William Shakespear

Coriolanus
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Herold.
Kund sei dir, Rom, daß Marcius ganz allein
Focht in Corioli und mit Ruhm erwarb
Zu Cajus Marcius einen Namen: diesen
Folgt ruhmvoll: Cajus Marcius Coriolanus.
Gegrüßt in Rom, berühmter Coriolanus!  

(Trompeten.)

Alle.
Gegrüßt in Rom, berühmter Coriolanus!

Coriolanus.
Laßt's nun genug sein, denn es kränkt mein Herz.
Genug, ich bitte!

Cominius.
Sieh, Freund, deine Mutter.

Coriolanus.
O!
Ich weiß, zu allen Göttern flehtest du
Für mein Gelingen.  

(Er kniet vor ihr nieder.)

Volumnia.
Nein; auf, mein wackrer Krieger,
Mein edler Marcius, würdger Cajus, und
Durch taterkaufte Ehren neu benannt;
Wie war's doch?  Coriolan muß ich dich nennen?
Doch sieh, dein Weib.

Coriolanus.
Mein lieblich Schweigen, Heil!
Hättst du gelacht, käm auf der Bahr ich heim,
Da weinend meinen Sieg du schaust?  O, Liebe!
So in Corioli sind der Witwen Augen,
Der Mütter, Söhne klagend.

Menenius.
Die Götter krönen dich!

Coriolanus.
Ei, lebst du noch?  (Zu Valeria.)  O! edle Frau, verzeiht!

Volumnia.
Wohin nur wend ich mich?  Willkommen heim!
Willkommen, Feldherr!  Alle sind willkommen!

Menenius.
Willkommen tausendmal.  Ich könnte weinen
Und lachen; ich bin leicht und schwer.  Willkommen!
Es treff ein Fluch im tiefsten Herzen den,
Der nicht mit Freuden dich erblickt.  Euch drei
Sollt Rom vergöttern.--Doch, auf Treu und Glauben,
Holzäpfel, alte, stehn noch hier, die niemals
Durch Pfropfen sich veredeln.  Heil euch, Krieger!
Die Nessel nennen wir nur Nessel, und
Der Narren Fehler Narrheit.

Cominius.
Stets der Alte!

Coriolanus.
Immer Menenius, immer.

Herold.
Platz da!  Weiter!

Coriolanus (zu Frau und Mutter).
Deine Hand, und deine,
Eh noch mein eignes Haus mein Haupt beschattet,
Besuch ich erst die trefflichen Patrizier,
Von denen ich nicht Grüße nur empfing,
Auch mannigfache Ehren.

Volumnia.
Ich erlebt es,
Erfüllt zu sehn den allerhöchsten Wunsch,
Den kühnsten Bau der Einbildung.  Nur eins
Fehlt noch, und das, ich zweifle nicht,
Wird unser Rom dir schenken.

Coriolanus.
Gute Mutter,
Ich bin auf meine Art ihr Sklave lieber,
Als auf die ihrige mit ihnen Herrscher.

Cominius.
Zum Kapitol.  

(Trompeten, Hörner.  Sie gehn alle im feierlichen 
Zuge ab, wie sie kamen.  Die Tribunen bleiben.)

Brutus.
Von ihm spricht jeder Mund; das blöde Auge
Trägt Brillen, ihn zu sehn.  Die Amme, schwatzend
Läßt ihren Säugling sich in Krämpfe schrein,
Von ihm herplappernd.  Seht, die Küchenmagd
Knüpft um den rauchgen Hals ihr bestes Leinen,
Die Wand erkletternd; Buden, Bänk und Fenster
Gefüllt; das Dach besetzt, der First beritten
Mit vielerlei Gestaltung: alle einig
In Gier, nur ihn zu schaun.  Es drängen sich
Fast nie gesehne Priester durch den Schwarm
Und stoßen, um beim Pöbel Platz zu finden;
Verhüllte Fraun ergeben Weiß und Rot
Auf zartgeschonter Wang dem wilden Raub
Von Phöbus' Feuerküssen.  Solch ein Wirrwarr,
Als wenn ein fremder Gott, der mit ihm ist,
Sich still in seine Menschenform geschlichen
Und ihm der Anmut Zauber mitgeteilt.

Sicinius.
Im Umsehn, glaub mir, wird er Konsul sein.

Brutus.
Dann schlafe unser Amt, solang er herrscht.

Sicinius.
Er kann nicht mäßgen Schritts die Würden tragen
Vom Anfang bis zum Ziel; er wird vielmehr
Verlieren den Gewinn.

Brutus.
Das ist noch Trost.

Sicinius.
O, zweifelt nicht: das Volk, für das wir stehn,
Vergißt, nach angebornen Bosheit, leicht
Auf kleinsten Anlaß diesen neuen Glanz;
Und daß er Anlaß gibt, ist so gewiß,
Als ihn sein Hochmut spornt.

Brutus.
Ich hört ihn schwören,
Würb er um's Konsulat, so wollt er nicht
Erscheinen auf dem Marktplatz, noch sich hüllen
Ins abgetragne, schlichte Kleid der Demut;
Noch, wie die Sitt ist, seine Wunden zeigend
Dem Volk, um ihren übeln Atem betteln.

Sicinius.
Gut!

Brutus.
So war sein Wort.  Eh gibt er's auf, als daß
Er's nimmt, wenn nicht der Adel ganz allein
Es durchsetzt mit den Vätern.

Sicinius.
Höchst erwünscht!
Bleib er nur bei dem Vorsatz und erfüll ihn,
Kommt's zur Entscheidung.

Brutus.
Glaubt's, er wird es tun.

Sicinius.
Dann bringt es ihm, wie's unser Vorteil heischt,
Den sichern Untergang.

Brutus.
Der muß erfolgen,
Sonst fallen wir.  Zu diesem Endzweck denn
Bereden wir das Volk, daß er sie stets
Gehaßt; und, hätt er Macht, zu Eseln sie
Umschafft', verstummen hieße ihre Sprecher
Und ihre Freiheit bräche, schätze sie,
In Fähigkeit des Geists und Kraft zu handeln,
Von nicht mehr Seel und Nutzen für die Welt
Als das Kamel im Krieg, das nur sein Futter
Erhält, um Last zu tragen; herbe Schläge,
Wenn's unter ihr erliegt.

Sicinius.
Dies eingeblasen,
Wenn seine Frechheit einst im höchsten Flug
Das Volk erreicht (woran's nicht fehlen wird,
Bringt man ihn auf, und das ist leichter noch
Als Hund auf Schafe hetzen), wird zur Glut,
Ihr dürr Gestrüpp zu zünden, dessen Dampf
Ihn schwärzen wird auf ewig.  

(Ein Bote tritt auf.)

Brutus.
Nun, was gibt's?

Bote.
Ihr seid aufs Kapitol geladen.  Sicher
Glaubt man, daß Marcius Konsul wird.  Ich sah
Die Stummen drängen, ihn zu sehn, die Blinden,
Ihn zu vernehmen, Frauen warfen Handschuh',
Jungfraun und Mädchen Bänder hin und Tücher,
Wo er vorbeiging; die Patrizier neigten
Wie vor des Jovis Bild.  Das Volk erregte
Mit Schrein und Mützenwerfen Donnerschauer.
So etwas sah ich nie.

Brutus.
Zum Kapitol!
Habt Ohr und Auge, wie's die Zeit erheischt,
Und Herz für die Entscheidung--

Sicinius.
Nehmt mich mit.

(Alle ab.)



Zweite Szene

Das Kapitol 
Zwei Ratsdiener welche Polster legen


Erster Ratsdiener.
Komm, komm.  Sie werden gleich hier sein.  Wie viele werben 
um das Konsulat?

Zweiter Ratsdiener.
Drei, heißt es; aber jedermann glaubt, daß Coriolanus es 
erhalten wird.

Erster Ratsdiener.
Das ist ein wackrer Gesell; aber er ist verzweifelt stolz 
und liebt das gemeine Volk nicht.

Zweiter Ratsdiener.
Ei! es hat viele große Männer gegeben, die dem Volk schmeichelten 
und es doch nicht liebten.  Und es gibt manche, die das Volk geliebt 
hat, ohne zu wissen, warum?  Also, wenn sie lieben, so wissen sie 
nicht, weshalb, und sie hassen aus keinem besseren Grunde; darum, 
weil es den Coriolanus nicht kümmert, ob sie ihn lieben oder hassen, 
beweist er die richtige Einsicht, die er von ihrer Gemütsart hat; 
und seine edle Sorglosigkeit zeigt ihnen dies deutlich.

