Johann Shiller

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
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Achter Auftritt


Fiesco, als käm' er eben aus dem Schloß.  Drei Deutsche, die den
Mohren gebunden bringen.

Fiesco.  Wer rief mich in den Hof?

Deutscher.  Führt uns zum Grafen.

Fiesco.  Der Graf ist hier.  Wer begehrt mich?

Deutscher (macht die Honneurs vor ihm).  Einen guten Abend vom Herzog.
Diesen Mohren liefert er Euer Gnaden gebunden aus.  Er habe
schändlich herausgeplaudert.  Das Weitere sagt der Zettel.

Fiesco (nimmt ihn gleichgültig.) Und hab' ich dir nicht erst heut die
Galeere verkündigt?  (Zum Deutschen.) Es ist gut, Freund.  Meinen
Respect an den Herzog.

Mohr (ruft ihnen nach).  Und auch meinerseits einen, und sag'
ihm--dem Herzog--wenn er keinen Esel geschickt hätte, so würd' er
erfahren haben, daß im Schloß zweitausend Soldaten stecken.
(Deutsche gehen ab.  Nobili kommen zurück.)



Neunter Auftritt


Fiesco.  Verschworene.  Mohr trotzig in der Mitte.

Verschworene (fahren bebend zurück beim Anblick des Mohren).  Ha! was
ist das?

Fiesco (hat das Billet gelesen, mit verbissenem Zorn).  Genueser! die
Gefahr ist vorbei--aber auch die Verschwörung.

Verrina (ruft erstaunt aus).  Was?  Sind die Doria todt?

Fiesco (in heftiger Bewegung).  Bei Gott! auf die ganze Kriegsmacht
der Republik--auf Das war ich nicht gefaßt.  Der alte schwächliche
Mann schlägt mit vier Zeilen dritthalbtausend Mann.  (Läßt kraftlos
die Hände sinken.) Doria schlägt den Fiesco.

Bourgognino.  So sprechen Sie doch!  Wir erstarren.

Fiesco (liest). »Lavagna, Sie haben, däucht mich, Ein Schicksal mit
mir--Wohlthaten werden Ihnen mit Undank belohnt.  Dieser Mohr warnt
mich vor einem Komplott--Ich sende ihn hier gebunden zurück und werde
heute Nacht ohne Leibwache schlafen.« (Er läßt das Papier fallen.
Alle sehen sich an.)

Verrina.  Nun, Fiesco?

Fiesco (mit Adel).  Ein Doria soll mich an Großmuth besiegt haben?
Eine Tugend fehlt im Stamm der Fiesker?--Nein! so wahr ich ich selber
bin!--Geht auseinander, ihr!  Ich werde hingehen--und Alles bekennen.
(Will hinausstürzen.)

Verrina (hält ihn auf).  Bist du wahnsinnig, Mensch?  War es denn
irgend ein Bubenstreich, den wir vorhatten?  Halt! oder war's nicht
Sache des Vaterlands!  Halt! oder wolltest du nur dem Andreas zu
Leibe, nicht dem Tyrannen?  Halt! sag' ich--ich verhafte dich als
einen Verräther des Staats-Verschworne.  Bindet ihn! werft ihn zu
Boden!

Fiesco (reißt Einem ein Schwert weg und macht sich Bahn).  Sachte
doch!  Wer ist der Erste, der das Halfter über den Tiger wirft?--Seht,
ihr Herrn--Frei bin ich--könnte durch, wo ich Luft hätte--Jetzt will
ich bleiben, denn ich habe mich anders besonnen.

Bourgognino.  Auf Ihre Pflicht besonnen?

Fiesco (aufgebracht, mit Stolz). Ha, Knabe! Lernen Sie erst die Ihrige
gegen mich auswendig, und mir nimmer das!--Ruhig, ihr Herrn--es bleibt
Alles wie vor.--(Zum Mohren, dessen Stricke er zerhaut.) Du hast das
Verdienst, eine große That zu veranlassen--Entfliehe!

Calcagno (zornig).  Was? was?  Leben soll der Heide? leben und uns
alle verrathen haben?

Fiesco.  Leben und euch allen--bang gemacht haben.  Fort, Bursche!
Sorge, daß du Genua auf den Rücken kriegst, man könnte seinen Muth an
dir retten wollen.

Mohr.  Das heißt, der Teufel läßt keinen Schelmen sitzen!--Gehorsamer
Diener, ihr Herrn!--Ich merke schon, in Italien wächst mein Strick
nicht.  Ich muß ihn anderswo suchen.  (Ab mit Gelächter.)



Zehnter Auftritt


Bedienter kommt.  Vorige ohne den Mohren.

Bedienter.  Die Gräfin Imperiali fragen schon dreimal nach Euer
Gnaden.

Fiesco.  Potz tausend!  Die Komödie wird freilich wohl angehen müssen!
Sag' ihr, ich bin unverzüglich dort--Bleib--Meine Frau bittest du,
in den Concertsaal zu treten und mich hinter den Tapeten zu erwarten.
(Bedienter ab.) Ich habe hier euer Aller Rollen zu Papier gebracht;
wenn Jeder die seinige erfüllt, so ist nichts mehr zu sagen--Verrina
wird voraus in den Hafen gehen und mit einer Kanone das Signal zum
Ausbruch geben, wenn die Schiffe erobert sind.--Ich gehe; mich ruft
noch eine große Verrichtung.  Ihr werdet ein Glöckchen hören und alle
miteinander in meinen Concertsaal kommen--Indeß geht hinein--und laßt
euch meinen Cyprier schmecken.  (Sie gehen auseinander.)



Eilfter Auftritt


Concertsaal--Leonore.  Arabella.  Rosa.  Alle beängstigt.

Leonore.  In den Concertsaal versprach Fiesco zu kommen, und kommt
nicht.  Eilf Uhr ist vorüber.  Von Waffen und Menschen dröhnt
fürchterlich der Palast, und kommt kein Fiesco?

Rosa.  Sie sollen sich hinter die Tapeten verstecken--Was der gnädige
Herr damit wollen mag?

Leonore.  Er will's, Rosa, ich weiß also genug, um gehorsam zu sein.
Bella, genug, um ganz außer Furcht zu sein--Und doch! doch zittr' ich
so sehr, Bella, und mein Herz klopft so schrecklich bang.  Mädchen,
um Gotteswillen! gehe keines von meiner Seite.

Bella.  Fürchten Sie nichts.  Unsre Angst bewacht unsern Fürwitz.

Leonore.  Worauf mein Auge stößt, begegnen mir fremde Gesichter, wie
Gespenster hohl und verzerrt.  Wen ich anrufe, zittert wie ein
Ergriffener und flüchtet sich in die dichteste Nacht, diese gräßliche
Herberge des bösen Gewissens.  Was man antwortet, ist ein halber
heimlicher Laut, der auf bebender Zunge noch ängstlicher zweifelt, ob
er auch kecklich entwischen darf.--Fiesco?--Ich weiß nicht, was hier
Grauenvolles geschmiedet wird--Nur meinen Fiesco (mit Grazie ihre
Hände faltend) umflattert, ihr himmlischen Mächte!

Rosa (zusammengeschreckt).  Jesus!  Was rauscht in der Galerie?

Bella.  Es ist der Soldat, der dort Wache steht.  (Die Schildwache
ruft außen: »Wer da?« Man antwortet.)

Leonore.  Leute kommen!  Hinter die Tapete!  Geschwind!  (Sie
verstecken sich.)



Zwölfter Auftritt


Julia.  Fiesco im Gespräch.

Julia (sehr zerstört).  Hören Sie auf, Graf!  Ihre Galanterieen
fallen nicht mehr in achtlose Ohren, aber in ein siedendes Blut--Wo
bin ich?  Hier ist Niemand als die verführerische Nacht.  Wohin haben
Sie mein verwahrlostes Herz geplaudert?

Fiesco.  Wo die verzagte Leidenschaft kühner wird, und Wallungen
freier mit Wallungen reden.

Julia.  Halt ein, Fiesco.  Bei Allem, was heilig ist, nicht weiter!
Wäre die Nacht nicht so dichte, du würdest meine flammrothen Wangen
sehen und dich erbarmen.

