Johann Shiller

Wallensteins Tod
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Illo.
     Das war ein Zufall.

Wallenstein.  (bedeutend)
     Es gibt keinen Zufall;
     Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt,
     Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.
     Versiegelt hab ich's und verbrieft, daß er
     Mein guter Engel ist, und nun kein Wort mehr!
(Er geht.)

Terzky.
     Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.

Illo.
     Und der soll mir nicht lebend hier vom Platze.

Wallenstein.  (bleibt stehen und kehrt sich um)
     Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig
     Zurück nur kommen auf ihr erstes Wort,
     Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!
     --Des Menschen Taten und Gedanken, wißt!
     Sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen.
     Die innre Welt, sein Mikrokosmus, ist
     Der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.
     Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht,
     Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln.
     Hab ich des Menschen Kern erst untersucht,
     So weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.
(Gehen ab.)



Vierter Auftritt

Zimmer in Piccolominis Wohnung.

Octavio Piccolomini reisefertig.  Ein Adjutant.


Octavio.
     Ist das Kommando da?

Adjutant.
     Es wartet unten.

Octavio.
     Es sind doch sichre Leute, Adjutant?
     Aus welchem Regimente nahmt Ihr sie?

Adjutant.
     Von Tiefenbach.

Octavio.
     Dies Regiment ist treu.
     Laßt sie im Hinterhof sich ruhighalten,
     Sich niemand zeigen, bis Ihr klingeln hört;
     Dann wird das Haus geschlossen, scharf bewacht,
     Und jeder, den Ihr antrefft, bleibt verhaftet.
(Adjutant ab.)
     Zwar hoff ich, es bedarf nicht ihres Dienstes,
     Denn meines Kalkuls halt ich mich gewiß.
     Doch es gilt Kaisers Dienst, das Spiel ist groß,
     Und besser zu viel Vorsicht als zu wenig.



Fünfter Auftritt

Octavio Piccolomini.  Isolani tritt herein.


Isolani.
     Hier bin ich--Nun!  wer kommt noch von den andern?

Octavio.  (geheimnisvoll)
     Vorerst ein Wort mit Euch, Graf Isolani.

Isolani.  (geheimnisvoll)
     Soll's losgehn?  Will der Fürst was unternehmen?
     Mir dürft Ihr trauen.  Setzt mich auf die Probe.

Octavio.
     Das kann geschehn.

Isolani.
     Herr Bruder, ich bin nicht
     Von denen, die mit Worten tapfer sind
     Und, kommt's zur Tat, das Weite schimpflich suchen.
     Der Herzog hat als Freund an mir getan,
     Weiß Gott, so ist's!  Ich bin ihm alles schuldig.
     Auf meine Treue kann er baun.

Octavio.
     Es wird sich zeigen.

Isolani.
     Nehmt Euch in acht.  Nicht alle denken so.
     Es halten's hier noch viele mit dem Hof
     Und meinen, daß die Unterschrift von neulich,
     Die abgestohlne, sie zu nichts verbinde.

Octavio.
     So?  Nennt mir doch die Herren, die das meinen.

Isolani.
     Zum Henker!  Alle Deutschen sprechen so.
     Auch Esterhazy, Kaunitz, Deodat
     Erklären jetzt, man müss' dem Hof gehorchen.

Octavio.
     Das freut micht.

Isolani.
     Freut Euch?

Octavio.
     Daß der Kaiser noch
     So gute Freunde hat und wackre Diener.

Isolani.
     Spaßt nicht.  Es sind nicht eben schlechte Männer.

Octavio.
     Gewiß nicht.  Gott verhüte, daß ich spaße!
     Sehr ernstlich freut es mich, die gute Sache
     So stark zu sehn.

Isolani.
     Was Teufel!  Wie ist das?
     Seid Ihr denn nicht?--Warum bin ich denn hier?

Octavio.  (mit Ansehen)
     Euch zu erklären, rund und nett, ob Ihr
     Ein Freund wollt heißen oder Feind des Kaisers.

Isolani.  (trotzig)
     Darüber werd ich dem Erklärung geben,
     Dem's zukommt, diese Frag' an mich zu tun.

Octavio.
     Ob mir das zukommt, mag dies Blatt Euch lehren.
     Isolani.
     Wa--was?  Das ist des Kaisers Hand und Siegel.
(Liest.)
     "Als werden sämtliche Hauptleute unsrer
     Armee der Ordre unsers lieben, treuen,
     Des Generalleutnant Piccolomini,
     Wie unsrer eignen"--Hum--Ja--So--Ja, ja!
     Ich--mach Euch meinen Glückwunsch, Generalleutnant.

Octavio.
     Ihr unterwerft Euch dem Befehl?

Isolani.
     Ich--aber
     Ihr überrascht mich auch so schnell--Man wird
     Mir doch Bedenkzeit, hoff ich--

Octavio.
     Zwei Minuten.

Isolani.
     Mein Gott, der Fall ist aber--

Octavio.
     Klar und einfach.
     Ihr sollt erklären, ob Ihr Euren Herrn
     Verraten wollet oder treu ihm dienen.

Isolani.
     Verrat--Mein Gott--Wer spricht denn von Verrat?

Octavio.
     Das ist der Fall.  Der Fürst ist ein Verräter,
     Will die Armee zum Feind hinüberführen.
     Erklärt Euch kurz und gut.  Wollt Ihr dem Kaiser
     Abschwören?  Euch dem Feind verkaufen?  Wollt Ihr?

Isolani.
     Was denkt Ihr?  Ich des Kaisers Majestät
     Abschwören?  Sagt' ich so?  Wann hätt' ich das
     Gesagt?

Octavio.
     Noch habt Ihr's nicht gesagt.  Noch nicht.
     Ich warte drauf, ob Ihr es werdet sagen.

Isolani.
     Nun seht, das ist mir lieb, daß Ihr mir selbst
     Bezeugt, ich habe so was nicht gesagt.

Octavio.
     Ihr sagt Euch also von dem Fürsten los?

Isolani.
     Spinnt er Verrat--Verrat trennt alle Bande.

Octavio.
     Und seid entschlossen, gegen ihn zu fechten?

Isolani.
     Er tat mir Gutes--doch wenn er ein Schelm ist,
     Verdamm' ihn Gott!  die Rechnung ist zerrissen.

Octavio.
     Mich freut's, daß Ihr in gutem Euch gefügt.
     Heut nacht in aller Stille brecht Ihr auf
     Mit allen leichten Truppen; es muß scheinen,
     Als käm' die Ordre von dem Herzog selbst.
     Zu Frauenberg ist der Versammlungsplatz,
     Dort gibt Euch Gallas weitere Befehle.

Isolani.
     Es soll geschehn.  Gedenkt mir's aber auch
     Beim Kaiser, wie bereit Ihr mich gefunden.

Octavio.
     Ich werd es rühmen.
(Isolani geht.  Es kommt ein Bedienter.)
     Oberst Buttler?  Gut.

Isolani.  (zurückkommend)
     Vergebt mir auch mein barsches Wesen, Alter.
     Herr Gott!  Wie konnt' ich wissen, welch große
     Person ich vor mir hatte!

Octavio.
     Laßt das gut sein.

Isolani.
     Ich bin ein lust'ger alter Knab', und wär'
     Mir auch ein rasches Wörtlein übern Hof
     Entschlüpft zuweilen, in der Lust des Weins,
     Ihr wißt ja, bös war's nicht gemeint.
(Geht ab.)

Octavio.
     Macht Euch
     Darüber keine Sorge!--Das gelang!
     Glück, sei uns auch so günstig bei den andern!



Sechster Auftritt

Octavio Piccolomini.  Buttler.


Buttler.
     Ich bin zu Eurer Ordre, Generalleutnant.

Octavio.
     Seid mir als werter Gast und Freund willkommen.

