Coriolanus.
Ich muß es tun.
Fort, meine Sinnesart! Komm über mich,
Geist einer Metze. Mein Kriegsschrei sei verwandelt,
Der in die Trommeln rief, jetzt in ein Pfeifchen,
Dünn wie des Hämlings, wie des Mädchens Stimme,
Die Kinder einlullt; eines Buben Lächeln
Wohn auf der Wange mir; Schulknabentränen
Verdunkeln mir den Blick; des Bettlers Zunge
Reg in dem Mund sich; mein bepanzert Knie,
Das nur im Bügel krumm war, beuge sich
Wie des, der Pfennge fleht.--Ich will's nicht tun,
Nicht so der eignen Wahrheit Ehre schlachten,
Und durch des Leibs Gebärdung meinen Sinn
Zu ewger Schand abrichten.
Volumnia.
Wie du willst.
Von dir zu betteln ist mir größre Schmach,
Als dir von ihnen. Fall alles denn in Trümmer!
Mag lieber deinen Stolz die Mutter fühlen,
Als stets Gefahr von deinem Starrsinn fürchten.
Den Tod verlach ich, großgeherzt wie du.
Mein ist dein Mut, ja, den sogst du von mir,
Dein Stolz gehört dir selbst.
Coriolanus.
Sei ruhig, Mutter,
Ich bitte dich!--Ich gehe auf den Markt;
Schilt mich nicht mehr. Als Taschenspieler nun
Stehl ich jetzt ihre Herzen, kehre heim
Von jeder Zunft geliebt. Siehst du, ich gehe.
Grüß meine Frau. Ich kehr als Konsul wieder;
Sonst glaube nie, daß meine Zung es weit
Im Weg des Schmeichelns bringt.
Volumnia.
Tu, was du willst.
(Sie geht ab.)
Cominius.
Fort, die Tribunen warten. Rüstet Euch
Mit milder Antwort; denn sie sind bereit,
Hör ich, mit härtern Klagen, als die jetzt
Schon auf Euch lasten.
Coriolanus.
"Mild" ist die Losung. Bitte, laßt uns gehn.
Laßt sie mit Falschheit mich beschuldigen, ich
Antworte ehrenvoll.
Menenius.
Nur aber milde.
Coriolanus.
Gut, milde sei's denn, milde.
(Alle ab.)
Dritte Szene
Das Forum
Sicinius und Brutus treten auf
Brutus.
Das muß der Hauptpunkt sein: daß er erstrebt
Tyrannische Gewalt; entschlüpft er da,
Treibt ihn mit seinem Volkshaß in die Enge,
Und daß er nie verteilen ließ die Beute,
Die den Antiaten abgenommen ward.
(Ein Ädil tritt auf.)
Nun, kommt er?
Ädil.
Er kommt.
Brutus.
Und wer begleitet ihn?
Ädil.
Der alte
Menenius und die Senatoren, die
Ihn stets begünstigt.
Brutus.
Habt Ihr ein Verzeichnis
Von allen Stimmen, die wir uns verschafft,
Geschrieben nach der Ordnung?
Ädil.
Ja, hier ist's.
Brutus.
Habt Ihr nach Tribus sie gesammelt?
Ädil.
Ja.
Sicinius.
So ruft nun ungesäumt das Volk hieher,
Und hören sie mich sagen: "So soll's sein,
Nach der Gemeinen Fug und Recht", sei's nun
Tod, Geldbuß oder Bann: so laß sie schnell
"Tod" rufen, sag ich: "Tod!", "Geldbuße", sag ich: "Buße",
Auf ihrem alten Vorrecht so bestehn
Und auf der Kraft in der gerechten Sache.
Ädil.
Ich will sie unterweisen.
Brutus.
Und haben sie zu schreien erst begonnen,
Nicht aufgehört, nein, dieser wilde Lärm
Muß die Vollstreckung Augenblicks erzwingen
Der Strafe, die wir rufen.
Ädil.
Wohl, ich gehe.
Sicinius.
Und mach sie stark und unserm Wink bereit,
Wann wir ihn immer geben.
Brutus.
Macht Euch dran!
(Der Ädil geht ab.)
Reizt ihn sogleich zum Zorn; er ist gewohnt
Zu siegen, und ihm gilt als höchster Ruhm
Der Widerspruch. Einmal in Wut, nie lenkt er
Zur Mäßigung zurück; dann spricht er aus,
Was er im Herzen hat; genug ist dort,
Was uns von selbst hilft, ihm den Hals zu brechen.
Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Senatoren
und Patrizier.
Sicinius.
Nun seht, hier kommt er.
Menenius.
Sanft, das bitt ich dich.
Coriolanus.
Ja, wie ein Stallknecht, der für lumpgen Heuer
Den Schurken zehnfach einsteckt.--Hohe Götter!
Gebt Rom den Frieden und den Richterstühlen
Biderbe Männer! Pflanzet Lieb uns ein!
Füllt dicht mit Friedensprunk die Tempelhallen,
Und nicht mit Krieg die Straßen.
Erster Senator.
Amen! Amen!
Menenius.
Ein edler Wunsch.
Sicinius.
Ihr Bürger, tretet näher. Der Ädil kommt mit den Bürgern.
Ädil.
Auf die Tribunen merkt! Gebt acht! Still! still!
Coriolanus.
Erst hört mich reden.
Beide Tribunen.
Gut, sprecht--ruhig denn.
Coriolanus.
Werd ich nicht weiter angeklagt als hier?
Wird alles jetzt gleich ausgemacht?
Sicinius.
Ich frage:
Ob Ihr des Volkes Stimm Euch unterwerft,
Die Sprecher anerkennt und willig tragt
Die Strafe des Gesetzes für die Fehler,
Die man Euch dartun wird?
Coriolanus.
Ich trage sie.
Menenius.
O, Bürger, seht! er sagt, er will sie tragen:
Der Kriegesdienste, die er tat, gedenkt;
Seht an die Wunden, die sein Körper hat,
Sie gleichen Gräbern auf geweihtem Boden.
Coriolanus.
Geritzt von Dornen, Schrammen, nur zum Lachen.
Menenius.
Erwägt noch ferner:
Daß, hört ihr ihn nicht gleich dem Bürger sprechen,
Den Krieger findet ihr in ihm. Nehmt nicht
Den rauhen Klang für bös gemeintes Wort;
Nein, wie gesagt, so wie's dem Krieger ziemt,
Nicht feindlich euch.
Cominius.
Gut, gut, nichts mehr.
Coriolanus.
Wie kommt's,
Daß ich, einstimmig anerkannt als Konsul,
Nun so entehrt bin, daß zur selben Stunde
Ihr mir die Würde nehmt?
Sicinius.
Antwortet uns.
Coriolanus.
Sprecht denn, 's ist wahr, so sollt ich ja.
Sicinius.
Wir zeihn dich, daß du hast gestrebt, zu stürzen
Recht und Verfassung Roms und so dich selbst
Tyrannisch aller Herrschaft anzumaßen,
Und darum stehst du hier als Volksverräter.
Coriolanus.
Verräter!--
Menenius.
Still nur, mäßig!--Dein Versprechen.
Coriolanus.
Der tiefsten Hölle Glut verschling das Volk!
Verräter ich! du lästernder Tribun!
Und säßen tausend Tod' in deinem Auge,
Und packten Millionen deine Fäuste,
Wärn doppelt die auf deiner Lügnerzunge:
Ich, ich sag' dennoch dir, du lügst!--die Brust
So frei, als wenn ich zu den Göttern bete.
Sicinius.
Hörst du dies, Volk?
Die Bürger.
Zum Fels mit ihm! Zum Fels mit ihm!
Sicinius.
Seid ruhig!
Wir brauchen neuer Fehl' ihn nicht zu zeihn;
Was ihr ihn tun saht, reden hörtet,
Wie er euch fluchte, eure Diener schlug,
Streiche dem Recht erwidernd, denen trotzte,
Die, machtbegabt, ihn richten sollten: dies
So frevelhaft, so hochverräterisch,
Verdient den härtsten Tod.
Brutus.
Doch, da er Dienste
Dem Staat getan--
Coriolanus.
Was schwatzt Ihr noch von Diensten?
Brutus.
Ich sag es, der ich's weiß.
Coriolanus.