Erster Ratsdiener.
Wenn er sich nicht darum kümmerte, ob sie ihn lieben oder nicht, 
so würde er sich unparteiisch in der Mitte halten und ihnen weder 
Gutes noch Böses tun; aber er sucht ihren Haß mit größerm Eifer, 
als sie ihm erwidern können, und unterläßt nichts, was ihn vollständig 
als ihren Gegner zeigt.  Nun, sich die Miene geben, daß man nach dem 
Haß und dem Mißvergnügen des Volkes strebt, ist so schlecht, wie das, 
was er verschmäht: ihnen um ihrer Liebe willen zu schmeicheln.

Zweiter Ratsdiener.
Er hat sich um sein Vaterland sehr verdient gemacht.  Und sein Aufsteigen 
ist nicht auf so bequemen Staffeln wie jener, welche geschmeidig und 
höflich gegen das Volk, mit geschwenkten Mützen, ohne weitre Tat, 
Achtung und Ruhm eingingen.  Er aber hat seine Verdienste ihren Augen 
und seine Taten ihren Herzen so eingepflanzt, daß wenn ihre Zungen 
schweigen wollten und dies nicht eingestehn, es eine Art von undankbarer 
Beschimpfung sein würde; es zu leugnen, wäre eine Bosheit, die, indem 
sie sich selbst Lügen strafte, von jedem Ohr, das sie hörte, Vorwurf und 
Tadel erzwingen müßte.

Erster Ratsdiener.
Nichts mehr von ihm, er ist ein würdiger Mann.  Mach Platz, sie kommen.  
Trompeten.  Es treten auf der Konsul Cominius, dem die Liktoren vorausgehen, 
Menenius, Coriolanus, mehrere Senatoren, Sicinius und Brutus.  Senatoren 
und Tribunen nehmen ihre Plätze.

Menenius.
Da ein Beschluß gefaßt, der Volsker wegen,
Und wir den Titus Lartius heimberufen,
Bleibt noch als Hauptpunkt dieser zweiten Sitzung,
Des Helden edlen Dienst zu lohnen, der
So für sein Vaterland gekämpft.--Geruht dann,
Ehrwürdge, ernste Väter, und erlaubt
Ihm, der jetzt Konsul ist und Feldherr war
In unserm wohlbeschloßnen Krieg, ein wenig
Zu sagen von dem edlen Werk, vollführt
Durch Cajus Marcius Coriolanus, der
Hier mit uns ist, um dankbar ihn zu grüßen
Durch Ehre, seiner wert.

Erster Senator.  Cominius, sprich.
Laß, als zu lang, nichts aus.  Wir glauben eh',
Daß unserm Staat die Macht zu lohnen fehlt,
Als uns der weitste Wille.  Volksvertreter,
Wir bitten euer freundlich Ohr und dann
Eur günstig Fürwort beim gemeinen Volk,
Daß gelte, was wir wünschen.

Sicinius.
Wir sind hier
Zu freundlichem Vergleiche; unsre Herzen
Nicht abgeneigt zu ehren, zu befördern
Ihn, der uns hier versammelt.

Brutus.
Um so lieber
Tun wir dies freudgen Muts, gedenkt er auch
Des Volks mit beßrem Sinn, als er bisher
Es hat geschätzt.

Menenius.
Das paßt nicht, paßt hier nicht.
Ihr hättet lieber schweigen sollen.  Gefällt's euch,
Cominius anzuhören?

Brutus.
Herzlich gern.
Doch war mein Warnen besser hier am Platz
Als der Verweis.

Menenius.
Er liebt ja euer Volk;
Doch zwingt ihn nicht, ihr Schlafgesell zu sein.
Edler Cominius, spricht

(Coriolanus steht auf und will gehn.)

Nein, bleib nur sitzen.

Erster Senator.
Bleib, Coriolanus, schäm dich nicht, zu hören,
Was edel du getan.

Coriolanus.
Verzeiht mir, Väter,
Eh will ich noch einmal die Wunden heilen,
Als hören, wie ich dazu kam.

Brutus.
Ich hoffe,
Mein Wort vertrieb Euch nicht.

Coriolanus.
O nein! doch oft
Hielt ich den Streichen stand und floh vor Worten.
Nicht schmeichelt und drum kränkt Ihr nicht.  Eur Volk,
Das lieb ich nach Verdienst.

Menenius.
Setzt Euch.

Coriolanus.
Eh ließ ich
Im warmen Sonnenschein den Kopf mir kratzen,
Wenn man zum Angriff bläst, als, müßig sitzend,
Mein Nichts zum Fabelwerk vergrößert hören.  

(Geht ab.)

Menenius.
Volksvertreter!
Wie könnt er euer scheckgen Brut' wohl schmeicheln,
Wo einer gut im Tausend?  wenn ihr seht,
Er wagt eh alle Glieder für den Ruhm,
Als eins von seinen Ohren, ihn zu hören?
Cominius, fahre fort.

Cominius.
Mir fehlt's an Stimme.  Coriolanus' Taten
Soll man nicht schwach verkünden.  Wie man sagt,
Ist Mut die erste Tugend und erhebt
Zumeist den Eigner; ist es so, dann wiegt
Den Mann, von dem ich sprech, in aller Welt
Kein andrer auf.  Mit sechzehn Jahren schon,
Da, als Tarquin Rom überzog, da focht er
Voraus den Besten.  Der Diktator, hoch
Und groß gepriesen stets, sah seinen Kampf;
Wie mit dem Kinn der Amazon er jagte
Die bärtgen Lippen; zog aus dem Gedränge
Den hingestürzten Römer; schlug drei Feinde
Im Angesicht des Konsuls; traf Tarquin
Und stürzt' ihn auf das Knie.  An jenem Tag,
Als er ein Weib konnt auf der Bühne spielen,
Zeigt' er sich ganz als Mann im Kampf; zum Lohn
Ward ihm der Eichenkranz.  Sein zartes Alter
Gereift zum Manne, wuchs er, gleich dem Meer,
Und seit der Zeit, im Sturm von siebzehn Schlachten,
Streift' er den Kranz von jedem Schwert.  Sein Letztes,
Erst vor, dann in Corioli, ist so,
Daß jedes Lob verarmt.  Die Fliehnden hemmt' er,
Und durch sein hohes Beispiel ward dem Feigsten
Zum Spiel das Schrecknis.  So wie Binsen tauchen
Dem Schiff im Segeln, wichen ihm die Menschen
Und schwanden seinem Streich.  Sein Schwert, Todstempel,
Schnitt, wo es fiel, von Haupt zu Füßen nieder.
Vernichtung war er; jeglicher Bewegung
Hallt Sterberöcheln nach.  Allein betrat er
Das Todestor der Stadt, das er bemalt
Mit unentrinnbarm Weh, und ohne Beistand
Entkommt er, trifft mit plötzlicher Verstärkung
Die Stadt, wie 'n Meteor; und sein ist alles,
Da plötzlich weckt ihm Schlachtgetöse rufend
Den wachen Sinn, und schnell den Mut verdoppelnd
Belebt sich frisch sein arbeitmüder Leib:
Er stürzt in neuen Kampf und schreitet nun
Blutdampfend über Menschenleben hin,
Als folg ihm Mord und Tod.  Und bis wir Stadt
Und Schlachtfeld unser nannten, ruht' er nicht,
Um Atem nur zu schöpfen.

Menenius.
Würdger Mann!

Erster Senator.
Im vollsten Maß ist er der Ehre wert,
Die seiner harrt.

Cominius.
Die Beute stieß er weg.
Kostbare Dinge sah er an, als wär's
Gemeiner Staub und Kehricht; wen'ger nimmt er,
Als selbst der Geiz ihm gäbe.  Ihm ist Lohn
Für Großtat, sie zu tun.  Zufrieden ist er,
Sein Leben so zu opfern ohne Zweck.

Menenius.
Er ist von wahrem Adel.  Ruft ihn her.

Erster Senator.
Ruft Coriolanus.

Erster Ratsdiener.
Er tritt schon herein.  Coriolanus kommt zurück.

Menenius.
Mt Freud ernennt dich, Coriolan, zum Konsul
Der sämtliche Senat.

Coriolanus.
Stets weih ich ihm
Mein Leben, meinen Dienst.

Menenius.
Jetzt bleibt nur noch,
Daß du das Volk anredest.

