Johann Shiller

Turandot, Prinzessin von China
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Kalaf (lächelnd).  Sei außer Sorgen.  Ich verstehe dich
Und werde mich in Acht zu nehmen wissen.

Brigella.  Thut das, und somit Gott befohlen, Herr.
Ums Himmels willen, bringt mich nicht ins Unglück!

(Gegen die Zuschauer.)

Es kann geschehen, daß man einen Beutel
Mit Golde ausschlägt--möglich ist's!  Was mich betrifft,
Ich that mein Bestes, und ich konnt' es nicht.  (Er geht ab.)

Kalaf.  Er hat mir Argwohn in mein Herz gepflanzt.
Wer könnte mich hier überfallen wollen?
Und laß die Teufel aus der Hölle selbst
Ankommen, dieses Herz wird standhaft bleiben.  (Er tritt ans Fenster.)
Der Tag ist nicht mehr weit, ich werde nun
Nicht lange mehr auf dieser Folter liegen.
Indeß versuch' ich es, ob ich vielleicht
Den Schlaf auf diese Augen locken kann.

(Indem er sich auf das Ruhebette niederlassen will, öffnet sich
eine von den Thüren.)



Achter Auftritt.

Kalaf.  Skirina in männlicher Kleidung und mit einer Maske vor
dem Gesicht.


Skirina (furchtsam sich nähernd).
Mein lieber Herr--Herr--O, wie zittert mir
Das Herz!

Kalaf (auffahrend).  Wer bist du, und was suchst du hier?

Skirina (nimmt die Maske vom Gesicht).
Kennt Ihr mich nicht?  Ich bin ja Skirina,
Des armen Hassans Weib und Eure Wirthin.
Verkleidet hab' ich durch die Wachen mich
Herein gestohlen--Ach!  was hab' ich Euch
Nicht alles zu erzählen--Doch die Angst
Erstickt mich, und die Kniee zittern mir;
Ich kann vor Thränen nicht zu Worte kommen.

Kalaf.  Sprecht, gute Frau.  Was habt Ihr mir zu sagen?

Skirina (sich immer schüchtern umsehend).
Mein armer Mann hält sich versteckt.  Es ward
Der Turandot gesagt, daß er Euch kenne.
Nun wird ihm nachgespürt an allen Orten,
Ihn ins Serail zu schleppen und ihm dort
Gewaltsam Euren Namen abzupressen.
Wird er entdeckt, so ist's um ihn geschehn;
Denn eher will er unter Martern sterben,
Als Euch verrathen.

Kalaf.  Treuer, wackrer Diener!
--Ach, die Unmenschliche!

Skirina.  Ihr habt noch mehr
Von mir zu hören--Euer Vater ist
In meinem Haus.

Kalaf.  Was sagst du?  Große Götter!

Skirina.  Von Eurer Mutter zum trostlosen Wittwer
Gemacht--

Kalaf.  O meine Mutter!

Skirina.  Hört mich weiter!
Er weiß, daß man Euch hier bewacht; er zittert
Für Euer Leben; er ist außer sich;
Er will verzweifelnd vor den Kaiser dringen,
Sich ihm entdecken, kost' es, was es wolle;
Mit meinem Sohne, ruft er, will ich sterben!
Vergebens such' ich ihn zurück zu halten,
Sein Ohr ist taub, er hört nur seinen Schmerz;
Nur das Versprechen, das ich ihm gethan,
Ein tröstend Schreiben ihm von Eurer Hand
Mit Eures Namens Unterschrift zu bringen,
Das ihm Versichrung gibt von Eurem Leben,
Hielt ihn vom Äußersten zurück!  So hab' ich mich
Hieher gewagt und in Gefahr gesetzt,
Dem kummervollen Greise Trost zu bringen.

Kalaf.  Mein Vater hier in Peckin!  Meine Mutter
Im Grab!--Du hintergehst mich, Skirina!

Skirina.  Mich strafe Fohi, wenn ich Euch das lüge!

Kalaf.  Bejammernswerther Vater!  Arme Mutter!

Skirina (dringend).  Kein Augenblick ist zu verlieren!  Kommt!
Bedenkt Euch nicht; schreibt diese wen'gen Worte.
Fehlt Euch das Nöthige, ich bracht' es mit.

(Sie zieht eine Schreibtafel hervor.)

Genug, wenn dieser kummervolle Greis
Zwei Zeilen nur von Eurer Hand erhält,
Daß Ihr noch lebt und daß Ihr Gutes hofft.
Sonst treibt ihn die Verzweiflung an den Hof,
Er nennt sich dort, und Alles ist verloren.

Kalaf.  Ja, gib mir diese Tafel!

(Er ist im Begriff zu schreiben, hält aber plötzlich inne und
sieht sie forschend an.)
Skirina!
Hast du nicht eine Tochter im Serail?
--Ja, ja, ganz recht.  Sie dient Sklavin dort
Der Turandot; dein Mann hat mir's gesagt.

Skirina.  Nun ja!  Wie kommt Ihr darauf?

Kalaf.  Skirina!
Geh nur zurück und sage meinem Vater
Von meinetwegen, daß er ohne Furcht
Geheimen Zutritt bei dem Kaiser fordre
Und ihm entdecke, was sein Herz ihn heißt.
Ich bin's zufrieden.

Skirina (betroffen).  Ihr verweigert mir
Den Brief?  Ein Wort von Eurer Hand genügt.

Kalaf.  Nein, Skirina, ich schreibe nicht.  Erst morgen
Erfährt man, wer ich bin--Ich wundre mich,
Daß Hassans Weib mich zu verrathen sucht.

Skirina.  Ich Euch verrathen!  Guter Gott!  (Für sich.)
Adelma mag denn selbst ihr Spiel vollenden.  (Zu Kalaf.)
Wohl, Prinz!  Wie's Euch beliebt!  Ich geh' nach Hause,
Ich richte Eure Botschaft aus; doch glaubt' ich nicht,
Nach so viel übernommener Gefahr
Und Mühe Euren Argwohn zu verdienen.  (Im Abgehen.)
Adelma wacht, und Dieser schlummert nicht.  (Entfernt sich.)

