Johann Shiller

Wallensteins Tod
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Wallensteins Tod

Friedrich Schiller

Ein Trauerspiel in Fünf Aufzügen

Personen:

Wallenstein
Octavio Piccolomini
Max Piccolomini
Terzky
Illo
Isolani
Buttler
Rittmeister Neumann
Ein Adjutant
Oberst Wrangel von Schweden gesendet
Gordon Kommandant von Eger
Major Geraldin
Deveroux
Macdonald
Hauptleute in der Wallensteinischen Armee
Schwedischer Hauptmann
Eine Gesandtschaft von
Kürassieren
Bürgermeister von Eger
Seni
Herzogin von Friedland
Gräfin Terzky
Thekla
Fräulein Neubrunn Hofdame der Prinzessin
von Rosenberg Stallmeister der Prinzessin
Dragoner
Bediente.  Pagen.  Volk.

Die Szene ist in den drei ersten Aufzügen zu Pilsen, in den
zwei letzten zu Eger.




Erster Aufzug

Ein Zimmer, zu astrologischen Arbeiten eingerichtet und mit
Sphären, Karten, Quadranten und anderm astronomischen Geräte
versehen.  Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in
welcher die sieben Planetenbilder, jedes in einer Nische,
seltsam beleuchtet, zu sehen sind.  Seni beobachtet die Sterne,
Wallenstein steht vor einer großen schwarzen Tafel, auf welcher
der Planetenaspekt gezeichnet ist.



Erster Auftritt

Wallenstein.  Seni.


Wallenstein.
     Laß es jetzt gut sein, Seni.  Komm herab.
     Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.
     Es ist nicht gut mehr operieren.  Komm!
     Wir wissen g'nug.

Seni.
     Nur noch die Venus laß mich
     Betrachten, Hoheit.  Eben geht sie auf.
     Wie eine Sonne glänzt sie in dem Osten.

Wallenstein.
     Ja, sie ist jetzt in ihrer Erdennäh'
     Und wirkt herab mit allen ihren Stärken.
(Die Figur auf der Tafel betrachtend.)
     Glückseliger Aspekt!  So stellt sich endlich
     Die große Drei verhängnisvoll zusammen,
     Und beide Segenssterne, Jupiter
     Und Venus, nehmen den verderblichen,
     Den tück'schen Mars in ihre Mitte, zwingen
     Den alten Schadenstifter, mir zu dienen.
     Denn lange war er feindlich mir gesinnt
     Und schoß mit senkrecht- oder schräger Strahlung,
     Bald im Gevierten, bald im Doppelschein,
     Die roten Blitze meinen Sternen zu
     Und störte ihre segenvollen Kräfte.
     Jetzt haben sie den alten Feind besiegt
     Und bringen ihn am Himmel mir gefangen.

Seni.
     Und beide große Lumina von keinem
     Malefico beleidigt!  der Saturn
     Unschädlich, machtlos, in cadente domo.

Wallenstein.
     Saturnus' Reich ist aus, der die geheime
     Geburt der Dinge in dem Erdenschoß
     Und in den Tiefen des Gemüts beherrscht
     Und über allem, was das Licht scheut, waltet.
     Nicht Zeit ist's mehr, zu brüten und zu sinnen,
     Denn Jupiter, der glänzende, regiert
     Und zieht das dunkel zubereitete Werk
     Gewaltig in das Reich des Lichts--Jetzt muß
     Gehandelt werden, schleunig, eh' die Glücks-
     Gestalt mir wieder wegflieht überm Haupt,
     Denn stets in Wandlung ist der Himmelsbogen.
(Es geschehen Schläge an die Tür.)
     Man pocht.  Sieh, wer es ist.

Terzky.  (draußen).
     Laß öffnen!

Wallenstein.
     Es ist Terzky.
     Was gibt's so Dringendes?  Wir sind beschäftigt.

Terzky.  (draußen)
     Leg alles jetzt beiseit', ich bitte dich,
     Es leidet keinen Aufschub.

Wallenstein.
     Öffne, Seni.
(Indem jener dem Terzky aufmacht, zieht Wallenstein den Vorhang
vor die Bilder.)



Zweiter Auftritt

Wallenstein.  Graf Terzky.


Terzky.  (tritt ein).
     Vernahmst du's schon?  Er ist gefangen, ist
     Vom Gallas schon dem Kaiser ausgeliefert!

Wallenstein.  (zu Terzky)
     Wer ist gefangen?  Wer ist ausgeliefert?

Terzky.
     Wer unser ganz Geheimnis weiß, um jede
     Verhandlung mit den Schweden weiß und Sachsen,
     Durch dessen Hände alles ist gegangen--

Wallenstein.  (zurückfahrend)
     Sesin doch nicht?  Sag nein, ich bitte dich.

Terzky.
     Grad auf dem Weg nach Regenspurg zum Schweden
     Ergriffen ihn des Gallas Abgeschickte,
     Der ihm schon lang die Fährte abgelauert.
     Mein ganz Paket an Kinsky, Matthes Thurn,
     An Oxenstirn, an Arnheim führt er bei sich.
     Das alles ist in ihrer Hand, sie haben
     Die Einsicht nun in alles, was geschehn.



Dritter Auftritt

Vorige.  Illo kommt.


Illo.  (zu Terzky)
     Weiß er's?

Terzky.
     Er weiß es.

Illo.  (zu Wallenstein)
     Denkst du deinen Frieden
     Nun noch zu machen mit dem Kaiser, sein
     Vertraun zurückzurufen?  wär' es auch:
     Du wolltest allen Planen jetzt entsagen,
     Man weiß, was du gewollt hast.  Vorwärts mußt du,
     Denn rückwärts kannst du nun nicht mehr.

Terzky.
     Sie haben Dokumente gegen uns
     In Händen, die unwidersprechlich zeugen--

Wallenstein.
     Von meiner Handschrift nichts.  Dich straf ich Lügen.

Illo.
     So?  Glaubst du wohl, was dieser da, dein Schwager,
     In deinem Namen unterhandelt hat,
     Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen?
     Dem Schweden soll sein Wort für deines gelten,
     Und deinen Wiener Feinden nicht!

Terzky.
     Du gabst nichts Schriftliches--Besinn dich aber,
     Wie weit du mündlich gingst mit dem Sesin.
     Und wird er schweigen?  Wenn er sich mit deinem
     Geheimnis retten kann, wird er's bewahren?

Illo.
     Das fällt dir selbst nicht ein!  Und da sie nun
     Berichtet sind, wie weit du schon gegangen,
     Sprich!  was erwartest du?  Bewahren kannst du
     Nicht länger dein Kommando, ohne Rettung
     Bist du verloren, wenn du's niederlegst.

Wallenstein.
     Das Heer ist meine Sicherheit.  Das Heer
     Verläßt mich nicht.  Was sie auch wissen mögen,
     Die Macht ist mein, sie müssen's niederschlucken,
     --Und stell ich Kaution für meine Treu',
     So müssen sie sich ganz zufrieden geben.

Illo.
     Das Heer ist dein; jetzt für den Augenblick
     Ist's dein; doch zittre vor der langsamen,
     Der stillen Macht der Zeit.  Vor offenbarer
     Gewalt beschützt dich heute noch und morgen
     Der Truppen Gunst; doch gönnst du ihnen Frist,
     Sie werden unvermerkt die gute Meinung,
     Worauf du jetzo fußest, untergraben,
     Dir einen um den andern listig stehlen--
     Bis, wenn der große Erdstoß nun geschieht,
     Der treulos mürbe Bau zusammenbricht.

