Wangen nach dem Stammbaum zu
fragen?
Hofmarschall. Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann! Und meine
Reputation bei Hofe.
Präsident. Das ist was anders. Verzeihen Sie. Ich habe das noch
nicht gewußt, daß Ihnen der Mann von unbescholtenen Sitten mehr ist,
als der von Einfluß. Wollen wir abbrechen?
Hofmarschall. Seien Sie klug, Baron. Es war ja nicht so verstanden.
Präsident (frostig). Nein--nein! Sie haben vollkommen Recht. Ich
bin es auch müde. Ich lasse den Karren stehen. Dem von Bock wünsch'
ich Glück zum Premierminister. Die Welt ist noch anderswo. Ich
fordre meine Entlassung vom Herzog.
Hofmarschall. Und ich?--Sie haben gut schwatzen, Sie! Sie sind ein
Studierter! Aber ich,--mon Dieu!--was bin dann ich, wenn mich Seine
Durchleucht entlassen?
Präsident. Ein Bonmot von vorgestern. Die Mode vom vorigen Jahr.
Hofmarschall. Ich beschwöre Sie, Theurer, Goldner!--Ersticken Sie
diesen Gedanken! Ich will mir ja Alles gefallen lassen.
Präsident. Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendez-vous hergeben, den
Ihnen diese Millerin schriftlich vorschlagen soll?
Hofmarschall. Im Namen Gottes! Ich will ihn hergeben.
Präsident. Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem
Major zu Gesicht kommen muß?
Hofmarschall. Zum Exempel auf der Parade will ich ihn, als von
ungefähr, mit dem Schnupftuch heraus schleudern.
Präsident. Und die Rolle ihres Liebhabers gegen den Major behaupten?
Hofmarschall. Mort de ma vie! Ich will ihn schon waschen! Ich will
dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden.
Präsident. Nun geht's nach Wunsch. Der Brief muß noch heute
geschrieben sein. Sie müssen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen
und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen.
Hofmarschall. Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die
von allerhöchster Importance sind. Verzeihen Sie also, wenn ich mich
ohne Aufschub beurlaube. (Geht.)
Präsident (klingelt). Ich zähle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall.
Hofmarschall (ruft zurück). Ah, mon Dieu!--Sie kennen mich ja.
Dritte Scene.
Der Präsident und Wurm.
Wurm. Der Geiger und seine Frau sind glücklich und ohne alles
Geräusch in Verhaft gebracht. Wollen Ew. Excellenz jetzt den Brief
überlesen?
Präsident (nachdem er gelesen). Herrlich! herrlich, Secretär! Auch
der Marschall hat angebissen!--Ein Gift wie das müßte die Gesundheit
selbst in eiternden Aussatz verwandeln--Nun gleich mit den
Vorschlägen zum Vater, und dann warm zu der Tochter. (Gehen ab zu
verschiedenen Seiten.)