Kalaf.  Erscheinungen!--Du sagtest recht, Brigella!
Doch, daß mein Vater hier in Peckin sei
Und meine Mutter todt, hat dieses Weib
Mit einem heil'gen Eide mir bekräftigt!
Kommt doch das Unglück nie allein!  Ach, nur
Zu glaubhaft ist der Mund, der Böses meldet!

(Die entgegengesetzte Thüre öffnet sich.)

Noch ein Gespenst!  Laß sehen, was es will!



Neunter Auftritt.

Kalaf.  Zelima.


Zelima.  Prinz, ich bin eine Sklavin der Prinzessin
Und bringe gute Botschaft.

Kalaf.  Gäb's der Himmel!
Wohl wär' es Zeit, daß auch das Gute käme!
Ich hoffe nichts, ich schmeichle mir mit nichts;
Zu fühllos ist das Herz der Turandot.

Zelima.  Wohl wahr, ich leugn' es nicht--und dennoch, Prinz,
Gelang es Euch, dies stolze Herz zu rühren.
Euch ganz allein; Ihr seid der Erste--Zwar
Sie selbst besteht darauf, daß sie Euch hasse;
Doch ich bin ganz gewiß, daß sie Euch liebt.
Die Erde thu' sich auf und reiße mich
In ihren Schlund hinab, wenn ich das lüge!

Kalaf.  Gut, gut, ich glaube dir.  Die Botschaft ist
Nicht schlimm.  Hast du noch Mehreres zu sagen?

Zelima (nähertretend).  Ich muß Euch im Vertrauen sagen, Prinz,
Der Stolz, der Ehrgeiz treibt sie zur Verzweiflung.
Sie sieht nun ein, daß sie Unmögliches
Sich aufgebürdet, und vergeht vor Scham,
Daß sie im Divan nach so vielen Siegen
Vor aller Welt zu Schanden werden soll.
Der Abgrund öffne sich und schlinge mich
Hinab, wenn ich mit Lügen Euch berichte!

Kalaf.  Ruf nicht so großes Unglück auf dich her!
Ich glaube dir.  Geh, sage der Prinzessin,
Leicht sei es ihr, in diesem Streit zu siegen;
Mehr als durch ihren glänzenden Verstand
Wird sich ihr Ruhm erheben, wenn ihr Herz
Empfinden lernt, wenn sie der Welt beweist,
Sie könne Mitleid fühlen, könne sich
Entschließen, einen Liebenden zu trösten
Und einen greisen Vater zu erfreun.
Ist dies etwa die gute Botschaft, sprich,
Die ich zu hören habe?

Zelima.  Nein, mein Prinz!
Wir geben uns so leichten Kaufes nicht;
Man muß Geduld mit unsrer Schwachheit haben.
--Hört an!

Kalaf.  Ich höre.

Zelima.  Die Prinzessin schickt mich.
--Sie bittet Euch um einen Dienst--Laßt sie
Die Namen wissen, und im Übrigen
Vertraut Euch kühnlich ihrer Großmuth an.
Sie will nur ihre Eigenliebe retten,
Nur ihre Ehre vor dem Divan lösen.
Voll Güte steigt sie dann von ihrem Thron
Und reicht freiwillig Euch die schöne Rechte.
--Entschließt Euch, Prinz.  Ihr waget nichts dabei.
Gewinnt mit Güte dieses stolze Herz,
So wird nicht Zwang, so wird die Liebe sie,
Die zärtlichste, in Eure Arme führen.

Kalaf (sieht ihr scharf ins Gesicht, mit einem bittern Lächeln).
Hier, Sklavin, hast du den gewohnten Schluß
Der Rede weggelassen.

Zelima.  Welchen Schluß?

Kalaf.  Die Erde öffne sich und schlinge mich
Hinab, wenn ich Unwahres Euch berichte.

Zelima.  So glaubt Ihr, Prinz, daß ich Euch Lügen sage?

Kalaf.  Ich glaub' es fast--und glaub' es so gewiß,
Daß ich in dein Begehren nimmermehr
Kann willigen.  Kehr' um zu der Prinzessin!
Sag' ihr, mein einz'ger Ehrgeiz sei ihr Herz,
Und meiner glühnden Liebe möge sie
Verzeihn, daß ich die Bitte muß versagen.

Zelima.  Bedachtet Ihr, was dieser Eigensinn
Euch kosten kann?

Kalaf.  Mag er mein Leben kosten!

Zelima.  Es bleibt dabei, er wird's Euch kosten, Prinz!
--Beharrt Ihr drauf, mir nichts zu offenbaren?

Kalaf.  Nichts!

Zelima.  Lebet wohl!  (Im Abgehen.)  Die Mühe konnt' ich sparen!

Kalaf (allein).  Geht, wesenlose Larven!  Meinen Sinn
Macht Ihr nicht wankend.  Andre Sorgen sind's,
Die mir das Herz beklemmen--Skirinas
Bericht ist's, was mich ängstiget--Mein Vater
In Peckin!  Meine Mutter todt!  Muth, Muth, mein Herz!
In wenig Stunden ist das Loos geworfen.
Könnt' ich den kurzen Zwischenraum im Arm
Des Schlafs verträumen!  Der gequälte Geist
Sucht Ruhe, und mich däucht, ich fühle schon
Den Gott die sanften Flügel um mich breiten.

(Er legt sich auf das Ruhebette und schläft ein.)



Zehnter Auftritt.

Adelma tritt auf, das Gesicht verschleiert, eine Wachskerze in
der Hand.  Kalaf schlafend.


Adelma.  Nicht Alles soll mißlingen--Hab' ich gleich
Vergebens alle Künste des Betrugs
Verschwendet, ihm die Namen zu entlocken,
So werd' ich doch nicht eben so umsonst
Versuchen, ihn aus Peckin wegzuführen
Und mit dem schönen Raube zu entfliehn.
--O heißerflehter Augenblick!  Jetzt, Liebe!
Die mir bis jetzt den kühnen Muth verliehn,
So manche Schranke mir schon überstiegen,
Dein Feuer laß auf meinen Lippen glühn!
Hilf mir in diesem schwersten Kampfe siegen!