Fiesco.  Weit gefehlt, Julia!  Eben dann würde meine Empfindung die
Feuerfahne der deinigen gewahr und lief' desto muthiger über.  (Er
küßt ihr heftig die Hand.)

Julia.  Mensch, dein Gesicht brennt fiebrisch, wie dein Gespräch.
Weh, auch aus dem meinigen, ich fühl's, schlägt wildes, frevelndes
Feuer.  Laß uns das Licht suchen, ich bitte.  Die aufgewiegelten
Sinne könnten den gefährlichen Wink dieser Finsterniß merken.  Geh!
diese gährenden Rebellen könnten hinter dem Rücken des verschämten
Tages ihre gottlosen Künste treiben.  Geh unter Menschen, ich
beschwöre dich.

Fiesco (zudringlicher).  Wie ohne Noth besorgt, meine Liebe!  Wird je
die Gebieterin ihren Sklaven fürchten?

Julia.  Über euch Männer und den ewigen Widerspruch!  Als wenn ihr
nicht die gefährlichsten Sieger wäret, wenn ihr euch unsrer
Eigenliebe gefangen gebt.  Soll ich dir Alles gestehen, Fiesco? daß
nur mein Laster meine Tugend bewahrte? nur mein Stolz deine Künste
verlachte? nur bis hieher meine Grundsätze Stand hielten?  Du
verzweifelst an deiner List und nimmst deine Zuflucht zu Julias Blut.
Hier verlassen sie mich.

Fiesco (leichtfertig dreist).  Und was verlorst du bei diesem
Verluste?

Julia (aufgeregt und mit Hitze).  Wenn ich den Schlüssel zu meinem
weiblichen Heiligthum an dich vertändle, womit du mich schamroth
machst, wenn du willst?  Was hab' ich weniger zu verlieren, als
Alles?  Willst du mehr wissen, Spötter?  Das Bekenntniß willst du
noch haben, daß die ganze geheime Weisheit unsers Geschlechts nur
eine armselige Vorkehrung ist, unsere tödtliche Seite zu entsetzen,
die doch zuletzt allein von euren Schwüren belagert wird, die (ich
gesteh' es erröthend ein) so gern erobert sein möchte, so oft beim
ersten Seitenblick der Tugend den Feind verrätherisch empfängt?--daß
alle unsere weiblichen Künste einzig für dieses wehrlose Stichblatt
fechten, wie auf dem Schach alle Officiere den wehrlosen König
bedecken?  Überrumpelst du diesen--Matt! und wird getrost das ganze
Brett durcheinander.  (Nach einer Pause mit Ernst.) Du hast das
Gemäld' unsrer prahlerischen Armuth--Sei großmüthig!

Fiesco.  Und doch, Julia--Wo besser als in meiner unendlichen
Leidenschaft kannst du diesen Schatz niederlegen?

Julia.  Gewiß nirgends besser, und nirgends schlimmer--Höre, Fiesco,
wie lang wird diese Unendlichkeit währen?--Ach! schon zu unglücklich
hab' ich gespielt, daß ich nicht auch mein Letztes noch setzen
sollte--Dich zu fangen, Fiesco, muthete ich dreist meinen Reizen zu;
und ich mißtraue ihnen die Allmacht, dich festzuhalten--Pfui doch,
was red' ich da?  (Sie tritt zurück und hält die Hände vors Gesicht.)

Fiesco. Zwei Sünden in einem Athem. Das Mißtrauen in meinen Geschmack,
oder das Majestätsverbrechen gegen deine Liebenswürdigkeit--was von
beiden ist schwerer zu vergeben?

Julia (matt, unterliegend, mit beweglichem Ton).  Lügen sind nur die
Waffen der Hölle--die bracht Fiesco nicht mehr, seine Julia zu fällen.
(Sie fällt erschöpft in einen Sopha, nach einer Pause feierlich.)
Höre, laß dir noch ein Wörtchen sagen, Fiesco--Wir sind Heldinnen,
wenn wir unsere Tugend noch sicher wissen:--wenn wir sie vertheidigen,
Kinder; (ihm starr und wild unter die Augen) Furien, wenn wir sie
rächen--Höre.  Wenn du mich kalt würgtest, Fiesco?

Fiesco (nimmt einen aufgebrachten Ton an).  Kalt? kalt?--Nun, bei
Gott! was fordert denn die unersättliche Eitelkeit des Weibs, wenn es
einen Mann vor sich kriechen sieht und noch zweifelt?  Ha, er erwacht
wieder, ich fühle, (den Ton in Kälte verändert) noch zu rechter Zeit
gehen mir die Augen auf--Was war's, das ich eben erbetteln
wollte?--Die kleinste Erniedrigung eines Mannes ist gegen die höchste
Gunst eines Weibs weggeworfen!  (Zu ihr mit tiefer, frostiger
Verbeugung.) Fassen Sie Muth, Madame!  Jetzt sind Sie sicher.

Julia (bestürzt).  Graf?  Welche Anwandlung!

Fiesco (äußerst gleichgültig).  Nein, Madame!  Sie haben vollkommen
recht, wir Beide haben die Ehre nur einmal auf dem Spiel.  (Mit einem
höflichen Handkuß.) Ich habe das Vergnügen, Ihnen bei der
Gesellschaft meinen Respect zu bezeugen.  (Er will schnell fort.)

Julia (ihm nach, reißt ihn zurück). Bleib! Bist du rasend? Bleib! Muß
ich es denn sagen--heraussagen, was das ganze Männervolk auf den
Knieen--in Thränen--auf der Folterbank meinem Stolz nicht abdringen
sollte?--Weh! auch dies dichte Dunkel ist zu licht, diese Feuersbrunst
zu bergen, die das Geständniß auf meinen Wangen macht--Fiesco--O, ich
bohre durchs Herz meines ganzen Geschlechts--mein ganzes Geschlecht
wird mich ewig hassen--Ich bete dich an, Fiesco! (Fällt vor ihm
nieder.)

Fiesco (weicht drei Schritte zurück, läßt sie liegen und lacht
triumphierend auf).  Das bedaur' ich, Signora.  (Er zieht die Glocke,
hebt die Tapete auf und führt Leonoren hervor.) Hier ist meine
Gemahlin--ein göttliches Weib!  (Er fällt Leonoren in den Arm.)

Julia (springt schreiend vom Boden).  Ah! unerhört betrogen!



Dreizehnter Auftritt


Die Verschwornen, welche zumal hereintreten.  Damen von der andern
Seite.  Fiesco.  Leonore und Julia.

Leonore.  Mein Gemahl, das war allzu streng.

Fiesco.  Ein schlechtes Herz verdiente nicht weniger.  Deinen Thränen
war ich diese Genugthuung schuldig.  (Zur Versammlung.) Nein, meine
Herrn und Damen, ich bin nicht gewohnt, bei jedem Anlaß in kindische
Flammen aufzuprasseln, Die Thorheiten der Menschen belustigen mich
lange, eh sie mich reizen.  Diese verdient meinen ganzen Zorn, denn
sie hat diesem Engel dieses Pulver gemischt.  (Er zeigt das Gift der
Versammlung, die mit Abscheu zurücktritt.)

Julia (ihre Wuth in sich beißend).  Gut!  Gut!  Sehr gut, mein Herr!
(Will fort.)

Fiesco (führt sie am Arm zurück).  Sie werden Geduld haben,
Madame--Noch sind wir nicht fertig--Diese Gesellschaft möchte gar zu
gern wissen, warum ich meinen Verstand so verleugnen konnte, den
tollen Roman mit Genuas größter Närrin zu spielen-Julia
(aufspringend).  Es ist nicht auszuhalten!  Doch zittre du!  (Drohend.
) Doria donnert in Genua, und ich--bin seine Schwester.