Coriolanus.
Ich ersuch euch,
Erlaßt mir diesen Brauch; denn ich kann nicht
Das Kleid antun, entblößt stehn und sie bitten,
Um ihre Stimmen, meiner Wunden wegen.
Erlaubt, die Sitte zu umgehn.

Sicinius.
Das Volk, Herr,
Muß Euer Werben haben, läßt nicht fahren
Den kleinsten Punkt des Herkomms.

Menenius.
Reizt es nicht.
Nein, bitte! fügt Euch dem Gebrauch und nehmt,
Wie es bisher die Konsuln all getan,
Die Würd in ihrer Form.

Coriolanus.
's ist eine Rolle,
Die ich errötend spiel; auch wär es gut,
Dem Volke dies zu nehmen.

Brutus.
Hört ihr das?

Coriolanus.
Vor ihnen prahlen: dies tat ich und das;
Geheilte Schmarren zeigen, die ich bergen sollte,
Als hätt ich sie um ihres Atems Lohn
Allein bekommen.--

Menenius.
Nein, du mußt dich fügen.
Ihr Volkstribunen, euch empfehlen wir:
Macht den Entschluß bekannt.  Dem edlen Konsul
Sei alle Freud und Ehre!

Senatoren.
Den Coriolanus kröne Freud und Ehre!  

(Trompeten.  Die Senatoren gehn.)

Brutus.
Ihr seht, wie er das Volk behandeln will.

Sicinius.
Wenn sie's nur merkten.  Er wird sie ersuchen,
Als wie zum Hohn, daß er von ihnen bittet,
Was sie gewähren müssen.

Brutus.
Doch sogleich
Erfahren sie, was hier geschah.  Ich weiß,
Sie warten unser auf dem Markt.

(Sie gehn ab.)



Dritte Szene

Das Forum 
Mehrere Bürger treten auf


Erster Bürger.
Ein und für allemal: wenn er unsre Stimmen verlangt, können 
wir sie ihm nicht abschlagen.

Zweiter Bürger.
Wir können, Freund, wenn wir wollen.

Dritter Bürger.
Wir haben freilich die Gewalt; aber es ist eine Gewalt, die wir 
nicht Gewalt haben, zu gebrauchen.  Denn wenn er uns seine Wunden 
zeigt und seine Taten erzählt, so müssen wir unsre Zungen in diese 
Wunden legen und für ihn sprechen; ebenso, wenn er uns seine edlen 
Taten mitteilt, so müssen wir ihm unsre edle Anerkennung derselben 
mitteilen.  Undankbarkeit ist ungeheuer; wenn die Menge nun undankbar 
wäre, das hieße, aus der Menge ein Ungeheuer machen; wir, die wir 
Glieder derselben sind, würden ja dadurch Ungeheuerglieder werden.

Erster Bürger.
Und es fehlt wenig, daß wir für nichts besser gehalten werden; 
denn dazumal, als wir wegen des Korns einen Aufstand machten, 
scheute er sich nicht, uns die vielköpfige Menge zu nennen.

Dritter Bürger.
So hat uns schon mancher genannt.  Nicht, weil von unsern Köpfen 
einige braun, einige schwarz, einige scheckig und einige kahl sind, 
sondern weil unser Witz so vielfarbig ist; und das glaube ich 
wahrhaftig, auch wenn alle unsre Witze aus einem und demselben 
Schädel herausgelassen würden, so flögen sie nach Ost, West, Nord 
und Süd; und verständigten sie sich, einen graden Weg zu suchen, so 
würden sie zugleich auf allen Punkten des Kompasses sein.

Zweiter Bürger.
Glaubst du das?  Wohin, denkst du, würde dann mein Witz fliegen?

Dritter Bürger.
O! dein Witz kann nicht so schnell heraus, als der von andern Leuten; 
denn er ist zu fest in einen Klotzkopf eingekeilt; aber wenn er seine 
Freiheit hätte, so würde er gewiß südwärts fliegen.

Zweiter Bürger.
Warum dahin?

Dritter Bürger.
Um sich in einem Nebel zu verlieren; wären nun drei Viertel davon in 
faulem Dunst weggeschmolzen, so würde der letzte Teil aus 
Gewissenhaftigkeit zurückkommen, um dir zu einer Frau zu verhelfen.

Zweiter Bürger.
Du hast immer deine Schwänke im Kopf.  Schon gut, schon gut!

Dritter Bürger.
Seid ihr alle entschlossen, eure Stimmen zu geben?  Aber das macht 
nichts; die größere Zahl setzt es durch.  Ich bleibe dabei: wenn er 
dem Volke geneigter wäre, so gab es nie einen bessern Mann.

(Coriolanus und Menenius treten auf.)

Hier kommt er! und zwar in dem Gewand der Demut.  Gebt acht auf sein 
Betragen.--Wir müssen nicht so beisammen bleiben, sondern zu ihm gehn, 
wo er steht, einzeln oder zu zweien und dreien.  Er muß jedem besonders 
eine Bitte vortragen, dadurch erlangt der einzelne die Ehre, ihm seine 
eigne Stimme mit seiner eignen Zunge zu geben.  Darum folgt mir, und ich 
will euch anweisen, wie ihr zu ihm gehn sollt.

Alle.
Recht so, recht so!  

(Sie gehn ab.)

Menenius.
Nein, Freund, Ihr habt nicht recht.  Wißt Ihr denn nicht,
Die größten Männer taten's.

Coriolanus.
Was nur sag ich?
Ich bitte!--Herr.--Verdammt! ich kann die Zunge
In diesen Gang nicht bringen.  Seht die Wunden--
Im Dienst des Vaterlands empfing ich sie,
Als ein'ge Euer Brüder brüllend liefen
Vor unsern eignen Trommeln.

Menenius.
Nein.--Ihr Götter!
Nicht davon müßt Ihr reden.  Nein, sie bitten,
An Euch zu denken.

Coriolanus.
An mich denken!  Hängt sie!
Vergäßen sie mich lieber, wie die Tugend,
Umsonst von Priestern eingeschärft.

Menenius.
Ich bitte!
Verderbt nicht alles, sprecht sie an; doch, bitt ich,
Anständger Weis.  Es kommen zwei Bürger.

Coriolanus.
Heißt ihr Gesicht sie waschen
Und ihre Zähne reinigen.  Ach! da kommt so'n Paar!
Ihr wißt den Grund, weshalb ich hier bin, Freund.

Erster Bürger.
Jawohl; doch sagt, was Euch dazu gebracht?

Coriolanus.
Mein eigner Wert.

Zweiter Bürger.
Euer eigner Wert?

Coriolanus.
Ja, Nicht
Mein eigner Wunsch.

Erster Bürger.
Wie?  Nicht Euer eigner Wunsch?

Coriolanus.
Nein, Freund! nie war's mein eigner Wunsch, mit Betteln
Den Armen zu belästigen.

Erster Bürger.
Ihr müßt denken,
Wenn wir Euch etwas geben, ist's in Hoffnung,
Durch Euch auch zu gewinnen.

Coriolanus.
Gut, sagt mir den Preis des Konsulats.

Erster Bürger.
Der Preis ist: freundlich drum zu bitten.

Coriolanus.
Freundlich?
Ich bitte, gönnt mir's.  Wunden kann ich zeigen,
Wenn wir allein sind--Eure Stimme, Herr!
Was sagt Ihr?

Zweiter Bürger.
Würdger Mann, Ihr sollt sie haben.

Coriolanus.
Geschloßner Kauf!
Zwei edle Stimmen also schon erbettelt.
Eur Almosen hab ich!--Geht!

Erster Bürger.
Doch das ist seltsam.

Zweiter Bürger.
Müßt ich sie nochmals geben--doch--meinthalb.  

(Sie gehn ab.)

Zwei andere Bürger kommen.

Coriolanus.
Ich bitt euch nun, wenn sich's zu dem Tone eurer Stimmen paßt, 
daß ich Konsul werde; ich habe hier den üblichen Rock an.

Dritter Bürger.
Ihr habt Euch edel um Euer Vaterland verdient gemacht und habt 
Euch auch nicht edel verdient gemacht.

Coriolanus.
Euer Rätsel?

Dritter Bürger.
Ihr waret eine Geißel für seine Feinde; Ihr waret eine Rute für 
seine Freunde.  Ihr habt, die Wahrheit zu sagen, das gemeine Volk 
nicht geliebt.

