Johann Shiller

Wallensteins Tod
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Dreizehnter Auftritt

Ein großer Saal beim Herzog von Friedland.


Wallenstein.  (im Harnisch)
     Du hast's erreicht, Octavio--Fast bin ich
     Jetzt so verlassen wieder, als ich einst
     Vom Regenspurger Fürstentage ging.
     Da hatt' ich nichts mehr als mich selbst--doch was
     Ein Mann kann wert sein, habt ihr schon erfahren.
     Den Schmuck der Zweige habt ihr abgehauen,
     Da steh ich, ein entlaubter Stamm!  Doch innen
     Im Marke lebt die schaffende Gewalt,
     Die sprossend eine Welt aus sich geboren.
     Schon einmal galt ich euch statt eines Heeres,
     Ich einzelner.  Dahingeschmolzen vor
     Der schwed'schen Stärke waren eure Heere,
     Am Lech sank Tilly, euer letzter Hort;
     Ins Bayerland, wie ein geschwollner Strom,
     Ergoß sich dieser Gustav, und zu Wien
     In seiner Hofburg zitterte der Kaiser.
     Soldaten waren teuer, denn die Menge
     Geht nach dem Glück--Da wandte man die Augen
     Auf mich, den Helfer in der Not, es beugte sich
     Der Stolz des Kaisers vor dem Schwergekränkten:
     Ich sollte aufstehn mit dem Schöpfungswort
     Und in die hohlen Läger Menschen sammeln.
     Ich tat's.  Die Trommel ward gerührt.  Mein Name
     Ging wie ein Kriegsgott durch die Welt.  Der Pflug,
     Die Werkstatt wird verlassen, alles wimmelt
     Der altbekannten Hoffnungsfahne zu--
     --Noch fühl ich mich denselben, der ich war!
     Es ist der Geist, der sich den Körper baut,
     Und Friedland wird sein Lager um sich füllen.
     Führt eure Tausende mir kühn entgegen,
     Gewohnt wohl sind sie, unter mir zu siegen,
     Nicht gegen mich--Wenn Haupt und Glieder sich trennen,
     Da wird sich zeigen, wo die Seele wohnte.
(Illo und Terzky treten ein.)
     Mut, Freunde, Mut!  Wir sind noch nicht zu Boden.
     Fünf Regimenter Terzky sind noch unser
     Und Buttlers wackre Scharen--Morgen stößt
     Ein Heer zu uns von sechzehntausend Schweden.
     Nicht mächt'ger war ich, als ich vor neun Jahren
     Auszog, dem Kaiser Deutschland zu erobern.



Vierzehnter Auftritt

Vorige.  Neumann, der den Grafen Terzky beiseite führt und
mit ihm spricht.


Terzky.  (zu Neumann).
     Was suchen Sie?

Wallenstein.
     Was gibt's?

Terzky.
     Zehn Kürassiere
     Von Pappenheim verlangen dich im Namen
     Des Regiments zu sprechen.

Wallenstein.  (schnell zu Neumann)
     Laß sie kommen.
(Neumann geht hinaus.)
     Davon erwart ich etwas.  Gebet acht,
     Sie zweifeln noch und sind noch zu gewinnen.



Fünfzehnter Auftritt

Wallenstein.  Terzky.  Illo.  Zehn Kürassiere, von einem Gefreiten
geführt, marschieren auf und stellen sich nach dem Kommando in
einem Glied vor den Herzog, die Honneurs machend.


Wallenstein.  (nachdem er sie eine Zeitlang mit den Augen gemessen, zum
Gefreiten)
     Ich kenne dich wohl.  Du bist aus Brügg' in Flandern,
     Dein Nam' ist Mercy.

Gefreiter.
     Heinrich Mercy heiß ich.

Wallenstein.
     Du wurdest abgeschnitten auf dem Marsch,
     Von Hessischen umringt und schlugst dich durch,
     Mit hundertachtzig Mann durch ihrer tausend.

Gefreiter.
     So ist's, mein General.

Wallenstein.
     Was wurde dir
     Für diese wackre Tat?

Gefreiter.
     Die Ehr', mein Feldherr,
     Um die ich bat, bei diesem Korps zu dienen.

Wallenstein.  (wendet sich zu einem andern)
     Du warst darunter, als ich die Freiwilligen
     Heraus ließ treten auf dem Altenberg,
     Die schwed'sche Batterie hinwegzunehmen.

Zweiter Kürassier.
     So ist's, mein Feldherr.

Wallenstein.
     Ich vergesse keinen,
     Mit dem ich einmal Worte hab gewechselt.
     Bringt eure Sache vor.

Gefreiter.  (kommandiert)
     Gewehr in Arm!

Wallenstein.  (zu einem dritten gewendet)
     Du nennst dich Risbeck, Köln ist dein Geburtsort.

Dritter Kürassier.
     Risbeck aus Köln.

Wallenstein.
     Den schwed'schen Oberst Dübald brachtest du
     Gefangen ein im Nürenberger Lager.

Dritter Kürassier.
     Ich nicht, mein General.

Wallenstein.
     Ganz recht!  Es war
     Dein ältrer Bruder, der es tat--du hattest
     Noch einen jüngern Bruder, wo blieb der?

Dritter Kürassier.
     Er steht zu Olmütz bei des Kaisers Heer.

Wallenstein.  (zum Gefreiten)
     Nun so laß hören.

Gefreiter.
     Ein kaiserlicher Brief kam uns zu Handen,
     Der uns--

Wallenstein.  (unterbricht ihn)
     Wer wählte Euch?

Gefreiter.
     Jedwede Fahn'
     Zog ihren Mann durchs Los.

Wallenstein.
     Nun denn zur Sache!

Gefreiter.
     Ein kaiserlicher Brief kam uns zu Handen,
     Der uns befiehlt, die Pflicht dir aufzukündigen,
     Weil du ein Feind und Landsverräter seist.
     Wallenstein.
     Was habt ihr drauf beschlossen?

Gefreiter.
     Unsre Kameraden
     Zu Braunau, Budweis, Prag und Olmütz haben
     Bereits gehorcht, und ihrem Beispiel folgten
     Die Regimenter Tiefenbach, Toscana.
     --Wir aber glauben's nicht, daß du ein Feind
     Und Landsverräter bist, wir halten's bloß
     Für Lug und Trug und spanische Erfindung.
(Treuherzig.)
     Du selber sollst uns sagen, was du vorhast,
     Denn du bist immer wahr mit uns gewesen,
     Das höchste Zutraun haben wir zu dir,
     Kein fremder Mund soll zwischen uns sich schieben,
     Den guten Feldherrn und die guten Truppen.

Wallenstein.
     Daran erkenn ich meine Pappenheimer.

Gefreiter.
     Und dies entbietet dir dein Regiment:
     Ist's deine Absicht bloß, dies Kriegeszepter,
     Das dir gebührt, das dir der Kaiser hat
     Vertraut, in deinen Händen zu bewahren,
     Östreichs rechtschaffner Feldhauptmann zu sein,
     So wollen wir dir beistehn und dich schützen
     Bei deinem guten Rechte gegen jeden--
     Und wenn die andern Regimenter alle
     Sich von dir wenden, wollen wir allein
     Dir treu sein, unser Leben für dich lassen.
     Denn das ist unsre Reiterpflicht, daß wir
     Umkommen lieber, als dich sinken lassen.
     Wenn's aber so ist, wie des Kaisers Brief
     Besagt, wenn's wahr ist, daß du uns zum Feind
     Treuloserweise willst hinüberführen,
     Was Gott verhüte!  ja, so wollen wir
     Dich auch verlassen und dem Brief gehorchen.