Fiesco.  Schlimm genug, wenn das Ihre letzte Galle ist--Leider muß
ich Ihnen die Botschaft bringen, daß Fiesco von Lavagna aus dem
gestohlenen Diadem Ihres durchlauchtigsten Bruders einen Strick
gedreht hat, womit er den Dieb der Republik diese Nacht aufzuhängen
gesonnen ist.  (Da sie sich entfärbt, lacht er hämisch auf.) Pfui,
das kam unerwartet--und sehen Sie! (indem er beißender fortfährt)
darum fand ich es für nöthig, den ungebetenen Blicken Ihres Hauses
etwas zu schaffen zu geben; darum behängt' ich mich (auf sie deutend)
mit dieser Harlekinsleidenschaft, darum (auf Leonoren zeigend) ließ
ich diesen Edelstein fallen, und mein Wild rannte glücklich in den
blanken Betrug--Ich dank' für Ihre Gefälligkeit, Signora, und gebe
meinen Theaterschmuck ab.  (Er überliefert ihren Schattenriß mit
einer Verbeugung.)

Leonore (schmiegt sich bittend an den Fiesco).  Mein Ludovico, sie
weint.  Darf Ihre Leonore Sie zitternd bitten?

Julia (trotzig zu Leonoren).  Schweig! du Verhaßte-Fiesco (zu einem
Bedienten).  Sei Er galant, Freund--biete Er dieser Dame den Arm an;
sie hat Lust, mein Staatsgefängniß zu sehen.  Er steht mir davor, daß
Madonna von Niemand incommodiert wird--draußen geht eine scharfe
Luft--der Sturm, der heute Nacht den Stamm Doria spaltet, möchte ihr
leicht--den Haarputz verderben.

Julia (schluchzend).  Die Pest über dich, schwarzer heimtückischer
Heuchler!  (Zu Leonoren grimmig.) Freue dich deines Triumphs nicht,
auch dich wird er verderben, und sich selbst und--verzweifeln!
(Stürzt hinaus.)

Fiesco (winkt den Gästen).  Sie waren Zeugen--Retten Sie meine Ehre
in Genua!  (Zu den Verschwornen.) Ihr werdet mich abholen, wenn die
Kanone kommt.  (Alle entfernen sich.)



Vierzehnter Auftritt


Leonore.  Fiesco.

Leonore (tritt ihm ängstlich näher).  Fiesco?--Fiesco?--Ich verstehe
Sie nur halb, aber ich fange an zu zittern.

Fiesco (wichtig).  Leonore--ich sahe Sie einst einer Genueserin zur
Linken gehen--Ich sahe Sie in den Assembleen des Adels mit dem
zweiten Handkuß der Ritter vorlieb nehmen.  Leonore--das that meinen
Augen weh.  Ich beschloß, es soll nicht mehr sein--es wird aufhören.
Hören Sie das kriegerische Getöse in meinen Schloß?  Was Sie fürchten,
ist wahr--Gehn Sie zu Bette, Gräfin--morgen will ich--die Herzogin
wecken.

Leonore (schlägt beide Arme zusammen und wirft sich in einen Sessel).
Gott! meine Ahnung!  Ich bin verloren!

Fiesco (gesetzt, mit Würde).  Lassen Sie mich ausreden, Liebe!  Zwei
meiner Ahnherrn trugen die dreifache Krone; das Blut der Fiesker
fließt nur unter dem Purpur gesund.  Soll Ihr Gemahl nur geerbten
Glanz von sich werfen?  (Lebhafter.) Was?  Soll er sich für all seine
Hoheit beim gaukelnden Zufall bedanken, der in einer erträglichen
Laune aus modernden Verdiensten einen Johann Ludwig Fiesco
zusammenflickte?  Nein, Leonore!  Ich bin zu stolz, mir etwas
schenken zu lassen, was ich noch selbst zu erwerben weiß.  Heute
Nacht werf' ich meinen Ahnen den geborgten Schmuck in ihr Grab
zurück--Die Grafen von Lavagna starben aus--Fürsten beginnen.

Leonore (schüttelt den Kopf, still phantasierend).  Ich sehe meinen
Gemahl an tiefen tödtlichen Wunden zu Boden fallen--(Hohler.) Ich
sehe die stummen Träger den zerrissenen Leichnam meines Gemahls mir
entgegen tragen.  (Erschrocken aufspringend.) Die erste--einzige
Kugel fliegt durch die Seele Fiescos.

Fiesco (faßt sie liebevoll bei der Hand).  Ruhig, mein Kind.  Das
wird die einzige Kugel nicht.

Leonore (blickt ihn ernsthaft an).  So zuversichtlich ruft Fiesco den
Himmel heraus?  Und wäre der tausendmaltausendste Fall nur der
mögliche, so könnte der tausendmaltausendste wahr werden, und mein
Gemahl wäre verloren--Denke, du spieltest um den Himmel, Fiesco.
Wenn eine Billion Gewinnste für einen einzigen Fehler fiel', würdest
du dreist genug sein, die Würfel zu schütteln und die freche Wette
mit Gott einzugehen?  Nein, mein Gemahl! wenn auf dem Brett Alles
liegt, ist jeder Wurf Gotteslästerung.

Fiesco (lächelt).  Sei unbesorgt, das Glück und ich stehen besser.

Leonore.  Sagst du das--und standest bei jenem geisterverzerrenden
Spiele--ihr nennt es Zeitvertreib--sahest zu der Betrügerin, wie sie
ihren Günstling mit kleinen Glückskarten lockte, bis er warm ward,
aufstand, die Bank forderte--und ihn jetzt im Wurf der Verzweiflung
verließ--O mein Gemahl! du gehst nicht hin, dich den Genuesern zu
zeigen und angebetet zu werden.  Republikaner aus ihrem Schlaf
aufzujagen, das Roß an seine Hufe zu mahnen, ist kein Spaziergang,
Fiesco.  Traue diesen Rebellen nicht.  Die Klugen, die dich
aufhetzten, fürchten dich.  Die Dummen, die dich vergötterten, nützen
dir wenig, und wo ich hinsehe ist Fiesco verloren.

Fiesco (mit starken Schritten im Zimmer).  Kleinmuth ist die höchste
Gefahr.  Größe will auch ein Opfer haben.

Leonore.  Größe, Fiesco?--Daß dein Genie meinem Herzen so übel will!
--Sieh!  Ich vertraue deinem Glück, du siegst, will ich sagen--Weh
dann mir Ärmsten meines Geschlechts!  Unglückselig, wenn es mißlingt!
wenn es glückt, unglückseliger!  Hier ist keine Wahl, mein Geliebter!
Wenn er den Herzog verfehlt, ist Fiesco verloren.  Mein Gemahl ist
hin, wenn ich den Herzog umarme.

Fiesco.  Das verstehe ich nicht.

Leonore.  Doch, mein Fiesco!  In dieser stürmischen Zone des Throns
verdorret das zarte Pflänzchen der Liebe.  Das Herz eines Menschen,
und wär' auch selbst Fiesco der Mensch, ist zu enge für zwei
allmächtige Götter--Götter, die sich so gram sind.  Liebe hat Thränen,
und kann Thränen verstehen; Herrschsucht hat eherne Augen, worin
ewig nie die Empfindung perlt--Liebe hat nur ein Gut, thut Verzicht
auf die ganze übrige Schöpfung: Herrschsucht hungert beim Raube der
ganzen Natur--Herrschsucht zertrümmert die Welt in ein rasselndes
Kettenhaus, Liebe träumt sich in jede Wüste Elysium.--Wolltest du
jetzt an meinem Busen dich wiegen, pochte ein störriger Vasalle an
dein Reich--Wollt' ich jetzt in deine Arme mich werfen, hörte deine
Despotenangst einen Mörder aus den Tapeten hervorrauschen und jagte
dich flüchtig von Zimmer zu Zimmer.  Ja, der großäugige Verdacht
steckte zuletzt auch die häusliche Eintracht an--Wenn deine Leonore
dir jetzt einen Labetrank brächte, würdest du den Kelch mit
Verzuckungen wegstoßen und die Zärtlichkeit eine Giftmischerin
schelten.

