Buckingham.
Sorgt nicht, Mylord: ich will den Redner spielen,
Als ob der goldne Lohn, um den ich rechte,
Mir selbst bestimmt wär'; und somit lebt wohl.
Gloster.
Wenn's Euch gelingt, bringt sie nach Baynards-Schloß,
Wo Ihr mich finden sollt, umringt vom Kreis
Gelahrter Bischöf' und ehrwürd'ger Väter.
Buckingham.
Ich geh, und gegen drei bis vier erwartet
Das Neue, was vom Gildehause kommt.
(Buckingham ab.)
Gloster.
Geh, Lovel, ungesäumt zum Doktor Shaw;--
(Zu Catesby.)
Geh du zum Pater Penker;--heißt sie beide
In einer Stund' in Baynards-Schloß mich treffen.
(Lovel und Catesby ab.)
Nun will ich hin, um heimlich zu verfügen,
Wie man des Clarence Bälge schafft beiseit;
Und anzudeuten, daß keine Art Personen
Je zu den Prinzen Zutritt haben soll.
(Ab.)
SECHSTE SZENE
Eine Straße.
(Ein Kanzellist tritt auf.)
Kanzellist.
Hier ist die Klagschrift wider den Lord Hastings,
Den wackern Mann, in sauberer Kopei,
Um in Sankt Paul sie heute zu verlesen.
Nun merke man, wie fein das hängt zusammen:
Elf Stunden bracht' ich zu, sie abzuschreiben,
Denn Catesby schickte sie mir gestern abend;
Die Urschrift war nicht minder lang in Arbeit,
Und vor fünf Stunden lebte Hastings doch
Noch unbescholten, unverhört, in Freiheit.
Das ist eine schöne Welt!--Wer ist so blöde
Und sieht nicht diesen greiflichen Betrug?
Und wer so kühn und sagt, daß er ihn sieht?
Schlimm ist die Welt, sie muß zugrunde gehn,
Wenn man muß schweigend solche Ränke sehn.
(Ab.)
SIEBENTE SZENE
Der Hof in Baynards-Schloß.
(Gloster und Buckingham begegnen einander.)
Gloster.
Wie steht's? wie steht's? Was sagt die Bürgerschaft?
Buckingham.
Nun, bei der heil'gen Mutter unsers Herrn!
Die Bürgerschaft ist stockstill, sagt kein Wort.
Gloster.
Spracht ihr von Unechtheit der Kinder Eduards?
Buckingham.
Ja, nebst dem Ehvertrag mit Lady Lucy
Und dem in Frankreich, den er schloß durch Vollmacht;
Der Unersättlichkeit in seinen Lüsten
Und Vergewaltigung der Bürgerfrau'n;
Von seiner Tyrannei um Kleinigkeiten,
Von seiner eignen Unechtheit, als der
Erzeugt ward, da Eu'r Vater außer Lands,
Und der an Bildung nicht dem Herzog glich.
Dann hielt ich ihnen Eure Züge vor,
Als Eures Vaters rechtes Ebenbild,
Wie an Gestalt, so auch an edlem Sinn;
Legt ihnen dar all Eure Sieg' in Schottland,
Die strenge Zucht im Krieg, Weisheit im Frieden,
Auch Eure Güte, Tugend, fromme Demut;
Ließ in der Tat nichts, dienlich für den Zweck,
Im Sprechen unberührt, noch leicht behandelt.
Und als die Redekunst zu Ende ging,
Sagt' ich: Wer seinem Lande wohl will, rufe:
"Gott schütze Richard, Englands großen König!"
Gloster.
Und taten sie's?
Buckingham.
Nein, helf mir Gott, sie sagten nicht ein Wort.
Wie stumme Bilder, unbelebte Steine,
So sahn sie starr sich an und totenbleich.
Dies sehend schalt ich sie und frug den Mayor,
Was dies verstockte Schweigen nur bedeute.
Seine Antwort war, das Volk sei nicht gewohnt,
Daß sonst wer als der Sprecher zu ihm rede.
Gedrungen mußt' er nun mich wiederholen:
"So sagt der Herzog, gibt der Herzog an";
Doch sagt' er nichts, es zu bestät'gen, selbst.
Als er geschlossen, schwenkten ein'ge Leute
Von meinem Troß, am andern End' des Saals,
Die Mützen um den Kopf, ein Dutzend Stimmen
Erhoben sich: "Gott schütze König Richard!"
Ich nahm den Vorteil dieser wen'gen wahr;
"Dank, lieben Freund' und Bürger!" fiel ich ein,
"Der allgemeine frohe Beifallsruf
Gibt Weisheit kund und Lieb' in euch zu Richard";
Und damit brach ich ab und ging davon.
Gloster.
Die stummen Blöcke! wollten sie nicht sprechen?
Kommt denn der Mayor mit seinen Brüdern nicht?
Buckingham.
Der Mayor ist hier nah' bei. Stellt Euch besorgt,
Laßt Euch nicht sprechen, als auf dringend Bitten,
Und nehmt mir ein Gebetbuch in die Hand,
Und habt, Mylord, zween Geistliche zur Seite,
Denn daraus zieh ich heil'ge Nutzanwendung.
Laßt das Gesuch so leicht nicht Eingang finden,
Tut mädchenhaft, sagt immer nein, und nehmt.
Gloster.
Ich geh, und wenn du weißt für sie zu sprechen,
Wie ich dir nein für mich zu sagen weiß,
So bringen wir's gewiß nach Wunsch zu Ende.
Buckingham.
Geht, geht, auf den Altan! Der Lord Mayor klopft.
(Gloster ab. Der Lord Mayor, Aldermänner und Bürger
treten auf.)
Buckingham.
Willkommen, Mylord! Ich wart umsonst hier auf:
Der Herzog, scheint's, will sich nicht sprechen lassen.
(Catesby kommt aus dem Schloß.)
Nun, Catesby? was sagt Eu'r Herr auf mein Gesuch?
Catesby.
Er bittet Euer Gnaden, edler Lord,
Kommt morgen wieder oder übermorgen.
Er ist mit zwei ehrwürd'gen Vätern drinnen,
Vertieft in geistliche Beschaulichkeit,
Kein weltliches Gesuch möcht' ihn bewegen,
Ihn von der heil'gen Übung abzuziehn.
Buckingham.
Geh, guter Catesby, noch zum gnäd'gen Herzog;
Sag ihm, daß ich, der Mayor und Aldermänner
In trift'ger Absicht, Sachen von Gewicht,
Betreffend minder nicht als aller Wohl,
Hier sind um ein Gespräch mit Seiner Gnaden.
Catesby.
Ich geh sogleich, ihm solches anzumelden. (Ab.)
Buckingham.
Ha, Mylord, dieser Prinz, das ist kein Eduard!
Den findt man nicht auf üpp'gem Ruhbett lehnend,
Nein, auf den Knieen liegend in Betrachtung;
Nicht scherzend mit einem Paar von Buhlerinnen,
Nein, mit zwei ernsten Geistlichen betrachtend;
Nicht schlafend, seinen trägen Leib zu mästen,
Nein, betend, seinen wachen Sinn zu nähren.
Beglückt wär' England, wenn der fromme Prinz
Desselben Oberherrschaft auf sich nähme;
Allein ich fürcht, er ist nicht zu bewegen.
Mayor.
Ei, Gott verhüte, daß uns Seine Gnaden
Nein sollte sagen!
Buckingham.
Ich fürcht, er wird es. Da kommt Catesby wieder.
(Catesby kommt zurück.)
Nun, Catesby, was sagt Seine Gnaden?
Catesby.
Ihn wundert, zu was End' Ihr solche Haufen
Von Bürgern habt versammelt, herzukommen,
Da Seine Gnaden dessen nicht gewärtig.
Er sorgt, Mylord, Ihr habt nichts Guts im Sinn.
Buckingham.
Mich kränkt der Argwohn meines edlen Vetters,
Als hätt' ich wider ihn nichts Guts im Sinn.
Beim Himmel! ganz wohlmeinend kommen wir;
Geh wieder hin und sag das Seiner Gnaden.
(Catesby ab.)
Wenn fromm~andächt'ge Männer einmal sind
Beim Rosenkranz, so zieht man schwer sie ab:
So süß ist brünstige Beschaulichkeit.
(Gloster erscheint auf einem Altan zwischen zwei
Bischöfen; Catesby kommt zurück.)