Ihr?
Menenius.
Ist es dies,
Was Eurer Mutter Ihr verspracht?
Cominius.
O hört.
Ich bitt Euch.
Coriolanus.
Nein, ich will nichts weiter hören.
Laß sie ausrufen: Tod vom steilen Fels,
Landflüchtges Elend, Schinden, eingekerkert
Zu schmachten, tags mit einem Korn--doch kauft ich
Nicht für ein gutes Wort mir ihre Gnade,
Nicht zähmt ich mich, für was sie schenken können,
Bekäm ich's für 'nen "Guten Morgen" schon.
Sicinius.
Weil er, soviel er konnt, von Zeit zu Zeit,
Aus Haß zum Volke Mittel hat gesucht,
Ihm seine Macht zu rauben, und auch jetzt
Als Feind sich wehrt, nicht nur in Gegenwart
Erhabnen Rechts, nein, gegen die Beamten,
Die es verwalten: in des Volkes Namen
Und unsrer, der Tribunen, Macht verbannen
Wir augenblicklich ihn aus unsrer Stadt.
Bei Strafe, vom Tarpejschen Fels gestürzt
Zu sein, betret er nie die Tore Roms.
In 's Volkes Namen sag ich: So soll's sein.
Die Bürger.
So soll es sein! So soll's sein! Fort mit ihm!
Er ist verbannt, und also soll es sein.
Cominius.
Hört mich, ihr Männer, Freunde hier im Volk.
Sicinius.
Er ist verurteilt. Nichts mehr.
Cominius.
Laßt mich sprechen.
Ich war eur Konsul, und Rom kann an mir
Die Spuren seiner Feinde sehn. Ich liebe
Des Vaterlandes Wohl mit zartrer Ehrfurcht,
Heiliger und tiefer als mein eignes Leben,
Mehr als mein Weib und ihres Leibes Kinder,
Die Schätze meines Bluts. Wollt ich nun sagen--
Sicinius.
Wir wissen, was Ihr wollt. Was könnt Ihr sagen?
Brutus.
Zu sagen ist nichts mehr. Er ist verbannt
Als Feind des Volks und seines Vaterlands.
So soll's sein.
Die Bürger.
So soll's sein! So soll es sein!
Coriolanus.
Du schlechtes Hundepack! des Hauch ich hasse
Wie fauler Sümpfe Dunst; des Gunst mir teuer
Wie unbegrabner Männer totes Aas,
Das mir die Luft vergift't.--Ich banne dich!
Bleibt hier zurück mit eurem Unbestand,
Der schwächste Lärm mach euer Herz erbeben,
Eur Feind mit seines Helmbuschs Nicken fächle
Euch in Verzweiflung; die Gewalt habt immer,
Zu bannen eure Schützer--bis zuletzt
Eur stumpfer Sinn, der glaubt, erst wenn er fühlt,
Der nicht einmal euch selbst erhalten kann,
Stets Feind euch selbst, euch endlich unterwerfe
Als höchst verworfne Sklaven einem Volk
Das ohne Schwertstreich euch gewann. Verachtend
Um euch die Stadt--wend ich so meinen Rücken--
Noch anderswo gibt's eine Welt.
(Coriolanus, Cominius, Menenius, Senatoren und Patrizier gehn ab.)
Ädilen.
Des Volkes Feind ist fort! ist fort! ist fort!
Die Bürger.
Verbannt ist unser Feind! ist fort! Ho! Ho!
(Sie jauchzen und werfen ihre Mützen.)
Sicinius.
Geht, seht ihm nach zum Tor hinaus und folgt ihm,
Wie er euch sonst mit bitterm Schmähn verfolgte,
Kränkt ihn, wie er's verdient.--Laßt eine Wache
Uns durch die Stadt begleiten.
Die Bürger.
Kommt, kommt! ihm nach! zum Tor hinaus, so kommt!
Edle Tribunen, euch der Götter Schutz!
(Alle ab.)
Vierte Szene
Rom, vor einem Tore der Stadt
Es treten auf Coriolanus, Volumnia, Virgilia, Menenius,
Cominius und mehrere junge Patrizier
Coriolanus.
Nein, weint nicht mehr. Ein kurz Lebwohl. Das Tier
Mit vielen Köpfen stößt mich weg. Ei, Mutter!
Wo ist dein alter Mut! Du sagtest oft:
Es sei das Unglück Prüfstein der Gemüter,
Gemeine Not trag ein gemeiner Mensch.
Es segl' auf stiller See mit gleicher Kunst
Ein jedes Boot; doch bei den schwersten Schlägen
Des Glücks gelassen bleiben, das erheische
Den höchsten Sinn.--Du ludest oft mir auf
Belehrungen, die unbezwinglich machten
Die Herzen, die sie ganz durchdrangen.
Virgilia.
O Himmel! Himmel!
Coriolanus.
Nein, ich bitte, Frau--
Volumnia.
Die Pestilenz treff alle Zünfte Roms
Und die Gewerke Tod!
Coriolanus.
Was, was! Ich werde
Geliebt sein, wenn ich bin gemißt. Nun Mutter!
Wo ist der Geist, der sonst dich sagen machte,
Wärst du das Weib des Herkules gewesen,
Sechs seiner Taten hättest du getan,
Und deinem Mann so vielen Schweiß erspart?
Cominius!
Frisch auf! Gott schütz euch!--Lebt wohl, Frau und Mutter!
Mir geht's noch gut.--Menenius, alter, treuer,
Salzger als jüngern Manns sind deine Tränen,
Und giftig deinem Aug. Mein weiland Feldherr,
Ich sah dich finster, und oft schautest du
Herzhärtend Schauspiel; sag den bangen Frauen:
Beweinen Unvermeidliches sei Torheit
Sowohl als drüber lachen.--Weißt du, Mutter,
Mein Wagnis war dein Trost ja immer! und,
Das glaube fest, geh ich auch jetzt allein,
So wie ein Drache einsam, den die Höhle
Gefürchtet macht, besprochen mehr, weil nicht gesehn,
Dein Sohn ragt über dem Gemeinen stets;
Wo nicht, fällt er durch Tück und niedre List.
Volumnia.
Mein großer Sohn!
Wo willst du hin? Nimm für die erste Zeit
Cominius mit, bestimme dir den Lauf,
Statt wild dich jedem Zufall preiszugeben,
Der auf dem Weg dich anfällt.
Coriolanus.
O ihr Götter!
Cominius.
Den Monat bleib ich bei dir; wir bedenken,
Wo du magst weilen, daß du von uns hörest
Und wir von dir; daß, wenn die Zeit den Anlaß
Für deine Rückberufung reift, wir nicht
Nach einem Mann die Welt durchsuchen müssen,
Die Gunst verlierend, welche stets erkaltet,
Ist jener fern, der sie bedarf.
Coriolanus.
Leb wohl!
Du trägst der Jahre viel, hast übersatt
Kriegsschwelgerei, mit einem umzutreiben,
Des Gier noch frisch. Bringt mich nur aus dem Tor;
Komm, süßes Weib, geliebte Mutter und
Ihr wohlerprobten Freunde.--Bin ich draußen,
Sagt: Lebe wohl! und lächelt. Bitte, kommt--
Solang ich überm Boden bin, sollt ihr
Stets von mir hören und nie etwas andres,
Als was dem frühern Marcius gleicht.
Menenius.
So würdig,
Wie man nur hören kann. Laßt uns nicht weinen.
Könnt ich nur sieben Jahr herunterschütteln
Von diesen alten Gliedern--bei den Göttern!
Ich wollt auf jedem Schritt dir folgen!
Coriolanus.
Kommt!
Deine Hand.
(Alle ab.)
Fünfte Szene
Sicinius, Brutus und ein Ädil treten auf.
Sicinius.
Schickt sie nach Hause, er ist fort. Nicht weiter.
Der Adel ist gekränkt, der, wie wir sahen,
Für ihn Partei ergriff.
Brutus.
Da unsre Macht
Wir nun gezeigt, laßt uns demütger scheinen,
Nun es geschehn, als da's im Werden.
Sicinius.
Schickt sie heim.
Sagt ihnen, fort sei nun ihr großer Feind
Und neu befestigt ihre Macht.
Brutus.
Entlaßt sie.
