Johann Shiller

Die Piccolomini
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Gräfin.
     Du siehst's wie ein verliebtes Mädchen an.
     Blick um dich her.  Besinn dich, wo du bist--
     Nicht in ein Freudenhaus bist du getreten,
     Zu keiner Hochzeit findest du die Wände
     Geschmückt, der Gäste Haupt bekränzt.  Hier ist
     Kein Glanz als der von Waffen.  Oder denkst du,
     Man führte diese Tausende zusammen,
     Beim Brautfest dir den Reihen aufzuführen?
     Du siehst des Vaters Stirn gedankenvoll,
     Der Mutter Aug' in Tränen, auf der Waage liegt
     Das große Schicksal unsers Hauses!
     Laß jetzt des Mädchens kindische Gefühle,
     Die kleinen Wünsche hinter dir!  Beweise,
     Daß du des Außerordentlichen Tochter bist!
     Das Weib soll sich nicht selber angehören,
     An fremdes Schicksal ist sie fest gebunden;
     Die aber ist die Beste, die sich Fremdes
     Aneignen kann mit Wahl, an ihrem Herzen
     Es trägt und pflegt mit Innigkeit und Liebe.

Thekla.
     So wurde mir's im Kloster vorgesagt.
     Ich hatte keine Wünsche, kannte mich
     Als seine Tochter nur, des Mächtigen,
     Und seines Lebens Schall, der auch zu mir drang,
     Gab mir kein anderes Gefühl als dies:
     Ich sei bestimmt, mich leidend ihm zu opfern.

Gräfin.
     Das ist dein Schicksal.  Füge dich ihm willig.
     Ich und die Mutter geben dir das Beispiel.

Thekla.
     Das Schicksal hat mir den gezeigt, dem ich
     Mich opfern soll; ich will ihm freudig folgen.

Gräfin.
     Dein Herz, mein liebes Kind, und nicht das Schicksal.

Thekla.
     Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme.
     Ich bin die Seine.  Sein Geschenk allein
     Ist dieses neue Leben, das ich lebe.
     Er hat ein Recht an sein Geschöpf.  Was war ich,
     Eh' seine schöne Liebe mich beseelte?
     Ich will auch von mir selbst nicht kleiner denken
     Als der Geliebte.  Der kann nicht gering sein,
     Der das Unschätzbare besitzt.  Ich fühle
     Die Kraft mit meinem Glücke mir verliehn.
     Ernst liegt das Leben vor der ernsten Seele.
     Daß ich mir selbst gehöre, weiß ich nun.
     Den festen Willen hab ich kennen lernen,
     Den unbezwinglichen, in meiner Brust,
     Und an das Höchste kann ich alles setzen.

Gräfin.
     Du wolltest dich dem Vater widersetzen,
     Wenn er es anders nun mit dir beschlossen?
     --Ihm denkst du's abzuzwingen?  Wisse, Kind!
     Sein Nam' ist Friedland.

Thekla.
     Auch der meinige.
     Er soll in mir die echte Tochter finden.

Gräfin.
     Wie?  Sein Monarch, sein Kaiser zwingt ihn nicht,
     Und du, sein Mädchen, wolltest mit ihm kämpfen?

Thekla.
     Was niemand wagt, kann seine Tochter wagen.

Gräfin.
     Nun wahrlich!  Darauf ist er nicht bereitet.
     Er hätte jedes Hindernis besiegt,
     Und in dem eignen Willen seiner Tochter
     Sollt' ihm der neue Streit entstehn?  Kind!  Kind!
     Noch hast du nur das Lächeln deines Vaters,
     Hast seines Zornes Auge nicht gesehen.
     Wird sich die Stimme deines Widerspruchs,
     Die zitternde, in seine Nähe wagen?
     Wohl magst du dir, wenn du allein bist, große Dinge
     Vorsetzen, schöne Rednerblumen flechten,
     Mit Löwenmut den Taubensinn bewaffnen.
     Jedoch versuch's!  Tritt vor sein Auge hin,
     Das fest auf dich gespannt ist, und sag nein!
     Vergehen wirst du vor ihm, wie das zarte Blatt
     Der Blume vor dem Feuerblick der Sonne.
     --Ich will dich nicht erschrecken, liebes Kind!
     Zum Äußersten soll's ja nicht kommen, hoff ich--
     Auch weiß ich seinen Willen nicht.  Kann sein,
     Daß seine Zwecke deinem Wunsch begegnen.
     Doch das kann nimmermehr sein Wille sein,
     Daß du, die stolze Tochter seines Glücks,
     Wie ein verliebtes Mädchen dich gebärdest,
     Wegwerfest an den Mann, der , wenn ihm je
     Der hohe Lohn bestimmt ist, mit dem höchsten Opfer,
     Das Liebe bringt, dafür bezahlen soll!

(Sie geht ab.)



Neunter Auftritt

Thekla.  (allein)
     Dank dir für deinen Wink!  Er macht
     Mir meine böse Ahnung zur Gewißheit.
     So ist's denn wahr?  Wir haben keinen Freund
     Und keine treue Seele hier--wir haben
     Nichts als uns selbst.  Uns drohen harte Kämpfe.
     Du, Liebe, gib uns Kraft, du göttliche!
     Oh!  sie sagt wahr!  Nicht frohe Zeichen sind's,
     Die diesem Bündnis unsrer Herzen leuchten.
     Das ist kein Schauplatz, wo die Hoffnung wohnt.
     Nur dumpfes Kriegsgetöse rasselt hier,
     Und selbst die Liebe, wie in Stahl gerüstet,
     Zum Todeskampf gegürtet, tritt sie auf.
     Es geht ein finstrer Geist durch unser Haus,
     Und schleunig will das Schicksal mit uns enden.
     Aus stiller Freistatt treibt es mich heraus,
     Ein holder Zauber muß die Seele blenden.
     Es lockt mich durch die himmlische Gestalt,
     Ich seh sie nah und seh sie näher schweben,
     Es zieht mich fort mit göttlicher Gewalt,
     Dem Abgrund zu, ich kann nicht widerstreben.
(Man hört von ferne die Tafelmusik.)
     Oh!  wenn ein Haus im Feuer soll vergehn,
     Dann treibt der Himmel sein Gewölk zusammen,
     Es schießt der Blitz herab aus heitern Höhn,
     Aus unterird'schen Schlünden fahren Flammen,
     Blindwütend schleudert selbst der Gott der Freude
     Den Pechkranz in das brennende Gebäude!
(Sie geht ab.)




Vierter Aufzug

Szene: Ein großer, festlich erleuchteter Saal, in der Mitte
     desselben und nach der Tiefe des Theaters eine reich ausgeschmückte
     Tafel, an welcher acht Generale, worunter Octavio Piccolomini,
     Terzky und Maradas, sitzen.  Rechts und links davon, mehr nach
     hinten zu, noch zwei andere Tafeln, welche jede mit sechs Gästen
     besetzt sind.  Vorwärts steht der Kredenztisch, die ganze vordere
     Bühne bleibt für die aufwartenden Pagen und Bedienten frei.  Alles
     ist in Bewegung, Spielleute von Terzkys Regiment ziehen über den
     Schauplatz um die Tafel herum.  Noch ehe sie sich ganz entfernt
     haben, erscheint Max Piccolomini; ihm kommt Terzky mit einer
     Schrift, Isolani mit einem Pokal entgegen.



Erster Auftritt

Terzky.  Isolani.  Max Piccolomini.


Isolani.
     Herr Bruder, was wir lieben!  Nun, wo steckt Er?
     Geschwind an Seinen Platz!  Der Terzky hat
     Der Mutter Ehrenweine preisgegeben,
     Es geht hier zu, wie auf dem Heidelberger Schloß.
     Das Beste hat Er schon versäumt.  Sie teilen
     Dort an der Tafel Fürstenhüte aus,
     Des Eggenberg, Slawata, Lichtenstein,
     Des Sternbergs Güter werden ausgeboten
     Samt allen großen böhm'schen Lehen; wenn
     Er hurtig macht, fällt auch für Ihn was ab.
     Marsch!  Setz' Er sich!