Mayor.
Seht, Seine Gnaden zwischen zwei Bischöfen!
Buckingham.
Zwei Tugendpfeilern für ein christlich Haupt,
Ihn vor dem Fall der Eitelkeit zu stützen.
Und, seht nur, ein Gebetbuch in der Hand,
Die wahre Zier, woran man Fromme kennt.--
Großer Plantagenet, erlauchter Prinz,
Leih unserem Gesuch ein günstig Ohr,
Und woll' die Unterbrechung uns verzeihn
Der Andacht und des christlich frommen Eifers.
Gloster.
Mylord, es braucht nicht der Entschuldigung,
Vielmehr ersuch ich Euch, mir zu verzeihn,
Der ich, im Dienste meines Gottes eifrig,
Versäume meiner Freunde Heimsuchung.
Doch, das beiseite, was beliebt Eu'r Gnaden?
Buckingham.
Was, hoff ich, Gott im Himmel auch beliebt
Und den rechtschaffnen Männern insgesamt,
So dieses unregierte Eiland hegt.
Gloster.
Ich sorg, ich hab in etwas mich vergangen,
Das widrig in der Bürger Aug' erscheint;
Und daß Ihr kommt, um mein Versehn zu schelten.
Buckingham.
Das habt Ihr, Mylord: wollt' Eu'r Gnaden doch
Auf unsre Bitten Euren Fehl verbessern!
Gloster.
Weswegen lebt' ich sonst in Christenlanden?
Buckingham.
Wißt denn, Eu'r Fehl ist, daß Ihr überlaßt
Den höchsten Sitz, den majestät'schen Thron,
Dies Eurer Ahnen szepterführend Amt,
Des Rangs Gebühr, den Anspruch der Geburt,
Den Erbruhm Eures königlichen Hauses,
An die Verderbnis eines falschen Sprößlings;
Weil bei so schläfriger Gedanken Milde,
Die wir hier wecken zu des Landes Wohl,
Dies edle Eiland seiner Glieder mangelt,
Entstellt sein Antlitz von der Schande Narben,
Sein Fürstenstamm geimpft mit schlechten Zweigen
Und fast verschlemmt im niederziehnden Sumpf
Der tiefsten nächtlichsten Vergessenheit.
Dies abzustellen, gehn wir dringend an
Eu'r gnädig Selbst, das höchste Regiment
Von diesem Eurem Land auf Euch zu laden,
Nicht als Protektor, Anwalt, Stellvertreter,
Noch dienender Verwalter fremden Guts,
Nein, als der Folge nach, von Glied zu Glied,
Eu'r Erbrecht, Euer Reich, Eu'r Eigentum.
Deshalb, gemeinsam mit der Bürgerschaft,
Die ehrerbietigst Euch ergeben ist,
Und auf ihr ungestümes Dringen komm ich,
Für dies Gesuch Eu'r Gnaden zu bewegen.
Gloster.
Ich weiß nicht, ob stillschweigend wegzugehn,
Ob bitterlich mit Reden Euch zu schelten,
Mehr meiner Stell' und Eurer Fassung ziemt.
Antwort' ich nicht, so dächtet Ihr vielleicht,
Verschwiegner Ehrgeiz will'ge stumm darein,
Der Oberherrschaft goldnes Joch zu tragen,
Das Ihr mir töricht auferlegen wollt.
Doch schelt ich Euch für dieses Eu'r Gesuch,
Durch Eure treue Liebe so gewürzt,
Dann, andrerseits, versehr ich meine Freunde.
Um jenes drum zu meiden und zu reden,
Und nicht in dies beim Reden zu verfallen,
Antwort ich Euch entschiednermaßen so.
Dankwert ist Eure Liebe; doch mein Wert,
Verdienstlos, scheut Eu'r allzu hoch Begehren.
Erst, wäre jede Hindrung weggeräumt,
Und wär' geebnet meine Bahn zum Thron,
Als heimgefallnem Rechte der Geburt:
Dennoch, so groß ist meine Geistesarmut,
So mächtig und so vielfach meine Mängel,
Daß ich mich eh' verbärge vor der Hoheit,
Als Kahn, der keine mächt'ge See verträgt,
Eh' ich von meiner Hoheit mich verbergen,
Von meines Ruhmes Dampf ersticken ließe.
Doch, Gott sei Dank! es tut nicht not um mich;
Und wär sagt; tät' vieles not mir, Euch zu helfen.
Der königliche Baum ließ Frucht uns nach,
Die 'durch der Zeiten leisen Gang gereift'
Wohl zieren wird den Sitz der Majestät,
Und des Regierung uns gewiß beglückt.
Auf ihn leg ich, was Ihr mir auferlegt,
Das Recht und Erbteil seiner guten Sterne,
Was Gott verhüte, daß ich's ihm entrisse.
Buckingham.
Mylord, dies zeigt Gewissen in Eu‘r Gnaden,
Doch seine Gründe sind gering und nichtig,
Wenn man jedweden Umstand wohl erwägt.
Ihr saget, Eduard ist Eu'r Bruderssohn;
Wir sagen's auch, doch nicht von Eduards Gattin.
Denn erst war er verlobt mit Lady Lucy,
Noch lebt des Eides Zeugin, Eure Mutter;
Und dann war ihm durch Vollmacht Bona, Schwester
Des Königes von Frankreich, angetraut.
Doch beide wurden sie hintangesetzt
Zugunsten einer armen Supplikantin,
Der abgehärmten Mutter vieler Söhne,
Der reizverfallnen und bedrängten Witwe,
Die, schon in ihrer Blühzeit Nachmittag,
Sein üppig Aug' erwarb als einen Raub
Und seines Sinnes höchsten Schwung verführte
Zu niederm Fall und schnöder Doppeleh'.
Aus diesem unrechtmäß'gen Bett erzeugt
Ward Eduard, Prinz aus Höflichkeit genannt.
Ich könnt' es bittrer führen zu Gemüt,
Nur daß, aus Achtung ein'ger, die noch leben,
Ich schonend meiner Zunge Schranken setze.
Drum, bester Herr, nehm' Euer fürstlich Selbst
Der Würde dargebornes Vorrecht an:
Wo nicht zu unserm und des Landes Segen,
Doch um Eu'r edles Haus hervorzuziehn
Aus der Verderbnis der verkehrten Zeit,
Zu erblicher und echter Folgereihe.
Mayor.
Tut, bester Herr, was Eure Bürger bitten.
Buckingham.
Weist, hoher Herr, nicht ab den Liebesantrag.
Catesby.
O macht sie froh, gewährt ihr bill‘ges Flehn!
Gloster.
Ach, warum diese Sorgen auf mich laden?
Ich tauge nicht für Rang und Majestät.
Ich bitt Euch, legt es mir nicht übel aus:
Ich kann und will Euch nicht willfährig sein.
Buckingham.
Wenn Ihr es weigert, Lieb' und Eifers halb,
Das Kind, den Bruderssohn, nicht zu entsetzen
Wie uns bekannt ist Eures Herzens Milde
Und Euer sanftes, weichliches Erbarmen,
Das wir in Euch für Anverwandte sehn,
Ja, gleichermaßen auch für alle Stände:
So wißt, ob Ihr uns willfahrt oder nicht,
Doch soll Eu'r Bruderssohn uns nie beherrschen;
Wir pflanzen jemand anders auf den Thron
Zum Schimpf und Umsturz Eures ganzen Hauses.
Und, so entschlossen, lassen wir Euch hier.--
Kommt, Bürger, länger wollen wir nicht bitten.
(Buckingham mit den Bürgern ab.)
Catesby.
Ruft, lieber Prinz, sie wieder und gewährt es!
Wenn Ihr sie abweist, wird das Land es büßen.
Gloster.
Zwingt ihr mir eine Welt von Sorgen auf?
Wohl, ruf sie wieder!
(Catesby ab.) Ich bin ja nicht von Stein,
Durchdringlich Eurem freundlichen Ersuchen,
Zwar wider mein Gewissen und Gemüt.
(Buckingham und die übrigen kommen zurück.)
Vetter von Buckingham und weise Männer,
Weil Ihr das Glück mir auf den Rücken schnallt,
Die Last zu tragen, willig oder nicht,
So muß ich in Geduld sie auf mich nehmen.