Wallenstein.
     Es ist ein böser Zufall!

Illo.
     Oh!  einen glücklichen will ich ihn nennen,
     Hat er auf dich die Wirkung, die er soll,
     Treibt dich zu schneller Tat--Der schwed'sche Oberst--

Wallenstein.
     Er ist gekommen?  Weißt du, was er bringt?

Illo.
     Er will nur dir allein sich anvertraun.

Wallenstein.
     Ein böser, böser Zufall--Freilich!  Freilich!
     Sesina weiß zu viel und wird nicht schweigen.

Terzky.
     Er ist ein böhmischer Rebell und Flüchtling,
     Sein Hals ist ihm verwirkt; kann er sich retten
     Auf deine Kosten, wird er Anstand nehmen?
     Und wenn sie auf der Folter ihn befragen,
     Wird er, der Weichling, Stärke g'nug besitzen?--

Wallenstein.  (in Nachsinnen verloren)
     Nicht herzustellen mehr ist das Vertraun.
     Und mag ich handeln, wie ich will, ich werde
     Ein Landsverräter ihnen sein und bleiben.
     Und kehr ich noch so ehrlich auch zurück
     Zu meiner Pflicht, es wird mir nichts mehr helfen--

Illo.
     Verderben wird es dich.  Nicht deiner Treu',
     Der Ohnmacht nur wird's zugeschrieben werden.

Wallenstein.  (in heftiger Bewegung auf und ab gehend)
     Wie?  Sollt' ich's nun im Ernst erfüllen müssen,
     Weil ich zu frei gescherzt mit dem Gedanken?
     Verflucht, wer mit dem Teufel spielt!--

Illo.
     Wenn's nur dein Spiel gewesen, glaube mir,
     Du wirst's in schwerem Ernste büßen müssen.

Wallenstein.
     Und müßt' ich's in Erfüllung bringen, jetzt,
     Jetzt, da die Macht noch mein ist, müßt's geschehn--

Illo.
     Wo möglich, eh' sie von dem Schlage sich
     In Wien besinnen und zuvor dir kommen--

Wallenstein.  (die Unterschriften betrachtend)
     Das Wort der Generale hab ich schriftlich--
     Max Piccolomini steht nicht hier.  Warum nicht?

Terzky.
     Es war--er meinte--

Illo.
     Bloßer Eigendünkel!
     Es brauche das nicht zwischen dir und ihm.

Wallenstein.
     Es braucht das nicht, er hat ganz recht--
     Die Regimenter wollen nicht nach Flandern,
     Sie haben eine Schrift mir übersandt
     Und widersetzen laut sich dem Befehl.
     Der erste Schritt zu Aufruhr ist geschehn.

Illo.
     Glaub mir, du wirst sie leichter zu dem Feind
     Als zu dem Spanier hinüber führen.

Wallenstein.
     Ich will doch hören, was der Schwede mir
     Zu sagen hat.

Illo.  (pressiert)
     Wollt Ihr ihn rufen, Terzky?
     Er steht schon draußen.

Wallenstein.
     Warte noch ein wenig.
     Es hat mich überrascht--Es kam zu schnell--
     Ich bin es nicht gewohnt, daß mich der Zufall
     Blind waltend, finster herrschend mit sich führe.

Illo.
     Hör ihn fürs erste nur.  Erwäg's nachher.
(Sie gehen.)



Vierter Auftritt


Wallenstein.  (mit sich selbst redend)
     Wär's möglich?  Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?
     Nicht mehr zurück, wie mir's beliebt?  Ich müßte
     Die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht,
     Nicht die Versuchung von mir wies--das Herz
     Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse
     Erfüllung hin die Mittel mir gespart,
     Die Wege bloß mir offen hab gehalten?--
     Beim großen Gott des Himmels!  Es war nicht
     Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie.
     In dem Gedanken bloß gefiel ich mir;
     Die Freiheit reizte mich und das Vermögen.
     War's unrecht, an dem Gaukelbilde mich
     Der königlichen Hoffnung zu ergötzen?
     Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
     Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
     Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte?
     Wohin denn seh ich plötzlich mich geführt?
     Bahnlos liegt's hinter mir, und eine Mauer
     Aus meinen eignen Werken baut sich auf,
     Die mir die Umkehr türmend hemmt!
(Er bleibt tiefsinnig stehen.)
     Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld,
     Wie ich's versuchen mag!  nicht von mir wälzen;
     Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
     Und--selbst der frommen Quelle reine Tat
     Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
     War ich, wofür ich gelte, der Verräter,
     Ich hätte mir den guten Schein gespart,
     Die Hülle hätt' ich dicht um mich gezogen,
     Dem Unmut Stimme nie geliehn.  Der Unschuld,
     Des unverführten Willens mir bewußt,
     Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft--
     Kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war.
     Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
     Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen,
     Und was der Zorn und was der frohe Mut
     Mich sprechen ließ im Überfluß des Herzens,
     Zu künstlichem Gewebe mir vereinen
     Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
     Dagegen ich verstummen muß.  So hab ich
     Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
     Und nur Gewalttat kann es reißend lösen.
(Wiederum stillstehend.)
     Wie anders!  da des Mutes freier Trieb
     Zur kühnen Tat mich zog, die rauh gebietend
     Die Not jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
     Ernst ist der Anblick der Notwendigkeit.
     Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
     In des Geschicks geheimnisvolle Urne.
     In meiner Brust war meine Tat noch mein:
     Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
     Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
     Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
     Gehört sie jenen tück'schen Mächten an,
     Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
(Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder
sinnend stehen.)
     Und was ist dein Beginnen?  Hast du dir's
     Auch redlich selbst bekannt?  Du willst die Macht,
     Die ruhig, sicher thronende erschüttern,
     Die in verjährt geheiligtem Besitz,
     In der Gewohnheit festgegründet ruht,
     Die an der Völker frommem Kinderglauben
     Mit tausend zähen Wurzeln sich befestigt.
     Das wird kein Kampf der Kraft sein mit der Kraft,
     Den fücht ich nicht.  Mit jedem Gegner wag ich's,
     Den ich kann sehen und ins Augen fassen,
     Der, selbst voll Mut, auch mir den Mut entflammt.
     Ein unsichtbarer Feind ist's, den ich fürchte,
     Der in der Menschen Brust mir widersteht,
     Durch feige Furcht allein mir fürchterlich--
     Nicht, was lebendig kraftvoll sich verkündigt,
     Ist das gefährlich Furchtbare.  Das ganz
     Gemeine ist's, das ewig Gestrige,
     Was immer war, und immer wiederkehrt
     Und morgen gilt, weil's heute hat gegolten!
     Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,
     Und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
     Weh dem, der an den würdig alten Hausrat
     Ihm rührt, das teure Erbstück seiner Ahnen!
     Das Jahr übt eine heiligende Kraft;
     Was grau für Alter ist, das ist ihm göttlich.
     Sei im Besitze, und du wohnst im Recht,
     Und heilig wird's die Menge die bewahren.
(Zu dem Pagen, der hereintritt.)
     Der schwed'sche Oberst?  Ist er's?  Nun, er komme.
(Page geht.  Wallenstein hat den Blick nachdenkend auf die
Türe geheftet.)
     Noch ist sie rein--noch!  Das Verbrechen kam
     Nicht über diese Schwelle noch--So schma ist
     Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!