Hier kommt die Mutter. Volumnia, Virgilia und Menenius treten auf.
Sicinius.
Laßt uns fort!
Brutus.
Weshalb?
Sicinius.
Man sagt, sie sei verrückt.
Brutus.
Sie sah uns schon.
Weicht ihr nicht aus.
Volumnia.
Ha, wohlgetroffen!
Der Götter aufgehäufte Strafen lohnen
Euch eure Liebe.
Menenius.
Still, seid nicht so laut.
Volumnia.
Könnt ich vor Tränen nur, ihr solltet hören--
Doch sollt ihr etwas hören. Wollt Ihr gehn?
Virgilia.
Auch Ihr sollt bleiben. Hätt ich doch die Macht,
Das meinem Mann zu sagen.
Sicinius.
Seid Ihr männisch?
Volumnia.
Ja, Narr. Ist das 'ne Schande? Seht den Narren!
War nicht ein Mann ihr Vater? Warst du fuchsisch,
Zu bannen ihn, der Wunden schlug für Rom,
Mehr als du Worte sprachst?
Sicinius.
O gütger Himmel!
Volumnia.
Mehr edle Wunden als du kluge Worte,
Und zu Roms Heil. Eins sag ich dir--doch geh.
Nein, bleiben sollst du! Wäre nur mein Sohn,
Sein gutes Schwert in Händen, in Arabien,
Und dort vor ihm dein Stamm.
Sicinius.
Was dann?
Virgilia.
Was dann?
Er würde dort dein ganz Geschlecht vertilgen.
Volumnia.
Bastard' und alles.
O Wackrer! du trägst Wunden viel für Rom.
Menenius.
Kommt, kommt! seid ruhig.
Sicinius.
Ich wollt, er wär dem Vaterland geblieben,
Was er ihm war, statt selbst den edlen Knoten
Zu lösen, den er schlang.
Brutus.
So wünscht ich auch.
Volumnia.
"So wünscht ich auch"? Ihr hetztet auf den Pöbel,
Katzen, die seinen Wert begreifen können
Wie die Mysterien ich, die nicht der Himmel
Der Erd enthüllen will.
Brutus.
Kommt, laßt uns gehn.
Volumnia.
Nun ja, ich bitt euch! geht!
Ihr tatet wackre Tat.--Hört dies noch erst:
So weit das Kapitol hoch überragt
Das kleinste Haus in Rom, so weit mein Sohn,
Der Gatte dieser Frau, hier dieser, seht ihr?
Den ihr verbanntet, überragt euch alle.
Brutus.
Genug. Wir gehn.
Sicinius.
Was bleiben wir, gehetzt
Von einer, der die Sinne fehlen?
Volumnia.
Nehmt
Noch mein Gebet mit euch.
(Die Tribunen gehn ab.)
O! hätten doch die Götter nichts zu tun,
Als meine Flüch erfüllen. Träf ich sie
Nur einmal tags, erleichtern würd's mein Herz
Von schwerer Last.
Menenius.
Ihr gabt es ihnen derb,
Und habt auch Grund. Speist Ihr mit mir zu Nacht?
Volumnia.
Zorn ist mein Nachtmahl; so mich selbst verzehrend,
Verschmacht ich an der Nahrung. Laßt uns gehn.
Laßt dieses schwache Wimmern, klagt wie ich,
Der Juno gleich im Zorn.--Kommt, kommt!
Menenius.
Pfui, pfui!
(Sie gehn ab.)
Vierter Aufzug
Erste Szene
Landstraße zwischen Rom und Antium
Ein Römer und ein Volsker, die sich begegnen
Römer.
Ich kenne Euch recht gut, Freund, und Ihr kennt mich auch.
Ich denke, Ihr heißt Adrian?
Volsker.
Ganz recht. Wahrhaftig, ich hatte Euch vergessen.
Römer.
Ich bin ein Römer und tue jetzt wie Ihr Dienste gegen Rom.
Kennt Ihr mich nun?
Volsker.
Nikanor? nicht?
Römer.
Ganz recht.
Volsker.
Ihr hattet mehr Bart, als ich Euch zuletzt sah; aber
Euer Gesicht wird mir durch Eure Zunge kenntlich.--Was
gibt es Neues in Rom? Ich habe einen Auftrag vom Staat
der Volsker, Euch dort auszukundschaften, und Ihr habt
mir eine Tagereise erspart.
Römer.
In Rom hat es einen seltsamen Aufstand gegeben: das Volk
gegen die Senatoren, Patrizier und Edeln.
Volsker.
Hat es gegeben? Ist es denn nun vorbei? Unser Staat denkt
nicht so; sie machen die stärksten Rüstungen und hoffen,
sie in der Hitze der Entzweiung zu überfallen.
Römer.
Der große Brand ist gelöscht; aber eine geringe Veranlassung
würde ihn wieder in Flammen setzen; denn den Edeln geht die
Verbannung des würdigen Coriolan so zu Herzen, daß sie ganz
in der Stimmung sind, dem Volk alle Gewalt zu nehmen und ihnen
ihre Tribunen auf immer zu entreißen. Dies glimmt unter der
Asche, das kann ich Euch versichern, und ist fast reif zum
heftigsten Ausbruch.
Volsker.
Coriolan verbannt?
Römer.
Ja, verbannt.
Volsker.
Mit der Nachricht werdet Ihr willkommen sein, Nikanor.
Römer.
Das Wetter ist jetzt gut für euch. Man pflegt zu sagen, die
beste Zeit, eine Frau zu verführen, sei, wenn sie sich mit
ihrem Manne überworfen hat. Euer edler Tullus Aufidius kann
sich in diesem Kriege hervortun, da sein großer Gegner Coriolanus
jetzt für sein Vaterland nichts tut.
Volsker.
Das kann ihm nicht fehlen. Wie glücklich war ich, Euch so
unvermutet zu begegnen! Ihr habt meinem Geschäft ein Ende
gemacht, und ich will Euch nun freudig nach Hause begleiten.
Römer.
Ich kann Euch vor dem Abendessen noch höchst sonderbare Dinge
von Rom erzählen, die ihren Feinden sämtlich zum Vorteil gereichen.
Habt ihr ein Heer bereit? Wie?
Volsker.
Ja, und ein wahrhaft königliches. Die Zenturionen und ihre
Mannschaft sind schon förmlich verteilt und stehn im Sold, so
daß sie jede Stunde aufbrechen können.
Römer.
Es freut mich, daß sie so marschfertig sind, und ich denke, ich
bin der Mann, der sie sogleich in Bewegung setzen wird. Also
herzlich willkommen, und höchst vergnügt durch Eure Gesellschaft.
Volsker.
Ihr nehmt mir die Worte aus dem Munde; ich habe die meiste Ursach,
mich dieser Zusammenkunft zu freuen.
Römer.
Gut, laßt uns gehn.
(Sie gehn ab.)
Zweite Szene
Antium. Vor Aufidius' Haus
Coriolanus tritt auf in geringem Anzuge verkleidet und verhüllt.
Coriolanus.
Dies Antium ist ein hübscher Ort. O Stadt!
Ich schuf dir deine Witwen. Manche Erben
Der schönen Häuser hört ich in der Schlacht
Stöhnen und sterben.--Kenne mich drum nicht,
Sonst morden mich mit Bratspieß deine Weiber,
In kindscher Schlacht mit Steinen deine Knaben.
(Es kommt ein Bürger.)
Gott grüß Euch, Herr.
Der Bürger.
Und Euch.
Coriolanus.
Zeigt mir, ich bitte,
Wo Held Aufidius wohnt. Ist er in Antium?
Bürger.
Ja, und bewirtet heut in seinem Haus
Die Ersten unsrer Stadt.
Coriolanus.
Wo ist sein Haus?
Bürger.
Dies ist's, Ihr steht davor.
Coriolanus.
Lebt wohl. Ich dank Euch.
(Der Bürger geht ab.)
O Welt! du rollend Rad! Geschworne Freunde,
Die in zwei Busen nur ein Herz getragen,
Die Zeit und Bett und Mahl und Arbeit teilten,
Vereinigt stets, als wie ein Zwillingspaar,
In ungetrennter Liebe, brechen aus
Urplötzlich durch den Hader um ein Nichts
In bittern Haß.--So auch erboste Feinde,
Die Haß und Grimm nicht schlafen ließ vor Planen,
Einander zu vertilgen, durch 'nen Zufall,
Ein Ding, kein Ei wert, werden Herzensfreunde,
Und Doppelgatten ihre Kinder. So auch ich.