Coriolanus.
Ihr solltet mich für um so tugendhafter halten, da ich meine Liebe 
nicht gemein gemacht habe.  Freund, ich will meinem geschwornen Bruder, 
dem Volk, schmeicheln, um eine beßre Meinung von ihm zu ernten: es 
ist ja eine Eigenschaft, die sie hoch anrechnen.  Und da der Weisheit 
ihrer Wahl mein Hut lieber ist als mein Herz, so will ich mich auf 
die einschmeichelnde Verbeugung üben und mich mit ihnen abfinden auf 
ganz nachäffende Art.  Das heißt, Freund, ich will die Bezauberungskünste 
irgendeines Volksfreundes nachäffen und den Verlangenden höchst 
freigebig mitteilen.  Deshalb bitt ich euch: laßt mich Konsul werden.

Vierter Bürger.
Wir hoffen, uns in Euch einen Freund zu erwerben, und geben Euch darum 
unsre Stimmen herzlich gern.

Dritter Bürger.
Ihr habt auch mehrere Wunden für das Vaterland empfangen.

Coriolanus.
Ich will eure Kenntnis nicht dadurch besiegeln, daß ich sie euch zeige.  
Ich will eure Stimmen sehr hoch schätzen und euch nun nicht länger zur 
Last fallen.

Beide Bürger.
Die Götter geben Euch Freude: das wünschen wir aufrichtig.  

(Die Bürger gehn ab.)

Coriolanus.
O süße Stimmen!
Lieber verhungert, lieber gleich gestorben,
Als Lohn erbetteln, den wir schon erworben.
Warum soll hier im Narrenkleid ich stehn,
Um Hinz und Kunz und jeden anzuflehn
Um nutzlos Fürwort?  Weil's der Brauch verfügt.
Doch wenn sich alles vor Gebräuchen schmiegt,
Wird nie der Staub des Alters abgestreift,
Berghoher Irrtum wird so aufgehäuft,
Daß Wahrheit nie ihn überragt.  Eh zahm,
Noch Narr ich bin, sei aller Ehrenkram
Dem, den's gelüstet.--Halb ist's schon geschehn,
Viel überstanden, mag's nun weitergehn.

(Drei andre Bürger kommen.)

Mehr Stimmen noch!--
Eure Stimmen! denn für eure Stimmen focht ich,
Für eure Stimmen wacht ich, für eure Stimmen
Hab ich zwei Dutzend Narben; achtzehn Schlachten
Hab ich gesehn, gehört; für eure Stimmen
Getan sehr vieles, minder, mehr.  Eure Stimmen!
Gewiß, gern wär ich Konsul.

Fünfter Bürger.
Er hat edel gehandelt, und kein redlicher Mann kann ihm seine 
Stimme versagen.

Sechster Bürger.
Darum laßt ihn Konsul werden.  Die Götter verleihen ihm Glück 
und machen ihn zum Freund des Volkes.

Alle.
Amen!  Amen!
Gott schütz dich, edler Konsul!

Coriolanus.
Würdge Stimmen! 

(Die Bürger gehn ab.)

Menenius, Sicinius und Brutus treten auf.

Menenius.
Ihr gnügtet jetzt der Vorschrift.  Die Tribunen
Erhöhen Euch durch Volkesstimm, es bleibt nur,
Daß im Gewand der Würde Ihr alsbald
Nun den Senat besucht.

Coriolanus.
Ist dies nun aus?

Sicinius.
Genügt habt Ihr dem Brauche des Ersuchens,
Das Volk bestätigt Euch, Ihr seid geladen
Zur Sitzung, um ernannt sogleich zu werden.

Coriolanus.
Wo?  Im Senat?

Sicinius.
Ja, Coriolanus, dort.

Coriolanus.
Darf ich die Kleider wechseln?

Sicinius.
Ja, Ihr dürft es.

Coriolanus.
Das will ich gleich; und kenn ich selbst mich wieder,
Mich zum Senat verfügen.

Menenius.
Ich geh mit Euch.  Wollt ihr uns nicht begleiten?

Brutus.
Wir harren hier des Volks.

Sicinius.
Gehabt euch wohl!

(Coriolan und Menenius gehn ab.)

Er hat's nun, und, mich dünkt, sein Blick verriet,
Wie's ihm am Herzen liegt.

Brutus.
Mit stolzem Herzen trug er
Der Demut Kleid.  Wollt Ihr das Volk entlassen?  Die Bürger 
kommen zurück.

Sicinius.
Nun, Freunde, habt ihr diesen Mann erwählt?

Erster Bürger.
Ja, unsre Stimmen hat er.

Brutus.
Die Götter machen wert ihn eurer Liebe.

Zweiter Bürger.
Amen!  Nach meiner armen, schwachen Einsicht
Verlacht' er uns, um unsre Stimmen bittend.

Dritter Bürger.
Gewiß, er höhnt' uns gradezu.

Erster Bürger.
Nein, das ist seine Art; er höhnt' uns nicht.

Zweiter Bürger.
Du bist der einzge, welcher sagt, er habe
Uns schmählich nicht behandelt; zeigen sollt er
Die Ehrenmal', fürs Vaterland die Wunden.

Sicinius.
Nun, und das tat er doch?

Mehrere Bürger.
Nein, keiner sah sie.

Dritter Bürger.
Er habe Wunden, insgeheim zu zeigen,
Sprach er, uns so den Hut verächtlich schwenkend:
Ich möchte Konsul sein;--doch, alter Brauch
Erlaubt es nicht, als nur durch eure Stimmen.
Drum eure Stimmen!--Als wir eingewilligt,
Da hieß es: Dank für eure Stimmen, dank euch!
O süße Stimmen! nun ihr gabt die Stimmen,
Stör ich euch länger nicht.--War das kein Hohn?

Sicinius.
Ihr waret blöde, scheint's, dies nicht zu sehn;
Und, saht ihr's, allzu kindisch, freundlich doch
Die Stimmen ihm zu leihn.

Brutus.
Was?  Spracht ihr nicht
Nach Anweisung?  Als er noch ohne Macht
Und nur des Vaterlands geringer Diener,
Da war er euer Feind, sprach stets der Freiheit
Entgegen und den Rechten, die ihr habt
Im Körper unsers Staats; und nun erhoben
Zu mächtgem Einfluß und Regierung selbst--
Wenn er auch da mit bösem Sinn verharrt,
Feind der Plebejer, könnten eure Stimmen
Zum Fluch euch werden.  Konntet ihr nicht sagen:
Gebühr auch seinem edlen Tun nichts mindres,
Als was er suche, mög er doch mit Huld,
Zum Lohn für eure Stimmen, euer denken,
Verwandelnd seinen Haß für euch in Liebe,
Euch Freund und Gönner sein?

Sicinius.
Spracht ihr nun so,
Wie man euch riet, so ward sein Geist erregt,
Sein Sinn geprüft; so ward ihm abgelockt
Ein gütiges Versprechen, woran ihr,
Wenn Ursach sich ergab, ihn mahnen konntet.
Wo nicht, so ward sein trotzig Herz erbittert,
Das keinem Punkt sich leicht bequemt, der irgend
Ihn binden kann; so, wenn in Wut gebracht,
Nahmt ihr den Vorteil seines Zornes wahr,
Und er blieb unerwählt.

Brutus.
Bemerktet ihr,
Wie er euch frech verhöhnt', indem er bat,
Da eure Lieb er brauchte?  Wie--und glaubt ihr,
Es wird euch nicht sein Hohn zermalmend treffen,
Wenn ihm die Macht wird?  War in all den Körpern
Denn nicht ein Herz?  Habt ihr nur deshalb Zungen,
Weisheit, Vernunft zu überschrein?

Sicinius.
Habt ihr
Nicht Bitten sonst versagt?  und jetzo ihm,
Der euch nicht bat, nein, höhnte, wollt ihr schenken
Die Stimmen, die sonst jeder ehrt?

Dritter Bürger.
Noch ward er nicht ernannt, wir können's weigern.

Zweiter Bürger.
Und wollen's weigern.
Fünfhundert Stimmen schaff ich von dem Klang.

Erster Bürger.
Ich dopple das und ihre Freund' als Zutat.

Brutus.
So macht euch eilig fort.  Sagt diesen Freunden,
Sie wählen einen Konsul, der der Freiheit
Sie wird berauben, uns so stimmlos machen
Wie Hunde, die man für ihr Kläffen schlägt
Und doch zum Kläffen hält.