Fünfter Auftritt

Wallenstein und Wrangel.


Wallenstein.  (nachdem er einen forschenden Blick auf ihn geheftet)
     Ihr nennt Euch Wrangel?

Wrangel.
     Gustav Wrangel, Oberst
     Vom blauen Regimente Südermannland.

Wallenstein.
     Ein Wrangel war's, der vor Stralsund viel Böses
     Mir zugefügt, durch tapfre Gegenwehr
     Schuld war, daß mir die Seestadt widerstanden.

Wrangel.
     Das Werk des Elements, mit dem Sie kämpften,
     Nicht mein Verdienst, Herr Herzog!  Seine Freiheit
     Verteidigte mit Sturmes Macht der Belt,
     Es sollte Meer und Land nicht einem dienen.

Wallenstein.
     Den Admiralshut rißt Ihr mir vom Haupt.

Wrangel.
     Ich komme, eine Krone drauf zu setzen.

Wallenstein.  (winkt ihm, Platz zu nehmen, setzt sich).
     Euer Kreditiv.  Kommt Ihr mit ganzer Vollmacht?

Wrangel.  (bedenklich)
     Es sind so manche Zweifel noch zu lösen--

Wallenstein.  (nachdem er gelesen)
     Der Brief hat Händ' und Füß'.  Es ist ein klug,
     Verständig Haupt, Herr Wrangel, dem Ihr dienet.
     Es schreibt der Kanzler: er vollziehe nur
     Den eignen Einfall des verstorbnen Königs,
     Indem er mir zur böhm'schen Kron' verhelfe.

Wrangel.
     Er sagt, was wahr ist.  Der Hochselige
     Hat immer groß gedacht von Euer Gnaden
     Fürtrefflichem Verstand und Feldherrngaben,
     Und stets der Herrschverständigste, beliebt' ihm
     Zu sagen, sollte Herrscher sein und König.

Wallenstein.
     Er durft' es sagen.
(Seine Hand vertraulich fassend.)
     Aufrichtig, Oberst Wrangel--Ich war stets
     Im Herzen auch gut schwedisch--Ei, das habt ihr
     In Schlesien erfahren und bei Nürnberg.
     Ich hatt' euch oft in meiner Macht und ließ
     Durch eine Hintertür euch stets entwischen.
     Das ist's, was sie in Wien mir nicht verzeihn,
     Was jetzt zu diesem Schritt mich treibt--Und weil
     Nun unser Vorteil so zusammengeht,
     So laßt uns zu einander auch ein recht
     Vertrauen fassen.

Wrangel.
     Das Vertraun wird kommen,
     Hat jeder nur erst seine Sicherheit.

Wallenstein.
     Der Kanzler, merk ich, traut mir noch nicht recht.
     Ja, ich gesteh's--Es liegt das Spiel nicht ganz
     Zu meinem Vorteil--Seine Würden meint,
     Wenn ich dem Kaiser, der mein Herr ist, so
     Mitspielen kann, ich könn' das gleiche tun
     Am Feinde, und das eine wäre mir
     Noch eher zu verzeihen als das andre.
     Ist das nicht Eure Meinung auch, Herr Wrangel?

Wrangel.
     Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung.

Wallenstein.
     Der Kaiser hat mich bis zum Äußersten
     Gebracht.  Ich kann ihm nicht mehr ehrlich dienen.
     Zu meiner Sicherheit, aus Notwehr tu ich
     Den harten Schritt, den mein Bewußtsein tadelt.

Wrangel.
     Ich glaub's.  So weit geht niemand, der nicht muß.
(Nach einer Pause.)
     Was Eure Fürstlichkeit bewegen mag,
     Also zu tun an ihrem Herrn und Kaiser,
     Gebührt nicht uns zu richten und zu deuten.
     Der Schwede ficht für seine gute Sach'
     Mit seinem guten Degen und Gewissen.
     Die Konkurrenz ist, die Gelegenheit
     Zu unsrer Gunst, im Krieg gilt jeder Vorteil,
     Wir nehmen unbedenklich, was sich bietet;
     Und wenn sich alles richtig so verhält--

Wallenstein.
     Woran denn zweifelt man?  An meinem Willen?
     An meinen Kräften?  Ich versprach dem Kanzler,
     Wenn er mir sechzehntausend Mann vertraut,
     Mit achtzehntausend von des Kaisers Heer
     Dazuzustoßen--

Wrangel.
     Euer Gnaden sind
     Bekannt für einen hohen Kriegesfürsten,
     Für einen zweiten Attila und Pyrrhus.
     Noch mit Erstaunen redet man davon,
     Wie Sie vor Jahren, gegen Menschendenken,
     Ein Heer wie aus dem Nichts hervorgerufen.
     Jedennoch--

Wallenstein.
     Dennoch?

Wrangel.
     Seine Würden meint,
     Ein leichter Ding doch möcht' es sein, mit nichts
     Ins Feld zu stellen sechzigtausend Krieger,
     Als nur ein Sechzigteil davon
(er hält inne)

Wallenstein.
     Nun, was?
     Nur frei heraus!

Wrangel.
     Zum Treubruch zu verleiten.

Wallenstein.
     Meint er?  Er urteilt wie ein Schwed' und wie
     Ein Protestant.  Ihr Lutherischen fechtet
     Für eure Bibel, euch ist's um die Sach';
     Mit eurem Herzen folgt ihr eurer Fahne.--
     Wer zu dem Feinde läuft von euch, der hat
     Mit zweien Herrn zugleich den Bund gebrochen.
     Von all dem ist die Rede nicht bei uns--

Wrangel.
     Herr Gott im Himmel!  Hat man hierzulande
     Denn keine Heimat, keinen Herd und Kirche?

Wallenstein.
     Ich will Euch sagen, wie das zugeht--Ja,
     Der Österreicher hat ein Vaterland
     Und liebt's und hat auch Ursach', es zu lieben.
     Doch dieses Heer, das kaiserlich sich nennt,
     Das hier in Böheim hauset, das hat keins;
     Das ist der Auswurf fremder Länder, ist
     Der aufgegebne Teil des Volks, dem nichts
     Gehöret als die allgemeine Sonne.
     Und dieses böhm'sche Land, um das wir fechten,
     Das hat kein Herz für seinen Herrn, den ihm
     Der Waffen Glück, nicht eigne Wahl gegeben.
     Mit Murren trägt's des Glaubens Tyrannei,
     Die Macht hat's eingeschreckt, beruhigt nicht.
     Ein glühend, rachvoll Angedenken lebt
     Der Greuel, die geschahn auf diesem Boden.
     Und kann's der Sohn vergessen, daß der Vater
     Mit Hunden in die Messe ward gehetzt?
     Ein Volk, dem das geboten wird, ist schrecklich,
     Es räche oder dulde die Behandlung.

Wrangel.
     Der Adel aber und die Offiziere?
     Solch eine Flucht und Felonie, Herr Fürst,
     Ist ohne Beispiel in der Welt Geschichten.

Wallenstein.
     Sie sind auf jegliche Bedingung mein.
     Nicht mir, den eignen Augen mögt Ihr glauben.
(Er gibt ihm die Eidesformel.  Wrangel durchliest sie, legt sie,
nachdem er gelesen, schweigend auf den Tisch.)
     Wie ist's?  Begreift Ihr nun?