Colalto und Götz.  (rufen an der zweiten Tafel)
     Graf Piccolomini!

Terzky.
     Ihr sollt ihn haben!  Gleich!--Lies diese Eidesformel,
     Ob dir's gefällt, so wie wir's aufgesetzt.
     Es haben's alle nach der Reih' gelesen,
     Und jeder wird den Namen drunter setzen.

Max. (liest)
     "Ingratis servire nefas."

Isolani.
     Das klingt wie ein latein'scher Spruch--Herr Bruder,
     Wie heißt's auf deutsch?

Terzky.
     Dem Undankbaren dient kein rechter Mann!

Max.
     "Nachdem unser hochgebietender Feldherr, der
     Durchlauchtige Fürst von Friedland, wegen vielfältig
     empfangener Kränkungen, des Kaisers Dienst zu
     Verlassen gemeint gewesen, auf unser einstimmiges
     Bitten aber sich bewegen lassen, noch länger bei der
     Armee zu verbleiben, und ohne unser Genehmhalten sich
     Nicht von uns zu trennen; als verpflichten wir uns wieder
     ingesamt, und jeder für sich insbesondere, anstatt eines
     körperlichen Eides--auch bei ihm ehrlich und getreu zu
     halten, uns auf keinerlei Weise von ihm zu trennen, und
     für denselben alles das Unsrige, bis auf den letzten
     Blutstropfen, aufzusetzen, so weit nämlich unser dem
     Kaiser geleisteter Eid es erlauben wird.
(Die letzten Worte werden von Isolani nachgesprochen.)
     Wie wir denn auch, wenn einer oder der andre, von uns, diesem
     Verbündnis zuwider, sich von der gemeinen Sache
     Absondern sollte, denselben als einen bundesflüchtigen
     Verräter erklären, und an seinem Hab und Gut, Leib und
     Leben Rache dafür zu nehmen verbunden sein wollen.
     Solches bezeugen wir mit Unterschrift unsers Namens."

Terzky.
     Bist du gewillt, dies Blatt zu unterschreiben?

Isolani.
     Was sollt' er nicht!  Jedweder Offizier
     Von Ehre kann das--muß das--Dint' und Feder!

Terzky.
     Laß gut sein, bis nach der Tafel.

Isolani.  (Max fortziehend)
     Komm' Er, komm' Er!

(Beide gehen an die Tafel.)



Zweiter Auftritt

Terzky.  Neumann.


Terzky.  (winkt dem Neumann , der am Kredenztisch gewartet,
     und tritt mit ihm vorwärts)
     Bringst du die Abschrift, Neumann?  Gib!  Sie ist
     Doch so verfaßt, daß man sie leicht verwechselt?

Neumann.
     Ich hab sie Zeil' um Zeile nachgemalt,
     Nichts als die Stelle von dem Eid blieb weg,
     Wie deine Exzellenz es mir geheißen.

Terzky.
     Gut!  Leg sie dorthin, und mit dieser gleich
     Ins Feuer!  Was sie soll, hat sie geleistet.

(Neumann legt die Kopie auf den Tisch und tritt wieder zum Schenktisch.)



Dritter Auftritt

Illo kommt aus dem zweiten Zimmer.  Terzky.


Illo.
     Wie ist es mit dem Piccolomini?

Terzky.
     Ich denke, gut.  Er hat nichts eingewendet.

Illo.
     Er ist der einz'ge, dem ich nicht recht traue,
     Er und der Vater--Habt ein Aug' auf beide!

Terzky.
     Wie sieht's an Eurer Tafel aus?  Ich hoffe,
     Ihr haltet Eure Gäste warm?

Illo.
     Sie sind
     Ganz kordial.  Ich denk, wir haben sie.
     Und wie ich's Euch vorausgesagt--Schon ist
     Die Red' nicht mehr davon, den Herzog bloß
     Bei Ehren zu erhalten.  Da man einmal
     Beisammen sei, meint Montecuculi,
     So müsse man in seinem eignen Wien
     Dem Kaiser die Bedingung machen.  Glaubt mir,
     Wär's nicht um diese Piccolomini,
     Wir hätten den Betrug uns können sparen.

Terzky.
     Was will der Buttler?  Still!



Vierter Auftritt

Buttler zu den Vorigen.


Buttler.  (von der zweiten Tafel kommend)
     Laßt Euch nicht stören.
     Ich hab Euch wohl verstanden, Feldmarschall.
     Glück zum Geschäfte--und was mich betrifft,
(geheimnisvoll)
     So könnt Ihr auf mich rechnen.

Illo.  (lebhaft)
     Können wir's?

Buttler.
     Mit oder ohne Klausel!  gilt mir gleich!
     Versteht Ihr mich?  Der Fürst kann meine Treu'
     Auf jede Probe setzen, sagt ihm das.
     Ich bin des Kaisers Offizier, solang ihm
     Beliebt, des Kaisers General zu bleiben,
     Und bin des Friedlands Knecht, sobald es ihm
     Gefallen wird, sein eigner Herr zu sein.

Terzky.
     Ihr treffet einen guten Tausch.  Kein Karger,
     Kein Ferdinand ist's, dem Ihr Euch verpflichtet.

Buttler.  (ernst)
     Ich biete meine Treu' nicht feil, Graf Terzky,
     Und wollt' Euch nicht geraten haben, mir
     Vor einem halben Jahr noch abzudingen,
     Wozu ich jetzt freiwillig mich erbiete.
     Ja, mich samt meinem Regiment bring ich
     Dem Herzog, und nicht ohne Folgen soll
     Das Beispiel bleiben, denk ich, das ich gebe.

Illo.
     Wem ist es nicht bekannt, daß Oberst Buttler

Dem ganzen Heer voran als Muster leuchtet!

Buttler.
     Meint Ihr, Feldmarschall?  Nun, so reut mich nicht
     Die Treue, vierzig Jahre lang bewahrt,
     Wenn mir der wohlgesparte gute Name
     So volle Rache kauft im sechzigsten!--
     Stoßt euch an meine Rede nicht, ihr Herrn.
     Euch mag es gleichviel sein,wie ihr mich habt,
     Und werdet, hoff ich, selber nicht erwarten,
     Daß euer Spiel mein grades Urteil krümmt--
     Daß Wankelsinn und schnell bewegtes Blut
     Noch leichte Ursach' sonst den alten Mann
     Vom langgewohnten Ehrenpfade treibt.
     Kommt!  Ich bin darum minder nicht entschlossen,
     Weil ich es deutlich weiß, wovon ich scheide.

Illo.
     Sagt's rund heraus, wofür wir Euch zu halten--

Buttler.
     Für einen Freund!  Nehmt meine Hand darauf,
     Mit allem, was ich hab, bin ich der Eure.
     Nicht Männer bloß, auch Geld bedarf der Fürst.
     Ich hab in seinem Dienst mir was erworben,
     Ich leih es ihm, und überlebt er mich,
     Ist's ihm vermacht schon längst, er ist mein Erbe.
     Ich steh allein da in der Welt und kenne
     Nicht das Gefühl, das an ein teures Weib
     Den Mann und an geliebte Kinder bindet;
     Mein Name stirbt mit mir, mein Dasein endet.

Illo.
     Nicht Eures Gelds bedarf's--ein Herz, wie Euers,
     Wiegt Tonnen Goldes auf und Millionen.

Buttler.
     Ich kam, ein schlechter Reitersbursch, aus Irland
     Nach Prag mit einem Herrn, den ich begrub.
     Vom niedern Dienst im Stalle stieg ich auf,
     Durch Kriegsgeschick, zu dieser Würd' und Höhe,
     Das Spielzeug eines grillenhaften Glücks.
     Auch Wallenstein ist der Fortuna Kind,
     Ich liebe einen Weg, der meinem gleicht.

