(Mit den letzten Worten reißt sie sich ihren Schleier ab.)
Sieh her und bleibe deiner Sinne Meister!
Stirb oder nenne mir das Ding!
Kalaf (außer sich, hält die Hand vor die Augen).
O Himmelsglanz! O Schönheit, die mich blendet!
Altoum. Gott, er verwirrt sich, er ist außer sich.
Faß dich, mein Sohn! O, sammle deine Sinne!
Zelima (für sich).
Mir bebt das Herz.
Adelma (gegen die Zuschauer). Mein bist du, theurer Fremdling!
Ich rette dich, die Liebe wird mich's lehren.
Pantalon (zu Kalaf).
Um Gotteswillen, nicht den Kopf verloren!
Nehmt Euch zusammen! Herz gefaßt, mein Prinz!
O weh, o weh! Ich fürcht', er ist geliefert.
Tartaglia (gravitätisch für sich).
Ließ' es die Würde zu, wir gingen selbst zur Küche
Nach einem Essigglas.
Turandot (hat den Prinzen, der noch immer außer Fassung
da steht, unverwandt betrachtet).
Unglücklicher!
Du wolltest dein Verderben. Hab' es nun!
Kalaf (hat sich gefaßt und verbeugt sich mit einem ruhigen
Lächeln gegen Turandot).
Nur Eure Schönheit, himmlische Prinzessin,
Die mich auf einmal überraschend, blendend
Umleuchtete, hat mir auf Augenblicke
Den Sinn geraubt. Ich bin nicht überwunden.
Dies Ding von Eisen, das nur Wen'ge schätzen,
Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand
Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs,
Dies Werkzeug, das, unschuld'ger als das Schwert,
Dem frommen Fleiß den Erdkreis unterworfen--
Wer träte aus den öden, wüsten Steppen
Der Tartarei, wo nur der Jäger schwärmt,
Der Hirte weidet, in dies blühende Land
Und sähe rings die Saatgefilde grünen
Und hundert volkbelebte Städte steigen,
Von friedlichen Gesetzen still beglückt,
Und ehrte nicht das köstliche Geräthe,
Das allen diesen Segen schuf--den Pflug?
Pantalon. O, sei gebenedeit! Laß dich umhalsen!
Ich halte mich nicht mehr vor Freud' und Jubel.
Tartaglia. Gott segne Eure Majestät! Es ist
Vorbei, und aller Jammer hat ein Ende.
Doctoren (haben die Zettel geöffnet).
Der Pflug, der Pflug! Es ist der Pflug!
(Alle Instrumente fallen ein mit großem Geräusch. Turandot
ist auf ihrem Thron in Ohnmacht gesunken.)
Zelima (Um Turandot beschäftigt).
Blickt auf, Prinzessin! Fasset Euch! Der Sieg
Ist sein; der schöne Prinz hat überwunden.
Adelma (an die Zuschauer).
Der Sieg ist sein! Er ist für mich verloren.
--Nein, nicht verloren! Hoffe noch, mein Herz!
(Altoum ist voll Freude, bedient von Pantalon und Tartaglia,
vom Throne gestiegen. Die Doctoren erheben sich alle von ihren
Sitzen und ziehen sich nach dem Hintergrund. Alle Thüren werden
geöffnet. Man erblickt Volk. Alles dies geschieht, während die
Musik fortdauert.)
Altoum (zu Turandot).
Nun hörst du auf, mein Alter zu betrüben,
Grausames Kind! Genug ist dem Gesetz
Geschehen, alles Unglück hat ein Ende.
--Kommt an mein Herz. geliebter Prinz, mit Freuden
Begrüß' ich Euch als Eidam!
Turandot (ist wieder zu sich gekommen und stürzt in sinnloser
Wuth von ihrem Throne, zwischen beide sich werfend).
Haltet ein!
Er hoffe nicht, mein Ehgemahl zu werden!
Die Probe war zu leicht. Er muß aufs neu'
Im Divan mir drei andre Räthsel lösen.
Man überraschte mich. Mir ward nicht Zeit
Vergönnt, mich zu bereiten, wie ich sollte.
Altoum. Grausame Tochter, deine Frist ist um!
Nicht hoffe mehr, uns listig zu beschwatzen.
Erfüllt ist die Bedingung des Gesetzes,
Mein ganzer Divan soll den Ausspruch thun.
Pantalon. Mit Eurer Gunst, Prinzessin Kieselherz!
Es braucht nicht neue Räthsel zuzuspitzen
Und neue Köpfe abzuhacken--Da!
Hier steht der Mann! Der hat's errathen! Kurz:
Das Gesetz hat seine Endschaft, und das Essen
Steht auf dem Tisch--Was sagt der Herr Collega?
Tartaglia. Das Gesetz ist aus, ganz aus, und damit Punctum.
Was sagen Ihre Würden, die Doctoren?
Doctoren. Das Gesetz ist aus. Das Köpfen hat ein Ende.
Auf Leid folgt Freud. Man gebe sich die Hände.
Altoum. So trete man den Zug zum Tempel an.
Der Fremde nenne sich, und auf der Stelle
Vollziehe man die Trauung--
Turandot (wirft sich ihm in den Weg). Aufschub, Vater!
Um aller Götter willen!
Altoum. Keinen Aufschub!
Ich bin entschlossen. Undankbares Kind!
Schon allzulang zu meiner Schmach und Pein
Willfahr' ich deinem grausamen Begehren.
Dein Urtheil ist gesprochen; mit dem Blut
Von zehen Todesopfern ist's geschrieben,
Die ich um deinetwillen morden ließ.
Mein Wort hab' ich gelöst, nun löse du
Das Deine, oder, bei dem furchtbarn Haupt
Des Fohi sei's geschworen--
Turandot (wirft sich zu seinen Füßen). O mein Vater!
Nur einen neuen Tag vergönnt mir--
Altoum. Nichts!
Ich will nichts weiter hören. Fort zum Tempel!
Turandot (außer sich).
So werde mir der Tempel denn zum Grab!
Ich kann und will nicht seine Gattin sein,
Ich kann es nicht. Eh tausend Tode sterben,
Als diesem stolzen Mann mich unterwerfen,
Der bloße Name schon, schon der Gedanke,
Ihm unterthan zu sein, vernichtet mich.
Kalaf. Grausame, Unerbittliche, steht auf!
Wer könnte Euren Thränen widerstehn? (Zu Altoum.)
Laßt Euch erbitten, Sire! Ich flehe selbst
Darum. Gönnt Ihr den Aufschub, den sie fordert.
Wie könnt' ich glücklich sein, wenn sie mich haßt!
Zu zärtlich lieb' ich sie--Ich kann's nicht tragen,
Ihr Leiden, ihren Schmerz zu sehn--Fühllose!
Wenn dich des treusten Herzens treue Liebe
Nicht rühren kann, wohlan, so triumphiere!
Ich werde nie dein Gatte sein mit Zwang.
O, sähest du in dies zerrißne Herz,
Gewiß, du fühltest Mitleid--Dich gelüstet
Nach meinem Blut? Es sei darum. Verstattet,
Die Probe zu erneuern, Sire--Willkommen
Ist mir der Tod. Ich wünsche nicht zu leben.
Altoum.
Nichts, nichts! Es ist beschlossen. Fort zum Tempel!
Kein anderer Versuch--Unkluger Jüngling!
Turandot (fährt rasend auf).
Zum Tempel denn! Doch am Altar wird Eure Tochter
Zu sterben wissen.
(Sie zieht einen Dolch und will gehen.)
Kalaf. Sterben! Große Götter!
Nein, eh' es dahin kommt--Hört mich, mein Kaiser!
Gönn' Eure Gnade mir die einz'ge Gunst.
--Zum zweitenmal will ich ihr im Divan,
Ich--ihr ein Räthsel aufzulösen geben.
Und dieses ist: Weß Stamms und Namens ist
Der Prinz, der, um das Leben zu erhalten,
Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen
Und Lasten um geringen Lohn zu tragen;
Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung
Noch unglücksel'ger ist, als je zuvor?
--Grausame Seele! Morgen früh im Divan
Nennt mir des Vaters Namen und des Prinzen.