(Sie betrachtet den Schlafenden.)

Der Liebste schläft.  Sei ruhig, pochend Herz,
Erzittre nicht!  Nicht gern, ihr holden Augen,
Scheuch' ich den goldnen Schlummer von euch weg;
Doch schon ergraut der Tag, ich darf nicht säumen.

(Sie nähert sich ihm und berührt ihn sanft.)

Prinz, wachet auf!

Kalaf (erwachend).  Wer störet meinen Schlummer?
Ein neues Trugbild?  Nachtgespenst, verschwinde!
Wird mir kein Augenblick der Ruh vergönnt?

Adelma.  Warum so heftig, Prinz?  Was fürchtet Ihr?
Nicht eine Feindin ist's, die vor Euch steht;
Nicht Euern Namen will ich Euch entlocken.

Kalaf.  Ist dies dein Zweck, so spare deine Müh.
Ich sag' es dir voraus, du wirst mich nicht betrügen.

Adelma.  Betrügen?  Ich?  Verdien' ich den Verdacht?
Sagt an!  War hier nicht Skirina bei Euch,
Mit einem Brief Euch listig zu versuchen?

Kalaf.  Wohl war sie hier.

Adelma.  Doch hat sie nichts erlangt?

Kalaf.  Daß ich ein solcher Thor gewesen wäre!

Adelma.  Gott sei's gedankt!--War eine Sklavin hier,
Mit trüglicher Vorspieglung Euch zu blenden?

Kalaf.  Solch eine Sklavin war in Wahrheit hier,
Doch zog sie leer ab--wie auch du wirst gehn.

Adelma.  Der Argwohn schmerzt, doch leicht verzeih' ich ihn.
Lernt mich erst kennen!  Setzt Euch!  Hört mich an,
Und dann verdammt mich als Betrügerin!  (Sie setzt sich, er folgt.)

Kalaf.  So redet denn und sagt, was ich Euch soll.

Adelma.  Erst seht mich näher an--Beschaut mich wohl!
Wer denkt Ihr, daß ich sei?

Kalaf.  Dies hohe Wesen,
Der edle Anstand zwingt mir Ehrfurcht ab.
Das Kleid bezeichnet eine niedre Sklavin,
Die ich, wo ich nicht irre, schon im Divan
Gesehen und ihr Los beklagt.

Adelma.  Auch ich
Hab' Euch--die Götter wissen es, wie innig--
Bejammert, Prinz!  Es sind fünf Jahre nun,
Da ich, noch selber eine Günstlingin
Des Glücks, in niederm Sklavenstand Euch sah.
Schon damals sagte mir's mein Herz, daß Euch
Geburt zu einem bessern Loos berufen.
Ich weiß, daß ich gethan, was ich gekonnt,
Euch ein unwürdig Schicksal zu erleichtern.
Weiß, daß mein Aug sich Euch verständlich machte,
Soweit es einer Königstochter ziemte.  (Sie entschleiert sich.)
Seht her, mein Prinz, und sagt mir!  Dies Gesicht,
Habt Ihr es nie gesehn in Eurem Leben?

Kalaf.  Adelma!  Ew'ge Götter!  Seh' ich recht?

Adelma.  Ihr sehet in unwürd'gen Sklavenbanden
Die Tochter Keicobads, des Königes
Der Karazanen, einst zum Thron bestimmt,
Jetzt zu der Knechtschaft Schmach herabgestoßen.

Kalaf.  Die Welt hat Euch für todt beweint.  In welcher
Gestalt, weh mir, muß ich Euch wieder finden!
Euch hier als eine Sklavin des Serails,
Die Königin, die edle Fürstentochter!

Adelma.  Und als die Sklavin dieser Turandot,
Der grausamen Ursache meines Falles!
Vernehmt mein ganzes Unglück, Prinz!  Mir lebte
Ein Bruder, ein geliebter, theurer Jüngling,
Den diese stolze Turandot, wie Euch,
Bezauberte--Er wagte sich im Divan.

(Sie hält inne, von Schluchzen und Thränen unterbrochen.)

Unter den Häuptern, die man auf dem Thore
Zu Peckin sieht--entsetzensvoller Anblick!--
Erblicktet Ihr auch das geliebte Haupt
Des theuren Bruders, den ich noch beweine.

Kalaf.  Unglückliche!  So log die Sage nicht!
So ist sie wahr, die klägliche Geschichte,
Die ich für eine Fabel nur gehalten!

Adelma.  Mein Vater Keicobad, ein kühner Mann,
Nur seinem Schmerz gehorchend, überzog
Die Staaten Altoums mit Heeresmacht,
Des Sohnes Mord zu rächen--Ach, das Glück
War ihm nicht günstig!  Männlich fechtend fiel er
Mit allen seinen Söhnen in der Schlacht.
Ich selbst, mit meiner Mutter, meinen Schwestern,
Ward auf Befehl des wüthenden Veziers,
Der unsern Stamm verfolgte, in den Strom
Geworfen.  Jene kamen um; nur mich
Errettete die Menschlichkeit des Kaisers,
Der in dem Augenblick ans Ufer kam.
Er schalt die Gräuelthat und ließ im Strom
Nach meinem jammervollen Leben fischen.
Schon halb entseelt werd' ich zum Strand gezogen;
Man ruft ins Leben mich zurück; ich werde
Der Turandot als Sklavin übergeben,
Zu glücklich noch, das Leben als Geschenk
Von eines Feindes Großmuth zu empfangen.
O, lebt in Eurem Busen menschliches Gefühl,
So laßt mein Schicksal Euch zu Herzen gehn!
Denkt, was ich leide!  Denkt, wie es ins Herz
Mir schneidet, sie, die meinen ganzen Stamm
Vertilgt, als eine Sklavin zu bedienen.

