Johann Shiller

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
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(Der Vorhang fällt.)




Zweiter Aufzug

Vorzimmer in Fiescos Palast.



Erster Auftritt


Leonore.  Arabella.

Arabella.  Nein, sag' ich.  Sie sahen falsch.  Die Eifersucht lieh
Ihnen die häßlichen Augen.

Leonore.  Es war Julia lebendig.  Rede mir nichts ein.  Meine
Silhouette hing an einem himmelblauen Band, dies war feuerfarb und
geflammt.  Mein Loos ist entschieden.



Zweiter Auftritt


Vorige.  Julia.

Julia (affectiert hereintretend).  Der Graf bot mir sein Palais an,
den Zug nach dem Rathhaus zu sehen.  Die Zeit wird mir lang werden.
Eh die Chocolade gemacht ist, Madame, unterhalten Sie mich.  (Bella
entfernt sich, kommt sogleich wieder.)

Leonore.  Befehlen Sie, daß ich Gesellschaft hieher bitte?

Julia.  Abgeschmackt.  Als wenn ich die hier suchen müßte?  Sie
werden mich zerstreuen, Madame.  (Auf und ab, sich den Hof machend.)
Wenn Sie das können, Madame--denn ich habe nichts zu versäumen.

Arabella (boshaft).  Desto mehr dieser kostbare Mohr, Signora.  Wie
grausam, bedenken Sie! die Perspectivchen der jungen Stutzer um diese
schöne Prise zu bringen?  Ah! und das blitzende Spiel der Perlen, das
Einem die Augen bald wund brennt.--Beim großmächtigen Gott! haben Sie
nicht das ganze Meer ausgeplündert?

Julia (vor einem Spiegel).  Das ist Ihr wohl eine Seltenheit,
Mamsell?  Aber höre Sie, Mamsell, hat Sie Ihrer Herrschaft auch die
Zunge verdingt?  Scharmant, Madame!  Ihre Gäste durch Domestiken
becomplimentieren zu lassen.

Leonore.  Es ist mein Unglück, Signora, daß meine Laune mir das
Vergnügen Ihrer Gegenwart schmälert.

Julia.  Eine gräßliche Unart ist das, die Sie schwerfällig und albern
macht.  Rasch! lebhaft und witzig!  Das ist der Weg nicht, Ihren Mann
anzufesseln.

Leonore.  Ich weiß nur einen, Gräfin.  Lassen Sie den Ihrigen immer
ein sympathetisches Mittel bleiben.

Julia (ohne darauf achten zu wollen).  Und, wie Sie sich tragen,
Madame!  Pfui doch!  Auch auf Ihren Körper wenden Sie mehr.  Nehmen
Sie zur Kunst Ihre Zuflucht, wo die Natur an Ihnen Stiefmutter war.
Einen Firniß auf diese Wangen, woraus die mißfärbige Leidenschaft
kränkelt.  Armes Geschöpf!  So wird Ihr Gesichtchen nie einen Käufer
finden.

Leonore (munter zu Bella).  Wünsche mir Glück, Mädchen.  Unmöglich
hab' ich meinen Fiesco verloren, oder ich habe nichts an ihm verloren.
(Man bringt Chocolade, Bella gießt ein.)

Julia.  Von Verlieren murmeln Sie etwas?  Aber mein Gott! wie kam
Ihnen auch der tragische Einfall, den Fiesco zu nehmen?--Warum auf
diese Höhe, mein Kind, wo Sie nothwendig gesehen werden müssen?
verglichen werden müssen?--Auf Ehre, mein Schatz, das war ein Schelm
oder ein Dummkopf, der Sie dem Fiesco kuppelte.  (Mitleidig ihre Hand
ergreifend.) Gutes Thierchen, der Mann, der in den Assembleen des
guten Tons gelitten wird, konnte nie deine Partie sein.  (Sie nimmt
eine Tasse.)

Leonore (lächelnd auf Arabellen).  Oder er würde in diesen Häusern
des guten Tons nicht gelitten sein wollen.

Julia.  Der Graf hat Person--Welt--Geschmack.  Der Graf war so
glücklich, Connaissancen von Rang zu machen.  Der Graf hat
Temperament, Feuer.  Nun reißt er sich warm aus dem delicatesten
Zirkel.  Er kommt nach Hause.  Die Ehfrau bewillkommt ihn mit einer
Werkeltagszärtlichkeit, löscht seine Gluth in einem feuchten,
frostigen Kuß, schneidet ihm ihre Caressen wirthschaftlich, wie einem
Kostgänger, vor.  Der arme Ehmann!  Dort lacht ihm ein blühendes
Ideal--hier ekelt ihn eine grämliche Empfindsamkeit an.  Signora, um
Gotteswillen! wird er nicht den Verstand verlieren, oder was wird er
wählen?

Leonore (bringt ihr eine Tasse).  Sie, Madame, wenn er ihn verloren
hat.

Julia.  Gut.  Dieser Biß sei in dein eigenes Herz gegangen.  Zittre
um diesen Spott, aber eh du zitterst, erröthe.

Leonore.  Kennen Sie das Ding auch, Signora?  Doch warum nicht?  Es
ist ja ein Toilettenpfiff.

Julia.  Man sehe doch!  Erzürnen muß man das Würmchen, will man ihm
ein Fünkchen Mutterwitz abjagen.  Gut für jetzt.  Es war Scherz,
Madame.  Geben Sie mir Ihre Hand zur Versöhnung.

Leonore (gibt ihr die Hand mit vielsagendem Blick).  Imperiali!--vor
meinem Zorn haben Sie Ruhe.

Julia.  Großmüthig, allerdings!  Doch sollt' ich's nicht auch sein
können, Gräfin?  (Langsam und lauernd.) Wenn ich den Schatten einer
Person bei mir führe, muß es nicht folgen, daß das Original mir werth
ist?  Oder was meinen Sie?

Leonore (roth und verwirrt).  Was sagen Sie?  Ich hoffe, dieser
Schluß ist zu rasch.

Julia.  Das denk' ich selbst.  Das Herz ruft nie die Sinne zu Hilfe.
Wahre Empfindung wird sich nie hinter Schmuckwerk verschanzen.

Leonore.  Großer Gott!  Wie kommen Sie zu dieser Wahrheit?

Julia.  Mitleid, bloßes Mitleid--Denn sehen Sie, so ist es auch
umgekehrt wahr--und Sie haben Ihren Fiesco noch.  (Sie gibt ihr ihre
Silhouette und lacht boshaft auf.)

Leonore (mit auffahrender Erbitterung).  Mein Schattenriß?  Ihnen?
(Wirft sich schmerzvoll in einen Sessel.) O der heillose Mann!

Julia (frohlockend).  Hab' ich vergolten? hab' ich?  Nun, Madame,
keinen Nadelstich mehr in Bereitschaft?  (Laut in die Scene.) Den
Wagen vor!  Mein Gewerb ist bestellt.  (Zu Leonoren, der sie das Kinn
streicht.) Trösten Sie sich, mein Kind.  Er gab mir die Silhouette im
Wahnwitz.  (Ab.)



Dritter Auftritt


Calcagno kommt.

Calcagno.  So erhitzt ging die Imperiali weg, und Sie in Wallung,
Madonna?

Leonore (mit durchdringendem Schmerz).  Nein! das war nie erhört!

Calcagno.  Himmel und Erde!  Sie weinen doch wohl nicht?

Leonore.  Ein Freund vom Unmenschlichen--Mir aus den Augen!

Calcagno.  Welchem Unmenschlichen?  Sie erschrecken mich.

Leonore.  Von meinem Mann--Nicht so! von dem Fiesco.

Calcagno.  Was muß ich hören?

Leonore.  O, nur ein Bubenstück, das bei euch gangbar ist, Männer.

Calcagno (faßt ihre Hand mit Heftigkeit).  Gnädige Frau, ich habe ein
Herz für die weinende Tugend.

Leonore (ernst).  Sie sind ein Mann--es ist nicht für mich.

Calcagno.  Ganz für Sie--voll von Ihnen--daß Sie wüßten, wie
sehr--wie unendlich sehr-Leonore.  Mann, du lügst--du versicherst, eh
du handelst.