Fiesco (bleibt mit Entsetzen stehen).  Leonore, hör auf!  Das ist
eine häßliche Vorstellung-Leonore.  Und doch ist das Gemälde nicht
fertig.  Ich würde sagen, opfre die Liebe der Größe, opfre die
Ruhe--wenn nur Fiesco noch bleibt--Gott! das ist Radstoß!--Selten
stiegen Engel auf den Thron, seltner herunter.  Wer keinen Menschen
zu fürchten braucht, wird er sich eines Menschen erbarmen?  Wer an
jeden Wunsche einen Donnerkeil heften kann, wird er für nöthig finden,
ihm ein sanftes Wörtchen zum Geleite zu geben?  (Sie hält inne, dann
tritt sie bescheiden zu ihm und faßt seine Hand; mit feinster
Bitterkeit.) Fürsten, Fiesco? diese mißrathenen Projecte der
wollenden und nicht könnenden Natur--sitzen so gern zwischen
Menschheit und Gottheit nieder;--heillose Geschöpfe! schlechtere
Schöpfer!

Fiesco (stürzt sich beunruhigt durchs Zimmer).  Leonore, hör' auf!
Die Brücke ist hinter mir abgehoben-Leonore (blickt ihn schmachtend
an).  Und warum, mein Gemahl?  Nur Thaten sind nicht mehr zu tilgen.
(Schmelzend zärtlich und etwas schelmisch.) Ich hörte dich wohl einst
schwören, meine Schönheit habe alle deine Entwürfe gestürzt--du hast
falsch geschworen, du Heuchler, oder sie hat frühzeitig
abgeblüht--Frage dein Herz, wer ist schuldig?  (Feuriger, indem sie
ihn mit beiden Armen umfaßt.) Komm zurücke!  Ermanne dich!  Entsage!
Die Liebe soll dich entschädigen.  Kann mein Herz deinen ungeheuren
Hunger nicht stillen--o Fiesco! das Diadem wird noch ärmer sein.
--(Schmeichelnd.) Komm! ich will alle deine Wünsche auswendig lernen,
will alle Zauber der Natur in einen Kuß der Liebe zusammenschmelzen,
den erhabenen Flüchtling ewig in diesen himmlischen Banden zu
halten--dein Herz ist unendlich--auch die Liebe ist es, Fiesco.
(Schmelzend.) Ein armes Geschöpf glücklich zu machen--ein Geschöpf,
das seinen Himmel an deinem Busen lebt--sollte das eine Lücke in
deinem Herzen lassen?

Fiesco (durch und durch erschüttert).  Leonore, was hast du gemacht?
(Er fällt ihr kraftlos um den Hals.) Ich werde keinem Genueser mehr
unter die Augen treten-Leonore (freudig rasch).  Laß uns fliehen,
Fiesco, laß in den Staub uns werfen all diese prahlenden Nichts, laß
in romantischen Fluren ganz der Liebe uns leben!  (Sie drückt ihn an
ihr Herz mit schöner Entzückung.) Unsre Seelen, klar, wie über uns
das heitre Blau des Himmels, nehmen dann den schwarzen Hauch des
Grams nicht mehr an--Unser Leben rinnt dann melodisch wie die
flötende Quelle zum Schöpfer--(Man hört den Kanonenschuß.  Fiesco
springt los.  Alle Verschwornen treten in den Saal.)



Fünfzehnter Auftritt


Verschworne.  Die Zeit ist da!

Fiesco (zu Leonoren, fest).  Lebe wohl!  Ewig--oder Genua liegt
morgen zu deinen Füßen.  (Will fortstürzen.)

Bourgognino (schreit).  Die Gräfin sinkt um.  (Leonore in Ohnmacht.
Alle springen hin, sie zu halten.  Fiesco vor ihr niedergeworfen.)

Fiesco (mit schneidendem Ton).  Leonore!  Rettet! um Gotteswillen!
Rettet!  (Rosa, Bella kommen, sie zurecht zu bringen.) Sie schlägt
die Augen auf--(Er springt entschlossen in die Höh'.) Jetzt
kommt--sie dem Doria zuzudrücken.  (Verschworne stürzen zum Saal
hinaus.  Vorhang fällt.)




Fünfter Aufzug

Nach Mitternacht.--Große Straße in Genua--Hie und da leuchten Lampen
an einigen Häusern, die nach und nach auslöschen--Im Hintergrund der
Bühne sieht man das Thomasthor, das noch geschlossen ist.  In
perspectivischer Ferne die See.--Einige Menschen gehen mit
Handlaternen über den Platz, darauf die Runde und Patrouille--Alles
ist ruhig.  Nur das Meer wallt etwas ungestüm.



Erster Auftritt


Fiesco kommt gewaffnet und bleibt vor dem Palast des Andreas Doria
stehen.  Darauf Andreas.

Fiesco.  Der Alte hat Wort gehalten--im Palast alle Lichter aus.  Die
Wachen sind fort.  Ich will läuten.  (Läutet.) He! holla!  Wach' auf,
Doria!  Verrathner, verkaufter Doria, wach' auf!  Holla!  Holla!
Holla!  Wach' auf!

Andreas (erscheint auf dem Altane).  Wer zog die Glocke?

Fiesco (mit veränderter Stimme).  Frage nicht!  Folge!  Dein Stern
geht unter, Herzog, Genua steht auf wider dich!  Nahe sind deine
Henker, und du kannst schlafen, Andreas?

Andreas (mit Ehre).  Ich besinne mich, wie die zürnende See mit
meiner Bellona zankte, daß der Kiel krachte und der oberste Mast
brach--Andreas Doria schlief sanft.  Wer schickt die Henker?

Fiesco.  Ein Mann, furchtbarer als deine zürnende See, Johann Ludwig
Fiesco.

Andreas (lacht).  Du bist bei Laune, Freund.  Bring deine Schwänke
bei Tag.  Mitternacht ist eine ungewöhnliche Stunde.

Fiesco.  Du höhnst deinen Warner?

Andreas.  Ich dank' ihm und geh zu Bette.  Fiesco hat sich schläfrig
geschwelgt und hat keine Zeit für Doria übrig.

Fiesco.  Unglücklicher alter Mann--traue der Schlange nicht!  Sieben
Farben ringen auf ihrem spiegelnden Rücken--du nahst--und gählings
schnürt dich der tödliche Wirbel.  Den Wink eines Verräthers
verlachtest du.  Verlache den Rath eines Freundes nicht.  Ein Pferd
steht gesattelt in deinem Hof.  Fliehe bei Zeit!  Verlache den Freund
nicht!

Andreas.  Fiesco denkt edel.  Ich hab' ihn niemal beleidigt, und
Fiesco verräth mich nicht.

Fiesco.  Denkt edel, verräth dich, und gab dir Proben von Beidem.

Andreas.  So steht eine Leibwache da, die kein Fiesco zu Boden wirft,
wenn nicht Cherubim unter ihm dienen.

Fiesco (hämisch).  Ich möchte sie sprechen, einen Brief in die
Ewigkeit zu bestellen.

Andreas (groß).  Armer Spötter, hast du nie gehört, daß Andreas Doria
Achtzig alt ist, und Genua--glücklich?  (Er verläßt die Altane.)

Fiesco (blickt ihm erstaunt nach).  Mußt' ich diesen Mann erst
stürzen, eh' ich lerne, daß es schwerer ist, ihm zu gleichen?  (Er
geht einige Schritte tiefsinnig auf und nieder.) Nun, ich machte
Größe mit Größe wett--Wir sind fertig, Andreas, und nun, Verderben,
gehe deinen Gang.

(Er eilt in die hinterste Gasse--Trommeln tönen von allen Enden.
Scharfes Gefecht am Thomasthor.  Das Thor wird gesprengt und öffnet
die Aussicht in den Hafen, worin Schiffe liegen, mit Fackeln
erleuchtet.)



Zweiter Auftritt


Gianettino Doria in einen Scharlachmantel geworfen.  Lomellin.
Bediente voraus mit Fackeln.  Alle hastig.

Gianettino (steht still).  Wer befahl, Lärmen zu schlagen?

Lomellin.  Auf den Galeeren krachte eine Kanone.

Gianettino.  Die Sklaven werden ihre Ketten reißen.  (Schüsse am
Thomasthor.)

Lomellin.  Feuer dort!

Gianettino.  Thor offen!  Wachen in Aufruhr!  (Zu den Bedienten.)
Hurtig, Schurken!  Leuchtet dem Hafen zu!  (Eilen gegen das Thor.)



Dritter Auftritt


Vorige.  Bourgognino mit Verschwornen, die vom Thomasthor kommen.