Buttler.
     Zu große Ehr' für mich.

Octavio.  (nachdem beide Platz genommen)
     Ihr habt die Neigung nicht erwidert,
     Womit ich gestern Euch entgegenkam.
     Wohl gar als leere Formel sie verkannt.
     Von Herzen ging mir jener Wunsch, es war
     Mir Ernst um Euch, denn eine Zeit ist jetzt,
     Wo sich die Guten eng verbinden sollten.

Buttler.
     Die Gleichgesinnten können es allein.

Octavio.
     Und alle Guten nenn ich gleichgesinnt.
     Dem Menschen bring ich nur die Tat in Rechnung,
     Wozu ihn ruhig der Charakter treibt;
     Denn blinder Mißverständnisse Gewalt
     Drängt oft den Besten aus dem rechten Gleise.
     Ihr kamt durch Frauenberg.  Hat Euch Graf Gallas
     Nichts anvertraut?  Sagt mir's.  Er ist mein Freund.

Buttler.
     Er hat verlorne Worte nur gesprochen.

Octavio.
     Das hör ich ungern, denn sein Rat war gut.
     Und einen gleichen hätt' ich Euch zu geben.

Buttler.
     Spart Euch die Müh--mir die Verlegenheit,
     So schlecht die gute Meinung zu verdienen.

Octavio.
     Die Zeit ist teuer, laßt uns offen reden.
     Ihr wißt, wie hier die Sachen stehn.  Der Herzog
     Sinnt auf Verrat, ich kann Euch mehr noch sagen,
     Er hat ihn schon vollführt; geschlossen ist
     Das Bündnis mit dem Feind vor wen'gen Stunden.
     Nach Prag und Eger reiten schon die Boten,
     Und morgen will er zu dem Feind uns führen.
     Doch er betrügt sich, denn die Klugheit wacht,
     Noch treue Freunde leben hier dem Kaiser,
     Und mächtig steht ihr unsichtbarer Bund.
     Dies Manifest erklärt ihn in die Acht,
     Spricht los das Heer von des Gehorsams Pflichten,
     Und alle Gutgesinnten ruft es auf,
     Sich unter meiner Führung zu versammeln.
     Nun wählt, ob Ihr mit uns die gute Sache,
     Mit ihm der Bösen böses Los wollt teilen?

Buttler.  (steht auf)
     Sein Los ist meines.

Octavio.
     Ist das Euer letzter
     Entschluß?

Buttler.
     Er ist's.

Octavio.
     Bedenkt Euch, Oberst Buttler.
     Noch habt Ihr Zeit.  In meiner treuen Brust
     Begraben bleibt das raschgesprochne Wort.
     Nehmt es zurück.  Wählt eine bessere
     Partei.  Ihr habt die gute nicht ergriffen.

Buttler.
     Befehlt Ihr sonst nocht etwas, Generalleutnant?

Octavio.
     Seht Eure weißen Haare!  Nehmt's zurück.

Buttler.
     Lebt wohl!

Octavio.
     Was?  Diesen guten, tapfern Degen
     Wollt Ihr in solchem Streite ziehen?  Wollt
     In Fluch den Dank verwandeln, den Ihr Euch
     Durch vierzigjähr'ge Treu verdient um Östreich?

Buttler.  (bitter lachend)
     Dank vom Haus Östreich!
(Er will gehen.)

Octavio.  (läßt ihn bis an die Türe gehen, dann ruft er)
     Buttler!

Buttler.
     Was beliebt?

Octavio.
     Wie war es mit dem Grafen?

Buttler.
     Grafen!  Was?

Octavio.
     Dem Grafentitel, mein ich.

Buttler.  (heftig auffahrend)
     Tod und Teufel!

Octavio.  (kalt)
     Ihr suchtet darum nach.  Man wies Euch ab.

Buttler.
     Nicht ungestraft sollt Ihr mich höhnen.  Zieht!

Octavio.
     Steckt ein.  Sagt ruhig, wie es damit ging.  Ich will
     Genugtuung nachher Euch nicht verweigern.

Buttler.
     Mag alle Welt doch um die Schwachheit wissen,
     Die ich mir selbst nie verzeihen kann!
     --Ja!  Generalleutnant, ich besitze Ehrgeiz,
     Verachtung hab ich nie ertragen können.
     Es tat mir wehe, daß Geburt und Titel
     Bei der Armee mehr galten als Verdienst.
     Nicht schlechter wollt' ich sein als meinesgleichen,
     So ließ ich mich in unglücksel'ger Stunde
     Zu jenem Schritt verleiten--Es war Torheit!
     Doch nicht verdient' ich, sie so hart zu büßen!
     --Versagen konnte man's--Warum die Weigerung
     Mit dieser kränkenden Verachtung schärfen,
     Den alten Mann, den treu bewährten Diener
     Mit schwerem Hohn zermalmend niederschlagen,
     An seiner Herkunft Schmach so rauh ihn mahnen,
     Weil er in schwacher Stunde sich vergaß!
     Doch einen Stachel gab Natur dem Wurm,
     Den Willkür übermütig spielend tritt--

Octavio.
     Ihr müßt verleumdet sein.  Vermutet Ihr
     Den Feind, der Euch den schlimmen Dienst geleistet?

Buttler.
     Sei's, wer es will!  Ein niederträcht'ger Bube,
     Ein Höfling muß es sein, ein Spanier,
     Der Junker irgend eines alten Hauses,
     Dem ich im Licht mag stehn, ein neid'scher Schurke,
     Den meine selbstverdiente Würde kränkt.

Octavio.
     Sagt.  Billigte der Herzog jenen Schritt?

Buttler.
     Er trieb mich dazu an, verwendete
     Sich selbst für micht, mit edler Freundeswärme.

Octavio.
     So?  Wißt ihr das gewiß?

Buttler.
     Ich las den Brief.

Octavio.  (bedeutend)
     Ich auch--doch anders lautete sein Inhalt.
(Buttler wird betroffen.)
     Durch Zufall bin ich im Besitz des Briefs,
     Kann Euch durch eignen Anblick überführen.
(Er gibt ihm den Brief.)

Buttler.
     Ha!  was ist das?

Octavio.
     Ich fürchte, Oberst Buttler,
     Man hat mit Euch ein schändlich Spiel getrieben.
     Der Herzog, sagt Ihr, trieb Euch zu dem Schritt?--
     In diesem Briefe spricht er mit Verachtung
     Von Euch, rät dem Minister, Euren Dünkel,
     Wie er ihn nennt, zu züchtigen.
(Buttler hat den Brief gelesen, seine Knie zittern, er greift nach
einem Stuhl, setzt sich nieder.)
     Kein Feind verfolgt Euch.  Niemand will Euch übel.
     Dem Herzog schreibt allein die Kränkung zu,
     Die ihr empfangen; deutlich ist die Absicht.
     Losreißen wollt' er Euch von Eurem Kaiser--
     Von Eurer Rache hofft' er zu erlangen,
     Was Eure wohlbewährte Treu ihn nimmer
     Erwarten ließ bei ruhiger Besinnung.
     Zum blinden Werkzeug wollt' er Euch, zum Mittel,
     Verworfner Zwecke Euch verächtlich brauchen.
     Er hat's erreicht.  Zu gut nur glückt' es ihm,
     Euch wegzulocken von dem guten Pfade,
     Auf dem Ihr vierzig Jahre seid gewandelt.

Buttler.  (mit der Stimme bebend)
     Kann mir des Kaisers Majestät vergeben?

Octavio.
     Sie tut noch mehr.  Sie macht die Kränkung gut,
     Die unverdient dem Würdigen geschehn.
     Aus freiem Trieb bestätigt sie die Schenkung,
     Die Euch der Fürst zu bösem Zweck gemacht.
     Das Regiment ist Euer, das Ihr führt.