Calcagno.  Ich schwöre Ihnen-Leonore.  Einen Meineid.  Hör' auf!  Ihr
ermüdet den Griffel Gottes, der sie niederschreibt.  Männer!  Männer!
wenn eure Eide zu so viel Teufeln würden, sie könnten Sturm gegen den
Himmel laufen und die Engel des Lichts als Gefangene wegführen.

Calcagno.  Sie schwärmen, Gräfin.  Ihre Erbitterung macht Sie
ungerecht.  Soll das Geschlecht für den Frevel des Einzelnen Rede
stehn?

Leonore (sieht ihn groß an).  Mensch! ich betete das Geschlecht in
dem Einzelnen an, soll ich es nicht in ihm verabscheuen dürfen?

Calcagno.  Versuchen Sie, Gräfin--Sie gaben Ihr Herz das erstemal
fehl--ich wüßte ihnen den Ort, wo es aufgehoben sein sollte.

Leonore.  Ihr könntet den Schöpfer aus seiner Welt hinauslügen--Ich
will nichts von dir hören.

Calcagno.  Diesen Verdammungsspruch sollten Sie noch heute in meinen
Armen zurückrufen.

Leonore (aufmerksam).  Rede ganz aus.  In deinen--?

Calcagno.  In meinen Armen, die sich öffnen, eine Verlassene
aufzunehmen und für verlorene Liebe zu entschädigen.

Leonore (sieht ihn fein an).  Liebe?

Calcagno (vor ihr nieder mit Feuer).  Ja! es ist hingesagt.  Liebe,
Madonna.  Leben und Tod liegt auf Ihrer Zunge.  Wenn meine
Leidenschaft Sünde ist, so mögen die Enden von Tugend und Laster in
einander fließen und Himmel und Hölle in eine Verdammniß gerinnen.

Leonore (tritt mit Unwillen und Hoheit zurück).  Da hinaus zielte
deine Theilnehmung, Schleicher?--In einer Kniebeugung verräthst du
Freundschaft und Liebe?  Ewig aus meinem Aug!  Abscheuliches
Geschlecht!  Bis jetzt glaubte ich, du betrügest nur Weiber; das hab'
ich nie gewußt! daß du auch an dir selbst zum Verräther wirst.

Calcagno (steht betroffen auf).  Gnädige Frau-Leonore.  Nicht genug,
daß er das heilige Siegel des Vertrauens erbrach, auch an den reinen
Spiegel der Tugend haucht dieser Heuchler die Pest und will meine
Unschuld im Eidbrechen unterweisen.

Calcagno (rasch).  Das Eidbrechen ist nur Ihr Fall nicht, Madonna.

Leonore.  Ich verstehe, und meine Empfindlichkeit sollte dir meine
Empfindung bestechen?  Das wußtest du nicht, (sehr groß) daß schon
allein das erhabene Unglück, um den Fiesco zu brechen, ein Weiberherz
adelt.  Geh!  Fiescos Schande macht keinen Calcagno bei mir steigen,
aber--die Menschheit sinken.  (Schnell ab.)

Calcagno (sieht ihr betäubt nach, dann ab, mit einem Schlag vor die
Stirne).  Dummkopf!



Vierter Auftritt


Der Mohr.  Fiesco.

Fiesco.  Wer war's, der da wegging?

Mohr.  Marchese Calcagno.

Fiesco.  Auf dem Sopha blieb dieses Schnupftuch liegen.  Meine Frau
war hier.

Mohr.  Begegnete mir so eben in einer starken Erhitzung.

Fiesco.  Dieses Schnupftuch ist feucht.  (Steckt es zu sich.)
Calcagno hier?  Leonore in starker Erhitzung?  (Nach einigem
Nachdenken zum Mohren.) Auf den Abend will ich dich fragen, was hier
geschehen ist.

Mohr.  Mamsell Bella hört es gern, daß sie blond sei.  Will es
beantworten.

Fiesco.  Und nun sind dreißig Stunden vorbei.  Hast du meinen Auftrag
vollzogen?

Mohr.  Auf ein Jota, mein Gebieter.

Fiesco (setzt sich).  Sag denn, wie pfeift man von Doria und der
gegenwärtigen Regierung?

Mohr.  O pfui; nach abscheulichen Weisen.  Schon das Wort: Doria,
schüttelt sie wie ein Fieberfrost.  Gianettino ist gehaßt bis in den
Tod.  Alles murrt.  Die Franzosen, sagen sie, seien Genuas Ratten
gewesen, Kater Doria habe sie aufgefressen und lasse sich nun die
Mäuse belieben.

Fiesco.  Das könnte wahr sein--und wußten sie keinen Hund für den
Kater?

Mohr (leichtfertig).  Die Stadt murmelte Langes und Breites von einem
gewissen--einem gewissen--Holla!  Hätt' ich denn gar den Namen
vergessen?

Fiesco (steht auf).  Dummkopf!  Er ist so leicht zu behalten, als
schwer er zu machen war.  Hat Genua mehr als einen Einzigen?

Mohr.  So wenig als zween Grafen von Lavagna.

Fiesco (setzt sich).  Das ist Etwas.  Und was flüstert man denn über
mein lustiges Leben?

Mohr (mißt ihn mit großen Augen).  Höret, Graf von Lavagna!  Genua
muß groß von Euch denken.  Man kann's nicht verdauen, daß ein
Cavalier vom ersten Hause--voll Talenten und Kopf--in vollem Feuer
und Einfluß--Herr von vier Millionen Pfund--Fürstenblut in den
Adern--ein Cavalier wie Fiesco, dem auf den ersten Wink alle Herzen
zufliegen würden-Fiesco (wendet sich mit Verachtung ab).  Von einem
Schurken das anzuhören-Mohr.  Daß Genuas großer Mann Genuas großen
Fall verschlafe.  Viele bedauern, sehr Viele verspotten, die Meisten
verdammen Euch.  Alle beklagen den Staat, der Euch verlor.  Ein
Jesuit wollte gerochen haben, daß ein Fuchs im Schlafrock stecke.

Fiesco.  Ein Fuchs riecht den andern.--Was spricht man zu meinem
Roman mit der Gräfin Imperiali?

Mohr.  Was ich zu wiederholen hübsch unterlassen werde.

Fiesco.  Frei heraus!  Je frecher, desto willkommener.  Was murmelt
man?

Mohr.  Nichts murmelt man.  Auf allen Kaffeehäusern, Billardtischen,
Gasthöfen, Promenaden--auf dem Markt--auf der Börse schreit man
laut-Fiesco.  Was?  Ich befehl' es dir!

Mohr (sich zurückziehend).  Daß Ihr ein Narr seid.

Fiesco.  Gut.  Hier nimm die Zechine für diese Zeitung.  Die
Schellenkappe hab' und nun aufgesetzt, daß diese Genueser über mich
lachen; bald will ich mir eine Glatze scheeren, daß sie den Hanswurst
von mir spielen.  Wie nahmen sich die Seidenhändler bei meinen
Geschenken?

Mohr (drollig).  Narr, sie stellten sich wie die armen Sünder-Fiesco.
Narr?  Bist du toll, Bursche?

Mohr.  Verzeiht!  Ich hätte Lust zu noch mehr Zechinen.

Fiesco (lacht, gibt ihm eine).  Nun, wie die armen Sünder--?

Mohr.  Die auf dem Block liegen und jetzt Pardon über sich hören.
Euer sind sie Seel und Leib.

Fiesco.  Das freut mich.  Sie geben den Ausschlag bei dem Pöbel zu
Genua.

Mohr.  Was das ein Auftritt war!  Wenig fehlte, der Teufel hole mich!
daß ich nicht Geschmack an der Großmuth gefunden hätte.  Sie wälzten
sich mir wie unsinnig um den Hals, die Mädel schienen sich bald in
meines Vaters Farbe vergafft zu haben, so hitzig fielen sie über
meine Mondsfinsterniß her.  Allmächtig ist doch das Gold, war da mein
Gedanke; auch Mohren kann's bleichen.

Fiesco.  Dein Gedanke war besser, als das Mistbeet, worin er
wuchs--Die Worte, die du mir hinterbracht hast, sind gut, lassen sich
Thaten daraus schließen?