Wenn aber schwarzer Leumund, frecher Tadel
Erscheinet im Gefolge Eures Auftrags,
So spricht mich Euer förmlich Nöt'gen los
Von jeder Makel, jedem Fleck derselben.
Denn das weiß Gott, das seht Ihr auch zum Teil,
Wie weit entfernt ich bin, dies zu begehren.
Mayor.
Gott segn' Eu'r Gnaden! Wir sehn's und wollen's sagen.
Gloster.
Wenn Ihr es sagt, so sagt Ihr nur die Wahrheit.
Buckingham.
Dann grüß ich Euch mit diesem Fürstentitel:
Lang lebe Richard, Englands würd'ger König!
Alle.
Amen!
Buckingham.
Beliebt's Euch, daß die Krönung morgen sei?
Gloster.
Wann's Euch beliebt, weil Ihr's so haben wollt.
Buckingham.
So warten wir Eu'r Gnaden morgen auf,
Und nehmen hiemit voller Freuden Abschied.
Gloster (zu den Bischöfen).
Kommt, gehn wir wieder an das heil'ge Werk;--
Lebt wohl, mein Vetter! lebt wohl, werte Freunde!
(Alle ab.)
VIERTER AUFZUG
ERSTE SZENE
Vor dem Turm.
(Von der einen Seite treten auf Königin Elisabeth,
die Herzogin von York, und der Marquis von Dorset;
von der andern Anna, Herzogin von Gloster, mit Lady
Margaretha Plantagenet, Clarence' kleiner Tochter,
an der Hand.)
Herzogin.
Wen treff ich hier? Enklin Plantagenet,
An ihrer guten Muhme Gloster Hand?
So wahr ich lebe, sie will auch zum Turm
Aus Herzensliebe zu dem zarten Prinzen.--
Tochter, ich freue mich, Euch hier zu treffen.
Anna.
Gott geb' Eu'r Gnaden beiden frohe Zeit!
Elisabeth.
Euch gleichfalls, gute Schwester! Wohin geht's?
Anna.
Nicht weiter als zum Turm, und, wie ich rate,
In gleicher frommer Absicht wie Ihr selbst,
Daselbst die holden Prinzen zu begrüßen.
Elisabeth.
Dank, liebe Schwester! Gehn wir all hinein;
Und da kommt eben recht der Kommandant.--
(Brakenbury tritt auf.)
Herr Kommandant, ich bitt Euch, mit Verlaub,
Was macht der Prinz und York, mein jüngrer Sohn?
Brakenbury.
Wohl sind sie, gnäd'ge Frau; doch wollt verzeihn,
Ich darf nicht leiden, daß Ihr sie besucht:
Der König hat es scharf mir untersagt.
Elisabeth.
Der König? wer?
Brakenbury.
Der Herr Protektor, mein ich.
Elisabeth.
Der Herr beschütz' ihn vor dem Königstitel!
So hat er Schranken zwischen mich gestellt
Und ihre Liebe? Ich bin ihre Mutter:
Wer will den Zutritt mir zu ihnen wehren?
Herzogin.
Ich ihres Vaters Mutter, die sie sehn will.
Anna.
Ich bin nur ihre Muhme nach den Rechten,
Doch Mutter nach der Liebe; führe denn
Mich vor sie: tragen will ich deine Schuld
Und dir dein Amt abnehmen auf mein Wort.
Brakenbury.
Nein, gnäd'ge Frau, so darf ich es nicht lassen:
Ein Eid verpflichtet mich, deshalb verzeiht.
(Brakenbury ab. Stanley tritt auf.)
Stanley.
Träf' ich Euch, edle Frau'n, ein Stündchen später,
So könnt' ich Euer Gnaden schon von York
Als würd'ge Mutter und Begleiterin
Von zweien holden Königinnen grüßen.
(Zur Herzogin von Gloster.)
Kommt, Fürstin, Ihr müßt gleich nach Westminster:
Dort krönt man Euch als Richards Eh'gemahl.
Elisabeth.
Ach! lüftet mir die Schnüre,
Daß mein beklemmtes Herz Raum hat zu schlagen,
Sonst sink ich um bei dieser Todesbotschaft.
Anna.
Verhaßte Nachricht! Unwillkommne Botschaft!
Dorset.
Seid gutes Muts! Mutter, wie geht's Eu'r Gnaden?
Elisabeth.
O Dorset, sprich nicht mit mir! mach dich fort!
Tod und Verderben folgt dir auf der Ferse;
Verhängnisvoll ist deiner Mutter Name.
Willst du dem Tod entgehn, fahr übers Meer,
Bei Richmond Ich, entrückt der Hölle Klau'n.
Geh, eil aus dieser Mördergrube fort,
Daß du die Zahl der Toten nicht vermehrst
Und unter Margarethas Fluch ich sterbe,
Noch Mutter, Weib, noch Königin geachtet.
Stanley.
Voll weiser Sorg' ist dieser Euer Rat.--
Nehmt jeder Stunde schnellen Vorteil wahr;
Ich geb Euch Briefe mit an meinen Sohn
Empfehl es ihm, entgegen Euch zu eilen:
Laßt Euch nicht fangen durch unweises Weilen.
Herzogin.
O schlimm zerstreu'nder Wind des Ungemache!--
O mein verfluchter Schoß, des Todes Bett!
Du hecktest einen Basilisk der Welt,
Des unvermiednes Auge mördrisch ist.
Stanley.
Kommt, Fürstin, kommt! Ich ward in Eil' gesandt.
Anna.
Mit höchster Abgeneigtheit will ich gehn.--
O wollte Gott, es wär' der Zirkelreif
Von Gold, der meine Stirn umschließen soll,
Rotglühnder Stahl und sengte mein Gehirn!
Mag tödlich Gift mich salben, daß ich sterbe,
Eh' wer kann rufen: Heil der Königin!
Elisabeth.
Geh, arme Seel', ich neide nicht dein Glück;
Mir zu willfahren, wünsche dir kein Leid.
Anna.
Wie sollt' ich nicht? Als er, mein Gatte jetzt,
Hinzutrat, wie ich Heinrichs Leiche folgte,
Als er die Hände kaum vom Blut gewaschen,
Das dir entfloß, mein erster Engel-Gatte,
Und jenem toten Heil’gen, den ich weinte;
Oh, als ich da in Richards Antlitz schaute,
War dies mein Wunsch: Sei du, sprach ich, verflucht,
Der mich, so jung, so alt als Witwe macht!
Und wenn du freist, umlagre Gram dein Bett,
Und sei dein Weib (ist eine so verrückt)
Elender durch dein Leben, als du mich
Durch meines teuren Gatten Tod gemacht!
Und sieh, eh' ich den Fluch kann wiederholen,
In solcher Schnelle ward mein Weiberherz
Gröblich bestrickt von seinen Honigworten
Und unterwürfig meinem eignen Fluch,
Der stets seitdem mein Auge wach erhielt:
Denn niemals eine Stund' in seinem Bett
Genoß ich noch den goldnen Tau des Schlafe,
Daß seine bangen Träume nicht mich schreckten.
Auch haßt er mich um meinen Vater Warwick
Und wird mich sicherlich in kurzem los.
Elisabeth.
Leb wohl, du armes Herz! Mich dau'rt dein Klagen.
Anna.
Nicht mehr, als Eur's mich in der Seele
schmerzt.
Dorset.
Leb wohl, die du mit Weh die Hoheit grüßest!
Anna.
Leb, arme Seele, wohl, die von ihr scheidet!
Herzogin (zu Dorset).
Geh du zu Richmond: gutes Glück geleite dich!--
(Zu Anna.)
Geh du zu Richard: gute Engel schirmen dich!--
(Zu Elisabeth.)
Geh du zur Freistatt: guter Trost erfülle dich!--
Ich in mein Grab, wo Friede mit mir ruhe!
Mir wurden achtzig Leidensjahr' gehäuft
Und Stunden Lust in Wochen Grams ersäuft.
Elisabeth.
Verweilt noch, schaut mit mir zurück zum Turm.--
Erbarmt euch, alte Steine, meiner Knaben,
Die Neid in euren Mauern eingekerkert!
Du rauhe Wiege für so holde Kinder!
Felsstarre Amme! finstrer Spielgesell
Für zarte Prinzen! Pflege meine Kleinen!
So sagt mein töricht Leid Lebwohl den Steinen.
(Alle ab.)