Wallenstein.
     Hört, Kinder--

Gefreiter.
     Braucht nicht viel Wort.  Sprich
     Ja oder nein, so sind wir schon zufrieden.

Wallenstein.
     Hört an.  Ich weiß, daß ihr verständig seid,
     Selbst prüft und denkt und nicht der Herde folgt.
     Drum hab ich euch, ihr wißt's, auch ehrenvoll
     Stets unterschieden in der Heereswoge;
     Denn nur die Fahnen zählt der schnelle Blick
     Des Feldherrn, er bemerkt kein einzeln Haupt,
     Streng herrscht und blind der eiserne Befehl,
     Es kann der Mensch dem Menschen hier nichts gelten--
     So, wißt ihr, hab ich's nicht mit euch gehalten;
     Wie ihr euch selbst zu fassen angefangen
     Im rohen Handwerk, wie von euren Stirnen
     Der menschliche Gedanke mir geleuchtet,
     Hab ich als freie Männer euch behandelt,
     Der eignen Stimme Recht euch zugestanden--

Gefreiter.
     Ja, würdig hast du stets mit uns verfahren,
     Mein Feldherr, uns geehrt durch dein Vertraun,
     Uns Gunst erzeigt vor allen Regimentern.
     Wir folgen auch dem großen Haufen nicht,
     Du siehst's!  Wir wollen treulich bei dir halten.
     Sprich nur ein Wort, dein Wort soll uns genügen,
     Daß es Verrat nicht sei, worauf du sinnst,
     Daß du das Herr zum Feind nicht wollest führen.

Wallenstein.
     Mich, mich verrät man!  Aufgeopfert hat mich
     Der Kaiser meinen Feinden, fallen muß ich,
     Wenn meine braven Truppen mich nicht retten.
     Euch will ich mich vertrauen--Euer Herz
     Sei meine Festung!  Seht, auf diese Brust
     Zielt man!  Nach diesem greisen Haupte!--Das
     Ist span'sche Dankbarkeit, das haben wir
     Für jene Mordschlacht auf der alten Feste,
     Auf Lützens Ebnen!  Darum warfen wir
     Die nackte Brust der Partisan' entgegen,
     Drum machten wir die eisbedeckten Erde,
     Den harten Stein zu unserm Pfühl; kein Strom
     War uns zu schnell, kein Wald zu undurchdringlich,
     Wir folgten jenem Mansfeld unverdrossen
     Durch alle Schlangenkrümmen seiner Flucht,
     Ein ruheloser Marsch war unser Leben,
     Und wie des Windes Sausen, heimatlos,
     Durchstürmten wir die kriegbewegte Erde.
     Und jetzt, da wir die schwere Waffenarbeit,
     Die undankbare, fluchbeladene, getan,
     Mit unermüdet treuem Arm des Krieges Last
     Gewälzt, soll dieser kaiserliche Jüngling
     Den Frieden leicht wegtragen, soll den Ölzweig,
     Die wohlverdiente Zierde unsers Haupts,
     Sich in die blonden Knabenhaare flechten--

Gefreiter.
     Das soll er nicht, solang wir's hindern können.
     Niemand als du, der ihn mit Ruhm geführt,
     Soll diesen Krieg, den fürchterlichen, enden.
     Du führtest uns heraus ins blut'ge Feld
     Des Todes, du, kein andrer, sollst uns fröhlich
     Heimführen in des Friedens schöne Fluren,
     Der langen Arbeit Früchte mit uns teilen--

Wallenstein.
     Wie?  denkt ihr euch im späten Alter endlich
     Der Früchte zu erfreuen?  Glaubt das nicht.
     Ihr werdet dieses Kampfes Ende nimmer
     Erblicken!  Dieser Krieg verschlingt uns alle.
     Östreich will keinen Frieden; darum eben,
     Weil ich den Frieden suche, muß ich fallen.
     Was kümmert's Östreich, ob der lange Krieg
     Die Heere aufreibt und die Welt verwüstet,
     Es will nur wachsen stets und Land gewinnen.
     Ihr seid gerührt--ich seh den edeln Zorn
     Aus euren kriegerischen Augen blitzen.
     O daß mein Geist euch jetzt beseelen möchte,
     Kühn, wie er einst in Schlachten euch geführt!
     Ihr wollt mir beistehn, wollt mich mit den Waffen
     Bei meinem Rechte schützen--das ist edelmütig!
     Doch denket nicht, daß ihr's vollenden werdet,
     Das kleine Heer!  Vergebens werdet ihr
     Für euren Feldherrn euch geopfert haben.
(Zutraulich.)
     Nein!  Laßt uns sicher gehen, Freunde suchen,
     Der Schwede sagt uns Hilfe zu, laßt uns
     Zum Schein sie nutzen, bis wir, beiden furchtbar,
     Europens Schicksal in den Händen tragen
     Und der erfreuten Welt aus unserm Lager
     Den Frieden schön bekränzt entgegenführen.

Gefreiter.
     So treibst du's mit dem Schweden nur zum Schein?
     Du willst den Kaiser nicht verraten, willst uns
     Nicht schwedisch machen?--sieh, das ist's allein,
     Was wir von dir verlangen zu erfahren.

Wallenstein.
     Was geht der Schwed' mich an?  Ich haß ihn, wir
     Den Pfuhl der Hölle, und mit Gott gedenk ich ihn
     Bald über seine Ostsee heimzujagen.
     Mir ist's allein ums Ganze.  Seht!  Ich hab
     Ein Herz, der Jammer dieses deutschen Volks erbarmt mich.
     Ihr seid gemeine Männer nur, doch denkt
     Ihr nicht gemein, ihr scheint mir's wert vor andern,
     Daß ich ein traulich Wörtlein zu euch rede--
     Seht!  Fünfzehn Jahr schon brennt die Kriegesfackel,
     Und noch ist nirgends Stillstand.  Schwed' und Deutscher!
     Papist und Lutheraner!  Keiner will
     Dem andern weichen!  Jede Hand ist wider
     Die andre!  Alles ist Partei und nirgends
     Kein Richter!  Sagt, wo soll das enden?  wer
     Den Knäul entwirren, der, sich endlos selbst
     Vermehrend, wächst--Er muß zerhauen werden.
     Ich fühl's, daß ich der Mann des Schicksals bin,
     Und hoff's mit eurer Hilfe zu vollführen.



Sechzehnter Auftritt

Buttler.  Vorige.


Buttler.  (in Eifer)
     Das ist nicht wohlgetan, mein Feldherr.

Wallenstein.
     Was?

Buttler.
     Das muß uns schaden bei den Gutgesinnten.

Wallenstein.
     Was denn?

Buttler.
     Es heißt den Aufruhr öffentlich erklären!

Wallenstein.
     Was ist es denn?

Buttler.
     Graf Terzkys Regimenter reißen
     Den kaiserlichen Adler von den Fahnen
     Und pflanzen deine Zeichen auf.

Gefreiter.  (zu den Kürassieren).
     Rechts um!

Wallenstein.
     Verflucht sei dieser Rat, und wer ihn gab!
(Zu den Kürassieren, welche abmarschieren.)
     Halt, Kinder, halt--Es ist ein Irrtum--Hört--
     Und streng will ich's bestrafen--Hört doch!  Bleibt.
     Sie hören nicht.
(Zu Illo.)
     Geh nach, bedeute sie,
     Bring sie zurück, es koste was es wolle.
(Illo eilt hinaus.)
     Das stürzt uns ins Verderben--Buttler!  Buttler!
     Ihr seid mein böser Dämon, warum mußtet Ihr's
     In ihrem Beisein melden!--Alles war
     Auf gutem Weg--Sie waren halb gewonnen--
     Die Rasenden, mit ihrer unbedachten
     Dienstfertigkeit!--O grausam spielt das Glück
     Mit mir!  Der Freunde Eifer ist's, der mich
     Zugrunde richtet, nicht er Haß der Feinde.