Mohr.  Wie aus des Himmels Räuspern der ausbrechende Sturm.  Man
steckt die Köpfe zusammen, rottiert sich zu Hauf, ruft Hum! spukt ein
Fremder vorbei.  Durch ganz Genua herrscht eine dumpfe Schwüle--
Dieser Mißmuth hängt wie ein schweres Wetter über der Republik--
nur einen Wind, so fallen Schlossen und Blitze.

Fiesco.  Stille! horch!  Was ist das für ein verworrenes Gesumse?

Mohr (aus dem Fenster fliegend).  Es ist das Geschrei vieler Menschen,
die vom Rathhaus herabkommen.

Fiesco.  Heute ist Procuratorwahl.  Laß meine Carriole vorfahren.
Unmöglich kann die Sitzung schon aus sein.  Ich will hinauf.
Unmöglich kann sie rechtmäßig sein--Schwert und Mantel her.  Wo ist
mein Orden?

Mohr.  Herr, ich hab' ihn gestohlen und versetzt.

Fiesco.  Das freut mich.

Mohr.  Nun, wie? wird mein Präsent bald herausrücken?

Fiesco.  Weil du nicht auch den Mantel nahmst?

Mohr.  Weil ich den Dieb ausfindig machte.

Fiesco.  Der Tumult wälzt sich hierher.  Horch!  Das ist nicht das
Gejauchze des Beifalls.  (Rasch.) Geschwind, riegle die Hofpforten
auf.  Ich hab' eine Ahnung.  Doria ist tollkühn.  Der Staat gaukelt
auf einer Nadelspitze.  Ich wette, auf der Signoria ist Lärm worden.

Mohr (am Fenster, schreit).  Was ist das?  Die Straße Balbi
herunter--Troß vieler Tausende--Hellebarden blitzen--Schwerter--Holla!
Senatoren--fliegen hieher-Fiesco.  Es ist ein Aufruhr!  Spring
unter sie.  Nenn meinen Namen.  Sieh zu, daß sie hieher sich werfen.
(Mohr eilt hinunter.) Was die Ameise Vernunft mühsam zu Haufen
schleppt, jagt in einem Hui der Wind des Zufalls zusammen.



Fünfter Auftritt


Fiesco.  Zenturione, Zibo, Asserato stürzen stürmisch ins Zimmer.

Zibo.  Graf, Sie verzeihen unserm Zorn, daß wir unangemeldet
hereintreten.

Zenturione.  Ich bin beschimpft, tödlich beschimpft vom Neffen des
Herzogs, im Angesicht der ganzen Signoria.

Asserato.  Doria hat das goldene Buch besudelt, davon jeder
genuesische Edelmann ein Blatt ist.

Zenturione.  Darum sind wir da.  Der ganze Adel ist in mir
aufgefordert.  Der ganze Adel muß meine Rache theilen.  Meine Ehre zu
rächen, dazu würde ich schwerlich Gehilfen fordern.

Zibo.  Der ganze Adel ist in ihm aufgereizt.  Der ganze Adel muß
Feuer und Flamme speien.

Asserato.  Die Rechte der Nation sind zertrümmert.  Die
republikanische Freiheit hat einen Todesstoß.

Fiesco.  Sie spannen meine ganze Erwartung.

Zibo.  Er war der neunundzwanzigste unter den Wahlherrn, hatte zur
Procuratorwahl eine goldene Kugel gezogen.  Achtundzwanzig Stimmen
waren gesammelt.  Vierzehn sprachen für mich, eben so viele für
Lomellino!  Dorias und die seinige standen noch aus.

Zenturione (rasch ins Wort fallend).  Standen noch aus.  Ich votierte
für Zibo.  Doria--fühlen Sie die Wunde meiner Ehre--Doria-Asserato
(fällt ihm wieder ins Wort).  So was erlebte man nicht, so lang der
Ocean um Genua fluthet-Zenturione (hitziger fort).  Doria zog ein
Schwert, das er unter dem Scharlach verborgen gehalten, spießte mein
Votum daran, rief in die Versammlung:

Zibo. »Senatoren, es gilt nicht!  Es ist durchlöchert!  Lomellin ist
Procurator.«

Zenturione. »Lomellin ist Procurator,« und warf sein Schwert auf die
Tafel.

Asserato.  Und rief: »Es gilt nicht!« und warf sein Schwert auf die
Tafel.

Fiesco (nach einigem Stillschweigen).  Wozu sind Sie entschlossen?

Zenturione.  Die Republik ist ins Herz gestoßen.  Wozu wir
entschlossen sind?

Fiesco.  Zenturione, Binsen mögen vom Athem knicken.  Eichen wollen
den Sturm.  Ich frage, was Sie beschließen?

Zibo.  Ich dächte, man fragte, was Genua beschließe?

Fiesco.  Genua?  Genua?  Weg damit; es ist mürb, bricht, wo Sie es
anfassen.  Sie rechnen auf die Patrizier?  Vielleicht weil sie saure
Gesichter schneiden, die Achsel zucken, wenn von Staatssachen Rede
wird?  Weg damit!  Ihr Heldenfeuer klemmt sich in Ballen levantischer
Waaren, ihre Seelen flattern ängstlich um ihre ostindische Flotte.

Zenturione.  Lernen Sie unsere Patrizier besser schätzen.  Kaum war
Dorias trotzige That gethan, flohen ihrer einige Hundert mit
zerrissenen Kleidern auf den Markt.  Die Signoria fuhr auseinander.

Fiesco (spöttisch).  Wie Tauben auseinander flattern, wenn in den
Schlag sich ein Geier wirft?

Zenturione (stürmisch).  Nein! wie Pulvertonnen, wenn eine Lunte
hineinfällt.

Zibo.  Das Volk wüthet auch, was vermag nicht ein angeschossener Eber?

Fiesco (lacht).  Der blinde, unbeholfene Koloß, der mit plumpen
Knochen Anfangs Gepolter macht, Hohes und Niederes, Nahes und Fernes
mit gähnendem Rachen zu verschlingen droht und zuletzt--über
Zwirnsfäden stolpert?  Genueser, vergebens!  Die Epoche der
Meerbeherrscher ist vorbei.  Genua ist unter seinen Namen gestürzt.
Genua ist doch, wo das unüberwindliche Rom wie ein Federball in die
Rakete eines zärtlichen Knaben Octavius sprang.  Genua kann nicht
mehr frei sein.  Genua muß von einem Monarchen erwärmt werden.  Genua
braucht einen Souverain, also huldigen Sie dem Schwindelkopf
Gianettino.

Zenturione (aufbrausend).  Wenn sich die grollenden Elemente
versöhnen und der Nordpol dem Südpol nachspringt--Kommt, Kameraden!

Fiesco.  Bleiben Sie, bleiben Sie!  Worüber brüten Sie, Zibo?

Zibo.  Über nichts oder einem Possenspiel, das das Erdbeben heißen
soll.

Fiesco (führt sie zu einer Statue).  Schauen Sie doch diese Figur an.

Zenturione.  Es ist die Venus von Florenz.  Was soll sie uns hier?

Fiesco.  Sie gefällt Ihnen aber?

Zibo.  Ich sollte denken, oder wir wären schlechte Italiener.  Wie
Sie das jetzt fragen mögen?

Fiesco.  Nun, reisen Sie durch alle Welttheile und suchen unter allen
lebendigen Abrücken des weiblichen Modells den glücklichsten aus, in
welchem sich alle Reize dieser geträumten Venus umarmen.

Zibo.  Und tragen dann für unsre Mühe davon?

Fiesco.  Dann werden Sie die Phantasie der Marktschreierei überwiesen
haben-Zenturione (ungeduldig).  Und was gewonnen haben?

Fiesco.  Gewonnen haben den verjährten Proceß der Natur mit den
Künstlern.

Zenturione (hitzig).  Und dann?

Fiesco.  Dann? dann?  (Fängt zu lachen an).  Dann haben Sie vergessen
zu sehen, daß Genuas Freiheit zu Trümmern geht!  (Zenturione, Zibo,
Asserato gehen ab.)



