Johann Shiller

Die Piccolomini
Go to page: 1234
Wallenstein.
     Wie meiner selbst.  Die lassen nie von mir.

Terzky.
     Doch wollt' ich, daß du dem Octavio,
     Dem Fuchs, nicht so viel trautest.

Wallenstein.
     Lehre du
     Mich meine Leute kennen.  Sechzehnmal
     Bin ich zu Feld gezogen mit dem Alten,
     --Zudem--ich hab sein Horoskop gestellt,
     Wir sind geboren unter gleichen Sternen--
     Und kurz--
(geheimnisvoll)
     Es hat damit sein eigenes Bewenden.
     Wenn du mir also gutsagst für die andern--

Illo.
     Es ist nur eine Stimme unter allen:
     Du dürf'st das Regiment nicht niederlegen.
     Sie werden an dich deputieren, hör ich.

Wallenstein.
     Wenn ich mich gegen sie verpflichten soll,
     So müssen sie's auch gegen mich.

Illo.
     Versteht sich.

Wallenstein.
     Parole müssen sie mir geben, eidlich, schriftlich,
     Sich meinem Dienst zu weihen,unbedingt.

Illo.
     Warum nicht?

Terzky.
     Unbedingt?  Des Kaisers Dienst,
     Die Pflichten gegen Östreich werden sie
     Sich immer vorbehalten.

Wallenstein.  (den Kopf schüttelnd)
     Unbedingt
     Muß ich sie haben.  Nichts von Vorbehalt!

Illo.
     Ich habe einen Einfall--Gibt uns nicht
     Graf Terzky ein Bankett heut abend?

Terzky.  Ja,
     Und alle Generale sind geladen.

Illo.  (zum Wallenstein)
     Sag!  Willst du völlig freie Hand mir lassen?
     Ich schaffe dir das Wort der Generale,
     So wie du's wünschest.

Wallenstein.
     Schaff mir ihre Handschrift.
     Wie du dazu gelangen magst, ist deine Sache.

Illo.
     Und wenn ich dir's nun bringe, schwarz auf weiß,
     Daß alle Chefs, die hier zugegen sind,
     Dir blind sich überliefern--Willst du dann
     Ernst machen endlich, mit beherzter Tat
     Das Glück versuchen?

Wallenstein.
     Schaff' mir die Verschreibung!

Illo.
     Bedenke, was du tust!  Du kannst den Kaisers
     Begehren nicht erfüllen--kannst das Heer
     Nicht schwächen lassen--nicht die Regimenter
     Zum Spanier stoßen lassen, willst du nicht
     Die Macht auf ewig aus den Händen geben.
     Bedenk das andre auch!  Du kannst des Kaisers
     Befehl und ernste Ordre nicht verhöhnen,
     Nicht länger Ausflucht suchen, temporisieren,
     Willst du nicht förmlich brechen mit dem Hof.
     Entschließ dich!  Willst du mit entschloßner Tat
     Zuvor ihm kommen?  Willst du, ferner zögernd,
     Das Äußerste erwarten?

Wallenstein.
     Das geziemt sich,
     Eh' man das Äußerste beschließt!

Illo.
     Oh!  nimm der Stunde wahr, eh' sie entschlüpft.
     So selten kommt der Augenblick im Leben,
     Der wahrhaft wichtig ist und groß.  Wo eine
     Entscheidung soll geschehen, da muß vieles
     Sich glücklich treffen und zusammenfinden--
     Und einzeln nur, zerstreuet zeigen sich
     Des Glückes Fäden, die Gelegenheiten,
     Die, nur in einen Lebenspunkt zusammen
     Gedrängt, den schweren Früchteknoten bilden.
     Sieh!  Wie entscheidend, wie verhängnisvoll
     Sich's jetzt um dich zusammenzieht!--Die Häupter
     Des Heers, die besten, trefflichsten, um dich,
     Den königlichen Führer, her versammelt,
     Nur deinen Wink erwarten sie--Oh!  laß
     Sie so nicht wieder auseinandergehen!
     So einig führst du sie im ganzen Lauf
     Des Krieges nicht zum zweitenmal zusammen.
     Die hohe Flut ist's, die das schwere Schiff
     Vom Strande hebt--Und jedem einzelnen
     Wächst das Gemüt im großen Strom der Menge.
     Jetzt hast du sie, jetzt noch!  Bald sprengt der Krieg
     Sie wieder auseinander, dahin, dorthin--
     In eignen kleinen Sorgen und Interessen
     Zerstreut sich der gemeine Geist.  Wer heute,
     Vom Strome fortgerissen, sich vergißt,
     Wird nüchtern werden, sieht er sich allein,
     Nur seine Ohnmacht fühlen und geschwind
     Umlenken in die alte, breitgetretne
     Fahrstraße der gemeinen Pflicht, nur wohl-
     Behalten unter Dach zu kommen suchen.

Wallenstein.
     Die Zeit ist noch nicht da.

Terzky.
     So sagst du immer.
     Wann aber wird es Zeit sein?

Wallenstein.
     Wenn ich's sage.

Illo.
     Oh!  du wirst auf die Sternenstunde warten,
     Bir dir die irdische entflieht!  Glaub mir,
     In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne.
     Vertrauen zu dir selbst, Entschlossenheit
     Ist deine Venus!  Der Maleficus,
     Der einz'ge, der dir schadet, ist der Zweifel.

Wallenstein.
     Du redst, wie du's verstehst.  Wie oft und vielmals
     Erklärt' ich dir's!--Dir stieg der Jupiter
     Hinab bei der Geburt, der helle Gott;
     Du kannst in die Geheimnisse nicht schauen.
     Nur in der Erde magst du finster wühlen,
     Blind wie der Unterirdische, der mit dem bleichen
     Bleifarbnen Schein ins Leben dir geleuchtet.
     Das Irdische, Gemeine magst du sehn,
     Das Nächste mit dem Nächsten klug verknüpfen;
     Darin vertrau ich dir und glaube dir.
     Doch, was geheimnisvoll bedeutend webt
     Und bildet in den Tiefen der Natur,--
     Die Geisterleiter, die aus dieser Welt des Staubes
     Bis in die Sternenwelt, mit tausend Sprossen,
     Hinauf sich baut, an der die himmlischen
     Gewalten wirkend auf und nieder wandeln,
     --Die Kreise in den Kreisen, die sich eng
     Und enger ziehn um die zentralische Sonne--
     Die sieht das Aug' nur, das entsiegelte,
     Der hellgebornen, heitern Joviskinder,

(Nachdem er einen Gang durch den Saal gemacht, bleibt er stehen
     und fährt fort.)

Die himmlischen Gestirne machen nicht
     Bloß Tag und Nacht, Frühling und Sommer--nicht
     Dem Sämann bloß bezeichnen sie die Zeiten
     Der Aussaat und der Ernte.  Auch des Menschen Tun
     Ist eine Aussaat von Verhängnissen,
     Gestreuet in der Zukunft dunkles Land,
     Den Schicksalsmächten hoffend übergeben.
     Da tut es not, die Saatzeit zu erkunden,
     Die rechte Sternenstunde auszulesen,
     Des Himmels Häuser forschend zu durchspüren,
     Ob nicht der Feind des Wachsens und Gedeihens
     In seinen Ecken schadend sich verberge .
     Drum laßt mir Zeit.  Tut ihr indes das Eure.
     Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich tun will.
     Nachgeben aber werd ich nicht.  Ich nicht!
     Absetzen sollen sie mich auch nicht--Darauf
     Verlaßt euch.

Kammerdiener.  (kommt)
     Die Herren Generale.

Wallenstein.
     Laß sie kommen.

Terzky.
     Willst du, daß alle Chefs zugegen seien?