Vermögt Ihr's nicht--so laßt mein Leiden enden
Und schenkt mir diese theure Hand! Nennt Ihr
Die Namen mir, so mag mein Haupt zum Opfer fallen.
Turandot. Ich bin's zufrieden, Prinz! Auf die Bedingung
Bin ich die Eurige.
Zelima (für sich). Ich soll von Neuem zittern!
Adelma (seitwärts).
Ich darf von Neuem hoffen!
Altoum. Ich bin's nicht
Zufrieden. Nichts gestatt' ich. Das Gesetz
Will ich vollzogen wissen.
Kalaf (fällt ihm zu Füßen). Mächt'ger Kaiser!
Wenn Bitten dich bewegen--wenn du mein,
Wenn du der Tochter Leben liebst, so duld' es!
Bewahren mich die Götter vor der Schuld,
Daß sich ihr Geist nicht sättige. Er weide
Mit Wollust sich an meinem Blut--Sie löse
Im Divan, wenn sie Scharfsinn hat, mein Räthsel!
Turandot (für sich).
Er spottet meiner noch, wagt's, mir zu trotzen!
Altoum (zu Kalaf).
Unsinniger! Ihr wißt nicht, was Ihr fordert,
Wißt nicht, welch einen Geist sie in sich hat,
Das Tiefste auch versteht sie zu ergründen.
--Sei's denn! Die neue Probe sei verstattet!
Sie sei des Bandes mit Euch los, kann sie
Im Divan morgen uns die Namen nennen.
Doch eines neuen Mordes Trauerspiel
Gestatt' ich nicht--Erräth sie, was sie soll,
So zieht in Frieden Euren Weg--Genug
Des Blutes ist geflossen. Folgt mir, Prinz!
--Unkluger Jüngling! Was habt Ihr gethan?
(Der Marsch wird wieder gehört. Altoum geht gravitätisch mit dem
Prinzen, Pantalon. Tartaglia, den Doctoren und der Leibwache
durch die Pforte ab, durch die er gekommen. Turandot, Adelma,
Zelima, Sklavinnen und Truffaldin mit den Verschnittenen entfernen
sich durch die andere Pforte, ihren ersten Marsch wiederholend.)
Dritter Aufzug.
Ein Zimmer im Serail.
Erster Auftritt.
Adelma allein.
Jetzt oder nie entspring' ich diesen Banden.
Fünf Jahre trag' ich schon den glühnden Haß
In meiner Brust verschlossen, heuchle Freundschaft
Und Treue für die Grausame, die mir
Den Bruder raubte, die mein ganz Geschlecht
Vertilgte, mich zu diesem Sklavenloos
Herunterstieß--In diesen Adern rinnt,
Wie in den ihren, königliches Blut;
Ich achte mich, wie sie, zum Thron geboren.
Und dienen soll ich ihr, mein Knie ihr beugen,
Die meines ganzen Hauses Mörderin,
Die meines Falles blut'ge Ursach ist.
Nicht länger duld' ich den verhaßten Zwang,
Erschöpft ist mir die Kraft, ich unterliege
Der lang getragnen Bürde der Verstellung.
Der Augenblick ist da, mich zu befrein,
Die Liebe soll den Rettungsweg mir bahnen.
All' meine Künste biet' ich auf--Entweder
Entdeck' ich sein Geheimniß oder schreck' ihn
Durch List aus diesen Mauern weg--Verhaßte!
Du sollst ihn nicht besitzen! Diesen Dienst
Will ich aus falschem Herzen dir noch leisten.
Mir selber dien' ich, süße Rache üb' ich,
Dein Herz zerreiß' ich, da ich deinem Stolz
Verräthrisch diene--ich durchschaute dich!
Du liebst ihn, aber darfst es nicht gestehn.
Du mußt ihn von dir stoßen und verwerfen,
Wider dich selber mußt du thöricht wüthen,
Den lächerlichen Ruhm dir zu bewahren;
Doch ewig bleibt der Pfeil in deiner Brust,
Ich kenn' ihn; nie vernarben seine Wunden.
--Dein Frieden ist vorbei! Du hast empfunden!
(Turandot erscheint im Hintergrund, auf Zelima gelehnt,
welche beschäftigt ist, sie zu beruhigen.)
Sie kommt, sie ist's! Verzehrt von Scham und Wuth
Und von des Stolzes und der Liebe Streit!
Wie lab' ich mich an ihrer Seele Pein!
--Sie nähert sich--Laß hören, was sie spricht!
Zweiter Auftritt.
Turandot im Gespräch mit Zelima. Adelma, anfangs ungesehen.
Turandot. Hilf, rath mir, Zelima. Ich kann's nicht tragen,
Mich vor dem ganzen Divan überwunden
Zu geben!--Der Gedanke tödtet mich.
Zelima. Ist's möglich, Königin? Ein so edler Prinz
So liebeathmend und so liebenswerth,
Kann nichts als Haß und Abscheu--
Turandot. Abscheu! Haß! (Sie besinnt sich)
--Ich hass' ihn, ja. Abscheulich ist er mir!
Er hat im Divan meinen Ruhm vernichtet.
In allen Landen wird man meine Schande
Erfahren, meiner Niederlage spotten.
O, rette mich--In aller Frühe, will
Mein Vater, soll der Divan sich versammeln,
Und lös' ich nicht die aufgegebne Frage,
So soll in gleichem Augenblick das Band
Geflochten sein--"Weß Stamms und Namen ist
"Der Prinz, der, um sein Leben zu erhalten,
"Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen
"Und Lasten um geringen Preis zu tragen;
"Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung
"Noch unglücksel'ger ist, als je zuvor?"--
--Daß dieser Prinz er selbst ist, seh' ich leicht.
Wie aber seinen Namen und Geschlecht
Entdecken, da ihn Niemand kennt, der Kaiser
Ihm selbst verstattet, unerkannt zu bleiben?
Geängstigt, wie ich war, geschreckt, gedrängt,
Ging ich die Wette unbedachtsam ein.
Ich wollte Frist gewinnen--Aber wo
Die Möglichkeit, es zu errathen? Sprich!
Wo eine Spur, die zu ihm leiten könnte?
Zelima. Es gibt hier kluge Frauen, Königin,
Die aus dem Thee- und Kaffeesatz wahrsagen--
Turandot. Du spottest meiner! Dahin kam's mit mir!
Zelima. Wozu auch überall der fremden Künste?
--O, seht ihn vor Euch stehn, den schönen Prinzen!
Wie rührend seine Klage war! Wie zärtlich
Er aus zerrißnem Herzen zu Euch flehte!
Wie edelmüthig er, sein selbst vergessen,
Zu Eures Vaters Füßen für Euch bat,
Für Euch, die kein Erbarmen mit ihm trug,
Zum zweitenmal sein kaum gerettet Leben
Darbot, um Eure Wünsche zu vergnügen!
Turandot (weggewendet). Still, still davon!
Zelima. Ihr kehrt Euch von mir ab!
Ihr seid gerührt! Ja, ja! Verbergt es nicht!
Und eine Thräne glänzt in Eurem Auge--
O, schämt Euch nicht der zarten Menschlichkeit!
Nie sah ich Euer Angesicht so schön.
O, macht ein Ende! Kommt--
(Adelma ist im Begriff hervorzutreten.)
Turandot. Nichts mehr von ihm!
Er ist ein Mann. Ich hass' ihn, muß ihn hassen.
Ich weiß, daß alle Männer treulos sind,
Nichts lieben können als sich selbst; hinweg-
Geworfen ist an dies verräterische Geschlecht
Die schöne Neigung und die schöne Treue.
Geschmeid'ge Sklaven, wenn sie um uns werben,
Sind sie Tyrannen, gleich, wo sie besitzen.
Das blinde Wollen, den gereizten Stolz,
Das eigensinnig heftige Begehren,
Das nennen sie ihr Lieben und Verehren.
Das reißt sie blind zu unerhörter That,
Das treibt sie selber auf den Todespfad;
Das Weib allein kennt wahre Liebestreue.
--Nicht weiter, sag' ich dir. Gewinnt er morgen,
Ist mir der Tod nicht schrecklicher, als er.