Sicinius.
Versammelt sie
Und widerruft, nach reiferm Urteil, alle
Die rasche Wahl.  An seinen Stolz erinnert,
An seinen alten Groll auf euch.  Vergeßt nicht,
Wie er mit Hoffart trug der Demut Kleid,
Wie flehend er euch höhnt'.  Nur eure Liebe,
Gedenkend seiner Dienste, hindert' euch,
Zu sehn, wie sein Benehmen jetzt erschien,
Das achtungslos und spöttisch er gestaltet
Nach eingefleischtem Haß.

Brutus.
Legt alle Schuld
Uns, den Tribunen, bei und sprecht: wir drängten
Euch, keines Einwurfs achtend, so, daß ihr
Ihn wählen mußtet.

Sicinius.
Sagt, ihr stimmtet bei
Mehr, weil wir's euch befohlen als geleitet
Von eigner, wahrer Lieb; und eur Gemüt
Erfüllt von dem mehr, was ihr solltet tun,
Als was ihr wolltet, gabt ihr eure Stimmen
Ganz gegen euern Sinn.  Gebt uns die Schuld.

Brutus.
Ja, schont uns nicht; sagt, daß wir euch gepredigt,
Wie jung er schon dem Vaterland gedient,
Wie lang seitdem; aus welchem Stamm er sproßt,
Dem edlen Haus der Marcier; daher kam
Auch Ancus Marcius, Numas Tochtersohn,
Der nach Hostilius hier als König herrschte;
Das Haus gab uns auch Publius und Quintus,
Die uns durch Röhren gutes Wasser schafften;
Auch Censorinus, er, des Volkes Liebling,
Den, zweimal Censor, dieser Name schmückte,
Der war sein großer Ahn.

Sicinius.
Ein so Entsproßner,
Der außerdem durch eignen Wert verdiente
Den hohen Platz; wir schärften stets euch ein,
Sein zu gedenken; doch da ihr erwägt

(Messend sein jetzges Tun mit dem vergangnen),

Er werd euch ewig Feind sein, widerruft ihr
Den übereilten Schluß.

Brutus.
Sagt, nimmer wär's geschehn
(Darauf kommt stets zurück) ohn unsern Antrieb.
Und eilt, wenn ihr die Stimmzahl gezogen,
Aufs Kapitol.

Mehrere Bürger.
Das wolln wir.  Alle fast
Bereun schon ihre Wahl.  

(Die Bürger gehn ab.)

Brutus.
So geh's nun fort;
Denn besser ist's, den Aufstand jetzt zu wagen,
Der später noch gefährlicher sich zeigte.
Wann er, nach seiner Art, in Wut gerät
Durch ihr Verweigern, so bemerkt und nützt
Den Vorteil seines Zorns.

Sicinius.
Zum Kapitol!
Kommt, laßt uns dort sein vor dem Strom des Volks;
Dies soll, wie's teilweis ist, ihr Wille scheinen,
Was unser Treiben war.

(Sie gehn ab.)




Dritter Aufzug 



Erste Szene

Rom.  Eine Straße Hörner.  
Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Titus Lartius, 
Senatoren und Patrizier


Coriolanus.
Tullus Aufidius drohte denn von neuem?

Titus.
Er tat's; und das war auch die Ursach, schneller
Den Frieden abzuschließen.

Coriolanus.
So stehn die Volsker, wie sie früher standen,
Bereit, wenn sich der Anlaß beut, uns wieder
Zu überziehn.

Cominius.
Sie sind so matt, o Konsul!
Daß wir wohl kaum in unserm Lebensalter
Ihr Banner fliegen sehn.

Coriolanus.
Saht ihr Aufidius?

Titus.
Ich gab ihm Sicherheit; er kam und fluchte
Ergrimmt den Volskern, die so niederträchtig
Die Stadt geräumt.  Er lebt in Antium jetzt.

Coriolanus.
Sprach er von mir?

Titus.
Das tat er, Freund.

Coriolanus.
Wie?  Was?

Titus.
Wie oft er, Schwert an Schwert, Euch angerannt;
Daß er von allen Dingen auf der Welt
Euch haß zumeist; sein Gut woll er verpfänden
Ohn Hoffnung des Ersatzes, könn er nur
Eur Sieger heißen.

Coriolanus.
Dort in Antium lebt er?

Titus.
In Antium.

Coriolanus.
O! hätt ich Ursach, dort ihn aufzusuchen,
Zu trotzen seinem Haß!  Willkommen hier!

(Sicinius und Brutus treten auf.)

Ha!  seht, das da sind unsre Volkstribunen,
Zungen des großen Mundes; mir verächtlich,
Weil sie ihrer Amtsgewalt sich brüsten,
Mehr als der Adel dulden kann.

Sicinius.
Nicht weiter!

Coriolanus.
Ha!  was ist das?

Brutus.
Es ist gefährlich, geht Ihr--
Zurück!

Coriolanus.
Woher der Wechsel?

Menenius.
Was geschah?

Cominius.
Ward er vom Adel nicht und Volk bestätigt?

Brutus.
Cominius, nein!

Coriolanus.
Hatt ich von Kindern Stimmen?

Erster Senator.
Macht Platz, Tribunen, er soll auf den Markt.

Brutus.
Das Volk ist gegen ihn empört.

Sicinius.
Halt ein!
Sonst Unheil überall.

Coriolanus.
Dies eure Herde?
Die müssen Stimmen haben, jetzt zum Ja
Und gleich zum Nein?--Und ihr, was schafft denn ihr?
Seid ihr das Maul, regiert nicht ihre Zähne?
Habt ihr sie nicht gehetzt?

Menenius.
Seid ruhig, ruhig!

Coriolanus.
Das ist nur ein Komplott und abgekartet,
Um die Gewalt des Adels zu zerbrechen.
Duldet's--und lebt mit Volk, das nicht kann herrschen
Und nicht beherrscht sein.

Brutus.
Nennt es nicht Komplott.
Das Volk schreit, ihr verhöhntet es, und neulich,
Als Korn umsonst verteilt ward, murrtet Ihr,
Schmähtet die Volkesfreunde, schaltet sie
Des Adels Feinde, Schmeichler, Zeitendiener.

Coriolanus.
Nun, dies war längst bekannt.

Brutus.
Allein nicht allen.

Coriolanus.
Gabt ihr die Weisung ihnen jetzt?

Brutus.
Ich, Weisung?

Coriolanus.
Solch Tun sieht Euch schon ähnlich.

Brutus.
Nicht unähnlich,
Und jedenfalls doch besser als das Eure.

Coriolanus.
Warum denn ward ich Konsul?  Ha! beim Himmel!
Nichtswürdig will ich sein wie ihr, dann macht mich
Zu euerm Mittribun.

Sicinius.
Zuviel schon tut Ihr
Zur Aufreizung des Volks.  Wollt Ihr die Bahn,
Die Ihr begannt, vollenden, sucht den Weg,
Den Ihr verloren habt, mit sanfterm Geist.
Sonst könnt Ihr nimmermehr als Konsul herrschen,
Noch als Tribun zur Seit ihm stehn.

Menenius.
Nur ruhig!

Cominius.
Man täuscht das Volk, verhetzt es.--Solche Falschheit
Ziemt Römern nicht.  Verdient hat Coriolan
Nicht, daß man ehrlos diesen Stein ihm lege
In seine Ehrenbahn.

Coriolanus.
Vom Korn mir sprechen?
Dies war mein Wort, und ich will's wiederholen.

Menenius.
Nicht jetzt, nicht jetzt!

Erster Senator.
Nicht jetzt in dieser Hitze.

Coriolanus.
Bei meinem Leben! jetzt laßt mich gewähren,
Ihr Freunde!  Ihr vom Adel!
Fest schau die schmutzge wankelmütge Menge
Mich an, der ich nicht schmeichle, und bespiegle
Sich selbst in mir.--Ich sag es wiederum:
Wir ziehn, sie hätschelnd, gegen den Senat
Unkraut der Rebellion, Frechheit, Empörung,
Wofür wir selbst gepflügt, den Samen streuten,
Da wir mit uns, der edlern Zahl, sie mengten,
Die keine andre Macht und Tugend missen,
Als die sie selbst an Bettler weggeschenkt.

Menenius.
Nun gut, nichts mehr!

Erster Senator.
Kein Wort mehr, laßt Euch bitten!

Coriolanus.
Wie?  nicht mehr?
Hab ich mein Blut fürs Vaterland vergossen,
Furchtlos dem fremden Dräun, so soll die Brust
Laut schelten, bis sie bricht auf diesen Aussatz,
Vor dessen Pest wir graun, und tun doch alles,
Um von ihm angesteckt zu sein.