Kalaf.  Mich jammert Euer Unglück.  Ja, Prinzessin,
Aufricht'ge Thränen zoll' ich Eurem Leiden--
Doch Euer grausam Loos, nicht Turandot
Klagt an--Eu'r Bruder fiel durch eigne Schuld,
Euer Vater stürzte sich und sein Geschlecht
Durch übereilten Rathschluß ins Verderben.
Sagt, was kann ich, selbst ein Unglücklicher,
Ein Ball der Schicksalsmächte, für Euch thun?
Ersteig' ich morgen meiner Wünsche Gipfel,
So sollt Ihr frei und glücklich sein--Doch jetzt
Kann Euer Unglück nichts als meins vermehren.

Adelma.  Der Unbekannten konntet Ihr mißtrauen;
Ihr kennt mich nun--Der Fürstin werdet Ihr,
Der Königstochter, glauben, was sie Euch
Ans Mitleid sagen muß und lieber noch
Aus Zärtlichkeit, aus Liebe sagen möchte.
--O, möchte dies befangne Herz mir trauen,
Wenn ich jetzt wider die Geliebte zeuge!

Kalaf.  Adelma, sprecht, was habt Ihr mir zu sagen?

Adelma.  Wißt also, Prinz--Doch nein, Ihr werdet glauben
Ich sei gekommen, Euch zu täuschen, werdet
Mit jenen feilen Seelen mich verwechseln,
Die für das Sklavenjoch geboren sind.

Kalaf.  Quält mich nicht länger!  Ich beschwör' Euch, sprecht!
Was ist's?  Was habt Ihr mir von ihr zu sagen,
Die meines Lebens einz'ge Göttin ist?

Adelma (bei Seite).  Gib Himmel, daß ich jetzt ihn überrede!

(Zu Kalaf sich wendend.)

Prinz, diese Turandot, die schändliche,
Herzlose, falsche, hat Befehl gegeben,
Euch heut am frühen Morgen zu ermorden.
--Dies ist die Liebe Eurer Lebensgöttin!

Kalaf.  Mich zu ermorden?

Adelma.  Ja, Euch zu ermorden!
Beim ersten Schritt aus diesem Zimmer tauchen
Sich zwanzig Degenspitzen Euch ins Herz,
So hat es die Unmenschliche befohlen.

Kalaf (steht schnell auf und geht gegen die Thüre).
Ich will die Wache unterrichten.

Adelma (hält ihn zurück).  Bleibt!
Wo wollt Ihr hin?  Ihr hofft noch, Euch zu retten?
Unglücklicher, Ihr wißt nicht, wo Ihr seid,
Daß Euch des Mordes Netze rings umgeben!
Dieselben Wachen, die der Kaiser Euch
Zu Hütern Eures Lebens gab, sie sind--
Gedingt von seiner Tochter, Euch zu tödten.

Kalaf (außer sich, laut und heftig mit dem Ausdruck des
innigsten Leides).
O Timur!  Timur!  Unglücksel'ger Vater!
So muß dein Kalaf endigen!  Du mußt
Nach Peckin kommen, auf sein Grab zu weinen!
Das ist der Trost, den dir dein Sohn versprach!
--Furchtbares Schicksal!

(Er verhüllt sein Gesicht, ganz seinem Schmerz hingegeben.)

Adelma (für sich, mit frohem Erstaunen).  Kalaf!  Timurs Sohn!
Glücksel'ger Fund!--Fall' es nun, wie es wolle!
Entgeh' er meinen Schlingen auch, ich trage
Mit diesen Namen sein Geschick in Händen.

Kalaf.  So bin ich mitten unter den Soldaten,
Die man zum Schutz mir an die Seite gab,
Verrathen!  Ach, wohl sagte mir's vorhin
Der feilen Sklaven einer, daß Bestechung
Und Furcht des Mächtigen das schwache Band
Der Treue lösen--Leben, fahre hin!
Vergeblich ist's, dem grausamen Gestirn,
Das uns verfolgt, zu widerstehn--Du sollst
Den Willen haben, Grausame--dein Aug
An meinem Blute weiden!  Süßes Leben,
Fahr hin!  Nicht zu entfliehen ist dem Schicksal.

Adelma (mit Feuer).  Prinz, zum Entfliehen zeig' ich Euch die Wege,
Nicht müß'ge Thränen bloß hab' ich für Euch.
Gewacht hab' ich indeß, gesorgt, gehandelt,
Kein Gold gespart, die Hüter zu bestechen.
Der Weg ist offen.  Folgt mir!  Euch vom Tode,
Mich aus den Banden zu befreien, komm' ich.
Die Pferde warten, die Gefährten sind
Bereit.  Laßt uns aus diesen Mauern fliehen,
Worauf der Fluch der Götter liegt.  Der Khan
Von Berlas ist mein Freund, ist mir durch Bande
Des Bluts verknüpft und heilige Verträge.
Er wird uns schützen, seine Staaten öffnen,
Uns Waffen leihen, meiner Väter Reich
Zurück zu nehmen, daß ich mit Euch theile,
Wenn Ihr der Liebe Opfer nicht verschmäht.
Verschmäht Ihr's aber und verachtet mich,
So ist die Tartarei noch reich genug
An Fürstentöchtern, dieser Turandot
An Schönheit gleich und zärtlicher als sie.
Aus ihnen wählt Euch eine würdige
Gemahlin aus!  Ich--will mein Herz besiegen,
Nur rettet, rettet dieses theure Leben!

(Sie spricht das Folgende mit immer steigender Lebhaftigkeit, indem
sie ihn bei der Hand ergreift und mit sich fortzureißen sucht.)

O, kommt!  Die Zeit entflieht, indem wir sprechen.
Die Hähne krähn, schon regt sich's im Palast,
Todbringend steigt der Morgen schon herauf.
Fort, eh der Rettung Pforten sich verschließen!