Mich sah' die Welt, die mir gehässig ist,
Zu dem gemeinen Loos herabgewürdigt
An eines Mannes und Gebieters Hand!
Nein, nein! So tief soll Turandot nicht sinken!
--Ich seine Braut! Eh' in das offne Grab
Mich stürzen, als in eines Mannes Arme!
(Adelma hat sich wieder zurückgezogen.)
Zelima. Wohl mag's Euch kosten, Königin, ich glaub' es,
Von Eurer stolzen Höh' herabzusteigen,
Auf der die Welt Euch staunend hat gesehn.
Was ist der eitle Ruhm, wenn Liebe spricht?
Gesteht es, Eure Stunde ist gekommen!
Weg mit dem Stolze! Weicht der stärkeren
Gewalt--Ihr haßt ihn nicht, könnt ihn nicht hassen,
Warum dem eignen Herzen widerstreben?
Ergebt Euch dem geliebten Mann, und mag
Alsdann die Welt die Glückliche verhöhnen!
Adelma (ist horchend nach und nach näher gekommen und
tritt jetzt hervor).
Wer von geringem Stand geboren ist,
Dem steht es an, wie Zelima zu denken.
Ein königliches Herz fühlt königlich.
--Vergib mir! Zelima! Dir ist es nicht gegeben,
An einer Fürstin Platz dich zu versetzen,
Die sich so hoch wie unsre Königin
Gestellt und jetzt, vor aller Menschen Augen,
Im Divan so herunter steigen soll,
Von einem schlechten Fremdling überwunden.
Mit meinen Augen sah ich den Triumph,
Den stolzen Hohn in aller Männer Blicken,
Als er die Rätsel unsrer Königin,
Als wären's Kinderfragen, spielend löste,
Der überlegnen Einsicht stolz bewußt.
O, in die Erde hätt' ich sinken mögen
Vor Scham und Wuth--Ich liebe meine schöne
Gebieterin; ihr Ruhm liegt mir am Herzen.
--Sie, die dem ganzen Volk der Männer Hohn
Gesprochen, dieses Mannes Frau!
Turandot. Erbittre mich
Nicht mehr!
Zelima. Das große Unglück, Frau zu werden!
Adelma. Schweig. Zelima! Man will von dir nicht wissen,
Wodurch ein edles Herz beleidigt wird.
Ich kann nicht schmeicheln. Grausam wär' es, hier
Zu schonen und die Wahrheit zu verhehlen.
Ist es schon hart genug, daß wir den Mann,
Den übermüthigen, zum Herrn uns geben,
So liegt doch Trost darin, daß wir uns selbst
Mit freier Wahl und Gunst an ihn verschenken,
Und seine Großmuth fesselt seinen Stolz.
Doch welches Loos trifft unsre Königin,
Wie hat sie selbst sich ihr Geschick verschlimmert!
Nicht ihrer freien Gunst und Zärtlichkeit,
Sich selbst nur, seinem siegenden Verstand
Wird sie der Stolze zu verdanken haben;
Als seine Beute führt er sie davon--
Wird er sie achten, Großmuth an ihr üben,
Die keine gegen ihn bewies, auf Tod
Und Leben ihn um sie zu kämpfen zwang,
Ihm nur als Preis des Sieges heimgefallen?
Wird er bescheiden seines Rechtes brauchen,
Das er nur seinem Recht verdankt?
Turandot (in der heftigsten Bewegung). Adelma, wisse!
Find' ich die Namen nicht, mitten im Tempel
Durchstoß' ich diese Brust mit einem Dolch.
Adelma. Faßt Muth, Gebieterin. Verzweifelt nicht!
Kunst oder List muß uns das Räthsel lösen.
Zelima. Gut. Wenn Adelma mehr versteht, als ich,
Und Euch so zugethan ist, wie sie sagt,
So helfe sie und schaffe Rath.
Turandot. Adelma!
Geliebte Freundin! Hilf mir, schaffe Rath!
Ich kenn' ihn nicht, weiß nicht, woher er kommt;
Wie kann ich sein Geschlecht und Namen wissen?
Adelma (nachsinnend).
Laß sehn--Ich hab' es--hörte man ihn nicht
Im Divan sagen, hier in dieser Stadt,
In Peckin, lebe Jemand, der ihn kenne?
Man muß nachspüren, muß die ganze Stadt
Umkehren, weder Gold noch Schätze sparen--
Turandot. Nimm Gold und Edelsteine, spare nichts.
Kein Schatz ist mir zu groß, nur, daß ich's wisse!
Zelima. An wen uns damit wenden? Wo uns Raths
Erholen?--Und, gesetzt, wir fänden wirklich
Auf diesem Wege seinen Stand und Namen,
Wird es verborgen bleiben, daß Bestechung,
Nicht ihre Kunst das Räthsel uns verrathen?
Adelma. Wird Zelima wohl der Verräther sein?
Zelima. Das geht zu weit--Spart Euer Gold, Prinzessin!
Ich schwieg, ich hoffte Euer Herz zu rühren,
Euch zu bewegen, diesen würdigsten
Von allen Prinzen, den Ihr selbst nicht hasset,
Freiwillig zu belohnen--Doch Ihr wollt es!
So siege meine Pflicht und mein Gehorsam!
--Wißt also! Meine Mutter Skirina
War eben bei mir, war entzückt, zu hören,
Daß dieser Prinz die Räthsel aufgelöst,
Und von dem neuen Wettstreit noch nichts wissend,
Verrieth sie mir in ihrer ersten Freude,
Daß dieser Prinz in ihrem Haus geherbergt,
Daß Hassan ihn, ihr Gatte, sehr wohl kenne,
Wie seinen Herrn und lieben Freund ihn ehre.
Ich fragte nun nach seinem Stand und Namen;
Doch, dies sei noch ein Räthsel für sie selbst.
Spricht sie, das Hassan standhaft ihr verberge;
Doch hofft sie noch, es endlich zu ergründen.
--Verdien' ich es nun noch, so zweifle meine
Gebieterin an meiner Treu' und Liebe!
(Geht ab mit Empfindlichkeit.)
Turandot (ihr nacheilend).
Bleib, Zelima! Bist du beleidigt?--Bleib!
Vergib der Freundin!
Adelma (hält sie zurück). Lassen wir sie ziehen!
Prinzessin, auf die Spur hat Zelima
Geholfen; unsre Sache ist es nun,
Mit Klugheit die Entdeckung zu verfolgen.
Denn Thorheit war's, zu hoffen, daß uns Hassan
Gutwillig das Geheimniß beichten werde,
Nun er den ganzen Werth desselben kennt.
Verschlagne List, ja, wenn die List nicht hilft,
Gewalt muß das Geständniß ihm entreißen;
Drum schnell--Kein Augenblick ist zu verlieren.
Herbei mit diesem Hassan ins Serail,
Eh' er gewarnt sich unserm Arm entzieht.
Kommt! Wo sind Eure Sklaven?
Turandot (fällt ihr um den Hals). Wie du willst,
Adelma! Freundin! Ich genehm'ge Alles.
Nur daß der Fremde nicht den Sieg erhalte! (Geht ab.)
Adelma. Jetzt, Liebe, steh mir bei! Dich ruf' ich an,
Du Mächtige, die Alles kann bezwingen!
Laß mich entzückt der Sklaverei entspringen;
Der Stolz der Feindin öffne mir die Bahn!
Hilf die Verhaßte listig mir betrügen,
Den Freund gewinnen und mein Herz vergnügen! (Geht ab.)
Dritter Auftritt.
Vorhalle des Palastes.
Kalaf und Barak kommen im Gespräch.
Kalaf. Wenn aber Niemand lebt in dieser Stadt,
Der Kundschaft von mir hat, als du allein,
Du treue Seele--Wenn mein väterliches Reich
Viel hundert Meilen weit von hier entlegen
Und schon acht Jahre lang verloren ist.
--Indessen, weißt du, lebten wir verborgen,
Und das Gerücht verbreitet unsern Tod--
Ach, Barak! Wer in Unglück fällt, verliert
Sich leicht aus der Erinnerung der Menschen!
Barak. Nein, es war unbedacht gehandelt, Prinz.