Ich hasse den Geburtsort, liebe hier
Die Feindesstadt.--Hinein! Erschlägt er mich,
So übt er gutes Recht; nimmt er mich auf,
So dien ich seinem Land.
(Geht ab.)
Dritte Szene
Halle in Aufidius' Hause
Man hört Musik von innen; es kommt ein Diener
Erster Diener.
Wein, Wein! Was ist das für Aufwartung?--Ich glaube,
die Burschen sind alle im Schlaf. (Geht ab.) Ein zweiter
Diener kommt.
Zweiter Diener.
Wo ist Cotus? Der Herr ruft ihn. Cotus.
(Geht ab. Coriolanus tritt auf.)
Coriolanus.
Ein hübsches Haus; das Mahl riecht gut. Doch ich
Seh keinem Gaste gleich. Der erste Diener kommt wieder.
Erster Diener.
Was wollt Ihr, Freund? Woher kommt Ihr? Hier ist kein
Platz für Euch. Bitte, macht Euch fort.
Coriolanus.
Ich habe bessern Willkomm nicht verdient,
Wenn Coriolan ich bin. Der Zweite Diener kommt.
Zweiter Diener.
Wo kommst du her, Freund? Hat der Pförtner keine Augen
im Kopf, daß er solche Gesellen herein läßt? Bitte, mach
dich fort.
Coriolanus.
Hinweg!
Zweiter Diener.
Hinweg? Geh du hinweg.
Coriolanus.
Du bist mir lästig.
Zweiter Diener.
Bist du so trotzig? Man wird schon mit dir sprechen.
Der dritte Diener kommt.
Dritter Diener.
Was ist das für ein Mensch?
Erster Diener.
Ein so wunderlicher, wie ich noch keinen sah. Ich kann ihn
nicht aus dem Hause kriegen. Ich bitte, ruf doch mal den Herrn her.
Dritter Diener.
Was habt Ihr hier zu suchen, Mensch? Bitte, scher dich
aus dem Haus.
Coriolanus.
Laßt mich hier stehn, nicht schad ich euerm Herd.
Dritter Diener.
Wer seid Ihr?
Coriolanus.
Ein Mann von Stande.
Dritter Diener.
Ein verwünscht armer.
Coriolanus.
Gewiß, das bin ich.
Dritter Diener.
Ich bitte Euch, armer Mann von Stande, sucht Euch ein andres
Quartier; hier ist kein Platz für Euch.--Ich bitte Euch, packt
Euch fort.
Coriolanus.
Euerm Berufe folgt. Hinweg! Stopft euch mit kalten Bissen.
(Stößt den Diener weg.)
Dritter Diener.
Was, Ihr wollt nicht? Bitte, sage doch meinem Herrn, was er
hier für einen seltsamen Gast hat.
Zweiter Diener.
Das will ich.
(Geht ab.)
Dritter Diener.
Wo wohnst du?
Coriolanus.
Unter dem Firmament.
Dritter Diener.
Unter dem Firmament?
Coriolanus.
Ja.
Dritter Diener.
Wo ist das?
Coriolanus.
In der Stadt der Geier und Krähen.
Dritter Diener.
In der Stadt der Geier und Krähen? Was das für ein Esel ist!
So wohnst du auch wohl bei den Dohlen?
Coriolanus.
Nein, ich diene nicht deinem Herrn.
Erster Diener.
Kerl! was hast du mit meinem Herrn zu schaffen?
Coriolanus.
Nun, das ist doch schicklicher, als wenn ich mit deiner Frau
zu schaffen hätte. Du schwatzest und schwatzest.--Trag deine
Teller weg. Marsch!
(Er schlägt ihn hinaus. Aufidius tritt auf.)
Aufidius.
Wo ist der Mensch?
Zweiter Diener.
Hier, Herr. Ich hätte ihn wie einen Hund hinausgeprügelt, ich
wollte nur die Herren drinnen nicht stören.
Aufidius.
Woher kommst du? Was willst du? Dein Name? Weshalb antwortest
du nicht? Sprich, Mensch, wie heißest du?
Coriolanus (schlägt den Mantel auseinander).
Wenn, Tullus,
Du noch nicht mich erkennst, und, mich beschauend,
Nicht findest, wer ich bin, zwingt mich die Not,
Mich selbst zu nennen.
Aufidius.
Und wie ist dein Name?
Coriolanus.
Ein Name, schneidend für der Volsker Ohr,
Und rauhen Klangs für dich.
Aufidius.
Wie ist dein Name?
Du hast ein grimmig Aussehn, deine Mien ist
Gebieterisch. Ist auch zerfetzt dein Tauwerk,
Zeigst du als wackres Schiff dich. Wie dein Name?
Coriolanus.
Zieh deine Stirn in Falten. Kennst mich jetzt?
Aufidius.
Nicht kenn ich dich. Dein Name?
Coriolanus.
Mein Nam ist Cajus Marcius, der dich selbst
Vorerst und alle deine Landsgenossen
Sehr schwer verletzt' und elend machte; Zeuge:
Mein dritter Name Coriolan. Die Kriegsmühn,
Die Todsgefahr und all die Tropfen Bluts,
Vergossen für das undankbare Rom,
Das alles wird bezahlt mit diesem Namen,
Er, starkes Mahnwort und Anreiz zu Haß
Und Feindschaft, die du mir mußt hegen. Nur
Der Name bleibt. Die Grausamkeit des Volks,
Ihr Neid, gestattet von dem feigen Adel,
Die alle mich verließen, schlang das andre.
Sie duldeten's, mich durch der Sklaven Stimmen
Aus Rom gezischt zu sehn.--Diese Verruchtheit
Bringt mich an deinen Herd; die Hoffnung nicht,
Versteh mich recht, mein Leben zu erhalten;
Denn fürchtet ich den Tod, so mied' ich wohl
Von allen Menschen dich zumeist;--nein, Haß,
Ganz meinen Neidern alles wettzumachen,
Bringt mich hierher.--Wenn du nun in dir trägst
Ein Herz des Grimms, das Rache heischt für alles,
Was dich als Mann gekränkt, und die Verstümmlung
Und Schmach in deinem ganzen Land will strafen,
Mach dich gleich dran, daß dir mein Elend nütze,
Daß dir mein Rachedienst zur Wohltat werde;
Denn ich bekämpfe
Mein gifterfülltes Land mit aller Wut
Der Höllengeister. Doch fügt es sich so:
Du wagst es nicht und bist ermüdet, höher
Dein Glück zu steigern, dann, mit einem Wort,
Bin ich des Lebens auch höchst überdrüssig;
Dann biet ich dir und deinem alten Haß
Hier meine Gurgel.--Schneidest du sie nicht,
So würdest du nur als ein Tor dich zeigen;
Denn immer hab ich dich mit Grimm verfolgt
Und Tonnen Blutes deinem Land entzapft.
Ich kann nur leben dir zum Hohn, es sei denn,
Um Dienste dir zu tun.
Aufidius.
O Marcius, Marcius!
Ein jedes Wort von dir hat eine Wurzel
Des alten Neids mir aus der Brust gejätet.
Wenn Jupiter
Von jener Wolk uns als Orakel riefe:
"Wahr ist's!" nicht mehr als dir würd ich ihm glauben.
Ganz edler Marcius! O! laß mich umwinden
Den Leib mit meinen Armen, gegen den
Mein fester Speer wohl hundertmal zerbrach,
Und traf den Mond mit Splittern. Hier umfang ich
Den Amboß meines Schwerts und ringe nun
So edel und so heiß mit deiner Liebe,
Als je mein eifersüchtger Mut gerungen
Mit deiner Tapferkeit. Laß mich bekennen:
Ich liebte meine Braut, nie seufzt' ein Mann
Mit treurer Seele; doch, dich hier zu sehn,
Du hoher Geist! dem springt mein Herz noch freudger,
Als da mein neuvermähltes Weib zuerst
Mein Haus betrat. Du Mars, ich sage dir,
Ganz fertig steht ein Kriegsheer, und ich wollte
Noch einmal dir den Schild vom Arme hauen,
Wo nicht, den Arm verlieren. Zwölfmal hast du
Mich ausgeklopft, und jede Nacht seitdem
Träumt ich vom Balgen zwischen dir und mir.
