This book content was graciously contributed by the Gutenberg
Projekt-DE. That project is reachable at the web site
http://gutenberg2000.de.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur
Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg2000.de erreichbar.
Friedrich Schiller
Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
Ein republikanisches Trauerspiel.
Nam id facinus inprimis ego memorabile existimo sceleris atque
periculi novitate. Sallust vom Catilina.
Vorrede. Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus
des Cardinals von Retz Conjuration du Comte Jean Louis de Fiesque,
der Histoire des Conjurations, Histoire de Gènes und Robertsons
Geschichte Karls V.--dem dritten Theil--gezogen. Freiheiten, welche
ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische
Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das
nicht, so will ich doch lieber meine Phantasieen als Facta verdorben
haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch
einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht,
mußte durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den
Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es
sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in
diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben
dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten
Spinneweben einer That durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen
und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und
Vergangenheit anhängen--wo der Mensch nichts, als das in freien
Lüften schwebende Factum sieht. Aber der Künstler wählt für das
kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die
scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.
Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung
zum Vorwurf genommen.--Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer
der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche
Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es
doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist,
daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der
politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in
welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu
sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige
Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung
herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem
menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das
menschliche Herz wieder anzuknüpfen--den Mann durch den staatsklugen
Kopf zu verwickeln--und von der erfindrischen Intrigue Situationen
für die Menschheit zu entlehnen--das stand bei mir. Mein Verhältniß
mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter,
als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu
einer poetischen Tugend geworden.
Personen des Stücks.
Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren.
Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.
Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren.
Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz.
Die Bildung zerrissen.
(Beide Doria tragen Scharlach)
Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker,
blühend-schöner Mann von 23 Jahren--stolz mit Anstand--freundlich
mit Majestät--höflich-geschmeidig und eben so tückisch.
(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)
Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer,
ernst und düster. Tiefe Züge.
Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und
angenehm. Stolz, rasch und natürlich.
Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung
gefällig und unternehmend.
Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.
Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.
Zenturione, Zibo, Asserato, Mißvergnügte.
Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.
Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die
Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.
Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste
Tapferkeit.
Drei aufrührerische Bürger.
Leonore, Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig.
Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im
Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.
Julia, Gräfin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren.
Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch
Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser
moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.
Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.
Rosa, Arabella, Leonorens Kammermädchen.
Mehrere Nobili, Bürger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.
Der Schauplatz Genua.--Die Zeit 1547.
Erster Aufzug
Saal bei Fiesco
Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.
Erster Auftritt.
Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.
Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist
am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.
Arabella. Gnädige Frau-Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine
stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua!
(Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.
Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war--eine
Galanterie-Leonore. Galanterie?--und das emsige Wechselspiel ihrer
Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende
Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im
flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung,
worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär' um
ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen
Leeren? Galanterie?--gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite
mir nicht über Galanterie und Liebe.
Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen
Cicisbeo Profit machen.
Leonore. Verlieren?--ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung
und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin--komm mir nie wieder
vor die Augen!--eine unschuldige Neckerei--vielleicht eine
Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?
Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!
Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich
wüßte?--daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt
läge?--ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur?--Was ist das? wo
gerath' ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre,
als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild--nur ihr Bild gestochen
ist?--daß er sie liebte?--Julien! O deinen Arm her--halte mich,
Bella!
(Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)
Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die
aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im
Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias
bäurische Stimme.
Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.
Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst--ich lese in euren
Augen--in den Gesichtern der Genueser ein Etwas--ein Etwas. (Sich
verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr
einer Gattin taugt.
Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!
Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war--dahertrat
im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender
Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und
herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige
Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen
diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub
ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella!
wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der
ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der
Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen
pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.
Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in
Aufruhr um diese schöne Eroberung.
Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes,
entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann, (mit Anmuth) der
vollendet sprach aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle
Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband--Höret,
Mädchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen!--Höret, Mädchen,
ich vertraue euch etwas, (geheimnißvoll) einen Gedanken--als ich am
Altar stand neben Fiesco--seine Hand in meine Hand gelegt--hatt' ich
den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist--dieser Fiesco,
dessen Hand jetzt in der deinigen liegt--dein Fiesco--aber still! daß
kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner
Vortrefflichkeit brüsten--dieser dein Fiesco--Weh euch, wenn das
Gefühl euch nicht höher wirft!--wird--uns Genua von seinen Tyrannen
erlösen!
Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am
Brauttag?
Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags!
(Lebhafter.) Ich bin ein Weib--aber ich fühle den Adel meines Bluts,
kann es nicht dulden, daß dieses Haus Doria über unsre Ahnen
hinauswachsen will. Jener sanftmüthige Andreas--es ist eine Wollust,
ihm gut zu sein--mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino
ist sein Neffe--sein Erbe--und Gianettino hat ein freches,
hochmüthiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth
hinabgefallen) Fiesco--weinet um mich--liebt seine Schwester.
Arabella. Arme, unglückliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet
diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und
Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen
Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen--das ist Fiesco!--Ach,
Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden--auch ich meinen
Gemahl!
Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.
Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein
Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt
in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)
Zweiter Auftritt
Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im
Gespräch.
Gianettino. Du hast mich verstanden.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Die weiße Maske.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Ich sage--die weiße Maske!
Mohr. Wohl! wohl! wohl!
Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend)
hieher verfehlen.
Mohr. Seid unbekümmert.
Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!
Mohr. Er soll zufrieden sein.
Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht
Mohr. Um Vergebung--wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht
fallen?
Gianettino. Hundert Zechinen schwer.
Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!
Gianettino. Was brummst du da?
Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.
Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet.
Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn
ja recht.