Bourgognino.  Sebastian Lescaro ist ein wackrer Soldat.

Zenturione.  Wehrte sich wie ein Bär, bis er niederfiel.

Gianettino (tritt bestürzt zurück).  Was hör' ich da?--Haltet!

Bourgognino.  Wer dort mit dem Flambeau?

Lomellin.  Es sind Feinde, Prinz!  Schleichen Sie links weg.

Bourgognino (ruft hitzig an).  Wer da mit dem Flambeau?

Zenturione.  Steht!  Eure Losung!

Gianettino (zieht das Schwert, trotzig).  Unterwerfung und Doria.

Bourgognino (schäumend, fürchterlich).  Räuber der Republik und
meiner Braut!  (Zu den Verschwornen, indem er auf Gianettino stürzt.)
Ein Gang Profit, Brüder!  Seine Teufel liefern ihn selbst aus.  (Er
stößt ihn nieder.)

Gianettino (fällt mit Gebrüll).  Mord!  Mord!  Mord!  Räche mich,
Lomellin!

Lomellin.  Bediente (fliehend).  Hilfe!  Mörder!  Mörder!

Zenturione (ruft mit starker Stimme).  Er ist getroffen.  Haltet den
Grafen auf!  (Lomellin wird gefangen.)

Lomellin (knieend).  Schont meines Lebens, ich trete zu euch über!

Bourgognino.  Lebt dieses Unthier noch?  Die Memme mag fliehen.
(Lomellin entwischt.)

Zenturione.  Thomasthor unser!  Gianettino kalt!  Rennt, was ihr
rennen könnt!  Sagt's dem Fiesco an!

Gianettino (bäumt sich krampfig in die Höh).  Pest!  Fiesco--(Stirbt.)

Bourgognino (reißt den Stahl aus dem Leichnam).  Genua frei und meine
Bertha--Dein Schwert, Zenturione.  Dies blutige bringst du meiner
Braut.  Ihr Kerker ist gesprengt.  Ich werde nachkommen und ihr den
Brautkuß gegen.  (Eilen ab zu verschiedenen Straßen.)



Vierter Auftritt


Andreas Doria.  Deutsche.

Deutscher.  Der Sturm zog sich dorthin.  Werft Euch zu Pferd, Herzog.

Andreas.  Laß mich noch einmal Genuas Thürme schauen und den Himmel!
Nein, es ist kein Traum, und Andreas ist verrathen.

Deutscher.  Feinde um und um!  Fort!  Flucht über die Grenze!

Andreas (wirft sich auf den Leichnam seines Neffen).  Hier will ich
enden.  Rede Keiner von Fliehen.  Hier liegt die Kraft meines Alters.
Meine Bahn ist aus.  (Calcagno fern mit Verschwornen.)

Deutscher.  Mörder dort!  Mörder!  Flieht, alter Fürst!

Andreas (da die Trommeln wieder anfangen).  Höret, Ausländer!  Höret!
das sind die Genueser, deren Joch ich brach.  (Verhüllt sich.)
Vergilt man auch so in Eurem Lande?

Deutscher.  Fort!  Fort!  Fort! indeß unsre deutschen Knochen
Scharten in ihre Klingen schlagen.  (Calcagno näher.)

Andreas.  Rettet euch!  Laßt mich!  Schreckt Nationen mit der
Schauerpost: die Genueser erschlugen ihren Vater-Deutscher.  Mord!
Zum Erschlagen hat's noch Weile--Kameraden, steht!  Nehmt den Herzog
in die Mitte!  (Ziehen.) Peitscht diesen welschen Hunden Respect vor
einem Graukopf ein-Calcagno (ruft an).  Wer da?  Was gibt's da?

Deutsche (hauen ein).  Deutsche Hiebe!  (Gehen fechtend ab.
Gianettinos Leichnam wird hinweggebracht.)



Fünfter Auftritt


Leonore in Mannskleidern.  Arabella hinter ihr her.  Beide schleichen
ängstlich hervor.

Arabella.  Kommen Sie, gnädige Frau, o kommen Sie doch-Leonore.  Da
hinaus wüthet der Aufruhr--Horch! war das nicht eines Sterbenden
Ächzen?--Weh! sie umzingeln ihn--Auf Fiescos Herz deuten ihre
gähnenden Rohre--Auf das meinige, Bella--Sie drücken ab--Haltet!
haltet!  Es ist mein Gemahl!  (Wirft ihre Arme schwärmend in die Luft.)

Arabella.  Aber um Gotteswillen-Leonore (immer wilder phantasierend,
nach allen Gegenden schreiend).  Fiesco!--Fiesco!--Fiesco!--Sie
weichen hinter ihm ab, seine Getreuen--Rebellentreue ist wankend.
(Heftig erschrocken.) Rebellen führt mein Gemahl?  Bella?  Himmel?
Ein Rebell kämpft mein Fiesco?

Arabella.  Nicht doch, Signora, als Genuas furchtbarer Schiedsmann.

Leonore (aufmerksam).  Das wäre Etwas--und Leonore hätte gezittert?
Den ersten Republikaner umarmte die feigste Republikanerin?--Geh,
Arabella--wenn die Männer um Länder sich messen, dürfen auch die
Weiber sich fühlen.  (Man fängt wieder an zu trommeln.) Ich werfe
mich unter die Kämpfer.

Arabella (schlägt die Hände zusammen).  Barmherziger Himmel!

Leonore.  Sachte!  Woran stößt sich mein Fuß?  Hier ist ein Hut und
ein Mantel.  Ein Schwert liegt dabei.  (Sie wägt es.) Ein schweres
Schwert, meine Bella; doch schleppen kann ich's noch wohl, und das
Schwert macht seinem Führer nicht Schande.  (Man läutet Sturm.)

Arabella.  Hören Sie? hören Sie? das wimmert vom Thurm der
Dominicaner.  Gott erbarme! wie fürchterlich!

Leonore (schwärmend).  Sprich, wie entzückend!  In dieser Sturmglocke
spricht mein Fiesco mit Genua.  (Man trommelt stärker.) Hurrah!
Hurrah!  Nie klangen mir Flöten so süß--Auch diese Trommeln belebe
mein Fiesco--Wie mein Herz höher wallt!  Ganz Genua wird
munter--Miethlinge hüpfen hinter seinem Namen, und sein Weib sollte
zaghaft thun?  (Es stürmt auf drei andern Thürmen.) Nein!  Eine
Heldin soll mein Held umarmen--Mein Brutus soll eine Römerin umarmen.
(Sie setzt den Hut auf und wirft den Scharlach um.) Ich bin Porcia.

Arabella.  Gnädige Frau, Sie wissen nicht, wie entsetzlich Sie
schwärmen.  Nein, das wissen Sie nicht.  (Sturmläuten und Trommeln.)

Leonore.  Elende, die du Das alles hörst und nicht schwärmst!  Weinen
möchten diese Quader, daß sie die Beine nicht haben, meinem Fiesco
zuzuspringen--Diese Paläste zürnen über ihren Meister, der sie so
fest in die Erde zwang, daß sie meinem Fiesco nicht zuspringen
können--Die Ufer, könnten sie's, verließen ihre Pflicht, gäben Genua
dem Meere Preis und tanzten hinter seiner Trommel--Was den Tod aus
seinen Windeln rüttelt, kann deinen Muth nicht wecken?  Geh!--Ich
finde meinen Weg.

Arabella.  Großer Gott!  Sie werden doch diese Grille nicht wahr
machen wollen?

Leonore (stolz und heroisch).  Das sollt' ich meinen, du
Alberne--(Feurig.) Wo am wildesten das Getümmel wüthet, wo in Person
mein Fiesco kämpft--Ist das Lavagna? hör' ich sie fragen--den Niemand
bezwingen kann, der um Genua eiserne Würfel schwingt, ist das
Lavagna?--Genueser!  Er ist's, werd' ich sagen, und dieser Mann ist
mein Gemahl, und ich hab' auch eine Wunde.  (Sacco mit Verschwornen.)

Sacco (ruft an).  Wer da?  Doria oder Fiesco?

Leonore (begeistert).  Fiesco und Freiheit!  (Sie wirft sich in eine
Gasse.  Auflauf.  Bella wird weggedrängt.)