Vergebt mir. Der Unglückliche muß auch
Unmöglichs fürchten. Gegen ihn erheben
Die stummen Steine selber sich als Zeugen;
Die Wand hat Ohren, Mauern sind Verräther.
Ich kann, ich kann mich nicht zufrieden geben.
Das Glück begünstigt Euch, das schönste Weib
Gewinnt Ihr wider Hoffen und Erwarten,
Gewinnt mit ihr ein großes Königreich,
Und Eure weib'sche Zärtlichkeit raubt Euch
Auf einmal Alles wieder!
Kalaf. Hättest du
Ihr Leiden, ihren wilden Schmerz gesehn!
Barak. Auf Eurer Eltern Schmerz, die Ihr zu Berlas
Trostlos verlassen, hättet Ihr, und nicht
Auf eines Weibes Thränen achten sollen!
Kalaf. Schilt meine Liebe nicht! Ich wollt' ihr gerne
Gefällig sein.--Vielleicht, daß meine Großmuth
Sie rührt, daß Dankbarkeit in ihrem Herzen--
Barak. Im Herzen dieser Schlange Dankbarkeit?
Das hoffet nie.
Kalaf. Entgehn kann sie mir nicht.
Wie fände sie mein Räthsel aus? Du, Barak,
Nicht wahr? Du hast mich nicht verrathen? Nicht?
Vielleicht, daß du im Stillen deinem Weibe
Vertraut hast, wer ich sei?
Barak. Ich? Keine Silbe.
Barak weiß Euren Winken zu gehorchen;
Doch weiß ich nicht, welch schwarze Ahnung mir
Den Sinn umnachtet und das Herz beklemmt!
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Pantalon. Tartaglia und Brigella mit Soldaten.
Pantalon. Sieh, sieh! Da ist er ja! Potz Element,
Wo steckt Ihr, Prinz? Was habt Ihr hier zu schaffen?
(Den Barak mit den Augen musternd.)
Und wer ist dieser Mann, mit dem Ihr schwatzt?
Barak (für sich). Weh' uns! Was wird das?
Tartaglia. Sprecht! Wer ist der Mann?
Kalaf. Ich kenn' ihn nicht. Ich fand ihn hier nur so
Von ohngefähr, und weil ich müßig war,
Fragt' ich ihn um die Stadt und ihre Bräuche.
Tartaglia. Haltet zu Gnaden, Prinz! Ihr seid zu grad
Für diese falsche Welt; das gute Herz
Rennt mit dem Kopf davon--Heut früh im Divan!
Wie Teufel kamt Ihr zu dem Narrenstreich,
Den Vogel wieder aus der Hand zu lassen!
Pantalon. Laßt' s gut sein. Was geschehn ist, ist geschehn.
Ihr wißt nicht, lieber junger Prinz, wie tief Ihr
Im Wasser steht, wie Euch von allen Seiten
Betrug umlauert und Verrätherstricke
Umgeben--Lassen wir Euch aus den Augen,
So richtet man Euch ab, wie einen Staar. (Zu Barak)
Herr Nachbar Naseweis, steckt Eure Nase
Wo anders hin--Beliebt es Eurer Hoheit
Ins Haus herein zu gehn--He da, Soldaten!
Nehmt ihn in eure Mitte!--Ihr, Brigella,
Wißt Eure Pflicht--Bewachet seine Thür
Bis morgen frühe zu des Divans Stunde.
Kein Mensch darf zu ihm ein! So will's der Kaiser.
(Zu Kalaf.)
Merkt Ihr? Er ist verliebt in Euch und fürchtet,
Es möchte noch ein Unheil zwischen kommen.
Seid Ihr bis morgen nicht sein Schwiegersohn,
So, fürcht' ich, tragen wir den alten Herrn
Zu Grabe--Nichts für ungut, Prinz! Doch das
Von heute Morgen war--mit Eurer Gunst--
Ein Narrenstreich!--Ums Himmelswillen! Gebt Euch
Nicht bloß, laßt Euch den Namen nicht entlocken!
(Ihm ins Ohr zutraulich.)
Doch wollt Ihr ihn dem alten Pantalon
Ganz sachtchen, sachtchen in die Ohren wispern,
So wird er sich gar schön dafür bedanken.
Bekommt er diese Recompens?
Kalaf. Wie, Alter?
Gehorcht Ihr so dem Kaiser, Euerm Herrn?
Pantalon. Bravo! Scharmant!--Nun marsch! Voran, Brigella!
Habt Ihr's gehört? Was steht Ihr hier und gaffet?
Brigella. Beliebet nur das Plaudern einzustellen,
So werd' ich thun, was meines Amtes ist.
Tartaglia. Paßt ja wohl auf! Der Kopf steht drauf, Brigella.
Brigella. Ich habe meinen Kopf so lieb, als Ihr
Den Euren, Herr! 's braucht der Ermahnung nicht.
Tartaglia. Es juckt und brennt mich nach dem Namen--Uh!
Geruhtet Ihr, ihn mir zu sagen, Hoheit,
Recht wie ein Kleinod wollt' ich ihn bei mir
Vergraben und bewahren--Ja, das wollt' ich!
Kalaf. Umsonst versucht Ihr mich. Am nächsten Morgen
Erfahrt Ihr ihn. erfährt ihn alle Welt.
Tartaglia. Bravo! Bravissimo! Hol' mich der Teufel!
Pantalon. Nun, Gott befohlen, Prinz! (Zu Barak)
Und Ihr, Herr Schlingel!
Ihr thätet besser, Eurer Arbeit nach
Zu gehn, als im Palast hier aufzupassen,
Versteht Ihr mich? (Geht ab.)
Tartaglia (sieht ihn scheel an). Ja wohl! Ja wohl! Ihr habt mir
So ein gewisses Ansehn--eine Miene,
Die mir nicht außerordentlich gefällt.
Ich rath' Euch Gutes, geht! (Folgt dem Pantalon.)
Brigella (zu Kalaf). Erlaubt mir, Prinz,
Daß ich Dem, der befehlen kann, gehorche.
Laßt's Euch gefallen, in dies Haus zu gehn.
Kalaf. Das will ich gerne. (Zu Barak leise.)
Freund, auf Wiedersehn!
Zu besserer Gelegenheit! Leb wohl!
Barak. Herr, ich bin Euer Sklav!
Brigella. Nur fort! Nur fort!
Und macht den Ceremonien ein Ende!
(Kalaf folgt den Soldaten, die ihn in ihre Mitte nehmen, Timur
tritt von der entgegengesetzten Seite auf, bemerkt ihn und macht
Geberden des Schreckens und Erstaunens.)
Barak (ihm nachsehend).
Der Himmel steh' dir bei, treuherz'ge Unschuld!
Was mich betrifft, ich hüte meine Zunge.
Fünfter Auftritt.
Timur, ein Greis in dürftiger Kleidung. Barak.
Timur (entsetzt, für sich).
Weh mir! Mein Sohn! Soldaten führen ihn
Gefangen fort! Sie führen ihn zum Tode!
Gewiß, gewiß, daß der Tyrann von Tefflis,
Der Räuber meines Reichs, ihn bis nach Peckin
Verfolgen ließ und seine Rache sättigt!
Doch mit ihm will ich sterben! (Eilt ihm nach und ruft laut.)
Kalaf! Kalaf!
Barak (tritt ihm in den Weg und hält ihm das Schwert auf die Brust).
Halt ein, Unglücklicher! Du bist des Todes!
(Pause. Beide sehen einander erstaunt an. Unterdessen hat sich
Kalaf mit den Soldaten entfernt.)
Wer bist du, Alter? Woher kommst du? Sprich!
Daß du den Namen dieses Jünglings weißt?
Timur. Was seh' ich? Gott! Du, Barak? Du in Peckin?
Du sein Verräther? Ein Rebell? Und zückst
Das Schwert auf deinen König?
Barak (läßt erstaunt das Schwert sinken). Große Götter!
Ist's möglich?--Timur?
Timur. Ja, Verräther!
Ich bin es, dein unglücklicher Monarch,
Von aller Welt, nun auch von dir verrathen!
Was zögerst du? Nimm dieses Leben hin!
Verhaßt ist mir's, da ich die treusten Diener
Um schnöden Vortheils willen undankbar
Und meinen Sohn dem Tod geopfert sehe!