Sechster Auftritt


Fiesco.--Getümmel um den Palast nimmt zu.

Glücklich! glücklich!  Das Stroh der Republik ist in Flammen.  Das
Feuer hat schon Häuser und Thürme gefaßt--Immer zu! immer zu!
Allgemein werde der Brand, der schadenfrohe Wind pfeife in die
Verwüstung!



Siebenter Auftritt


Mohr in Eile.  Fiesco.

Mohr.  Haufen über Haufen!

Fiesco.  Mache die Thorflügel weit auf.  Laß hereinstürzen, was Füße
hat.

Mohr.  Republikaner!  Republikaner!  Ziehen ihre Freiheit am Joch,
keuchen, wie Lastochsen, unter ihrer aristokratischen Herrlichkeit.

Fiesco.  Narren, die glauben, Fiesco von Lavagna werde fortführen,
was Fiesco von Lavagna nicht anfing!  Die Empörung kommt wie gerufen.
Aber die Verschwörung muß meine sein.  Sie stürmen die Treppe herauf.

Mohr (hinaus).  Holla! holla!  Werden das Haus höflichst zur Thüre
hereinbringen.  (Das Volk stürmt herein, die Thüre in Trümmer.)



Achter Auftritt


Fiesco.  Zwölf Handwerker.

Alle.  Rache an Doria!  Rache an Gianettino!

Fiesco.  Hübsch gemach, meine Landsleute.  Daß ihr mir alle eure
Aufwartung so machtet, das zeugt von eurem guten Herzen.  Aber meine
Ohren sind delicater.

Alle (ungestümer).  Zu Boden mit den Doria!  Zu Boden Oheim und
Neffen!

Fiesco (der sie lächelnd überzählt).  Zwölf sind ein vornehmes
Heer-Einige.  Diese Doria müssen weg.  Der Staat muß eine andere Form
haben.

Erster Handwerker.  Unsre Friedensrichter die Treppen hinab zu
schmeißen--die Treppen die Friedensrichter.

Zweiter.  Denkt doch, Lavagna, die Treppen hinab, als sie ihm bei der
Wahl widersprachen.

Alle.  Soll nicht geduldet werden! darf nicht geduldet werden!

Ein Dritter.  Ein Schwert in den Rath zu nehmen-Erster.  Ein Schwert!
Das Zeichen des Kriegs! im Zimmer des Friedens!

Zweiter.  Im Scharlach in den Senat zu kommen!  Nicht schwarz, wie
die übrigen Rathsherrn.

Erster.  Mit acht Hengsten durch unsere Hauptstadt zu fahren.

Alle.  Ein Tyrann! ein Verräther des Lands und der Regierung!

Zweiter.  Zweihundert Deutsche zur Leibwach vom Kaiser zu
kaufen-Erster.  Ausländer wider die Kinder des Vaterlands!  Deutsche
gegen Italiener!  Soldaten neben die Gesetze!

Alle.  Hochverrath!  Meuterei!  Genuas Untergang!

Erster.  Das Wappen der Republik an der Kutsche zu führen-Zweiter.
Die Statue des Andreas mitten im Hof der Signoria!-Alle.  In Stücken
mit dem Andreas!  In tausend Stück den steinernen und den lebendigen!

Fiesco.  Genueser, warum mir Das alles?

Erster.  Ihr sollt es nicht dulden!  Ihr sollt ihm den Daumen aufs
Aug halten!

Zweiter.  Ihr seid ein kluger Mann, und sollt es nicht dulden, und
sollt den Verstand für uns haben.

Erster.  Und seid ein besserer Edelmann, und sollt ihm das eintränken,
und sollt es nicht dulden.

Fiesco.  Euer Zutrauen schmeichelt mir sehr.  Kann ich es durch
Thaten verdienen?

Alle (lärmend).  Schlage!  Stürze!  Erlöse!

Fiesco.  Doch ein gut Wort werdet ihr noch annehmen?

Einige.  Redet, Lavagna!

Fiesco (der sich niedersetzt).  Genueser--Das Reich der Thiere kam
einst in bürgerliche Gährung, Parteien schlugen mit Parteien, und ein
Fleischerhund bemächtigte sich des Throns.  Dieser, gewohnt, das
Schlachtvieh an das Messer zu hetzen, hauste hündisch im Reich,
klaffte, biß und nagte die Knochen seines Volks.  Die Nation murrte,
die Kühnsten traten zusammen und erwürgten den fürstlichen Bullen.
Jetzt ward ein Reichstag gehalten, die große Frage zu entscheiden,
welche Regierung die glücklichste sei?  Die Stimmen theilten sich
dreifach.  Genueser, für welche hättet ihr entschieden?

Erster Bürger.  Fürs Volk.  Alle fürs Volk.

Fiesco.  Das Volk gewann's.  Die Regierung ward demokratisch.  Jeder
Bürger gab seine Stimme.  Mehrheit setzte durch.  Wenige Wochen
vergingen, so kündigte der Mensch dem neugebackenen Freistaat den
Krieg an.  Das Reich kam zusammen.  Roß, Löwe, Tiger, Bär, Elephant
und Rhinoceros traten auf und brüllten laut zu den Waffen!  Jetzt kam
die Reih' an die Übrigen.  Lamm, Hase, Hirsch, Esel, das ganze Reich
der Insecten, der Vögel, der Fische ganzes menschenscheues Heer--alle
traten dazwischen und wimmerten: Friede.  Seht, Genueser!  Der Feigen
waren mehr, denn der Streitbaren, der Dummen mehr, denn der
Klugen--Mehrheit setzte durch.  Das Thierreich streckte die Waffen,
und der Mensch brandschatzte sein Gebiet.  Dieses Staatssystem ward
also verworfen.  Genueser, wozu wäret ihr jetzt geneigt gewesen?

Erster und Zweiter.  Zum Ausschuß!  Freilich zum Ausschuß!

Fiesco.  Diese Meinung gefiel!  Die Staatsgeschäfte theilten sich in
mehrere Kammern.  Wölfe besorgten die Finanzen, Füchse waren ihre
Secretäre.  Tauben führten das Criminalgericht, Tiger die gütlichen
Vergleiche, Böcke schlichteten Heirathsprocesse.  Soldaten waren die
Hasen; Löwen und Elephant blieben bei der Bagage; der Esel war
Gesandter des Reichs, und der Maulwurf Oberaufseher über die
Verwaltung der Ämter.  Genueser, was hofft ihr von dieser weisen
Vertheilung?  Wen der Wolf nicht zerriß, den prellte der Fuchs.  Wer
diesem entrann, den tölpelte der Esel nieder.  Tiger erwürgten die
Unschuld; Diebe und Mörder begnadigte die Taube, und am Ende, wenn
die Ämter niedergelegt wurden, fand sie der Maulwurf alle
unsträflich verwaltet--Die Thiere empörten sich.  Laßt uns einen
Monarchen wählen, riefen sie einstimmig, der Klauen und Hirn und nur
einen Magen hat--und einem Oberhaupt huldigten alle--einem,
Genueser--aber (indem er mit Hoheit unter sie tritt) es war der Löwe.

Alle (klatschen, werfen die Mützen in die Höhe).  Bravo!  Bravo! das
haben sie schlau gemacht.

Erster.  Und Genua soll's nachmachen, und Genua hat seinen Mann schon.

Fiesco.  Ich will ihn nicht wissen.  Gehet heim!  Denkt auf den Löwen!
(Die Bürger tumultuarisch hinaus.) Es geht erwünscht.  Volk und
Senat wider Doria.  Volk und Senat für Fiesco--Hassan!--Hassan!  Ich
muß diesen Wind benutzen--Hassan!  Hassan!  Ich muß diesen Haß
verstärken! dieses Interesse anfrischen!--Heraus, Hassan!  Hurensohn
der Hölle!  Hassan!  Hassan!



Neunter Auftritt


Mohr kommt.  Fiesco.

Mohr (wild).  Meine Sohlen brennen noch.  Was gibt's schon wieder?

Fiesco.  Was ich befehle.

Mohr (geschmeidig).  Wohin lauf' ich zuerst? wohin zuletzt?