Buttler.  (will aufstehen, sinkt zurück.  Sein Gemüt arbeitet
heftig, er versucht zu reden und vermag es nicht.  Endlich
nimmt er den Degen vom Gehänge und reicht ihn dem Piccolomini)

Octavio.
     Was wollt Ihr?  Faßt Euch.

Buttler.
     Nehmt!

Octavio.
     Wozu?  Besinnt Euch.

Buttler.
     Nehmt hin!  Nicht wert mehr bin ich dieses Degens.

Octavio.
     Empfangt ihn neu zurück aus meiner Hand
     Und führt ihn stets mit Ehre für das Recht.

Buttler.
     Die Treue brach ich solchem gnäd'gen Kaiser!

Octavio.
     Macht's wieder gut.  Schnell trennt Euch von dem Herzog.

Buttler.
     Mich von ihm trennen!

Octavio.
     Wie?  Bedenkt Ihr Euch?

Buttler.  (furchtbar ausbrechend)
     Nur von ihm trennen?  Oh!  er soll nicht leben!

Octavio.
     Folgt mir nach Frauenberg, wo alle Treuen
     Bei Gallas sich und Altringer versammeln.
     Viel andre bracht' ich noch zu ihrer Pflicht
     Zurück, heut nacht entfliehen sie aus Pilsen.

Buttler.  (ist heftig bewegt auf und ab gegangen und tritt zu
Octavio mit entschlossenem Blick)
     Graf Piccolomini!  Darf Euch der Mann
     Von Ehre sprechen, der die Treue brach?

Octavio.
     Der darf es, der so ernstlich es bereut.

Buttler.
     So laßt mich hier, auf Ehrenwort.

Octavio.
     Was sinnt Ihr?

Buttler.
     Mit meinem Regimente laßt mich bleiben.

Octavio.
     Ich darf Euch trauen.  Doch sagt mir, was Ihr brütet?

Buttler.
     Die Tat wird's lehren.  Fragt mich jetzt nicht weiter.
     Traut mir!  Ihr könnt's!  Bei Gott!  Ihr überlasset
     Ihn seinem guten Engel nicht!--Lebt wohl!
(Geht ab.)

Bedienter.  (bringt ein Billet)
     Ein Unbekannter bracht's und ging gleich wieder.
     Des Fürsten Pferde stehen auch schon unten.
(Ab.)

Octavio.  (liest)
     "Macht, daß Ihr fortkommt.  Euer treuer Isolan."
     --Oh!  läge diese Stadt erst hinter mir!
     So nah dem Hafen sollten wir noch scheitern?
     Fort!  Fort!  Hier ist nicht länger Sicherheit
     Für mich.  Wo aber bleibt mein Sohn?



Siebenter Auftritt

Beide Piccolomini.


Max.  (kömmt in der heftigsten Gemütsbewegung, seine Blicke
rollen wild, sein Gang ist unstet; er scheint den Vater nicht
zu bemerken, der von ferne steht und ihn mitleidig ansieht.
Mit großen Schritten geht er durch das Zimmer, bleibt wieder
stehen und wirft sich zuletzt in einen Stuhl, gerad vor sich
hin starrend)

Octavio.  (nähert sich ihm).
     Ich reise ab, mein Sohn.
(Da er keine Antwort erhält, faßt er ihn bei der Hand.)
     Mein Sohn, leb wohl!

Max.
     Leb wohl!

Octavio.
     Du folgst mir doch bald nach?

Max.  (ohne ihn anzusehen).
     Ich dir?
     Dein Weg ist krumm, er ist der meine nicht.
(Octavio läßt seine Hand los, fährt zurück.)
     Oh!  wärst du wahr gewesen und gerade,
     Nie kam es dahin, alles stünde anders!
     Er hätte nicht das Schreckliche getan,
     Die Guten hätten Kraft bei ihm behalten,
     Nicht in der Schlechten Garn wär' er gefallen.
     Warum so heimlich, hinterlistig lauernd
     Gleich einem Dieb und Diebeshelfer schleichen?
     Unsel'ge Falschheit!  Mutter alles Bösen!
     Du jammerbringende, verderbest uns!
     Wahrhaftigkeit, die reine, hätt' uns alle,
     Die welterhaltende, gerettet.  Vater!
     Ich kann dich nicht entschuldigen, ich kann's nicht.
     Der Herzog hat mich hintergangen, schrecklich,
     Du aber hast viel besser nicht gehandelt.

Octavio.
     Mein Sohn, ach!  ich verzeihe deinem Schmerz.

Max.  (steht auf, betrachtet ihn mit zweifelhaften Blicken)
     Wär's möglich, Vater?  Vater?  Hättest du's
     Mit Vorbedacht bis dahin treiben wollen?
     Du steigst durch seinen Fall.  Octavio,
     Das will mir nicht gefallen.

Octavio.
     Gott im Himmel!

Max.
     Weh mir!  Ich habe die Natur verändert,
     Wie kommt der Argwohn in die freie Seele?
     Vertrauen, Glaube, Hoffnung ist dahin,
     Denn alles log mir, was ich hochgeachtet.
     Nein!  Nein!  Nicht alles!  Sie ja lebt mir noch,
     Und sie ist wahr und lauter wie der Himmel.
     Betrug ist überall und Heuchelschein
     Und Mord und Gift und Meineid und Verrat,
     Der einzig reine Ort ist unsre Liebe,
     Der unentweihte in der Menschlichkeit.

Octavio.
     Max!  Folg mir lieber gleich, das ist doch besser.

Max.
     Was?  Eh' ich Abschied noch von ihr genommen?
     Den letzten--Nimmermehr!

Octavio.
     Erspare dir
     Die Qual der Trennung, der notwendigen.
     Komm mit mir!  Komm, mein Sohn!
(Will ihn fortziehn.)

Max.
     Nein!  So wahr Gott lebt!

Octavio.  (dringender)
     Komm mit mir, ich gebiete dir's, dein Vater.

Max.
     Gebiete mir, was menschlich ist.  Ich bleibe.

Octavio.
     Max!  In des Kaisers Namen, folge mir!

Max.
     Kein Kaiser hat dem Herzen vorzuschreiben.
     Und willst du mir das einzige noch rauben,
     Was mir mein Unglück übrigließ, ihr Mitleid?
     Muß grausam auch das Grausame geschehn?
     Das Unabänderliche soll ich noch
     Unedel tun, mit heimlich feiger Flucht,
     Wie ein Unwürdiger mich von ihr stehlen?
     Sie soll mein Leiden sehen, meinen Schmerz,
     Die Klagen hören der zerrißnen Seele
     Und Tränen um mich weinen--Oh!  die Menschen
     Sind grausam, aber sie ist wie ein Engel.
     Sie wird von gräßlich wütender Verzweiflung
     Die Seele retten, diesen Schmerz des Todes
     Mit sanften Trostesworten klagend lösen.

Octavio.
     Du reißest dich nicht los, vermagst es nicht.
     Oh!  komm, mein Sohn, und rette deine Tugend!

Max.
     Verschwende deine Worte nicht vergebens,
     Dem Herzen folg ich, denn ich darf ihm trauen.

Octavio.  (außer Fassung, zitternd)
     Max!  Max!  Wenn das Entsetzliche mich trifft,
     Wenn du--mein Sohn--mein eignes Blut--ich darf's
     Nicht denken!  dich dem Schändlichen verkaufst,
     Dies Brandmal aufdrückst unsers Hauses Adel,
     Dann soll die Welt das Schauderhafte sehn,
     Und von des Vaters Blute triefen soll
     Des Sohnes Stahl im gräßlichen Gefechte.

Max.
     Oh!  hättest du vom Menschen besser stets
     Gedacht, du hättest besser auch gehandelt.
     Fluchwürd'ger Argwohn!  Unglücksel'ger Zweife!
     Es ist ihm Festes nichts und Unverrücktes,
     Und alles wanket, wo der Glaube fehlt.
     Octavio.
     Und trau ich deinem Herzen auch, wird's immer
     In deiner Macht auch stehen, ihm zu folgen?