Illo.
     Verwandte sind sich alle starken Seelen.

Buttler.
     Es ist ein großer Augenblick der Zeit,
     Dem Tapfern, dem Entschloßnen ist sie günstig.
     Wie Scheidemünze geht von Hand zu Hand,
     Tauscht Stadt und Schloß den eilenden Besitzer.
     Uralter Häuser Enkel wandern aus,
     Ganz neue Wappen kommen auf und Namen;
     Auf deutscher Erde unwillkommen wagt's
     Ein nördlich Volk sich bleibend einzubürgern.
     Der Prinz von Weimar rüstet sich mit Kraft,
     Am Main ein mächtig Fürstentum zu gründen;
     Dem Mansfeld fehlte nur, dem Halberstädter
     Ein längres Leben, mit dem Ritterschwert
     Landeigentum sich tapfer zu erfechten.
     Wer unter diesen reicht an unsern Friedland?
     Nichts ist so hoch, wornach der Starke nicht
     Befugnis hat die Leiter anzusetzen.

Terzky.
     Das ist gesprochen wie ein Mann!

Buttler.
     Versichert euch der Spanier und Welschen,
     Den Schotten Leßly will ich auf mich nehmen.
     Kommt zur Gesellschaft!  Kommt!

Terzky.
     Wo ist der Kellermeister?
     Laß aufgehn, was du hast!  die besten Weine!
     Heut gilt es.  Unsre Sachen stehe gut.

(Gehen, jeder an seine Tafel.)



Fünfter Auftritt

Kellermeister mit Neumann vorwärts kommend.  Bediente gehen ab und zu.


Kellermeister.
     Der edle Wein!  Wenn meine alte Herrschaft,
     Die Frau Mama, das wilde Leben säh',
     In ihrem Grabe kehrte sie sich um!--
     Ja!  Ja!  Herr Offizier!  Es geht zurück
     Mit diesem edeln Haus--Kein Maß noch Ziel!
     Und die durchlauchtige Verschwägerung
     Mit diesem Herzog bringt uns wenig Segen.

Neumann.
     Behüte Gott!  Jetzt wird der Flor erst angehn.

Kellermeister.
     Meint Er?  Es ließ' sich vieles davon sagen.

Bedienter.  (kommt.)
     Burgunder für den vierten Tisch!

Kellermeister.
     Das ist
     Die siebenzigste Flasche nun, Herr Leutnant.

Bedienter.
     Das macht, der deutsche Herr, der Tiefenbach,
     Sitzt dran.
(Geht ab.)

Kellermeister.  (zu Neumann fortfahrend)
     Sie wollen gar zu hoch hinaus.  Kurfürsten
     Und Königen wollen sie's im Prunke gleichtun,
     Und wo der Fürst sich hingetraut, da will der Graf,
     Mein gnäd'ger Herre, nicht dahintenbleiben.
(Zu den Bedienten.)
     Was steht ihr horchen?  Will euch Beine machen.
     Seht nach den Tischen, nach den Flaschen!  Da!
     Graf Palffy hat ein leeres Glas vor sich!

Zweiter Bedienter.  (kommt)
     Den großen Kelch verlandt man, Kellermeister,
     Den reichen, güldnen, mit dem böhm'schen Wappen,
     Ihr wißt schon welchen, hat der Herr gesagt.

Kellermeister.
     Der auf des Friedrichs seine Königskrönung
     Vom Meister Wilhelm ist verfertigt worden,
     Das schöne Prachtstück aus der Prager Beute?

Zweiter Bedienter.
     Ja, den!  Den Umtrunk wollen sie mit halten.

Kellermeister.  (mit Kopfschütteln, indem er den Pokal
     hervorholt und ausspült)
     Das gibt nach Wien was zu berichten wieder!

Neumann.
     Zeigt!  Das ist eine Pracht von einem Becher!
     Von Golde schwer und in erhabner Arbeit
     Sind kluge Dinge zierlich drauf gebildet.
     Gleich auf dem ersten Schildlein, laßt mal sehn!
     Die stolze Amazone da zu Pferd,
     Die übern Krummstab setzt und Bischofsmützen,
     Auf einer Stange trägt sie einen Hut,
     Nebst einer Fahn', worauf ein Kelch zu sehn.
     Könnt Ihr mir sagen, was das all bedeutet?

Kellermeister.
     Die Weibsperson, die ihr da seht zu Roß,
     Das ist die Wahlfreiheit der böhm'schen Kron'.
     Das wird bedeutet durch den runden Hut
     Und durch das wilde Roß, auf dem sie reitet.
     Des Menschen Zierat ist der Hut, denn wer
     Den Hut nicht sitzen lassen darf vor Kaisern
     Und Königen, der ist kein Mann der Freiheit.

Neumann.
     Was aber soll der Kelch da auf der Fahn'?

Kellermeister.
     Der Kelch bezeugt die böhm'sche Kirchenfreiheit,
     Wie sie gewesen zu der Väter Zeit.
     Die Väter im Hussitenkrieg erstritten
     Sich dieses schöne Vorrecht übern Papst,
     Der keinem Laien gönnen will den Kelch.
     Nichts geht dem Utraquisten übern Kelch,
     Es ist sein köstlich Kleinod, hat dem Böhmen
     Sein teures Blut in mancher Schlacht gekostet.

Neumann.
     Was sagt die Rolle, die da drüber schwebt?

Kellermeister.
     Den böhm'schen Majestätsbrief zeigt sie an,
     Den wir dem Kaiser Rudolf abgezwungen,
     Ein köstlich unschätzbares Pergament,
     Das frei Geläut' und offenen Gesang
     Dem neuen Glauben sichert wie dem alten.
     Doch seit der Grätzer über uns regiert,
     Hat das ein End', und nach der Prager Schlacht,
     Wo Pfalzgraf Friedrich Kron' und Reich verloren,
     Ist unser Glaub' um Kanzel und Altar,
     Und unsre Brüder sehen mit dem Rücken
     Die Heimat an, den Majestätsbrief aber
     Zerschnitt der Kaiser selbst mit seiner Schere.

Neumann.
     Das alles wißt Ihr!  Wohl bewandert seid Ihr
     In Eures Landes Chronik, Kellermeister.

Kellermeister.
     Drum waren meine Ahnherrn Taboriten
     Und dienten unter dem Prokop und Ziska.
     Fried' sei mit ihrem Staube!  Kämpften sie
     Für eine gute Sache doch--Tragt fort !

Neumann.
     Erst laßt mich noch das zweite Schildlein sehn.
     Sieh doch, das ist, wie auf dem Prager Schloß
     Des Kaisers Räte Martinitz, Slawata
     Kopf unter sich herabgestürzet werden.
     Ganz recht!  Da steht Graf Thurn, der es befiehlt.

(Bedienter geht mit dem Kelch.)

Kellermeister.
     Schweigt mir von diesem Tag, es war der drei-
     Undzwanzigste des Mais, da man eintausen-
     Sechshundert schrieb und achtzehn.  Ist mir's doch,
     Als wär' es heut, und mit dem Unglückstag
     Fing's an, das große Herzeleid des Landes.
     Seit diesem Tag, es sind jetzt sechzehn Jahr,
     Ist nimmer Fried' gewesen auf der Erden--
(An der zweiten Tafel wird gerufen:)
     Der Fürst von Weimar!
(An der dritten und vierten Tafel:)
     Herzog Bernhard lebe!
(Musik fällt ein.)

Erster Bedienter.
     Hört den Tumult!

Zweiter Bedienter.  (kommt gelaufen)
     Habt ihr gehört?  Sie lassen
     den Weimar leben!

Dritter Bedienter.
     Östreichs Feind!

Erster Bedienter.
     Den Lutheraner!

Zweiter Bedienter.
     Vorhin, da bracht' der Deodat des Kaisers
     Gesundheit aus, da blieb's ganz mäuschenstille.