Mohr. Aber, Herr--ich muß flugs auf die That nach Venedig.
Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.)
In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.)
Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit!
Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)
Dritter Auftritt
Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.
Calcagno. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.
Sacco. Und ich beobachte, daß die mir alle verbirgst. Höre,
Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das
nicht geradezu just dem Vaterland gilt.--Ich dächte, Bruder, wir
Beide könnten schon Geheimniß gegen Geheimniß tauschen, und am Ende
hätte Keiner beim Schleichhandel verloren--Wirst du aufrichtig sein?
Calcagno. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine
Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge
entgegen kommen soll--Ich liebe die Gräfin Fiesco.
Sacco (tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt' ich nicht
entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren
lassen--Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um
ihn geschehen, wenn sie glückt.
Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.
Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten
Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz
auf-Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die
abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den Grafen
in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun
den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen
Hühnerstall fallen.
Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du
plötzlich des Rothwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt
habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn
die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.
Calcagno. Sind deine Schulden so groß?
Sacco. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am
ersten Zehentheil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir
Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft,
soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.
Calcagno. Ich verstehe--und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit
frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir
Einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der
Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das
Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns
Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Körpers
durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet--Weiß Verrina um deinen
Anschlag?
Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du
selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer
eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug.
Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.
Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen
und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)
Vierter Auftritt
Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.
Julia. Lakaien! Läufer!
Fiesco. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie?
Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll
vorfahren.
Fiesco. Sie erlauben--er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.
Julia. Pah! doch wohl das nicht--Weg! Sie zerren mir ja die
Garnierung in Stücken--Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen
kann? So gehen Sie doch.
Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen.
-Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön!
sehenswürdig! Rufe doch Jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem
reizenden Schauspiel!--Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese
Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie
im Kalender ihrer Liebkosungen blättert und einen Bruch in der
Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie
wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die
Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbüßen?
Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?
Julia. Aufzubrechen--den Sessel zurückzustoßen--der Tafel den Rücken
zu kehren--der Tafel, Graf! an der ich sitze.
Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.
Julia. Und mehr ist es nicht?--Über die Fratze! und ist es denn
meine Schuld, (sich belächelnd) daß der Graf seine Augen hat?
Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht
überall hat.
Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich
fordre Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern
des Herzogs?
Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der
Eifersucht abbittet.
Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor
einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache
für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den
meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco?--ob sich die Gräfin von
Lavagna nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre
Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre
Hand zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so
fände.
Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen!--Ich weiß
es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte.
Meine Vernunft heißt mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias
beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin
ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die
Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne
der Majestät anzufliegen.
Julia. Eine große, große, gräfliche Lüge, die auf Stelzen
heranhinkt--Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem
Schattenriß einer Andern.
Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will
ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem
himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert.)
Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen
zerstören.
Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer,
bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige
um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)
Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen
Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der
Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla!
(Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar,
Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf,
tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg--Allgemein
sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in
polternde Trümmer!
(Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang
aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin
viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk--und Spieltische von Gästen
besetzt.)
Fünfter Auftritt
Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina.
Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.
Gianettino (lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich,
unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh Einer von euch, streu'
es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich
thun--Bei meiner Geburt! sie werden den Tag roth im Kalender zeichnen
und drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.
Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)
Gianettino (wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die
Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um
Gianettino.)
Lomellin (führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir
neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche
begegnete?
Gianettino. Das hab' ich auch, Bursche, und muß ihre Bekanntschaft
haben.
Lomellin. Die kann ich Eurer Gnaden verschaffen.
Gianettino (rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich
neulich zur Procuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.
Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn
sechzig Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener,
als Euer Gnaden unterthäniger Diener.
Gianettino (schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! Du sollst
Procurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in Genua?
Laß sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale schmeißen,
was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart meines Onkels,
Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du
sollst Procurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.
Lomellin (leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines
gewissen Verrina.
Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! muß ich
sie brauchen.
Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigsten
Republikaners!
Gianettino. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines
Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtthurm muß
einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Drei schwarze
Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog Andreas
seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, daß
sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner
und Doria! diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will
über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem sich
ihre genuesische Freiheit zu Tod zappeln soll. (Die drei Masken treten
zurück.)
Lomellin. Das Mädchen ist eben jetzt allein. Ihr Vater ist hier und
eine von den drei Masken.
Gianettino. Erwünscht, Lomellin. Gleich bringe mich zu ihr.
Lomellin. Aber Sie werden eine Buhlerin suchen und eine Empfindlerin
finden.
Gianettino. Gewalt ist die beste Beredsamkeit. Führe mich alsobald
hin; den republikanischen Hund will ich sehen, der am Bären Doria
hinaufspringt. (Fiesco begegnet ihm an der Thür.) Wo ist die Gräfin?
Sechster Auftritt
Vorige. Fiesco.
Fiesco. Ich habe sie in den Wagen gehoben. (Er faßt Gianettinos
Hand und hält sie gegen seine Brust.) Prinz, ich bin jetzt doppelt in
Ihren Banden. Gianettino herrscht über meinen Kopf und Genua; über
mein Herz Ihre liebenswürdige Schwester.
Lomellin. Fiesco ist ganz Epikuräer worden. Die große Welt hat viel
an Ihnen verloren.
Fiesco. Aber Fiesco nichts an der großen Welt. Leben heißt träumen;
weise sein, Lomellin, heißt angenehm träumen. Kann man das besser
unter den Donnern des Throns, wo die Räder der Regierung ewig ins
gellende Ohr krachen, als am Busen eines schmachtenden Weibs?
Gianettino Doria mag über Genua herrschen. Fiesco wird lieben.