Kalaf.  Großmüthige Adelma!  Einz'ge Freundin!
Wie schmerzt es mich, daß ich nach Berlas Euch
Nicht folgen, nicht der Freiheit süß Geschenk,
Nicht Euer väterliches Reich zurück
Euch geben kann--Was würde Altoum
Zu dieser heimlichen Entweichung sagen?
Macht' ich nicht schändlichen Verraths mich schuldig,
Wenn ich, des Gastrechts heilige Gebräuche
Verletzend, aus dem innersten Serail
Die werthgehaltne Sklavin ihm entführte?
--Mein Herz ist nicht mehr mein, Adelma.  Selbst
Der Tod, den jene Stolze mir bereitet,
Wird mir willkommen sein von ihrer Hand.
--Flieht ohne mich, flieht, und geleiten Euch
Die Götter!  Ich erwarte hier mein Schicksal.
Noch tröstlich ist's, für Turandot zu sterben,
Wenn ich nicht leben kann für sie--Lebt wohl!

Adelma.  Sinnloser!  Ihr beharrt?  Ihr seid entschlossen?

Kalaf.  Zu bleiben und den Mordstreich zu erwarten.

Adelma.  Ha, Undankbarer!  Nicht die Liebe ist's,
Die Euch zurückhält--Ihr verachtet mich!
Ihr wählt den Tod, um nur nicht mir zu folgen!
Verschmähet meine Hand, verachtet mich;
Nur flieht, nur rettet, rettet Euer Leben!

Kalaf.  Verschwendet Eure Worte nicht vergebens;
Ich bleibe und erwarte mein Geschick.

Adelma.  So bleibet denn!  Auch ich will Sklavin bleiben,
Ohn' Euch verschmäh' ich auch der Freiheit Glück.
Laß sehn, wer von uns beiden, wenn es gilt,
Dem Tode kühner trotzt!  (Von ihm wegtretend.)
Wär' ich die Erste,
Die durch Beständigkeit ans Ziel gelangte?  (Für sich.  Mit Accent.)
Kalaf!  Sohn Timurs!  (Verneigt sich spottend.)
Unbekannter Prinz!
Lebt wohl!  (Geht ab.)

Kalaf (allein).  Wird diese Schreckensnacht nicht enden?
Wer hat auf solcher Folter je gezittert?
Und endet sie, welch neues größres Schreckniß
Bereitet mir der Tag!  Aus welchen Händen!
Hat meine edelmüthig treue Liebe
Solches um dich verdient, tyrannisch Herz!
--Wohlan!  Den Himmel färbt das Morgenroth,
Die Sonne steigt herauf, und allen Wesen
Bringt sie das Leben, mir bringt sie den Tod!
Geduld, mein Herz, dein Schicksal wird sich lösen!



Eilfter Auftritt.

Brigella.  Kalaf.


Brigella.  Der Divan wird versammelt, Herr.  Die Stunde
Ist da.  Macht Euch bereit!

Kalaf (mißt ihn mit wilden, scheuen Blicken).  Bist du das Werkzeug?
Wo hast du deinen Dolch versteckt?  Mach's kurz!
Vollziehe die Befehle, die du hast!
Du raubst mir nichts, worauf ich Werth noch legte.

Brigella.  Was für Befehle, Herr?  Ich habe keinen
Befehl, als Euch zum Divan zu begleiten,
Wo Alles schon versammelt ist.

Kalaf (nach einigem Nachsinnen, resigniert).  Laß uns denn gehn!
Ich weiß, daß ich den Divan lebend nicht
Erreichen werde--Sieh, ob ich dem Tod
Beherzt entgegen treten kann.

Brigella (sieht ihn erstaunt an).
Was Teufel schwatzt er da von Tod und Sterben?
Verwünschtes Weibervolk!  Sie haben ihn
In dieser ganzen Nacht nicht schlafen lassen;
Nun ist er gar im Kopf verrückt!

Kalaf (wirft das Schwert auf den Boden).  Da liegt
Mein Schwert.  Ich will mich nicht zur Wehre setzen.
Die Grausame erfahre wenigstens,
Daß ich die unbeschützte Brust von selbst
Dem Streich des Todes dargeboten habe!

(Er geht ab und wird, sowie er hinaustritt, von kriegerischem
Spiel empfangen.)




Fünfter Aufzug.

Die Scene ist die vom zweiten Aufzug.

Im Hintergrunde des Divans steht ein Altar mit einer chinesischen
Gottheit und zwei Priestern, welche nach Aufziehung eines Vorhangs
sichtbar werden.--Bei Eröffnung des Akts sitzt Altoum auf seinem
Throne.  Pantalon und Tartaglia stehen zu seinen beiden Seiten; die
acht Doktoren an ihrem Platze, die Wache unter dem Gewehre.



Erster Auftritt.

Altoum.  Pantalon.  Tartaglia.  Doctoren.  Wache.  Gleich darauf Kalaf.


Kalaf (tritt mit einer stürmischen Bewegung in den Saal, voll
Argwohn hinter sich schauend.  In der Mitte der Scene verbeugt
er sich gegen den Kaiser, dann für sich).
Wie?  Ich bin lebend hier--Mit jedem Schritt
Erwartet' ich die zwanzig Schwerter in der Brust
Zu fühlen, und, von Niemand angefallen,
Hab' ich den ganzen Weg znrückgelegt?
So hätte mir Adelma falsche Botschaft
Verkündet--oder Turandot entdeckte
Die Namen, und mein Unglück ist gewiß!

Altoum.  Mein Sohn!  ich sehe deinen Blick umwölkt,
Dich quälen Furcht und Zweifel--Fürchte nichts mehr!
Bald werd' ich deine Stirn erheitert sehn,
In wenig Stunden endet deine Prüfung.
--Geheimnisse von freudenreichem Inhalt
Hab' ich für dich--Noch will ich sie im Busen
Verschließen, theurer Jüngling, bis dein Herz,
Der Freude offen, sie vernehmen kann.
--Doch merke dir: Nie kommt das Glück allein;
Es folgt ihm stets, mit reicher Gaben Fülle
Beladen, die Begleitung nach--Du bist
Mein Sohn, mein Eidam!  Turandot ist dein!
Dreimal hat sie in dieser Nacht zu mir
Gesendet, mich beschworen und gefleht,
Sie von der furchtbarn Probe loszusprechen.
Daraus erkenne, ob du Ursach hast,
Sie mit getrostem Herzen zu erwarten.