Siebzehnter Auftritt

Vorige.  Die Herzogin stürzt ins Zimmer.  Ihr folgt Thekla und
die Gräfin.  Dann Illo.


Herzogin.
     O Albrecht!  Was hast du getan!

Wallenstein.
     Nun das noch!

Gräfin.
     Verzeih mir, Bruder.  Ich vermocht' es nicht,
     Sie wissen alles.

Herzogin.
     Was hast du getan!

Gräfin.  (zu Terzky)
     Ist keine Hoffnung mehr?  Ist alles denn
     Verloren?

Terzky.
     Alles.  Prag ist in des Kaisers Hand,
     Die Regimenter haben neu gehuldigt.

Gräfin.
     Heimtückischer Octavio!--Und auch
     Graf Max ist fort?

Terzky.
     Wo sollt er sein?  Er ist
     Mit seinem Vater über zu dem Kaiser.
(Thekla stürzt in die Arme ihrer Mutter, das Gesicht an ihrem
Busen verbergend.)

Herzogin.  (sie in die Arme schließend).
     Unglücklich Kind!  Unglücklichere Mutter!

Wallenstein.  (beiseite gehend mit Terzky).
     Laß einen Reisewagen schnell bereit sein
     Im Hinterhofe, diese wegzubringen.
(Auf die Frauen zeigend.)
     Der Scherfenberg kann mit, der ist uns treu,
     Nach Eger bringt er sie, wir folgen nach.
(Zu Illo, der wiederkommt.)
     Du bringst sie nicht zurück?

Illo.
     Hörst du den Auflauf?
     Das ganze Korps der Pappenheimer ist
     Im Anzug.  Sie verlangen ihren Oberst,
     Den Max zurück, er sei hier auf dem Schloß,
     Behaupten sie, du haltest ihn mit Zwang,
     Und wenn du ihn nicht losgebst, werde man
     Ihn mit dem Schwerte zu befreien wissen.
(Alle stehen erstaunt.)

Wallenstein.
     Sagt' ich's nicht?
     O mein wahrsagend Herz!  Er ist noch hier.
     Er hat mich nicht verraten, hat es nicht
     Vermocht--Ich habe nie daran gezweifelt.

Gräfin.
     Ist er noch hier, o dann ist alles gut,
     Dann weiß ich, was ihn ewig halten soll!
(Thekla umarmend.)

Terzky.
     Es kann nicht sein.  Bedenke doch!  Der Alte
     Hat uns verraten, ist zum Kaiser über,
     Wie kann er's wagen, hierzusein?

Illo.  (zum Wallenstein)
     Den Jagdzug,
     Den du ihm kürzlich schenktest, sah ich noch
     Vor wenig Stunden übern Markt wegführen.

Gräfin.
     O Nichte, dann ist er nicht weit!

Thekla.  (hat den Blick nach der Türe geheftet und ruft lebhaft)
     Da ist er!



Achtzehnter Auftritt

Die Vorigen.  Max Piccolomini.


Max.  (mitten in den Saal tretend).
     Ja!  Ja!  da ist er!  Ich vermag's nicht länger,
     Mit leisem Tritt um dieses Haus zu schleichen,
     Den günst'gen Augenblick verstohlen zu
     Erlauern--Dieses Harren, diese Angst
     Geht über meine Kräfte!
(Auf Thekla zugehend, welche sich ihrer Mutter in die Arme
geworfen.)
     O sieh mich an!  Sieh nicht weg, holder Engel.
     Bekenn es frei vor allen.  Fürchte niemand.
     Es höre, wer es will, daß wir uns lieben.
     Wozu es noch verbergen?  Das Geheimnis
     Ist für die Glücklichen; das Unglück braucht,
     Das hoffnungslose, keinen Schleier mehr,
     Frei unter tausend Sonnen kann es handeln.
(Er bemerkt die Gräfin, welche mit frohlockendem Gesicht auf
Thekla blickt.)
     Nein, Base Terzky!  Seht mich nicht erwartend,
     Sicht hoffend an!  Ich komme nicht zu bleiben.
     Abschied zu nehmen, komm ich--Es ist aus.
     Ich muß, muß dich verlassen, Thekla--muß!
     Doch deinen Haß kann ich nicht mit mir nehmen.
     Nur einen Blick des Mitleids gönne mir,
     Sag, daß du mich nicht hassest.  Sag mir's, Thekla.
(Indem er ihre Hand faßt, heftig bewegt.)
     O Gott!--Gott!  Ich kann nicht von dieser Stelle.
     Ich kann es nicht--kann diese Hand nicht lassen.
     Sag, Thekla, daß du Mitleid mit mir hast,
     Dich selber überzeugst, ich kann nicht anders.
(Thekla, seinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater;
er wendet sich nach dem Herzog um, den er jetzt erst gewahr wird.)
     Du hier?--Nicht du bist's, den ich hier gesucht.
     Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen.
     Ich hab es nur mit ihr allein.  Hier will ich,
     Von diesem Herzen freigesprochen sein,
     An allem andern ist nichts mehr gelegen.

Wallenstein.
     Denkst du, ich soll der Tor sein und dich ziehen lassen
     Und eine Großmutsszene mit dir spielen?
     Dein Vater ist zum Schelm an mir geworden,
     Du bist mir nichts mehr als sein Sohn, sollst nicht
     Umsonst in meine Macht gegeben sein.
     Denk nicht, daß ich die alte Freundschaft ehren werde,
     Die er so ruchlos hat verletzt.  Die Zeiten
     Der Liebe sind vorbei, der zarten Schonung,
     Und Haß und Rache kommen an die Reihe.
     Ich kann auch Unmensch sein, wie er.

Max.
     Du wirst mit mir verfahren, wie du Macht hast.
     Wohl aber weißt du, daß ich deinem Zorn
     Nicht trotze, noch ihn fürchte.  Was mich hier
     Zurückhält, weißt du!
(Thekla bei der Hand fassend.)
     Sieh!  Alles--alles wollt' ich dir verdanken,
     Das Los der Seligen wollt' ich empfangen
     Aus deiner väterlichen Hand.  Du hast's
     Zerstört, doch daran liegt dir nichts.  Gleichgültig
     Trittst du das Glück der Deinen in den Staub,
     Der Gott, dem du dienst, ist kein Gott der Gnade.
     Wie das gemütlos blinde Element,
     Das furchtbare, mit dem kein Bund zu schließen,
     Folgst du des Herzens wildem Trieb allein.
     Weh denen, die auf dich vertraun, an dich
     Die sichre Hütte ihres Glückes lehnen,
     Gelockt von deiner gastlichen Gestalt!
     Schnell, unverhofft, bei nächtlich stiller Weile
     Gärt's in dem tück'schen Feuerschlunde, ladet
     Sich aus mit tobender Gewalt, und weg
     Treibt über alle Pflanzungen der Menschen
     Der wilde Strom in grausender Zerstörung.