Kellermeister.
     Beim Trunk geht vieles drein.  Ein ordentlicher
     Bedienter muß kein Ohr für so was haben.

Dritter Bedienter.  (beiseite zum vierten)
     Paß ja wohl auf, Johann, daß wir dem Pater
     Quiroga recht viel zu erzählen haben;
     Er will dafür uns auch viel Ablaß geben.

Vierter Bedienter.
     Ich mach mir an des Illo seinem Stuhl
     Deswegen auch zu tun, soviel ich kann,
     Der führt dir gar verwundersame Reden.

(Gehen zu den Tafeln.)

Kellermeister.  (zu Neumann)
     Wer mag der schwarze Herr sein mit dem Kreuz,
     Der mit Graf Palffy so vertraulich schwatzt?

Neumann.
     Das ist auch einer, dem sie zu viel trauen,
     Maradas nennt er sich, ein Spanier.

Kellermeister.
     's ist nichts mit den Hispaniern, sag ich Euch,
     Die Welschen alle taugen nichts.

Neumann.
     Ei!  Ei!
     So solltet Ihr nicht sprechen, Kellermeister.
     Es sind die ersten Generale drunter,
     Auf die der Herzog just am meisten hält.

(Terzky kommt und holt das Papier ab, an den Tafeln entsteht
     eine Bewegung.)

Kellermeister.  (zu den Bedienten)
     Der Generalleutnant steht auf.  Gebt acht!
     Sie machen Aufbruch.  Fort und rückt die Sessel.

(Die Bedienten eilen nach hinten, ein Teil der Gäste kommt
     vorwärts.)



Sechster Auftritt

Octavio Piccolomini kommt im Gespräch mit Maradas, und beide
     stellen sich ganz vorne hin auf eine Seite des Proszeniums.
     Auf die entgegengesetzte Seite tritt Max Piccolomini, allein,
     in sich gekehrt und ohne Anteil an der übrigen Handlung.  Den
     mittlern Raum zwischen beiden, doch einige Schritte mehr zurück,
     erfüllen Buttler, Isolani, Götz, Tiefenbach, Colalto und bald
     darauf Graf Terzky.


Isolani.  (während daß die Gesellschaft vorwärts kommt)
     Gut' Nacht!--Gut' Nacht, Colalto--Generalleutnant,
     Gut' Nacht!  Ich sagte besser, guten Morgen.

Götz.  (zu Tiefenbach)
     Herr Bruder!  Prosit Mahlzeit!

Tiefenbach.
     Das war ein königliches Mahl!

Götz.
     Ja, die Frau Gräfin
     Versteht's.  Sie lernt' es ihrer Schwieger ab,
     Gott hab' sie selig!  Das war eine Hausfrau!

Isolani.  (will weggehen)
     Lichter!  Lichter!

Terzky.  (kommt mit der Schrift zu Isolani)
     Herr Bruder!  Zwei Minuten noch.  Hier ist
     Noch was zu unterschreiben.

Isolani.
     Unterschreiben,
     Soviel Ihr wollt!  Verschont mich nur mit Lesen.

Terzky.
     Ich will Euch nicht bemühn.  Es ist der Eid,
     Den Ihr schon kennt.  Nur einige Federstriche.

(Wie Isolani die Schrift dem Octavio hinreicht.)

Wie's kommt!  Wen's eben trifft!  Es ist kein Rang hier.

(Octavio durchläuft die Schrift mit anscheinender Gleichgültigkeit.
     Terzky beobachtet ihn von weitem.)

Götz.  (zu Terzky)
     Herr Graf!  Erlaubt mir, daß ich mich empfehle.

Terzky.
     Eilt doch nicht so--Noch einen Schlaftrunk--He!

(Zu den Bedienten.)

Götz.
     Bin's nicht im Stand.

Terzky.
     Ein Spielchen.

Götz.
     Excusiert mich!

Tiefenbach.  (setzt sich)
     Vergebt, ihr Herrn.  Das Stehen wird mir sauer.

Terzky.
     Macht's Euch bequem, Herr Generalfeldzeugmeister!

Tiefenbach.
     Das Haupt ist frisch, der Magen ist gesund,
     Die Beine wollen aber nicht mehr tragen.

Isolani.  (auf seine Korpulenz zeigend)
     Ihr habt die Last auch gar zu groß gemacht.

(Octavio hat unterschrieben und reicht Terzky die Schrift, der
     sie dem Isolani gibt.  Dieser geht an den Tisch, zu unterschreiben.)

Tiefenbach.
     Der Krieg in Pommern hat mir's zugezogen,
     Da mußten wir heraus in Schnee und Eis,
     Das werd ich wohl mein Lebtag nicht verwinden.

Götz.
     Jawohl!  Der Schwed' frug nach der Jahreszeit nichts.

(Terzky reicht das Papier an Don Maradas; dieser geht an den Tisch,
     zu unterschreiben.)

Octavio.  (nähert sich Buttlern)
     Ihr liebt die Bacchusfeste auch nicht sehr,
     Herr Oberster!  Ich hab es wohl bemerkt,
     Und würdet, deucht mir, besser Euch gefallen
     Im Toben einer Schlacht als eines Schmauses.

Buttler.
     Ich muß gestehen, es ist nicht in meiner Art.

Octavio.  (zutraulich näher tretend)
     Auch nicht in meiner, kann ich Euch versichern,
     Und mich erfreut's, sehr würd'ger Oberst Buttler,
     Daß wir uns in der Denkart so begegnen.
     Ein halbes Dutzend guter Freunde höchstens
     Um einen kleinen, runden Tisch, ein Gläschen
     Tokaierwein, ein offnes Herz dabei
     Und ein vernünftiges Gespräch--so lieb ich's!

Buttler.
     Ja, wenn man's haben kann, ich halt es mit.

(Das Papier kommt an Buttlern, der an den Tisch geht, zu
     unterschreiben.  Das Proszenium wird leer, so daß beide Piccolomini,
     jeder auf seiner Seite, allein stehen bleiben.)

Octavio.  (nachdem er seinen Sohn eine Zeitlang aus der
     Ferne stillschweigend betrachtet, nähert sich ihm ein wenig)
     Du bist sehr lange ausgeblieben, Freund.

Max.  (wendet sich schnell um, verlegen)
     Ich--dringende Geschäfte hielten mich.

Octavio.
     Doch, wie ich sehe, bist du noch nicht hier?

Max.
     Du weißt, daß groß Gewühl mich immer still macht.

Octavio.  (rückt ihm noch näher)
     Ich darf nicht wissen, was so lang dich aufhielt?

(Listig.)

--Und Terzky weiß es doch.

Max.
     Was weiß der Terzky?

Octavio.  (bedeutend)
     Er war der einz'ge, der dich nicht vermißte.

Isolani.  (der von weitem achtgegeben, tritt dazu.)
     Recht, alter Vater!  Fall ihm ins Gepäck!
     Schlag die Quartier' ihm auf!  Es ist nicht richtig.

Terzky.  (kommt mit der Schrift)
     Fehlt keiner mehr?  Hat alles unterschrieben?

Octavio.
     Es haben's alle.

Terzky.  (rufend)
     Nun!  Wer unterschreibt noch?

Buttler.  (zu Terzky)
     Zähl nach!  Just dreißig Namen müssen's sein.

Terzky.
     Ein Kreuz steht hier.

Tiefenbach.
     Das Kreuz bin ich.

Isolani.  (zu Terzky)
     Er kann nicht schreiben, doch sein Kreuz ist gut
     Und wird ihm honoriert von Jud und Christ.

Octavio.  (pressiert zu Max)
     Gehn wir zusammen, Oberst.  Es wird spät.

Terzky.
     Ein Piccolomini ist nur aufgeschrieben.

Isolani.  (auf Max zeigend)
     Gebt acht!  Es fehlt an diesem steinernen Gast,
     Der uns den ganzen Abend nichts getaugt.