ZWEITE SZENE
Ein Staatszimmer im Palast.
(Trompetenstoß. Richard als König auf seinem Thron,
Buckingham, Catesby, ein Edelknabe und andre.)
Richard.
Steht alle seitwärts.--Vetter Buckingham--
Buckingham.
Mein gnäd'ger Fürst?
Richard.
Gib mir die Hand. So hoch, durch deinen Rat
Und deinen Beistand, sitzt nun König Richard.
Doch soll der Glanz uns einen Tag bekleiden,
Wie, oder dauern und wir sein uns freun?
Buckingham.
Stets leb' er, möge dauern immerdar!
Richard.
Ah, Buckingham! den Prüfstein spiel ich jetzt,
Ob du dich wohl als echtes Gold bewährst.
Der junge Eduard lebt: rat, was ich meine.
Buckingham.
Sprecht weiter, bester Herr.
Richard.
Ei, Buckingham, ich möchte König sein.
Buckingham.
Das seid Ihr ja, mein hochberühmter Fürst.
Richard.
Ha! bin ich König? Wohl, doch Eduard lebt.
Buckingham.
Wahr, edler Prinz.
Richard.
O bittre Folgerung!
Daß Eduard stets noch lebt: "Wahr, edler Prinz."--
Vetter, du warst ja sonst so blöde nicht.
Sag ich's heraus? Die Buben wünsch ich tot
Und wollt', es würde schleunig ausgeführt.
Was sagst du nun? Sprich schleunig, faß dich kurz.
Buckingham.
Eu'r Hoheit kann verfahren nach Belieben.
Richard.
Pah, pah! Du bist wie Eis; dein Eifer friert.
Sag, bist du es zufrieden, daß sie sterben?
Buckingham.
Laßt mich ein Weilchen Atem schöpfen, Herr,
Eh' ich bestimmt in dieser Sache rede.
Ich geb Eu'r Hoheit alsobald Bescheid.
(Buckingham ab.)
Catesby (beiseit).
Der König ist erzürnt, er beißt die Lippe.
Richard (steigt vom Thron).
Ich will mit eisenköpf'gen Narrn verhandeln,
Mit unbedachten Burschen; keiner taugt mir,
Der mich mit überlegtem Blick erspäht.
Der hochgestiegne Buckingham wird schwierig.--
He, Bursch!
Edelknabe.
Mein Fürst?
Richard.
Weißt du mir keinen, den bestechend Gold
Wohl zu verschwiegnem Todeswerk versuchte?
Edelknabe.
Ich kenne einen mißvergnügten Mann,
Des niedrer Glücksstand seinem Stolz versagt.
Gold wär' so gut bei ihm wie zwanzig Redner
Und wird gewiß zu allem ihn versuchen.
Richard.
Wie ist sein Name?
Edelknabe.
Herr, sein Nam' ist Tyrrel.
Richard.
Ich kenne schon den Mann; geh, Bursche, hol ihn her.--
(Edelknabe ab.)
Der tiefbedächt'ge schlaue Buckingham
Soll nicht mehr Nachbar meines Rates sein.
Hielt er so lang mir unermüdet aus
Und muß nun Atem schöpfen? Wohl, es sei.--
(Stanley tritt auf.)
Lord Stanley, nun? was gibt es Neues?
Stanley.
Wißt, gewogner Herr,
Der Marquis Dorset, hör ich, ist entflohn
Zum Richmond, in die Lande, wo er lebt.
Richard.
Catesby, komm her. Bring ein Gerücht herum,
Gefährlich krank sei Anna, mein Gemahl;
Ich sorge schon, zu Hause sie zu halten.
Find einen Mann von schlechter Herkunft aus,
Dem ich zur Frau des Clarence Tochter gebe;--
Der Jung' ist törlich, und ich fürcht ihn nicht.
Sieh, wie du träumst! Ich sag's nochmal: streu aus,
Anna, mein Weib, sei krank und wohl zum Sterben.
Ans Werk! Mir liegt zu viel dran, jede Hoffnung
Zu hemmen, deren Wachstum schaden kann.--
(Catesby ab.)
Heiraten muß ich meines Bruders Tochter,
Sonst steht mein Königreich auf dünnem Glas.
Erst ihre Brüder morden, dann sie frein!
Unsichrer Weg ~ Doch wie ich einmal bin,
So tief im Blut, reißt Sünd' in Sünde hin.
Beträntes Mitleid wohnt nicht mir im Auge.--
(Der Edelknabe kommt mit Tyrrel zurück.)
Dein Nam' ist Tyrrel?
Tyrrel.
James Tyrrel, Eu'r ergebner Untertan.
Richard.
Bist du das wirklich?
Tyrrel.
Prüft mich, gnäd'ger Herr.
Richard.
Schlügst du wohl einen meiner Freunde tot?
Tyrrel.
Wie's Euch beliebt; doch lieber noch zwei Feinde.
Richard.
Da triffst du's eben, zwei Erzfeinde sind's,
Verstörer meiner Ruh' und süßen Schlafs,
An denen ich dir gern zu schaffen gäbe.
Tyrrel, ich mein im Turm die Bastardbuben.
Tyrrel.
Gebt mir zu ihnen offnen Zutritt nur,
So seid Ihr bald der Furcht vor ihnen los.
Richard.
Du singst mir süßen Ton. Hieher komm, Tyrrel:
Geh, auf dies Unterpfand--Steh auf und leih dein Ohr.
(Flüstert ihm zu.)
Nichts weiter braucht es. Sag, es sei geschehn,
Und lieben und befördern will ich dich.
Tyrrel.
Ich will es gleich vollziehn. (Ab.)
(Buckingham kommt zurück.)
Buckingham.
Mein Fürst, ich hab erwogen im Gemüt
Den Wunsch, um den Ihr eben mich befragtet.
Richard.
Laß gut sein. Dorset ist geflohn zum Richmond.
Buckingham.
Ich höre so, mein Fürst.
Richard.
Stanley, er ist Eu'r Stiefsohn.--Wohl, gebt acht.
Buckingham.
Mein Fürst, ich bitt um mein versprochnes Teil,
Wofür Ihr Treu' und Ehre mir verpfändet;
Die Grafschaft Hereford und ihr fahrend Gut,
Die ich, wie Ihr verspracht, besitzen soll.
Richard.
Stanley, gebt acht auf Eure Frau: befördert
Sie Brief' an Richmond, steht Ihr dafür ein.
Buckingham.
Was sagt Eu'r Hoheit auf die bill'ge Fordrung?
Richard.
Es ist mir noch im Sinn, Heinrich der Sechste
Weissagte, Richmond würde König werden,
Da er ein klein verzognes Bübchen war.
König!--vielleicht--
Buckingham.
Mein Fürst--
Richard.
Wie kam's, daß der Prophet nicht damals mir,
Der ich dabeistand, sagt', ich würd' ihn töten?
Buckingham.
Mein Fürst, die mir versprochne Grafschaft--
Richard.
Richmond!--Ich war letzthin in Exeter,
Da wies der Schulz verbindlich mir das Schloß
Und nannt' es Rougemont; bei dem Namen stutzt' ich,
Weil mir ein Bard' aus Irland einst gesagt,
Nicht lange lebt' ich, wenn ich Richmond sähe.
Buckingham.
Mein Fürst--
Richard.
Was ist die Uhr?
Buckingham.
Ich bin so dreist, Eu'r Hoheit zu erinnern
An was Ihr mir verspracht.
Richard.
Gut, doch was ist die Uhr?
Buckingham.
Zehn auf den Schlag.
Richard.
Nun gut, so laß es schlagen.
Buckingham.
Warum es schlagen lassen? Richard.
Richard.
Weil zwischen deiner Bitt' und meinem Denken
Du wie ein Glockenhans den Hammer hältst.
Ich bin nicht in der Gebelaune heut.
Buckingham.
Nun, so erklärt Euch, ob Ihr wollt, ob nicht.
Richard.
Du störst mich nur; ich bin nicht in der Laune.
(Richard mit seinem Gefolge ab.)
Buckingham.
So steht's? Bezahlt er meine wicht'gen Dienste
Mit Hohn? Macht' ich zum König dazu ihn?
O laß mich Hastings warnen und, derweilen
Dies bange Haupt noch steht, nach Brecknock eilen!
(Ab.)
DRITTE SZENE
Ebendaselbst.