Gianettino. Brich auf, Lomellin! Es wird Mitternacht. Die Zeit
rückt heran. Lavagna, wir danken für deine Bewirtung. Ich war
zufrieden.
Fiesco. Das ist alles, was ich wünschen kann, Prinz.
Gianettino. Also gute Nacht. Morgen ist Spiel bei Doria, und Fiesco
ist eingeladen. Komm, Procurator.
Fiesco. Musik! Lichter!
Gianettino (trotzig durch die drei Masken). Platz dem Namen des
Herzogs.
Eine von den drei Masken (murmelt unwillig). In der Hölle! Niemals
in Genua!
Gäste (in Bewegung). Der Prinz bricht auf. Gute Nacht, Lavagna!
(Taumeln hinaus.)
Siebenter Auftritt
Die drei schwarzen Masken. Fiesco. Pause.
Fiesco. Ich werde hier Gäste gewahr, die die Freuden meines Festes
nicht theilen.
Masken (murmeln verdrießlich durcheinander). Nicht Einer.
Fiesco (verbindlich). Sollte mein guter Wille einen Genueser
mißvergnügt weglassen? Hurtig, Lakaien! man soll den Ball erneuern
und die großen Pokale füllen. Ich wollte nicht, daß Jemand hier
Langeweile hätte. Darf ich Ihre Augen mit Feuerwerken ergötzen?
Wollen Sie die Künste meines Harlekins hören? Vielleicht finden Sie
bei meinem Frauenzimmer Zerstreuung? Oder wollen wir uns zum Pharao
setzen und die Zeit mit Spielen betrügen?
Eine Maske. Wir sind gewohnt, die mit Thaten zu bezahlen!
Fiesco. Eine männliche Antwort, und--das ist Verrina.
Verrina (nimmt die Maske ab). Fiesco findet seine Freunde
geschwinder in ihren Masken, als sie ihn in der seinigen.
Fiesco. Ich verstehe das nicht. Aber was soll der Trauerflor an
deinem Arm? Sollte Verrina Jemand begraben haben und Fiesco nichts
darum wissen?
Verrina. Trauerpost taugt nicht für Fiescos lustige Feste.
Fiesco. Doch, wenn ein Freund ihn auffordert. (Drückt seine Hand
mit Wärme.) Freund meiner Seele! wer ist uns Beiden gestorben?
Verrina. Beiden! Beiden! O allzuwahr!--Aber nicht alle Söhne
trauern um ihre Mutter.
Fiesco. Deine Mutter ist lange vermodert.
Verrina (bedeutend). Ich besinne mich, daß Fiesco mich Bruder nannte,
weil ich der Sohn seines Vaterlands war.
Fiesco (scherzhaft). Ah! ist es das? Also auf einen Spaß war es
abgezielt? Trauerkleider um Genua! und es ist wahr, Genua liegt
wirklich in letzten Zügen. Der Gedanke ist einzig und neu. Unser
Vetter fängt an, ein witziger Kopf zu werden!
Calcagno. Er hat es ernsthaft gesagt, Fiesco!
Fiesco. Freilich! freilich! Das war's eben. So trocken weg und so
weinerlich. Der Spaß verliert Alles, wenn der Spaßmacher selber
lacht. Mit einer wahren Leichenbittersmiene! Hätt' ich's je gedacht,
daß der finstre Verrina in seinen alten Tagen noch ein so lustiger
Vogel würde!
Sacco. Verrina, komm! Er ist nimmermehr unser.
Fiesco. Aber lustig weg, Landsmann. Laß uns aussehen wie listige
Erben, die heulend hinter der Bahre gehen und desto lauter ins
Schnupftuch lachen. Doch dürften wir dafür eine harte Stiefmutter
kriegen. Sei's drum, wir lassen sie keifen, und schmausen.
Verrina (heftig bewegt). Himmel und Erde! und thun nichts?--Wo bist
du hingekommen, Fiesco? Wo soll ich den großen Tyrannenhasser
erfragen? Ich weiß eine Zeit, wo du beim Anblick einer Krone Gichter
bekommen hättest.--Gesunkener Sohn der Republik! du wirst's
verantworten, daß ich keinen Heller um meine Unsterblichkeit gebe,
wenn die Zeit auch Geister abnützen kann.
Fiesco. Du bist der ewige Grillenfänger. Mag er Genua in die Tasche
stecken und einem Kaper von Tunis verschachern, was kümmert's uns?
Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen.
Verrina (blickt ihn ernst an). Ist das deine wahre, ernstliche
Meinung?
Fiesco. Warum nicht, Freund? Ist es denn eine Wollust, der Fuß des
trägen, vielbeinigen Thiers Republik zu sein? Dank' es Dem, der ihm
Flügel gibt und die Füße ihrer Ämter entsetzt. Gianettino Doria
wird Herzog. Staatsgeschäfte werden uns keine grauen Haare mehr
machen.
Verrina. Fiesco?--ist das deine wahre, ernstliche Meinung?
Fiesco. Andreas erklärt seinen Neffen zum Sohn und Erben seiner
Güter, wer wird der Thor sein, ihm das Erbe seiner Macht abzustreiten?
Verrina (mit äußerstem Unmut). So kommt, Genueser! (Er verläßt den
Fiesco schnell, die Andern folgen.)
Fiesco. Verrina!--Verrina!--dieser Republikaner ist hart wie Stahl!--
Achter Auftritt
Fiesco. Eine unbekannte Maske.
Maske. Haben Sie eine Minute übrig, Lavagna?
Fiesco (zuvorkommend). Für Sie eine Stunde!
Maske. So haben Sie die Gnade, einen Gang mit mir vor die Stadt zu
thun.