Wrangel.
     Begreif 's, wer's kann!
     Herr Fürst!  Ich laß die Maske fallen--Ja!
     Ich habe Vollmacht, alles abzuschließen.
     Es steht der Rheingraf nur vier Tagemärsche
     Von hier mit funfzehntausend Mann, er wartet
     Auf Ordre nur, zu Ihrem Heer zu stoßen.
     Die Ordre stell ich aus, sobald wir einig.

Wallenstein.
     Was ist des Kanzlers Forderung?

Wrangel.  (bedenklich)
     Zwölf Regimenter gilt es, schwedisch Volk.
     Mein Kopf muß dafür haften.  Alles könnte
     Zuletzt nur falsches Spiel--

Wallenstein.  (fährt auf)
     Herr Schwede!

Wrangel.  (ruhig fortfahrend)
     Muß demnach
     Darauf bestehn, daß Herzog Friedland förmlich,
     Unwiderruflich breche mit dem Kaiser,
     Sonst ihm kein schwedisch Volk vertrauet wird.

Wallenstein.
     Was ist die Forderung?  Sagt's kurz und gut.

Wrangel.
     Die span'schen Regimenter, die dem Kaiser
     Ergeben, zu entwaffnen, Prag zu nehmen
     Und diese Stadt wie auch das Grenzschloß Eger
     Den Schweden einzuräumen.

Wallenstein.
     Viel gefordert!
     Prag!  Sei's um Eger!  Aber Prag?  Geht nicht.
     Ich leist euch jede Sicherheit, die ihr
     Vernünft'gerweise von mir fordern möget.
     Prag aber--Böhmen--kann ich selbst beschützen.

Wrangel.
     Man zweifelt nicht daran.  Es ist uns auch
     Nicht ums Beschützen bloß.  Wir wollen Menschen
     Und Geld umsonst nicht aufgewendet haben.

Wallenstein.
     Wie billig.

Wrangel.
     Und so lang, bis wir entschädigt,
     Bleibt Prag verpfändet.

Wallenstein.
     Traut ihr uns so wenig?

Wrangel.  (steht auf)
     Der Schwede muß sich vorsehn mit dem Deutschen.
     Man hat uns übers Ostmeer hergerufen;
     Gerettet haben wir vom Untergang
     Das Reich--mit unserm Blut des Glaubens Freiheit,
     Die heil'ge Lehr' des Evangeliums
     Versiegelt--Aber jetzt schon fühlet man
     Nicht mehr die Wohltat, nur die Last, erblickt
     Mit scheelem Aug' die Fremdlinge im Reiche
     Und schickte gern mit einer Handvoll Geld
     Uns heim in unsre Wälder.  Nein!  wir haben
     Um Judas' Lohn, um klingend Gold und Silber
     Den König auf der Walstatt nicht gelassen!
     So vieler Schweden adeliges Blut,
     Es ist um Gold und Silber nicht geflossen!
     Und nicht mit magerm Lorbeer wollen wir
     Zum Vaterland die Wimpel wieder lüften,
     Wir wollen Bürger bleiben auf dem Boden,
     Den unser König fallend sich erobert.

Wallenstein.
     Helft den gemeinen Feind mir niederhalten,
     Das schöne Grenzland kann euch nicht entgehn.

Wrangel.
     Und liegt zu Boden der gemeine Feind,
     Wer knüpft die neue Freundschaft dann zusammen?
     Uns ist bekannt, Herr Fürst--wenngleich der Schwede
     Nichts davon merken soll--daß Ihr mit Sachsen
     Geheime Unterhandlung pflegt.  Wer bürgt uns
     Dafür, daß wir nicht Opfer der Beschlüsse sind,
     Die man vor uns zu hehlen nötig achtet?

Wallenstein.
     Wohl wählte sich der Kanzler seinen Mann,
     Er hätt' mir keinen zähern schicken können.
(Aufstehend.)
     Besinnt Euch eines Bessern, Gustav Wrangel.
     Von Prag nichts mehr.

Wrangel.
     Hier endigt meinen Vollmacht.

Wallenstein.
     Euch meine Hauptstadt räumen!  Lieber tret ich
     Zurück--zu meinem Kaiser.

Wrangel.
     Wenn's noch Zeit ist.
     Wallenstein.
     Das steht bei mir, noch jetzt, zu jeder Stunde.

Wrangel.
     Vielleicht vor wenig Tagen noch.  Heut nicht mehr.
     --Seit der Sesin gefangen sitzt, nicht mehr.
(Wie Wallenstein betroffen schweigt.)
     Herr Fürst!  Wir glauben, daß Sie's ehrlich meinen;
     Seit gestern--sind wir des gewiß--Und nun
     Dies Blatt uns für die Truppen bürgt, ist nichts,
     Was dem Vertrauen noch im Wege stünde.
     Prag soll uns nicht entzweien.  Mein Herr Kanzler
     Begnügt sich mit der Altstadt, Euer Gnaden
     Läßt er den Ratschin und die kleine Seite.
     Doch Eger muß vor allem sich uns öffnen,
     Eh' an Konjunktion zu denken ist.

Wallenstein.
     Euch also soll ich trauen, ihr nicht mir?
     Ich will den Vorschlag in Erwägung ziehn.

Wrangel.
     In keine gar zu lange, muß ich bitten.
     Ins zweite Jahr schon schleicht die Unterhandlung;
     Erfolgt auch diesmal nichts, so will der Kanzler
     Auf immer sie für abgebrochen halten.

Wallenstein.
     Ihr drängt mich sehr.  Ein solcher Schritt will wohl
     Bedacht sein.

Wrangel.
     Eh' man überhaupt dran denkt,
     Herr Fürst!  Durch rasche Tat nur kann er glücken.
(Er geht ab.)



Sechster Auftritt

Wallenstein.  Terzky und Illo kommen zurück.


Illo.
     Ist's richtig?

Terzky.
     Seid ihr einig?

Illo.
     Dieser Schwede
     Ging ganz zufrieden fort.  Ja, ihr seid einig.

Wallenstein.
     Hört!  Noch ist nichts geschehn, und--wohl erwogen,
     Ich will es lieber doch nicht tun.

Terzky.
     Wie?  Was ist das?

Wallenstein.
     Von dieser Schweden Gnade leben!
     Der Übermütigen?  Ich trüg' es nicht.

Illo.
     Kommst du als Flüchtling, ihre Hilf' erbettelnd?
     Du bringest ihnen mehr, als du empfängst.

Wallenstein.
     Wie war's mit jenem königlichen Bourbon,
     Der seines Volkes Feinde sich verkaufte
     Und Wunden schlug dem eignen Vaterland?
     Fluch war sein Lohn, der Menschen Abscheu rächte
     Die unnatürlich frevelhafte Tat.

Illo.
     Ist das dein Fall?

Wallenstein.
     Die Treue, sag ich euch,
     Ist jedem Menschen wie der nächste Blutsfreund,
     Als ihren Rächer fühlt er sich geboren.
     Der Sekten Feindschaft, der Parteien Wut,
     Der alte Neid, die Eifersucht macht Friede;
     Was noch so wütend ringt, sich zu zerstören,
     Verträgt, vergleicht sich, den gemeinen Feind
     Der Menschlichkeit, das wilde Tier zu jagen,
     Das mordend einbricht in die sichre Hürde,
     Worin der Mensch geborgen wohnt--denn ganz
     Kann ihn die eigne Klugheit nicht beschirmen.
     Nur an die Stirne setzt' ihm die Natur
     Das Licht der Augen, fromme Treue soll
     Den bloßgegebnen Rücken ihm beschützen.