(Tyrrel tritt auf.)
Tyrrel.
Geschehn ist die tyrannisch blut'ge Tat,
Der ärgste Greuel jämmerlichen Mords,
Den jemals noch dies Land verschuldet hat.
Dighton und Forrest, die ich angestellt
Zu diesem Streich ruchloser Schlachterei,
Zwar eingefleischte Schurken, blut'ge Hunde,
Vor Zärtlichkeit und mildem Mitleid schmelzend,
Weinten wie Kinder bei der Trau'rgeschichte.
"O so", sprach Dighton, "lag das zarte Paar";
"So, so", sprach Forrest, "sich einander gürtend
Mit den unschuld'gen Alabasterarmen:
Vier Rosen eines Stengels ihre Lippen,
Die sich in ihrer Sommerschönheit küßten.
Und ein Gebetbuch lag auf ihrem Kissen,
Das wandte fast", sprach Forrest, "meinen Sinn;
Doch oh! der Teufel"--dabei stockt' der Bube,
Und Dighton fuhr sofort: "Wir würgten hin
Das völligst süße Werk, so die Natur
Seit Anbeginn der Schöpfung je gebildet."--
Drauf gingen beide voll Gewissensbisse,
Die sie nicht sagen konnten, und ich ließ sie,
Dem blut'gen König den Bericht zu bringen.
(Richard tritt auf.)
Hier kommt er eben.--Heil, mein hoher Herr!
Richard.
Freund Tyrrel, macht mich deine Zeitung glücklich?
Tyrrel.
Wenn das vollbracht zu wissen, was Ihr mir
Befohlen, Euch beglückt, so seid denn glücklich:
Es ist geschehn.
Richard.
Doch sahst du selbst sie tot?
Tyrrel.
Ja, Herr.
Richard.
Und auch begraben, lieber Tyrrel?
Tyrrel.
Der Kapellan im Turm hat sie begraben;
Wo, weiß ich nicht, die Wahrheit zu gestehn.
Richard.
Komm zu mir, Tyrrel, nach dem Abendessen,
Da sagst du mir den Hergang ihres Tods.
Denk drauf, was ich zulieb dir könnte tun,
Und dein Begehren fällt sogleich dir zu.
Leb wohl indes.
Tyrrel.
Zu Gnaden Euch empfohlen. (Ab.)
Richard.
Den Sohn des Clarence hab ich eingesperrt,
Die Tochter in geringem Stand verehlicht;
Im Schoß des Abraham ruhn Eduards Söhne,
Und Anna sagte gute Nacht der Welt.
Nun weiß ich, der Bretagner Richmond trachtet
Nach meiner jungen Nicht' Elisabeth
Und blickt, stolz auf dies Band, zur Kron' empor:
Drum will ich zu ihr, als ein muntrer Freier.
(Catesby tritt auf.)
Catesby.
Herr--
Richard.
Gilt es gute oder schlimme Zeitung,
Daß du so grad' hereinstürmst?
Catesby.
Herr, schlimme Zeitung: Morton floh zum Richmond,
Und Buckingham, verstärkt mit tapfern Wäl'schen,
Rückt in das Feld, und seine Macht nimmt zu.
Richard.
Ely samt Richmond drängen näher mich
Als Buckinghams schnell aufgeraffte Macht.
Komm, denn ich lernte, bängliches Erwägen
Sei schläfrigen Verzuges blei'rner Diener;
Verzug führt Bettelei im lahmen Schneckenschritt.
Sei denn mein Flügel, feur'ge Schnelligkeit,
Zum Königsherold und Merkur bereit!
Geh, mustre Volk: mein Schild ist jetzt mein Rat;
Verrätertrotz im Felde ruft zur Tat.
(Beide ab.)
VIERTE SZENE
Vor dem Palast.
(Königin Margaretha tritt auf.)
Margaretha.
So, jetzo wird der Wohlstand überreif
Und fällt in den verfaulten Schlund des Todes.
Hier in der Nähe hab ich schlau gelauscht,
Um meiner Feinde Schwinden abzuwarten.
Von einem grausen Vorspiel war ich Zeugin
Und will nach Frankreich, hoffend, der Erfolg
Werd' auch so bitter, schwarz und tragisch sein.
Unglückliche Margretha, fort! Wer kommt?
(Königin Elisabeth und die Herzogin von York treten auf.)
Elisabeth.
Ach, arme Prinzen! meine zarten Knaben!
Unaufgeblühte Knospen! süße Keime!
Fliegt eure holde Seel' in Lüften noch,
Und hält sie nicht ein Spruch auf ewig fest,
So schwebet um mich mit den luft'gen Flügeln
Und hört die Wehklag' eurer Mutter an!
Margaretha.
Schwebt um sie, sagt, daß Recht um Recht gehandelt
Der Kindheit Früh' in alte Nacht euch wandelt.
Herzogin.
So manches Elend brach die Stimme mir,
Die jammermüde Zung' ist still und stumm.
Eduard Plantagenet, so bist du tot?
Margaretha.
Plantagenet vergilt Plantagenet;
Eduard um Eduard zahlt sein Totenbett.
Elisabeth.
Entziehst du dich, o Gott, so holden Lämmern
Und schleuderst in den Rachen sie dem Wolf?
Wann schliefst du sonst bei solchen Taten schon.
Margaretha.
Als Heinrich starb, der Heil'ge, und mein Sohn.
Herzogin.
Erstorbnes Leben! blindes Augenlicht!
Du armes irdisch-lebendes Gespenst!
Des Wehes Schauplatz, Schande dieser Welt!
Des Grabs Gebühr, vom Leben vorenthalten!
Auszug und Denkschrift lästig langer Tage!
Laß deine Unruh' ruhn auf Engellands
Rechtmäß'ger Erde, die so unrechtmäßig
Berauschst worden von unschuld'gem Blut.
(Setzt sich nieder.)
Elisabeth.
Ach, wolltest du ein Grab so bald gewähren,
Als einen schwermutsvollen Sitz du beutst:
Dann bürg ich mein Gebein hier, ruht' es nicht.
Ach, wer hat Grund zu trauern, außer uns?
(Setzt sich zu ihr.)
Margaretha.
Wenn alter Gram um so ehrwürd'ger ist,
Gesteht der Jahre Vorrang meinem zu,
Und wölke sich mein Kummer obenan.
(Setzt sich neben sie.)
Und wenn der Gram Gesellschaft dulden mag,
Zählt eure Leiden nach, auf meine schauend.
Mein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
Mein war ein Gatte4s, doch ein Richard schlug ihn;
Dein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
Dein war ein Richard, doch ein Richard schlug ihn.
Herzogin.
Mein war ein Richard auch, und du erschlugst ihn;
Mein war ein Rutland auch, du halfst ihn schlagen.
Margaretha.
Dein war ein Clarence auch, und Richard schlug ihn.
Aus deines Schoßes Höhle kroch hervor
Ein Höllenhund, der all uns hetzt zu Tod.
Den Hund, der eh' als Augen Zähne hatte,
Gebißner Lämmer frommes Blut zu lecken;
Der Gotteswerke schändlichen Verderber;
Den trefflich großen Wüterich der Erde,
In wunden Augen armer Seelen herrschend,
Ließ los dein Schoß, um uns ins Grab zu jagen.
O redlich ordnender, gerechter Gott!
Wie dank ich dir, daß dieser Metzgerhund
In seiner Mutter Leibesfrüchten schwelgt
Und macht sie zur Gesellin fremder Klagen.
Herzogin.
O juble, Heinrichs Weib, nicht um mein Weh!
Gott zeuge mir, daß ich um deins geweint.
Margaretha.
Ertrage mich: ich bin nach Rache hungrig
Und sätt'ge nun an ihrem Anblick mich.
Tot ist dein Eduard, Mörder meines Eduards;
Dein andrer Eduard tot für meinen Eduard;
Der junge York war Zutat: beid' erreichten
Nicht meines Eingebüßten hohen Preis.
Tot ist dein Clarence, Meuchler meines Eduards,
Und die Zuschauer dieses Trauerspiels,
Der falsche Hastings, Rivers, Vaughan, Grey,
Sind vor der Zeit versenkt ins dumpfe Grab.
Richard nur lebt, der Hölle schwarzer Spürer,
Als Mäkler aufbewahrt, der Seelen kauft
Und hin sie sendet: aber bald, ja bald
Erfolgt sein kläglich, unbeklagtes Ende.