Fiesco.  Das Laufen sei dir diesmal geschenkt.  Du wirst geschleift
werden.  Mache dich gleich gefaßt; ich posaune jetzt deinen
Meuchelmord aus und übergebe dich gebunden der peinlichen Nota.

Mohr (sechs Schritte zurück).  Herr?--das ist wider die Abrede.

Fiesco.  Sei ganz ruhig.  Es ist nichts mehr, denn ein Possenspiel.
In diesem Augenblick liegt Alles daran, daß Gianettinos Anschlag auf
mein Leben ruchbar wird.  Man wird dich peinlich verhören.

Mohr.  Ich bekenne dann oder leugne?

Fiesco.  Leugnest.  Man wird dich auf die Tortur schrauben.  Den
ersten Grad stehst du aus.  Diese Witzigung kannst du auf Conto
deines Meuchelmords hinnehmen.  Beim zweiten bekennst du.

Mohr (schüttelt den Kopf, bedenklich).  Ein Schelm ist der Teufel.
Die Herren könnten mich beim Essen behalten, und ich würde aus lauter
Komödie gerädert.

Fiesco.  Du kommst ganz weg.  Ich gebe dir meine gräfliche Ehre.  Ich
werde mir deine Bestrafung zur Genugthuung ausbitten und dich dann
vor den Augen der ganzen Republik pardonnieren.

Mohr.  Ich lasse mir's gefallen.  Sie werden mir das Gelenk
auseinander treiben.  Das macht geläufiger.

Fiesco.  So ritze mir hurtig mit deinem Dolche den Arm auf, bis Blut
darnach läuft--Ich werde thun, als hätt' ich dich erst frisch auf der
That ergriffen.  Gut!  (Mit gräßlichem Geschrei.) Mörder!  Mörder!
Mörder!  Besetzt die Wege!  Riegelt die Pforten zu!  (Er schleppt den
Mohren an der Gurgel hinaus, Bediente fliehen über den Schauplatz.)



Zehnter Auftritt


Leonore.  Rosa stürzen erschrocken herein.

Leonore.  Mord! schrieen sie, Mord!  Von hier kam der Lärm.

Rosa.  Ganz gewiß nur ein blinder Tumult, wie alltäglich in Genua.

Leonore.  Sie schrieen Mord, und das Volk murmelte deutlich: Fiesco.
Armselige Betrüger!  Meine Augen wollten sie schonen, aber mein Herz
überlistet sie.  Geschwind, eile nach, sieh, sage mir, wo sie ihn
hinschleppen.

Rosa.  Sammeln Sie sich.  Bella ist nach.

Leonore.  Bella wird seinen brechenden Blick noch auffassen! die
glückliche Bella!  Weh über mich, seine Mörderin!  Hätte Fiesco mich
lieben können, nie hätte Fiesco sich in die Welt gestürzt, nie in die
Dolche des Neids!--Bella kommt!  Fort!  Rede nicht, Bella!



Eilfter Auftritt


Vorige.  Bella.

Bella.  Der Graf lebt und ist ganz.  Ich sah ihn durch die Stadt
galoppieren.  Nie sah ich unsern gnädigen Herrn so schön.  Der Rapp
prahlte unter ihm und jagte mit hochmüthigem Huf das andrängende Volk
von seinem fürstlichen Reiter.  Er erblickte mich, als er vorüber
flog, lächelte gnädig, winkte hieher und warf drei Küsse zurück.
(Boshaft.) Was mach' ich damit, Signora?

Leonore (in Entzückung).  Leichtfertige Schwätzerin!  Bring sie ihm
wieder.

Rosa.  Nun sehen Sie! jetzt sind Sie wieder Scharlach über und über.

Leonore.  Sein Herz wirft er den Dirnen nach, und ich jage nach einem
Blick?--O Weiber!  Weiber!  (Gehen ab.)



Zwölfter Auftritt


Im Palast des Andreas.

Gianettino.  Lomellin kommen hastig

Gianettino.  Laß sie um ihre Freiheit brüllen, wie die Löwin um ein
Junges.  Ich bleibe dabei.

Lomellin.  Doch, gnädiger Herr-Gianettino.  Zum Teufel mit Eurem Doch,
dreistundlanger Procurator!  Ich weiche um keines Haares Breite.
Laß Genuas Thürme die Köpfe schütteln und die tobende See Nein
dareinbrummen.  Ich fürchte den Troß nicht.

Lomellin.  Der Pöbel ist freilich das brennende Holz, aber der Adel
gibt seinen Wind dazu.  Die ganze Republik ist in Wallung.  Volk und
Patrizier.

Gianettino.  So steh' ich wie Nero auf dem Berg und sehe dem
possierlichen Brande zu-Lomellin.  Bis sich die ganze Masse des
Aufruhrs einem Parteigänger zuwirft, der ehrgeizig genug ist, in der
Verwüstung zu ernten.

Gianettino.  Possen!  Possen!  Ich kenne nur Einen, der fürchterlich
werden könnte, und für den ist gesorgt.

Lomellin.  Seine Durchlaucht.  (Andreas kommt, Beide verneigen sich
tief.)

Andreas.  Signor Lomellin!  Meine Nichte wünscht auszufahren.

Lomellin.  Ich werde die Gnade haben, sie zu begleiten.  (Ab.)



Dreizehnter Auftritt


Andreas.  Gianettino.

Andreas.  Höre, Neffe!  Ich bin schlimm mit dir zufrieden.

Gianettino.  Gönnen Sie mir Gehör, durchlauchtigster Oheim.

Andreas.  Dem zerlumptesten Bettler in Genua, wenn er es werth ist.
Einem Buben niemals, und wär' er mein Neffe.  Gnädig genug, daß ich
dir den Oheim zeige; du verdientest den Herzog und seine Signoria zu
hören.

Gianettino.  Nur ein Wort, gnädigster Herr-Andreas.  Höre, was du
gethan hast, und verantworte dich dann--Du hast ein Gebäude
umgerissen, das ich in einem halben Jahrhundert sorgsam
zusammenfügte--das Mausoleum deines Oheims--seine einzige
Pyramide--die Liebe der Genueser.  Den Leichtsinn verzeiht dir
Andreas.

Gianettino.  Mein Oheim und Herzog-Andreas.  Unterbrich mich nicht.
Du hast das schönste Kunstwerk der Regierung verletzt, das ich selbst
den Genuesern vom Himmel holte, das mich so viele Nächte gekostet, so
viele Gefahren und Blut.  Vor ganz Genua hast du meine fürstlichen
Ehre besudelt, weil du für meine Anstalt keine Achtung zeigtest.  Wem
wird sie heilig sein, wenn mein Blut sie verachtet?--Diese Dummheit
verzeiht dir der Oheim.

Gianettino (beleidigt).  Gnädigster Herr, Sie haben mich zu Genuas
Herzog gezogen.

Andreas.  Schweig--du bist ein Hochverräther des Staates und hast das
Herz seines Lebens verwundet.  Merke dir's, Knabe!  Es heißt--
Unterwerfung!--Weil der Hirte am Abend seines Tagwerks zurücktrat,
wähntest du die Heerde verlassen?  Weil Andreas eisgraue Haare
trägt, trampeltest du wie ein Gassenjunge auf den Gesetzen?

Gianettino (trotzig).  Gemach, Herzog.  Auch in meinen Adern siedet
das Blut das Andreas, vor dem Frankreich erzitterte.

Andreas.  Schweig! befehl' ich--Ich bin gewohnt, daß das Meer
aufhorcht, wenn ich rede--Mitten in ihrem Tempel spieest du die
majestätische Gerechtigkeit an.  Weißt du, wie man das ahndet,
Rebelle?--Jetzt antworte!

(Gianettino heftet den Blick sprachlos zu Boden.)

Andreas.  Unglückseliger Andreas!  In deinem eigenen Herzen hast du
den Wurm deines Verdiensts ausgebrütet.--Ich baute den Genuesern ein
Haus, das der Vergänglichkeit spotten sollte, und werfe den ersten
Feuerbrand hinein--Diesen!  Dank' es, Unbesonnener, diesem eisgrauen
Kopf, der von Familienhänden zur Grube gebracht sein will--Dank' es
meiner gottlosen Liebe, daß ich den Kopf des Empörers dem beleidigten
Staate nicht--vom Blutgerüste zuwerfe.  (Schnell ab.)