(Max empfängt aus Terzkys Händen das Blatt, in welches er
     gedankenlos hineinsieht.)



Siebenter Auftritt

Die Vorigen.  Illo kommt aus dem hintern Zimmer, er hat den
     goldnen Pokal in der Hand und ist sehr erhitzt, ihm folgen
     Götz und Buttler, die ihn zurückhalten wollen.


Illo.
     Was wollt ihr?  Laßt mich.

Götz und Buttler.
     Illo!  Trinkt nicht mehr.

Illo.  (geht auf den Octavio zu und umarmt ihn, trinkend)
     Octavio!  Das bring ich dir!  Ersäuft
     Sei aller Groll in diesem Bundestrunk!
     Weiß wohl, du hast mich nie geliebt--Gott straf' mich,
     Und ich dich auch nicht!  Laß Vergangenes
     Vergessen sein!  Ich schätze dich unendlich,
(ihn zu wiederholten Malen küssend)
     Ich bin dein bester Freund, und, daß ihr's wißt!
     Wer mir ihn eine falsche Katze schilt,
     Der hat's mit mir zu tun.

Terzky.  (beiseite)
     Bist du bei Sinnen?
     Bedenk doch, Illo, wo du bist!

Illo.  (treuherzig)
     Was wollt Ihr?  Es sind lauter gute Freunde.

(Sich mit vergnügtem Gesicht im ganzen Kreise umsehend.)

Es ist kein Schelm hier unter uns, das freut mich.

Terzky.  (zu Buttler, dringend)
     Nehmt ihn doch mit Euch fort!  Ich bitt Euch, Buttler.

(Buttler führt ihn an den Schenktisch.)

Isolani.  (zu Max, der bisher unverwandt, aber gedankenlos
     in das Papier gesehen)
     Wird's bald, Herr Bruder?  Hat Er's durchstudiert?

Max.  (wie aus einem Traum erwachend)
     Was soll ich?

Terzky und Isolani.  (zugleich)
     Seinen Namen drunter setzen.

(Man sieht den Octavio ängstlich gespannt den Blick auf ihn richten.)

Max.  (gibt es zurück)
     Laßt's ruhn bis morgen.  Es ist ein Geschäft,
     Hab heute keine Fassung.  Schickt mir's morgen.

Terzky.
     Bedenk' Er doch--

Isolani.
     Frisch!  Unterschrieben!  Was!
     Er ist der jüngste von der ganzen Tafel,
     Wird ja allein nicht klüger wollen sein
     Als wir zusammen?  Seh' Er her!  Der Vater
     Hat auch, wir haben alle unterschrieben.

Terzky.  (zum Octavio)
     Braucht Euer Ansehn doch.  Bedeutet ihn.

Octavio.
     Mein Sohn ist mündig.

Illo.  (hat den Pokal auf den Schenktisch gesetzt)
     Wovon ist die Rede?

Terzky.
     Er weigert sich, das Blatt zu unterschreiben.

Max.
     Es wird bis morgen ruhen können, sag ich.

Illo.
     Es kann nicht ruhn.  Wir unterschrieben alle,
     Und du mußt auch, du mußt dich unterschreiben.

Max.
     Illo, schlaf wohl.

Illo.
     Nein!  So entkömmst du nicht!
     Der Fürst soll seine Freunde kennenlernen.

(Es sammeln sich alle Gäste um die beiden.)

Max.
     Wie ich für ihn gesinnt bin, weiß der Fürst,
     Es wissen's alle, und der Fratzen braucht's nicht.

Illo.
     Das ist der Dank, das hat der Fürst davon,
     Daß er die Welschen immer vorgezogen!

Terzky.  (in höchster Verlegenheit zu den Kommandeurs, die
     einen Auflauf machen)
     Der Wein spricht aus ihm!  Hört ihn nicht, ich bitt euch.

Isolani.  (lacht)
     Der Wein erfindet nichts, er schwatzt's nur aus.

Illo.
     Wer nicht ist mit mir, der ist wider mich.
     Die zärtlichen Gewissen!  Wenn sie nicht
     Durch eine Hintertür, durch eine Klausel--

Terzky.  (fällt schnell ein)
     Er ist ganz rasend, gebt nicht acht auf ihn.

Illo.  (lauter schreiend)
     Durch eine Klausel sich salvieren können.
     Was Klausel?  Hol' der Teufel diese Klausel--

Max.  (wird aufmerksam und sieht wieder in die Schrift)
     Was ist denn hier so hoch Gefährliches?
     Ihr macht mir Neugier, näher hinzuschaun.

Terzky.  (beiseite zu Illo)
     Was machst du, Illo?  Du verderbest uns!

Tiefenbach.  (zu Colalto)
     Ich merkt' es wohl, vor Tische las man's anders.

Götz.
     Es kam mir auch so vor.

Isolani.
     Was ficht das mich an?
     Wo andre Namen, kann auch meiner stehn.

Tiefenbach.
     Vor Tisch war ein gewisser Vorbehalt
     Und eine Klausel drin von Kaisers Dienst.

Buttler.  (zu einem der Kommandeurs)
     Schämt euch, ihr Herrn!  Bedenkt, worauf es ankommt.
     Die Frag' ist jetzt, ob wir den General
     Behalten sollen oder ziehen lassen?
     Man kann's so scharf nicht nehmen und genau.

Isolani.  (zu einem der Generale)
     Hat sich der Fürst auch so verklausuliert,
     Als er dein Regiment dir zugeteilt?

Terzky.  (zu Götz)
     Und Euch die Lieferungen, die an tausend
     Pistolen Euch in einem Jahre tragen?

Illo.
     Spitzbuben selbst, die uns zu Schelmen machen!
     Wer nicht zufrieden ist, der sag's!  Da bin ich!

Tiefenbach.
     Nun!  Nun!  Man spricht ja nur.

Max.  (hat gelesen und gibt das Papier zurück)
     Bis morgen also!

Illo.  (vor Wut stammelnd und seiner nicht mehr mächtig,
     hält ihm mit der einen Hand die Schrift, mit der andern
     den Degen vor)
     Schreib--Judas!

Isolani.
     Pfui, Illo!

Octavio, Terzky, Buttler.  (zugleich)
     Degen weg!

Max.  (ist ihm rasch in den Arm gefallen und hat ihn
     entwaffnet, zu Graf Terzky)
     Bring ihn zu Bette!

(Er geht ab.  Illo, fluchend und scheltend, wird von einigen
     Kommandeurs gehalten, unter allgemeinem Aufbruch fällt der
     Vorhang.)




Fünfter Aufzug

Szene: Ein Zimmer in Piccolominis Wohnung.  Es ist Nacht.



Erster Auftritt

Octavio Píccolomini.  Kammerdiener leuchtet.  Gleich darauf Max
     Piccolomini.


Octavio.
     Sobald mein Sohn herein ist, weiset ihn
     Zu mir--Was ist die Glocke?

Kammerdiener.
     Gleich ist's Morgen.

Octavio.
     Setzt Euer Licht hieher--Wie legen uns
     Nicht mehr zu Bette, Ihr könnt schlafen gehn.

(Kammerdiener ab.  Octavio geht nachdenkend durchs Zimmer.  Max
     Piccolomini tritt auf, nicht gleich von ihm bemerkt, und sieht
     ihm einige Augenblicke schweigend zu.)

Max.
     Bist du mir bös, Octavio?  Weiß Gott,
     Ich bin nicht schuld an dem verhaßten Streit.
     --Ich sah wohl, du hattest unterschrieben;
     Was du gebilliget, das konnte mir
     Auch recht sein--doch es war--du weißt--ich kann
     In solchen Sachen nur dem eignen Licht,
     Nicht fremdem folgen.

Octavio.  (geht auf ihn zu und umarmt ihm)
     Folg ihm ferner auch,
     Mein bester Sohn!  Es hat dich treuer jetzt
     Geleitet als das Beispiel deines Vaters.