Pantalon (zuversichtlich).
Das könnt Ihr, Hoheit!  Auf mein Wort!  Was das
Betrifft, damit hat's seine Richtigkeit.
Nehmt meinen Glückwunsch an!  Heut ist die Hochzeit.
Zweimal ward ich in dieser Nacht zu ihr
Geholt; sie hatt' es gar zu eilig; kaum
Ließ sie mir Zeit, den Fuß in die Pantoffel
Zu stecken; ungefrühstückt ging ich hin;
Es war so grimmig kalt, daß mir der Bart
Noch zittert--Aufschub sollt' ich ihr verschaffen,
Rath schaffen sollt' ich--bei der Majestät
Fürsprach einlegen--Ja, was sollt' ich nicht!
's war mir ein rechtes Gaudium und Labsal,
Ich leugn' es nicht, sie desperat zu sehn.

Tartaglia.  Ich ward um sechs Uhr zu ihr hin beschieden;
Der Tag brach eben an; sie hatte nicht
Geschlafen und sah aus wie eine Eule.
Wohl eine halbe Stunde bat sie mich,
Gab mir die schönsten Worte, doch umsonst!
Ich glaube gar, ich hab' ihr bittre Dinge
Gesagt vor Ungeduld und grimm'ger Kälte.

Altoum.  Seht, wie sie bis zum letzten Augenblick
Noch zaudert!  Doch sie sperret sich umsonst.
Gemessene Befehle sind gegeben,
Daß sie durchaus im Divan muß erscheinen,
Und ist's mit Güte nicht, so ist's mit Zwang.
Sie selbst hat mich durch ihren Eigensinn
Berechtigt, diese Strenge zu gebrauchen.
Erfahre sie die Schande nun, die ich
Umsonst ihr sparen wollte--Freue dich,
Mein Sohn!  Nun ist's an dir, zu triumphiren!

Kalaf.  Ich dank' Euch, Sire.  Mich freuen kann ich nicht.
Zu schmerzlich leid' ich selbst, daß der Geliebten
Um meinetwillen Zwang geschehen soll.
Viel lieber wollt' ich--Ach, ich könnte nicht!
Was wäre Leben ohne sie?--Vielleicht
Gelingt es endlich meiner zärtlichen
Bewerbung, ihren Abscheu zu besiegen,
Ihn einst vielleicht in Liebe zu verwandeln.
Mein ganzes Wollen soll ihr Sklave sein,
Und all mein höchstes Wünschen ihre Liebe.
Wer eine Gunst bei mir erlangen will,
Wird keines andern Fürsprachs nöthig haben,
Als eines Winks aus ihrem schönen Aug.
Kein Nein aus meinem Munde soll sie kränken,
Solang die Parze meinen Faden spinnt;
Soweit die Welle meines Lebens rinnt,
Soll sie mein einzig Träumen sein und Denken!

Altoum.  Auf denn!  Man zögre länger nicht!  Der Divan
Werde zum Tempel!  Man erhebe den Altar!
Der Priester halte sich bereit!  Sie soll
Bei ihrem Eintritt gleich ihr Schicksal lesen
Und soll erfahren, daß ich wollen kann,
Was ich ihr schwur.

(Der hintere Vorhang wird aufgezogen; man erblickt den chinesischen
Götzen, den Altar und die Priester, Alles mit Kerzen beleuchtet.)

 Man öffne alle Pforten.
Das ganze Volk soll freien Eingang haben!
Zeit ist's, daß dieses undankbare Kind
Den tausendfachen Kummer uns bezahle,
Den sie auf unser greises Haupt gehäuft.

(Man hört einen lugubren Marsch mit gedämpften Trommeln.  Bald
darauf zeigt sich Truffaldin mit Verschnittenen; hinter ihnen
die Sklavinnen, darauf Turandot, alle in schwarzen Flören, die
Frauen in schwarzen Schleiern.)

Pantalon.  Sie kommt!  Sie kommt!  Still!  Welche Klagmusik!
Welch trauriges Gepräng!  Ein Hochzeitmarsch,
Der völlig einem Leichenzuge gleicht!

(Der Aufzug erfolgt ganz auf dieselbe Weise und mit denselben
Ceremonien wie im zweiten Akt.)



Zweiter Auftritt.

Vorige.  Turandot.  Adelma.  Zelima.  Ihre Sklavinnen und Verschnittenen.


Turandot (nachdem sie ihren Thron bestiegen, und eine allgemeine
Stille erfolgt, zu Kalaf.)
Dies Traurgepränge, unbekannter Prinz,
Und dieser Schmerz, den mein Gefolge zeigt,
Ich weiß, ist Eurem Auge süße Weide.
Ich sehe den Altar geschmückt, den Priester
Zu meiner Trauung schon bereit, ich lese
Den Hohn in jedem Blick und möchte weinen.
Was Kunst und tiefe Wissenschaft nur immer
Vermochten, hab' ich angewandt, den Sieg
Euch zu entreißen, diesem Augenblick,
Der meinen Ruhm vernichtet, zu entziehen;
Doch endlich muß ich meinem Schicksal weichen.

Kalaf.  O, läse Turandot in meinem Herzen,
Wie ihre Trauer meine Freude dämpft,
Gewiß, es würde ihren Zorn entwaffnen.
War's ein Vergehn, nach solchem Gut zu streben,
Ein Frevel wär's, es zaghaft aufzugeben!

Altoum.  Prinz, der Herablassung ist sie nicht werth.
An ihr ist's jetzo, sich herabzugeben!
Kann sie's mit edelm Anstand nicht, mag sie
Sich darein finden.  wie sie kann--Man schreite
Zum Werk!  Der Instrumente froher Schar
Verkünde laut--

Turandot.  Gemach!  Damit ist's noch zu früh!

(Aufstehend und zu Kalaf sich wendend.)

Vollkommner konnte mein Triumph nicht sein,
Als dein getäuschtes Herz in süße Hoffnung
Erst einzuwiegen und mit einemmal
Nun in den Abgrund nieder dich zu schlendern.

(Langsam und mit erhobner Stimme.)