Terzky.
     Denk von dir selbst nicht schlimmer als der Feind,
     Der zu der Tat die Hände freudig bietet.
     So zärtlich dachte jener Karl auch nicht,
     Der Öhm und Ahnherr dieses Kaiserhauses,
     Der nahm den Bourbon auf mit offnen Armen,
     Denn nur vom Nutzen wird die Welt regiert.



Siebenter Auftritt

Gräfin Terzky zu den Vorigen.


Wallenstein.
     Wer ruft Euch?  Hier ist kein Geschäft für Weiber.

Gräfin.
     Ich komme, meinen Glückwunsch abzulegen.
     --Komm ich zu früh etwa?  Ich will nicht hoffen.

Wallenstein.
     Gebrauch dein Ansehn, Terzky.  Heiß sie gehn.

Gräfin.
     Ich gab den Böhmen einen König schon.

Wallenstein.
     Er war darnach.

Gräfin.  (zu den andern)
     Nun, woran liegt es?  Sprecht!

Terzky.
     Der Herzog will nicht.

Gräfin.
     Will nicht, was er muß?

Illo.
     An Euch ist's jetzt.  Versucht's, denn ich bin fertig,
     Spricht man von Treue mir und von Gewissen.

Gräfin.
     Wie?  da noch alles lag in weiter Ferne,
     Der Weg sich noch unendlich vor dir dehnte,
     Da hattest du Entschluß und Mut--und jetzt,
     Da aus dem Traume Wahrheit werden will,
     Da die Vollbringung nahe, der Erfolg
     Versichert ist, da fängst du an, zu zagen?
     Nur in Entwürfen bist du tapfer, feig
     In Taten?  Gut!  Gib deinen Feinden Recht!
     Da eben ist es, wo sie dich erwarten.
     Den Vorsatz glauben sie dir gern; sei sicher,
     Daß sie's mit Brief und Siegel dir belegen!
     Doch an die Möglichkeit der Tat glaubt keiner,
     Da müßten sie dich fürchten und dich achten.
     Ist's möglich?  Da du so weit bist gegangen,
     Da man das Schlimmste weiß, da dir die Tat
     Schon als begangen zugerechnet wird,
     Willst du zurückziehn und die Frucht verlieren?
     Entworfen bloß ist's ein gemeiner Frevel,
     Vollführt ist's ein unsterblich Unternehmen;
     Und wenn es glückt, so ist es auch verziehn,
     Denn aller Ausgang ist ein Gottes Urtel.

Kammerdiener.  (tritt herein)
     Der Oberst Piccolomini.

Gräfin.  (schnell)
     Soll warten.

Wallenstein.
     Ich kann ihn jetzt nicht sehn.  Ein andermal.

Kammerdiener.
     Nur um zwei Augenblicke bittet er,
     Er hab ein dringendes Geschäft--

Wallenstein.
     Wer weiß, was er uns bringt.  Ich will doch hören.

Gräfin.  (lacht)
     Wohl mag's ihm dringend sein.  Du kannst's erwarten.

Wallenstein.
     Was ist's.

Gräfin.
     Du sollst es nachher wissen.
     Jetzt denke dran, den Wrangel abzufert'gen.
(Kammerdiener geht.)

Wallenstein.
     Wenn eine Wahl noch wäre--noch ein milderer
     Ausweg sich fände--jetzt noch will ich ihn
     Erwählen und das Äußerste vermeiden.

Gräfin.
     Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg
     Liegt nah vor dir.  Schick diesen Wrangel fort.
     Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein
     Vergangnes Leben weg, enschließe dich,
     Ein neues anzufangen.  Auch die Tugend
     Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück.
     Reis hin nach Wien zum Kaiser stehndes Fußes,
     Nimm eine volle Kasse mit, erklär,
     Du hab'st der Diener Treue nur erproben,
     Den Schweden bloß zum besten haben wollen.

Illo.
     Auch damit ist's zu spät.  Man weiß zu viel.
     Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen.

Gräfin.
     Das fürcht ich nicht.  Gesetzlich ihn zu richten,
     Fehlt's an Beweisen; Willkür meiden sie.
     Man wird den Herzog ruhig lassen ziehn.
     Ich seh, wie alles kommen wird.  Der König
     Von Ungarn wird erscheinen, und es wird sich
     Von selbst verstehen, daß der Herzog geht;
     Nicht der Erklärung wird das erst bedürfen.
     Der König wird die Truppen lassen schwören,
     Und alles wird in seiner Ordnung bleiben.
     An einem Morgen ist der Herzog fort.
     Auf seinen Schlössern wird es nun lebendig,
     Dort wird er jagen, baun, Gestüte halten,
     Sich eine Hofstatt gründen, goldne Schlüssel
     Austeilen, gastfrei große Tafel geben,
     Und kurz ein großer König sein--im Kleinen!
     Und weil er klug sich zu bescheiden weiß,
     Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten,
     Läßt man ihn scheinen, was er mag; er wird
     Ein großer Prinz bis an sein Ende scheinen.
     Ei nun!  der Herzog ist dann eben auch
     Der neuen Menschen einer, die der Krieg
     Emporgebracht; ein übernächtiges
     Geschöpf der Hofgunst, die mit gleichem Aufwand
     Freiherrn und Fürsten macht.

Wallenstein.  (steht auf, heftig bewegt)
     Zeigt einen Weg mir an aus diesem Drang,
     Hilfreiche Mächte!  einen solchen zeigt mir,
     Den ich vermag zu gehn--Ich kann mich nicht,
     Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer,
     An meinem Willen wärmen und Gedanken--
     Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,
     Großtuend sagen: Geh!  Ich brauch dich nicht!
     Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet;
     Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheun,
     Den letzten Schritt, den äußersten, zu meiden;
     Doch eh' ich sinke in die Nichtigkeit,
     So klein aufhöre, der so groß begonnen,
     Eh' mich die Welt mit jenen Elenden
     Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt,
     Eh' spreche Welt und Nachwelt meinen Namen
     Mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung
     Für jede fluchenswerte Tat.

Gräfin.
     Was ist denn hier so wider die Natur?
     Ich kann's nicht finden, sage mir's--oh!  laß
     Des Aberglaubens nächtliche Gespenster
     Nicht deines hellen Geistes Meister werden!
     Du bist des Hochverrats verklagt; ob mit
     --Ob ohne Recht, ist jetzo nicht die Frage--
     Du bist verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht
     Bedienst, die du besitzest--Ei!  wo lebt denn
     Das friedsame Geschöpf, das seines Lebens
     Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?
     Was ist so kühn, das Notwehr nicht entschuldigt?

Wallenstein.
     Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;
     Er liebte mich, er hielt mich wert, ich stand
     Der Nächste seinem Herzen.  Welchen Fürsten
     Hat er geehrt wie mich?--Und so zu enden!