Wallenstein.
     Das braucht's nicht.  Beide Piccolomini,
     Maradas, Buttler, Forgatsch, Deodat,
     Caraffa, Isolani mögen kommen.

(Terzky geht hinaus mit dem Kammerdiener.)

Wallenstein.  (zu Illo)
     Hast du den Questenberg bewachen lassen?
     Sprach er nicht ein'ge in geheim?

Illo.

Ich hab ihn scharf bewacht.  Er war mit niemand

Als dem Octavio.



Siebenter Auftritt

Vorige.  Questenberg, beide Piccolomini, Buttler, Isolani, Maradas
     und noch drei andere Generale treten herein.  Auf den Wink des
     Generals nimmt Questenberg ihm gerad gegenüber Platz, die andern
     folgen nach ihrem Range.  Es herrscht eine augenblickliche Stille.


Wallenstein.
     Ich hab den Inhalt Ihrer Sendung zwar
     Vernommen, Questenberg, und wohl erwogen,
     Auch meinen Schluß gefaßt, den nichts mehr ändert.
     Doch, er gebührt sich, daß die Kommandeurs
     Aus Ihrem Mund des Kaisers Willen hören--
     Gefall' es Ihnen denn, sich Ihres Auftrags
     Vor diesen edeln Häuptern zu entledigen.

Questenberg.
     Ich bin bereit, doch bitt ich zu bedenken,
     Daß kaiserliche Herrschgewalt und Würde
     Aus meinem Munde spricht, nicht eigne Kühnheit.

Wallenstein.
     Den Eingang spart.

Questenberg.
     Als Seine Majestät
     Der Kaiser ihren mutigen Armeen
     Ein ruhmgekröntes, kriegserfahrnes Haupt
     Geschenkt in der Person des Herzogs Friedland,
     Geschah's in froher Zuversicht, das Glück
     Des Krieges schnell und günstig umzuwenden.
     Auch war der Anfang ihren Wünschen hold,
     Gereiniget ward Böheim von den Sachsen,
     Der Schweden Siegeslauf gehemmt--es schöpften
     Aufs neue leichten Atem diese Länder,
     Als Herzog Friedland die zerstreuten Feindesheere
     Herbei von allen Strömen Deutschlands zog,
     Herbei auf einen Sammelplatz beschwor
     Den Rheingraf, Bernhard, Banner, Oxenstirn
     Und jenen nie besiegten König selbst,
     Um endlich hier im Angesichte Nürnbergs
     Das blutig große Kampfspiel zu entscheiden.

Wallenstein.
     Zur Sache, wenn's beliebt.

Questenberg.
     Ein neuer Geist
     Verkündigte sogleich den neuen Feldherrn.
     Nicht blinde Wut mehr rang mit blinder Wut,
     In hellgeschiednem Kampfe sah man jetzt
     Die Festigkeit der Kühnheit widerstehn
     Und weise Kunst die Tapferkeit ermüden.
     Vergebens lockt man ihn zur Schlacht, er gräbt
     Sich tief und tiefer nur im Lager ein,
     Als gält' es, hier ein ewig Haus zu gründen.
     Verzweifelnd endlich will der König stürmen,
     Zur Schlachtbank reißt er seine Völker hin,
     Die ihm des Hungers und der Seuchen Wut
     Im leichenvollen Lager langsam tötet.
     Durch den Verhack des Lagers, hinter welchem
     Der Tod aus tausend Röhren lauert, will
     Der Niegehemmte stürmend Bahn sich brechen.
     Da ward ein Angriff und ein Widerstand,
     Wie ihn kein glücklich Auge noch gesehn.
     Zerrissen endlich führt sein Volk der König
     Vom Kampfplatz heim, und nicht ein Fußbreit Erde
     Gewann es ihm, das grause Menschenopfer.

Wallenstein.
     Ersparen Sie's, uns aus dem Zeitungsblatt
     Zu melden, was wir schaudernd selbst erlebt.

Questenberg.
     Anklagen ist mein Amt und meine Sendung,
     Es ist mein Herz, was gern beim Lob verweilt.
     In Nürnbergs Lager ließ der schwedische König
     Den Ruhm--in Lützens Ebenen das Leben.
     Doch wer erstaunte nicht, als Herzog Friedland
     Nach diesem großen Tag wie ein Besiegter
     Nach Böheim floh, vom Kriegesschauplatz schwand,
     Indes der junge weimarische Held
     Ins Frankenland unaufgehalten drang,
     Bis an die Donau reißend Bahn sich machte
     Und stand mit einem Mal vor Regenspurg,
     Zum Schrecken aller gut kathol'schen Christen.
     Da rief der Bayern wohlverdienter Fürst
     Um schnelle Hilf' in seiner höchsten Not,--
     Es schickt der Kaiser sieben Reitende
     An Herzog Friedland ab mit dieser Bitte
     Und fleht, wo er als Herr befehlen kann.
     Umsonst!  Es hört in diesem Augenblick
     Der Herzog nur den alten Haß und Groll,
     Gibt das gemeine Beste preis, die Rachgier
     An einem alten Feinde zu vergnügen.
     Und so fällt Regenspurg!

Wallenstein.
     Von welcher Zeit ist denn die Rede, Max?
     Ich hab gar kein Gedächtnis mehr.

Max.
     Er meint,
     Wie wir in Schlesien waren.

Wallenstein.
     So!  So!  So!
     Was aber hatten wir denn dort zu tun?

Max.
     Die Schweden draus zu schlagen und die Sachsen.

Wallenstein.
     Recht!  Über der Beschreibung da vergeß ich
     Den ganzen Krieg--

(Zu Questenberg.)

Nur weiter fortgefahren!

Questenberg.
     Am Oderstrom vielleicht gewann man wieder,
     Was an der Donau schimpflich ward verloren.
     Erstaunenswerte Dinge hoffte man
     Auf dieser Kriegesbühne zu erleben,
     Wo Friedland in Person zu Felde zog,
     Der Nebenbuhler Gustavs einen--Thurn
     Und einen Arnheim vor sich fand.  Und wirklich
     Geriet man nahe g'nug hier aneinander,
     Doch, um als Freund, als Gast sich zu bewirten.
     Ganz Deutschland seufzte unter Kriegeslast,
     Doch Friede war's im Wallensteinischen Lager.

Wallenstein.
     Manch blutig Treffen wird um nichts gefochten,
     Weil einen Sieg der junge Feldherr braucht.
     Ein Vorteil des bewährten Feldherrn ist's,
     Daß er nicht nötig hat, zu schlagen, um
     Der Welt zu zeigen, er versteh' zu siegen.
     Mir konnt' es wenig helfen, meines Glücks
     Mich über einen Arnheim zu bedienen ;
     Viel nützte Deutschland meine Mäßigung,
     Wär' mir's geglückt, das Bündnis zwischen Sachsen
     Und Schweden, das verderbliche, zu lösen.

Questenberg.
     Es glückte aber nicht, und so begann
     Aufs neu das blut'ge Kriegesspiel.  Hier endlich
     Rechtfertigte der Fürst den alten Ruhm.
     Auf Steinaus Feldern streckt das schwedische Heer
     Die Waffen, ohne Schwertstreich überwunden--
     Und hier, mit andern, lieferte des Himmels
     Gerechtigkeit den alten Aufruhrstifter,
     Die fluchbeladne Fackel dieses Kriegs,
     Matthias Thurn, des Rächers Händen aus.
     --Doch in großmüt'ge Hand war er gefallen:
     Statt Strafe fand er Lohn, und reich beschenkt
     Entließ der Fürst den Erzfeind seines Kaisers.