Sechster Auftritt


Sacco mit einem Haufen.  Calcagno begegnet ihm mit einem andern.

Calcagno.  Andreas Doria ist entflohen.

Sacco.  Deine schlechteste Empfehlung bei Fiesco.

Calcagno.  Bären, die Deutschen! pflanzten sich vor den Alten wie
Felsen.  Ich kriegte ihn gar nicht zu Gesicht.  Neun von den Unsern
sind fertig.  Ich selbst bin am linken Ohrlappen gestreift.  Wenn sie
das fremden Tyrannen thun, alle Teufel! wie müssen sie ihre Fürsten
bewachen!

Sacco.  Wir haben schon starken Anhang, und alle Thore sind unser.

Calcagno.  Auf der Burg, hör' ich, fechten sie scharf.

Sacco.  Bourgognino ist unter ihnen.  Was schafft Verrina?

Calcagno.  Liegt zwischen Genua und dem Meer, wie der höllische
Kettenhund, daß kaum ein Anchove durch kann.

Sacco.  Ich lass' in der Vorstadt stürmen.

Calcagno.  Ich marschiere über die Piazza Sarzana.  Rühr dich,
Tambour!  (Ziehen unter Trommelschlag weiter.)



Siebenter Auftritt


Der Mohr.  Ein Trupp Diebe mit Lunten.

Mohr.  Daß ihr's wißt, Schurken!  Ich war der Mann, der diese Suppe
einbrockte--Mir gibt man keinen Löffel.  Gut.  Die Hatz ist mir eben
recht.  Wir wollen eins anzünden und plündern.  Die drüben baxen sich
um ein Herzogthum, wir heizen die Kirchen ein, daß die erfrornen
Apostel sich wärmen.

(Werfen sich in die umliegenden Häuser.)



Achter Auftritt


Bourgognino.  Bertha verkleidet.

Bourgognino.  Hier ruhe aus, lieber Kleiner.  Du bist in Sicherheit.
Blutest du?

Bertha (die Sprache verändert).  Nirgends.

Bourgognino (lebhaft).  Pfui, so steh auf!  Ich will dich hinführen,
wo man Wunden für Genua erntet--Schön, siehst du? wie diese.  (Er
streift seinen Arm auf.)

Bertha (zurückfahrend).  O Himmel!

Bourgognino.  Du erschrickst?  Niedlicher Kleiner, zu früh eiltest du
in den Mann--Wie alt bist du?

Bertha.  Fünfzehn Jahr.

Bourgognino.  Schlimm!  Für diese Nacht fünf Jahre zu zärtlich--Den
Vater?

Bertha.  Der beste Bürger in Genua.

Bourgognino.  Gemach, Knabe!  Das ist nur Einer, und seine Tochter
ist meine verlobte Braut.  Weißt du das Haus des Verrina?

Bertha.  Ich dächte.

Bourgognino (rasch).  Und kennst seine göttliche Tochter?

Bertha.  Bertha heißt seine Tochter.

Bourgognino (hitzig).  Gleich geh und überliefre ihr diesen Ring.  Er
gelte den Trauring, sagst du, und der blaue Busch halte sich brav.
Jetzt fahre wohl!  Ich muß dorthin.  Die Gefahr ist noch nicht aus.
(Einige Häuser brennen.)

Bertha (ruft ihm nach mit sanfter Stimme).  Scipio!

Bourgognino (steht betroffen still).  Bei meinem Schwert!  Ich kenne
die Stimme.

Bertha (fällt ihm um den Hals).  Bei meinem Herzen!  Ich bin hier
sehr bekannt.

Bourgognino (schreit).  Bertha!  (Sturmläuten in der Vorstadt.
Auflauf.  Beide verlieren sich in einer Umarmung.)



Neunter Auftritt


Fiesco tritt hitzig auf.  Zibo.  Gefolge.

Fiesco.  Wer warf das Feuer ein?

Zibo.  Die Burg ist erobert.

Fiesco.  Wer warf das Feuer ein?

Zibo (winkt dem Gefolge).  Patrouillen nach dem Thäter!  (Einige
gehen.)

Fiesco (zornig).  Wollen sie mich zum Mordbrenner machen?  Gleich
eilt mit Spritzen und Eimern!  (Gefolge ab.) Aber Gianettino ist doch
geliefert?

Zibo.  So sagt man.

Fiesco (wild).  Sagt man nur?  Wer sagt das nur?  Zibo, bei Ihrer
Ehre, ist er entronnen?

Zibo (bedenklich).  Wenn ich meine Augen gegen die Aussagen eines
Edelmanns setzen kann, so lebt Gianettino.

Fiesco (auffahrend).  Sie reden sich um den Hals, Zibo!

Zibo.  Noch einmal--Ich sah ihn vor acht Minuten lebendig in gelbem
Busch und Scharlach herumgehn.

Fiesco (außer Fassung).  Himmel und Hölle--Zibo!--den Bourgognino
lass' ich um einen Kopf kürzer machen.  Fliegen Sie, Zibo--Man soll
alle Stadtthore sperren--alle Felouquen soll man zu Schanden
schießen--so kann er nicht zu Wasser davon--diesen Demant, Zibo, den
reichsten in Genua, Lucca, Venedig und Pisa,--wer mir die Zeitung
bringt: Gianettino ist todt--er soll diesen Demant haben.  (Zibo eilt
ab.) Fliegen Sie, Zibo!



Zehnter Auftritt


Fiesco.  Sacco.  Der Mohr.  Soldaten.

Sacco.  Den Mohren fanden wie eine brennende Lunte in den Jesuiterdom
werfen-Fiesco.  Deine Verrätherei ging dir hin, weil sie mich traf.
Auf Mordbrennereien steht der Strick.  Führt ihn gleich ab, hängt ihn
am Kirchthor auf.

Mohr.  Pfui!  Pfui!  Pfui!  Das kommt mir ungeschickt--Läßt sich
nichts davon wegplaudern?

Fiesco.  Nichts.

Mohr (vertraulich).  Schickt mich einmal zur Prob auf die Galeere.

Fiesco (winkt den Andern).  Zum Galgen.

Mohr (trotzig).  So will ich ein Christ werden!

Fiesco.  Die Kirche bedankt sich für die Blattern des Heidenthums.

Mohr (schmeichelnd).  Schickt mich wenigstens besoffen in die
Ewigkeit.

Fiesco.  Nüchtern.

Mohr.  Aber hängt mich nur an keine christliche Kirche.

Fiesco.  Ein Ritter hält Wort.  Ich versprach dir deinen eigenen
Galgen.

Sacco (brummt).  Nicht viel Federlesens, Heide!  Man hat noch mehr zu
thun.

Mohr.  Doch--wenn halt allenfalls--der Strick bräche?-Fiesco (zum
Sacco).  Man wird ihn doppelt nehmen.

Mohr (resigniert).  So mag's sein--und der Teufel kann sich auf den
Extrafall rüsten.  (Ab mit Soldaten, die ihn in einiger Entfernung
aufhenken.)



Eilfter Auftritt


Fiesco.  Leonore erscheint hinten im Scharlachrock Gianettinos.

Fiesco (wird sie gewahr, fährt vor, fährt zurück und murmelt grimmig).
Kenn' ich nicht diesen Busch und Mantel?  (Eilt näher, heftig.) Ich
kenne den Busch und Mantel!  (Wüthend, indem er auf sie losstürzt und
sie niederstößt.) Wenn du drei Leben hast, so steh wieder auf und
wandle!  (Leonore fällt mit einem gebrochenen Laut.  Man hört einen
Siegesmarsch.  Trommeln, Hörner und Hoboen.)



Zwölfter Auftritt


Fiesco.  Calcagno.  Sacco.  Zenturione.  Zibo.  Soldaten mit Musik
und Fahnen treten auf.

Fiesco (ihnen entgegen im Triumph).  Genueser--der Wurf ist
geworfen--Hier liegt er, der Wurm meiner Seele--die gräßliche Kost
meines Hasses.  Hebet die Schwerter hoch!--Gianettino!