Die Erde gähnt, die Hölle brennt,
Die Teufel brüllen, Heil'ge beten,
Auf daß er schleunig werde weggerafft.
Vernichte, lieber Gott, ich fleh dich an,
Den Pfandschein seines Lebens, daß ich noch
Dies Wort erleben mag: der Hund ist tot!
Elisabeth.
Oh, du hast prophezeit, es käm' die Zeit,
Wo ich herbei dich wünscht', um mitzufluchen
Der bauch'gen Spinne, dem geschwollnen Molch.
Margaretha.
Da nannt' ich dich ein Scheinbild meines Glücks,
Da nannt' ich dich gemalte Königin;
Die Vorstellung nur dessen, was ich war;
Ein schmeichelnd Inhaltsblatt zu grausem Schauspiel;
So hoch erhoben, tief gestürzt zu werden;
Zwei holder Knaben bloß geäffte Mutter;
Ein Traum des, was du warst; ein bunt Panier,
Zum Ziel gestellt für jeden droh'nden Schuß;
Ein Schild der Würde, eine Blas', ein Hauch,
Kön'gin zum Spaß, die Bühne nur zu füllen.
Wo ist dein Gatte nun? wo deine Brüder?
Wo deine beiden Söhne? Was noch freut dich?
Wer kniet und sagt nun: Heil der Königin?
Wo sind die Pairs, die schmeichelnd sich dir bückten?
Wo die gedrängten Haufen, die dir folgten?
Geh all dies durch, und sieh, was bist du jetzt.
Statt glücklich Eh'weib, höchst bedrängte Witwe;
Statt frohe Mutter, jammernd bei dem Namen;
Statt angefleht, demütig Flehende;
Statt Königin, mit Not gekrönte Sklavin;
Statt daß du mich verhöhnt, verhöhnt von mir;
Statt allgefürchtet, einen fürchtend nun;
Statt allgebietend, nun gehorcht von keinem.
So bat des Rechtes Lauf sich umgewälzt
Und dich der Zeit zum rechten Raub gelassen;
Nur der Gedanke blieb dir, was du warst,
Auf daß dich's mehr noch foltre, was du bist.
Du maßtest meinen Platz dir an: und fällt
Nicht meiner Leiden richtig Maß dir zu?
Halb trägt dein stolzer Nacken nun mein Joch,
Und hier entzieh ich ihm das müde Haupt
Und lasse dessen Bürde ganz auf dir.
Leb wohl, Yorks Weib, des Unglücks Königin!
In Frankreich labt mir Englisch Weh den Sinn.
Elisabeth.
O du in Flüchen wohl Erfahrne, weile
Und lehre mich, zu fluchen meinen Feinden!
Margaretha.
Versag dir nachts den Schlaf, und faste tags;
Vergleiche totes Glück lebend'gem Weh;
Denk deine Knaben holder, als sie waren,
Und schnöder, als er ist, den, der sie schlug:
Mit dem Verlust muß sich der Abscheu mehren;
Dies überdenken, wird dich fluchen lehren.
Elisabeth.
O schärfe meine stumpfen Wort' an deinen!
Margaretha.
Dein Weh wird scharf sie machen, gleich den meinen.
(Ab.)
Herzogin.
Warum doch ist Bedrängnis reich an Worten?
Elisabeth.
Wind'ge Sachwalter ihrer Leidparteien!
Luft'ge Beerber unbewillter Freuden!
Des Elends arme hingehauchte Redner!
Gönnt ihnen Raum: obschon, was sie gewußt,
Auch sonst nicht hilft, doch lindert es die Brust.
Herzogin.
Ist das, so binde deine Zunge nicht:
Geh mit mir, und im Hauche bittrer Worte
Sei mein verdammter Sohn von uns erstickt,
Der deine beiden süßen Söhn' erstickte.
(Trommeln hinter der Szene.)
Ich höre Trommeln; spar nicht dein Geschrei.
(Richard mit seinem Zuge, auf dem Marsch.)
Richard.
Wer hält in meinem Zuge hier mich auf?
Herzogin.
O sie, die dich möcht aufgehalten haben,
In ihrem fluchbeladnen Schoß dich würgend,
Eh' du, Elender, all den Mord verübt.
Elisabeth.
Birgst du die Stirn mit einer goldnen Krone,
Wo, gäb's ein Recht, gebrandmarkt sollte stehn
Der Mord des Prinzen, des die Krone war,
Und meiner Söhn' und Brüder grauser Tod?
Du büb'scher Knecht, sag, wo sind meine Kinder?
Herzogin.
Du Molch, du Molch, wo ist dein Bruder Clarence
Und Ned Plantagenet, sein kleiner Sohn?
Elisabeth.
Wo ist der wackre Rivers, Vaughan, Grey?
Herzogin.
Wo ist der gute Hastings?
Richard.
Ein Tusch, Trompeten! Trommeln, schlaget Lärm!
Der Himmel höre nicht die Schnischnackweiber
Des Herrn Gesalbten lästern: schlagt, sag ich!
(Tusch. Lärmtrommeln.)
Geduldig seid und gebt mir gute Worte,
Sonst in des Krieges lärmendem Getöse
Ersäuf ich eure Ausrufungen so.
Herzogin.
Bist du mein Sohn?
Richard.
Ja, Gott gedankt sei's, Euch und meinem Vater.
Herzogin.
So hör geduldig meine Ungeduld.
Richard.
Ich habe eine Spur von Eurer Art, Frau Mutter,
Die nicht den Ton des Vorwurfs dulden kann.
Herzogin.
O laß mich reden!
Richard.
Tut's, doch hör ich nicht.
Herzogin.
Ich will in meinen Worten milde sein.
Richard.
Und, gute Mutter, kurz! Denn ich hab Eil'.
Herzogin.
Bist du so eilig? Ich hab dein gewartet,
Gott weiß, in Marter und in Todesangst.
Richard.
Doch kam ich endlich nicht zu Eurem Trost?
Herzogin.
Nein, bei dem heil'gen Kreuz! Zur Welt gebracht,
Hast du die Welt zur Hölle mir gemacht.
Eine schwere Bürde war mir die Geburt;
Launisch und eigensinnig deine Kindheit;
Die Schulzeit schreckhaft, heillos, wild und wütig;
Dein Jugendlenz verwegen, dreist und tollkühn;
Dein reifres Alter stolz, fein, schlau und blutig,
Zwar milder, aber schlimmer, sanft im Haß.
Welch eine frohe Stunde kannst du nennen,
Die je in deinem Beisein mich begnadigt?
Richard.
Find ich so wenig Gnad' in Euren Augen,
So laßt mich weiterziehn und Euch nicht ärgern.--
Trommel gerührt!
Herzogin.
Ich bitt dich, hör mich reden.
Richard.
Ihr redet allzu bitter.
Herzogin.
Hör ein Wort,
Denn niemals wieder werd ich mit dir reden.
Richard.
Wohl!
Herzogin.
Du stirbst entweder durch des Himmels Fügung,
Eh' du aus diesem Krieg als Sieger kommst;
Oder ich vergeh vor Gram und hohem Alter,
Und niemals werd ich mehr dein Antlitz sehn.
Drum nimm mit dir den allerschwersten Fluch,
Der mehr am Tag der Schlacht dich mög' ermüden
Als all die volle Rüstung, die du trägst!
Für deine Gegner streitet mein Gebet,
Und dann der Kinder Eduards kleine Seelen,
Sie flüstern deiner Feinde Geistern zu
Und angeloben ihnen Heil und Sieg.
Blutig, das bist du; blutig wirst du enden:
Wie du dein Leben, wird dein Tod dich schänden. (Ab.)
Elisabeth.
Zwar weit mehr Grund zum Fluchen wohnt mir bei,
Doch minder Mut: drum sag ich Amen nur.
(Will gehen.)
Richard.
Bleibt, gnäd'ge Frau: ich muß ein Wort Euch sagen.
Elisabeth.
Nicht mehr der Söhn' aus königlichem Blut
Für dich zum Morden, Richard, hab ich ja.
Und meine Töchter, nun, die sollen beten
Als Nonnen, nicht als Königinnen weinen:
Und also steh nach ihrem Leben nicht.
Richard.
Ein' Eurer Töchter heißt Elisabeth,
Ist tugendsam und schön, fürstlich und fromm.