Fiesco. Es ist funfzig Minuten auf Mitternacht.
Maske. Sie haben die Gnade, Graf.
Fiesco. Ich werde anspannen lassen.
Maske. Das ist nicht nöthig. Ich schicke ein Pferd voraus. Mehr
braucht es nicht, denn ich hoffe, es soll nur Einer zurückkommen.
Fiesco (betreten). Und?
Maske. Man wird Ihnen auf eine gewisse Thräne eine blutige Antwort
abfordern.
Fiesco. Diese Thräne?
Maske. Einer gewissen Gräfin von Lavagna. Ich kenne diese Dame sehr
gut und will wissen, womit sie verdient hat, das Opfer einer Närrin
zu werden?
Fiesco. Jetzt verstehe ich Sie. Darf ich den Namen dieses seltsamen
Aufforderers wissen?
Maske. Es ist der nämliche, der das Fräulein von Zibo einst anbetete
und vor dem Bräutigam Fiesco zurück trat.
Fiesco. Scipio Bourgognino!
Bourgognino (nimmt die Maske ab). Und der jetzt da ist, seine Ehre
zu lösen, die einem Nebenbuhler wich, der klein genug denkt, die
Sanftmuth zu quälen.
Fiesco (umarmt ihn mit Feuer). Edler junger Mann! Gedankt sei's dem
Leiden meiner Gemahlin, das mir eine so werthe Bekanntschaft macht.
Ich fühle die Schönheit Ihres Unwillens, aber ich schlage mich nicht.
Bourgognino (einen Schritt zurück). Der Graf von Lavagna wäre zu
feig, sich gegen die Erstlinge meines Schwertes zu wagen?
Fiesco. Bourgognino! gegen die ganze Macht Frankreichs, aber nicht
gegen Sie! Ich ehre dieses liebe Feuer für einen lieberen Gegenstand.
Einen Lorbeer verdient der Wille, aber die That wäre kindisch.
Bourgognino (erregt). Kindisch! Graf? Das Frauenzimmer kann über
Mißhandlung nur weinen--wofür ist der Mann da?
Fiesco. Ungemein gut gesagt, aber ich schlage mich nicht.
Bourgognino (dreht ihm den Rücken, will gehen). Ich werde Sie
verachten.
Fiesco (lebhaft). Bei Gott, Jüngling! das wirst du nie, und wenn die
Tugend im Preis fallen sollte. (Faßt ihn bedächtlich bei der Hand.)
haben Sie jemals etwas gegen mich gefühlt, das man--wie soll ich
sagen?--Ehrfurcht nennt?
Bourgognino. Wär' ich einem Mann gewichen, den ich nicht für den
ersten der Menschen erklärte?
Fiesco. Also, mein Freund! einen Mann, der einst meine Ehrfurcht
verdiente, würde ich--etwas langsam verachten lernen. Ich dächte doch,
das Gewebe eines Meisters sollte künstlicher sein, als dem flüchtigen
Anfänger so geradezu in die Augen zu springen--Gehen Sie heim,
Bourgognino, und nehmen Sie sich Zeit, zu überlegen, warum Fiesco so
und nicht anders handelt. (Bourgognino geht stillschweigend ab.) Fahr
hin, edler Jüngling! Wenn diese Flammen ins Vaterland schlagen, mögen
die Doria fest stehen.
Neunter Auftritt
Fiesco. Der Mohr tritt schüchtern herein und sieht sich überall
sorgfältig um.
Fiesco (faßt ihn scharf und lang ins Auge). Was willst du, und wer
bist du?
Mohr (wie oben). Ein Sklave der Republik.
Fiesco. Sklaverei ist ein elendes Handwerk. (Immer ein scharfes Aug
auf ihn.) Was suchst du?
Mohr. Herr, ich bin ein ehrlicher Mann.
Fiesco. Häng' immer diesen Schild vor dein Gesicht hinaus, das wird
nicht überflüssig sein--aber was suchst du?
Mohr (sucht ihm näher zu kommen, Fiesco weicht aus). Herr, ich bin
kein Spitzbube.
Fiesco. Es ist gut, daß du das beifügst, und--doch wieder nicht gut.
(Ungeduldig.) Aber was suchst du?
Mohr (rückt wieder näher). Seid Ihr der Graf Lavagna?
Fiesco (stolz). Die Blinden in Genua kennen meinen Tritt.--Was soll
dir der Graf?
Mohr. Seid auf Eurer Hut, Lavagna. (Hart an ihn.)
Fiesco (springt auf die andere Seite). Das bin ich wirklich.
Mohr (wie oben). Man hat nichts Guts gegen Euch vor, Lavagna.
Fiesco (retiriert sich wieder). Das seh' ich.
Mohr. Hütet Euch vor dem Doria.
Fiesco (tritt ihm vertraut näher). Freund! sollt' ich dir doch wohl
Unrecht getan haben? Diesen Namen fürchte ich wirklich.
Mohr. So flieht vor dem Mann. Könnt Ihr lesen?
Fiesco. Eine kurzweilige Frage. Du bist bei manchem Cavalier
herumgekommen. Hast du was Schriftliches?
Mohr. Euren Namen bei armen Sündern. (Er reicht ihm einen Zettel
und nistet sich hart an ihn. Fiesco tritt vor einen Spiegel und
schielt über das Papier. Der Mohr geht lauernd um ihn herum, endlich
zieht er den Dolch und will stoßen.)
Fiesco (dreht sich geschickt und fährt nach dem Arm des Mohren).
Sachte, Canaille! (Entreißt ihm den Dolch.)
Mohr (stampft wild auf den Boden). Teufel--Bitt' um Vergebung.