Wallenstein.
     Du schilderst deines Vaters Herz.  Wie du's
     Beschreibst, so ist's in seinem Eingeweide,
     In dieser schwarzen Heuchlers Brust gestaltet.
     O mich hat Höllenkunst getäuscht.  Mir sandte
     Der Abgrund den verstecktesten der Geister,
     Den Lügenkundigsten herauf und stellt ihn
     Als Freund an meine Seite.  Wer vermag
     Der Hölle Macht zu widerstehn!  Ich zog
     Des Basilisken auf an meinem Busen,
     Mit meinem Herzblut nährt' ich ihn, er sog
     Sich schwelgend voll an meiner Liebe Brüsten,
     Ich hatte nimmer Arges gegen ihn,
     Weit offen ließ ich des Gedankens Tore
     Und warf die Schlüssel weiser Vorsicht weg--
     Am Sternenhimmel suchten meine Augen,
     Im weiten Weltenraum den Feind, den ich
     Im Herzen meines Herzens eingeschlossen.
     --Wär' ich dem Ferdinand gewesen, was
     Octavio mir war--Ich hätt' ihm nie
     Krieg angekündigt--nie hätt' ich's vermocht.
     Er war mein strenger Herr nur, nicht mein Freund,
     Nicht meiner Treu vertraute sich der Kaiser.
     Krieg war schon zwischen mir und ihm, als er
     Den Feldherrnstab in meine Hände legte;
     Denn Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn,
     Nur zwischen Glauben und Vertraun ist Friede.
     Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet
     Das werdende Geschlecht im Leib der Mutter.

Max.
     Ich will den Vater nicht verteidigen.
     Weh mir, daß ich's nicht kann!
     Unglücklich schwere Taten sind geschehn,
     Und eine Frevelhandlung faßt die andre
     In enggeschloßner Kette grausend an.
     Doch wie gerieten wir, die nichts verschuldet,
     In diesen Kreis des Unglücks und Verbrechens?
     Wem brachen wir die Treue?  Warum muß
     Der Väter Doppelschuld und Freveltat
     Uns gräßlich wie ein Schlangenpaar umwinden?
     Warum der Väter unversöhnter Haß
     Auch uns, die Liebenden, zerreißend scheiden?
(Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz.)

Wallenstein.  (hat den Blick schweigend auf ihn geheftet und
     nähert sich jetzt).
     Max!  Bleibe bei mir.--Geh nicht von mir, Max!
     Sieh, als man dich im pragschen Winterlager
     Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben,
     Des deutschen Winters ungewohnt, die Hand
     War dir erstarrt an der gewichtigen Fahne,
     Du wolltst männlich sie nicht lassen, damals nahm ich
     Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel,
     Ich selbst war deine Wärterin, nicht schämt' ich
     Der kleinen Dienste mich, ich pflegte deiner
     Mit weiblich sorgender Geschäftigkeit,
     Bis du, von mir erwärmt, an meinem Herzen,
     Das junge Leben wieder freudig fühltest.
     Wann hab ich seitdem meinen Sinn verändert?
     Ich habe viele Tausend reich gemacht,
     Mit Ländereien sie beschenkt, belohnt
     Mit Ehrenstellen--dich hab ich geliebt,
     Mein Herz, mich selber hab ich dir gegeben.
     Sie alle waren Fremdlinge, du warst
     Das Kind des Hauses--Max!  du kannst mich nicht
     verlassen!
     Es kann nicht sein, ich mag's und will's nicht glauben,
     Daß mich der Max verlassen kann.

Max.
     O Gott!

Wallenstein.
     Ich habe dich gehalten und getragen
     Von Kindesbeinen an--Was tat dein Vater
     Für dich, das ich nicht reichlich auch getan?
     Ein Liebesnetz hab ich um dich gesponnen,
     Zerreiß es, wenn du kannst--Du bist an mich
     Geknüpft mit jedem zarten Seelenbande,
     Mit jeder heil'gen Fessel der Natur,
     Die Menschen aneinanderketten kannn.
     Geh hin, verlaß mich, diene deinem Kaiser,
     Laß dich mit einem goldnen Gnadenkettlein,
     Mit seinem Widderfell dafür belohnen,
     Daß dir der Freund, der Vater deiner Jugend,
     Daß dir das heiligste Gefühl nichts galt.

Max.  (in heftigem Kampf)
     O Gott!  Wie kann ich anders?  Muß ich nicht?
     Mein Eid--die Pflicht--

Wallenstein.
     Pflicht, gegen wen?  Wer bist du?
     Wenn ich am Kaiser unrecht handle, ist's
     Mein Unrecht, nicht das deinige.  Gehörst
     Du dir?  Bist du dein eigener Gebieter,
     Stehst frei da in der Welt, wie ich, daß du
     Der Täter deiner Taten könntest sein?
     Auf mich bist du gepflanzt, ich bin dein Kaiser,
     Mir angehören, mir gehorchen, das
     Ist deine Ehre, dein Naturgesetz.
     Und wenn der Stern, auf dem du lebst und wohnst,
     Aus seinem Gleise tritt, sich brennend wirft
     Auf ein nächste Welt und sie entzündet,
     Dukannst nicht wählen, ob du folgen willst,
     Fort reißt er dich in seines Schwunges Kraft
     Samt seinem Ring und allen seinen Monden.
     Mit leichter Schuld gehst du in diesen Streit,
     Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wird's loben,
     Daß dir der Freund das meiste hat gegolten.



Neunzehnter Auftritt

Vorige.  Neumann.


Wallenstein.
     Was gibt's?

Neumann.
     Die Pappenheimischen sind abgesessen
     Und rücken an zu Fuß; sie sind entschlossen,
     Den Degen in der Hand das Haus zu stürmen,
     Den Grafen wollen sie befrein.

Wallenstein.  (zu Terzky)
     Man soll
     Die Ketten vorziehn, das Geschütz aufpflanzen.
     Mit Kettenkugeln will ich sie empfangen.
(Terzky geht.)
     Mir vorzuschreiben mit dem Schwert!  Geh, Neumann,
     Sie sollen sich zurückziehn, augenblicks,
     Ist mein Befehl, und in der Ordnung schweigend warten,
     Was mir gefallen wird zu tun.
(Neumann geht ab.  Illo ist ans Fenster getreten.)

Gräfin.
     Entlaß ihn.
     Ich bitte dich, entlaß ihn!

Illo.  (am Fenster)
     Tod und Teufel!

Wallenstein.
     Was ist's?

Illo.
     Aufs Rathaus steigen sie, das Dach
     Wird abgedeckt, sie richten die Kanonen
     Aufs Haus--

Max.
     Die Rasenden!

Illo.
     Sie machen Anstalt,
     Uns zu beschießen--
     Herzogin und Gräfin.
     Gott im Himmel!

Max.  (zu Wallenstein).
     Laß mich
     Hinunter, sie bedeuten--

Wallenstein.
     Keinen Schritt!

Max.  (auf Thekla und die Herzogin zeigend)
     Ihr Leben aber!  Deins!

Wallenstein.
     Was bringst du, Terzky?



Zwanzigster Auftritt

Vorige.  Terzky kommt zurück.


Terzky.
     Botschaft von unsern treuen Regimentern.
     Ihr Mut sei länger nicht zu bändigen,
     Sie flehen um Erlaubnis, anzugreifen,
     Vom Prager- und vom Mühl-Tor sind sie Herr,
     Und wenn du nur die Losung wolltest geben,
     So könnten sie den Feind im Rücken fassen,
     Ihn in die Stadt einkeilen, in der Enge
     Der Straßen leicht ihn überwältigen.

Illo.
     O komm!  Laß ihren Eifer nicht erkalten.
     Die Buttlerischen halten treu zu uns,
     Wir sind die größre Zahl und werfen sie
     Und enden hier in Pilsen die Empörung.