Max.
     Du hast des Herzens Stimme nicht bezwungen,
     So wenig wird der Herzog es vermögen.

Octavio.
     Oh!  Max, ich seh dich niemals wiederkehren!

Max.
     Unwürdig deiner wirst du nie mich sehn.

Octavio.
     Ich geh nach Frauenberg, die Pappenheimer
     Laß ich dir hier, auch Lothringen, Toscana
     Und Tiefenbach bleibt da, dich zu bedecken.
     Sie lieben dich und sind dem Eide treu
     Und werden lieber tapfer streitend fallen,
     Als von dem Führer weichen und der Ehre.

Max.
     Verlaß dich drauf, ich lasse fechtend hier
     Das Leben oder führe sie aus Pilsen.

Octavio. (aufbrechend)
     Mein Sohn, leb wohl!

Max.
     Leb wohl!

Octavio.
     Wie?  Keinen Blick
     Der Liebe?  Keinen Händedruck zum Abschied?
     Es ist ein blut'ger Krieg, in den wir gehn,
     Und ungewiß, verhüllt ist der Erfolg.
     So pflegten wir uns vormals nicht zu trennen.
     Ist es denn wahr?  Ich habe keinen Sohn mehr?
(Max fällt in seine Arme, sie halten einander lange schweigend
umfaßt, dann entfernen sie sich nach verschiedenen Seiten.)




Dritter Aufzug

Saal bei der Herzogin von Friedland.



Erster Auftritt

Gräfin Terzky.  Thekla.  Fräulein von Neubrunn.  Beide letztern mit
weiblichen Arbeiten beschäftigt.



Gräfin.
     Ihr habt mich nichts zu fragen, Thekla?  Gar nichts?
     Schon lange wart ich auf ein Wort von Euch.
     Könnt Ihr's ertragen, in so langer Zeit
     Nicht einmal seinen Namen auszusprechen?
     Wie?  Oder wär' ich jetzt schon überflüssig,
     Und gäb' es andre Wege als durch mich?
     Gesteht mir, Nichte.  Habt Ihr ihn gesehn?

Thekla.  
     Ich hab ihn heut und gestern nicht gesehn.

Gräfin.
     Auch nicht von ihm gehört?  Verbergt mir nichts.

Thekla.
     Kein Wort.

Gräfin.
     Und könnt so ruhig sein!

Thekla.
     Ich bin's.

Gräfin.
     Verlaßt uns, Neubrunn.
(Fräulein von Neubrunn entfernt sich.)



Zweiter Auftritt

Gräfin Thekla.


Gräfin.
     Es gefällt mir nicht,
     Daß er sich grade jetzt so still verhält.

Thekla.
     Gerade jetzt!

Gräfin.
     Nachdem er alles weiß!
     Denn jetzo war's die Zeit, sich zu erklären.

Thekla.
     Sprecht deutlicher, wenn ich's verstehen soll.

Gräfin.
     In dieser Absicht schickt' ich sie hinweg.
     Ihr seid kein Kind mehr, Thekla.  Euer Herz
     Ist mündig, denn Ihr liebt, und kühner Mut
     Ist bei der Liebe.  Den habt Ihr bewiesen.
     Ihr artet mehr nach Eures Vaters Geist
     Als nach der Mutter ihrem.  Darum könnt Ihr hören,
     Was sie nicht fähig ist zu tragen.

Thekla.
     Ich bitt Euch, endet diese Vorbereitung.
     Sei's was es sei.  Heraus damit!  Es kann
     Mich mehr nicht ängstigen als dieser Eingang.
     Was habt Ihr mir zu sagen?  Faßt es kurz.

Gräfin.
     Ihr müßt nur nicht erschrecken--

Thekla.
     Nennt's!  Ich bitt Euch.

Gräfin.
     Es steht bei Euch, dem Vater einen großen Dienst
     Zu leisten--

Thekla.
     Bei mir stünde das!  Was kann--

Gräfin.
     Max Piccolomini liebt Euch.  Ihr könnt
     Ihn unauflöslich an den Vater binden.

Thekla.
     Braucht's dazu meiner?  Ist er es nicht schon?

Gräfin.
     Er war's.

Thekla.
     Und warum sollt' er's nicht mehr sein,
     Nicht immer bleiben?

Gräfin.
     Auch am Kaiser hängt er.

Thekla.
     Nicht mehr, als Pflicht und Ehre von ihm fordern.

Gräfin.
     Von seiner Liebe fordert man Beweise,
     Und nicht von seiner Ehre--Pflicht und Ehre!
     Das sind vieldeutig doppelsinn'ge Namen,
     Ihr sollt sie ihm auslegen, seine Liebe
     Soll seine Ehre ihm erklären.

Thekla.
     Wie?

Gräfin.
     Er soll dem Kaiser oder Euch entsagen.

Thekla.
     Er wird den Vater gern in den Privatstand
     Begleiten.  Ihr vernahmt es von ihm selbst,
     Wie sehr er wünscht, die Waffen wegzulegen.

Gräfin.
     Er soll sie nicht weglegen, ist die Meinung,
     Er soll sie für den Vater ziehn.

Thekla.
     Sein Blut,
     Sein Leben wird er für den Vater freudig
     Verwenden, wenn ihm Unglimpf widerführe.

Gräfin.
     Ihr wollt mich nicht erraten--Nun so hört.
     Der Vater ist vom Kaiser abgefallen,
     Steht im Begriff, sich zu dem Feind zu schlagen
     Mitsamt dem ganzen Heer--

Thekla.
     O meine Mutter!

Gräfin.
     Es braucht ein großes Beispiel, die Armee
     Ihm nachzuziehn.  Die Piccolomini
     Stehn bei dem Heer in Ansehn, sie beherrschen
     Die Meinung, und entscheidend ist ihr Vorgang.
     Des Vaters sind wir sicher durch den Sohn--
     --Ihr habt jetzt viel in Eurer Hand.

Thekla.
     O jammervolle Mutter!  Welcher Streich des Todes
     Erwartet dich!--Sie wird's nicht überleben.

Gräfin.
     Sie wird in das Notwendige sich fügen.
     Ich kenne sie--Das Ferne, Künftige beängstigt
     Ihr fürchtend Herz; was unabänderlich
     Und wirklich da ist, trägt sie mit Ergebung.

Thekla.
     O meine ahnungsvolle Seele--Jetzt--
     Jetzt ist sie da, die kalte Schreckenshand,
     Die in mein fröhlich Hoffen schaudernd greift.
     Ich wußt' es wohl--O gleich, als ich hier eintrat,
     Weissagte mir's das bange Vorgefühl,
     Daß über mir die Unglückssterne stünden--
     Doch warum denk ich jetzt zuerst an mich--
     O meine Mutter!  meinen Mutter!

Gräfin.
     Faßt Euch.
     Brecht nicht in eitle Klagen aus.  Erhaltet
     Dem Vater einen Freund, Euch den Geliebten,
     So kann noch alles gut und glücklich werden.

Thekla.
     Gut werden!  Was?  Wir sind getrennt auf immer!--
     Ach, davon ist nun gar nicht mehr die Rede.

Gräfin.
     Er läßt Euch nicht!  Er kann nicht von Euch lassen.

Thekla.
     O der Unglückliche!

Gräfin.
     Wenn er Euch wirklich liebt, wird sein Entschluß
     Geschwind gefaßt sein.

Thekla.
     Sein Entschluß wird bald
     Gefaßt sein, daran zweifelt nicht.  Entschluß!
     Ist hier noch ein Entschluß?

Gräfin.
     Faßt euch.  Ich höre
     Die Mutter nahn.