Barak. Herr!--Herr! O Gott! Das ist mein Fürst, mein König!
Er ist's! Nur allzuwohl erkenn' ich ihn. (Fällt ihm zu Füßen.)
In diesem Staub! In dieser Niedrigkeit!
Ihr Götter, muß mein Auge dies erleben!
--Verzeiht, Gebieter, meiner blinden Wuth!
Die Liebe ist's zu Eurem Sohn, die Angst,
Die treue Sorge, die mich hingerissen.
So lieb Euch Eures Sohnes Heil, so komme
Der Name Kalaf nie aus Eurem Munde!
--Ich nenne mich hier Hassan. nicht mehr Barak--
--Ach, weh mir! Wenn uns Jemand hier behorchte!--
Sagt, ob Elmaze, meine Königin,
Sich auch mit Euch in dieser Stadt befindet?
Timur. Still, Barak--still! O, sprich mir nicht von ihr!
In unserm traur'gen Aufenthalt zu Berlas
Verzehrte sie der Gram um unsern Sohn,
--Sie starb in diesen lebensmüden Armen.
Barak. O die Bejammernswürdige!
Timur. Ich floh!
Ich konnt' es, einsam, dort nicht mehr ertragen.
Des Sohnes Spuren folgend, frag' ich mich
Von Land zu Land, von einer Stadt zur andern.
Und jetzt, da mich nach langem Irren endlich
Der Götter Hand hieher geleitet, ist
Mein erster Anblick der gefangne Sohn,
Den man zum Tode führt.
Barak. Kommt, kommt, mein König!
Befürchtet nichts für Euren Sohn! Vielleicht
Daß ihn, eh noch der nächste Tag verlaufen,
Das höchste Glück belohnt und Euch mit ihm!
Nur, daß sein Name nicht, noch auch der Eure
Von Euern Lippen komme--Merkt Euch das!
Ich nenne mich hier Hassan, nicht mehr Barak.
Timur. Was für Geheimnisse--Erklär' mir doch!
Barak. Kommt! Hier ist nicht der Ort, davon zu reden!
Folgt mir nach meiner Wohnung--Doch, was seh' ich?
(Skirina tritt aus dem Palast.)
Mein Weib aus dem Serail! O wehe mir!
Wir sind entdeckt! (Zu Skirina heftig.) Was hast du hier zu suchen?
Unglückliche! Wo kommst du her?
Sechster Auftritt.
Skirina zu den Vorigen.
Skirina. Nun! Nun!
Aus dem Serail komm' ich, von meiner Tochter.
Die Freude trieb mich hin, daß unser Gast,
Der fremde Prinz, den Sieg davon getragen.
Die Neugier auch--Nun ja--Ich wollte sehn,
Wie dieser männerscheuen Unholdin
Der Brautstand läßt--und freute mich darüber
Mit meiner Tochter Zelima.
Barak. Dacht' ich's doch!
Weib! Weib! Du weißt nicht Alles, und geschwätzig
Wie eine Elster läufst du ins Serail;
Ich suchte dich, es dir zu untersagen.
Umsonst! Zu spät! Des Weibes Unverstand
Rennt immer vor des Mannes weisem Rath
Voraus--Was ist nicht alles dort getratscht,
Geplaudert worden! Nur heraus! Mir ist,
Ich höre dich in deiner albernen
Entzückung sagen: Dieser Unbekannte
Ist unser Gast; er wohnt bei uns; mein Mann
Kennt ihn und hält ihn hoch in Ehren--Sprich,
Hast du's gesagt?
Skirina. Und wenn ich nun? Was wär's?
Barak. Nein, nein, gesteh es nur! Hast du's gesagt?
Skirina. Ich hab's gesagt. Warum sollt' ich's verbergen?
Sie wollten auch den Namen von mir wissen,
Und--daß ich's nur gestehe, ich versprach's.
Barak. Weh mir! Wir sind verloren!--Rasende!--
(Zu Timur sich wendend.)
Wir müssen fort! Wir müssen fliehn!
Timur. So sag' mir doch, was für Geheimnisse--
Barak. Fort! Fort aus Peckin! Keine Zeit verloren!
(Truffaldin zeigt sich im Hintergrund mit seinen Schwarzen.)
--Weh uns! Es ist zu spät. Sie kommen schon!
Sie suchen mich, die Schwarzen, die Verschnittnen
Der fürchterlichen Turandot--Sinnlose!
In welchen Jammer stürzt uns deine Zunge!
(Truffaldin hat ihn bemerkt und bedeutet den Verschnittenen
durch Geberden, daß sie sich seiner bemächtigen sollen.)
Ich kann nicht mehr entfliehen--Fliehe du,
Verbirg dich, rette dich und diesen Alten!
Timur. So sag' mir doch!
Barak. Fort! Keine Widerrede!
Ich bin entdeckt!--Verschlossen wie das Grab
Sei Euer Mund! Nie komme Euer Name,
Nie, nie der seine über Eure Lippen!
--Und du, Unglückliche, wenn du das Übel,
Das deine Zunge über uns gebracht,
Gut machen willst, verbirg dich, nicht in deiner,
In einer fremden Wohnung! Halte diesen
Verborgen, bis der nächste Tag zur Hälfte
Verstrichen ist--
Skirina. Willst du mir denn nicht sagen?
Timur. Willst du nicht mit uns fliehn?
Barak. Thut, was ich sage!
Werde mit mir, was will, wenn Ihr Euch rettet.
Skirina. Sprich, Hassan! Worin hab' ich denn gefehlt?
Timur. Erklär' mir diese Räthsel.
Barak (heftig). Welche Marter!
Um aller Götter willen, fort, und fragt
Nicht weiter! Sie umringen uns; es ist
Zu spät, und alle Flucht ist jetzt vergebens.
--Die Namen, alter Mann, die Namen nur
Verschweigt, und Alles kann noch glücklich enden!
Siebenter Auftritt.
Vorige. Truffaldin mit den Verschnittenen.
Truffaldin (ist nach und nach näher gekommen, hat die Ausgänge
besetzt und tritt nun hervor, mit übertriebenen Geberden dem
Barak den Degen auf die Brust haltend).
Halt an und steht! Nicht von der Stelle! Nicht
Gemuckst! Der ist des Todes, der sich rührt.
Skirina. O wehe mir!
Barak. Ich weiß, Ihr sucht den Hassan.
Hier bin ich, führt mich fort.
Truffaldin. Bst! Keinen Lärmen!
's ist gut gemeint. Es soll Euch eine ganz
Absonderliche Gnad' und Ehr' geschehn.
Barak. Ja, ins Serail wollt Ihr mich führen, kommt!
Truffaldin. Gemach! Gemach! Ei, seht doch, welche Gunst
Euch widerfährt! Ins Harem! ins Serail
Der Königin--Ihr glückliche Person!
's kommt keine Fliege ins Serail, sie wird
Erst wohl besichtigt und beschaut, ob sie
Ein Männchen oder Weib, und ist's ein Männchen,
Wird's ohne Gnad' gekreuzigt und gepfählt.
--Wer ist der Alte da?
Barak. Ein armer Bettler,
Den ich nicht kenne--Kommt und laßt uns gehn.
Truffaldin (betrachtet den Timur mit lächerlicher Genauigkeit).
Gemach! Gemach! Ein armer Bettler! Ei!
--Wir haben uns großmüthig vorgesetzt,
Auch dieses armen Bettlers Glück zu machen.
(Bemerkt und betrachtet die Skirina.)
--Wer ist die Weibsperson?
Barak. Was zögerst du?
Ich weiß, daß deine Königin mich erwartet.
Laß diesen Greis! Das Weibsbild kenn' ich nicht,
Hab's nie gesehn und weiß nicht, wer sie ist.
Truffaldin (zornig). Du kennst sie nicht? Du hast sie nie gesehn?
Verdammte Lüge! Was! Kenn' ich sie nicht
Als deine Frau und als die Mutter nicht
Der Sklavin Zelima? Hab' ich sie nicht
Zu hundert Malen im Serail gesehn,
Wenn sie der Tochter weiße Wäsche brachte?
(Mit komischer Gravität zu den Verschnittenen.)