Wallenstein.
     Soll diese Stadt zum Schlachtgefilde werden
     Und brüderliche Zwietracht, feueraugig,
     Durch ihre Straßen losgelassen toben?
     Dem tauben Grimm, der keinen Führer hört,
     Soll die Entscheidung übergeben sein?
     Hier ist nicht Raum zum Schlagen, nur zum Würgen;
     Die losgebundnen Furien der Wut
     Ruft keines Herrschers Stimme mehr zurück.
     Wohl, es mag sein!  Ich hab es lang bedacht,
     So mag sich's rasch und blutig denn entladen.
(Zu Max gewendet.)
     Wie ist's?  Willst du den Gang mit mir versuchen?
     Freiheit zu gehen hast du.  Stelle dich
     Mir gegenüber.  Führe sie zum Kampf.
     Den Krieg verstehst du, hast bei mir etwas
     Gelernt, ich darf des Gegners mich nicht schämen,
     Und keinen schönern Tag erlebst du, mir
     Die Schule zu bezahlen.

Gräfin.
     Ist es dahin
     Gekommen?  Vetter!  Vetter!  könnt Ihr's tragen?

Max.
     Die Regimenter, die mir anvertraut sind,
     Dem Kaiser treu hinwegzuführen, hab ich
     Gelobt; dies will ich halten oder sterben.
     Mehr fordert keine Pflicht von mir.  Ich fechte
     Nicht gegen dich, wenn ich's vermeiden kann,
     Denn auch dein feindlich Haupt ist mir noch heilig.
(Es geschehn zwei Schüsse.  Illo und Terzky eilen ans Fenster.)

Wallenstein.
     Was ist das?

Terzky.
     Er stürzt.
     Wallenstein.
     Stürzt!  Wer?

Illo.
     Die Tiefenbacher taten
     Den Schuß.

Wallenstein.
     Auf wen?

Illo.
     Auf diesen Neumann, den
     Du schicktest--

Wallenstein.  (auffahrend).
     Tod und Teufel!  So will ich--
(Will gehen.)

Terzky.
     Dich ihrer blinden Wut entgegenstellen?
     Herzogin und Gräfin.
     Um Gotteswillen nicht!

Illo.
     Jetzt nicht, mein Feldherr.

Gräfin.
     O halt ihn!  halt ihn!

Wallenstein.
     Laßt mich!

Max.
     Tu es nicht,
     Jetzt nicht.  Die blutig rasche Tat hat sie
     In Wut gesetzt, erwarte ihre Reue--

Wallenstein.
     Hinweg!  Zu lange schon hab ich gezaudert.
     Das konnten sie sich freventlich erkühnen,
     Weil sie mein Angesicht nicht sahn--sie sollen
     Mein Antlitz sehen, meine Stimme hören--
     Sind es nicht meine Truppen?  Bin ich nicht
     Ihr Feldherr und gefürchteter Gebieter?
     Laß sehn, ob sie das Antlitz nicht mehr kennen,
     Das ihre Sonne war in dunkler Schlacht.
     Es braucht der Waffen nicht.  Ich zeige mich
     Vom Altan dem Rebellenherr, und schnell
     Bezähmt, gebt acht, kehrt der empörte Sinn
     Ins alte Bette des Gehorsams wieder.
(Er geht.  Ihm folgen Illo, Terzky und Buttler.)



Einundzwanzigster Auftritt

Gräfin.  Herzogin.  Max und Thekla.


Gräfin.  (zur Herzogin)
     Wenn sie ihn sehn--Es ist noch Hoffnung, Schwester.

Herzogin.
     Hoffnung!  Ich habe keine.

Max.  (der während des letzten Auftritts in einem sichtbaren Kampf
     von ferne gestanden, tritt näher).
     Das ertrag ich nicht.
     Ich kam hierher mit fest entschiedner Seele,
     Ich glaubte, recht und tadellos zu tun,
     Und muß hier stehen, wie ein Hassenswerter,
     Ein roh Unmenschlicher, vom Fluch belastet,
     Vom Abscheu aller, die mir teuer sind,
     Unwürdig schwer bedrängt die Lieben sehn,
     Die ich mit einem Wort beglücken kann--
     Das Herz in mir empört sich, es erheben
     Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust,
     In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen.
     O wohl, wohl hast du wahr geredet, Vater,
     Zu viel vertraut' ich auf das eigne Herz,
     Ich stehe wankend, weiß nicht, was ich soll.

Gräfin.
     Sie wissen's nicht?  Ihr Herz sagt's Ihnen nicht?
     So will ich's Ihnen sagen!
     Ihr Vater hat den schreienden Verrat
     An uns begangen, an des Fürsten Haupt
     Gefrevelt, uns in Schmach gestürzt, daraus
     Ergibt sich klar, was Sie, sein Sohn, tun sollen:
     Gutmachen, was der Schändliche verbrochen,
     Ein Beispiel aufzustellen frommer Treu,
     Daß nicht der Name Piccolomini
     Ein Schandlied sei, ein ew'ger Fluch im Haus
     Der Wallensteiner.

Max.
     Wo ist eine Stimme
     Der Wahrheit, der ich folgen darf?  Uns alle
     Bewegt der Wunsch, die Leidenschaft.  Daß jetzt
     Ein Engel mir vom Himmel niederstiege,
     Das Rechte mir, das unverfälschte, schöpfte
     Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand!
(Indem seine Augen auf Thekla fallen.)
     Wie?  Such ich diesen Engel noch?  Erwart ich
     Noch einen andern?
(Er nähert sich ihr, den Arm um sie schlagend.)
     Hier, auf dieses Herz,
     Das unfehlbare, heilig reine will
     Ich's legen, deine Liebe will ich fragen,
     Die nur den Glücklichen beglücken kann,
     Vom unglückselig Schuldigen sich wendet.
     Kannst du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe?
     Erkläre, daß du's kannst, und ich bin euer.

Gräfin.  (mit Bedeutung)
     Bedenkt--

Max.  (unterbricht sie)
     Bedenke nichts.  Sag, wie du's fühlst.

Gräfin.
     An Euren Vater denkt--

Max.  (unterbricht sie)
     Nicht Friedlands Tochter,
     Ich frage dich, dich, die Geliebte frag ich!
     Es gilt nicht, eine Krone zu gewinnen,
     Das möchtst du mit klugem Geist bedenken.
     Die Ruhe deines Freundes gilt's, das Glück
     Von einem Tausend tapfrer Heldenherzen,
     Die seine Tat zum Muster nehmen werden.
     Soll ich dem Kaiser Eid und Pflicht abschwören?
     Soll ich ins Lager des Octavio
     Die vatermörderische Kugel senden?
     Denn wenn die Kugel los ist aus dem Lauf,
     Ist sie kein totes Werkzeug mehr, sie lebt,
     Ein Geist fährt in sie, die Erinnyen
     Ergreifen sie, des Frevels Rächerinnen,
     Und führen tückisch sie den ärgsten Weg.

Thekla.
     O Max--

Max.  (unterbricht sie)
     Nein, übereile dich auch nicht.
     Ich kenne dich.  Dem edeln Herzen könnte
     Die schwerste Pflicht die nächste scheinen.  Nicht
     Das Große, nur das Menschliche geschehe.
     Denk, was der Fürst von je an mir getan;
     Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten,
     O auch die schönen, freien Regungen
     Der Gastlichkeit, der frommen Freundestreue
     Sind eine heilige Religion dem Herzen,
     Schwer rächen sie die Schauder der Natur
     An dem Barbaren, der sie gräßlich schändet.
     Leg alles, alles in die Waage, sprich
     Und laß dein Herz entscheiden.

Thekla.
     O das deine
     Hat längst entschieden.  Folge deinem ersten
     Gefühl--

Gräfin.
     Unglückliche!

Thekla.
     Wie könnte das
     Das Rechte sein, was dieses zarte Herz
     Nicht gleich zuerst ergriffen und gefunden?
     Geh und erfülle deine Pflicht.  Ich würde
     Dich immer lieben.  Was du auch erwählt,
     Du würdest edel stets und deiner würdig
     Gehandelt haben--aber Reue soll
     Nicht deiner Seele schönen Frieden stören.