Hör', Kalaf, Timurs Sohn, verlaß den Divan!
Die beiden Namen hat mein Geist gefunden,
Such' eine andre Braut--Weh dir und Allen,
Die sich im Kampf mit Turandot versuchen!

Kalaf.  O, ich Unglücklicher!

Altoum.  Ist's möglich?  Götter!

Pantalon.  Heil'ge Katharina!  (Zu Tartaglia.)
Geht heim!  Laßt Euch den Bart auszwicken, Doctor!

Tartaglia.  Allerhöchster Tien!  Mein Verstand steht still!

Kalaf.  Alles verloren!  Alle Hoffnung todt!
--Wer steht mir bei?  Ach, mir kann Niemand helfen!
Ich bin mein eigner Mörder; meine Liebe
Verlier' ich, weil ich allzusehr geliebt!
--Warum hab' ich die Räthsel gestern nicht
Mit Fleiß verfehlt, so läge dieses Haupt
Jetzt ruhig in dem ew'gen Schlaf des Todes,
Und meine bange Seele hätte Luft.
Warum, zu güt'ger Kaiser, mußtet Ihr
Das Blutgesetz zu meinem Vortheil mildern,
Daß ich mit meinem Haupt dafür bezahlte,
Wenn sie mein Räthsel aufgelöst--So wäre
Ihr Sieg vollkommen und ihr Herz befriedigt!

(Ein unwilliges Gemurmel entsteht im Hintergrund.)

Altoum.  Kalaf!  Mein Alter unterliegt dem Schmerz;
Der unversehne Blitzstrahl schlägt mich nieder.

Turandot (bei Seite zu Zelima).
Sein tiefer Jammer rührt mich, Zelima!
Ich weiß mein Herz nicht mehr vor ihm zu schützen.

Zelima (leise zu Turandot).
O, so ergebt Euch einmal!  Macht ein Ende!
Ihr seht, Ihr hört, das Volk wird ungeduldig!

Adelma (für sich).  An diesem Augenblick hängt Tod und Leben!

Kalaf.  Und braucht's denn des Gesetzes Schwert, ein Leben
Zu endigen, das länger mir zu tragen
Unmöglich ist?  (Er tritt an den Thron der Turandot.)
Ja, Unversöhnliche!
Sieh hier den Kalaf, den du kennst--den du
Als einen namenlosen Fremdling haßtest,
Den du jetzt kennst und fortfährst zu verschmähn!
Verlohnte sich's, ein Dasein zu verlängern,
Das so ganz werthlos ist vor deinen Augen?
Du sollst befriedigt werden, Grausame.
Nicht länger soll mein Anblick diese Sonne
Beleidigen--Zu deinen Füßen--

(Er zieht einen Dolch und will sich durchstechen.  In demselben
Augenblick macht Adelma eine Bewegung, ihn zurück zu halten,
und Turandot stürzt von ihrem Thron.)

Turandot (ihm in den Arm fallend, mit dem Ausdruck des Schreckens
und der Liebe).
Kalaf!

(Beide sehen einander mit unverwandten Blicken an und bleiben
eine Zeit lang unbeweglich in dieser Stellung.)

Altoum.  Was seh' ich!

Kalaf (nach einer Pause).  Du?  Du hinderst meinen Tod?
Ist das dein Mitleid, daß ich leben soll,
Ein Leben ohne Hoffnung, ohne Liebe?
Meiner Verzweiflung denkst du zu gebieten?
--Hier endet deine Macht.  Du kannst mich tödten;
Doch mich zum Leben zwingen kannst du nicht.
Laß mich, und wenn noch Mitleid in dir glimmt,
So zeig' es meinem jammervollen Vater.
Er ist zu Peckin, er bedarf des Trostes;
Denn auch des Alters letzte Stütze noch,
Den theuren einz'gen Sohn raubt ihm das Schicksal.

(Er will sich tödten.)

Turandot (wirft sich ihm in die Arme).
Lebt, Kalaf!  Leben sollt Ihr--und für mich!
Ich bin besiegt.  Ich will mein Herz nicht mehr
Verbergen--Eile, Zelima, den beiden
Verlassenen, du kennst sie, Trost zu bringen,
Freiheit und Freude zu verkünden--Eile!

Zelima.  Ach, und wie gerne!

Adelma (für sich).  Es ist Zeit, zu sterben.
Die Hoffnung ist verloren.

Kalaf.  Träum' ich, Götter?

Turandot.  Ich will mich keines Ruhms anmaßen, Prinz,
Der mir nicht zukommt.  Wisset denn, es wisse
Es alle Welt.  Nicht meiner Wissenschaft,
Dem Zufall, Eurer eignen Übereilung
Verdank' ich das Geheimniß Eures Namens.
Ihr selbst, Ihr ließet gegen meine Sklavin
Adelma beide Namen Euch entschlüpfen.
Durch sie bin ich dazu gelangt--Ihr also habt
Gesiegt, nicht ich, und Euer ist der Preis.
--Doch nicht bloß, um Gerechtigkeit zu üben
Und dem Gesetz genug zu thun--Nein, Prinz!
Um meinem eignen Herzen zu gehorchen,
Schenk' ich mich Euch--Ach, es war Euer, gleich
Im ersten Augenblick, da ich Euch sah!

Adelma.  O nie gefühlte Marter!

Kalaf (der diese ganze Zeit über wie ein Träumender gestanden,
scheint jetzt erst zu sich selbst zu kommen und schließt die
Prinzessin mit Entzückung in seine Arme).
Ihr die Meine?
O, tödte mich nicht, Übermaß der Wonne!

Altoum.  Die Götter segnen dich, geliebte Tochter,
Daß du mein Alter endlich willst erfreun.
Verziehen sei dir jedes vor'ge Leid,
Der Augenblick heilt jede Herzenswunde.

Pantalon.  Hochzeit!  Hochzeit!  Macht Platz, ihr Herrn Doctoren!

Tartaglia.  Platz!  Platz!  Der Bund sei alsogleich beschworen!