Max.
     Erklär dich deutlicher.

Octavio.
     Ich werd es tun.
     Nach dem, was diese Nacht geschehen ist,
     Darf kein Geheimnis bleiben zwischen uns.

(Nachdem beide sich niedergesetzt.)

Max, sage mir, was denkst du von dem Eid,
     Den man zur Unterschrift uns vorgelegt?

Max.
     Für etwas Unverfänglich's halt ich ihn,
     Obgleich ich dieses Förmliche nicht liebe.

Octavio.
     Du hättest dich aus keinem andern Grunde
     Der abgedrungnen Unterschrift geweigert?

Max.
     Es war ein ernst Geschäft--ich war zerstreut--
     Die Sache selbst erschien mir nicht so dringend--

Octavio.
     Sei offen, Max.  Du hattest keinen Argwohn--

Max.
     Worüber Argwohn?  Nicht den mindesten.

Octavio.
     Dank's deinem Engel, Piccolomini!
     Unwissend zog er dich zurück vom Abgrund.

Max.
     Ich weiß nicht, was du meinst.

Octavio.
     Ich will dir's sagen:
     Zu einem Schelmenstück solltest du den Namen
     Hergeben, deinen Pflichten, deinem Eid
     Mit einem einz'gen Federstrich entsagen.

Max.  (steht auf)
     Octavio!

Octavio.
     Bleib sitzen.  Viel noch hast du
     Von mir zu hören, Freund, hast jahrelang
     Gelebt in unbegreiflicher Verblendung.
     Das schwärzeste Komplott entspinnet sich
     Vor deinen Augen, eine Macht der Hölle
     Umnebelt deiner Sinne hellen Tag--
     Ich darf nicht länger schweigen, muß die Binde
     Von deinen Augen nehmen.

Max.
     Eh' du sprichst,
     Bedenk es wohl!  Wenn von Vermutungen
     Die Rede sein soll--und ich fürchte fast,
     Es ist nichts weiter--Spare sie!  Ich bin
     Jetzt nicht gefaßt, sie ruhig zu vernehmen.

Octavio.
     So ernsten Grund du hast, dies Licht zu fliehn,
     So dringendern hab ich, daß ich dir's gebe.
     Ich konnte dich der Unschuld deines Herzens,
     Dem eignen Urteil ruhig anvertraun,
     Doch deinem Herzen selbst seh ich das Netz
     Verderblich jetzt bereiten--Das Geheimnis,
(ihn scharf mit den Augen fixierend)
     Das du vor mir verbirgst, entreißt mir meines.

Max.  (versucht zu antworten, stockt aber und schlägt den
     Blick verlegen zu Boden)

Octavio.  (nach einer Pause)
     So wisse denn!  Man hintergeht dich--spielt
     Aufs schändlichste mit dir und mit uns allen.
     Der Herzog stellt sich an, als wollt' er die
     Armee verlassen; und in dieser Stunde
     Wird's eingeleitet, die Armee dem Kaiser
     --Zu stehlen und dem Feinde zuzuführen!

Max.
     Das Pfaffenmärchen kenn ich, aber nicht
     Aus deinem Mund erwartet' ich's zu hören.

Octavio.
     Der Mund, aus dem du's gegenwärtig hörst,
     Verbürget dir, es sei kein Pfaffenmärchen.

Max.
     Zu welchem Rasenden macht man den Herzog!
     Er könnte daran denken, dreißigtausend
     Geprüfter Truppen, ehrlicher Soldaten,
     Worunter mehr denn tausend Edelleute,
     Von Eid und Pflicht und Ehre wegzulocken,
     Zu einer Schurkentat sie zu vereinen?

Octavio.
     So was nichtswürdig Schändliches begehrt
     Er keinesweges--Was er von uns will,
     Führt einen weit unschuldigeren Namen.
     Nichts will er, als dem Reich den Frieden schenken;
     Und weil der Kaiser diesen Frieden haßt,
     So will er ihn--er will ihn dazu zwingen!
     Zufriedenstellen will er alle Teile
     Und zum Ersatz für seine Mühe Böhmen,
     Das er schon innehat, für sich behalten.

Max.
     Hat er's um uns verdient, Octavio,
     Daß wir--wir so unwürdig von ihm denken?

Octavio.
     Von unserm Denken ist hier nicht die Rede.
     Die Sache spricht, die kläresten Beweise.
     Mein Sohn!  Dir ist nicht unbekannt, wie schlimm
     Wir mit dem Hofe stehn--doch von den Ränken,
     Den Lügenkünsten hast du keine Ahnung,
     Die man in Übung setzte, Meuterei
     Im Lager auszusäen.  Aufgelöst
     Sind alle Bande, die den Offizier
     An seinen Kaiser fesseln, den Soldaten
     Vertraulich binden an das Bürgerleben.
     Pflicht--und gesetzlos steht er gegenüber
     Dem Staat gelagert, den er schützen soll,
     Und drohet, gegen ihn das Schwert zu kehren.
     Es ist so weit gekommen, daß der Kaiser
     In diesem Augenblick vor seinen eignen
     Armeen zittert--der Verräter Dolche
     In seiner Hauptstadt fürchtet--seiner Burg;
     Ja im Begriffe steht, die zarten Enkel
     Nicht vor den Schweden, vor den Lutheranern
     --Nein!  vor den eignen Truppen wegzuflüchten.

Max.
     Hör auf!  Du ängstigest, erschütterst mich.
     Ich weiß, daß man vor leeren Schrecken zittert;
     Doch wahres Unglück bringt der falsche Wahn.

Octavio.
     Es ist keinWahn.  Der bürgerliche Krieg
     Entbrennt, der unnatürlichste von allen,
     Wenn wir nicht, schleunig rettend, ihm begegnen.
     Der Obersten sind viele längst erkauft,
     Der Subalternen Treue wankt; es wanken
     Schon ganze Regimenter, Garnisonen.
     Ausländern sind die Festungen vertraut,
     Dem Schafgotsch, dem verdächtigen, hat man
     Die ganze Mannschaft Schlesiens, dem Terzky
     Fünf Regimenter, Reiterei und Fußvolk,
     Dem Illo, Kinsky, Buttler, Isolan
     Die bestmontierten Truppen übergeben.

Max.
     Uns beiden auch.

Octavio.
     Weil man uns glaubt zu haben,
     Zu locken meint durch glänzende Versprechen.
     So teilt er mir die Fürstentümer Glatz
     Und Sagan zu, und wohl seh ich den Angel,
     Womit man dich zu fangen denkt.

Max.
     Nein!  Nein!
     Nein, sag ich dir!

Octavio.
     Oh!  öffne doch die Augen!
     Weswegen, glaubst du, daß man uns nach Pilsen
     Beorderte?  Um mit uns Rat zu pflegen?
     Wann hätte Friedland unsers Rats bedurft?
     Wir sind berufen, uns ihm zu verkaufen,
     Und weigern wir uns--Geisel ihm zu bleiben.
     Deswegen ist Graf Gallas weggeblieben--
     Auch deinen Vater sähest du nicht hier,
     Wenn höhre Pflicht ihn nicht gefesselt hielt.

Max.
     Er hat es keinen Hehl, daß wir um seinetwillen
     Hieher berufen sind--gestehet ein,
     Er brauche unsers Arms, sich zu erhalten.
     Er tat so viel für uns, und so ist's Pflicht,
     Daß wir jetzt auch für ihn was tun!

Octavio.
     Und weißt du,
     Was dieses ist, das wir für ihn tun sollen?
     Des Illo trunkner Mut hat dir's verraten.
     Besinn dich doch, was du gehört, gesehn.
     Zeugt das vefälschte Blatt, die weggelaßne,
     So ganz entscheidungsvolle Klausel nicht,
     Man wollte zu nichts Gutem uns verbinden?