Vierzehnter Auftritt


Lomellin außer Athem, erschrocken.  Gianettino sieht dem Herzog
glühend und sprachlos nach.

Lomellin.  Was hab' ich gesehen? was angehört?  Jetzt!  Jetzt!
Fliehen Sie, Prinz!  Jetzt ist Alles verloren.

Gianettino (mit Ingrimm).  Was war zu verlieren?

Lomellin.  Genua, Prinz.  Ich komme vom Markt.  Das Volk drängte sich
um einen Mohren, der an Stricken dahin geschleift wurde; der Graf von
Lavagna, über die dreihundert Nobili ihm nach bis ins Richthaus, wo
die Verbrecher gefoltert werden.  Der Mohr war über einem Meuchelmord
ertappt worden, den er an dem Fiesco vollstrecken sollte.

Gianettino (stampft mit dem Fuß).  Was?  Sind heut alle Teufel los?

Lomellin.  Man inquirierte scharf, wer ihn bestochen.  Der Mohr
gestand nichts.  Man brachte ihn auf die erste Folter.  Er gestand
nichts.  Man brachte ihn auf die zweite.  Er sagte aus, sagte
aus--gnädiger Herr, wo gedachten Sie hin, da Sie Ihre Ehre einem
Taugenichts preisgaben?

Gianettino (schnaubt ihn wild an).  Frage mich nichts!

Lomellin.  Hören Sie weiter.  Kaum war das Wort Doria
ausgesprochen--lieber hätt' ich meinen Namen auf der Schreibtafel des
Teufels gelesen, als hier den Ihren gehört--so zeigte sich Fiesco dem
Volk.  Sie kennen ihn, den Mann, der befehlend flehet, den Wucherer
mit den Herzen der Menge.  Die ganze Versammlung hing ihm odemlos in
starren, schrecklichen Gruppen entgegen; er sprach wenig, aber
streifte den blutenden Arm auf, das Volk schlug sich um die fallenden
Tropfen, wie um Reliquien.  Der Mohr wurde seiner Willkür übergeben,
und Fiesco--ein Herzstoß für uns--Fiesco begnadigte ihn.  Jetzt raste
die Stille des Volks in einen brüllenden Laut aus, jeder Odem
zernichtete einen Doria, Fiesco wurde auf tausendstimmigem Vivat nach
Hause getragen.

Gianettino (mit einem dumpfen Gelächter).  Der Aufruhr schwelle mir
an die Gurgel!--Kaiser Karl!  Mit dieser einzigen Silbe will ich sie
niederwerfen, daß in ganz Genua auch keine Glocke mehr summen soll.

Lomellin.  Böhmen liegt weit von Italien--Wenn Karl sich beeilt, kann
er noch zeitig genug zu Ihrem Leichenschmaus kommen.

Gianettino (zieht einen Brief mit großem Siegel hervor).  Glück genug
also, daß er schon hier ist!--Verwundert sich Lomellin?  Glaubte er
mich tolldreist genug, wüthige Republikaner zu reizen, wenn sie nicht
schon verkauft und verrathen wären?

Lomellin (betreten).  Ich weiß nicht, was ich denke.

Gianettino.  Ich denke Etwas, das du nicht weißt.  Der Schluß ist
gefaßt.  Übermorgen fallen zwölf Senatoren.  Doria wird Monarch, und
Kaiser Karl wird ihn schützen--Du trittst zurück?

Lomellin.  Zwölf Senatoren!  Mein Herz ist nicht weit genug, eine
Blutschuld zwölfmal zu fassen.

Gianettino.  Närrchen, am Thron wirft man sie nieder.  Siehst du, ich
überlegte mit Karls Ministern, daß Frankreich in Genua noch starke
Parteien hätte, die es ihm zum zweiten Mal in die Hände spielen
könnten, wenn man sie nicht mit der Wurzel vertilgte.  Das wurmte
beim alten Karl.  Er unterschrieb meinen Anschlag--und du schreibst,
was ich dictiere.

Lomellin.  Noch weiß ich nicht-Gianettino.  Setze dich!  Schreib!

Lomellin.  Was schreib' ich aber?  (Setzt sich.)

Gianettino.  Die Namen der zwölf Candidaten--Franz Zenturione.

Lomellin (schreibt).  Zum Dank für sein Votum führt er den Leichenzug.

Gianettino.  Cornelio Calva.

Lomellin.  Calva.

Gianettino.  Michael Zibo.

Lomellin.  Eine Abkühlung auf die Procuratur.

Gianettino.  Thomas Asserato mit drei Brüdern (Lomellin hält inne.)

Gianettino (nachdrücklich).  Mit drei Brüdern.

Lomellin (schreibt).  Weiter.

Gianettino.  Fiesco von Lavagna.

Lomellin.  Geben Sie Acht! geben Sie Acht!  Sie werden über diesem
schwarzen Stein noch den Hals brechen.

Gianettino.  Scipio Bourgognino.

Lomellin.  Der mag anderswo Hochzeit halten.

Gianettino.  Wo ich Brautführer bin--Raphael Sacco.

Lomellin.  Dem sollt' ich Pardon auswirken, bis er mir meine
fünftausend Scudi bezahlt hat.  (Schreibt.) Der Tod macht quitt.

Gianettino.  Vincent Calcagno.

Lomellin.  Calcagno--den Zwölften schreib' ich auf meine Gefahr, oder
unser Todfeind ist vergessen.

Gianettino.  Ende gut, Alles gut.  Joseph Verrina.

Lomellin.  Das war der Kopf des Wurms.  (Steht auf, streut Sand,
fliegt die Schrift durch, reicht sie dem Prinzen.) Der Tod gibt
übermorgen prächtige Gala und hat zwölf genuesische Fürsten geladen.

Gianettino (tritt zum Tisch, unterzeichnet).  Es ist geschehen--In
zwei Tagen ist Dogewahl.  Wenn die Signoria versammelt ist, werden
die Zwölf auf das Signal eines Schnupftuchs mit einem plötzlichen
Schuß gestreckt, wenn zugleich meine zweihundert Deutsche das
Rathhaus mit Sturm besetzen.  Ist das vorbei, tritt Gianettino Doria
in den Saal und läßt sich huldigen.  (Klingelt.)

Lomellin.  Und Andreas?

Gianettino (verächtlich).  Ist ein alter Mann.  (Ein Bedienter.) Wenn
der Herzog fragt, ich bin in der Messe.  (Bedienter ab.) Der Teufel,
der in mir steckt, kann nur in Heiligenmaske incognito bleiben.

Lomellin.  Aber das Blatt, Prinz?

Gianettino.  Nimmst du, lässest es durch unsre Partei circulieren.
Dieser Brief muß mir Extrapost nach Levanto.  Er unterrichtet den
Spinola von Allem und heißt ihn früh acht Uhr in der Hauptstadt hier
eintreffen.  (Will fort.)

Lomellin.  Ein Loch im Faß, Prinz!  Fiesco besucht keinen Senat mehr.

Gianettino (zurückrufend).  Doch noch einen Meuter wird Genua
haben?--Ich sorge dafür.  (Ab in ein Seitenzimmer, Lomellin fort
durch ein anderes.)



Fünfzehnter Auftritt


Vorzimmer bei Fiesco.

Fiesco mit Briefen und Wechseln.  Mohr.

Fiesco.  Also vier Galeeren sind eingelaufen.

Mohr.  Liegen glücklich in der Darsena vor Anker.

Fiesco.  Das kommt erwünscht.  Woher die Expressen?

Mohr.  Von Rom, Piacenza und Frankreich.

Fiesco (bricht die Briefe auf, fliegt sie durch).  Willkommen,
willkommen in Genua!  (Sehr aufgeräumt.) Die Kuriere werden fürstlich
bewirthet.

Mohr.  Hum!  (Will gehen.)

Fiesco.  Halt!  Halt!  Hier kommt Arbeit für dich die Fülle.

Mohr.  Was steht zu Befehl?  Die Nase des Spürers oder der Stachel
des Skorpions?