Thekla.
     Wie werd ich ihren Anblick
     Ertragen!

Gräfin.
     Faßt Euch.



Dritter Auftritt

Die Herzogin.  Vorige.


Herzogin.  (zur Gräfin)
     Schwester!  Wer war hier?
     Ich hörte lebhaft reden.

Gräfin.
     Es war niemand.
     Herzogin.
     Ich bin so schreckhaft.  Jedes Rauschen kündigt mir
     Den Fußtritt eines Unglücksboten an.
     Könnt Ihr mir sagen, Schwester, wie es steht?
     Wird er dem Kaiser seinen Willen tun,
     Dem Kardinal die Reiter senden?  Sprecht,
     Hat er den Questenberg mit einer guten
     Antwort entlassen?

Gräfin.
     --Nein, das hat er nicht.

Herzogin.
     O dann ist's aus!  Ich seh das Ärgste kommen.
     Sie werden ihn absetzen, es wird alles wieder
     So werden wie zu Regenspurg.

Gräfin.
     So wird's
     Nicht werden.  Diesmal nicht.  Dafür seid ruhig.
(Thekla, heftig bewegt, stürzt auf die Mutter zu und schließt sie
weinend in die Arme.)

Herzogin.
     O der unbeugsam unbezähmte Mann!
     Was hab ich nicht getragen und gelitten
     In dieser Ehe unglücksvollem Bund!
     Denn gleich wie an ein feurig Rad gefesselt,
     Das rastlos eilend, ewig, heftig treibt,
     Bracht' ich ein angstvoll Leben mit ihm zu,
     Und stets an eines Abgrunds jähem Rande
     Sturzdrohend, schwindelnd riß er mich dahin.
     --Nein, weine nicht, mein Kind.  Laß dir mein Leiden
     Zu keiner bösen Vorbedeutung werden,
     Den Stand, der dich erwartet, nicht verleiden.
     Es lebt kein zweiter Friedland; du, mein Kind,
     Hast deiner Mutter Schicksal nicht zu fürchten.

Thekla.
     O lassen Sie uns fliehen, liebe Mutter!
     Schnell!  Schnell!  Hier ist kein Aufenthalt für uns.
     Jedwede nächste Stunde brütet irgend
     Ein neues, ungeheures Schreckbild aus!

Herzogin.
     Dir wird ein ruhigeres Los!--Auch wir,
     Ich und dein Vater, sahen schöne Tage;
     Der ersten Jahre denk ich noch mit Lust.
     Da war er noch der fröhlich Strebende,
     Sein Ehrgeiz war ein mild erwärmend Feuer,
     Noch nicht die Flamme, die verzehrend rast.
     Der Kaiser liebte ihn, vertraute ihm,
     Und was er anfing, das mußt' ihm geraten.
     Doch seit dem Unglückstag zu Regenspurg,
     Der ihn von seiner Höh' herunterstürzte,
     Ist ein unsteter, ungesell'ger Geist
     Argwöhnisch, finster über ihn gekommen.
     Ihn floh die Ruhe, und dem alten Glück,
     Der eignen Kraft nicht fröhlich mehr vertrauend,
     Wandt' er sein Herz den dunkeln Künsten zu,
     Die keinen, der sie pflegte, noch beglückt.

Gräfin.
     Ihr seht's mit Euren Augen--Aber ist
     Das ein Gespräch, womit wir ihn erwarten?
     Er wird bald hier sein, wißt Ihr.  Soll er sie
     In diesem Zustand finden?

Herzogin.
     Komm, mein Kind.
     Wisch deine Tränen ab.  Zeig deinem Vater
     Ein heitres Antlitz--Sieh, die Schleife hier
     Ist los--Dies Haar muß aufgebunden werden.
     Komm, trockne deine Tränen.  Sie entstellen
     Dein holdes Auge--Was ich sagen wollte?
     Ja, dieser Piccolomini ist doch
     Ein würd'ger Edelmann und voll Verdienst.

Gräfin.
     Das ist er, Schwester.

Thekla.  (zur Gräfin, beängstigt.)
     Tante, wollt Ihr mich
     Entschuldigen?
(Will gehen.)

Gräfin.
     Wohin?  Der Vater kommt.

Thekla.
     Ich kann ihn jetzt nicht sehn.

Gräfin.
     Er wird Euch aber
     Vermissen, nach Euch fragen.

Herzogin.
     Warum geht sie?

Thekla.
     Es ist mir unerträglich, ihn zu sehn.

Gräfin.  (zur Herzogin).
     Ihr ist nicht wohl.

Herzogin.  (besorgt)
     Was fehlt dem lieben Kinde?
(Beide folgen dem Fräulein und sind beschäftigt, sie zurückzuhalten.
Wallenstein erscheint, im Gespräch mit Illo.)



Vierter Auftritt

Wallenstein.  Illo.  Vorige.


Wallenstein.
     Es ist noch still im Lager?

Illo.
     Alles still.

Wallenstein.
     In wenig Stunden kann die Nachricht da sein
     Aus Prag, daß diese Hauptstadt unser ist.
     Dann können wir die Maske von uns werfen,
     Den hiesigen Truppen den getanen Schritt
     Zugleich mit dem Erfolg zu wissen tun.
     In solchen Fällen tut das Beispiel alles.
     Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,
     Und wer der Vorderste ist, führt die Herde.
     Die Prager Truppen wissen es nicht anders,
     Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,
     Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,
     Weil man zu Prag das Beispiel hat gegeben.
     --Der Butler, sagst du, hat sich nun erklärt?

Illo.
     Aus freiem Trieb, unaufgefordert kam er,
     Sich selbst, sein Regiment dir anzubieten.

Wallenstein.
     Nicht jeder Stimme, find ich, ist zu glauben,
     Die warnend sich im Herzen läßt vernehmen.
     Uns zu berücken, borgt der Lügengeist
     Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit
     Und streut betrügliche Orakel aus.
     So hab ich diesem würdig braven Mann,
     Dem Butler, stilles Unrecht abzubitten;
     Denn ein Gefühl, des ich nicht Meister bin,
     Furcht möcht' ich's nicht gern nennen, überschleicht
     In seiner Nähe schaudernd mir die Sinne
     Und hemmt der Liebe freudige Bewegung.
     Und dieser Redliche, vor dem der Geist
     Mich warnt, reicht mir das erste Pfand des Glücks.

Illo.
     Und sein geachtet Beispiel, zweifle nicht,
     Wird dir die Besten in dem Heer gewinnen.

Wallenstein.
     Jetzt geh und schick mir gleich den Isolan
     Hieher, ich hab ihn mir noch jüngst verpflichtet.
     Mit ihm will ich den Anfang machen.  Geh!
(Illo geht hinaus, unterdessen sind die übrigen wieder vorwärts
gekommen.)

Wallenstein.
     Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter!
     Wir wollen einmal von Geschäften ruhn--
     Kommt!  Mich verlangte, eine heitre Stunde
     Im lieben Kreis der Meinen zu verleben.

Gräfin.
     Wir waren lang nicht so beisammen, Bruder.

Wallenstein.  (beiseite, zur Gräfin)
     Kann sie's vernehmen?  Ist sie vorbereitet?

Gräfin.
     Noch nicht.

Wallenstein.
     Komm her, mein Mädchen.  Setz dich zu mir.
     Es ist ein guter Geist auf deinen Lippen,
     Die Mutter hat mir deine Fertigkeit
     Gepriesen, es soll eine zarte Stimme
     Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele
     Bezaubert.  Eine solche Stimme brauch
     Ich jetzt, den bösen Dämon zu vertreiben,
     Der um mein Haupt die schwarzen Flügel schlägt.

Herzogin.
     Wo hast du deine Zither, Thekla?  Komm.
     Laß deinem Vater eine Probe hören
     Von deiner Kunst.

Thekla.
     O meine Mutter!  Gott!