Wir waren beid in meinem Schlaf am Boden,
Die Helme reißend, bei der Kehl uns packend:
Halbtot vom Nichts erwacht ich.--Würdger Marcius!
Hätt ich nicht andern Streit mit Rom, als nur,
Daß du von dort verbannt, ich böte auf
Von zwölf zu siebzig alles Volk, um Krieg
Ins Herz des undankbaren Roms zu gießen
Mit überschwellnder Flut.--O komm! tritt ein
Und nimm die Freundeshand der Senatoren,
Die jetzt hier sind, mir Lebewohl zu sagen,
Der eure Länderein angreifen wollte,
Wenn auch nicht Rom selbst.
Coriolanus.
Götter, seid gepriesen!
Aufidius.
Willst du nun selbst als unumschränkter Herr
Dein eigner Rächer sein, so übernimm
Die Hälfte meiner Macht; bestimme du,
Wie dir gefällt, da du am besten kennst
Des Landes Kraft und Schwäche, deinen Weg,
Sei's, anzuklopfen an die Tore Roms,
Sei's, sie an fernen Grenzen heimzusuchen,
Erst schreckend, dann vernichtend. Doch tritt ein
Und sei empfohlen jenen, daß sie ja
Zu deinen Wünschen sprechen.--Tausend Willkomm!
Und mehr mein Freund als du je Feind gewesen,
Und, Marcius, das ist viel. Komm, deine Hand.
(Coriolanus und Aufidius gehn ab.)
Erster Diener.
Das ist eine wunderliche Verändrung.
Zweiter Diener.
Bei meiner Hand, ich dachte, ihn mit einem Prügel
hinauszuschlagen, und doch ahnete mir, seine Kleider
machten von ihm eine falsche Aussage.
Erster Diener.
Was hat er für einen Arm! Er schwenkte mich herum mit
seinem Daum und Finger, wie man einen Kreisel tanzen läßt.
Zweiter Diener.
Nun, ich sah gleich an seinem Gesicht, daß was Besonderes
in ihm steckte. Er hatte mir eine Art von Gesicht, sag ich--
ich weiß nicht, wie ich es nennen soll.
Erster Diener.
Das hatte er. Er sah aus, gleichsam--ich will mich hängen lassen,
wenn ich nicht dachte, es wäre mehr in ihm, als ich denken konnte.
Zweiter Diener.
Das dachte ich auch, mein Seel. Er ist geradezu der herrlichste
Mann der Welt.
Erster Diener.
Das glaube ich auch. Aber einen besseren Krieger als er kennst
du doch wohl.
Zweiter Diener.
Wer? mein Herr?
Erster Diener.
Ja, das ist keine Frage.
Zweiter Diener.
Der wiegt sechs solche auf.
Erster Diener.
Nein, das nun auch nicht, doch ich halte ihn für einen
bessern Krieger.
Zweiter Diener.
Mein Treu! sieh, man kann nicht sagen, was man davon
denken soll; was die Verteidigung einer Stadt betrifft,
da ist unser Feldherr vorzüglich.
Erster Diener.
Ja, und auch für den Angriff. Der dritte Diener kommt
zurück.
Dritter Diener.
O, Bursche, ich kann euch Neuigkeiten erzählen, Neuigkeiten,
ihr Flegel!
Die beiden andern.
Was? was? was? Laß hören.
Dritter Diener.
Ich wollte kein Römer sein, lieber alles in der Welt; lieber
wäre ich ein verurteilter Mensch.
Erster und zweiter Diener.
Warum? Warum?
Dritter Diener.
Nun, der ist da, der unsern Feldherrn immer zwackte, der
Cajus Marcius.
Erster Diener.
Warum sagtest du, unsern Feldherrn zwacken?
Dritter Diener.
Ich sage just nicht, unsern Feldherrn zwacken; aber er war
ihm doch immer gewachsen.
Zweiter Diener.
Kommt, wir sind Freunde und Kameraden. Er war ihm immer zu
mächtig, das habe ich ihn selbst sagen hören.
Erster Diener.
Er war ihm, kurz und gut, zu mächtig, Vor Corioli hackte und
zwackte er ihn wie eine Karbonade.
Zweiter Diener.
Und hätte er was von einem Kannibalen gehabt, so hätte er
ihn wohl gebraten und aufgegessen dazu.
Erster Diener.
Aber dein andres Neues?
Dritter Diener.
Nun, da drinnen machen sie soviel Aufhebens von ihm, als wenn
er der Sohn und Erbe des Mars wäre. Obenan gesetzt bei Tische,
von keinem der Senatoren gefragt, der sich nicht barhäuptig vor
ihn hinstellt. Unser Feldherr selbst tut, als wenn er seine
Geliebte wäre, segnet sich mit Berührung seiner Hand und dreht
das Weiße in den Augen heraus, wenn er spricht. Aber der Grund
und Boden meiner Neuigkeit ist: unser Feldherr ist mitten
durchgeschnitten und nur noch die Hälfte von dem, was er gestern
war; denn der andre hat die Hälfte durch Ansuchen und Genehmigung
der ganzen Tafel. Er sagt, er will gehn und den Pförtner von Rom
bei den Ohren zerren, er will alles vor sich niedermähen und sich
glatten Weg machen.
Zweiter Diener.
Und er ist der Mann danach, es zu tun, mehr als irgend jemand,
den ich kenne.
Dritter Diener.
Es zu tun? Freilich wird er's tun! Denn versteht, Leute, er hat
ebensoviel Freunde als Feinde; und diese Freunde, Leute, wagten
gleichsam nicht, versteht mich, Leute, sich als seine Freunde,
wie man zu sagen pflegt, zu zeigen, solange er in Mißkreditierung
war.
Erster Diener.
In Mißkreditierung? Was ist das?
Dritter Diener.
Aber Leute, wenn sie seinen Kamm wieder hoch sehen werden und
den Mann in seiner Kraft, so werden sie aus ihren Höhlen kriechen
wie Kaninchen nach dem Regen, und ihm alle nachlaufen.
Erster Diener.
Aber wann geht das los?
Dritter Diener.
Morgen, heute, sogleich. Ihr werdet die Trommel heute nachmittag
schlagen hören, es ist gleichsam noch eine Schüssel zu ihrem Fest,
die verzehrt werden muß, ehe sie sich den Mund abwischen.
Zweiter Diener.
Nun, so kriegen wir doch wieder eine muntre Welt. Der Friede ist zu
nichts gut als Eisen zu rosten, Schneider zu vermehren und Bänkelsänger
zu schaffen.
Erster Diener.
Ich bin für den Krieg, sage ich, er übertrifft den Frieden wie der
Tag die Nacht; er ist lustig, wachsam, gesprächig, immer was Neues;
Friede ist Stumpfheit, Schlafsucht, dick, faul, taub, unempfindlich
und bringt mehr Bastarde hervor, als der Krieg Menschen erwürgt.
Zweiter Diener.
Richtig; und wie man auf gewisse Weise den Krieg Notzucht nennen kann,
so macht, ohne Widerrede, der Friede viele Hahnrei'.
Erster Diener.
Ja, und er macht, daß die Menschen einander hassen.
Dritter Diener.
Und warum? Weil sie dann einander weniger nötig haben. Der Krieg ist
mein Mann.--Ich hoffe, Römer sollen noch ebenso wohlfeil werden als
Volsker. Sie stehn auf, sie stehn auf!
Alle.
Hinein! hinein!
(Alle ab.)
Vierte Szene
Rom. Ein öffentlicher Platz
Sicinius und Brutus treten auf
Sicinius.
Man hört von ihm nichts, hat ihn nicht zu fürchten.
Was ihn gestärkt, ist zahm, wo Friede jetzt
Und Ruh im Volke, welches sonst empört
Und wild. Wir machen seine Freund' erröten,
Daß alles blieb im ruh'gen Gleis. Sie sähen
Viel lieber, ob sie selbst auch drunter litten,
Aufrührerhaufen unsre Straßen stürmen,
Als daß der Handwerksmann im Laden singt
Und alle freudig an die Arbeit gehn.