Brutus.
Ihr sprecht vom Volk
Als wäret Ihr ein Gott, gesandt zu strafen,
Und nicht ein Mensch, so schwach wie sie.

Sicinius.
Gut wär es,
Wir sagten dies dem Volk.

Menenius.
Wie! seinen Zorn?

Coriolanus.
Zorn!
Wär ich so sanft wie mitternächtger Schlaf,
Beim Jupiter! dies wäre meine Meinung.

Sicinius.
Und diese Meinung
Soll bleiben in sich selbst verschloßnes Gift,
Nicht andre mehr vergiften noch.

Coriolanus.
Soll bleiben?
Hört ihr der Gründlinge Triton?  Bemerkt ihr
Sein herrschend "Soll"?

Cominius.
's war ungesetzlich.

Coriolanus.
Soll!
Du guter, aber höchst unkluger Adel!
Ehrbare, doch achtlose Senatoren!
Wie gebt ihr so der Hydra nach, zu wählen
Den Diener, der mit eigenmächtgem "Soll"

(Er nur Trompet und Klang des Ungeheuers),

Frech euern Strom in sumpfgen Teich will leiten
Und eure Macht auf sich.--Hat er Gewalt,
Neigt euch als blödgesinnt; wenn keine, weckt
Die Langmut, die Gefahr bringt.  Seid ihr weise,
Gleicht nicht gemeinen Toren; seid ihr's nicht,
Legt ihnen Polster hin.--Ihr seid Plebejer,
Wenn Senatoren sie; sie sind nichts mindres,
Wenn durch der Stimmen Mischung nur nach ihnen
Das Ganze schmeckt.  Sie wählten sich Beamte--
Wie diesen, der sein "Soll" entgegensetzt,
Sein pöbelhaftes "Soll", weit würdgerm Rat,
Als Griechenland nur je verehrt.  Beim Zeus!
Beschimpft wird so der Konsul, und mein Herz weint,
Zu sehn, wie, wenn zwei Mächte sich erheben
Und keine herrscht, Verderben, ungesäumt,
Dringt in die Lücke zwischen beid und stürzt
Die eine durch die andre.

Cominius.
Gut, zum Marktplatz!

Coriolanus.
Wer immer riet, das Korn der Vorratshäuser
Zu geben unentgeltlich, wie's gebräuchlich
Manchmal in Griechenland--

Menenius.
Genug!  Nicht weiter!

Coriolanus.
(Obgleich das Volk dort freire Macht besaß)
Der, sag ich, nährt Empörung, führt herbei
Den Untergang des Staats.

Brutus.
Wie kann das Volk
Dem seine Stimme geben, der so spricht?

Coriolanus.
Ich geb euch Gründe,
Mehr wert als ihre Stimmen: Korn, sie wissen's,
War nicht von uns ein Dank; sie waren sicher,
Sie taten nichts dafür; zum Krieg gepreßt,
Als selbst des Vaterlandes Herz erkrankte,
Da wollte keiner aus dem Tor: der Eifer
Verdient nicht Korn umsonst; hernach im Krieg
Ihr Meutern und Empören, ihres Mutes
Erhabne Proben, sprachen schlecht ihr Lob.--
Die Klage,
Womit sie oftmals den Senat beschuldigt,
Aus ungebornem Grund, kann nie erzeugen
Ein Recht auf freie Schenkung.  Nun--was weiter?
Wie mag so vielgeteilter Schlund verdaun
Die Güte des Senats?  Die Taten sprechen,
Was Worte sagen möchten.  Wir verlangten's,
Wir sind der größre Hauf; und sie, recht furchtsam,
Sie gaben, was wir heischten.--So erniedern
Wir unser hohes Amt, sind schuld, daß Pöbel
Furcht unsre Sorgfalt schilt.  Dies bricht dereinst
Die Schranken des Senats und läßt die Krähen
Hinein, daß sie die Adler hacken.

Menenius.
Kommt!  Genug.

Brutus.
Genug im Übermaß!

Coriolanus.
Nein! nehmt noch mehr:
Was nur den Schwur, sei's göttlich, menschlich, heiligt,
Besiegle meinen Schluß.  Die Doppelherrschaft,
Wo dieser Teil mit Grund verachtet, jener
Ohn Grund frohlockt, wo Adel, Macht und Weisheit
Nichts tun kann ohne jenes Ja und Nein
Des großen Unverstands--dies muß verdrängen,
Was wahrhaftig nötig ist, um Raum zu geben
Dem haltlos Nichtgen.--Hemmt man so den Zweck,
So folgt, daß nichts dem Zweck gemäß geschieht--
Darum beschwör ich euch!
Ihr, die ihr wen'ger zaghaft seid als weise,
Die ihr mehr liebt des Staates feste Gründung
Als Ändrung scheut, die höher stets geachtet
Ein edles Leben als ein langes, die
Nicht fürchten, durch gewagte Kur zu retten
Den Leib vom sichern Tod--mit eins reißt aus
Die vielgespaltne Zung, laßt sie nicht lecken
Dies Süß, was ihnen Gift ist.  Eur Entehrung
Verstümmelt das gesunde Urteil und
Beraubt den Staat der Einheit, die ihm ziemt,
So daß ihm Macht fehlt, Gutes, das er möchte,
Zu tun, weil ihn das Böse stets verhindert.

Brutus.
Er sprach genug.

Sicinius.
Er sprach als Hochverräter
Und soll es büßen, wie's Verräter tun.

Coriolanus.
Elender du!  Schmach sei dein Grab!  Was soll das Volk,
Was soll's mit den kahlköpfigen Tribunen?
Anhangend ihnen weigert's den Gehorsam
Der höhern Obrigkeit.  In einem Aufruhr,
Da nicht das Recht, nein, da die Not Gesetz war,
Da wurden sie gewählt--Zu beßrer Zeit
Sagt von dem Recht nun kühn: Dies ist das Recht,
Und schleudert in den Staub hin ihre Macht.

Brutus.
Offner Verrat!

Sicinius.
Der da ein Konsul?  Nein.

Brutus.
He! die Ädilen her! laßt ihn verhaften.

Sicinius.
Geht, ruft das Volk.

(Brutus geht ab.)

Ich selbst, in seinem Namen,
Ergreife dich als Neurer und Empörer
Und Feind des Staats.--Folg, ich befehl es dir,
Um Rechenschaft zu stehn.

Coriolanus.
Fort, alter Bock!

Senatoren und Patrizier.
Wir schützen ihn.

Menenius.
Die Hand weg, alter Mann!

Coriolanus.
Fort, morsches Ding, sonst schüttl ich deine Knochen
Dir aus den Kleidern.

Sicinius.
Helft! ihr Bürger, helft!  Brutus kommt zurück mit den 
Ädilen und einer Schar Bürger.

Menenius.
Mehr Achtung beiderseits.

Sicinius.
Hier ist er, welcher euch
Ganz machtlos machen will.

Brutus.
Greift ihn, Ädilen.

Die Bürger.
Nieder mit ihm! zu Boden!  

(Geschrei von allen Seiten.)

Waffen!  Waffen!  

(Alle drängen sich um Coriolanus.)

Zweiter Senator.
Tribunen!  Edle!  Bürger!  Haltet!  Ha!
Sicinius!  Brutus!  Coriolanus!  Bürger!

Die Bürger.
Den Frieden haltet!  Frieden!  Haltet alle!

Menenius.
Was wird draus werden?  Ich bin außer Atem,
Es droht uns Untergang!  Ich kann nicht, sprecht,
Tribunen, ihr, zum Volk.  Coriolanus, ruhig!
Sprich, Freund Sicinius.

Sicinius.
Hört mich, Bürger.  Ruhig!

Die Bürger.
Hört den Tribun.  Still!  Rede, rede, rede!

Sicinius.
Ihr seid daran, die Freiheit zu verlieren.
Marcius will alles von euch nehmen, Marcius,
Den eben ihr zum Konsul wähltet.

Menenius.
Pfui!
Dies ist der Weg zu zünden, nicht zu löschen.

Erster Senator.
Die Stadt zu schleifen, alles zu zerstören.

Sicinius.
Was ist die Stadt wohl, als das Volk?

Die Bürger.
Ganz recht!
Das Volk nur ist die Stadt.

Brutus.
Durch aller Einstimmung sind wir erwählt
Als Obrigkeit des Volks.