Herzogin.
     Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater.

Thekla.
     Ich kann nicht, Mutter--

Gräfin.
     Wie?  Was ist das, Nichte!

Thekla.  (zur Gräfin)
     Verschont mich--Singen--jetzt--in dieser Angst
     Der schwer beladnen Seele--vor ihn singen--
     Der meine Mutter stürzt ins Grab!

Herzogin.
     Wie, Thekla, Launen?  Soll dein güt'ger Vater
     Vergeblich einen Wunsch geäußert haben?

Gräfin.
     Hier ist die Zither.

Thekla.
     O mein Gott--Wie kann ich--
(Hält das Instrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet
im heftigsten Kampf, und im Augenblick, da sie anfangen soll,
zu singen, schaudert sie zusammen, wirft das Instrument weg und
geht schnell ab.)

Herzogin.
     Mein Kind--o sie ist krank!
     Wallenstein.
     Was ist dem Mädchen?  Pflegt sie so zu sein?

Gräfin.
     Nun weil sie es denn selbst verrät, so will
     Auch ich nicht länger schweigen.

Wallenstein.
     Wie?

Gräfin.
     Sie liebt ihn.

Wallenstein.
     Liebt!  Wen?

Gräfin.
     Den Piccolomini liebt sie.
     Hast du es nicht bemerkt?  Die Schwester auch nicht?

Herzogin.
     O war es dies, was ihr das Herz beklemmte?
     Gott segne dich, mein Kind!  Du darfst
     Dich deiner Wahl nicht schämen.

Gräfin.
     Diese Reise--
     Wenn's deine Absicht nicht gewesen, schreib's
     Dir selber zu.  Du hättest einen andern
     Begleiter wählen sollen!

Wallenstein.
     Weiß er's?

Gräfin.
     Er hofft sie zu besitzen.

Wallenstein.
     Hofft
     Sie zu besitzen--Ist der Junge toll?

Gräfin.
     Nun mag sie's selber hören!

Wallenstein.
     Die Friedländerin
     Denkt er davonzutragen?  Nun!  Der Einfall
     Gefällt mir!  Die Gedanken stehen ihm nicht niedrig.

Gräfin.
     Weil du so viele Gunst ihm stets bezeugt,
     So--

Wallenstein.
     --Will er mich auch endlich noch beerben.
     Nun ja!  Ich lieb ihn, halt ihn wert; was aber
     Hat das mit meiner Tochter Hand zu schaffen?
     Sind es die Töchter, sind's die einz'gen Kinder,
     Womit man seine Gunst bezeugt?

Herzogin.
     Sein adeliger Sinn und seine Sitten--

Wallenstein.
     Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter.

Herzogin.
     Sein Stand und seine Ahnen--

Wallenstein.
     Ahnen!  Was!
     Er ist ein Untertan, und meinen Eidam
     Will ich mir auf Europens Thronen suchen.

Herzogin.
     O lieber Herzog!  Streben wir nicht allzuhoch
     Hinauf, daß wir zu tief nicht fallen mögen.

Wallenstein.
     Ließ ich mir's so viel kosten, in die Höh'
     Zu kommen, über die gemeinen Häupter
     Der Menschen weg zu ragen, um zuletzt
     Die große Lebensrolle mit gemeiner
     Verwandtschaft zu beschließen?--Hab ich darum--
(Plötzlich hält er inne, sich fassend.)
     Sie ist das einzige, was von mir nachbleibt
     Auf Erden; eine Krone will ich sehn
     Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben.
     Was?  Alles--Alles!  setz ich dran, um sie
     Recht groß zu machen--ja in der Minute,
     Worin wir sprechen--
(Er besinnt sich.)
     Und ich sollte nun,
     Wie ein weichherz'ger Vater, was sich gern hat
     Und liebt, fein bürgerlich zusammengeben?
     Und jetzt soll ich das tun, jetzt eben, da ich
     Auf mein vollendet Werk den Kranz will setzen--
     Nein, sie ist mir ein langgespartes Kleinod,
     Die höchste, letzte Münze meines Schatzes,
     Nicht niedriger fürwahr gedenk ich sie
     Als um ein Königszepter loszuschlagen--

Herzogin.
     O mein Gemahl!  Sie bauen immer, bauen
     Bis in die Wolken, bauen fort und fort
     Und denken nicht dran, daß der schmale Grund
     Das schwindelnd schwanke Werk nicht tragen kann.

Wallenstein.  (zur Gräfin)
     Hast du ihr angekündigt, welchen Wohnsitz
     Ich ihr bestimmt?

Gräfin.
     Noch nicht.  Entdeckt's ihr selbst.

Herzogin.
     Wie?  Gehen wir nach Kärnten nicht zurück?

Wallenstein.
     Nein.

Herzogin.
     Oder sonst auf keines Ihrer Güter?

Wallenstein.
     Sie würden dort nicht sicher sein.

Herzogin.
     Nicht sicher
     In Kaisers Landen, unter Kaisers Schutz?

Wallenstein.
     Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen.

Herzogin.
     O Gott, bis dahin haben Sie's gebracht?

Wallenstein.
     In Holland werden Sie Schutz finden.

Herzogin.
     Was?
     Sie senden uns in lutherischen Länder?

Wallenstein.
     Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ihr
     Geleitsmann dahin sein.

Herzogin.
     Der Lauenburger?
     Der's mit dem Schweden hält, des Kaisers Feind?

Wallenstein.
     Des Kaisers Feinde sind die meinen nicht mehr.

Herzogin.  (sieht den Herzog und die Gräfin schreckensvoll an)
     Ist's also wahr?  Es ist?  Sie sind
     gestürzt?  Sind vom Kommando abgesetzt?  O Gott
     Im Himmel!

Gräfin.  (seitwärts zum Herzog)
     Lassen wir sie bei dem Glauben.
     Du siehst, daß sie die Wahrheit nicht ertrüge.



Fünfter Auftritt

Graf Terzky.  Vorige.


Gräfin.
     Terzky!  Was ist ihm?  Welches Bild des Schreckens!
     Als hätt' er ein Gespenst gesehn!

Terzky.  (Wallenstein bei Seite führend, heimlich)
     Ist's dein Befehl, daß die Kroaten reiten?

Wallenstein.
     Ich weiß von nichts.

Terzky.
     Wir sind verraten!

Wallenstein.
     Was?

Terzky.
     Sie sind davon, heut nacht, die Jäger auch,
     Leer stehen alle Dörfer in der Runde.

Wallenstein.
     Und Isolan?

Terzky.
     Den hast du ja verschickt.

Wallenstein.
     Ich?

Terzky.
     Nicht?  Du hast ihn nicht verschickt?  Auch nicht
     Den Deodat?  Sie sind verschwunden beide.



Sechster Auftritt

Illo.  Vorige.


Illo.
     Hat dir der Terzky--

Terzky.
     Er weiß alles.

Illo.
     Auch daß Maradas, Esterhazy, Götz,
     Colalto, Kaunitz dich verlassen?--

Terzky.
     Teufel!

Wallenstein.  (winkt)
     Still!

Gräfin.  (hat sie von weitem ängstlich beobachtet, tritt hinzu)
     Terzky!  Gott!  Was gibt's?  Was ist geschehen?

Wallenstein.  (im Begriff aufzubrechen)
     Nichts!  Laßt uns gehen.

Terzky.  (will ihm folgen)
     Es ist nichts, Therese.

Gräfin.  (hält ihn).
     Nichts?  Seh ich nicht, daß alles Lebensblut
     Aus euren geisterbleichen Wangen wich,
     Daß selbst der Bruder Fassung nur erkünstelt?

Page.  (kommt)
     Ein Adjutant fragt nach dem Grafen Terzky.
(Ab.  Terzky folgt dem Pagen.)