Fiesco.  Für jetzt des Lockvogels Schlag.  Morgen früh werden
zweitausend Mann verkappt zur Stadt hereinschleichen, Dienste bei mir
zu nehmen.  Vertheile du deine Handlanger an den Thoren herum, mit
der Ordre, auf die eintretenden Passagiers ein wachsames Auge zu
haben.  Einige werden als ein Trupp Pilgrime kommen, die nach Loretto
wallfahrten gehen, andre als Ordensbrüder, oder Savoyarden, oder
Komödianten, wieder andre als Krämer, oder als ein Trupp Musikanten,
die meisten als abgedankte Soldaten, die genuesisches Brod essen
wollen.  Jeder Fremde wird ausgefragt, wo er einstellet; antwortet er:
zur goldenen Schlange, so muß man ihn freundlich grüßen und meine
Wohnung bedeuten.  Höre, Kerl! aber ich baue auf deine Klugheit.

Mohr.  Herr! wie auf meine Bosheit.  Entwischt mir ein Lock Haare, so
sollt Ihr meine zwei Augen in eine Windbüchse laden und Sperlinge
damit schießen.  (Will fort.)

Fiesco.  Halt! noch eine Arbeit.  Die Galeeren werden der Nation
scharf in die Augen stechen.  Merke auf, was davon die Rede wird.
Fragt dich Jemand, so hast du von Weitem murmeln gehört, daß dein
Herr damit Jagd auf die Türken mache.  Verstehst du?

Mohr.  Verstehe.  Die Bärte der Beschnittenen liegen oben drauf.  Was
im Korb ist, weiß der Teufel.  (Will fort.)

Fiesco.  Gemach.  Noch eine Vorsicht.  Gianettino hat neuen Grund,
mich zu hassen und mir Fallen zu stellen.  Geh, beobachte deine
Kameraden, ob du nicht irgendwo einen Meuchelmord witterst.  Doria
besucht die verdächtigen Häuser.  Hänge dich an die Töchter der
Freude.  Die Geheimnisse des Cabinets stecken sich gern in die Falten
eines Weiberrocks; versprich ihnen goldspeiende Kunden--versprich
deinen Herrn.  Nichts kann zu ehrwürdig sein, das du nicht in diesen
Morast untertauchen sollst, bis du den festen Boden fühlst.

Mohr.  Halt!  Holla!  Ich habe Eingang bei einer gewissen Diana
Bononi und bin gegen fünf Vierteljahr ihr Zuführer gewesen.
Vorgestern sah ich den Procurator Lomellino aus ihrem Hause kommen.

Fiesco.  Wie gerufen.  Eben der Lomellino ist der Hauptschlüssel zu
allen Tollheiten Dorias.  Gleich morgen früh mußt du hingehen.
Vielleicht ist er heute Nacht dieser keuschen Luna Endymion.

Mohr.  Noch ein Umstand, gnädiger Herr.  Wenn mich die Genueser
fragen--und ich bin des Teufels! das werden sie--wenn sie mich jetzt
fragen: was denkt Fiesco zu Genua?--Werdet Ihr Eure Maske noch länger
tragen, oder was soll ich antworten?

Fiesco.  Antworten!  Wart!  Die Frucht ist ja zeitig.  Wehen
verkündigen die Geburt--Genua liege auf dem Block, sollst du
antworten, und dein Herr heiße Johann Ludwig Fiesco.

Mohr (sich froh streckend).  Was ich anbringen will, daß sich's
gewaschen haben soll, bei meiner hundsföttischen Ehre!--Aber nun hell
auf, Freund Hassan!  In ein Weinhaus zuerst!  Meine Füße haben alle
Hände voll zu thun--und muß meinen Magen caressieren, daß er mir bei
meinen Beinen das Wort redt.  (Eilt ab, kommt aber schnell zurück.) A
propos!  Bald hätt' ich das verplaudert.  Was zwischen Eurer Frau und
Calcagno vorging, habt Ihr gern wissen mögen!--Ein Korb ging vor,
Herr, und Das war Alles.  (Läuft davon.)



Sechzehnter Auftritt


Fiesco bei sich.

Ich bedaure, Calcagno--Meinten Sie etwa, ich würden den empfindlichen
Artikel meines Ehebetts Preis geben, wenn mir meines Weibes Tugend
und mein eigener Werth nicht Handschrift genug ausgestellt hätten?
Doch willkommen mit dieser Schwägerschaft.  Du bist ein guter Soldat.
Das soll mir deinen Arm zu Dorias Untergang kuppeln!--(Mit starkem
Schritt auf und nieder.) Jetzt, Doria, mit mir auf den Kampfplatz!
Alle Maschinen des großen Wagestücks sind im Gang.  Zum schaudernden
Concert alle Instrumente gestimmt.  Nichts fehlt, als die Larve
herabzureißen und Genuas Patrioten den Fiesco zu zeigen.  (Man hört
kommen.) Ein Besuch!  Wer mag mich jetzt stören?



Siebzehnter Auftritt


Voriger.  Verrina.  Romano mit einem Tableau.  Sacco.  Bourgognino.
Calcagno.  Alle verneigen sich.

Fiesco (ihnen entgegen, voll Heiterkeit).  Willkommen, meine würdigen
Freunde!  Welche wichtige Angelegenheit führt Sie so vollzählig zu
mir--Du auch da, theurer Bruder Verrina?  Ich würde bald verlernt
haben, dich zu kennen, wären meine Gedanken nicht fleißiger um dich,
als meine Augen.  War's nicht seit dem letzten Ball, daß ich meinen
Verrina entbehrte?

Verrina.  Zähl' ihm nicht nach, Fiesco.  Schwere Lasten haben indeß
sein graues Haar gebeugt.  Doch genug hievon.

Fiesco.  Nicht genug für die wißbegierige Liebe.  Du wirst mir mehr
sagen müssen, wenn wir allein sind.  (Zu Bourgognino.) Willkommen,
junger Held!  Unsre Bekanntschaft ist noch grün, aber meine
Freundschaft ist zeitig.  Haben Sie Ihre Meinung von mir verbessert?

Bourgognino.  Ich bin auf dem Wege.

Fiesco.  Verrina, man sagt mir, daß dieser junge Cavalier dein
Tochtermann werden soll.  Nimm meinen ganzen Beifall zu dieser Wahl.
Ich hab' ihn nur einmal gesprochen, und doch würd' ich stolz sein,
wenn er der meinige wäre.

Verrina.  Dieses Urtheil macht mich eitel auf meine Tochter.

Fiesco (zu den Andern).  Sacco?  Calcagno?--Lauter seltne
Erscheinungen in meinen Zimmern.  Beinahe möchte ich mich meiner
Dienstfertigkeit schämen, wenn Genuas edelste Zierden sie
vorübergehen--Und hier begrüße ich einen fünften Gast, mir zwar fremd,
doch empfohlen genug durch diesen würdigen Zirkel.

Romano.  Es ist ein Maler schlechtweg, gnädiger Herr, Romano mit
Namen, der sich vom Diebstahl an der Natur ernährt, kein Wappen hat,
als seinen Pinsel, und nun gegenwärtig ist, (mit einer tiefen
Verbeugung) die große Linie zu einem Brutuskopfe zu finden.

Fiesco.  Ihre Hand, Romano.  Ihre Meisterin ist eine Verwandte meines
Hauses.  Ich liebe sie brüderlich.  Kunst ist die rechte Hand der
Natur.  Diese hat nur Geschöpfe, jene hat Menschen gemacht.  Was
malen Sie aber, Romano?

Romano.  Scenen aus dem nervigten Alterthum.  Zu Florenz steht mein
sterbender Hercules, meine Kleopatra zu Venedig, der wüthende Ajax zu
Rom, wo die Helden der Vorwelt--im Vatican wieder auferstehen.

Fiesco.  Und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?

Romano.  Er ist weggeworfen, gnädiger Herr.  Das Licht des Genies
bekam weniger Fett, als das Licht des Lebens.  Über einen gewissen
Punkt hinaus brennt nur die papierne Krone.  Hier ist meine letzte
Arbeit.