Die Bürger.
Und sollt es bleiben.

Menenius.
Ja, so sieht's aus.

Cominius.
Dies ist der Weg, um alles zu zerstören,
Das Dach zu stürzen auf das Fundament
Und zu begraben jede Rangordnung
In Trümmerhaufen!--

Sicinius.
Dies verdient den Tod!

Brutus.
Jetzt gilt's, daß unser Ansehn wir behaupten
Oder verlieren.  Wir erklären hier
Im Namen dieses Volks, durch dessen Macht
Wir sind erwählt für sie: Marcius verdient
Sogleich den Tod.

Sicinius.
Deshalb legt Hand an ihn,
Bringt zum Tarpejschen Felsen und von dort
Stürzt in Vernichtung ihn.

Brutus.
Ädilen, greift ihn!

Die Bürger.
Ergib dich, Marcius!

Menenius.
Hört ein einzig Wort!
Tribunen, hört! ich bitt euch, nur ein Wort.

Ädilen.
Still, still!

Menenius.
Seid, was ihr scheint, Freunde des Vaterlands.
Ergreift mit weiser Mäßgung, was gewaltsam
Ihr herzustellen strebt.

Brutus.
Die kalten Mittel,
Sie scheinen kluge Hilf und sind nur Gift,
Wenn so die Krankheit rast.  Legt Hand an ihn
Und schleppt ihn auf den Fels!

Coriolanus.
Nein, gleich hier sterb ich.

(Er zieht sein Schwert.)

Es sah wohl mancher unter euch mich kämpfen;
Kommt und versucht nun selbst, was ihr nur saht.

Menenius.
Fort mit dem Schwert.  Tribunen, steht zurück.

Brutus.
Legt Hand an ihn.

Menenius.
Helft! helft dem Marcius! helft!
Ihr hier vom Adel, helft ihm, jung und alt.

Die Bürger.
Nieder mit ihm!  Nieder mit ihm! 

(Handgemenge, die Tribunen, die Ädilen und das 
Volk werden hinausgetrieben.)

Menenius.
Geh! fort, nach deinem Haus! enteile schnell!
Zugrund geht alles sonst.

Zweiter Senator.
Fort!

Coriolanus.
Haltet stand!
Wir haben ebensoviel Freund als Feinde.

Menenius.
Soll's dahin kommen?

Erster Senator.
Das verhütet, Götter!
Mein edler Freund, ich bitte, geh nach Haus.
Laß uns des Schadens Kur.

Menenius.
Denn unsre Wund ist's:
Du kannst nicht selbst dich heilen.  Fort, ich bitte.

Cominius.
Freund, geh hinweg mit uns.

Coriolanus.
O! wären sie Barbaren! (und sie sind's,
Obwohl Roms Brut) nicht Römer! (und sie sind's nicht,
Obwohl geworfen vor dem Kapitol).

Menenius.
Komm!
Nimm deinen edlen Zorn nicht auf die Zunge;
Einst kommt uns beßre Zeit.

Coriolanus.
Auf ebnem Boden
Schlüg ich wohl ihrer vierzig.

Menenius.
Ich auch nehm es
Mit zwei der besten auf, ja, den Tribunen.

Cominius.
Doch hier ist Übermacht nicht zu berechnen;
Und Mannheit wird zur Torheit, stemmt sie sich
Entgegen stürzendem Gebäu.  Entfernt Euch,
Eh dieser Schwarm zurückkehrt, dessen Wut
Rast wie gehemmter Strom, und übersteigt,
Was sonst ihn niederhielt.

Menenius.
Ich bitte, geh!
So seh ich, ob mein alter Witz noch anschlägt
Bei Leuten, die nur wenig haben.  Flicken
Muß man den Riß mit Lappen jeder Farbe.

Coriolanus.
Nun komm!  

(Coriolanus, Cominius und andere gehn ab.)

Erster Patrizier.
Der Mann hat ganz sein Glück zerstört.

Menenius.
Sein Sinn ist viel zu edel für die Welt.
Er kann Neptun nicht um den Dreizack schmeicheln,
Nicht Zeus um seine Donner: Mund und Herz ist eins.
Was seine Brust nur schafft, kommt auf die Zunge,
Und ist er zornig, so vergißt er gleich,
Daß man den Tod je nannte.

(Geräusch hinter der Szene.)

Ein schöner Lärm.

Zweiter Patrizier.
O! wären sie im Bett!

Menenius.
Wären sie in der Tiber!  Was, zum Henker,
Konnt er nicht freundlich sprechen!  Brutus, Sicinius, 
Bürger kommen zurück.

Sicinius.
Wo ist die Viper,
Die unsre Stadt entvölkern möcht, um alles
In allem drin zu sein?

Menenius.
Würdge Tribunen--

Sicinius.
Wir stürzen ihn von dem Tarpejschen Fels
Mit strenger Hand; er trotzet dem Gesetz,
Drum weigert das Gesetz ihm das Verhör;
Die Macht der bürgerlichen Strenge fühl er,
Die ihm so nichtig dünkt.

Erster Bürger.
Er soll erfahren,
Des Volkes edler Mund sind die Tribunen,
Wir seine Hand.

Mehrere Bürger.
Er soll! er soll!

Menenius.
Freund--

Sicinius.
Still!

Menenius.
Schreit nicht Vertilgung, wo ein mäßges Jagen
Zum Ziel euch führen mag.

Sicinius.
Wie kommt's, daß Ihr
Ihm halft, sich fort zu machen?

Menenius.
Hört mich an:
Wie ich den Wert des Konsuls kenne, kann ich
Auch seine Fehler nennen.

Sicinius.
Konsul?  welcher Konsul?

Menenius.
Der Konsul Coriolan.

Brutus.
Er, Konsul?

Die Bürger.
Nein, nein, nein, nein, nein!

Menenius.
Vergönnt, ihr, gutes Volk, und ihr, Tribunen,
Gehör, so möcht ich ein, zwei Worte sagen,
Die euch kein weitres Opfer kosten sollen
Als diese kurze Zeit.

Sicinius.
So faßt Euch kurz,
Denn wir sind fest entschlossen, abzutun
Den giftgen Staatsverräter; ihn verbannen
Läßt die Gefahr bestehn; ihn hier behalten
Ist sichrer Tod.  Drum wird ihm zuerkannt:
Er sterb noch heut.

Menenius.
Verhüten das die Götter!
Soll unser hohes Rom, des Dankbarkeit
Für die verdienten Kinder steht verzeichnet
In Jovis Buch, entmenscht, verworfne Mutter,
Den eignen Sohn verschlingen.

Sicinius.
Ein Schad ist er, muß ausgeschnitten werden.

Menenius.
Ein Glied ist er, das einen Schaden hat:
Es abzuschneiden tödlich, leicht zu heilen.
Was tat er Rom, wofür er Tod verdiente?
Weil er die Feind' erschlug?  Sein Blut, vergossen
(Und das, ich schwör's, ist mehr, als er noch hat,
Und manchen Tropfen), floß nur für sein Land;--
Wird, was ihm bleibt, vergossen durch sein Land,
Das wär uns allen, die es tun und dulden,
Ein ewges Brandmal.

Sicinius.
Das ist nur Gewäsch.

Brutus.
Gänzlich verkehrt!  Als er sein Land geliebt,
Ehrt' es ihn auch.

Menenius.
Hat uns der Fuß gedient
Und wird vom Krebs geschädigt, denken wir
Nicht mehr der vor'gen Dienste?

Brutus.
Schweigt nur still.
Zu seinem Hause hin! reißt ihn heraus,
Damit die Ansteckung von giftger Art
Nicht weiter fort sich zünde.

Menenius.
Nur ein Wort.
So tigerfüßge Wut, sieht sie den Schaden
Der ungehemmten Eile, legt zu spät
Blei an die Sohlen.--Drum verfahrt nach Recht,
Daß nicht, da er beliebt, Partein sich rotten
Und unser hohes Rom durch Römer falle.

Brutus.
Wenn das geschäh!

Sicinius.
Was schwatzt Ihr da?
Wie er Gesetz' verhöhnte, sahn wir ja.
Ädilen schlagen!  Trotz uns bieten!  Kommt!

Menenius.
Erwägt nur dies: er ist im Krieg erwachsen;
Seit er ein Schwert mocht haben, lernt' er fein
Gesiebte Sprache nicht, wirft Mehl und Kleie
Nun im Gemengsel aus.  Bewilligt mir,
Ich geh zu ihm und bring ihn friedlich her,
Wo nach der Form des Rechts er Rede steht
Auf seine äußerste Gefahr.