Wallenstein.
     Hör, was er bringt--
(Zu Illo.)
     Das konnte nicht so heimlich
     Geschehen ohne Meuterei--Wer hat
     Die Wache an den Toren?

Illo.
     Tiefenbach.

Wallenstein.
     Laß Tiefenbach ablösen unverzüglich
     Und Terzkys Grenadiere aufziehn.--Höre!
     Hast du von Buttlern Kundschaft?

Illo.
     Buttlern traf ich.
     Gleich ist er selber hier.  Der hält dir fest.
(Illo geht.  Wallenstein will ihm folgen.)

Gräfin.
     Laß ihn nicht von dir, Schwester!  Halt ihn auf--
     Es ist ein Unglück--

Herzogin.
     Großer Gott!  Was ist's?
(Hängt sich an ihn.)

Wallenstein.  (erwehrt sich ihrer).
     Seid ruhig!  Laßt mich!  Schwester!  liebes Weib,
     Wir sind im Lager!  Da ist's nun nicht anders,
     Da wechseln Sturm und Sonnenschein geschwind,
     Schwer lenken sich die heftigen Gemüter,
     Und Ruhe nie beglückt des Führers Haupt--
     Wenn ich soll bleiben, geht!  Denn übel stimmt
     Der Weiber Klage zu dem Tun der Männer.
(Er will gehen.  Terzky kömmt zurück.)

Terzky.
     Bleib hier.  Von diesem Fenster muß man's sehn.

Wallenstein.  (zur Gräfin)
     Geht, Schwester!

Gräfin.
     Nimmermehr!

Wallenstein.
     Ich will's.

Terzky.  (führt sie beiseite, mit einem bedeutenden Wink auf die Herzogin)
     Therese!

Herzogin.
     Komm, Schwester, weil er es befiehlt.
(Gehen ab.)



Siebenter Auftritt

Wallenstein.  Graf Terzky.


Wallenstein.  (ans Fenster tretend)
     Was gibt's denn?

Terzky.
     Es ist ein Rennen und Zusammenlaufen
     Bei allen Truppen.  Niemand weiß die Ursach,
     Geheimnisvoll, mit einer finstern Stille,
     Stellt jedes Korps sich unter seine Fahnen,
     Die Tiefenbacher machen böse Mienen,
     Nur die Wallonen stehen abgesondert
     In ihrem Lager, lassen niemand zu
     Und halten sich gesetzt, so wie sie pflegen.

Wallenstein.
     Zeigt Piccolomini sich unter ihnen?

Terzky.
     Man sucht ihn, er ist nirgends anzutreffen.
     Wallenstein.
     Was überbrachte denn der Adjutant?

Terzky.
     Ihn schickten meine Regimenter ab,
     Sie schwören nochmals Treue dir, erwarten
     Voll Kriegeslust den Aufruf zum Gefechte.

Wallenstein.
     Wie aber kam der Lärmen in das Lager?
     Es sollte ja dem Heer verschwiegen bleiben,
     Bis sich zu Prag das Glück für uns entschieden.

Terzky.
     O daß du mir geglaubt!  Noch gestern Abends
     Beschwuren wir dich, den Octavio,
     Den Schleicher, aus den Toren nicht zu lassen,
     Du gabst die Pferde selber ihm zur Flucht--

Wallenstein.
     Das alte Lied!  Einmal für allemal,
     Nichts mehr von diesem törichten Verdacht!

Terzky.
     Dem Isolani hast du auch getraut,
     Und war der erste doch, der dich verließ.

Wallenstein.
     Ich zog ihn gestern erst aus seinem Elend.
     Fahr hin!  Ich hab auf Dank ja nie gerechnet.

Terzky.
     Und so sind alle, einer wie der andre.

Wallenstein.
     Und tut er Unrecht, daß er von mir geht?
     Er folgt dem Gott, dem er sein Lebenlang
     Am Spieltisch hat gedient.  Mit meinem Glücke
     Schloß er den Bund und bricht ihn, nicht mit mir.
     War ich ihm was, er mir?  Das Schiff nur bin ich,
     Auf das er seine Hoffnung hat geladen,
     Mit dem er wohlgemut das freie Meer
     Durchsegelte; er sieht es über Klippen
     Gefährlich gehn und rettet schnell die Ware.
     Leicht wie der Vogel von dem wirtbarn Zweige,
     Wo er genistet, fliegt er von mir auf,
     Kein menschlich Band ist unter uns zerrissen.
     Ja, der verdient, betrogen sich zu sehn,
     Der Herz gesucht bei dem Gedankenlosen!
     Mit schnell verlöschten Zügen schreiben sich
     Des Lebens Bilder auf die glatte Stirne,
     Nichts fällt in eines Busen stillen Grund,
     Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte,
     Doch keine Seele wärmt das Eingeweide.

Terzky.
     Doch möcht' ich mich den glatten Stirnen lieber
     Als jenen tiefgefurchten anvertrauen.



Achter Auftritt

Wallenstein.  Terzky.  Illo kömmt wütend.


Illo.
     Verrat und Meuterei!

Terzky.
     Ha!  was nun wieder?

Illo.
     Die Tiefenbacher, als ich Ordre gab,
     Sie abzulösen--Pflichtvergeßne Schelmen!

Terzky.
     Nun?

Wallenstein.
     Was denn?

Illo.
     Sie verweigern den Gehorsam.

Terzky.
     So laß sie niederschießen!  O gib Ordre!

Wallenstein.
     Gelassen!  Welche Ursach geben sie?

Illo.
     Kein andrer sonst hab ihnen zu befehlen
     Als Generalleutnant Piccolomini.

Wallenstein.
     Was--Wie ist das?

Illo.
     So hab er's hinterlassen
     Und eigenhändig vorgezeigt vom Kaiser.

Terzky.
     Vom Kaiser--Hörst du's, Fürst!

Illo.
     Auf seinen Antrieb
     Sind gestern auch die Obersten entwichen.

Terzky.
     Hörst du's!

Illo.
     Auch Montecuculi, Caraffa
     Und noch sechs andre Generale werden
     Vermißt, die er bered't hat, ihm zu folgen.
     Das hab er alles schon seit lange schriftlich
     Bei sich gehabt vom Kaiser und noch jüngst
     Erst abgeredet mit dem Questenberger.
(Wallenstein sinkt auf einen Stuhl und verhüllt sich das Gesicht.)

Terzky.
     O hättest du mir doch geglaubt!



Neunter Auftritt

Gräfin.  Vorige.


Gräfin.
     Ich kann die Angst--ich kann's nicht länger tragen,
     Um Gotteswillen, sagt mir, was es ist.

Illo.
     Die Regimenter fallen von uns ab.
     Graf Piccolomini ist ein Verräter.

Gräfin.
     O meine Ahnung!
(Stürzt aus dem Zimmer.)

Terzky.
     Hätt' man mir geglaubt!
     Da siehst du's, wie die Sterne dir gelogen!

Wallenstein.  (richtet sich auf)
     Die Sterne lügen nicht, das aber ist
     Geschehen wider Sternenlauf und Schicksal.
     Die Kunst ist redlich, doch dies falsche Herz
     Bringt Lug und Trug in den wahrhaft'gen Himmel.
     Nur auf der Wahrheit ruht die Wahrsagung;
     Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket,
     Da irret alle Wissenschaft.  War es
     Ein Aberglaube, menschliche Gestalt
     Durch keinen solchen Argwohn zu entehren,
     O nimmer schäm ich dieser Schwachheit mich!
     Religion ist in der Tiere Trieb,
     Es trinkt der Wilde selbst nicht mit dem Opfer,
     Dem er das Schwert will in den Busen stoßen.
     Das war kein Heldenstück, Octavio!
     Nicht deine Klugheit siegte über meine,
     Dein schlechtes Herz hat über mein gerades
     Den schändlichen Triumph davongetragen.
     Kein Schild fing deinen Mordstreich auf, du führtest
     Ihn ruchlos auf die unbeschützte Brust,
     Ein Kind nur bin ich gegen solche Waffen.