Max.
     Was mit dem Blatte diese Nacht geschehn,
     Ist mir nichts weiter als ein schlechter Streich
     Von diesem Illo.  Dies Geschlecht von Mäklern
     Pflegt alles auf die Spitze gleich zu stellen.
     Sie sehen, daß der Herzog mit dem Hof
     Zerfallen ist, vermeinen ihm zu dienen,
     Wenn sie den Bruch unheilbar nur erweitern.
     Der Herzog, glaub mir, weiß von all dem nichts.

Octavio.
     Es schmerzt mich, deinen Glauben an den Mann,
     Der dir so wohlgegründet scheint, zu stürzen.
     Doch hier darf keine Schonung sein--du mußt
     Maßregeln nehmen, schleunige, mußt handeln.
     --Ich will dir also nur gestehn--daß alles,
     Was ich dir jetzt vertraut, was so unglaublich
     Dir scheint, daß--daß ich es aus seinem eignen,
     --Des Fürsten Munde habe.

Max.  (in heftiger Bewegung)
     Nimmermehr!

Octavio.
     Er selbst vertraute mir--was ich zwar längst
     Auf anderm Weg schon in Erfahrung brachte:
     Daß er zum Schweden wolle übergehn
     Und an der Spitze des verbundnen Heers
     Den Kaiser zwingen wolle--

Max.
     Er ist heftig,
     Es hat der Hof empfindlich ihn beleidigt;
     In einem Augenblick des Unmuts, sei's!
     Mag er sich leicht einmal vergessen haben.

Octavio.
     Bei kaltem Blute war er, als er mir
     Dies eingestand; und weil er mein Erstaunen
     Als Furcht auslegte, wies er im Vertraun
     Mir Briefe vor, der Schweden und der Sachsen,
     Die zu bestimmter Hilfe Hoffnung geben.

Max.
     Es kann nicht sein!  kann nicht sein!  kann nicht sein!
     Siehst du, daß es nicht kann!  Du hättest ihm
     Notwendig deinen Abscheu ja gezeigt,
     Er hätt' sich weisen lassen, oder du
     --Du stündest nicht mehr lebend mir zur Seite!

Octavio.
     Wohl hab ich mein Bedenken ihm geäußert,
     Hab dringend, hab mit Ernst ihn abgemahnt;
     --Doch meinen Abscheu, meine innerste
     Gesinnung hab ich tief versteckt.

Max.
     Du wärst
     So falsch gewesen?  Das sieht meinem Vater
     Nicht gleich!  Ich glaubte deinen Worten nicht,
     Da du von ihm mir Böses sagtest; kann's
     Noch wen'ger jetzt, da du dich selbst verleumdest.

Octavio.
     Ich drängte mich nicht selbst in sein Geheimnis.

Max.
     Aufrichtigkeit verdiente sein Vertraun.

Octavio.
     Nicht würdig war er meiner Wahrheit mehr.

Max.
     Noch minder würdig deiner war Betrug.

Octavio.
     Mein bester Sohn!  Es ist nicht immer möglich,
     Im Leben sich so kinderrein zu halten,
     Wie's uns die Stimme lehrt im Innersten.
     In steter Notwehr gegen arge List
     Bleibt auch das redliche Gemüt nicht wahr--
     Das eben ist der Fluch der bösen Tat,
     Daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.
     Ich klügle nicht, ich tue meine Pflicht,
     Der Kaiser schreibt mir mein Betragen vor.
     Wohl wär' es besser, überall dem Herzen
     Zu folgen, doch darüber würde man
     Sich manchen guten Zweck versagen müssen.
     Hier gilt's, mein Sohn, dem Kaiser wohl zu dienen,
     Das Herz mag dazu sprechen, was es will.

Max.
     Ich soll dich heut nicht fassen, nicht verstehn.
     Der Fürst, sagst du, entdeckte redlich dir sein Herz
     Zu einem bösen Zweck, und du willst ihn
     Zu einem guten Zweck betrogen haben!
     Hör auf!  ich bitte dich--du raubst den Freund
     Mir nicht--Laß mich den Vater nicht verlieren!

Octavio.  (unterdrückt seine Empfindlichkeit)
     Noch weißt du alles nicht, mein Sohn.  Ich habe
     Dir noch was zu eröffnen.
(Nach einer Pause.)
     Herzog Friedland
     Hat seine Zurüstung gemacht.  Er traut
     Auf seine Sterne.  Unbereitet denkt er uns
     Zu überfallen--mit der sichern Hand
     Meint er den goldnen Zirkel schon zu fassen.
     Er irret sich--Wir haben auch gehandelt.
     Er faßt sein bös geheimnisvolles Schicksal.

Max.
     Nichts Rasches, Vater!  Oh!  bei allem Guten
     Laß dich beschwören.  Keine Übereilung!

Octavio.
     Mit leisen Tritten schlich er seinen bösen Weg,
     So leis und schlau ist ihm die Rache nachgeschlichen.
     Schon steht sie ungesehen, finster hinter ihm,
     Ein Schritt nur noch, und schaudernd rühret er sie an.
     --Du hast den Questenberg bei mir gesehn;
     Noch kennst du nur sein öffentlich Geschäft--
     Auch ein geheimes hat er mitgebracht,
     Das bloß für mich war.

Max.
     Darf ich's wissen?

Octavio.
     Max!
     --Des Reiches Wohlfahrt leg ich mit dem Worte,
     Des Vaters Leben dir in deine Hand.
     Der Wallenstein ist deinem Herzen teuer,
     Ein starkes Band der Liebe, der Verehrung
     Knüpft seit der frühen Jugend dich an ihn--
     Du nährst den Wunsch--Oh!  laß mich immerhin
     Vorgreifen deinem zögernden Vertrauen--
     Die Hoffnung nährst du, ihm viel näher noch
     Anzugehören.

Max.
     Vater--

Octavio.
     Deinem Herzen trau ich,
     Doch, bin ich deiner Fassung auch gewiß?
     Wirst du's vermögen, ruhigen Gesichts
     Vor diesen Mann zu treten, wenn ich dir
     Sein ganz Geschick nun anvertrauet habe?

Max.
     Nachdem du seine Schuld mir anvertraut!

Octavio.  (nimmt ein Papier aus der Schatulle und reicht es ihm hin)

Max.
     Was?  Wie?  Ein offner kaiserlicher Brief.

Octavio.
     Lies ihn.

Max.  (nachdem er einen Blick hineingeworfen)
     Der Fürst verurteilt und geächtet!

Octavio.
     So ist's.

Max.
     Oh!  das geht weit!  O unglücksvoller Irrtum!

Octavio.
     Lies weiter!  Faß dich!

Max.  (nachdem er weitergelesen, mit einem Blick des
     Erstaunens auf seinen Vater)
     Wie?  Was?  Du?  Du bist--

Octavio.
     Bloß für den Augenblick--und bis der König
     Von Ungarn bei dem Heer erscheinen kann,
     Ist das Kommando mir gegeben--

Max.
     Und glaubst du, daß du's ihm entreißen werdest?
     Das denke ja nicht--Vater!  Vater!  Vater!
     Ein unglückselig Amt ist dir geworden.
     Dies Blatt hier--dieses!  willst du geltendmachen?
     Den Mächtigen in seines Heeres Mitte,
     Umringt von seinen Tausenden, entwaffnen?
     Du bist verloren--Du, wir alle sind's!

Octavio.
     Was ich dabei zu wagen habe, weiß ich.
     Ich stehe in der Allmacht Hand; sie wird
     Das fromme Kaiserhaus mit ihrem Schilde
     Bedecken und das Werk der Nacht zertrümmern.
     Der Kaiser hat noch treue Diener, auch im Lager
     Gibt es der braven Männer gnug, die sich
     Zur guten Sache munter schlagen werden.
     Die Treuen sind gewarnt, bewacht die andern,
     Den ersten Schritt erwart ich nur, sogleich--

Max.
     Auf den Verdacht hin willst du rasch gleich handeln?