(Will sich abführen.)
Fiesco (packt ihn, mit starker Stimme). Stephano! Drullo! Antonio!
(Den Mohren an der Gurgel.) Bleib, guter Freund! Höllische Büberei!
(Bediente.) Bleib und antworte! Du hast schlechte Arbeit gemacht;
an wen hast du dein Taglohn zu fordern?
Mohr (nach vielen vergeblichen Versuchen, sich wegzustehlen,
entschlossen). Man kann mich nicht höher hängen, als der Galgen ist.
Fiesco. Nein, tröste dich! Nicht an die Hörner des Monds, aber doch
hoch genug, daß du den Galgen für einen Zahnstocher ansehen sollst.
Doch deine Wahl war zu staatsklug, als daß ich sie deinem Mutterwitz
zutrauen sollte. Sprich also, wer hat dich gedungen?
Mohr. Herr, einen Schurken könnt ihr mich schimpfen, aber den
Dummkopf verbitt' ich.
Fiesco. Ist die Bestie stolz. Bestie, sprich, wer hat dich gedungen?
Mohr (nachdenkend). Hum! so wär' ich doch nicht allein der Narr!
--wer mich gedungen hat?--und waren's doch nur hundert magre Zechinen!
--Wer mich gedungen hat?--Prinz Gianettino.
Fiesco (erbittert auf und nieder). Hundert Zechinen und nicht mehr
für des Fiesco Kopf. (Hämisch.) Schäme dich, Kronprinz von Genua.
(Noch einer Schatulle eilend.) Hier, Bursche, sind tausend, und sag
deinem Herrn--er sei ein knickiger Mörder!
(Mohr betrachtet ihn vom Fuß bis zum Wirbel.)
Fiesco. Du besinnst dich, Bursche?
Mohr (nimmt das Geld, setzt es nieder, nimmt es wieder und besieht
ihn mit immer steigendem Erstaunen).
Fiesco. Was machst, Bursche?
Mohr (wirft das Geld entschlossen auf den Tisch). Herr--das Geld
hab' ich nicht verdient.
Fiesco. Schafskopf von einem Jauner! den Galgen hast du verdient.
Der entrüstete Elephant zertritt Menschen, aber nicht Würmer. Dich
würd' ich hängen lassen, wenn es mich nur so viel mehr als zwei Worte
kostete.
Mohr (mit einer frohen Verbeugung). Der Herr sind gar zu gütig.
Fiesco. Behüte Gott! nicht gegen dich. Es gefällt mir nun eben, daß
meine Laune einen Schurken, wie du bist, zu etwas und nichts machen
kann, und darum gehst du frei aus. Begreife mich recht. Dein
Ungeschick ist mir ein Unterpfand des Himmels, daß ich zu etwas
Großem aufgehoben bin, und darum bin ich gnädig, und du gehst frei
aus.
Mohr (treuherzig). Schlagt ein, Lavagna! Eine Ehre ist der andern
werth. Wenn Jemand auf dieser Halbinsel eine Gurgel für Euch
überzählig hat, befehlt! und ich schneide sie ab, unentgeldlich.
Fiesco. Eine höfliche Bestie! Sie will sich mit fremder Leute
Gurgeln bedanken.
Mohr. Wir lassen uns nichts schenken, Herr! Unser eins hat auch
Ehre im Leibe.
Fiesco. Die Ehre der Gurgelschneider?
Mohr. Ist wohl feuerfester als Eurer ehrlichen Leute: sie brechen
ihre Schwüre dem lieben Herrgott; wir halten sie pünktlich dem Teufel.
Fiesco. Du bist ein drolligter Jauner.
Mohr. Freut mich, daß Ihr Geschmack an mir findet. Setzt mich erst
auf die Probe, Ihr werdet einen Mann kennen lernen, der sein
Exercitium aus dem Stegreif macht. Fordert mich auf. Ich kann Euch
von jeder Spitzbubenzunft ein Testimonium aufweisen, von der
untersten bis zur höchsten.
Fiesco. Was ich nicht höre! (Indem er sich niedersetzt.) Also auch
Schelmen erkennen Gesetzt und Rangordnung? Laß mich doch von der
untersten hören.
Mohr. Pfui, gnädiger Herr! das ist das verächtliche Heer der langen
Finger. Ein elend Gewerb, das keinen großen Mann ausbrütet, arbeitet
nur auf Karbatsche und Raspelhaus und führt--höchstens zum Galgen.
Fiesco. Ein reizendes Ziel. Ich bin auf die beßre begierig.
Mohr. Das sind die Spionen und Maschinen. Bedeutende Herren, denen
die Großen ein Ohr leihen, wo sie ihre Allwissenheit holen; die sich
wie Blutigel in Seelen einbeißen, das Gift aus dem Herzen schlürfen
und an die Behörde speien.
Fiesco. Ich kenne das--fort!
Mohr. Der Rang trifft nunmehr die Meuter, Giftmischer und Alle, die
ihren Mann lang hinhalten und aus dem Hinterhalt fassen. Feige
Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit
ihrer armen Seele bezahlen. Hier thut die Gerechtigkeit schon etwas
Übriges, strickt ihre Knöchel aufs Rad und pflanzt ihre Schlauköpfe
auf Spieße. Das ist die dritte Zunft.
Fiesco. Aber, sprich doch, wann wird die deinige kommen?
Mohr. Blitz, gnädiger Herr! das ist eben der Pfiff. Ich bin durch
diese alle gewandert. Mein Genie geilte frühzeitig über jedes Gehege.
Gestern Abend macht' ich mein Meisterstück in der dritten, vor
einer Stunde war ich--ein Stümper in der vierten.