(Menenius tritt auf.)
Brutus.
Wir griffen glücklich durch. Ist das Menenius?
Sicinius.
Er ist es. O! er wurde sehr geschmeidig
Seit kurzem.--Seid gegrüßt!
Menenius.
Ich grüß euch beide.
Sicinius.
Euer Coriolanus wird nicht sehr vermißt,
Als von den Freunden nur; der Staat besteht
Und würde stehn, wenn er ihn mehr noch haßte.
Menenius.
Gut ist's und könnte noch weit besser sein,
Hätt er sich nur gefügt.
Sicinius.
Wo ist er? Wißt Ihr's--
Menenius.
Ich hörte nichts; auch seine Frau und Mutter
Vernehmen nichts von ihm. Es kommen mehrere Bürger.
Die Bürger.
Der Himmel schütz euch!
Sicinius.
Guten Abend, Nachbarn!
Brutus.
Guten Abend allen! Allen guten Abend!
Erster Bürger.
Wir, unsre Fraun und Kinder sind verpflichtet,
Auf Knien für euch zu beten.
Sicinius.
Geh's euch wohl.
Brutus.
Lebt wohl, ihr Nachbarn. Hätte Coriolanus
Euch so geliebt wie wir!
Die Bürger.
Der Himmel segn euch.
Die Tribunen.
Lebt wohl! lebt wohl!
(Die Bürger gehn ab.)
Sicinius.
Dies ist beglücktre wohl und liebre Zeit,
Als da die Burschen durch die Straßen liefen,
Zerstörung brüllend.
Brutus.
Cajus Marcius war
Im Krieg ein würdger Held, doch unverschämt
Von Stolz gebläht, ehrgeizig übers Maß,
Selbstsüchtig--
Sicinius.
Unumschränkte Macht erstrebend
Ohn andern Beistand.
Menenius.
Nein das glaub ich nicht.
Sicinius.
Das hätten wir, so daß wir's all' beweinten,
Empfunden, wär er Konsul nur geblieben.
Brutus.
Die Götter wandten's gnädig ab, und Rom
Ist frei und sicher ohne ihn. Ein Ädil kommt
Ädil.
Tribunen,
Da ist ein Sklave, den wir festgesetzt;
Der sagt: "Es brach mit zwei verschiednen Heeren
Der Volsker Macht ins römische Gebiet,
Und mit des Krieges fürchterlichster Wut
Verwüsten sie das Land."
Menenius.
Das ist Aufidius,
Der, da er unsers Marcius Bann gehört,
Die Hörner wieder ausstreckt in die Welt,
Die er einzog, als Marcius stand für Rom,
Und nicht ein Blickchen wagte.
Sicinius.
Ei, was schwatzt Ihr
Vom Marcius da.
Brutus.
Peitscht diesen Lügner aus. Es kann nicht sein.
Die Volsker wagen nicht den Bruch.
Menenius.
Es kann nicht sein?
Wohl sagt uns die Erinnrung, daß es sein kann;
Dreimal bezeugt' er uns dasselbe Beispiel
In meiner Zeit.--Sprecht doch mit dem Gesellen,
Eh ihr ihn straft, fragt ihn, wo er's gehört;
Ihr möchtet sonst wohl eure Warnung peitschen,
Den Boten schlagen, der euch wahren will
Vor dem, was zu befürchten.
Sicinius.
Sprecht nicht so!
Ich weiß, es kann nicht sein.
Brutus.
Es ist unmöglich. Ein Bote kommt.
Bote.
In größter Eil versammelt der Senat
Sich auf dem Kapitol.--Sie hörten Botschaft,
Die ihr Gesicht entfärbt.
Sicinius.
Das macht der Sklave.
Laßt vor dem Volk ihn peitschen; sein Verhetzen--
Nichts als sein Märchen.
Bote.
Nicht doch, würdger Herr.
Des Sklaven Wort bestätigt sich, und weit,
Weit schlimmer, als er aussagt.
Sicinius.
Wie, weit schlimmer?
Bote.
Es wird von vielen Zungen frei gesprochen,
Ob glaublich, weiß ich nicht, es führe Marcius,
Aufidius zugesellt, ein Heer auf Rom;
So weite Rache schwörend, wie der Anfang
Der Dinge weit vom jetzt ist.
Sicinius.
O! höchst glaublich!
Brutus.
Nur ausgestreut, damit der schwächre Teil
Den guten Marcius heim soll wünschen.
Sicinius.
Freilich
Ist das der Kniff.
Menenius.
Nein, dies ist unwahrscheinlich.
Nicht mehr kann mit Aufidius er sich einen,
Als was am heftigsten sich widerspricht. Es kommt ein zweiter Bote.
Bote.
Man läßt in Eil aufs Kapitol euch fordern;
Ein furchtbar Heer, geführt von Cajus Marcius,
Aufidius zugesellt, verwüstet rings
Die ganze Landschaft und betritt den Weg
Hierher, durch Feur gebahnt, zerstörend alles,
Was ihrer Wut begegnet.
(Cominius tritt auf)
Cominius.
Oh! ihr habt Hübsches angerichtet.
Menenius.
Nun, was gibt's?
Cominius.
Die eignen Töchter helft ihr schänden und
Der Dächer Blei auf eure Schädel schmelzen,
Vor euren Augen eure Fraun entehren.
Menenius.
Was gibt es denn? Was gibt's denn?
Cominius.
Verbrennen eure Tempel bis zum Grund,
Und eure Recht', auf die ihr pocht, verjagen
Bis in ein Mäuseloch.
Menenius.
Ich bitt Euch--sprecht!
Ich fürcht, ihr habt es schön gemacht. O sprecht!
Wenn Marcius sich verband den Volskern--
Cominius.
Wenn?
Er ist ihr All, er führt sie als ein Wesen,
Das nicht Natur erschuf, nein, eine Gottheit,
Die höher ihn begabt. Sie folgen ihm
Her gegen uns Gezücht, so ruhig, sicher,
Wie Knaben bunte Schmetterlinge jagen
Und Schlächter Fliegen töten.
Menenius.
Ihr habt's schön gemacht.
Ihr, eure Schürzfellmänner, die so fest
Auf ihre Handwerksstimmen hielten, und
Der Knoblauchfresser Atem.
Cominius.
Schütteln wird er
Euch um die Ohren Rom.
Menenius.
Wie Herkules
Die reife Frucht abschüttelt'. Schöne Arbeit!
Brutus.
So ist es wahr?
Cominius.
Ja, und ihr sollt erbleichen,
Bevor ihr's anders findet. Jede Stadt
Fällt lachend ab, und wer sich widersetzt,
Den höhnt man ob der tapfern Dummheit aus,
Der stirbt als treuer Narr. Wer kann ihn tadeln?
Die Feind' ihm sind, sehn jetzo, was er ist.
Menenius.
Wir alle sind verloren, wenn der Edle
Nicht Gnade übt.
Cominius.
Wer soll ihn darum bitten?
Aus Schande können's die Tribunen nicht;
Das Volk verdient von ihm Erbarmen, wie
Der Wolf vom Schäfer.--Seine besten Freunde,
Sagten sie: "Schone Rom!", sie kränkten ihn
Gleich jenen, welche seinen Haß verdient,
Und zeigten sich als Feinde.
Menenius.
Das ist wahr.
Wenn er den Brand an meine Schwelle legte,
Sie zu verzehren, hätt ich nicht die Stirn,
Zu sagen: "Bitte, laß!"-- Ihr treibt es schön,
Ihr und das Handwerk. Herrlich Werk der Hand!
Cominius.
Ihr brachtet
Solch Zittern über Rom, daß sich's noch nie
So hilflos fand.
Die Tribunen.
Sagt nicht, daß wir es brachten.
Menenius.
So? Waren wir's? Wir liebten ihn, doch tierisch
Und knechtisch feig, nicht adlig, wichen wir
Dem Pack, das aus der Stadt ihn zischte.
Cominius.
Ich fürchte,
Sie brüllen wieder ihn herein. Aufidius,
Der Männer zweiter, folgt nur seinem Wink,
Als dient' er unter ihm. Verzweiflung nur
Kann Rom ihm nun statt Kriegskunst und Verteidgung
Und Macht entgegenstellen. Es kommt ein Haufen Bürger.