Merkt, Sklaven, den Befehl. den ich euch gebe!
Die drei Personen hier nehmt in Verwahrung,
Bewacht sie wohl, hört ihr, laßt sie mit keiner
Lebend'gen Seele reden, und bei Nacht,
Sobald es still ist, führt sie ins Serail!
Timur. O Gott! Was wird aus mir!
Skirina. Ich fass' es nicht.
Barak (zu Timur). Was aus dir werden soll, und was aus mir?
Ich werde Alles leiden. Leid' auch du!
Vergiß nicht, was ich dir empfahl--und, was
Dir auch begegne, hüte deine Zunge!
--Jetzt hast du, thöricht Weib, was du gewollt.
Skirina. Gott steh uns bei!
Truffaldin (zu den Schwarzen). Ergreift sie! Fort mit ihnen!
(Gehen ab.)
Vierter Aufzug.
Vorhof mit Säulen. In der Mitte eine Tafel mit einem mächtig
großen Becken, voll von Goldstücken.
Erster Auftritt.
Turandot. Zelima. Skirina. Timur. Barak.
(Barak und Timur stehen, jeder an einer Säule, einander gegenüber,
die Verschnittenen um sie herum, alle mit entblößten Säbeln und
Dolchen. Zelima und Skirina stehen weinend auf der einen, Turandot
drohend und streng auf der andern Seite.)
Turandot. Noch ist es Zeit. Noch lass' ich mich herab,
Zu bitten--Dieser aufgehäufte Berg
Von Gold ist euer, wenn ihr mir in Gutem
Des Unbekannten Stand und Namen nennt.
Besteht ihr aber drauf, ihn zu verschweigen,
So sollen diese Dolche, die ihr hier
Auf euch gezückt seht, euer Herz durchbohren!
He da, ihr Sklaven! Machet euch bereit.
(Die Verschnittenen halten ihnen ihre Dolche auf die Brust.)
Barak (zu Skirina). Nun, heillos Weib, nun siehst du, Skirina,
Wohin uns deine Plauderhaftigkeit geführt.
--Prinzessin, sättigt Eure Wuth! Ich biete
Den Martern Trotz, die Ihr ersinnen könnt,
Ich bin bereit, den herbsten Tod zu leiden.
--Herbei, ihr Schwarzen! Auf, ihr Marterknechte.
Tyrannische Werkzeuge der Tyrannin,
Zerfleischt mich, tödtet mich, ich will es dulden.
--Sie hat ganz Recht, ich kenne diesen Prinzen
Und seinen Vater, Beider Namen weiß ich;
Doch keine Marter preßt sie von mir aus,
Kein Gold verführt mich; weniger als Staub,
Als schlechte Erde acht' ich diese Schätze!
Du, meine Gattin, jammre nicht um mich!
Für Diesen Alten spare deine Thränen,
Für ihn erweiche dieses Felsenherz,
Daß der Unschuldige gerettet werde!
Sein ganz Verbrechen ist, mein Freund zu sein.
Skirina (flehend zu Turandot).
O Königin, Erbarmen!
Timur. Niemand kümmre sich
Um einen schwachen Alten, den die Götter
Im Zorn verfolgen, dem der Tod Erlösung,
Das Leben eine Marter ist. Ich will
Dich retten, Freund, und sterben. Wisse denn,
Du Grausame--
Barak (unterbricht ihn). Um aller Götter willen, schweigt!
Der Name komme nicht aus Eurem Munde!
Turandot (neugierig).
Du weißt ihn also, Greis?
Timur. Ob ich ihn weiß?
Unmenschliche!--Freund, sag' mir das Geheimniß,
Warum darf ich die Namen nicht entdecken?
Barak. Ihr tödtet ihn und uns, wenn Ihr sie nennt.
Turandot. Er will dich schrecken, Alter, fürchte nichts!
Herbei, ihr Sklaven, züchtigt den Verwegnen!
(Die Verschnittenen umgeben den Barak.)
Skirina. Ihr Götter, helft! Mein Mann! Mein Mann!
Timur (tritt dazwischen). Halt! Haltet!
Was soll ich thun! Ihr Götter, welche Marter!
--Prinzessin, schwört mir's zu bei Eurem Haupt,
Bei Euren Göttern schwört mir, daß sein Leben
Und dieses Fremdlings Leben ungefährdet
Sein soll--Mein eignes acht' ich nichts und will
Es freudig Eurer Wuth zum Opfer geben--
Schwört mir das zu, und Ihr sollt Alles wissen.
Turandot. Bei meinem Haupt, zum furchtbarn Fohi schwör' ich,
Daß weder seinem Leben, noch des Prinzen,
Noch irgend eines hier Gefährde droht--
Barak (unterbricht sie).
Halt, Lügnerin--Nicht weiter--Glaubt ihr nicht!
Verrätherei lauscht hinter diesem Schwur.
--Schwört, Turandot, schwört, daß der Unbekannte
Euer Gatte werden soll, im Augenblick,
Da wir die Namen Euch entdeckt, wie recht
Und billig ist; Ihr wißt es, Undankbare!
Schwört, wenn Ihr könnt und dürft, daß er, verschmäht
Von Euch, nicht in Verzweiflung sterben wird
Durch seine eigne Hand--Und schwört uns zu,
Daß, wenn wir Euch die Namen nun entdeckt,
Für unser Leben nichts zu fürchten sei,
Noch, daß ein ew'ger Kerker uns lebendig
Begraben und der Welt verbergen soll--
Dies schwört uns, und der Erste bin ich selbst,
Der Euch die beiden Namen nennt!
Timur. Was für Geheimnisse sind dies! Ihr Götter,
Nehmt diese Qual und Herzensangst von mir!
Turandot. Ich bin der Worte müd--Ergreift sie, Sklaven!
Durchbohret sie!
Skirina. O Königin! Erbarmen!
(Die Verschnittenen sind im Begriff, zu gehorchen, aber Skirina
und Zelima werfen sich dazwischen.)
Barak. Nun siehst du, Greis, das Herz der Tigerin!
Timur (niedergeworfen).
Mein Sohn! Dir weih' ich freudig dieses Leben.
Die Mutter ging voran, ihr folg' ich nach.
Turandot (betroffen, wehrt den Sklaven).
Sein Sohn! Was hör' ich! Haltet!--Du ein Prinz?
Ein König? Du des Unbekannten Vater?
Timur. Ja, Grausame! Ich bin ein König--bin
Ein Vater, den der Jammer niederdrückt!
Barak. O König! Was habt Ihr gethan!
Skirina. Ein König!
In solchem Elend!
Zelima. Allgerechte Götter!
Turandot (in tiefes Sinnen verloren, nicht ohne Rührung).
Ein König und in solcher Schmach!--Sein Vater!
Des unglücksel'gen Jünglings, den ich mich
Zu hassen zwinge und nicht hassen kann!
--O der Bejammernswürdige--Wie wird mir!
Das Herz im tiefsten Busen wendet sich!
Sein Vater!--Und er selbst--Sagt' er nicht so?
Genöthiget, als niedrer Knecht zu dienen
Und Lasten um geringen Sold zu tragen!
O Menschlichkeit! O Schicksal!
Barak. Turandot,
Dies ist ein König! Scheuet Euch und schaudert
Zurück, die heil'gen Glieder zu verletzen!
Wenn solches Jammers Größe Euch nicht rührt,
Euch nicht das Mitleid, nicht die Menschlichkeit
Entwaffnen kann, laßt Euch die Scham besiegen.
Ehrt Eures eignen greisen Vaters Haupt
In diesem Greis--O, schändet Euch nicht selbst
Durch eine That, die Euer Blut entehrte!
Genug daß Ihr die Jünglinge gemordet,
Schonet das Alter, das ohnmächtige,
Das auch die Götter zum Erbarmen zwingt!
Zelima (wirft sich zu ihren Füßen).
Ihr seid bewegt, Ihr könnt nicht widerstehn.
O, gebt dem Mitleid und der Gnade Raum,
Laßt Euch die Größe dieses Jammers rühren!
Zweiter Auftritt.
Adelma zu den Vorigen.
Turandot (ihr entgegen).
Kommst du, Adelma? Hilf mir! O, schaff' Rath!