Fiesco. Diese wäre also?
Mohr (lebhaft). Das sind Männer, (in Hitze) die ihren Mann zwischen
vier Mauern aufsuchen, durch die Gefahr eine Bahn sich hauen, ihm
gerade zu Leib gehen, mit dem ersten Gruß ihm den Großdank für den
zweiten ersparen. Unter uns! man nennt sie nur die Extrapost der
Hölle. Wenn Mephistopheles einen Gelust bekommt, braucht's nur einen
Wink, und er hat den Braten noch warm.
Fiesco. Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermißte
ich längst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten.
Mohr. Ernst oder Spaß?
Fiesco. Mein völliger Ernst, und gebe dir tausend Zechinen des Jahrs.
Mohr. Topp, Lavagna! Ich bin Euer, und zum Henker fahre das
Privatleben. Braucht mich, wozu Ihr wollt. Zu Eurem Spürhund, zu
Eurem Parforce-Hund, zu Eurem Fuchs, zu Eurer Schlange, zu Eurem
Kuppler und Henkersknecht. Herr, zu allen Commissionen, nur bei
Leibe! zu keiner ehrlichen--dabei benehm' ich mich plump wie Holz.
Fiesco. Sei unbesorgt! Wem ich ein Lamm schenken will, lass' ich's
durch keinen Wolf überliefern. Geh also gleich morgen durch Genua
und suche die Witterung des Staats. Lege dich wohl auf Kundschaft,
wie man von der Regierung denkt und vom Haus Doria flüstert, sondiere
daneben, was meine Mitbürger von meinem Schlaraffenleben und meinem
Liebesroman halten. Überschwemme ihre Gehirne mit Wein, bis ihre
Herzensmeinungen überlaufen. Hier hast du Geld. Spende davon unter
den Seidenhändlern aus.
Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht
werden. Es ist nichts Ehrliches--Geh! rufe deine ganze Bande zu
Hilfe. Morgen will ich deine Zeitungen hören. (Er geht ab.)
Mohr (ihm nach). Verlaßt Euch auf mich. Jetzt ist's früh vier Uhr.
Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal
siebenzig Ohren geht. (Ab.)
Zehnter Auftritt
Zimmer bei Verrina.
Bertha rücklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen.
Verrina düster hereintretend.
Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!
Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater
erschrickt meine Tochter?
Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich,
mein Vater.
Verrina. Meinem einzigen Kinde?
Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie müssen noch
eine Tochter haben.
Verrina. Drückt dich meine Zärtlichkeit zu schwer?
Bertha. Zu Boden, Vater.
Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach
Hause kam, Berge auf meinem Herzen, hüpfte mir meine Bertha entgegen,
und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich, Tochter. An
dieser glühenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen, das am
Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe heute
Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (äußerst schwer)
nur du bist mir geblieben.
Bertha (mißt ihn mit einem langen Blick). Unglücklicher Vater!
Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha!
meine letzte übrige Hoffnung!--Genuas Freiheit ist dahin--Fiesco
hin--(indem er sie heftiger drückt, durch die Zähne) Werde du eine
Hure-Bertha (reißt sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie
wissen?-Verrina (steht bebend still). Was?
Bertha. Meine jungfräuliche Ehre-Verrina (wüthend). Was?
Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?
Bertha. Gewalt! (Sinkt am Sopha nieder.)
Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme).
Noch ein Athemzug, Tochter--den letzten! (Mit hohlem gebrochnem Ton.)
Wer?
Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er
stammelt und zittert.
Verrina. Ich wüßte doch nicht--meine Tochter! Wer?
Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.
Verrina. Um Gotteswillen--Wer? (will vor ihr niederfallen.)
Bertha. Eine Maske.
Verrina (tritt zurück, nach einem stürmischen Nachdenken). Nein! das
kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht graß
auf.) Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der
Kröte spritzte? (Zu Bertha gefaßter.) Die Person, wie die meinige,
oder kleiner?
Bertha. Größer.
Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?
Bertha. Kohlschwarz und kraus.
Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf--die
Stimme?
Bertha. Rauh, eine Baßstimme.
Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr
hören!--der Mantel--von welcher Farbe?
Bertha. Der Mantel grün, wie mich däuchte.
Verrina (hält beide Hände vors Gesicht und wankt in den Sopha). Sei
ruhig. Es ist nur ein Schwindel, meine Tochter. (Läßt die Hände
sinken; ein Todtengesicht.)
Bertha (die Hände ringend). Barmherziger Himmel! das ist mein Vater
nicht mehr.
Verrina (nach einer Pause mit bitterm Gelächter). Recht so! recht so!
Memme Verrina!--daß der Bube in das Heiligthum der Gesetze
griff--diese Aufforderung war dir zu matt--der Bube mußte noch ins
Heiligthum deines Bluts greifen--(Springt auf.) Geschwind! rufe den
Nicolo--Blei und Pulver--oder halt! halt! ich besinne mich eben
anders--besser--Hole mein Schwert herbei, bet' ein Vaterunser. (Die
Hand vor die Stirne.) Was will ich aber?
Bertha. Mir ist sehr bange, mein Vater.
Verrina. Komm, setzt dich zu mir. (Bedeutend.) Bertha, erzähle
mir--Bertha, was that jener eisgraue Römer, als man seine Tochter
auch so--wie nenn ich's nun--auch so artig fand, seine Tochter? Höre
Bertha, was sagte Virginius zu seiner verstümmelten Tochter?
Bertha (mit Schaudern). Ich weiß nicht, was er sagte.