Elisabeth.
Und bringt ihr das den Tod? O laß sie leben,
Und ihre Sitten will ich selbst verderben,
Beflecken ihre Schönheit, mich verleumden,
Als wär' ich treulos Eduards Bett gewesen,
Der Schande Schleier werfen über sie:
So sie den blut'gen Streichen nur entrinnt,
Bekenn ich gern, sie sei nicht Eduards Kind.
Richard.
Ehrt ihre Abkunft, sie ist königlich.
Elisabeth.
Ich leugn' es ab, das Leben ihr zu sichern.
Richard.
Ihr Leben sichert die Geburt zumeist.
Elisabeth.
Dadurch gesichert starben ihre Brüder.
Richard.
Weil gute Sterne der Geburt gemangelt.
Elisabeth.
Nein, weil ihr Leben üble Freunde hatte.
Richard.
Nicht umzukehren ist des Schicksals Spruch.
Elisabeth.
Ja, wenn verkehrter Sinn das Schicksal macht.
Den Kindern war ein schönrer Tod beschieden,
Hättst du ein schönres Leben dir erkoren.
Richard.
Ihr sprecht, als hätt' ich meine Vetter umgebracht.
Elisabeth.
Wohl umgebracht! Du brachtest sie um alles:
Um Freude, Reich, Verwandte, Freiheit, Leben.
Wes Hand die zarten Herzen auch durchbohrt,
Dein Kopf, mit krummen Wegen, gab die Richtung;
Stumpf war gewiß das mörderische Messer,
Bis es, gewetzt an deinem harten Herzen,
In meiner Lämmer Eingeweiden wühlte.
Den wilden Gram macht die Gewohnheit zahm,
Sonst nennte meine Zunge deinen Ohren
Nicht meine Knaben eh', als meine Nägel
In deinen Augen schon geankert hätten,
Und ich, in so heilloser Todesbucht,
Gleichwie ein Boot, beraubt der Tau' und Segel,
Zerscheitert wär' an deiner Felsenbrust.
Richard.
So glück' es mir bei meinem Unternehmen
Und blut'gen Kriegs gefährlichem Erfolg,
Als ich mehr Guts gedenk Euch und den Euren,
Als ich je Leids Euch und den Euren tat.
Elisabeth.
Welch Gut, bedeckt vom Angesicht des Himmels,
Ist zu entdecken, das mir Gutes schaffte?
Richard.
Erhebung Eurer Kinder, werte Frau.
Elisabeth.
Zum Blutgerüst, ihr Haupt da zu verlieren.
Richard.
Nein, zu der Höh' und Würdigkeit des Glücks,
Dem hehren Vorbild ird'scher Herrlichkeit.
Elisabeth.
Schmeichle mein Leid mit dem Bericht davon.
Sag, welchen Glückstand, welche Würd' und Ehre
Kannst du auf eins von meinen Kindern bringen?
Richard.
Was ich nur habe; ja, mich selbst und alles
Will ich an deiner Kinder eins verschenken,
So du im Lethe deines zorn'gen Muts
Die trüb' Erinnrung dessen willst ertränken,
Was, wie du meinst, ich dir zu nah getan.
Elisabeth.
Sei kurz, der Antrag deiner Freundschaft möchte
Sonst länger dauern als die Freundschaft
selbst.
Richard.
So wiss', von Herzen lieb ich deine Tochter.
Elisabeth.
Im Herzen denkt es meiner Mutter Tochter.
Richard.
Was denket Ihr?
Elisabeth.
Daß du vom Herzen meine Tochter liebst.
So liebtest du vom Herzen ihre Brüder,
Und ich, vom Herzen, danke dir dafür.
Richard.
Verwirret meine Meinung nicht so rasch.
Ich meine, herzlich lieb ich deine Tochter
Und mache sie zur Königin von England.
Elisabeth.
Wohl, doch wer meinst du, soll ihr König sein?
Richard.
Nun, der zur Königin sie macht. Wer sonst?
Elisabeth.
Wie? du?
Richard.
Ich, eben ich: was dünkt Euch, gnäd'ge Frau?
Elisabeth.
Wie kannst du um sie frein?
Richard.
Das möcht ich lernen
Von Euch, die ihren Sinn am besten kennt.
Elisabeth.
Und willst du's von mir lernen?
Richard.
Herzlich gern.
Elisabeth.
Schick durch den Mann, der ihre Brüder schlug,
Ihr ein paar blut'ge Herzen; grabe drein:
Eduard und York; dann wird sie etwa weinen,
Drum biet ihr (wie Margretha deinem Vater
Weiland getan, getaucht in Rutlands Blut)
Ein Schnupftuch, das den Purpursaft, so sag ihr,
Aus ihrer süßen Brüder Leibe sog,
Und heiß' damit ihr weinend Aug' sie trocknen.
Rührt diese Lockung nicht zur Liebe sie,
Send einen Brief von deinen edlen Taten:
Sag ihr, du räumtest ihren Oheim Clarence
Und Rivers weg; ja, halfest ihrethalb
Der guten Tante Anna schleunig fort.
Richard.
Ihr spottet, gnäd'ge Frau: sie zu gewinnen
Ist das der Weg nicht.
Elisabeth.
Keinen andern gibt's,
Kannst du dich nicht in andre Bildung kleiden
Und nicht der Richard sein, der all dies tat.
Richard.
Setzt, daß ich's nur aus Liebe zu ihr tat.
Elisabeth.
Ja, dann fürwahr muß sie durchaus dich hassen,
Der Lieb' erkauft um solchen blut'gen Raub.
Richard.
Seht, was geschehn, steht jetzo nicht zu ändern.
Der Mensch geht manchmal unbedacht zu Werk,
Was ihm die Folge Zeit läßt zu bereun.
Nahm Euren Söhnen ich das Königreich,
So geb ich's zum Ersatz nun Eurer Tochter.
Bracht' ich die Früchte Eures Schoßes um,
Um Eu'r Geschlecht zu mehren, will ich mir
Aus Eurem Blute Leibeserben zeugen.
Großmutter heißen ist kaum minder lieb
Als einer Mutter innig süßer Name.
Sie sind wie Kinder, nur eine Stufe tiefer,
Von Eurer Kraft, von Eurem echten Blut,
Ganz gleicher Müh' bis auf eine Nacht des Stöhnens,
Von der geduldet, für die Ihr sie littet.
Plag' Eurer Jugend waren Eure Kinder,
Trost Eures Alters sollen meine sein.
Was Ihr verlort, war nur ein Sohn als König,
Dafür wird Eure Tochter Königin.
Ich kann nicht, wie ich wollt', Ersatz Euch schaffen,
Drum nehmt, was ich in Güte bieten kann.
Dorset, Eu'r Sohn, der mißvergnügte Schritte
Mit banger Seel' auf fremdem Boden lenkt,
Wird durch dies holde Bündnis schleunig heim
Zu großer Würd' und hoher Gunst gerufen.
Der König, der die schöne Tochter Gattin nennt,
Wird traulich deinen Dorset Bruder nennen.
Ihr werdet wieder Mutter eines Königs,
Und alle Schäden drangsalvoller Zeiten
Zwiefach ersetzt mit Schätzen neuer Lust.
Ei, wir erleben noch viel wackre Tage!
Die hellen Tränentropfen kommen wieder,
Die ihr vergoßt, in Perlen umgewandelt,
Das Darlehn Euch vergütend, mit den Zinsen
Von zehnfach doppeltem Gewinn des Glücks.
Geh, meine Mutter, geh zu deiner Tochter:
Erfahrung mach' ihr schüchtern Alter dreist;
Bereit ihr Ohr auf eines Freiers Lied;
Leg in ihr zartes Herz die kühne Flamme
Der goldnen Hoheit; lehre die Prinzessin
Der Ehefreuden süß verschwiegne Stunden:
Und wenn der Arm hier jenen Zwergrebellen,
Den ungehirnten Buckingham gezüchtigt,
Dann komm ich prangend im Triumpheskranz
Und führ ins Bett des Siegers deine Tochter;
Ihr liefr' ich die Erobrung wieder ab,
Und sie sei einzig Sieg'rin, Cäsars Cäsar.
Elisabeth.
Wie soll ich sagen? Ihres Vaters Bruder
Will ihr Gemahl sein? Oder sag ich, Oheim?
Oder, der Oheim' ihr erschlug und Brüder?