Gräfin.
     So treu bewahrst du jede kleine Gunst,
     Und für die Kränkung hast du kein Gedächtnis?
     Muß ich dich dran erinnern, wie man dir
     Zu Regenspurg die treuen Dienste lohnte?
     Du hattest jeden Stand im Reich beleidigt;
     Ihn groß zu machen, hattest du den Haß,
     Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen,
     Im ganzen Deutschland lebte dir kein Freund,
     Wei du allein gelebt für deinen Kaiser.
     An ihn bloß hieltest du bei jenem Sturme
     Dich fest, der auf dem Rgenspurger Tag
     Sich gegen dich zusammenzog--da ließ er
     Dich fallen!  Ließ dich fallen!  Dich dem Bayern,
     Dem Übermütigen, zum Opfer fallen!
     Sag nicht, daß die zurückgegebne Würde
     Das erste, schwere Unrecht ausgesöhnt.
     Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,
     Dich stellte das Gesetz der herben Not
     An diesen Platz, den man dir gern verweigert.

Wallenstein.
     Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!
     Noch seiner Neigung dank ich dieses Amt.
     Mißbrauch ich's, so mißbrauch ich kein Vertrauen.

Gräfin.
     Vertrauen?  Neigung?--Man bedurfte deiner!
     Die ungestüme Presserin, die Not,
     Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
     Gedient ist, die die Tat will, nicht das Zeichen,
     Den Größten immer aufsucht und den Besten,
     Ihn an das Ruder stellt, und müßt sie ihn
     Aufgreifen aus dem Pöbel selbst--die setzte dich
     In dieses Amt und schrieb dir die Bestallung.
     Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
     Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen
     Und mit den Drahtmaschinen seiner Kunst--
     Doch wenn das Äußerste ihm nahe tritt,
     Der hohle Schein es nicht mehr tut, da fällt
     Es in die starken Hände der Natur,
     Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,
     Nichts von Verträgen weiß und nur auf ihre
     Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.

Wallenstein.
     Wahr ist's!  Sie sahn mich immer, wie ich bin,
     Ich hab sie in dem Kaufe nicht betrogen,
     Denn nie hielt ich's der Mühe wert, die kühn
     Umgreifende Gemütsart zu verbergen.

Gräfin.
     Vielmehr--du hast dich furchtbar stets gezeigt.
     Nicht du, der stets sich selber treu geblieben,
     Die haben Unrecht, die dich fürchteten
     Und doch die Macht dir in die Hände gaben.
     Denn Recht hat jeder eigene Charakter,
     Der übereinstimmt mit sich selber, es gibt
     Kein andres Unrecht als den Widerspruch.
     Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren
     Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst,
     Die Geißel schwangest über alle Länder,
     Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs,
     Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest
     Und jede Landeshoheit niedertratst,
     Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?
     Da war es Zeit, den stolzen Willen dir
     Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen!
     Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,
     Und schweigend drückt' er diesen Freveltaten
     Sein kaiserliches Siegel auf.  Was damals
     Gerecht war, weil du's für ihn tatst, ist's heute
     Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn
     Gerichtet wird?

Wallenstein.  (aufstehend)
     Von dieser Seite sah ich's nie--Ja!  dem
     Ist wirklich so.  Es übte dieser Kaiser
     Durch meinen Arm im Reiche Taten aus,
     Die nach der Ordnung nie geschehen sollten.
     Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage,
     Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind.

Gräfin.
     Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm
     Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht,
     Nur von der Macht und der Gelegenheit!
     Der Augenblick ist da, wo du die Summe
     Der großen Lebensrechnung ziehen sollst,
     Die Zeichen stehen sieghaft über dir,
     Glück winken die Planeten dir herunter
     Und rufen: es ist an der Zeit!  Hast du
     Dein Lebenlang umsonst der Sterne Lauf
     Gemessen?--den Quadranten und den Zirkel
     Geführt?--den Zodiak, die Himmelskugel
     Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum
     Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen
     Die sieben Herrscher des Geschicks,
     Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?
     Führt alle diese Zurüstung zu nichts,
     Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,
     Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich
     Vermag im Augenblick der Entscheidung?

Wallenstein.  (ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem
Gemüt auf und ab gegangen und steht jetzt plötzlich still, die Gräfin
unterbrechend)
     Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich
     drei Boten satteln.

Illo.
     Nun, gelobt sei Gott!
(Eilt hinaus.)

Wallenstein.
     Es ist sein böser Geist und meiner.  Ihn
     Straft er durch mich, das Werkzeug seiner Herrschsucht,
     Und ich erwart es, daß der Rache Stahl
     Auch schon für meine Brust geschliffen ist.
     Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät,
     Erfreuliches zu ernten.  Jede Untat
     Trägt ihren eignen Rach-Engel schon,
     Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.
     Er kann mir nicht mehr traun,--so kann ich auch
     Nicht mehr zurück.  Geschehe denn, was muß.
     Recht stets behält das Schicksa, denn das Herz
     In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.
(Zu Terzky.)
     Bring mir den Wrangel in mein Kabinett,
     Die Boten will ich selber sprechen.  Schickt
     Nach dem Octavio!
(Zur Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.)
     Frohlocke nicht!
     Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.
     Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
     Den Samen legen wir in ihre Hände,
     Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.
(Indem er abgeht, fällt der Vorhang.)




Zweiter Aufzug

Ein Zimmer



Erster Auftritt

Wallenstein.  Octavio Piccolomini.  Bald darauf Max Piccolomini.


Wallenstein.
     Mir meldet er aus Linz, er läge krank,
     Doch hab ich sichre Nachricht, daß er sich
     Zu Frauenberg versteckt beim Grafen Gallas.
     Nimm beide fest und und schick sie mir hieher.
     Du übernimmst die spanischen Regimenter,
     Machst immer Anstalt und bist niemals fertig,
     Und treiben sie dich, gegen mich zu ziehn,
     So sagst du Ja und bleibst gefesselt stehn.
     Ich weiß, daß dir ein Dienst damit geschieht,
     In diesem Spiel dich müßig zu verhalten.
     Du rettest gern, so lang du kannst, den Schein;
     Extreme Schritte sind nicht deine Sache,
     Drum hab ich diese Rolle für dich ausgesucht,
     Du wirst mir durch dein Nichtstun diesesmal
     Am nützlichsten--Erklärt sich unterdessen
     Das Glück für mich, so weißt du, was zu tun.
(Max Piccolomini tritt ein.)
     Jetzt, Alter, geh.  Du mußt heut nacht noch fort.
     Nimm meine eignen Pferde.--Diesen da
     Behalt ich hier--Macht's mit dem Abschied kurz!
     Wir werden uns ja, denk ich, alle froh
     Und glücklich wiedersehn.

Octavio.  (zu seinem Sohn)
     Wir sprechen uns noch.
(Geht ab.)



Zweiter Auftritt

Wallenstein.  Max Piccolomini.


Max.  (nähert sich ihm.)
     Mein General--

Wallenstein.
     Der bin ich nicht mehr,
     Wenn du des Kaisers Offizier dich nennst.

Max.
     So bleibt's dabei, du willst das Heer verlassen?

Wallenstein.
     Ich hab des Kaisers Dienst entsagt.

Max.
     Und willst das Heer verlassen?