Menenius.
Hier kommt das Pack.
Und ist Aufidius mit ihm? Ja, ihr seid's,
Die unsre Luft verpestet, als ihr warft
Die schweißgen Mützen in die Höh und schriet:
"Verbannt sei Coriolan."--Nun kommt er wieder,
Und jedes Haar auf seiner Krieger Haupt
Wird euch zur Geißel.--Soviel Narrenköpfe,
Als Mützen flogen, wird er niederstrecken
Zum Lohn für eure Stimmen.--Nun, was tut's?
Und wenn er all' uns brennt in eine Kohle,
Geschieht uns recht.
Die Bürger.
Wir hörten böse Zeitung.
Erster Bürger.
Was mich betrifft, als ich gesagt: "Verbannt ihn",
Da sagt ich: "Schade drum!"
Zweiter Bürger.
Das tat ich auch.
Dritter Bürger.
Das tat ich auch; und, die Wahrheit zu sagen, das taten viele
von uns. Was wir taten, das taten wir zum allgemeinen Besten;
und obgleich wir freiwillig in seine Verbannung einwilligten,
so war es doch gegen unsern Willen.
Cominius.
Ihr seid ein schönes Volk, ihr Stimmen!
Menenius.
Ihr machtet's herrlich, ihr und euer Pack.
Gehn wir aufs Kapitol?
Cominius.
Jawohl. Was sonst?
(Cominius und Menenius gehn ab.)
Sicinius.
Geht, Freunde, geht nach Haus, seid nicht entmutigt.
Dies ist sein Anhang, der das wünscht bestätigt,
Was er zu fürchten vorgibt. Geht nach Haus.
Seid ohne Furcht.
Erster Bürger.
Die Götter seien uns gnädig. Kommt, Nachbarn, laßt uns nach Hause
gehn. Ich sagte immer: Wir taten unrecht, als wir ihn verbannten.
Zweiter Bürger.
Das taten wir alle. Kommt, laßt uns nach Hause gehn.
(Die Bürger gehn ab.)
Brutus.
Die Neuigkeit gefällt mir nicht.
Sicinius.
Mir auch nicht.
Brutus.
Aufs Kapitol! Mein halb Vermögen gäb ich,
Könnt ich als Lüge diese Nachricht kaufen.
Sicinius.
Kommt, laßt uns gehn.
(Gehn ab.)
Fünfte Szene
Ein Lager in geringer Entfernung von Rom
Aufidius und ein Hauptmann treten auf
Aufidius.
Noch immer laufen sie dem Römer zu?
Hauptmann.
Ich weiß nicht, welche Zauberkraft er hat;
Doch dient zum Tischgebet er Euren Kriegern,
Wie zum Gespräch beim Mahl und Dank am Schluß.
Ihr seid in diesem Krieg verdunkelt, Herr,
Selbst von den Eignen.
Aufidius.
Jetzt kann ich's nicht ändern,
Als nur durch Mittel, die die Kräfte lähmten
Von unsrer Absicht. Er beträgt sich stolzer,
Selbst gegen mich, als ich es je erwartet,
Da ich zuerst ihn aufnahm. Doch sein Wesen
Bleibt darin sich getreu. Ich muß entschuldgen,
Was nicht zu bessern ist.
Hauptmann.
Doch wünscht ich, Herr,
Zu Eurem eignen Heil, Ihr hättet nie
Mit ihm geteilt Eur Ansehn, nein, entweder
Die Führung selbst behalten oder ihm
Allein sie überlassen.
Aufidius.
Wohl weiß ich, was du meinst; und, sei versichert,
Wenn's zur Erklärung kommt, so denkt er nicht,
Wes ich ihn kann beschuldgen. Scheint es gleich,
Und glaubt er selbst, und überzeugt sich auch
Das Volk, daß er in allem redlich handelt
Und guten Haushalt für die Volsker führt;
Ficht, gleich dem Drachen, siegt, sobald er nur
Das Schwert gezückt; doch blieb noch ungetan,
Was ihm den Hals soll brechen oder meinen
Gefährden, wenn wir miteinander rechnen.
Hauptmann.
Herr, glaubt Ihr, daß er Roms sich wird bemeistern?
Aufidius.
Jedwede Stadt ist sein, eh er belagert,
Und ihm ergeben ist der Adel Roms;
Patrizier lieben ihn und Senatoren.
Den Krieg versteht nicht der Tribun. Das Volk
Wird schnell zurück ihn rufen, wie's ihn eilig
Von dort verstieß. Ich glaub, er ist für Rom,
Was für den Fisch der Meeraar, der ihn fängt
Durch angeborne Macht. Erst war er ihnen
Ein edler Diener; doch er konnte nicht
Die Würden mäßig tragen. Sei's nun Stolz,
Der immer, bleibt das Glück unwandelbar,
Den Glücklichen befleckt; sei's Urteilsmangel,
Wodurch er nicht den Zufall klug genutzt,
Den er beherrschte; oder sei's Natur,
Die ihn aus einem Stück schuf--stets derselbe
Im Helme wie im Rat, herrscht' er im Frieden
Mit unbeugsamer Streng und finsterm Ernst,
Wie er dem Krieg gebot. Schon eins von diesen
(Von jedem hat er etwas, keines ganz,
So weit sprech ich ihn frei) macht' ihn gefürchtet,
Gehaßt, verbannt.--Doch so ist sein Verdienst,
Daß es im Übermaß erstirbt. So fällt
Stets unser Wert der Zeiten Deutung heim;
Und Macht, die an sich selbst zu loben ist,
Hat kein so unverkennbar Grab, als wenn
Von Rednerbühnen wird ihr Tun gepriesen.
Der Nagel treibt den Nagel, Brand den Brand,
Kraft sinkt durch Kraft, durch Recht wird Recht verkannt.
Kommt, laßt uns gehn. Ist, Cajus, Rom erst dein,
Dann bist der Ärmste du und dann bald mein.
(Sie gehn ab.)
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Rom, ein öffentlicher Platz
Es treten auf Menenius, Cominius, Sicinius, Brutus und andere
Menenius.
Nein, ich geh nicht.--Ihr hört, was dem er sagte,
Der einst sein Feldherr war; der ihn geliebt
Aufs allerzärtlichste. Mich nannt er Vater;
Doch was tut das?--Geht ihr, die ihn verbannt,
'ne Meile schon vor seinem Zelt fallt nieder
Und schleicht so kniend in seine Gnade.--Nein:
Wollt er nichts von Cominius hören, bleib ich
Zu Haus.
Cominius.
Er tat, als kennte er mich nicht.
Menenius.
Hört ihr's?
Cominius.
Doch einmal nannt er mich bei meinem Namen:
Die alte Freundschaft macht ich geltend, Blut,
Gemeinsam sonst vergossen. Coriolan
Wollt er nicht sein, verbat sich jeden Namen:
Er sei ein Nichts, ein ungenanntes Wesen,
Bis er sich einen Namen neu geschmiedet
Im Brande Roms.
Menenius.
Ah! so. Ihr machtet's gut.
Ein Paar Tribunen, die für Rom sich quälten,
Wohfeil zu machen Kohlen.--Edler Ruhm!
Cominius.
Ich mahnt ihn, wie so königlich Verzeihung,
Je minder sie erwartet sei. Er sprach,
Das sei vom Staat ein kahles Wort an ihn,
Den selbst der Staat bestraft.
Menenius.
Das war ganz recht.
Was konnt er anders sagen?
Cominius.
Ich suchte dann sein Mitleid zu erwecken
Für die besondern Freund'. Er gab zur Antwort:
Nicht lesen könn er sie aus einem Haufen
Verdorbner, schlechter Spreu, auch sei es Torheit,
Um ein zwei arme Körner stinken lassen
Den Unrat unverbrannt.
Menenius.
Um ein paar Körner?
Davon bin ich eins, seine Frau und Mutter,
Sein Kind, der wackre Freund, wir sind die Körner:
Ihr seid die dumpfe Spreu, und eur Gestank
Dringt bis zum Mond; wir müssen für euch brennen.
Sicinius.