Zehnter Auftritt

Vorige.  Buttler.


Terzky.
     O sieh da!  Buttler!  Das ist noch ein Freund!
     Wallenstein
(geht ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und umfaßt ihn
mit Herzlichkeit)
     Komm an mein Herz, du alter Kriegsgefährt'!
     So wohl tut nicht der Sonne Blick im Lenz
     Als Freundes Angesicht in solcher Stunde.

Buttler.
     Mein General--Ich komme--

Wallenstein.  (sich auf seine Schultern lehnend)
     Weißt du's schon?
     Der Alte hat dem Kaiser mich verraten.
     Was sagst du?  Dreißig Jahre haben wir
     Zusammen ausgelebt und ausgehalten.
     In einem Feldbett haben wir geschlafen,
     Aus einem Glas getrunken, einen Bissen
     Geteilt, ich stützte mich auf ihn, wie ich
     Auf deine treue Schulter jetzt mich stütze;
     Und in dem Augenblick, da liebevoll
     Vertrauend meine Brust an seiner schlägt,
     Ersieht er sich den Vorteil, sticht das Messer
     Mir listig lauernd, langsam in das Herz!
(Er verbirgt das Gesicht an Buttlers Brust.)

Buttler.
     Vergeßt den Falschen.  Sagt, was wollt Ihr tun?

Wallenstein.
     Wohl, wohl gesprochen.  Fahre hin!  Ich bin
     Noch immer reich an Freunden, bin ich nicht?
     Das Schicksal liebt mich noch, denn eben jetzt,
     Da es des Heuchlers Tücke mir entlarvt,
     Hat es ein treues Herz mir zugesendet.
     Nichts mehr von ihm.  Denkt nicht, daß sein Verlust
     Mich schmerze, oh!  mich schmerzt nur der Betrug.
     Denn wert und teur waren mir die beiden,
     Und jener Max, er liebte mich wahrhaftig,
     Er hat mich nicht getäuscht, er nicht--Genug,
     Genug davon!  Jetzt gilt es schnellen Rat--
     Der Reitende, den mir Graf Kinsky schickt
     Aus Prag, kann jeden Augenblick erscheinen.
     Was er auch bringen mag, er darf den Meutern
     Nicht in die Hände fallen.  Drum geschwind,
     Schickt einen sichern Boten ihm entgegen,
     Der auf geheimem Weg ihn zu mir führe.
(Illo will gehen.)

Buttler.  (hält ihn zurück)
     Mein Feldherr, wen erwartet Ihr?

Wallenstein.
     Den Eilenden, der mir die Nachricht bringt,
     Wie es mit Prag gelungen.

Buttler.
     Hum!

Wallenstein.
     Was ist Euch?

Buttler.
     So wißt Ihr's nicht?

Wallenstein.
     Was denn?

Buttler.
     Wie dieser Lärmer
     Ins Lager kam?--

Wallenstein.
     Wie?

Buttler.
     Jener Bote--

Wallenstein.  (erwartungsvoll)
     Nun?

Buttler.
     Er ist herein.

Terzky und Illo.
     Er ist herein?

Wallenstein.
     Mein Bote?

Buttler.
     Seit mehrern Stunden.

Wallenstein.
     Und ich weiß es nicht?

Buttler.
     Die Wache fing ihn auf.

Illo.  (stampft mit dem Fuß)
     Verdammt!

Buttler.
     Sein Brief
     Ist aufgebrochen, läuft durchs ganze Lager--

Wallenstein.  (gespannt)
     Ihr wißt, was er enthält?

Buttler.  (bedenklich)
     Befragt mich nicht!

Terzky.
     Oh--Weh uns, Illo!  Alles stürzt zusammen!

Wallenstein.
     Verhehlt mir nichts.  Ich kann das Schlimmste hören.
     Prag ist verloren?  Ist's?  Gesteht mir's frei.

Buttler.
     Es ist verloren.  Alle Regimenter
     Zu Budweis, Tabor, Braunau, Königingrätz,
     Zu Brünn und Znaym haben Euch verlassen,
     Dem Kaiser neu gehuldigt--Ihr selbst
     Mit Kinsky, Terzky, Illo seid geächtet.
(Terzky und Illo zeigen Schrecken und Wut.  Wallenstein bleibt
fest und gefaßt stehen.)

Wallenstein.  (nach einer Pause)
     Es ist entschieden, nun ist's gut--und schnell
     Bin ich geheilt von allen Zweifelsqualen,
     Die Brust ist wieder frei, der Geist ist hell:
     Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen.
     Mit zögerndem Entschluß, mit wankendem Gemüt
     Zog ich das Schwert, ich tat's mit Widerstreben,
     Da es in meine Wahl noch war gegeben!
     Notwendigkeit ist da, der Zweifel flieht,
     Jetzt fecht ich für mein Haupt und für mein Leben.
(Er geht ab.  Die andern folgen.)



Elfter Auftritt


Gräfin Terzky.  (kommt aus dem Seitenzimmer)
     Nein!  Ich kann's länger nicht--Wo sind sie?  Alles
     Ist leer.  Sie lassen mich allein--allein
     In dieser fürchterlichen Angst--Ich muß
     Mich zwingen vor der Schwester, ruhig scheinen
     Und alle Qualen der bedrängten Brust
     In mir verschließen--Das ertrag ich nicht!
     --Wenn es uns fehlschlägt, wenn er zu dem Schweden
     Mit leerer Hand, als Flüchtling, müßte kommen,
     Nicht als geehrter Bundesgenosse, stattlich,
     Gefolgt von eines Heeres Macht--Wenn wir
     Von Land zu Land wie der Pfalzgraf müßten wandern,
     Ein schmählich Denkmal der gefallnen Größe--
     Nein, diesen Tag will ich nicht schaun!  und könnt'
     Er selbst es auch ertragen, so zu sinken,
     Ich trüg's nicht, so gesunken ihn zu sehn.



Zwölfter Auftritt

Gräfin.  Herzogin.  Thekla.


Thekla.  (will die Herzogin zurückhalten)
     O liebe Mutter, bleiben Sie zurück!

Herzogin.
     Nein, hier ist noch ein schreckliches Geheimnis,
     Das mir verhehlt wird--Warum meidet mich
     Die Schwester?  Warum seh ich sie voll Angst
     Umhergetrieben, warum dich voll Schrecken?
     Und was bedeuten diese stummen Winke,
     Die du verstohlen heimlich mit ihr wechselst?

Thekla.
     Nichts, liebe Mutter!

Herzogin.
     Schwester, ich will's wissen.

Gräfin.
     Was hilft's auch, ein Geheimnis draus zu machen!
     Läßt sich's verbergen?  Früher, später muß
     Sie's doch vernehmen lernen und ertragen!
     Nicht Zeit ist's jetzt, der Schwäche nachzugeben,
     Mut ist uns not und ein gefaßter Geist,
     Und in der Stärke müssen wir uns üben.
     Drum besser, es entscheidet sich ihr Schicksal
     Mit einem Wort--Man hintergeht Euch, Schwester.
     Ihr glaubt, der Herzog sei entsetzt--der Herzog
     Ist nicht entsetzt--er ist--

Thekla.  (zur Gräfin gehend)
     Wollt Ihr sie töten?

Gräfin.
     Der Herzog ist--

Thekla.  (die Arme um die Mutter schlagend).
     O standhaft, meine Mutter!

Gräfin.
     Empört hat sich der Herzog, zu dem Feind
     Hat er sich schlagen wollen, die Armee
     Hat ihn verlassen, und es ist mißlungen.
(Während dieser Worte wankt die Herzogin und fällt ohnmächtig
in die Arme ihrer Tochter.)
                
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