Fiesco (aufgeräumt).  Sie könnte nicht erwünschter gekommen sein.
Ich bin heute ganz ungewöhnlich heiter, mein ganzes Wesen feiert eine
gewisse heroische Ruhe, ganz offen für die schöne Natur.  Stellen Sie
Ihr Tableau auf.  Ich will mir ein rechtes Fest daraus bereiten.
Tretet herum, meine Freunde.  Wir wollen uns ganz dem Künstler
schenken.  Stellen Sie Ihr Tableau auf.

Verrina (winkt den Andern).  Nun merket auf, Genueser!

Romano (stellt das Gemälde zurecht).  Das Licht muß von der Seite
spielen.  Ziehen Sie jenen Vorhang auf.  Diesen lassen Sie fallen.
Gut.  (Er tritt auf die Seite.) Es ist die Geschichte der Virginia
und des Appius Claudius.

(Lange ausdrucksvolle Pause, worin alle die Malerei betrachten.)

Verrina (in Begeisterung).  Spritz zu, eisgrauer Vater!--Zuckst du,
Tyrann?--Wie so bleich steht ihr Klötze Römer--ihm nach, Römer--das
Schlachtmesser blinkt--Mir nach, Klötze Genueser--Nieder mit Doria!
Nieder! nieder!  (Er haut gegen das Gemälde.)

Fiesco (lächelnd zum Maler.) Fordern Sie mehr Beifall?  Ihre Kunst
macht diesen alten Mann zum bartlosen Träumer.

Verrina (erschöpft).  Wo bin ich?  Wo sind sie hingekommen?  Weg, wie
Blasen?  Du hier, Fiesco?  Der Tyrann lebt noch, Fiesco?

Fiesco.  Siehst du?  Über vielem Sehen hast du die Augen vergessen.
Diesen Römerkopf findest du bewundernswerth?  Weg mit ihm!  Hier das
Mädchen blick' an!  Dieser Ausdruck, wie weich, wie weiblich!  Welche
Anmuth auch aus den welkenden Lippen?  Welche Wollust im
verlöschenden Blick?--Unnachahmlich! göttlich, Romano!--Und noch die
weiße, blendende Brust, wie angenehm noch von des Athems letzten
Wellen gehoben!  Mehr solche Nymphen, Romano, so will ich vor Ihren
Phantasieen knieen und der Natur einen Scheidebrief schreiben.

Bourgognino.  Verrina, ist das deine gehoffte herrliche Wirkung?

Verrina.  Fasse Muth, Sohn.  Gott verwarf den Arm des Fiesco, er muß
auf den unsrigen rechnen.

Fiesco (zum Maler).  Ja, es ist Ihre letzte Arbeit, Romano.  Ihr
Markt ist erschöpft.  Sie rühren keinen Pinsel mehr an.  Doch über
des Künstlers Bewunderung vergess' ich das Werk zu verschlingen.  Ich
könnte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben überhören.  Nehmen
Sie Ihr Gemälde weg.  Sollt' ich Ihnen diesen Virginiakopf bezahlen,
müßt' ich Genua in Versatz geben.  Nehmen Sie weg.

Romano.  Mit Ehre bezahlt sich der Künstler.  Ich schenke es Ihnen.
(Er will hinaus.)

Fiesco.  Eine kleine Geduld, Romano.  (Er geht mit majestätischem
Schritt im Zimmer und scheint über etwas Großes zu denken.  Zuweilen
betrachtet er die Andern fliegend und scharf, endlich nimmt er den
Maler bei der Hand, führt ihn vor das Gemälde.) Tritt her, Maler!
(Äußerst stolz und mit Würde.) So trotzig stehst du da, weil du
Leben auf todten Tüchern heuchelst und große Thaten mit kleinem
Aufwand verewigst.  Du prahlst mit Poetenhitze, der Phantasie
marklosem Marionettenspiel, ohne Herz, ohne thatenerwärmende Kraft;
stürzest Tyrannen auf Leinwand;--bist selbst ein elender Sklave?
Machst Republiken mit einem Pinsel frei;--kannst deine eignen Ketten
nicht brechen?  (Voll und befehlend.) Geh!  Deine Arbeit ist
Gaukelwerk--der Schein weiche der That--(Mit Größe, indem er das
Tableau umwirft.) Ich habe gethan, was du--nur maltest.  (Alle
erschüttert.  Romano trägt sein Tableau mit Bestürzung fort.)



Achtzehnter Auftritt


Fiesco.  Verrina.  Bourgognino.  Sacco.  Calcagno.

Fiesco (unterbricht eine Pause des Erstaunens).  Dachtet ihr, der
Löwe schliefe, weil er nicht brüllte?  Waret ihr eitel genug, euch zu
überreden, daß ihr die Einzigen wäret, die Genuas Ketten fühlten? die
Einzigen, die sie zu zerreißen wünschten?  Eh ihr sie nur fern
rasseln hörtet, hatte sie schon Fiesco zerbrochen.  (Er öffnet die
Schatulle, nimmt ein Paket Briefe heraus, die er alle über die Tafel
spreitet.) Hier Soldaten von Parma--hier französisches Geld--hier
vier Galeeren vom Papst.  Was fehlt noch, einen Tyrannen in seinem
Nest aufzujagen?  Was wißt ihr noch zu erinnern?  (Da sie alle
erstarrt schweigen, tritt er von der Tafel mit Selbstgefühl.)
Republikaner, ihr seid geschickter, Tyrannen zu verfluchen, als sie
in die Luft zu sprengen.  (Alle, außer Verrina, werfen sich sprachlos
Fiesco zu Füßen.)

Verrina.  Fiesco!--Mein Geist neigt sich vor dem deinigen--mein Knie
kann es nicht--Du bist ein großer Mensch!--aber--Steht auf, Genueser.

Fiesco.  Ganz Genua ärgerte sich an dem Weichling Fiesco.  Ganz Genua
fluchte über den verbuhlten Schurken Fiesco.  Genueser!  Genueser!
Meine Buhlerei hat den arglistigen Despoten betrogen, meine Tollheit
hat eurem Fürwitz meine gefährliche Weisheit verhüllt.  In den
Windeln der Üppigkeit lag das erstaunliche Werk der Verschwörung
gewickelt.  Genug.  Genua kennt ich in euch.  Mein ungeheuerster
Wunsch ist befriedigt.

Bourgognino (wirft sich unmuthig in einen Sessel).  Bin ich denn gar
nichts mehr?

Fiesco.  Aber laßt uns schleunig von Gedanken zu Thaten gehn.  Alle
Maschinen sind gerichtet.  Ich kann die Stadt von Land und Wasser
bestürmen.  Rom, Frankreich und Parma bedecken mich.  Der Adel ist
schwierig.  Des Pöbels Herzen sind mein.  Die Tyrannen hab' ich in
Schlummer gesungen.  Die Republik ist zu einem Umgusse zeitig.  Mit
dem Glück sind wir fertig.  Nichts fehlt--Aber Verrina ist
nachdenkend?

Bourgognino.  Geduld.  Ich hab' ein Wörtchen, das ihn rascher
aufschrecken soll, als des jüngsten Tages Posaunenruf.  (Er tritt zu
Verrina, ruft ihm bedeutend zu.) Vater, wach' auf!  Deine Bertha
verzweifelt.

Verrina.  Wer sprach das?--Zum Werk, Genueser!

Fiesco.  Überlegt den Entwurf zur Vollstreckung.  Über dem ernsten
Gespräch hat uns die Nacht überrascht.  Genua liegt schlafen.  Der
Tyrann fällt erschöpft von den Sünden des Tages nieder.  Wachet für
beide!

Bourgognino.  Eh wir scheiden, laßt uns den heldenmüthigen Bund durch
eine Umarmung beschwören.  (Sie schließen mit verschränkten Armen
einen Kreis.) Hier wachsen Genuas fünf größte Herzen zusammen, Genuas
größtes Loos zu entscheiden.  (Drücken sich inniger.) Wenn der Welten
Bau auseinander fällt und der Spruch des Gerichts auch die Bande des
Bluts, auch der Liebe zerschneidet, bleibt dieses fünffache
Heldenblatt ganz!  (Treten auseinander.)
                
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