Wallenstein.  (lacht)
     Ich weiß, ich weiß--Sie hatten schon in Wien
     Die Fenster, die Balkons vorausgemietet,
     Ihn auf dem Armensünderkarrn zu sehn--
     Die Schlacht hätt' ich mit Schimpf verlieren mögen,
     Doch das vergeben mir die Wiener nicht,
     Daß ich um ein Spektakel sie betrog.

Questenberg.
     Befreit war Schlesien, und alles rief
     Den Herzog nun ins hartbedrängte Bayern.
     Er setzt auch wirklich sich in Marsch--gemächlich
     Durchzieht er Böheim auf dem längsten Wege;
     Doch eh' er noch den Feind gesehen, wendet
     Er schleunig um, bezieht sein Winterlager, drückt
     Des Kaisers Länder mit des Kaisers Heer.

Wallenstein.
     Das Heer war zum Erbarmen, jede Notdurft, jede
     Bequemlichkeit gebrach--der Winter kam.
     Was denkt die Majestät von ihren Truppen?
     Sind wir nicht Menschen?  Nicht der Kält' und Nässe,
     Nicht jeder Notdurft sterblich unterworfen?
     Fluchwürdig Schicksal des Soldaten!  Wo
     Er hinkommt, flieht man vor ihm--wo er weggeht,
     Verwünscht man ihn!  Er muß sich alles nehmen;
     Man gibt ihm nichts, und jeglichem gezwungen
     Zu nehmen, ist er jeglichem ein Greuel.
     Hier stehen meine Generals.  Caraffa!
     Graf Deodati!  Buttler!  Sagt es ihm,
     Wie lang der Sold den Truppen ausgeblieben?

Buttler.
     Ein Jahr schon fehlt die Löhnung.

Wallenstein.
     Und sein Sold
     Muß dem Soldaten werden, darnach heißt er!

Questenberg.
     Das klingt ganz anders, als der Fürst von Friedland
     Vor acht, neun Jahren sich vernehmen ließ.

Wallenstein.
     Ja, meine Schuld ist es, weiß wohl, ich selbst
     Hab mir den Kaiser so verwöhnt.  Da!  Vor neun Jahren
     Beim Dänenkriege, stellt' ich eine Macht ihm auf
     Von vierzigtausend Köpfen oder fünfzig,
     Die aus dem eignen Säckel keinen Deut
     Ihm kostete--Durch Sachsen Kreise zog
     Die Kriegesfurie, bis an die Schären
     Des Belts den Schrecken seines Namens tragend.
     Da war noch eine Zeit!  Im ganzen Kaiserstaate
     Kein Nam' geehrt, gefeiert wie der meine,
     Und Albrecht Wallenstein, so hieß
     Der dritte Edelstein in seiner Krone!
     Doch auf dem Regenspurger Fürstentag,
     Da brach es auf!  Da lag es kund und offen,
     Aus welchem Beutel ich gewirtschaft't hatte.
     Und was war nun mein Dank dafür, daß ich,
     Ein treuer Fürstenknecht, der Völker Fluch
     Auf mich gebürdet--diesen Krieg, der nur
     Ihn groß gemacht, die Fürsten zahlen lassen?
     Was?  Aufgeopfert wurd ich ihren Klagen,
     --Abgesetzt wurd ich.

Questenberg.
     Eure Gnaden weiß,
     Wie sehr auf jenem unglücksvollen Reichstag
     Die Freiheit ihm gemangelt.

Wallenstein.
     Tod und Teufel!
     Ich hatte, was ihm Freiheit schaffen konnte.
     --Nein, Herr!  Seitdem es mir so schlecht bekam,
     Dem Thron zu dienen, auf des Reiches Kosten,
     Hab ich vom Reich ganz anders denken lernen.
     Vom Kaiser freilich hab ich diesen Stab,
     Doch führ' ich jetzt ihn als des Reiches Feldherr,
     Zur Wohlfahrt aller, zu des Ganzen Heil,
     Und nicht mehr zur Vergrößerung des einen!
     --Zur Sache doch.  Was ist's, das man von mir begehrt?

Questenberg.
     Fürs erste wollen Seine Majestät,
     Daß die Armee ohn' Aufschub Böhmen räume.

Wallenstein.
     In dieser Jahreszeit?  Und wohin will man,
     Daß wir uns wenden?

Questenberg.
     Dahin, wo der Feind ist.
     Denn Seine Majestät will Regenspurg
     Vor Ostern noch vom Feind gesäubert sehn,
     Daß länger nicht im Dome lutherisch
     Gepredigt werde--ketzerischer Greul
     Des Festes reine Feier nicht besudle.

Wallenstein.
     Kann das geschehen, meine Generals?

Illo.
     Es ist nicht möglich.

Buttler.
     Es kann nicht geschehn.

Questenberg.
     Der Kaiser hat auch schon dem Oberst Suys
     Befehl geschickt, nach Bayern vorzurücken.

Wallenstein.
     Was tat der Suys?

Questenberg.
     Was er schuldig war.
     Er rückte vor.

Wallenstein.
     Er rückte vor!  Und ich,
     Sein Chef, gab ihm Befehl, ausdrücklichen,
     Nicht von dem Platz zu weichen!  Steht es so
     Um mein Kommando?  Das ist der Gehorsam,
     Den man mir schuldig, ohne den kein Kriegsstand
     Zu denken ist?  Sie, meine Generale,
     Seien Richter!  Was verdient der Offizier,
     Der eidvergessen seine Ordre bricht?

Illo.
     Den Tod!

Wallenstein.  (da die übrigen bedenklich schweigen, mit
     erhöhter Stimme).
     Graf Piccolomini, was hat er
     Verdient?

Max.  (nach einer langen Pause)
     Nach des Gesetzes Wort--den Tod!

Isolani.
     Den Tod!

Buttler.
     Den Tod nach Kriegesrecht!

(Questenberg steht auf.  Wallenstein folgt, es erheben sich alle.)

Wallenstein.
     Dazu verdammt ihn das Gesetz, nicht ich!
     Und wenn ich ihn begnadige, geschieht's
     Aus schuld'ger Achtung gegen meinen Kaiser.

Questenberg.
     Wenn's so steht, hab ich hier nichts mehr zu sagen.

Wallenstein.
     Nur auf Bedingung nahm ich dies Kommando;
     Und gleich die erste war, daß mir zum Nachteil
     Kein Menschenkind, auch selbst der Kaiser nicht,
     Bei der Armee zu sagen haben sollte.
     Wenn für den Ausgang ich mit meiner Ehre
     Und meinem Kopf soll haften, muß ich Herr
     Darüber sein.  Was machte diesen Gustav
     Unwiderstehlich, unbesiegt auf Erden?
     Dies: daß er König war in seinem Heer!
     Ein König aber, einer, der es ist,
     Ward nie besiegt noch als durch seinesgleichen--
     Jedoch zur Sach'.  Das Beste soll noch kommen.

Questenberg.
     Der Kardinal-Infant wird mit dem Frühjahr
     Aus Mailand rücken und ein spanisch Heer
     Durch Deutschland nach den Niederlanden führen.
     Damit er sicher seinen Weg verfolge,
     Will der Monarch, daß hier aus der Armee
     Acht Regimenter ihn zu Pferd begleiten.

Wallenstein.
     Ich merk, ich merk--Acht Regimenter--Wohl!
     Wohl ausgesonnen, Pater Lamormain!
     Wär' der Gedank' nicht so verwünscht gescheit,
     Man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen.
     Achttausend Pferde!  Ja!  Ja!  es ist richtig,
     Ich seh es kommen.

Questenberg.
     Es ist nichts dahinter
     zu sehn.  Die Klugheit rät's, die Not gebeut's.