Max.
     So muß ich dich verlassen, von dir scheiden!

Thekla.
     Wie du dir selbst getreu bleibst, bist du's mir.
     Uns trennt das Schicksal, unsre Herzen bleiben einig.
     Ein blut'ger Haß entzweit auf ew'ge Tage
     Die Häuser Friedland, Piccolomini,
     Doch wir gehören nicht zu unserm Hause.
     --Fort!  Eile!  Eile, deine gute Sache
     Von unsrer unglückseligen zu trennen.
     Auf unserm Haupte liegt der Fluch des Himmels,
     Es ist dem Untergang geweiht.  Auch mich
     Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben
     Hinabziehn.  Traure nicht um mich, mein Schicksal
     Wird bald entschieden sein.
(Max faßt sie in die Arme, heftig bewegt.  Man hört hinter der
Szene ein lautes, wildes, langverhallendes Geschrei: "Vivat
Ferdinandus!" von kriegerischen Instrumenten begleitet.  Max
und Thekla halten einander unbeweglich in den Armen.)



Zweiundzwanzigster Auftritt

Vorige.  Terzky.


Gräfin.  (ihm entgegen)
     Was war das?  Was bedeutete das Rufen?

Terzky.
     Es ist vorbei, und alles ist verloren.

Gräfin.
     Wie, und sie gaben nichts auf seinen Anblick?

Terzky.
     Nichts.  Alles war umsonst.

Herzogin.
     Sie riefen Vivat.

Terzky.
     Dem Kaiser.

Gräfin.
     O die Pflichtvergessenen!

Terzky.
     Man ließ ihn nicht einmal zum Worte kommen.
     Als er zu reden anfing, fielen sie
     Mit kriegerischem Spiel betäubend ein.
     --Hier kommt er.



Dreiundzwanzigster Auftritt

Vorige.  Wallenstein, begleitet von Illo und Buttler.
Darauf Kürassiere.


Wallenstein.  (im Kommen).
     Terzky!

Terzky.
     Mein Fürst?

Wallenstein.
     Laß unsre Regimenter
     Sich fertig halten, heut noch aufzubrechen,
     Denn wir verlassen Pilsen noch vor Abend.
(Terzky geht ab.)
     Buttler--

Buttler.
     Mein General?--

Wallenstein.
     Der Kommendant zu Eger
     Ist Euer Freund und Landsmann.  Schreibt ihm gleich
     Durch einen Eilenden, er soll bereit sein,
     Uns morgen in die Festung einzunehmen--
     Ihr folgt uns selbst mit Euerm Regiment.

Buttler.
     Es soll geschehn, mein Feldherr.

Wallenstein.  (tritt zwischen Max und Thekla, welche sich
während dieser Zeit fest umschlungen gehalten)
     Scheidet!

Max.
     Gott!
(Kürassiere mit gezogenem Gewehr treten in den Saal und sammeln sich
im Hintergrunde.  Zugleich hört man unten einige mutige Passagen aus
dem Pappenheimer Marsch, welche dem Max zu rufen scheinen.)

Wallenstein.  (zu den Kürassieren).
     Hier ist er.  Er ist frei.  Ich halt ihn nicht mehr.
(Er steht abgewendet und so, daß Max ihm nicht beikommen, noch
sich dem Fräulein nähern kann.)

Max.
     Du hassest mich, treibst mich im Zorn von dir.
     Zerreißen soll das Band der alten Liebe,
     Nicht sanft sich lösen, und du willst den Riß,
     Den schmerzlichen, mir schmerzlicher noch machen!
     Du weißt, ich habe ohne dich zu leben
     Noch nicht gelernt--in eine Wüste geh ich
     Hinaus, und alles, was mir wert ist, alles
     Bleibt hier zurück--O wende deine Augen
     Nicht von mir weg!  Noch einmal zeige mir
     Dein ewig teures und verehrtes Antlitz.
     Verstoß mich nicht--
(Er will seine Hand fassen.  Wallenstein zieht sie zurück.  Er
wendet sich an die Gräfin.)

Ist hier kein andres Auge,
     Das Mitleid für mich hätte--Base Terzky--
(Sie wendet sich von ihm; er kehrt sich zur Herzogin.)
     Ehrwürd'ge Mutter--

Herzogin.
     Gehn Sie, Graf, wohin
     Die Pflicht Sie ruft--So können Sie uns einst
     Ein treuer Freund, ein guter Engel werden
     Am Thron des Kaisers.

Max.
     Hoffnung geben Sie mir,
     Sie wollen mich nicht ganz verzweifeln lassen.
     O täuschen Sie mich nicht mit leerem Blendwerk,
     Mein Unglück ist gewiß, und Dank dem Himmel!
     Der mir ein Mittel eingibt, es zu enden.
(Die Kriegsmusik beginnt wieder.  Der Saal füllt sich mehr und
mehr mit Bewaffneten an.  Er sieht Buttlern dastehn.)
     Ihr auch hier, Oberst Buttler--Und Ihr wollt mir
     Nicht folgen?--Wohl!  Bleibt Eurem neuen Herrn
     Getreuer als dem alten.  Kommt!  Versprecht mir,
     Die Hand gebt mir darauf, daß Ihr sein Leben
     Beschützen, unverletzlich wollt bewahren.
(Buttler verweigert seine Hand.)
     Des Kaisers Acht hängt über ihm und gibt
     Sein fürstlich Haupt jedwedem Mordknecht preis,
     Der sich den Lohn der Bluttat will verdienen;
     Jetzt tät' ihm eines Freundes fromme Sorge,
     Der Liebe treues Auge not--und die
     Ich scheidend um ihn seh--
(Zweideutige Blicke auf Illo und Buttler richtend.)

Illo.
     Sucht die Verräter
     In Eures Vaters, in des Gallas Lager.
     Hier ist nur einer noch.  Geht und befreit uns
     Von seinem hassenswürd'gen Anblick.  Geht.
(Max versucht es noch einmal, sich der Thekla zu nähern.
Wallenstein verhindert es.  Er steht unschlüssig, schmerzvoll;
indes füllt sich der Saal immer mehr und mehr, und die Hörner
ertönen unten immer auffordernder und in immer kürzeren Pausen.)

Max.
     Blast!  Blast!--O wären es die schwed'schen Hörner,
     Und ging's von hier gerad ins Feld des Todes,
     Und alle Schwerter, alle, die ich hier
     Entblößt muß sehn, durchdrängen meinen Busen!
     Was wollt ihr?  Kommt ihr, mich von hier
     Hinwegzureißen--o treibt mich nicht zu Verzweiflung!
     Tut's nicht!  Ihr könntet es bereun!
(Der Saal ist ganz mit Bewaffneten erfüllt.)
     Noch mehr--Es hängt Gewicht sich an Gewicht,
     Und ihre Masse zieht mich schwer hinab.--
     Bedenket, was ihr tut.  Es ist nicht wohlgetan,
     Zum Führer den Verzweifelnden zu wählen.
     Ihr reißt mich weg von meinem Glück, wohlan,
     Der Rachegöttin weih ich eure Seelen!
     Ihr habt gewählt zum eigenen Verderben,
     Wer mit mir geht, der sei bereit zu sterben!
(Indem er sich nach dem Hintergrund wendet, entsteht eine
rasche Bewegung unter den Kürassieren, sie umgeben und begleiten
ihn in wildem Tumult.  Wallenstein bleibt unbeweglich.  Thekla
sinkt in ihrer Mutter Arme.  Der Vorhang fällt.)




Vierter Aufzug

In des Bürgermeisters Hause zu Eger.