Verrina. Närrisches Ding--Nichts sagte er. (Plötzlich auf, faßt ein
Schwert.) Nach einem Schlachtmesser griff er-Bertha (stürzt ihm
erschrocken in die Arme). Großer Gott! was wollen Sie thun?
Verrina (wirft das Schwert ins Zimmer). Nein! noch ist Gerechtigkeit
in Genua!
Eilfter Auftritt
Sacco. Calcagno. Vorige.
Calcagno. Verrina, geschwind! Mache dich fertig. Heute hebt die
Wahlwoche der Republik an. Wir wollen früh in die Signoria, die
neuen Senatoren wählen. Die Gassen wimmeln von Volk. Der ganze Adel
strömt nach dem Rathhaus. Du begleitest uns doch, (spöttisch) den
Triumph unsrer Freiheit zu sehen.
Sacco. Ein Schwert liegt im Saal. Verrina schaut wild. Bertha hat
rothe Augen.
Calcagno. Bei Gott! das nehm' ich nun auch gewahr--Sacco, hier ist
ein Unglück geschehen.
Verrina (stellt zwei Sessel hin). Setzt euch.
Sacco. Freund, du erschreckst uns.
Calcagno. So sah ich dich nie, Freund. Hätte nicht Bertha geweint,
ich würde fragen: geht Genua unter?
Verrina (fürchterlich). Unter! Sitzt nieder!
Calcagno (erschrocken, indem sich Beide setzen). Mann! Ich
beschwöre dich!
Verrina. Höret!
Calcagno. Was ahnet mir, Sacco?
Verrina. Genueser--ihr Beide kennt das Alterthum meines Namens.
Eure Ahnen haben den meinigen die Schleppe getragen. Meine Väter
fochten die Schlachten des Staats. Meine Mütter waren Muster der
Genueserinnen. Ehre war unser einziges Capital und erbte vom Vater
zum Sohn--oder wer weiß es anders?
Sacco. Niemand.
Calcagno. So wahr Gott lebt, Niemand.
Verrina. Ich bin der letzte meines Geschlechts. Mein Weib liegt
begraben. Diese Tochter ist ihr einziges Vermächtniß. Genueser, ihr
seid Zeugen, wie ich sie erzog. Wird Jemand auftreten und Klage
führen, daß ich meine Bertha verwahrloste?
Calcagno. Deine Tochter ist ein Muster im Lande.
Verrina. Freunde! ich bin ein alter Mann. Verliere ich diese, darf
ich keine mehr hoffen. Mein Gedächtniß löscht aus. (Mit einer
schrecklichen Wendung.) Ich habe sie verloren. Infam ist mein Stamm.
Beide. (in Bewegung). Das wolle Gott verhüten! (Bertha wälzt sich
jammernd im Sopha.)
Verrina. Nein! Verzweifle nicht, Tochter. Diese Männer sind tapfer
und gut. Beweinen dich diese, wird's irgendwo bluten.--Seht nicht so
betroffen aus, Männer. (Langsam, mit Gewicht.) Wer Genua unterjocht,
kann doch wohl ein Mädchen bezwingen?
Beide (fahren auf, werfen die Sessel zurück). Gianettino Doria!
Bertha (mit einem Schrei). Stürzt über mich, Mauern! mein Scipio!
Zwölfter Auftritt
Bourgognino. Vorige.
Bourgognino (erhitzt). Springe hoch, Mädchen! Eine Freudenpost!
--Edler Verrina, ich komme, meinen Himmel auf Ihre Zunge zu setzen.
Schon längst liebte ich Ihre Tochter, und nie durft' ich es wagen, um
ihre Hand zu bitten, weil mein ganzes Vermögen auf falschen Brettern
von Coromandel schwamm. Eben jetzt fliegt meine Fortuna wohlbehalten
in die Rhede und führt, wie sie sagen, unermeßliche Schätze mit. Ich
bin ein reicher Mann. Schenken Sie mir Bertha, ich mache sie
glücklich. (Bertha verhüllt sich, große Pause.)
Verrina (bedächtlich zu Bourgognino). Haben Sie Lust, junger Mensch,
Ihr Herz in eine Pfütze zu werfen?
Bourgognino (greift nach dem Schwert, zieht aber plötzlich die Hand
zurück). Das sprach der Vater-Verrina. Das spricht jeder Schurk' in
Italien. Nehmen Sie mit dem Abtrag von anderer Leute Gastung vorlieb?
Bourgognino. Mach mich nicht wahnwitzig, Graukopf!
Calcagno. Bourgognino, wahr spricht der Graukopf.
Bourgognino (auffahrend, gegen Bertha stürzend). Wahr spricht er?
Mich hätte eine Dirne genarrt?
Calcagno. Bourgognino, nicht da hinaus. Das Mädchen ist engelrein.
Bourgognino (steht erstaunt still). Nun! so wahr ich selig werden
will. Rein und entehrt. Ich habe keinen Sinn für das.--Sie sehen
sich an und sind stumm. Irgend ein Unhold von Missethat zuckt auf
ihren bebenden Zungen. Ich beschwöre euch! Schiebt meine Vernunft
nicht im Kurzweil herum. Rein wäre sie? Wer sagte rein?
Verrina. Mein Kind ist nicht schuldig.
Bourgognino. Also Gewalt! (Faßt das Schwert von dem Boden.)
Genueser! bei allen Sünden unter dem Mond! Wo--wo find' ich den
Räuber?
Verrina. Eben dort, wo du den Dieb Genuas findest.--(Bourgognino
erstarrt. Verrina geht gedankenvoll auf und nieder, dann steht er
still.)