Wallenstein.
     Wie, mein Herr Abgesandter?  Ich soll's wohl
     Nicht merken, daß man's müde ist, die Macht,
     Des Schwertes Griff in meiner Hand zu sehn?
     Daß man begierig diesen Vorwand hascht,
     Den span'schen Namen braucht, mein Volk zu mindern,
     Ins Reich zu führen eine neue Macht,
     Die mir nicht untergeben sei.  Mich so
     Gerad beiseit' zu werfen, dazu bin ich
     Euch noch zu mächtig.  Mein Vertrag erheischt's,
     Daß alle Kaiserheere mir gehorchen,
     So weit die deutsche Sprach' geredet wird.
     Von span'schen Truppen aber und Infanten,
     Die durch das Reich als Gäste wandernd ziehn,
     Steht im Vertrage nichts--Da kommt man denn
     So in der Stille hinter ihm herum,
     Macht mich erst schwächer, dann entbehrlich, bis
     Man kürzeren Prozeß kann mit mir machen.
     --Wozu die krummen Wege, Herr Minister?
     Gerad heraus!  Den Kaiser drückt das Paktum
     Mit mir.  Er möchte gerne, daß ich ginge.
     Ich will ihm den Gefallen tun, das war
     Beschloßne Sache, Herr, noch eh' Sie kamen.
(Es entsteht eine Bewegung unter den Generalen, welche immer zunimmt.)
     Es tut mir leid um meine Obersten,
     Noch seh ich nicht, wie sie zu ihren vorgeschoßnen Geldern,
     Zum wohlverdienten Lohne kommen werden.
     Neu Regiment bringt neue Menschen auf,
     Und früheres Verdienst veraltet schnell.
     Es dienen viel Ausländische im Heer,
     Und war der Mann nur sonsten brav und tüchtig,
     Ich pflegte eben nicht nach seinem Stammbaum
     Noch seinem Katechismus viel zu fragen.
     Das wird auch anders werden künftighin!
     Nun--mich geht's nichts mehr an.
(Er setzt sich.)

Max.
     Da sei Gott für,
     Daß es bis dahin kommen soll!--Die ganze
     Armee wird furchtbar gärend sich erheben--
     Der Kaiser wird mißbraucht, es kann nicht sein.

Isolani.
     Es kann nicht sein, denn alles ging' zu Trümmern.

Wallenstein.
     Das wird es, treuer Isolan.  Zu Trümmern
     wird alles gehn, was wir bedächtig bauten.
     Deswegen aber find't sich doch ein Feldherr,
     Und auch ein Kriegsheer läuft noch wohl dem Kaiser
     Zusammen, wenn die Trommel wird geschlagen.

Max.  (geschäftig, leidenschaftlich von einem zum andern
     gehend und sie besänftigend)
     Hör mich, mein Feldherr!  Hört mich , Obersten!
     Laß dich beschwören, Fürst!  Beschließe nichts,
     Bis wir zusammen Rat gehalten, dir
     Vorstellungen getan--Kommt, meine Freunde!
     Ich hoff, es ist noch alles herzustellen.

Terzky.
     Kommt, kommt!  im Vorsaal treffen wir die andern.

(Gehen.)

Buttler.  (zu Questenberg).
     Wenn guter Rat Gehör bei Ihnen findet,
     Vermeiden Sie's, in diesen ersten Stunden
     Sich öffentlich zu zeigen, schwerlich möchte Sie
     Der goldne Schlüssel vor Mißhandlung schützen.

(Laute Bewegungen draußen.)

Wallenstein.
     Der Rat ist gut--Octavio, du wirst
     Für unsers Gastes Sicherheit mir haften.
     Gehaben Sie sich wohl, von Questenberg!
(Als dieser reden will.)
     Nichts, nichts von dem verhaßten Gegenstand!
     Sie taten Ihre Schuldigkeit.  Ich weiß
     Den Mann von seinem Amt zu unterscheiden.
(Indem Questenberg mit dem Octavio abgehen will, dringen Götz,
     Tiefenbach, Colalto herein, denen noch mehrere Kommandeurs folgen.)

Götz.
     Wo ist er, der uns unsern General--

Tiefenbach.  (zugleich)
     Was müssen wir erfahren, du willst uns--

Colalto.  (zugleich)
     Wir wollen mit dir leben, mit dir sterben.

Wallenstein.  (mit Ansehen, indem er auf Illo zeigt).
     Hier der Feldmarschall weiß um meinen Willen.

(Geht ab.)




Dritter Aufzug

Ein Zimmer



Erster Auftritt

Illo und Terzky.


Terzky.
     Nun sagt mir!  Wie gedenkt Ihr's diesen Abend
     Beim Gastmahl mit den Obristen zu machen?

Illo.
     Gebt acht!  Wir setzen eine Formel auf,
     Worin wir uns dem Herzog insgesamt
     Verschreiben, sein zu sein mit Leib und Leben,
     Nicht unser letztes Blut für ihn zu sparen;
     Jedoch der Eidespflichten unbeschadet,
     Die wir dem Kaiser schuldig sind.  Merkt wohl!
     Die nehmen wir in einer eignen Klausel
     Ausdrücklich aus und retten das Gewissen.
     Nun hört!  Die also abgefaßte Schrift
     Wird ihnen vorgelegt vor Tische, keiner
     Wird daran Anstoß nehmen--Hört nun weiter!
     Nach Tafel, wenn der trübe Geist des Weins
     Das Herz nun öffnet und die Augen schließt,
     Läßt man ein unterschobnes Blatt, worin
     Die Klausel fehlt, zur Unterschrift herumgehn.

Terzky.
     Wie?  Denkt Ihr, daß sie sich durch einen Eid
     Gebunden glauben werden, den wir ihnen
     Durch Gaukelkunst betrüglich abgelistet?

Illo.
     Gefangen haben wir sie immer--Laßt sie
     Dann über Arglist schrein, so viel sie mögen.
     Am Hofe glaubt man ihrer Unterschrift
     Doch mehr als ihrem heiligsten Beteuern.
     Verräter sind sie einmal, müssen's sein,
     So machen sie aus der Not wohl eine Tugend.

Terzky.
     Nun, mir ist alles lieb, geschieht nur was,
     Und rücken wir nur einmal von der Stelle.

Illo.
     Und dann--liegt auch so viel nicht dran, wie weit
     Wir damit langen bei den Generalen,
     Genug, wenn wir's dem Herrn nur überreden,
     Sie seien sein--denn handelt er nur erst
     Mit seinem Ernst, als ob er sie schon hätte,
     So hat er sie und reißt sie mit sich fort.

Terzky.
     Ich kann mich manchmal gar nicht in ihn finden.
     Er leiht dem Feind sein Ohr, läßt mich dem Thurn,
     Dem Arnheim schreiben, gegen den Sesina
     Geht er mit kühnen Worten frei heraus,
     Spricht stundenlang mit uns von seinen Planen,
     Und mein ich nun, ich hab' ihn--weg auf einmal
     Entschlüpft er, und es scheint, als wär' es ihm
     Um nichts zu tun, als nur am Platz zu bleiben.

Illo.
     Er seine alten Plane aufgegeben!
     Ich sag Euch, daß er wachend, schlafend mit
     Nichts anderm umgeht, daß er Tag für Tag
     Deswegen die Planeten fragt--

Terzky.
     Ja, wißt Ihr,
     Daß er sich in der Nacht, die jetzo kommt,
     Im astrologischen Turme mit dem Doktor
     Einschließen wird und mit ihm observieren?
     Denn es soll eine wicht'ge Nacht sein, hör' ich,
     Und etwas Großes, Langerwartetes
     Am Himmel vorgehn.