Wallenstein.
     Vielmehr hoff ich,
     Mir's enger noch und fester zu verbinden.
(Er setzt sich.)
     Ja, Max.  Nicht eher wollt' ich dir's eröffnen,
     Als bis des Handelns Stunde würde schlagen.
     Der Jugend glückliches Gefühl ergreift
     Das Rechte leicht, und eine Freude ist's,
     Das eigne Urteil prüfend auszuüben,
     Wo das Exempel rein zu lösen ist.
     Doch, wo von zwei gewissen Übeln eins
     Ergriffen werden muß, wo sich das Herz
     Nicht ganz zurückbringt aus dem Streit der Pflichten,
     Da ist es Wohltat, keine Wahl zu haben,
     Und eine Gunst ist die Notwendigkeit.
     --Die ist vorhanden.  Blicke nicht zurück.
     Es kann dir nichts mehr helfen.  Blicke vorwärts!
     Urteile nicht!  Bereite dich, zu handeln.
     --Der Hof hat meinen Untergang beschlossen,
     Drum bin ich willens, ihm zuvorzukommen.
     --Wir werden mit den Schweden uns verbinden.
     Sehr wackre Leute sind's und gute Freunde.
(Hält ein, Piccolominis Antwort erwartend.)
     --Ich hab dich überrascht.  Antwort mir nicht.
     Ich will dir Zeit vergönnen, dich zu fassen.
(Er steht auf und geht nach hinten.  Max steht lange unbeweglich,
in den heftigsten Schmerz versetzt; wie er eine Bewegung macht,
kömmt Wallenstein zurück und stellt sich vor ihn.)

Max.
     Mein General!--Du machst mich heute mündig.
     Denn bis auf diesen Tag war mir's erspart,
     Den Weg mir selbst zu finden und die Richtung.
     Dir folgt' ich unbedingt.  Auf dich nur braucht' ich
     Zu sehn und war des rechten Pfads gewiß.
     Zum ersten Male heut verweisest du
     Mich an mich selbst und zwingst mich, eine Wahl
     Zu treffen zwischen dir und meinem Herzen.

Wallenstein.
     Sanft wiegte dich bis heute dein Geschick,
     Du konntest spielend deine Pflichten üben,
     Jedwedem schönen Trieb Genüge tun,
     Mit ungeteiltem Herzen immer handeln.
     So kann's nicht ferner bleiben.  Feindlich scheiden
     Die Wege sich.  Mit Pflichten streiten Pflichten.
     Du mußt Partei ergreifen in dem Krieg,
     Der zwischen deinem Freund und deinem Kaiser
     Sich jetzt entzündet.

Max.
     Krieg!  Ist das der Name?
     Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen,
     Doch er ist gut, ist ein Geschick, wie sie.
     Ist das ein guter Krieg, den du dem Kaiser
     Bereitest mit des Kaisers eignem Heer?
     O Gott des Himmels!  was ist das für eine
     Veränderung!  Ziemt solche Sprache mir
     Mit dir, der wie der feste Stern des Pols
     Mir als die Lebensregel vorgeschienen!
     Oh!  welchen Riß erregst du mir im Herzen!
     Der alten Ehrfurcht eingewachsnen Trieb
     Und des Gehorsams heilige Gewohnheit
     Soll ich versagen lernen deinem Namen?
     Nein!  wende nicht dein Angesicht zu mir!
     Es war mir immer eines Gottes Antlitz,
     Kann über mich nicht gleich die Macht verlieren;
     Die Sinne sind in deinen Banden noch,
     Hat gleich die Seele blutend sich befreit!

Wallenstein.
     Max, hör mich an.

Max.
     Oh!  tu es nicht!  Tu's nicht!
     Sieh!  deine reinen, edeln Züge wissen
     Noch nichts von dieser unglücksel'gen Tat.
     Bloß deine Einbildung befleckte sie,
     Die Unschuld will sich nicht vertreiben lassen
     Aus deiner hoheitblickenden Gestalt.
     Wirf ihn heraus, den schwarzen Fleck, den Feind.
     Ein böser Traum bloß ist es dann gewesen,
     Der jede sichre Tugend warnt.  Es mag
     Die Menschheit solche Augenblicke haben,
     Doch siegen muß das glückliche Gefühl.
     Nein, du wirst so nicht endigen.  Das würde
     Verrufen bei den Menschen jede große
     Natur und jedes mächtige Vermögen,
     Recht geben würd' es dem gemeinen Wahn,
     Der nicht an Edles in der Freiheit glaubt
     Und nur der Ohnmacht sich vertrauen mag.

Wallenstein.
     Streng wird die Welt mich tadeln, ich erwart es.
     Mir selbst schon sagt' ich, was du sagen kannst.
     Wer miede nicht, wenn er's umgehen kann,
     Das Äußerste!  Doch hier ist keine Wahl,
     Ich muß Gewalt ausüben oder leiden--
     So steht der Fall.  Nichts anders bleibt mir übrig.

Max.
     Sei's denn!  Behaupte dich in deinem Posten
     Gewaltsam, widersetze dich dem Kaiser,
     Wenn's sein muß, treib's zur offenen Empörung,
     Nicht loben werd ich's, doch ich kann's verzeihn,
     Will, was ich nicht gut heiße, mit dir teilen.
     Nur--zum Verräter werde nicht!  Das Wort
     Ist ausgesprochen.  Zum Verräter nicht!
     Das ist kein überschrittnes Maß, kein Fehler,
     Wohin der Mut verirrt in seiner Kraft.
     Oh!  das ist ganz was anders--das ist schwarz,
     Schwarz, wie die Hölle!

Wallenstein.  (mit finsterm Stirnfalten, doch gemäßigt)
     Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
     Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide;
     Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck
     Der Dinge Maß, die nur sich selber richten.
     Gleich heißt ihr alles schändlich oder würdig,
     Bös oder gut--und was die Einbildung
     Phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen,
     Das bürdet sie den Sachen auf und Wesen.
     Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit.
     Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
     Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen;
     Wo eines Platz nimmt, muß das andre rücken,
     Wer nicht vertrieben sein will, muß vertreiben;
     Da herrscht der Streit, und nur die Stärke siegt.
     --Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunsch,
     Sich jeden Zweck versagen kann, der wohnt
     Im leichten Feuer mit dem Salamander
     Und hält sich rein im reinen Element.
     Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur,
     Und zu der Erde zieht mich die Begierde.
     Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht
     Dem guten.  Was die Göttlichen uns senden
     Von oben, sind nur allgemeine Güter;
     Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
     In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
     Den Edelstein, das allgeschätzte Gold
     Muß man den falschen Mächten abgewinnen,
     Die unterm Tage schlimmgeartet hausen.
     Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt,
     Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
     Die Seele hätte rein zurückgezogen.

Max.  (mit Bedeutung)
     Oh!  fürchte, fürchte diese falschen Mächte!
     Sie haltennicht Wort!  Es sind Lügengeister,
     Die dich berückend in den Abgrund ziehn.
     Trau ihnen nicht!  Ich warne dich--Oh!  kehre
     Zurück zu deiner Pflicht.  Gewiß!  du kannst's!
     Schick mich nach Wien.  Ja, tue das.  Laß mich,
     Mich deinen Frieden machen mit dem Kaiser.
     Er kennt dich nicht, ich aber kenne dich,
     Er soll dich sehn mit meinem reinen Auge,
     Und sein Vertrauen bring ich dir zurück.

Wallenstein.
     Es ist zu spät.  Du weißt nicht, was geschehn.