Verrina. Wenn ich deinen Wink verstehe, ewige Vorsicht, so willst du
Genua durch meine Bertha erlösen! (Er tritt zu ihr, indem er den
Trauerflor langsam von seinem Arme wickelt, darauf feierlich.) Eh das
Herzblut eines Doria diesen häßlichen Flecken aus deiner Ehre wäscht,
soll kein Strahl des Tages auf diese Wangen fallen. Bis dahin--(er
wirft den Flor über sie) verblinde! (Pause. Die Übrigen sehen ihn
schweigend, betreten an.)
Verrina (feierlicher, seine Hand auf Berthas Haupt gelegt).
Verflucht sei die Luft, die dich fächelt! Verflucht der Schlaf, der
dich erquickt! Verflucht jede menschliche Spur, die deinem Elend
willkommen ist! Geh hinab in das unterste Gewölb meines Hauses.
Winsle, heule, lähme die Zeit mit deinem Gram. (Unterbrochen von
Schauern fährt er fort.) Dein Leben sei das gichterische Wälzen des
sterbenden Wurms--der hartnäckige, zermalmende Kampf zwischen Sein
und Vergehen.--Dieser Fluch hafte auf dir, bis Gianettino den letzten
Odem verröchelt hat.--Wo nicht, so magst du ihn nachschleppen längs
der Ewigkeit, bis man ausfindig macht, wo die zwei Enden ihres Rings
in einander greifen.
(Großes Schweigen. Auf allen Gesichtern Entsetzen. Verrina blickt
Jeden fest und durchdringend an.)
Bourgognino. Rabenvater! was hast du gemacht? Diesen ungeheuren,
gräßlichen Fluch deiner armen, schuldlosen Tochter?
Verrina. Nicht wahr--das ist schrecklich, mein zärtlicher
Bräutigam?--(Höchst bedeutend.) Wer von euch wird nun auftreten und
jetzt noch von kaltem Blut und Aufschube schwatzen? Genuas Loos ist
auf meine Bertha geworfen, mein Vaterherz meiner Bürgerpflicht
überantwortet. Wer von uns ist nun Memme genug, Genuas Erlösung zu
verzögern, wenn er weiß, daß dieses schuldlose Lamm seine Feigheit
mit unendlichem Gram bezahlt?--Bei Gott! das war nicht das Gewäsch
eines Narren--Ich hab' einen Eid gethan und werde mich meines Kindes
nicht erbarmen, bis ein Doria am Boden zuckt, und sollt' ich auf
Martern raffinieren, wie ein Henkersknecht, und sollt' ich dieses
unschuldige Lamm auf kannibalischer Folterbank zerknirschen--Sie
zittern--Blaß wie Geister schwindeln sie mich an.--Noch einmal,
Scipio! Ich verwahre sie zum Geisel deines Tyrannenmords. An diesem
theuren Faden halt' ich deine, meine, eure Pflichten fest. Genuas
Despot muß fallen, oder das Mädchen verzweifelt. Ich widerrufe nicht.
Bourgognino (wirft sich der Bertha zu Füßen). Und fallen soll
er--fallen für Genua, wie ein Opferstier. So gewiß ich dies Schwert
im Herzen Dorias umkehre, so gewiß will ich den Bräutigamskuß auf
deine Lippen drücken. (Steht auf.)
Verrina. Das erste Paar, das die Furien einsegnen. Gebt euch die
Hände. In Dorias Herzen wirst du dein Schwert umkehren?--Nimm sie,
sie ist dein!
Calcagno (kniet nieder). Hier kniet noch ein Genueser und legt
seinen furchtbaren Stahl zu den Füßen der Unschuld. So gewiß möge
Calcagno den Weg zum Himmel ausfindig machen, als dieses sein Schwert
die Straße zu Dorias Leben. (Steht auf.)
Sacco. Zuletzt, doch nicht minder entschlossen, kniet Raphael Sacco.
Wenn dies mein blankes Eisen Berthas Gefängniß nicht aufschließt, so
schließe sich das Ohr des Erhörers meinem letzten Gebet zu. (Steht
auf.)
Verrina (erheitert). Genua dankt euch in mir, meine Freunde. Gehe
nun, Tochter. Freue dich, des Vaterlands großes Opfer zu sein.
Bourgognino (umarmt sie im Abgehen). Geh! Traue auf Gott und
Bourgognino. An einem und eben dem Tag werden Bertha und Genua frei
sein. (Bertha entfernt sich.)
Dreizehnter Auftritt
Vorige ohne Bertha.
Calcagno. Eh wir weiter gehn, noch ein Wort, Genueser!
Verrina. Ich errath' es.
Calcagno. Werden vier Patrioten genug sein, Tyrannei, die mächtige
Hyder, zu stürzen? Werden wir nicht den Pöbel aufrühren, nicht den
Adel zu unsrer Partei ziehen müssen?
Verrina. Ich verstehe. Höret also, ich habe längst einen Maler im
Solde, der seine ganze Kunst verschwendet, den Sturz des Appius
Claudius fresco zu malen. Fiesco ist ein Anbeter der Kunst, erhitzt
sich gern an erhabenen Scenen. Wir werden die Malerei nach seinem
Palast bringen und zugegen sein, wenn er sie betrachtet. Vielleicht,
daß der Anblick seinen Genius wieder aufweckt--Vielleicht-Bourgognino.
Weg mit ihm! Verdopple die Gefahr, spricht der Held, nicht die
Helfer. Ich habe schon längst ein Etwas in meiner Brust gefühlt, das
sich von nichts wollte ersättigen lassen--Was es war, weiß ich jetzt
plötzlich (indem er heroisch aufspringt). Ich hab' einen Tyrannen!