Seid milde doch, wenn ihr zu helfen weigert
In so ratloser Zeit. Verhöhnt uns mindestens
Mit unserm Elend nicht; denn sprächet Ihr
Für Euer Vaterland, Eur gutes Wort,
Mehr als ein eilig aufgerafftes Heer,
Hemmt' unsern Landsmann.
Menenius.
Nein ich bleib davon.
Sicinius.
Ich bitt Euch, geht zu ihm.
Menenius.
Was soll es nutzen?
Brutus.
Versuchen nur, was Eure Liebe kann
Für Rom bei Marcius.
Menenius.
Und gesetzt, daß Marcius
Zurück mich schickt, wie er Cominius tat,
Ganz ungehört.--Die Folge?
Noch ein gekränkter Freund, von Gram durchbohrt
Durch seine Härte. Nun?
Sicinius.
Euern Willen
Erkennt Rom dankbar nach dem Maß, wie Ihr
Die gute Meinung zeigt.
Menenius.
Ich will's versuchen--
Kann sein, er hört mich; doch, die Lippe beißen
Und grollen mit Cominius schwächt mein Herz.
Man traf die Stunde nicht, vor Tische war's.
Und sind die Adern leer, ist kalt das Blut,
Dann schmollen wir dem Morgen, sind unwillig
Zu geben und vergeben; doch gefüllt
Die Röhren und Kanäle unsers Bluts
Mit Wein und Nahrung, macht die Seele schmeidger
Als priesterliches Fasten.--Drum erpaß ich,
Bis er für mein Gesuch in Tafellaune,
Und dann mach ich mich an ihn.
Brutus.
Ihr kennt den wahren Pfad zu seiner Güte
Und könnt des Wegs nicht fehlen.
Menenius.
Gut, ich prüf ihn.
Geh's, wie es will, bald werd ich selber wissen,
Ob's mir gelang.
(Geht ab.)
Cominius.
Er hört ihn nimmer.
Sicinius.
Nicht?
Cominius.
Glaubt mir, er sitzt in Gold, sein Blick so feurig,
Als wollt er Rom verbrennen; und sein Zorn
Ist Kerkermeister seiner Gnad.--Ich kniete,
Nur leise sprach er: "Auf!"--entließ mich--so--
Mit seiner stummen Hand. Was er tun würde,
Schickt' er mir schriftlich nach; was er nicht würde,
Zwäng ihn ein Eid, sich selbst nicht nachzugeben.
So daß uns keine Hoffnung bleibt--
Wenn's seine edle Mutter nicht und Gattin--
Die, hör ich, sind gewillt, ihn anzuflehn
Um Gnade für die Stadt; drum gehn wir hin,
Daß unser bestes Wort sie noch mehr treibe.
(Gehn ab.)
Zweite Szene
Lager der Volsker vor Rom
Zwei Wachen der Volsker, zu ihnen kommt Menenius
Erste Wache.
Halt!--Woher kommt Ihr?
Zweite Wache.
Halt, und geht zurück!
Menenius.
Ihr wacht wie Männer. Gut; doch mit Vergunst,
Ich bin ein Staatsbeamter und gekommen,
Mit Coriolan zu sprechen.
Erste Wache.
Von wo?
Menenius.
Von Rom.
Erste Wache.
Ihr kommt nicht durch, Ihr müßt zurück.--Der Feldherr
Will nichts von dort mehr hören.
Zweite Wache.
Ihr sollt Eur Rom in Flammen sehn, bevor
Mit Coriolan Ihr sprecht.
Menenius.
Ihr guten Freunde,
Habt ihr gehört von Rom den Feldherrn sprechen
Und seinen Freunden dort? Zehn gegen eins,
So traf mein Nam eur Ohr, er heißt Menenius.
Erste Wache.
Mag sein. Zurück! denn Euers Namens Würde
Bringt Euch nicht durch.
Menenius.
Ich sage dir, mein Freund,
Dein Feldherr liebt mich, denn ich war die Chronik
Des Guten, das er tat, und wo sein Ruhm
Als gleichlos stand, wohl etwas übertrieben.
Denn immer zeugt ich gern für meine Freunde
(Von denen er der liebste), ganz und groß,
Soweit's die Wahrheit litt. Zuweilen wohl
So wie auf scheinbar glattem Grund die Kugel,
Sprang ich was jenseits, machte fast im Loben
Ein wenig Wind.--Drum, Kerl, muß ich auch durch.
Erste Wache.
Mein Treu, Herr, wenn Ihr auch so viele Lügen für ihn
als jetzt Worte für Euch gesprochen habt, so sollt Ihr
doch nicht durch. Nein--und wenn auch das Lügen so
verdienstlich wäre wie ein keusches Leben. Darum--zurück!
Menenius.
Ich bitte dich, Mensch, erinnere dich, daß ich Menenius
heiße, der immer die Partei deines Feldherrn hielt.
Zweite Wache.
Wenn Ihr auch sein Lügner gewesen seid, wie Ihr vorgebt,
so bin ich einer, der in seinem Dienst die Wahrheit spricht
und Euch sagt, daß Ihr hier nicht hinein dürft. Darum, zurück!
Menenius.
Hat er zu Mittag gegessen? weißt du's nicht? denn ich wollte
nicht gern eher mit ihm reden als nach der Mahlzeit.
Erste Wache.
Nicht wahr, Ihr seid ein Römer?
Menenius.
Ich bin, was dein Feldherr ist.
Erste Wache.
Dann solltet Ihr auch Rom hassen, so wie er. Könnt Ihr,
nachdem Ihr Euern Verteidiger zu Euern Toren hinausgestoßen
und in Eurer blödsinnigen Volkswut Euerm Feind Euern eignen
Schild gegeben habt, noch glauben, seine Rache ließe sich durch
die schwächlichen Seufzer alter Frauen abwenden, durch das
jungfräuliche Händefalten Eurer Töchter, oder durch gichtlahme
Fürbitte eines so welken, kindischen Mannes, wie Ihr zu sein
scheint? Könnt Ihr glauben, das Feuer, das Eure Stadt entflammen
soll, mit so schwachem Atem auszublasen? Nein, Ihr irrt Euch--
darum, zurück nach Rom und bereitet Euch zu Eurer Hinrichtung.
Ihr seid verurteilt ohne Aufschub und Gnade, das hat der General
geschworen.
Menenius.
Bursche, wenn dein Hauptmann wüßte, daß ich hier bin, so würde er
mich mit Achtung behandeln.
Erste Wache.
Geht, mein Hauptmann kennt Euch nicht.
Menenius.
Ich meine den Feldherrn.
Erste Wache.
Der Feldherr fragt nichts nach Euch.--Zurück, ich sag es Euch,
geht, sonst zapfe ich noch Eure halbe Unze Blut ab--zurück! denn
mehr könnt Ihr nicht haben! Fort!
Menenius.
Nein, aber, Mensch! Mensch! Coriolanus und Aufidius treten auf.
Coriolanus.
Was gibt's?
Menenius.
Jetzt, Geselle, will ich dir etwas einbrocken--du sollst
nun sehn, daß ich in Achtung stehe. Du sollst gewahr werden,
daß solch ein Hans Schilderhaus mich nicht von meinem Sohn
Coriolan wegtreiben kann. Sieh an der Art, wie er mit mir
sprechen wird, ob du nicht reif für den Galgen bist, oder
für eine Todesart von längrer Aussicht und größerer Qual.
Sieh nun her und fall sogleich in Ohnmacht wegen dessen, was
dir bevorsteht.--Die glorreichen Götter mögen stündliche
Ratsversammlung halten wegen deiner besondern Glückseligkeit
und dich nicht weniger lieben als dein alter Vater Menenius.
O! mein Sohn! mein Sohn! du bereitest uns Feuer? Sieh, hier
ist Wasser, um es zu löschen. Ich war schwer zu bewegen, zu
dir zu gehn; aber weil ich überzeugt bin, daß keiner besser
als ich dich bewegen kann, so bin ich mit Seufzern aus den
Toren dort hinausgeblasen worden und beschwöre dich nun, Rom
und deinen flehnden Landsleuten zu verzeihn. Die gütigen Götter
mögen deinen Zorn sänftigen und die Hefen davon hier auf diesen
Schurken leiten, auf diesen, der mir, wie ein Klotz, den
Eintritt zu dir versagte.
Coriolanus.
Hinweg!
Menenius.
Wie, hinweg?