Auf welchen Namen würb' ich wohl für dich,
Den Gott, Gesetz, meine Ehr' und ihre Liebe
Den zarten Jahren ließ' gefällig sein?
Richard.
Zeig Englands Frieden ihr in diesem Bündnis.
Elisabeth.
Den sie erkaufen wird mit stetem Krieg.
Richard.
Sag ihr, der König, sonst gebietend, bitte.
Elisabeth.
Das von ihr, was der Kön'ge Herr verbeut.
Richard.
Sag, sie werd' eine mächt'ge Königin.
Elisabeth.
Den Titel zu bejammern, sowie ich.
Richard.
Sag, immerwährend lieben woll' ich sie.
Elisabeth.
Wie lang wird wohl dies Wörtchen immer währen?
Richard.
Bis an das Ende ihres holden Lebens.
Elisabeth.
Wie lang wird wohl dies süße Leben währen?
Richard.
So lang Natur und Himmel es verlängt.
Elisabeth.
So lang's die Höll' und Richard leiden mag.
Richard.
Sag, ich, ihr Herrscher, sei ihr Untertan.
Elisabeth.
Zwar Untertanin, haßt sie solche Herrschaft.
Richard.
Zu meinem Besten sei beredt bei ihr.
Elisabeth.
Ein redlich Wort macht Eindruck, schlicht gesagt.
Richard.
So sag ihr meine Lieb' in schlichten Worten.
Elisabeth.
Schlicht und nicht redlich lautet allzu rauh.
Richard.
Zu seicht und lebhaft sind mir Eure Gründe.
Elisabeth.
Nein, meine Gründe sind zu tief und tot;
Zu tief und tot im Grab die armen Kinder.
Richard.
Rührt nicht die Saite mehr: das ist vorbei.
Elisabeth.
Ich will sie rühren, bis das Herz mir springt.
Richard.
Bei meinem George, dem Knieband und der Krone-–
Elisabeth.
Entweiht, entehrt, die dritte angemaßt!
Richard.
Schwör ich--
Elisabeth.
Bei nichts; denn dieses ist kein Schwur.
Der George, entehrt, verlor die heil'ge Ehre;
Befleckt, das Knieband seine Rittertugend;
Geraubt, die Krone ihren Fürstenglanz.
Willst du was schwören, das man glauben mag,
So schwör bei etwas, das du nicht gekränkt.
Richard.
Nun, bei der Welt--
Elisabeth.
Voll deines schnöden Unrechts.
Richard.
Bei meines Vaters Tod--
Elisabeth.
Dein Leben schmäht ihn.
Richard.
Dann bei mir selbst--
Elisabeth.
Dein Selbst ist selbstgeschändet.
Richard.
Beim Himmel--
Elisabeth.
Gottes Kränkung ist die ärgste.
Hättst du gescheut, den Schwur bei ihm zu brechen,
Die Einigkeit, die mein Gemahl gestiftet,
Wär' nicht zerstört, mein Bruder nicht erschlagen.
Hättst du gescheut, den Schwur bei ihm zu brechen,
Dies hehre Gold, umzirkelnd nun dein Haupt,
Es zierte meines Kindes zarte Schläfen
Und beide Prinzen wären atmend hier,
Die nun, im Staub zwei zarte Bettgenossen,
Dein treulos Tun zum Raub der Würmer machte.
Wobei nun kannst du schwören?
Richard.
Bei der künft'gen Zeit.
Elisabeth.
Die kränktest du in der Vergangenheit.
Mit Tränen muß ich selbst die Zukunft waschen,
Für die Vergangenheit, gekränkt durch dich.
Die Kinder, deren Eltern du ermordet,
In unberatner Jugend leben sie
Und müssen es bejammern noch im Alter.
Die Eltern, deren Kinder du geschlachtet,
Als unfruchtbare Pflanzen leben sie
Und müssen es bejammern schon im Alter.
Schwör bei der Zukunft nicht, so mißverwandelt
Durch die vergangne Zeit, die du mißhandelt.
Richard.
So wahr ich sinn auf Wohlfahrt und auf Reu'!
So geh's mir wohl im mißlichen Versuch
Feindsel'ger Waffen! Schlag ich selbst mich selbst!
Himmel und Glück entzieh' mir frohe Stunden!
Tag, weigre mir dein Licht! Nacht, deine Ruh'!
Sei'n alle Glücksplaneten meinem Tun
Zuwider! wo ich nicht mit Herzensliebe,
Mit makelloser Andacht, heil'gem Sinn
Um deine schön' und edle Tochter werbe!
Auf ihr beruht mein Glück und deines auch:
Denn ohne sie erfolgt für mich und dich,
Sie selbst, das Land und viele Christenseelen
Tod und Verwüstung, Fall und Untergang.
Es steht nicht zu vermeiden, als durch dies;
Es wird auch nicht vermieden, als durch dies.
Drum, liebe Mutter (so muß ich Euch nennen),
Seid meiner Liebe Anwalt: stellt ihr vor
Das, was ich sein will, nicht, was ich gewesen;
Nicht mein Verdienst, nein, was ich will verdienen;
Dringt auf die Notdurft und den Stand der Zeiten,
Und seid nicht launenhaft in großen Sachen.
Elisabeth.
Soll ich vom Teufel so mich locken lassen?
Richard.
Ja, wenn der Teufel dich zum Guten lockt.
Elisabeth.
Soll ich denn selbst vergessen meiner selbst?
Richard.
Wenn Eurer selbst gedenken selbst Euch schadet.
Elisabeth.
Du brachtest meine Kinder um.
Richard.
In Eurer Tochter Schoß begrab ich sie;
Da, in dem Nest der Würz', erzeugen sie
Sich selber neu, zu Eurer Wiedertröstung.
Elisabeth.
Soll ich die Tochter zu gewinnen gehn?
Richard.
Und seid beglückte Mutter durch die Tat.
Elisabeth.
Ich gehe; schreibt mir allernächstens,
Und Ihr vernehmt von mir, wie sie gesinnt.
Richard.
Bringt meinen Liebeskuß ihr, und lebt wohl.
(Küßt sie. Elisabeth ab.)
Nachgieb'ge Törin! wankelmütig Weib!
Nun? was gibt's Neues?
(Ratcliff tritt auf, und Catesby folgt ihm.)
Ratcliff.
Gewalt'ger Fürst, im Westen längs der Küste
Wogt eine mächt'ge Flotte; hin zum Strand
Drängt sich ein Haufe hohlgeherzter Freunde,
Wehrlos und ohn' Entschluß, sie wegzutreiben.
Man meinet, Richmond sei ihr Admiral.
Sie liegen da, die Hilfe Buckinghams
Erwartend nur, am Strand sie zu empfangen.
Richard.
Ein flinker Freund soll hin zum Herzog Norfolk:
Du, Ratcliff; oder Catesby: wo ist er?
Catesby.
Hier, bester Herr.
Richard.
Catesby, flieg hin zum Herzog.
Catesby.
Das will ich, Herr, mit aller nöt'gen Eil'.
Richard.
Ratcliff, komm her. Reit hin nach Salisbury:
Wenn du dahin kommst--
(Zu Catesby.) Unachtsamer Schurke,
Was säumst du hier, und gehst nicht hin zum Herzog?
Catesby.
Erst, hoher Herr, erklärt die gnäd'ge Meinung,
Was ich von Euer Hoheit ihm soll melden.
Richard.
Wahr, guter Catesby! Gleich aufbringen soll er
Die größte Macht und Mannschaft, die er kann,
Und treffe mich alsbald zu Salisbury.
Catesby.
Ich gehe. (Ab.)
Ratcliff.
Was soll ich, wenn's beliebt, zu Salisbury?
Richard.
Ei, was hast du zu tun da, eh' ich komme?
Ratcliff.
Eu'r Hoheit sagte mir, vorauszureiten.
(Stanley tritt auf.)
Richard.
Ich bin itzt andern Sinns.--Stanley, was bringst
du Neues?
Stanley.
Nichts Gutes, Herr, daß Ihr es gerne hörtet,
Noch auch so schlimm, daß man's nicht melden dürfte.
Richard.
Heida, ein Rätsel! weder gut noch schlimm!
Was brauchst du so viel Meilen umzugehn,
Statt grades Weges deinen Spruch zu sprechen?
Nochmal, was gibt's?