Adelma.  Ja, lebe, Grausamer, und lebe glücklich
Mit ihr, die meine Seele haßt!  (Zu Turandot.)
Ja, wisse,
Daß ich dich nie geliebt, daß ich dich hasse
Und nur aus Haß gehandelt, wie ich that.
Die Namen sagt' ich dir, um den Geliebten
Aus deinem Arm zu reißen und mit ihm,
Der meine Liebe war, eh du ihn sahst,
In glücklichere Länder mich zu flüchten.
Noch diese Nacht, da ich zu deinem Dienst
Geschäftig schien, versucht' ich alle Listen--
Selbst die Verleumdung spart' ich nicht--zur Flucht
Mit mir ihn zu bereden; doch umsonst!
In seinem Schmerz entschlüpften ihm die Namen,
Und ich verrieth sie dir; du solltest siegen,
Verbannt von deinem Angesicht sollt' er
In meinen Arm sich werfen--Eitle Hoffnung!
Zu innig liebt' er dich und wählte lieber,
Durch dich zu sterben, als für mich zu leben!
Verloren hab' ich alle meine Mühen;
Nur eins steht noch in meiner Macht.  Ich stamme
Wie du von königlichem Blut und muß erröthen,
Daß ich so langte Sklavenfesseln trug.
In dir muß ich die blut'ge Feindin hassen.
Du hast mir Vater, Mutter, Brüder, Schwestern,
Mir Alles, was mir theuer war, geraubt,
Und nun auch den Geliebten raubst du mir.
So nimm auch noch die Letzte meines Stammes,
Mich selbst zum Raube hin--Ich will nicht leben!

(Sie hebt den Dolch, welchen Turandot dem Kalaf entrissen,
von der Erde auf.)
Verzweiflung zückte diesen Dolch; er hat
Das Herz gefunden, das er spalten soll.  (Sie will sich erstechen).

Kalaf (fällt ihr in den Arm).
Faßt Euch, Adelma!

Adelma.  Laß mich, Undankbarer!
In ihrem Arm dich sehen?  Nimmermehr!

Kalaf.  Ihr sollt nicht sterben.  Eurem glücklichen
Verrathe dank' ich's, daß dies schöne Herz,
Dem Zwange feind, mich edelmüthig frei
Beglücken konnte--Gütiger Monarch,
Wenn meine heißen Bitten was vermögen,
So habe sie die Freiheit zum Geschenk,
Und unsere Glückes erstes Unterpfand
Sei eine Glückliche!

Turandot.  Auch ich, mein Vater,
Vereinige mein Bitten mit dem seinen.
Zu hassenswerth, ich fühl' es, muß ich ihr
Erscheinen; mir verzeihen kann sie nie
Und könnte nie an mein Verzeihen glauben.
Sie werde frei, und ist ein größer Glück
Für sie noch übrig, so gewährt es ihr.
Wir haben viele Thränen fließen machen
Und müssen eilen, Freude zu verbreiten.

Pantalon.  Ums Himmelwillen, Sire, schreibt ihr den Laufpaß,
So schnell Ihr könnt, und gebt ihr, wenn sie's fordert,
Ein ganzes Königreich noch auf den Weg.
Mir ist ganz weh und bang, daß unsre Freude
In Rauch aufgeht solang ein wüthend Weib
Sich unter einem Dach mit Euch befindet.

Altoum (zu Turandot).
An solchem Freudentag, den du mir schenkst,
Soll meine Milde keine Grenzen kennen.
Nicht bloß die Freiheit schenk' ich ihr.  Sie nehme
Die väterlichen Staaten auch zurück
Und theile sie mit einem würd'gen Gatten,
Der klug sei und den Mächtigen nicht reize.

Adelma.  Sire--Königin--ich bin beschämt, verwirrt,
So große Huld und Milde drückt mich nieder.
Die Zeit vielleicht, die alle Wunden heilt,
Wird meinen Kummer lindern--Jetzt vergönnt mir
Zu schweigen und von eurem Angesicht
Zu gehn--Denn nur der Thränen bin ich fähig,
Die unaufhaltsam diesem Aug entströmen.

(Sie geht ab mit verhülltem Gesicht, noch einen glühenden
Blick auf Kalaf werfend, ehe sie scheidet.)



Letzter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Adelma.  Gegen das Ende Timur, Barak,
Skirina und Zelima.


Kalaf.  Mein Vater, o, wo find' ich dich, wo bist du,
Daß ich die Fülle meines Glücks in deinen Busen
Ausgieße?

Turandot (verlegen und beschämt).
Kalaf, Euer edler Vater ist
Bei mir, ist hier--In diesem Augenblicke
Fühlt er sein Glück--Verlangt nicht mehr zu wissen,
Nicht ein Geständniß, das mich schamroth macht,
Vor allen diesen Zeugen zu vernehmen.

Altoum.  Timur bei dir?  Wo ist er?--Freue dich,
Mein Sohn.  Dies Kaiserreich hast du gewonnen;
Auch dein verlornes Reich ist wieder dein.
Ermordet ist der grausame Tyrann,
Der dich beraubte!  Deines Volkes Stimme
Ruft dich zurück auf deiner Väter Thron,
Den dir ein treuer Diener aufbewahrt.
Durch alle Länder hat dich seine Botschaft
Gesucht, und selbst zu mir ist sie gedrungen.
--Dies Blatt enthält das Ende deines Unglücks.

(Überreicht ihm einen Brief.)

Kalaf (wirft einen Blick hinein und steht eine Zeit lang in
sprachloser Rührung).
Götter des Himmels!  Mein Entzücken ist
Droben bei euch, die Lippe ist versiegelt.

(In diesem Augenblick öffnet sich der Saal.  Timur und Barak
treten herein, von Zelima und ihrer Mutter begleitet.  Wie Kalaf
seinen Vater erblickt, eilt er ihm mit ausgebreiteten Armen
entgegen.  Barak sinkt zu Kalafs Füßen, indem sich Zelima und
ihre Mutter vor der Turandot niederwerfen, welche sie gütig
aufhebt.  Altoum, Pantalon und Tartaglia stehen gerührt.  Unter
diesen Bewegungen fällt der Vorhang.)
                
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