Erster Senator.
Tribunen,
Die Weis ist menschlich; allzu blutig würde
Der andre Weg, und im Beginnen nicht
Der Ausgang zu erkennen.

Sicinius.
Edler Menenius,
So handelt Ihr denn als des Volks Beamter;--
Ihr Leute, legt die Waffen ab.

Brutus.
Geht nicht nach Haus.

Sicinius.
Hin auf den Markt, dort treffen wir Euch wieder,
Und bringt ihr Marcius nicht, so gehn wir weiter
Auf unserm ersten Weg.  

(Ab.)

Menenius.
Ich bring ihn euch.

(Zu den Senatoren.)

Geht mit mir, ich ersuch euch.  Er muß kommen,
Sonst folgt das Schlimmste.

Erster Senator.
Laßt uns zu ihm gehn.

(Alle ab.)



Zweite Szene

Zimmer in Coriolans Hause 
Coriolanus tritt auf mit einigen Patriziern


Coriolanus.
Laßt sie mir um die Ohren alles werfen:
Mir drohn mit Tod durch Rad, durch wilde Rosse;
Zehn Berg' auf den Tarpejschen Felsen türmen,
Daß sich der Absturz tiefer reißt, als je
Das Auge sieht: doch bleib ich ihnen stets
Also gesinnt.

Erster Patrizier.
Ihr handelt um so edler.  

(Volumnia tritt auf.)

Coriolanus.
Mich wundert, wie die Mutter
Mein Tun nicht billigt, die doch lumpge Sklaven
Sie stets genannt; Geschöpfe, nur gemacht,
Daß sie mit Pfenngen schachern; barhaupt stehn
In der Versammlung, gähnen, staunen, schweigen,
Wenn einer meines Ranges sich erhebt,
Redend von Fried und Krieg.
(Zu Volumnia.)  Ich sprach von Euch.
Weshalb wünscht Ihr mich milder?  Soll ich falsch sein
Der eignen Seele?  Lieber sagt, ich spiele
Den Mann nur, der ich bin.

Volumnia.
O!  Sohn, Sohn, Sohn!
Hättst deine Macht du doch erst angelegt,
Eh du sie abgenutzt.

Coriolanus.
Sie fahre hin!

Volumnia.
Du konntest mehr der Mann sein, der du bist,
Wenn du es wen'ger zeigtest; schwächer waren
Sie deinem Sinn entgegen, hehltest du
Nur etwas mehr, wie du gesinnt, bis ihnen
Die Macht gebrach, um dich zu kreuzen.

Coriolanus.
Hängt sie!

Volumnia.
Ja, und verbrennt sie!  Menenius kommt mit Senatoren.

Menenius.
Kommt! kommt!  Ihr wart zu rauh, etwas zu rauh.
Ihr müßt zurück, es bessern.

Erster Senator.
Da hilft nichts.
Denn tut Ihr dieses nicht, reißt auseinander
Die Stadt und geht zugrund.

Volumnia.
O! laß dir raten.
Ich hab ein Herz, unbeugsam, wie das deine,
Doch auch ein Hirn, das meines Zornes Ausbruch
Zu besserm Vorteil lenkt.

Menenius.
Recht, edle Frau.
Eh er sich so der Herde beugt, wenn's nicht
Die Fieberwut der Zeit als Mittel heischte
Dem ganzen Staat, schnallt' ich die Rüstung um,
Die ich kaum tragen kann.

Coriolanus.
Was muß ich tun?

Menenius.
Zu den Tribunen kehren.

Coriolanus.
Was weiter denn?

Menenius.
Bereun, was Ihr gesprochen.

Coriolanus.
Um ihretwillen?
Nicht kann ich's um der Götter willen tun;
Muß ich's denn ihretwillen tun?

Volumnia.
Du bist zu herrisch.
Magst du auch hierin nie zu edel sein,
Gebietet Not doch auch.--Du selbst oft sagtest:
"Wie Ehr und Politik als treue Freunde
Im Krieg zusammen gehn." Ist's dies, so sprich,
Wie sie im Frieden wohl sich schaden können,
Daß sie in ihm sich trennen?

Coriolanus.
Pah!

Menenius.
Gut gefragt.

Volumnia.
Bringt es im Krieg dir Ehre, der zu scheinen,
Der du nicht bist (und großer Zwecke halb
Gebrauchst du diese Politik), entehrt's nun,
Daß sie im Frieden soll Gemeinschaft halten
Mit Ehre, wie im Krieg, da sie doch beiden
Gleich unentbehrlich ist?

Coriolanus.
Was drängst du so?

Volumnia.
Weil jetzt dir obliegt, zu dem Volk zu reden,
Nicht nach des eignen Sinnes Unterweisung,
Noch in der Art, wie dir dein Herz befiehlt;
Mit Worten nur, die auf der Zunge wachsen,
Bastardgeburten, Lauten nur und Silben,
Die nicht des Herzens Wahrheit sind verpflichtet.
Dies, wahrlich, kann sowenig dich entehren,
Als eine Stadt durch sanftes Wort erobern,
Wo sonst dein Glück entscheiden müßt und Wagnis
Von vielem Blutvergießen.--
Ich wollte meine Art und Weise bergen,
Wenn Freund' und Glück es in Gefahr verlangten,
Und blieb' in Ehr.--Ich steh hier auf dem Spiel,
Dein Weib, dein Sohn, die Edlen, der Senat,
Und du willst lieber unserm Pöbel zeigen,
Wie du kannst finster sehn, als einmal lächeln,
Um ihre Gunst zu erben und zu schützen,
Was ohne sie zugrund geht.

Menenius.
Edle Frau!
Kommt, geht mit uns, sprecht freundlich und errettet
Nicht nur, was jetzt gefährlich, nein, was schon
Verloren war.

Volumnia.
Ich bitte dich, mein Sohn,
Geh hin, mit dieser Mütz in deiner Hand,
So streck sie aus, tritt so an sie heran,
Dein Knie berühr die Stein'; in solchem Tun ist
Gebärd ein Redner, und der Einfalt Auge
Gelehrter als ihr Ohr.  Den Kopf so wiegend
Und oft auch so, dein stolzes Herz bestrafend,
Sei sanft, so wie die Maulbeer überreif,
Die jedem Drucke weicht.  Dann sprich zu ihnen:
Du seist ihr Krieger, im Gelärm erwachsen,
Habst nicht die sanfte Art, die, wie du einsähst,
Dir nötig sei, die sie begehren dürften,
Wärbst du um ihre Gunst; doch wolltst du sicher
Dich künftig wandeln zu dem Ihrigen,
So weit Natur und Kraft in dir nur reichten.

Menenius.
Das nur getan,
So wie sie sagt, sind alle Herzen dein,
Denn sie verzeihn so leicht, wenn du sie bittest,
Als sonst sie müßig schwatzen.

Volumnia.
O! gib nach!
Laß dir nur diesmal raten.  Weiß ich schon,
Du sprängst eh mit dem Feind in Feuerschlünde,
Als daß du ihm in Blumenlauben schmeichelst.
Hier ist Cominius.  

(Cominius tritt auf)

Cominius.
Vom Marktplatz komm ich, Freund, und dringend scheint,
Daß Ihr Euch sehr verstärkt, sonst hilft Euch nur
Flucht oder Sanftmut.  Alles ist in Wut.

Menenius.
Nur gutes Wort.

Cominius.
Das, glaub ich, dient am besten,
Zwingt er sein Herz dazu.

Volumnia.
Er muß und will.
Laß dich erbitten; sag: "Ich will", und geh!

Coriolanus.
Muß ich mit bloßem Kopf mich zeigen?  Muß ich
Mit niedrer Zunge Lügen strafen so
Mein edles Herz, das hier verstummt?  Nun gut, ich tu's.
Doch käm's nur auf das einzge Stück hier an,
Den Marcius, sollten sie zu Staub ihn stampfen
Und in den Wind ihn streun.--Zum Marktplatz nun.
Ihr zwingt mir eine Rolle auf, die ich nie
Natürlich spiele.

Cominius.
Kommt, wir helfen Euch.

Volumnia.
O! hör mich, holder Sohn.  Du sagtest oft,
Daß dich mein Lob zum Krieger erst gemacht.
So spiel, mein Lob zu ernten, eine Rolle,
Die du noch nie geübt.
                
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