Illo.
     Wenn's hier unten nur geschieht.
     Die Generale sind voll Eifer jetzt
     Und werden sich zu allem bringen lassen,
     Nur um den Chef nicht zu verlieren.  Seht!
     So haben wir den Anlaß vor der Hand
     Zu einem engen Bündnis widern Hof.
     Unschuldig ist der Name zwar, es heißt,
     Man will ihn beim Kommando bloß erhalten.
     Doch wißt Ihr, in der Hitze des Verfolgens
     Verliert man bald den Anfang aus den Augen.
     Ich denk es schon zu karten, daß der Fürst
     Sie willig finden--willig glauben soll
     Zu jedem Wagstück.  Die Gelegenheit
     Soll ihn verführen.  Ist der große Schritt
     Nur erst getan, den sie zu Wien ihm nicht verzeihn,
     So wird der Notzwang der Begebenheiten
     Ihn weiter schon und weiter führen.  Nur
     Die Wahl ist's, was ihm schwer wird; drängt die Not,
     Dann kommt ihm seine Stärke, seine Klarheit.

Terzky.
     Das ist es auch, worauf der Feind nur wartet,
     Das Heer uns zuzuführen.

Illo.
     Kommt!  Wir müssen
     Das Werk in diesen nächsten Tagen weiter fördern,
     Als es in Jahren nicht gedieh--Und steht's
     Nur erst hier unten glücklich, gebet acht,
     So werden auch die rechten Sterne scheinen!
     Kommt zu den Obersten.  Das Eisen muß
     Geschmiedet werden, weil es glüht.

Terzky.
     Geht Ihr hin, Illo.
     Ich muß die Gräfin Terzky hier erwarten.
     Wißt, daß wir auch nicht müßig sind--wenn ein
     Strick reißt, ist schon ein andrer in Bereitschaft.

Illo.
     Ja, Eure Hausfrau lächelte so listig.
     Was habt Ihr?

Terzky.
     Ein Geheimnis!  Still!  Sie kommt!

(Illo geht ab.)



Zweiter Auftritt

Graf und Gräfin Terzky, die aus einem Kabinett heraustritt,
     hernach ein Bedienter, darauf Illo.


Terzky.
     Kommt sie?  Ich halt ihn länger nicht zurück.

Gräfin.
     Gleich wird sie da sein.  Schick ihn nur.

Terzky.
     Zwar weiß ich nicht, ob wir uns Dank damit
     Beim Herrn verdienen werden.  Über diesen Punkt,
     Du weißt's, hat er sich nie herausgelassen.
     Du hast mich überredet und muß wissen,
     Wie weit du gehen kannst.

Gräfin.
     Ich nehm's auf mich.
(Für sich.)
     Es braucht hier keiner Vollmacht--Ohne Worte, Schwager,
     Verstehn wir uns--Errat ich etwa nicht,
     Warum die Tochter hergeforder worden,
     Warum just er gewählt, sie abzuholen?
     Denn dieses vorgespiegelte Verlöbnis
     Mit einem Bräutigam, den niemand kennt,
     Mag andre blenden!  Ich durchschaue dich--
     Doch dir geziemt es nicht, in solchem Spiel
     Die Hand zu haben.  Nicht doch!  Meiner Feinheit
     Bleibt alles überlassen.  Wohl!--Du sollst
     Dich in der Schwester nicht betrogen haben.

Bedienter.  (kommt)
     Die Generale!

(Ab.)

Terzky.  (zur Gräfin)
     Sorg nur, daß du ihm
     Den Kopf recht warm machst, was zu denken gibst--
     Wenn er zu Tisch kommt, daß er sich nicht lange
     Bedenke bei der Unterschrift.

Gräfin.
     Sorg du für deine Gäste!  Geh und schick ihn.

Terzky.
     Denn alles liegt dran, daß er unterschreibt.

Gräfin.
     Zu deinen Gästen.  Geh!

Illo.  (kommt zurück)
     Wo bleibt Ihr, Terzky?
     Das Haus ist voll, und alles wartet Euer.

Terzky.
     Gleich!  Gleich!
(zur Gräfin.)  Und daß er nicht zu lang verweilt--
     Es möchte bei dem Alten sonst Verdacht--

Gräfin.
     Unnöt'ge Sorgfalt!

(Terzky und Illo gehen.)



Dritter Auftritt

Gräfin Terzky.  Max Piccolomini.


Max.  (blickt schüchtern herein).
     Base Terzky!  Darf ich?

(Tritt bis in die Mitte des Zimmers, wo er sich unruhig umsieht.)

Sie ist nicht da!  Wo ist sie?

Gräfin.
     Sehen sie nur recht
     In jene Ecke, ob sie hinterm Schirm
     Vielleicht versteckt--

Max.
     Da liegen ihre Handschuh!

(Will hastig darnach greifen, Gräfin nimmt sie zu sich.)

Ungüt'ge Tante!  Sie verleugnen mir--
     Sie haben Ihre Lust dran, mich zu quälen.

Gräfin.
     Der Dank für meine Müh!

Max.
     Oh!  fühlten Sie,
     Wie mir zumute ist!--Seitdem wir hier sind--
     So an mich halten, Wort' und Blicke wägen!
     Das bin ich nicht gewohnt!

Gräfin.
     Sie werden sich
     An manches noch gewöhnen , schöner Freund!
     Auf dieser Probe Ihrer Folgsamkeit
     Muß ich durchaus bestehn, nur unter der Bedingung
     Kann ich mich überall damit befassen.

Max.
     Wo aber ist sie?  Warum kommt sie nicht?

Gräfin.
     Sie müssen's ganz in meine Hände legen.
     Wer kann es besser auch mit Ihnen meinen !
     Kein Mensch darf wissen, auch Ihr Vater nicht,
     Der gar nicht!

Max.
     Damit hat's nicht Not.  Es ist
     Hier kein Gesicht, an das ich's richten möchte,
     Was die entzückte Seele mir bewegt.
     --O Tante Terzky!  Ist denn alles hier
     Verändert, oder bin nur ich's?  Ich sehe mich
     Wie unter fremden Menschen.  Keine Spur
     Von meinen vor'gen Wünschen mehr und Freuden.
     Wo ist das alles hin?  Ich war doch sonst
     In eben dieser Welt nicht unzufrieden.
     Wie schal ist alles nun und wie gemein!
     Die Kameraden sind mir unerträglich,
     Der Vater selbst, ich weiß ihm nichts zu sagen,
     Der Dienst, die Waffen sind mir eitler Tand.
     So müßt' es einem sel'gen Geiste sein,
     Der aus den Wohnungen der ew'gen Freude
     Zu seinen Kinderspielen und Geschäften,
     Zu seinen Neigungen und Brüderschaften,
     Zur ganzen armen Menschheit wiederkehrte.

Gräfin.
     Doch muß ich bitten, ein'ge Blicke noch
     Auf diese ganz gemeine Welt zu werfen,
     Wo eben jetzt viel Wichtiges geschieht.

Max.
     Es geht hier etwas vor um micht, ich seh's
     An ungewöhnlich treibender Bewegung;
     Wenn's fertig ist, kommt's wohl auch bis zu mir.
     Wo denken Sie, daß ich gewesen, Tante?
     Doch keinen Spott!  Mich ängstigte des Lagers
     Gewühl, die Flut zudringlicher Bekannten,
     Der fade Scherz, das nichtige Gespräch,
     Es wurde mir zu eng, ich mußte fort,
     Stillschweigen suchen diesem vollen Herzen
     Und eine reine Stelle für mein Glück.
     Kein Lächeln, Gräfin!  In der Kirche war ich.
     Es ist ein Kloster hier, zu Himmelspforte,
     Da ging ich hin, da fand ich mich allein.
     Ob dem Altar hing eine Mutter Gottes,
     Ein schlecht Gemälde war's, doch war's der Freund,
     Den ich in diesem Augenblicke suchte.
     Wie oft hab ich die Herrliche gesehn
     In ihrem Glanz, die Inbrunst der Verehrer--
     Es hat mich nicht gerührt, und jetzt auf einmal
     Ward mir die Andacht klar, so wie die Liebe.