Ich bin entwaffnet--Ich bin außer mir!
Dies ist sein Vater, ein Monarch und König!
Adelma. Ich hörte Alles. Fort mit diesen Beiden,
Schafft dieses Gold hinweg, der Kaiser naht!
Turandot. Mein Vater? Wie?
Adelma. Ist auf dem Weg hieher. (Zu den Schwarzen)
Fort, eh wir überfallen werden! Sklaven,
Führt diese Beiden in die untersten
Gewölbe des Serails, dort haltet sie
Verborgen bis auf weitere Befehle! (Zu Turandot)
Es ist umsonst. Wir müssen der Gewalt
Entsagen. Nichts kann retten, als die List.
--Ich habe einen Anschlag--Skirina,
Ihr bleibt zurück. Auch Zelima soll bleiben.
Barak (zu Timur). Weh uns, mein Fürst! Die Götter mögen wissen,
Welch neues Schreckniß ansgebrütet wird!
--Weib! Tochter! Seid getreu, o, haltet fest,
Laßt euch von diesen Schlangen nicht verführen!
Turandot (zu den Schwarzen).
Ihr wisset den Befehl. Fort, fort mit ihnen
In des Serails verborgenste Gewölbe!
Timur. Fall' Eure ganze Rache auf mein Haupt!
Nur ihm, nur meinem Sohn erzeiget Mitleid!
Barak. Mitleid in dieser Furie! Verrathen
Ist Euer Sohn, und uns, ich seh' es klar,
Wird ew'ge Nacht dem Aug der Welt verbergen.
Man führt uns aus dem Angesicht der Menschen,
Wohin kein Lichtstrahl und kein Auge dringt,
Und unser Schmerz kein fühlend Ohr erreicht! (Zur Prinzessin.)
Die Welt kannst du, der Menschen Auge blenden,
Doch zittre vor der Götter Rachgericht!
Magst du im Schlund der Erde sie verstecken,
Laß tausend Todtengrüfte sie bedecken,
Sie bringen deine Übelthat ans Licht.
(Er folgt mit Timur den Verschnittenen, welche zugleich die
Tafel und das Becken mit den Goldstücken hinwegtragen.)
Dritter Auftritt.
Turandot. Adelma. Zelima und Skirina.
Turandot (zu Adelma). Auf dich verlass' ich mich, du einz'ge Freundin!
O, sage, sprich, wie du mich retten willst.
Adelma. Die Wachen, die auf Altoums Befehl
Des Prinzen Zimmer hüten, sind gewonnen.
Man kann zu ihm hineingehn, mit ihm sprechen--
Und was ist dann nicht möglich, wenn wir klug
Die Furcht, die Überredung spielen lassen.
Denn arglos ist sein Herz und gibt sich leicht
Der Schmeichelstimme des Verräthers hin.
Wenn Skirina, wenn Zelima mir nur
Behilflich sind und ihre Rolle spielen,
So zweifelt nicht, mein Anschlag soll gelingen.
Turandot (zu Skirina). So lieb dir Hassans Leben, Skirina!
Er ist in meiner Macht, ich kann ihn tödten.
Skirina. Was Ihr befehlt, ich bin bereit zu Allem,
Wenn ich nur meines Hassans Leben rette.
Turandot (zu Zelima). So werth dir meine Gunst ist, Zelima.--
Zelima. Auf meinen Eifer zählt und meine Treue!
Adelma. So kommt. Kein Augenblick ist zu verlieren (Sie gehen ab.)
Turandot. Geht, geht! Thut, was sie sagt.
Vierter Auftritt.
Turandot allein.
Was sinnt Adelma?
Wird sie mich retten? Götter, steht ihr bei!
Kann ich mich noch mit diesem Siege krönen,
Weß Name wird dann größer sein, als meiner?
Wer wird es wagen, sich in Geisteskraft
Mit Turandot zu messen?--Welche Lust,
Im Divan, vor der wartenden Versammlung,
Die Namen ihm ins Angesicht zu werfen
Und ihn beschämt von meinem Thron zu weisen!
--Und doch ist mir's, als würd' es mich betrüben!
Mir ist, als säh' ich ihn, verzweiflungsvoll,
Zu meinen Füßen seinen Geist verhauchen,
Und dieser Anblick dringt mir in das Herz.
--Wie, Turandot? Wo ist der edle Stolz
Der großen Seele? Hat's ihn auch gekränkt,
Im Divan über dich zu triumphieren?
Was wird dein Antheil sein, wenn er auch hier
Den Sieg dir abgewinnt?--Recht hat Adelma!
Zu weit ist es gekommen! Umkehr ist
Nicht möglich!--Du mußt siegen oder fallen!
Besiegt von einem, ist besiegt von allen!
Fünfter Auftritt.
Turandot. Altoum. Pantalon und Tartaglia folgen ihm in einiger
Entfernung nach.
Altoum (in einem Briefe lesend und in tiefen Gedanken, für sich).
So mußte dieser blutige Tyrann
Von Tefflis enden! Kalaf, Timurs Sohn,
Aus seiner Väter Reich vertrieben, flüchtig
Von Land zu Lande schweifend, muß hieher
Nach Peckin kommen und durch seltsame
Verkettung der Geschicke glücklich werden!
So führt das Schicksal an verborgnem Band
Den Menschen auf geheimnißvollen Pfaden!
Doch über ihm wacht eine Götterhand,
Und wunderbar entwirret sich der Faden.
Pantalon (leise zu Tartaglia).
Rappelt's der Majestät? Was kömmt sie an,
Daß sie in Versen mit sich selber spricht?
Tartaglia (leise zu Pantalon).
Still, still! Es ist ein Bote angelangt
Aus fernen Landen--Was er brachte, mag
Der Teufel wissen!
Altoum (steckt den Brief in den Busen und wendet sich zu
seiner Tochter).
Turandot! Die Stunden
Entfliehen, die Entscheidung rückt heran,
Und schlaflos irrst du im Serail umher,
Zerquälst dich, das Unmögliche zu wissen.
--Vergebens quälst du dich. Es ist umsonst,
Ich aber hab' es ohne Müh' erfahren.
--Sieh diesen Brief. Hier stehen beide Namen
Und Alles, was sie kenntlich macht. So eben
Bringt ihn ein Bote mir aus fernen Landen.
Ich halt' ihn wohl verschlossen und bewacht,
Bis dieser nächste Tag vorüber ist.
Der unbekannte Prinz ist wirklich König
Und eines Königs Sohn--Es ist unmöglich,
Daß du errathest, wer sie beide seien.
Ihr Reich liegt allzufern von hier, der Name
Ist kaum zu Peckin ausgesprochen worden.
--Doch sieh, weil ich's als Vater mit dir meine,
Komm' ich in später Nacht noch her--Kann es
Dir Freude machen, dich zum zweitenmal
Im Divan dem Gelächter bloßzustellen,
Dem Hohn des Pöbels, der mit Ungeduld
Drauf wartet, deinen Stolz gebeugt zu sehn?
Denn abgesinnt, du weißt's, ist dir das Volk,
Kaum werd' ich seiner Wuth gebieten können,
Wenn du im Divan nun verstummen mußt.
--Sieh liebes Kind, dies führte mich hieher.
(Zu Pantalon und Tartaglia.)
Laßt uns allein! (Jene entfernen sich ungern und zaudernd.)
Sechster Auftritt.
Turandot und Altoum.
Altoum (nachdem jene weg sind, nähert sich ihr und faßt sie
vertraulich bei der Hand).
Ich komme, deine Ehre
Zu retten.
Turandot. Meine Ehre, Sire? Spart Euch
Die Müh! Nicht Rettung brauch' ich meiner Ehre--
Ich werde mir im Divan morgen selbst
Zu helfen wissen.
Altoum. Ach, du schmeichelst dir
Mit eitler Hoffnung. Glaube mir's, mein Kind,
Unmöglich ist's, zu wissen, was du hoffst.
Ich les' in deinen Angen, deinen wild
Verwirrten Zügen deine Qual und Angst.
Ich bin dein Vater; sieh, ich hab' dich lieb.
--Wir sind allein--Sei offen gegen mich!
Bekenn' es frei--weißt du die beiden Namen?