Calcagno.  Und ich komme, Ihnen zu sagen, daß zwei Drittheile von
Genua Ihre Partei ergreifen und zu Fieskischen Fahnen schwören-Zibo.
Und durch mich schickt Ihnen Verrina vom Admiralschiff seinen Gruß
und die Herrschaft über Hafen und Meer-Zenturione.  Und durch mich
der Gouverneur der Stadt seinen Commandostab und die Schlüssel-Sacco.
Und in mir wirft sich (indem er niederfällt) der große und kleine
Rath der Republik knieend vor seinen Herrn und bittet fußfällig um
Gnade und Schonung-Calcagno.  Mich laßt den Ersten sein, der den
großen Sieger in seinen Mauern willkommen heißt--Heil Ihnen--Senket
die Fahnen tief!--Herzog von Genua!

Alle (nehmen die Hüte ab).  Heil, Heil dem Herzog von Genua!
(Fahnenmarsch.)

Fiesco (stand die ganze Zeit über, den Kopf auf die Brust gesunken,
in einer denkenden Stellung.)

Calcagno.  Volk und Senat stehen wartend, ihren gnädigen Oberherrn im
Fürstenornat zu begrüßen--Erlauben Sie uns, durchlauchtigster Herzog,
Sie im Triumph nach der Signoria zu führen.

Fiesco.  Erlaubt mir erst, daß ich mit meinem Herzen mich
abfinde--Ich mußte eine gewisse theure Person in banger Ahnung
zurücklassen, eine Person, die die Glorie dieser Nacht mit mir
theilen wird.  (Gerührt zur Gesellschaft.) Habt die Güte und
begleitet mich zu eurer liebenswürdigen Herzogin!  (Er will
aufbrechen.)

Calcagno.  Soll der meuchelmörderische Bube hier liegen und seine
Schande in diesem Winkel verhehlen?

Zenturione.  Steckt seinen Kopf auf eine Hellebarde!

Zibo.  Laßt seinen zerrissenen Rumpf unser Pflaster kehren.  (Man
leuchtet gegen den Leichnam.)

Calcagno (erschrocken und etwas leise).  Schaut her, Genueser!  Das
ist bei Gott kein Gianettinogesicht.  (Alle sehen starr auf die
Leiche.)

Fiesco (hält still, wirft von der Seite einen forschenden Blick
darauf, den er starr und langsam unter Verzerrungen zurückzieht).
Nein, Teufel--Nein, das ist kein Gianettinogesicht, hämischer Teufel!
(Die Augen herumgerollt.) Genua mein, sagt ihr? Mein--(Hinauswüthend
in einem gräßlichen Schrei.) Spiegelfechterei der Hölle! Es ist mein
Weib! (Sinkt durchdonnert zu Boden. Verschworne stehen in todter Pause
und schauervollen Gruppen.)

Fiesco (matt aufgerichtet mit dumpfer Stimme).  Hab' ich mein Weib
ermordet, Genueser?--Ich beschwöre euch, schielt nicht so
geisterbleich auf dieses Spiel der Natur--Gott sei gelobt!  Es gibt
Schicksale, die der Mensch nicht zu fürchten hat, weil er nur Mensch
ist.  Wem Götterwollust versagt ist, wird keine Teufelqual
zugemuthet--Diese Verirrung wäre etwas mehr.  (Mit schrecklicher
Beruhigung.) Genueser, Gott sei Dank!  Es kann nicht sein.



Dreizehnter Auftritt


Vorige.  Arabella kommt jammernd.

Arabella.  Mögen sie mich umbringen, was hab' ich auch jetzt noch zu
verlieren?--Habt Erbarmen, ihr Männer--Hier verließ ich meine gnädige
Frau, und nirgends find' ich sie wieder.

Fiesco (tritt ihr näher mit leiser bebender Stimme).  Leonore heißt
deine gnädige Frau?

Arabella (froh).  O daß Sie da sind, mein liebster, guter, gnädiger
Herr!--Zürnen Sie nicht über uns, wir konnten sie nicht mehr
zurückhalten.

Fiesco (zürnt sie dumpfig an).  Du Verhaßte! von was nicht?

Arabella.  Daß sie nicht nachsprang-Fiesco (heftiger).  Schweig!
wohin sprang?

Arabella.  Ins Gedränge-Fiesco (wüthend).  Daß deine Zunge zum
Krokodil würde--Ihre Kleider?

Arabella.  Ein scharlachner Mantel-Fiesco (rasend gegen sie taumelnd).
Geh in den neunten Kreis der Hölle!--der Mantel?

Arabella. Lag hier am Boden-Einige Verschworne (murmelnd). Gianettino
ward hier ermordet-Fiesco (todesmatt zurückwankend zu Arabella). Deine
Frau ist gefunden. (Arabella geht angstvoll. Fiesco sucht mit
verdrehten Augen im ganzen Kreis herum, darauf mit leiser, schwebender
Stimme, die stufenweis bis zum Toben steigt.) Wahr ist's--wahr--und
ich das Stichblatt des unendlichen Bubenstücks. (Viehisch um sich
hauend.) Tretet zurück, ihr menschlichen Gesichter--Ah, (mit frechem
Zähnblecken gen Himmel) hätt' ich nur seinen Weltbau zwischen diesen
Zähnen--Ich fühle mich aufgelegt, die ganze Natur in ein grinsendes
Scheusal zu zerkratzen, bis sie aussieht wie mein Schmerz--(Zu den
Andern, die bebend herumstehen.) Mensch!--wie es jetzt dasteht, das
erbärmliche Geschlecht, sich segnet und selig preist, daß es nicht ist
wie ich--Nicht wie ich! (In hohles Beben hinabgefallen.) Ich allein
habe den Streich--(Rascher, wilder.) Ich? Warum ich? Warum nicht mit
mir auch diese? Warum soll sich mein Schmerz am Schmerz eines
Mitgeschöpfs nicht stumpf reiben dürfen?

Calcagno (furchtsam).  Mein theurer Herzog-Fiesco (dringt auf ihn ein
mit gräßlicher Freude).  Ah, willkommen!  Hier, Gott sei Dank! ist
Einer, den auch dieser Donner quetschte!  (Indem er den Calcagno
wüthend in seine Arme drückt.) Bruder Zerschmettert!  Wohl bekomm die
Verdammniß!  Sie ist todt!  Du hat sie auch geliebt!  (Er zwingt ihn
an den Leichnam und drückt ihm den Kopf dagegen.) Verzweifle!  Sie
ist todt!  (Den stieren Blick in einen Winkel geheftet.) Ah, daß ich
stünde am Thor der Verdammniß, hinunterschauen dürfte mein Aug auf
die mancherlei Folterschrauben der sinnreichen Hölle, saugen mein Ohr
zerknirschter Sünder Gewinsel--Könnt' ich sie sehen, meine Qual, wer
weiß, ich trüge sie vielleicht?  (Mit Schauern zur Leiche gehend.)
Mein Weib liegt hier ermordet--Nein, das will wenig sagen
(Nachdrücklicher.) Ich, der Bube, habe mein Weib ermordet--O pfui, so
etwas kann die Hölle kaum kitzeln--Erst wirbelt sie mich künstlich
auf der Freude letztes glättestes Schwindeldach, schwätzt mich bis an
die Schwelle des Himmels--und dann hinunter--dann--o könnte mein Odem
die Pest unter Seelen blasen--dann--dann ermord' ich mein Weib--Nein,
ihr Witz ist noch feiner--dann übereilen sich (verächtlich) zwei
Augen, und (mir schrecklichem Nachdruck) ich--ermorde--mein Weib!
(Beißend lächelnd.) Das ist das Meisterstück!

(Alle Verschwornen hängen gerührt an ihren Waffen.  Einige wischen
Thränen aus den Augen.  Pause.)