Octavio.
     Fern sei vom Kaiser die Tyrannenweise!
     Den Willen nicht, die Tat nur will er strafen.
     Noch hat der Fürst sein Schicksal in der Hand--
     Er lasse das Verbrechen unvollführt,
     So wird man ihn still vom Kommando nehmen,
     Er wird dem Sohne seines Kaisers weichen.
     Ein ehrenvoll Exil auf seine Schlösser
     Wird Wohltat mehr als Strafe für ihn sein.
     Jedoch der erste offenbare Schritt--

Max.
     Was nennst du einen solchen Schritt?  Er wird
     Nie einen bösen tun.--Du aber könntest
     (Du hast's getan) den frömmsten auch mißdeuten.

Octavio.
     Wie strafbar auch des Fürsten Zwecke waren,
     Die Schritte, die er öffentlich getan,
     Verstatteten noch eine milde Deutung.
     Nicht eher denk ich dieses Blatt zu brauchen,
     Bis eine Tat getan ist, die unwidersprechlich
     Der Hochverrat bezeugt und ihn verdammt.

Max.
     Und wer soll Richter drüber sein?

Octavio.
     Du selbst.

Max.
     Oh!  dann bedarf es dieses Blattes nie!
     Ich hab dein Wort, du wirst nicht eher handeln,
     Bevor du mich--mich selber überzeugt.

Octavio.
     Ist's möglich?  Noch--nach allem, was du weißt,
     Kannst du an seine Unschuld glauben?

Max.  (lebhaft)
     Dein Urteil kann sich irren, nicht mein Herz.
(Gemäßigter fortfahrend.)
     Der Geist ist nicht zu fassen wie ein andrer.
     Wie er sein Schicksal an die Sterne knüpft,
     So gleicht er ihnen auch in wunderbarer,
     Geheimer, ewig unbegriffner Bahn.
     Glaub mir, man tut ihm Unrecht.  Alles wird
     Sich lösen.  Glänzend werden wir den Reinen
     Aus diesem schwarzen Argwohn treten sehn.

Octavio.
     Ich will's erwarten.



Zweiter Auftritt

Die Vorigen.  Der Kammerdiener.  Gleich darauf ein Kurier.


Octavio.
     Was gibt's?

Kammerdiener.
     Ein Eilbot' wartet vor der Tür.

Octavio.
     So früh am Tag!  Wer ist's?  Wo kommt er her?

Kammerdiener.
     Das wollt' er mir nicht sagen.

Octavio.
     Führ ihn herein.  Laß nichts davon verlauten.

(Kammerdiener ab.  Kornet tritt ein.)

Seid Ihr's, Kornet?  Ihr kommt vom Grafen Gallas?
     Gebt her den Brief.

Kornet.
     Bloß mündlich ist mein Auftrag.
     Der Generalleutnant traute nicht.

Octavio.
     Was ist's?

Kornet.
     Er läßt Euch sagen--Darf ich frei hier sprechen?

Octavio.
     Mein Sohn weiß alles.

Kornet.
     Wir haben ihn.

Octavio.
     Wen meint Ihr?

Kornet.
     Den Unterhändler!  Den Sesin!

Octavio.  (schnell)
     Habt ihr?

Kornet.
     Im Böhmerwald erwischt' ihn Hauptmann Mohrbrand
     Vorgestern früh, als er nach Regenspurg
     Zum Schweden unterwegs war mit Depeschen.

Octavio.
     Und die Depeschen--

Kornet.
     Hat der Generalleutnant
     Sogleich nach Wien geschickt mit dem Gefangnen.

Octavio.
     Nun endlich!  endlich!  Das ist eine große Zeitung!
     Der Mann ist uns ein kostbares Gefäß,
     Das wicht'ge Dinge einschließt--Fand man viel?

Kornet.
     An sechs Pakete mit Graf Terzkys Wappen.

Octavio.
     Keins von des Fürsten Hand?

Kornet.
     Nicht, daß ich wüßte.

Octavio.
     Und der Sesina?

Kornet.
     Der tat sehr erschrocken,
     Als man ihm sagt', es ginge nacher Wien.
     Graf Altring aber sprach ihm guten Mut ein,
     Wenn er nur alles wollte frei bekennen.

Octavio.
     Ist Altringer bei Eurem Herrn?  Ich hörte,
     Er läge krank zu Linz.

Kornet.
     Schon seit drei Tagen
     Ist er zu Frauenberg beim Generalleutnant.
     Sie haben sechzig Fähnlein schon beisammen,
     Erlesnes Volk, und lassen Euch entbieten,
     Daß sie von Euch Befehle nur erwarten.

Octavio.
     In wenig Tagen kann sich viel ereignen.
     Wann müßt Ihr fort?

Kornet.
     Ich wart' auf Eure Ordre.

Octavio.
     Bleibt bis zum Abend.

Kornet.
     Wohl.

(Will gehen.)

Octavio.
     Sah Euch doch niemand?

Kornet.
     Kein Mensch.  Die Kapuziner ließen mich
     Durchs Klosterpförtchen ein, so wie gewöhnlich.

Octavio.
     Geht, ruht Euch aus und haltet Euch verborgen.
     Ich denk Euch noch vor Abend abzufert'gen.
     Die Sachen liegen der Entwicklung nah,
     Und eh' der Tag, der eben jetzt am Himmel
     Verhängnisvoll heranbricht, untergeht,
     Muß ein entscheidend Los gefallen sein.

(Kornet geht ab.)



Dritter Auftritt

Beide Piccolomini.


Octavio.
     Was nun, mein Sohn?  Jetzt werden wir bald klar sein,
     --Denn alles, weiß ich, ging durch den Sesina.

Max.  (der während des ganzen vorigen Auftritts in einem
     heftigen, innern Kampf gestanden, entschlossen)
     Ich will auf kürzerm Weg mir Licht verschaffen.
     Leb wohl!

Octavio.
     Wohin?  Bleib da!

Max.
     Zum Fürsten.

Octavio.  (erschrickt)
     Was?

Max.  (zurückkommend)
     Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle
     In deinem Spiele spielen, hast du dich
     In mir verrechnet.  Mein Weg muß gerad sein.
     Ich kann nicht wahr sein mit der Zunge, mit
     Dem Herzen falsch--nicht zusehn, daß mir einer
     Als seinem Freunde traut, und mein Gewissen
     Damit beschwichtigen, daß er's auf seine
     Gefahr tut, daß mein Mund ihn nicht belogen.
     Wofür mich einer kauft, das muß ich sein.
     --Ich geh zum Herzog.  Heut noch werd ich ihn
     Auffordern, seinen Leumund vor der Welt
     Zu retten, eure künstlichen Gewebe
     Mit einem graden Schritte zu durchreißen.

Octavio.
     Das wolltest du?

Max.
     Das will ich.  Zweifle nicht.

Octavio.
     Ich habe mich in dir verrechnet, ja.
     Ich rechnete auf einen weisen Sohn,
     Der die wohltät'gen Hände würde segnen,
     Die ihn zurück vom Abgrund ziehn--und einen
     Verblendeten entdeck ich, den zwei Augen
     Zum Toren machten, Leidenschaft umnebelt,
     Den selbst des Tages volles Licht nicht heilt.
     Befrag ihn!  Geh!  Sei unbesonnen gnug,
     Ihm deines Vaters, deines Kaisers
     Geheimnis preiszugeben.  Nöt'ge mich
     Zu einem lauten Bruche vor der Zeit!
     Und jetzt, nachdem ein Wunderwerk des Himmels
     Bis heute mein Geheimnis hat beschützt,
     Des Argwohns helle Blicke eingeschläfert,
     Laß mich's erleben, daß mein eigner Sohn
     Mit unbedachtsam rasendem Beginnen
     Der Staatskunst mühevolles Werk vernichtet.
                
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