Gräfin.
     Genießen Sie Ihr Glück.  Vergessen Sie
     Die Welt um sich herum.  Es soll die Freundschaft
     Indessen wachsam für Sie sorgen, handeln.
     Nur sei'n Sie dann auch lenksam, wenn man Ihnen
     Den Weg zu Ihrem Glücke zeigen wird.

Max.
     Wo aber bleibt sie denn!--Oh!  goldne Zeit
     Der Reise, wo uns jede neue Sonne
     Vereinigte, die späte Nacht nur trennte!
     Da rann kein Sand, und keine Glocke schlug.
     Es schien die Zeit dem Überselign
     In ihrem ew'gen Laufe stillzustehen.
     Oh!  der ist aus dem Himmel schon gefallen,
     Der an der Stunden Wechsel denken muß!
     Die Uhr schlägt keinem Glücklichen.

Gräfin.
     Wie lang ist es, daß Sie Ihr Herz entdeckten?

Max.
     Heut früh wagt' ich das erste Wort.

Gräfin.
     Wie?  Heute erst in diesen zwanzig Tagen?

Max.
     Auf jenem Jagdschloß war es, zwischen hier
     Und Nepomuk, wo Sie uns eingeholt,
     Der letzten Station des ganzen Wegs.
     In einem Erker standen wir, den Blick
     Stumm in das öde Feld hinaus gerichtet,
     Und vor uns ritten die Dragoner auf,
     Die uns der Herzog zum Geleit gesendet.
     Schwer lag auf mir des Scheidens Bangigkeit,
     Und zitternd endlich wagt' ich dieses Wort:
     Dies alles mahnt mich, Fräulein, daß ich heut
     Von meinem Glücke scheiden muß.  Sie werden
     In wenig Stunden einen Vater finden,
     Von neuen Freunden sich umgeben sehn,
     Ich werde nun ein Fremder für Sie sein,
     Verloren in der Menge--"Sprechen Sie
     Mit meiner Base Terzky!" fiel sie schnell
     Mir ein, die Stimme zitterte, ich sah
     Ein glühend Rot die schönen Wangen färben,
     Und von der Erde langsam sich erhebend
     Trifft mich ihr Auge--ich beherrsche mich
     Nich länger--

(Die Prinzessin erscheint an der Türe und bleibt stehen, von der
     Gräfin, aber nicht von Piccolomini bemerkt.)

--fasse kühn sie in die Arme,
     Mein Mund berührt den ihrigen--da rauscht' es
     Im nahen Saal und trennte uns--Sie waren's.
     Was nun geschehen, wissen Sie.

Gräfin.  (nach einer Pause mit einem verstohlnen Blick auf Thekla)
     Und sind Sie so bescheiden oder haben
     So wenig Neugier, daß Sie mich nicht auch
     Um mein Geheimnis fragen?

Max.
     Ihr Geheimnis?

Gräfin.
     Nun ja!  Wie ich unmittelbar nach Ihnen
     Ins Zimmer trat, wie ich die Nichte fand,
     Was sie in diesem ersten Augenblick
     Der überraschten Herzens--

Max.  (lebhaft)
     Nun?



Vierter Auftritt

Vorige.  Thekla, welche schnell hervortritt.


Thekla.
     Spart Euch die Mühe, Tante!
     Das hört er besser von mir selbst.

Max.  (tritt zurück)
     Mein Fräulein!--
     Was ließen Sie mich sagen, Tante Terzky!

Thekla.  (zur Gräfin)
     Ist er schon lange hier?

Gräfin.
     Jawohl, und seine Zeit ist bald vorüber.
     Wo bleibt Ihr auch so lang?

Thekla.
     Die Mutter weinte wieder so.  Ich seh sie leiden
     --Und kann's nicht ändern, daß ich glücklich bin.

Max.  (in ihren Anblick verloren)
     Jetzt hab ich wieder Mut , Sie anzusehn.
     Heut konnt' ich's nicht.  Der Glanz der Edelsteine,
     Der Sie umgab, verbarg mir die Geliebte.

Thekla.
     So sah mich nur Ihr Auge, nicht Ihr Herz.

Max.
     Oh!  diesen Morgen, als ich Sie im Kreise
     Der Ihrigen, in Vaters Armen fand,
     Mich einen Fremdling sah in diesem Kreise--
     Wie drängte mich's in diesem Augenblick,
     Ihm um den Hals zu fallen, Vater ihn
     Zu nennen!  Doch sein strenges Auge hieß
     Die heftig wallende Empfindung schweigen,
     Und jene Diamanten schreckten mich,
     Die wie ein Kranz von Sternen Sie umgaben.
     Warum auch mußt' er beim Empfange gleich
     Den Bann um Sie verbreiten, gleich zum Opfer
     Den Engel schmücken, auf das heitre Herz
     Die traur'ge Bürde seines Standes werfen!
     Wohl darf die Liebe werben um die Liebe,
     Doch solchem Glanz darf nur ein König nahn.

Thekla.
     Oh!  still von dieser Mummerei.  Sie sehn,
     Wie schnell die Bürde abgeworfen ward.
(Zur Gräfin.)
     Er ist nicht heiter.  Warum ist er's nicht?
     Ihr, Tante, habt ihn mir so schwer gemacht!
     War er doch ein ganz andrer auf der Reise!
     So ruhig hell!  So froh beredt!  Ich wünschte,
     Sie immer so zu sehn und niemals anders.

Max.
     Sie fanden sich, in Ihres Vaters Armen,
     In einer neuen Welt, die Ihnen huldigt,
     Wär's auch durch Neuheit nur, Ihr Auge reizt.

Thekla.
     Ja!  Vieles reizt mich hier, ich will's nicht leugnen,
     Mich reizt die bunte, kriegerische Bühne,
     Die vielfach mir ein liebes Bild erneuert,
     Mir an das Leben, an die Wahrheit knüpft,
     Was mir ein schöner Traum nur hat geschienen.

Max.
     Mir machte sie mein wirklich Glück zum Traum.
     Auf einer Insel in des Äthers Höhn
     Hab' ich gelebt in diesen letzten Tagen;
     Sie hat sich auf die Erd' herabgelassen,
     Und diese Brücke, die zum alten Leben
     Zurück mich bringt, trennt mich von meinem Himmel.

Thekla.
     Das Spiel des Lebens sieht sich heiter an,
     Wenn man den sichern Schatz im Herzen trägt,
     Und froher kehr ich, wenn ich es gemustert,
     Zu meinem schönern Eigentum zurück--
(Abbrechend, und in einem scherzhaften Ton.)
     Was hab ich Neues nicht und Unerhörtes
     In dieser kurzen Gegenwart gesehn!
     Und doch muß alles dies dem Wunder weichen,
     Das dieses Schloß geheimnisvoll verwahrt.

Gräfin.  (nachsinnend)
     Was wäre das?  Ich bin doch auch bekannt
     In allen dunklen Ecken dieses Hauses.

Thekla.  (lächelnd)
     Von Geistern wird der Weg dazu beschützt,
     Zwei Greife halten Wache an der Pforte.

Gräfin.  (lacht)
     Ach so!  der astrologische Turm!  Wie hat sich
     Dies Heiligtum, das sonst so streng verwahrt wird,
     Gleich in den ersten Stunden Euch geöffnet?

Thekla.
     Ein kleiner, alter Mann mit weißen Haaren
     Und freundlichem Gesicht, der seine Gunst
     Mir gleich geschenkt, schloß mir die Pforten auf.