Erster Auftritt


Buttler.  (der eben anlangt)
     Er ist herein.  Ihn führte sein Verhängnis,
     Der Rechen ist gefallen hinter ihm,
     Und wie die Brücke, die ihn trug, beweglich
     Sich niederließ und schwebend wieder hob,
     Ist jeder Rettungsweg ihm abgeschnitten.
     Bis hieher, Friedland, und nicht weiter!  sagt
     Die Schicksalsgöttin.  Aus der böhmischen Erde
     Erhub sich dein bewunder Meteor,
     Weit durch den Himmel einen Glanzweg ziehend,
     Und hier an Böhmens Grenze muß es sinken!
     --Du hast die alten Fahnen abgeschworen,
     Verblendeter, und traust dem alten Glück!
     Den Krieg zu tragen in des Kaisers Länder,
     Den heil'gen Herd der Laren umzustürzen,
     Bewaffnest du die frevelhafte Hand.
     Nimm dich in acht!  dich treibt der böse Geist
     Der Rache--daß dich Rache nicht verderbe!



Zweiter Auftritt

Buttler und Gordon.


Gordon.
     Seid Ihr's?  O wie verlangt mich, Euch zu hören.
     Der Herzog ein Verräter!  O mein Gott!
     Und flüchtig!  Und sein fürstlich Haupt geächtet!
     Ich bitt Euch, General, sagt mir ausführlich,
     Wie alles dies zu Pilsen sich begeben?

Buttler.
     Ihr habt den Brief erhalten, den ich Euch
     Durch einen Eilenden vorausgesendet?

Gordon.
     Und habe treu getan, wie Ihr mich hießt,
     Die Festung unbedenklich ihm geöffnet,
     Denn mir befiehlt ein kaiserlicher Brief,
     Nach Eurer Ordre blindlings mich zu fügen.
     Jedoch verzeiht!  als ich den Fürsten selbst
     Nun sah, da fing ich wieder an, zu zweifeln.
     Denn wahrlich!  nicht als ein Geächteter
     Trat Herzog Friedland ein in diese Stadt.
     Von seiner Stirne leuchtete wie sonst
     Des Herrschers Majestät, Gehorsam fordernd,
     Und ruhig, wie in Tagen guter Ordnung,
     Nahm er des Amtes Rechenschaft mir ab.
     Leutselig macht das Mißgeschick, die Schuld,
     Und schmeichelnd zum geringern Manne pflegt
     Gefallner Stolz herunter sich zu beugen;
     Doch sparsam und mit Würde wog der Fürst
     Mir jedes Wort des Beifalls, wie der Herr
     Den Diener lobt, der sein Pflicht getan.

Buttler.
     Wie ich Euch schrieb, so ist's genau geschehn.
     Es hat der Fürst dem Feinde die Armee
     Verkauft, ihm Prag und Eger öffnen wollen.
     Verlassen haben ihn auf dies Gerücht
     Die Regimenter alle bis auf fünfe,
     Die Terzkyschen, die ihm hieher gefolgt.
     Die Acht ist ausgesprochen über ihn,
     Und ihn zu liefern, lebend oder tot,
     Ist jeder treue Diener aufgefordert.

Gordon.
     Verräter an dem Kaiser--solch ein Herr!
     So hochbegabt!  O was ist Menschengröße!
     Ich sagt' es oft: das kann nicht glücklich enden;
     Zum Fallstrick ward ihm seine Größ' und Macht
     Und diese dunkelschwankende Gewalt.
     Denn um sich greift der Mensch, nicht darf man ihn
     Der eignen Mäßigung vertraun.  Ihn hält
     In Schranken nur das deutliche Gesetz
     Und der Gebräuche tiefgetretne Spur.
     Doch unnatürlich war und neuer Art
     Die Kriegsgewalt in dieses Mannes Händen;
     Dem Kaiser selbst stellte sie ihn gleich,
     Der stolze Geist verlernte, sich zu beugen.
     O schad um solchen Mann!  denn keiner möchte
     Da feste stehen, mein ich, wo er fiel.

Buttler.
     Spart Eure Klagen, bis er Mitleid braucht,
     Denn jetzt noch ist der Mächtige zu fürchten.
     Die Schweden sind im Anmarsch gegen Eger,
     Und schnell, wenn wir's nicht rasch entschlossen hindern,
     Wird die Vereinigung geschehn.  Das darf nicht sein!
     Es darf der Fürst nicht freien Fußes mehr
     Aus diesem Platz, denn Ehr' und Leben hab ich
     Verpfändet, ihn gefangen hier zu nehmen,
     Und Euer Beistand ist's, auf den ich rechne.

Gordon.
     O hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn!
     Aus seiner Hand empfing ich diese Würde,
     Er selber hat dies Schloß mir anvertraut,
     Das ich in seinen Kerker soll verwandeln.
     Wir Subalternen haben keinen Willen;
     Der freie Mann, der mächtige allein
     Gehorcht dem schönen menschlichen Gefühl.
     Wir aber sind nur Schergen des Gesetzes,
     Des grausamen; Gehorsam heißt die Tugend,
     Um die der Niedre sich bewerben darf.

Buttler.
     Laßt Euch das enggebundene Vermögen
     Nicht leid tun.  Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum,
     Doch sicher ist der schmale Weg der Pflicht.

Gordon.
     So hat ihn alles denn verlassen, sagt Ihr?
     Er hat das Glück von Tausenden gegründet,
     Denn königlich war sein Gemüt, und stets
     Zum Geben war die volle Hand geöffnet--
(Mit einem Seitenblick auf Buttlern.)
     Vom Staube hat er manchen aufgelesen,
     Zu hoher Ehr' und Würden ihn erhöht
     Und hat sich keinen Freund damit, nicht einen
     Erkauft, der in der Not ihm Farbe hielt!

Buttler.
     Hier lebt ihm einer, den er kaum gehofft.

Gordon.
     Ich hab mich keiner Gunst von ihm erfreut.
     Fast zweifl' ich, ob er je in seiner Größe
     Sich eines Jugendfreunds erinnert hat--
     Denn fern von ihm hielt mich der Dienst, sein Auge
     Verlor mich in den Mauern dieser Burg,
     Wo ich, von seiner Gnade nicht erreicht,
     Das freie Herz im stillen mir bewahrte.
     Denn als er mich in dieses Schloß gesetzt,
     War's ihm noch Ernst um seine Pflicht; nicht sein
     Vertrauen täusch ich, wenn ich treu bewahre,
     Was meiner Treue übergeben ward.

Buttler.
     So sagt, wollt Ihr die Acht an ihm vollziehn,
     Mir Eure Hilfe leihn, ihn zu verhaften?

Gordon.  (nach einem nachdenklichen Stillschweigen kummervoll).
     Ist es an dem--verhält sich's, wie Ihr sprecht--
     Hat er den Kaiser, seinen Herrn, verraten,
     Das Heer verkauft, die Festungen des Landes
     Dem Reichsfeind öffnen wollen--Ja, dann ist
     Nicht Rettung mehr für ihn--Doch es ist hart,
     Daß unter allen eben mich das Los
     Zum Werkzeug seines Sturzes muß erwählen.
     Denn Pagen waren wir am Hof zu Burgau
     Zu gleicher Zeit, ich aber war der ältre.

Buttler.
     Ich weiß davon.

Gordon.
     Wohl dreißig Jahre sind's.  Da strebte schon
     Der kühne Mut im zwanzigjähr'gen Jüngling.
     Ernst über seine Jahre war sein Sinn,
     Auf große Dinge männlich nur gerichtet.
     Durch unsre Mitte ging er stillen Geists,
     Sich selber die Gesellschaft; nicht die Lust,
     Die kindische, der Knaben zog ihn an;
     Doch oft ergriff's ihn plötzlich wundersam,
     Und der geheimnisvollen Brust entfuhr,
     Sinnvoll und leuchtend, ein Gedankenstrahl,
     Daß wir uns staunend ansahn, nicht recht wissend,
     Ob Wahnsinn, ob ein Gott aus ihm gesprochen.