Max.
     Und wär's zu spät--und wär' es auch soweit,
     Daß ein Verbrechen nur vom Fall dich rettet,
     So falle!  Falle würdig, wie du standst.
     Verliere das Kommando.  Geh vom Schauplatz.
     Du kannst's mit Glanze, tu's mit Unschuld auch.
     --Du hast für andre viel gelebt, leb endlich
     Einmal dir selber, ich begleite dich,
     Mein Schicksal trenn ich nimmer von dem deinen--

Wallenstein.
     Es ist zu spät.  Indem du deine Worte
     Verlierst, ist schon ein Meilenzeiger nach dem andern
     Zurückgelegt von meinen Eilenden,
     Die mein Gebot nach Prag und Eger tragen.
     --Ergib dich drein.  Wir handeln, wie wir müssen.
     So laß uns das Notwendige mit Würde,
     Mit festem Schritte tun--Was tu ich Schlimmres,
     Als jener Cäsar tat, des Name noch
     Bis heut das Höchste in der Welt benennet?
     Er führte wider Rom die Legionen,
     Die Rom ihm zur Beschützung anvertraut.
     Warf er das Schwert von sich, er war verloren,
     Wie ich es wär', wenn ich entwaffnete.
     Ich spüre was in mir von seinem Geist.
     Gib mir sein Glück, das andre will ich tragen.
(Max, der bisher in einem schmerzvollen Kampfe gestanden, geht
schnell ab.  Wallenstein sieht ihm verwundert und betroffen nach
und steht in tiefe Gedanken verloren.)



Dritter Auftritt

Wallenstein.  Terzky.  Gleich darauf Illo.


Terzky.
     Max Piccolomini verließ dich eben?

Wallenstein.
     Wo ist der Wrangel?

Terzky.
     Fort ist er.

Wallenstein.
     So eilig?

Terzky.
     Es war, als ob die Erd' ihn eingeschluckt.
     Er war kaum von dir weg, als ich ihm nachging,
     Ich hatt' ihn noch zu sprechen, doch--weg war er,
     Und niemand wußte mir von ihm zu sagen.
     Ich glaub, es ist der Schwarze selbst gewesen,
     Ein Mensch kann nicht auf einmal so verschwinden.

Illo.  (kommt)
     Ist's wahr, daß du den Alten willst verschicken?

Terzky.
     Wie?  Den Octavio!  Wo denkst du hin?

Wallenstein.
     Er geht nach Frauenberg, die spanischen
     Und welschen Regimenter anzuführen.

Terzky.
     Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringst!

Illo.
     Dem Falschen willst du Kriegsvolk anvertrauen?
     Ihn aus den Augen lassen, grade jetzt,
     In diesem Augenblicke der Entscheidung?

Terzky.
     Das wirst du nicht tun.  Nein, um alles nicht!
     Wallenstein.
     Seltsame Menschen seid ihr.

Illo.
     Oh!  nur diesmal
     Gib unsrer Warnung nach.  Laß ihn nicht fort.

Wallenstein.
     Und warum soll ich ihm dies eine Mal
     Nicht trauen, da ich's stets getan?  Was ist geschehn,
     Das ihn um meine gute Meinung brächte?
     Aus eurer Grille, nicht der meinen, soll ich
     Mein alt erprobtes Urteil von ihm ändern?
     Denkt nicht, daß ich ein Weib sei.  Weil ich ihm
     Getraut bis heut, will ich auch heut ihm trauen.

Terzky.
     Muß es denn der just sein?  Schick einen andern.

Wallenstein.
     Der muß es sein, den hab ich mir erlesen.
     Er taugt zu dem Geschäft, drum gab ich's ihm.

Illo.
     Weil er ein Welscher ist, drum taugt er dir.

Wallenstein.
     Weiß wohl, ihr wart den beiden nie gewogen,
     Weil ich sie achte, liebe, euch und andern
     Vorziehe, sichtbarlich, wie sie's verdienen,
     Drum sind sie euch ein Dorn im Auge!  Was
     Geht euer Neid mich an und mein Geschäft?
     Daß ihr sie haßt, das macht sie mir nicht schlechter.
     Liebt oder haßt einander, wie ihr wollt,
     Ich lasse jedem seinen Sinn und Neigung,
     Weiß doch, was mir ein jeder von euch gilt.

Illo.
     Er geht nicht ab--müßt' ich die Räder ihm am Wagen
     Zerschmettern lassen.

Wallenstein.
     Mäßige dich, Illo!

Terzky.
     Der Questenberger, als er hier gewesen,
     Hat stets zusammen auch gesteckt mit ihm.

Wallenstein.
     Geschah mit meinem Wissen und Erlaubnis.

Terzky.
     Und daß geheime Boten an ihn kommen
     Vom Gallas, weiß ich auch.

Wallenstein.
     Das ist nicht wahr.

Illo.
     Oh!  du bist blind mit deinen sehenden Augen!

Wallenstein.
     Du wirst mir meinen Glauben nicht erschüttern,
     Der auf die tiefste Wissenschaft sich baut.
     Lügt er, dann ist die ganze Sternkunst Lüge.
     Denn wißt, ich hab ein Pfand vom Schicksal selbst,
     Daß er der treuste ist von meinen Freunden.

Illo.
     Hast du auch eins, daß jenes Pfand nicht lüge?

Wallenstein.
     Es gibt im Menschenleben Augenblicke,
     Wo er dem Weltgeist näher ist als sonst
     Und eine Frage frei hat an das Schicksal.
     Solch ein Moment war's, als ich in der Nacht,
     Die vor der Lützner Aktion vorherging,
     Gedankenvoll an einen Baum gelehnt,
     Hinaussah in die Ebene.  Die Feuer
     Des Lagers brannten düster durch den Nebel,
     Der Waffen dumpfes Rauschen unterbrach,
     Der Runden Ruf einförmig nur die Stille.
     Mein ganzes Leben ging, vergangenes
     Und künftiges, in diesem Augenblick
     An meinem inneren Gesicht vorüber,
     Und an des nächsten Morgens Schicksal knüpfte
     Der ahnungsvolle Geist die fernste Zukunft.
     Da sagt' ich also zu mir selbst:" So vielen
     Gebietest du!  Sie folgen deinen Sternen
     Und setzen, wie auf eine große Nummer,
     Ihr Alles auf dein einzig Haupt und sind
     In deines Glückes Schiff mit dir gestiegen.
     Doch kommen wird der Tag, wo diese alle
     Das Schicksal wieder auseinanderstreut,
     Nur wen'ge werden treu bei dir verharren.
     Den möcht' ich wissen, der der Treuste mir
     Von allen ist, die dieses Lager einschließt.
     Gib mir ein Zeichen, Schicksal!  Der soll's sein,
     Der an dem nächsten Morgen mir zuerst
     Entgegenkommt mit einem Liebeszeichen".
     Und dieses bei mir denkend, schlief ich ein.
     Und mitten in die Schlacht ward ich geführt
     Im Geist.  Groß war der Drang.  Mir tötete
     Ein Schuß das Pferd, ich sank, und über mir
     Hinweg, gleichgültig, setzten Roß und Reiter,
     Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender,
     Zertreten unter ihrer Hufe Schlag.
     Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm,
     Es war Octavio--und schnell erwach ich,
     Tag war es, und--Octavio stand vor mir.
     "Mein Bruder", sprach er, "reite heute nicht
     Den Schecken, wie du pflegst.  Besteige lieber
     Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.
     Tu's mir zu Lieb'.  Es warnte mich ein Traum."
     Und dieses Tieres Schnelligkeit entriß
     Mich Banniers verfolgenden Dragonern.
     Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag,
     Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder.
                
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