Max.
     Das ist des Herzogs Astrolog, der Seni.

Thekla.
     Er fragte mich nach vielen Dingen, wann ich
     Geboren sei, in welchem Tag und Monat,
     Ob eine Tages--oder Nachtgeburt--

Gräfin.
     Weil er das Horoskop Euch stellen wollte.

Thekla.
     Auch meine Hand besah er, schüttelte
     Das Haupt bedenklich, und es schienen ihm
     Die Linien nicht eben zu gefallen.

Gräfin.
     Wie fandet Ihr es denn in diesem Saal?
     Ich hab mich stets nur flüchtig umgesehn.

Thekla.
     Es ward mir wunderbar zumut, als ich
     Aus vollem Tageslichte schnell hineintrat,
     Denn eine düstre Nacht umgab mich plötzlich,
     Von seltsamer Beleuchtung schwach erhellt.
     In einem Halbkreis standen um mich her
     Sechs oder sieben große Königsbilder,
     Den Zepter in der Hand, und auf dem Haupt
     Trug jedes einen Stern, und alles Licht
     Im Turm schien von den Sternen nur zu kommen.
     Das wären die Planeten, sagte mir
     Mein Führer, sie regierten das Geschick,
     Drum seien sie als Könige gebildet.
     Der äußerste, ein grämlich finstrer Greis
     Mit dem trübgelben Stern, sei der Saturnus;
     Der mit dem roten Schein, grad von ihm über,
     In kriegerischer Rüstung, sei der Mars,
     Und beide bringen wenig Glück den Menschen.
     Doch eine schöne Frau stand ihm zur Seite,
     Sanft schimmerte der Stern auf ihrem Haupt,
     Das sei die Venus, das Gestirn der Freude.
     Zur linken Hand erschien Merkur geflügelt,
     Ganz in der Mitte glänzte silberhell
     Ein heitrer Mann, mit einer Königsstirn,
     Das sei der Jupiter, des Vaters Stern,
     Und Mond und Sonne standen ihm zur Seite.

Max.
     Oh!  nimmer will ich seinen Glauben schelten
     An der Gestirne, an der Geister Macht.
     Nicht bloß der Stolz des Menschen füllt den Raum
     Mit Geistern, mit geheimnisvollen Kräften,
     Auch für ein liebend Herz ist die gemeine
     Natur zu eng, und tiefere Bedeutung
     Liegt in dem Märchen meiner Kinderjahre
     Als in der Wahrheit, die das Leben lehrt.
     Die heitre Welt der Wunder ist's allein,
     Die dem entzückten Herzen Antwort gibt,
     Die ihre ew'gen Räume mir eröffnet,
     Mir tausend Zweige reich entgegenstreckt,
     Worauf der trunkne Geist sich selig wiegt.
     Die Fabel ist der Liebe Heimatwelt,
     Gern wohnt sie unter Feen, Talismanen,
     Glaubt gern an Götter, weil sie göttlich ist.
     Die alten Fabelwesen sind nicht mehr,
     Das reizende Geschlecht ist ausgewandert;
     Doch eine Sprache braucht das Herz, es bringt
     Der alte Trieb die alten Namen wieder,
     Und an dem Sternenhimmel gehn sie jetzt,
     Die sonst im Leben freundlich mitgewandelt.
     Dort winken sie dem Liebenden herab,
     Und jedes Große bringt uns Jupiter
     Noch diesen Tag, und Venus jedes Schöne.

Thekla.
     Wenn das die Sternenkunst ist, will ich froh
     Zu diesem heitern Glauben mich bekennen.
     Es ist ein holder, freundlicher Gedanke,
     Daß über uns, in unermeßnen Höhn,
     Der Liebe Kranz aus funkelnden Gestirnen,
     Da wir erst wurden, schon geflochten ward.

Gräfin.
     Nicht Rosen bloß, auch Dornen hat der Himmel,
     Wohl dir!  wenn sie den Kranz dir nicht verletzen.
     Was Venus band, die Bringerin des Glücks,
     Kann Mars, der Stern des Unglücks, schnell zerreißen.

Max.
     Bald wird sein düstres Reich zu Ende sein!
     Gesegnet sei des Fürsten ernster Eifer,
     Er wird den Ölzweig in den Lorbeer flechten
     Und der erfreuten Welt den Frieden schenken.
     Dann hat sein großes Herz nichts mehr zu wünschen,
     Er hat genug für seinen Ruhm getan,
     Kann jetzt sich selber leben und den Seinen.
     Auf seine Güter wird er sich zurückziehn,
     Er hat zu Gitschin einen schönen Sitz,
     Auch Reichenberg, Schloß Friedland liegen heiter--
     Bis an den Fuß der Riesenberge hin
     Streckt sich das Jagdgehege seiner Wälder.
     Dem großen Trieb, dem prächtig schaffenden,
     Kann er dann ungebunden frei willfahren.
     Da kann er fürstlich jede Kunst ermuntern
     Und alles würdig Herrliche beschützen--
     Kann bauen, pflanzen, nach den Sternen sehn--
     Ja, wenn die kühne Kraft nicht ruhen kann,
     So mag er kämpfen mit dem Element,
     Den Fluß ableiten und den Felsen sprengen
     Und dem Gewerb die leichte Straße bahnen.
     Aus unsern Kriegsgeschichten werden dann
     Erzählungen in langen Winternächten--

Gräfin.
     Ich will denn doch geraten haben, Vetter,
     Den Degen nicht zu frühe wegzulegen.
     Denn eine Braut wie die ist es wohl wert,
     Daß mit dem Schwert um sie geworben werde.

Max.
     Oh!  wäre sie mit Waffen zu gewinnen!

Gräfin.
     Was war das?  Hört ihr nichts?--Mir war's, als hört' ich
     Im Tafelzimmer heft'gen Streit und Lärmen.

(Sie geht hinaus.)



Fünfter Auftritt

Thekla und Max Piccolomini.


Thekla.  (sobald die Gräfin sich entfernt hat, schnell und
     heimlich zu Piccolomini)
     Trau ihnen nicht.  Sie meinen's falsch.

Max.
     Sie könnten--

Thekla.
     Trau niemand hier als mir.  Ich sah es gleich,
     Sie haben einen Zweck.

Max.
     Zweck!  Aber welchen?
     Was hätten sie davon, uns Hoffnungen--

Thekla.
     Das weiß ich nicht.  Doch glaub mir, es ist nicht
     Ihr Ernst, uns zu beglücken, zu verbinden.

Max.
     Wozu auch diese Terzkys?  Haben wir
     Nicht deine Mutter?  Ja, die Gütige
     Verdient's, daß wir uns kindlich ihr vertrauen.

Thekla.
     Sie liebt dich, schätzt dich hoch vor allen andern,
     Doch nimmer hätte sie den Mut, ein solch
     Geheimnis vor dem Vater zu bewahren.
     Um ihrer Ruhe willen muß es ihr
     Verschwiegen bleiben.

Max.
     Warum überall
     Auch das Geheimnis?  Weißt du, was ich tun will?
     Ich werfe mich zu deines Vaters Füßen,
     Er soll mein Glück entscheiden, er ist wahrhaft,
     Ist unverstellt und haßt die krummen Wege,
     Er ist so gut, so edel--

Thekla.
     Das bist du!

Max.
     Du kennst ihn erst seit heut.  Ich aber lebe
     Schon zehen Jahre unter seinen Augen.
     Ist's denn das erste Mal, daß er das Seltne,
     Das Ungehoffte tut?  Es sieht ihm gleich,
     Zu überraschen wie ein Gott, er muß
     Entzücken stets und in Erstaunen setzen.
     Wer weiß, ob er in diesem Augenblick
     Nicht mein Geständnis, deines bloß erwartet,
     Uns zu vereinigen--Du schweigst?  Du siehst
     Mich zweifelnd an?  Was hast du gegen deinen Vater?