Fiesco (erschöpft und stiller, indem er im Zirkel herumblickt).
Schluchzt hier Jemand?--Ja, bei Gott, die einen Fürsten würgten,
weinen.  (In stillen Schmerz geschmolzen.) Redet!  Weint ihr über
diesen Hochverrath des Todes, oder weint ihr über meines Geistes
Memmenfall?  (In ernster, rührender Stellung vor der Todten
verweilend.) Wo in warme Thränen felsenharte Mörder schmelzen, flucht
Fiescos Verzweiflung!  (Sinkt weinend an ihr nieder.) Leonore,
vergib--Reue zürnt man dem Himmel nicht ab!  (Weich mit Wehmuth.)
Jahre voraus, Leonore, genoß ich das Fest jener Stunde, wo ich den
Genuesern ihre Herzogin brächte--Wie lieblich verschämt sah ich schon
deine Wangen erröthen, deinen Busen wie fürstlich schön unter dem
Silberflor schwellen, wie angenehm deine lispelnde Stimme der
Entzückung versagen (Lebhafter.) Ha! wie berauschend wallte mir schon
der stolze Zuruf zu Ohren, wie spiegelte sich meiner Liebe Triumph im
versinkenden Neide!--Leonore--die Stund' ist gekommen--Genuas Herzog
ist dein Fiesco--und Genuas schlechtester Bettler besinnt sich, seine
Verachtung an meine Qual und meinen Scharlach zu tauschen--(Rührender.)
Eine Gattin theilt seinen Gram--mit wem kann ich meine Herrlichkeit
theilen?  (Er weint heftiger und verbirgt sein Gesicht an der Leiche.
Rührung auf allen Gesichtern.)

Calcagno.  Es war eine treffliche Dame.

Zibo.  Daß man doch ja den Trauerfall dem Volk noch verschweige.  Er
nähme den Unsrigen den Muth und gäb' ihn den Feinden.

Fiesco (steht gefaßt und fest auf).  Höret, Genueser!--die Vorsehung,
versteh' ich ihren Wink, schlug mir diese Wunde nur, mein Herz für
die nahe Größe zu prüfen.--Es war die gewagteste Probe--jetzt fürcht'
ich weder Qual, noch Entzücken mehr.  Kommt!  Genua erwarte mich,
sagt ihr?--Ich will Genua einen Fürsten schenken, wie ihn noch kein
Europäer sah--Kommt!--dieser unglücklichen Fürstin will ich eine
Todtenfeier halten, daß das Leben seine Anbeter verlieren und die
Verwesung wie eine Braut glänzen soll--Jetzt folgt eurem Herzog!
(Gehen ab unter Fahnenmarsch.)



Vierzehnter Auftritt


Andreas Doria.  Lomellin.

Andreas.  Dort jauchzen sie hin.

Lomellin.  Ihr Glück hat sie berauscht.  Die Thore sind bloßgegeben.
Der Signoria wälzt sich Alles zu.

Andreas.  Nur an meinem Neffen scheute das Roß.  Mein Neffe ist todt.
Hören Sie, Lomellin-Lomellin.  Was? noch? noch hoffen Sie, Herzog?

Andreas (ernst).  Zittre du für dein Leben, weil du mich Herzog
spottest, wenn ich auch nicht einmal hoffen darf.

Lomellin.  Gnädigster Herr--eine brausende Nation liegt in der Schale
Fiescos--Was in der Ihrigen?

Andreas (groß und warm).  Der Himmel!

Lomellin (hämisch die Achsel zuckend).  Seitdem das Pulver erfunden
ist, campieren die Engel nicht mehr.

Andreas.  Erbärmlicher Affe, der einem verzweifelnden Graukopf seinen
Gott noch nimmt!  (Ernst und gebietend.) Geh! mache bekannt, daß
Andreas noch lebe--Andreas, sagst du, ersuche seine Kinder, ihn doch
in seinem achtzigsten Jahre nicht zu den Ausländern zu jagen, die dem
Andreas den Flor seines Vaterlandes niemals verzeihen würden.  Sag'
ihnen das, und Andreas ersuche seine Kinder um so viel Erde in seinem
Vaterland für so viel Gebeine.

Lomellin.  Ich gehorsame, aber verzweifle.  (Will gehen.)

Andreas.  Höre! und nimm diese eisgraue Haarlocke mit--Sie war die
letzte, sagst du, auf meinem Haupt und ging los in der dritten
Jännernacht, als Genua losriß von meinem Herzen und habe achtzig
Jahre gehalten und habe den Kahlkopf verlassen im achtzigsten
Jahre--die Haarlocke ist mürbe! aber doch stark genug, dem schlanken
Jüngling den Purpur zu knüpfen (Er geht ab mit verhülltem Gesicht.
Lomellin eilt in eine entgegengesetzte Gasse.  Man hört ein
tumultuarisches Freudengeschrei unter Trompeten und Pauken.)



Fünfzehnter Auftritt


Verrina vom Hafen.  Bertha und Bourgognino.

Verrina.  Man jauchzt.  Wem gilt das?

Bourgognino.  Sie werden den Fiesco zum Herzog ausrufen.

Bertha (schmiegt sich ängstlich an Bourgognino).  Mein Vater ist
fürchterlich, Scipio!

Verrina.  Laßt mich allein, Kinder--O Genua!  Genua!

Bourgognino.  Der Pöbel vergöttert ihn und forderte wiehernd den
Purpur.  Der Adel sah mit Entsetzen zu und durfte nicht Nein sagen.

Verrina.  Mein Sohn, ich hab' alle meine Habseligkeiten zu Gold
gemacht und auf dein Schiff bringen lassen.  Nimm deine Frau und
stich unverzüglich in See.  Vielleicht werd' ich nachkommen.
Vielleicht--nicht mehr.  Ihr segelt nach Marseille, und (schwer und
gepreßt sie umarmend)--Gott geleit' euch!  (Schnell ab.)

Bertha.  Um Gotteswillen!  Worüber brütet mein Vater?

Bourgognino.  Verstandst du den Vater?

Bertha.  Fliehen, o Gott!  Fliehen in der Brautnacht!

Bourgognino.  So sprach er--und wir gehorchen.  (Beide gehen nach dem
Hafen.)



Sechzehnter Auftritt


Verrina.  Fiesco im herzoglichen Schmuck.  (Beide treffen auf
einander.)

Fiesco.  Verrina!  Erwünscht.  Eben war und aus, dich zu suchen.

Verrina.  Das war auch mein Gang.

Fiesco.  Merkt Verrina keine Veränderung an seinem Freunde?

Verrina (zurückhaltend).  Ich wünsche keine.

Fiesco.  Aber siehst du auch keine?

Verrina (ohne ihn anzusehen).  Ich hoffe, nein!

Fiesco.  Ich frage, findest du keine!

Verrina (nach einem flüchtigen Blick).  Ich finde keine.

Fiesco.  Nun, siehst du, so muß es doch wahr sein, daß die Gewalt
nicht Tyrannen macht.  Seit wir uns Beide verließen, bin ich Genuas
Herzog geworden, und Verrina (indem er ihn an die Brust drückt)
findet meine Umarmung noch feurig wie sonst.

Verrina.  Desto schlimmer, daß ich sie frostig erwiedern muß; der
Anblick der Majestät fällt wie ein schneidendes Messer zwischen mich
und den Herzog!  Johann Ludwig Fiesco besaß Länder in meinem
Herzen--jetzt hat er Genua erobert, und ich nehme mein Eigenthum
zurück.

Fiesco (betreten).  Das wolle Gott nicht!  Für ein Herzogthum wäre
der Preis zu jüdisch.

Verrina (murmelt düster).  Hum!  Ist denn etwa die Freiheit in der
Mode gesunken, daß man dem Ersten dem Besten Republiken um ein
Schandengeld nachwirft.

Fiesco (beißt die Lippen zusammen).  Das sag du Niemand, als dem
Fiesco.

Verrina.  O natürlich!  Ein vorzüglicher Kopf muß es immer sein, von
dem die Wahrheit ohne Ohrfeige wegkommt--Aber Schade! der
verschlagene Spieler hat's nur in einer Karte versehen.  Er
calculierte das ganze Spiel des Neides, aber der raffinierte Witzling
ließ zum Unglück die Patrioten aus.  (Sehr bedeutend.) Hat der
Unterdrücker der Freiheit auch einen Kniff auf die Züge der römischen
Tugend zurückbehalten?  Ich schwör' es beim lebendigen Gott, eh die
Nachwelt meine Gebeine aus dem Kirchhof eines Herzogthums gräbt, soll
sie sie auf dem Rade zusammenlesen!
                
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