Turandot. Ob ich sie weiß, wird man im Divan hören.
Altoum. Nein, Kind, du weißt sie nicht, kannst sie nicht wissen.
Wenn du sie weißt, so sag' mir's im Vertrauen.
Ich lasse dann den Unglücksel'gen wissen,
Daß er verrathen ist, und lass' ihn still
Aus meinen Staaten ziehn. So meidest du
Den Haß des Volks--und mit dem Sieg zugleich
Trägst du den Ruhm der Großmuth noch davon,
Daß du dem Überwundenen die Schmach
Der öffentlichen Niederlage spartest.
--Um dieses Einz'ge bitt' ich dich, mein Kind!
Wirst du's dem Vater, der dich liebt, versagen?
Turandot. Ich weiß die Namen oder weiß sie nicht,
Genug! Hat er im Divan meiner nicht
Geschont, brauch' ich auch seiner nicht zu schonen.
Gerechtigkeit geschehe! Öffentlich,
Wenn ich sie weiß, soll man die Namen hören.
Altoum (will ungeduldig werden, zwingt sich aber und fährt mit
Mäßigung und Milde fort).
Durft' er dich schonen? Galt es nicht sein Leben?
Galt es nicht, was ihm mehr war, deine Hand?
Dich zu gewinnen und sich selbst zu retten,
Mußt' er den Sieg im Divan dir entreißen.
--Nur einen Augenblick leg' deinen Zorn
Bei Seite, Kind--Gib Raum der Überlegung!
Sieh, dieses Haupt setz' ich zum Pfand, du weißt
Die Namen nicht--Ich aber weiß sie--hier (auf den Brief zeigend)
Stehn sie geschrieben, und ich sag' sie dir.
--Der Divan soll sich in der Früh' versammeln,
Der Unbekannte öffentlich erscheinen;
Mit seinem Namen redest du ihn an;
Er soll beschämt, vom Blitz getroffen, stehen,
Verzweifelnd jammern und vor Schmerz vergehen;
Vollkommen sei sein Fall und dein Triumph.
Doch nun, wenn du so tief ihn hast gebeugt
Erheb' ihn wieder! Frei, aus eigner Wahl
Reich' ihm die Hand und endige sein Leiden.
--Komm, meine Tochter, schwöre mir, daß du
Das thun willst, und sogleich--wir sind allein--
Sollst du die Namen wissen. Das Geheimniß,
Ich schwöre dir, soll mit uns beiden sterben.
So löst der Knote sich erfreulich auf;
Du krönest dich mit neuem Siegesruhm,
Versöhnest dir durch schöne Edelthat
Die Herzen meines Volks, gewinnst dir selbst
Den Würdigsten der Erde zum Gemahl,
Erfreuest, tröstest nach so langem Gram
In seinem hohen Alter deinen Vater.
Turandot (ist während dieser Rede in eine immer zunehmende
Bewegung gerathen).
Ach, wie viel arge List gebraucht mein Vater!
--Was soll ich thun? Mich auf Adelmas Wort
Verlassen und dem ungewissen Glück
Vertraun? Soll ich vom Vater mir die Namen
Entdecken lassen und den Nacken beugen
In das verhaßte Joch?--Furchtbare Wahl!
(Sie steht unentschlossen in heftigem Kampf mit sich selbst.)
Herunter, stolzes Herz! Bequeme dich!
Dem Vater nachzugeben ist nicht Schande!
(Indem sie einige Schritte gegen Altoum macht, steht sie
plötzlich wieder still.)
Doch wenn Adelma--sie versprach so kühn,
So zuversichtlich--wenn sie's nun erforschte,
Und übereilt hätt' ich den Schwur gethan?
Altoum. Was sinnest du und schwankest, meine Tochter,
In zweifelnden Gedanken hin und her?
Soll etwa diese Angst mich überreden,
Daß du des Sieges dich versichert haltest?
O Kind, gib deines Vaters Bitte nach--
Turandot. Es sei! Ich wag es drauf. Ich will Adelma
Erwarten--So gar dringend ist mein Vater?
Ein sichres Zeichen, daß es möglich ist,
Ich könne, was er fürchtet, durch mich selbst
Erfahren--Er versteht sich mit dem Prinzen!
Nicht anders! Von ihm selbst hat er die Namen;
Es ist ein abgeredet Spiel; ich bin
Verrathen, und man spottet meiner!
Altoum. Nun?
Was zauderst du? Hör auf, dich selbst zu quälen,
Entschließe dich!
Turandot. Ich bin entschlossen--Morgen
In aller Früh' versammle sich der Divan.
Altoum. Du bist entschlossen, es aufs Äußerste,
Auf öffentliche Schande hin zu wagen?
Turandot. Entschlossen, Sire, die Probe zu bestehen.
Altoum (in heftigem Zorn).
Unsinnige! Verstockte! Blindes Herz!
Noch blinder als die Albernste des Pöbels!
Ich bin gewiß, wie meines eignen Haupts,
Daß du dich öffentlich beschimpfst, daß dir's
Unmöglich ist, das Räthsel aufzulösen.
Wohlan! Der Divan soll versammelt werden,
Und in der Nähe gleich sei der Altar!
Der Priester halte sich bereit, im Augenblick,
Da du verstummst, beim lauten Hohngelächter
Des Volks die Trauung zu vollziehn. Du hast
Den Vater nicht gehört, da er dich flehte.
Leb' oder stirb! Er wird dich auch nicht hören! (Er geht ab.)
Turandot. Adelma! Freundin! Retterin! Wo bist du?
Verlassen bin ich von der ganzen Welt.
Mein Vater hat im Zorn mich aufgegeben,
Von dir allein erwart' ich Heil und Leben. (Entfernt sich von der
andere Seite.)
Siebenter Auftritt.
Die Scene verwandelt sich in ein prächtiges Gemach mit mehreren
Ausgängen. Im Hintergrund steht ein orientalisches Ruhebett für
Kalaf. Es ist finstere Nacht.
Kalaf. Brigella mit einer Fackel.
(Kalaf geht in tiefen Gedanken auf und ab, Brigella betrachtet
ihn mit Kopfschütteln.)
Brigella. 's hat eben Drei geschlagen, Prinz, und Ihr
Seid nun genau dreihundert sechzigmal
In diesem Zimmer auf und ab spaziert.
Verzeiht! Mir liegt der Schlaf in allen Gliedern,
Und wenn Ihr selbst ein wenig ruhen wolltet,
Es könnt' nicht schaden.
Kalaf. Du hast Recht, Brigella.
Mein sorgenvoller Geist treibt mich umher;
Doch du magst gehen und dich schlafen legen.
Brigella (geht, kommt aber gleich wieder zurück).
Ein Wort zur Nachricht, Hoheit--Wenn Euch hier
Von ohngefähr so was erscheinen sollte--
Macht Eure Sache gut--Ihr seid gewarnt!
Kalaf. Erscheinungen? Wie so? An diesem Ort?
(Mustert mit unruhigen Blicke das Zimmer.)
Brigella. Du lieber Himmel! Uns ist zwar verboten
Bei Lebensstrafe, Niemand einzulassen.
Doch--arme Diener! Herr, Ihr wißt ja wohl!
Der Kaiser ist der Kaiser, die Prinzeß
Ist, so zu sagen, Kaiserin--und was
Die in den Kopf sich setzt, das muß geschehn!
's wird Einem sauer, Hoheit, zwischen zwei
Dachtraufen trocknen Kleides durchzukommen.
--Versteht mich wohl. Man möchte seine Pflicht
Gern ehrlich thun--Doch man erübrigte
Auch gern etwas für seine alten Tage.
Herr, unsereins ist halter übel dran!
Kalaf. Wie? Sollte man mir gar ans Leben wollen?
Brigella, rede!
Brigella. Gott soll mich bewahren!
Allein bedenkt die Neugier, die man hat,
Zu wissen, wer Ihr seid. Es könnte sich
Zum Beispiel fügen, daß--durchs Schlüsselloch--
Ein Geist--ein Unhold--eine Hexe käme,
Euch zu versuchen--Gnug! Ihr seid gewarnt!
Versteht mich--Arme Diener, arme Schelme!