Buttler.
     Dort war's, wo er zwei Stock hoch niederstürzte,
     Als er im Fensterbogen eingeschlummert,
     Und unbeschädigt stand er wieder auf.
     Von diesem Tag an, sagt man, ließen sich
     Anwandlungen des Wahnsinns bei ihm spüren.

Gordon.
     Tiefsinn'ger wurd'er, das ist wahr, er wurde
     Katholisch.  Wunderbar hatt' ihn das Wunder
     Der Rettung umgekehrt.  Er hielt sich nun
     Für ein begünstigt und befreites Wesen,
     Und keck wie einer, der nicht straucheln kann,
     Lief er auf schwankem Seil des Lebens hin.
     Nachher führt' uns das Schicksal auseinander
     Weit, weit!  Er ging der Größe kühnen Weg,
     Mit schnellem Schritt, ich sah ihn schwindelnd gehn,
     Ward Graf und Fürst und Herzog und Diktator,
     Und jetzt ist alles ihm zu klein, er streckt
     Die Hände nach der Königskrone aus
     Und stürzt in unermeßliches Verderben!

Buttler.
     Brecht ab.  Er kommt.



Dritter Auftritt

Wallenstein im Gespräch mit dem Bürgermeister von Eger.  Die Vorigen.


Wallenstein.
     Ihr wart sonst eine freie Stadt?  Ich seh,
     Ihr führt den halben Adler in dem Wappen.
     Warum den halben nur?

Bürgermeister.
     Wir waren reichsfrei,
     Doch seit zweihundert Jahren ist die Stadt
     Der böhm'schen Kron' verpfändet.  Daher rührt's,
     Daß wir nur noch den halben Adler führen.
     Der untre Teil ist kanzelliert, bis etwa
     Das Reich uns wieder einlöst.

Wallenstein.
     Ihr verdientet
     Die Freiheit.  Haltet euch nur brav.  Gebt keinem
     Aufwieglervolk Gehör.  Wie hoch seid ihr
     Besteuert?

Bürgermeister.  (zuckt die Achseln)
     Daß wir's kaum erschwingen können.
     Die Garnison lebt auch auf unsre Kosten.

Wallenstein.
     Ihr sollt erleichtert werden.  Sagt mir an,
     Es sind noch Protestanten in der Stadt?
(Bürgermeister stutzt.)
     Ja, ja.  Ich weiß es.  Es verbergen sich noch viele
     In diesen Mauern--ja!  gesteht's nur frei--
     Ihr selbst--Nicht wahr?
(Fixiert ihn mit den Augen.  Bürgermeister erschrickt.)
     Seid ohne Furcht.  Ich hasse
     Die Jesuiten--Läg's an mir, sie wären längst
     Aus Reiches Grenzen--Meßbuch oder Bibel!
     Mir ist's all eins--Ich hab's der Welt bewiesen--
     In Glogau hab ich selber eine Kirch'
     Den Evangelischen erbauen lassen.
     --Hört, Bürgermeister--wie ist Euer Name?

Bürgermeister.
     Pachhälbel, mein erlauchter Fürst.

Wallenstein.
     Hört--aber sagt's nicht weiter, was ich Euch
     Jetzt im Vertraun eröffne.
(Ihm die Hand auf die Achsel legend, mit einer gewissen
Feierlichkeit.)

Die Erfüllung
     Der Zeiten ist gekommen, Bürgermeister.
     Die Hohen werden fallen, und die Niedrigen
     Erheben sich--Behaltet's aber bei Euch!
     Die spanische Doppelherrschaft neiget sich
     Zu ihrem Ende, eine neue Ordnung
     Der Dinge führt sich ein--Ihr saht doch jüngst
     Am Himmel die drei Monde?

Bürgermeister.
     Mit Entsetzen.

Wallenstein.
     Davon sich zwei in blut'ge Dolchgestalt
     Verzogen und und verwandelten.  Nur einer,
     Der mittlere blieb stehn in seiner Klarheit.

Bürgermeister.
     Wir zogen's auf den Türken.

Wallenstein.
     Türken!  Was?
     Zwei Reiche werden blutig untergehen
     Im Osten und im Westen, sag ich Euch,
     Und nur der lutherischen Glaub' wird bleiben.
(Er bemerkt die zwei andern.)
     Ein starkes Schießen war ja diesen Abend
     Zur linken Hand, als wir den Weg hieher
     Gemacht.  Vernahm man's auch hier in der Festung?

Gordon.
     Wohl hörten wir's, mein General.  Es brachte
     Der Wind den Schall gerad von Süden her.

Buttler.
     Von Neustadt oder Weiden schien's zu kommen.

Wallenstein.
     Das ist der Weg, auf dem die Schweden nahn.
     Wie stark ist die Besatzung?

Gordon.
     Hundertachtzig
     Dienstfähige Mann, der Rest sind Invaliden.

Wallenstein.
     Und wieviel stehn im Jochimstal?

Gordon.
     Zweihundert
     Arkebusierer hab ich hingeschickt,
     Den Posten zu verstärken gegen die Schweden.

Wallenstein.
     Ich lobe Eure Vorsicht.  An den Werken
     Wird auch gebaut.  Ich sah's bei der Hereinfahrt.

Gordon.
     Weil uns der Rheingraf jetzt so nah bedrängt,
     Ließ ich noch zwei Pasteien schnell errichten.

Wallenstein.
     Ihr seid genau in Eures Kaisers Dienst.
     Ich bin mit Euch zufrieden, Oberstleutnant.
(Zu Buttlern.)
     Der Posten in dem Jochimstal soll abziehn
     Samt allen, die dem Feind entgegenstehn.
(Zu Gordon.)
     In Euren treuen Händen, Kommendant,
     Laß ich mein Weib, mein Kind und meine Schwester.
     Denn hier ist meines Bleibens nicht; nur Briefe
     Erwart ich, mit dem frühesten die Festung
     Samt allen Regimentern zu verlassen.



Vierter Auftritt

Vorige.  Graf Terzky.


Terzky.
     Willkommne Botschaft!  Frohe Zeitungen!

Wallenstein.
     Was bringst du?

Terzky.
     Eine Schlacht ist vorgefallen
     Bei Neustadt, und die Schweden blieben Sieger.

Wallenstein.
     Was sagst du?  Woher kommt dir diese Nachricht?

Terzky.
     Ein Landmann bracht' es mit von Tirschenreit,
     Nach Sonnenuntergang hab's angefangen,
     Ein kaiserlicher Trupp von Tachau her
     Sie eingebrochen in das schwed'sche Lager,
     Zwei Stunden hab' das Schießen angehalten,
     Und tausend Kaiserliche sei'n geblieben,
     Ihr Oberst mit, mehr wußt' er nicht zu sagen.

Wallenstein.
     Wie käme kaiserliches Volk nach Neustadt?
     Der Altringer, er müßte Flügel haben,
     Stand gestern vierzehn Meilen noch von da;
     Das Gallas Völker sammeln sich zu Fraunberg
     Und sind noch nicht beisammen.  Hätte sich
     Der Suys etwa so weit vorgewagt?
     Es kann nicht sein.
(Illo erscheint.)

Terzky.
     Wir werden's alsbald hören,
     Denn hier kommt Illo fröhlich und voll Eile.



Fünfter Auftritt

Illo.  Die Vorigen.


Illo.  (zu Wallenstein)
     Ein Reitender ist da und will dich sprechen.
                
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