Thekla.
     Ich?  Nichts--Nur zu beschäftigt find ich ihn,
     Als daß er Zeit und Muße könnte haben,
     An unser Glück zu denken.
(Ihn zärtlich bei der Hand fassend.)
     Folge mir!
     Laß nicht zu viel uns an die Menschen glauben.
     Wir wollen diesen Terzkys dankbar sein
     Für jede Gunst, doch ihnen auch nicht mehr
     Vertrauen, als sie würdig sind, und uns
     Im übrigen--auf unser Herz verlassen.

Max.
     Oh!  werden wir auch jemals glücklich werden!

Thekla.
     Sind wir's denn nicht?  Bist du nicht mein?  Bin ich
     Nicht dein?--In meiner Seele lebt
     Ein hoher Mut, die Liebe gibt ihn mir--
     Ich sollte minder offen sein, mein Herz
     Dir mehr verbergen, also will's die Sitte.
     Wo aber wäre Wahrheit hier für dich,
     Wenn du sie nicht auf meinem Munde findest?
     Wir haben uns gefunden, halten uns
     Umschlungen, fest und ewig.  Glaube mir!
     Das ist um vieles mehr, als sie gewollt.
     Drum laß es uns wie einen heil'gen Raub
     In unsers Herzens Innerstem bewahren.
     Aus Himmels Höhen fiel es uns herab,
     Und nur dem Himmel wollen wir's verdanken.
     Es kann ein Wunder für uns tun.



Sechster Auftritt

Gräfin Terzky zu den Vorigen.


Gräfin.  (pressiert)
     Mein Mann schickt her.  Es sei die höchste Zeit.
     Er soll zur Tafel--
(Da jene nicht darauf achten, tritt sie zwischen sie.)
     Trennt euch!

Thekla.
     Oh!  nicht doch!
     Es ist ja kaum ein Augenblick.

Gräfin.
     Die Zeit vergeht Euch schnell, Prinzessin Nichte.

Max.
     Es eilt nicht, Base.

Gräfin.
     Fort!  Fort!  Man vermißt Sie.
     Der Vater hat sich zweimal schon erkundigt.

Thekla.
     Ei nun!  der Vater!

Gräfin.
     Das versteht Ihr, Nichte.

Thekla.
     Was soll er überall bei der Gesellschaft?
     Es ist sein Umgang nicht, es mögen würd'ge,
     Verdiente Männer sein, er aber ist
     Für sie zu jung, taugt nicht in die Gesellschaft.

Gräfin.
     Ihr möchtet ihn wohl lieber ganz behalten?

Thekla.  (lebhaft).
     Ihr habt's getroffen.  Das ist meine Meinung.
     Ja, laßt ihn ganz hier, laßt den Herren sagen--

Gräfin.
     Habt Ihr den Kopf verloren, Nichte?--Graf!
     Sie wissen die Bedingungen.

Max.
     Ich muß gehorchen, Fräulein.  Leben Sie wohl.

(Da Thekla sich schnell von ihm wendet.)

Was sagen Sie?

Thekla.  (ohne ihn anzusehen)
     Nichts.  Gehen Sie.

Max.
     Kann ich's,
     Wenn Sie mir zürnen--

(Er nähert sich ihr, ihre Augen begegnen sich, sie steht einen
     Augenblick schweigend, dann wirft sie sich ihm an die Brust, er
     drückt sie fest an sich.)

Gräfin.
     Weg!  Wenn jemand käme!
     Ich höre Lärmen--Fremde Stimmen nahen.

(Max reißt sich aus ihren Armen und geht, die Gräfin begleitet ihn.
     Thekla folgt ihm anfangs mit den Augen, geht unruhig durch das Zimmer
     und bleibt dann in Gedanken versenkt stehen.  Eine Gitarre liegt auf
     dem Tisch, sie ergreift sie, und nachdem sie eine Weile schwermütig
     präludiert hat, fällt sie in den Gesang.)



Siebenter Auftritt


Thekla.  (spielt und singt)
     Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn,
     Das Mägdlein wandelt an Ufers Grün,
     Es bricht sich die Welt mit Macht, mit Macht,
     Und sie singt hinaus in die finstre Nacht.
     Das Auge von Weinen getrübet.
     Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer,
     Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr.
     Du Heilige, rufe dein Kind zurück,
     Ich habe genossen das irdische Glück,
     Ich habe gelebt und geliebet.



Achter Auftritt

Gräfin kommt zurück.  Thekla.


Gräfin.
     Was war das, Fräulein Nichte?  Fy!  Ihr werft Euch
     Ihm an den Kopf.  Ihr solltet Euch doch, dächt' ich,
     Mit Eurer Person ein wenig teurer machen.

Thekla.  (indem sie aufsteht)
     Was meint Ihr, Tante?

Gräfin.
     Ihr sollt nicht vergessen,
     Wer Ihr seid, und wer er ist.  Ja, das ist Euch
     Noch gar nicht eingefallen, glaub ich.

Thekla.
     Was denn?

Gräfin.
     Daß Ihr des Fürsten Friedland Tochter seid.

Thekla.
     Nun?  und was mehr?

Gräfin.
     Was?  Eine schöne Frage!

Thekla.
     Was wir geworden sind, ist er geboren.
     Er ist von alt lombardischem Geschlecht,
     Ist einer Fürstin Sohn!

Gräfin.
     Sprecht Ihr im Traum?
     Fürwahr!  Man wird ihn höflich noch drum bitten,
     Die reichste Erbin in Europa zu beglücken
     Mit seiner Hand.

Thekla.
     Das wird nicht nötig sein.

Gräfin.
     Ja, man wird wohl tun, sich nicht auszusetzen.

Thekla.
     Sein Vater liebt ihn, Graf Octavio
     Wird nichts dagegen haben--

Gräfin.
     Sein Vater!  Seiner!  Und der Eure, Nichte?

Thekla.
     Nun ja!  Ich denk, Ihr fürchtet seinen Vater,
     Weil Ihr's vor dem, vor seinem Vater, mein ich,
     So sehr verheimlicht.

Gräfin.  (sieht sie forschend an)
     Nichte, Ihr seid falsch.

Thekla.
     Seid Ihr empfindlich, Tante?  Oh!  seid gut!

Gräfin.
     Ihr haltet Euer Spiel schon für gewonnen--
     Jauchzt nicht zu frühe!

Thekla.
     Seid nur gut!

Gräfin.
     Es ist noch nicht so weit.

Thekla.
     Ich glaub es wohl.

Gräfin.
     Denkt Ihr, er habe sein bedeutend Leben
     In kriegerischer Arbeit aufgewendet,
     Jedwedem stillen Erdenglück entsagt,
     Den Schlaf von seinem Lager weggebannt,
     Sein edles Haupt der Sorge hingegeben,
     Nur um ein glücklich Paar aus euch zu machen?
     Um dich zuletzt aus deinem Stift zu ziehn,
     Den Mann dir im Triumphe zuzuführen,
     Der deinen Augen wohlgefällt?--Das hätt' er
     Wohlfeiler habe können!  Diese Saat
     Ward nicht gepflanzt, daß du mit kind'scher Hand
     Die Blume brächest und zu leichten Zier
     An deinen Busen stecktest!

Thekla.
     Was er mir nicht gepflanzt, das könnte doch
     Freiwillig mir die schönen Früchte tragen.
     Und wenn mein gütig freundliches Geschick
     Aus seinem furchtbar ungeheuren Dasein
     Des Lebens Freude mir bereiten will--
                
Go to page: 1234
 
 
Хостинг от uCoz