William Shakespear

Coriolanus
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Coriolanus.
Weib, Mutter, Kind, nicht kenn ich sie.--Mein Tun
Ist andern dienstbar.  Eignet mir die Rache
Auch gänzlich, kann doch von den Volskern nur
Verzeihung kommen.  Daß wir einst vertraut,
Vergifte lieber undankbar Vergessen,
Als Mitleid sich, wie sehr, erinnre.  Fort denn!
Mein Ohr ist fester Euerm Flehn verschlossen,
Als Eure Tore meiner Kraft.  Doch nimm dies,
Weil ich dich liebt, ich schrieb's um deinetwillen
Und wollt es senden.  Kein Wort mehr, Menenius.
Verstatt ich dir.  Der Mann, Aufidius,
War mir sehr lieb in Rom; und dennoch siehst du--

Aufidius.
Du bleibst dir immer gleich.  

(Coriolanus und Aufidius gehn ab.)

Erste Wache.
Nun, Herr, ist Euer Name Menenius?

Zweite Wache.
Ihr seht, er ist ein Zauber von großer Kraft.  Ihr wißt nun 
den Weg nach Hause.

Erste Wache.
Habt Ihr gehört, wie wir ausgescholten sind, weil wir Eure 
Hoheit nicht einließen?

Zweite Wache.
Warum doch, denkt Ihr, soll ich nun in Ohnmacht fallen?

Menenius.
Ich frage weder nach der Welt noch nach euerm Feldherrn.  
Was solche Kreaturen betrifft, wie ihr, so weiß ich kaum, ob 
sie da sind, so unbedeutend seid ihr.--Wer den Entschluß fassen 
kann, von eigner Hand zu sterben, fürchtet es von keiner andern.  
Mag euer Feldherr das Ärgste tun; und, was euch betrifft, bleibt, 
was ihr seid, lange, und eure Erbärmlichkeit wachse mit euerm Alter! 
Ich sage euch das, was mir gesagt wurde: Hinweg!--

(Er geht ab.)

Erste Wache.
Ein edler Mann, das muß ich sagen.

Zweite Wache.
Der würdigste Mann ist unser Feldherr, er ist ein Fels, eine Eiche, 
die kein Sturm erschüttert.

(Sie gehn ab.)



Dritte Szene

Coriolans Zelt
Es treten auf Coriolanus, Aufidius und andere


Coriolanus.
So ziehn wir morgen denn mit unserm Heer
Vor Rom.  Ihr, mein Genoß in diesem Krieg,
Tut Euren Senatoren kund, wie redlich
Ich alles ausgeführt.

Aufidius.
Nur ihren Vorteil
Habt Ihr beachtet; Euer Ohr verstopft
Roms allgemeinem Flehn; nie zugelassen
Geheimes Flüstern; nein, selbst nicht von Freunden,
Die ganz auf Euch vertraut.

Coriolanus.
Der alte Mann,
Den ich nach Rom gebrochnen Herzens sende,
Er liebte mehr mich als mit Vaterliebe,
Ja, machte mich zum Gott.--Die letzte Zuflucht
War, ihn zu senden; und aus alter Liebe,
Blickt ich schon finster, tat ich noch einmal
Den ersten Antrag, den sie abgeschlagen
Und jetzt nicht nehmen können; ihn zu ehren,
Der mehr zu wirken hoffte, gab ich nach,
Sehr wenig nur.  Doch neuer Sendung, Bitte,
Sei's nun vom Staat, von Freunden, leih ich nun
Mein Ohr nicht mehr.--Ha! welch ein Lärm ist das?

(Geschrei hinter der Szene.)

Werd ich versucht, zu brechen meinen Schwur,
Indem ich ihn getan?  Ich werd es nicht.  Es treten auf Virgilia, 
Volumnia, die den jungen Mardas an der Hand führt.  Valeria mit 
Gefolge.  Alle in Trauer.  Mein Weib voran, dann die ehrwürdge Form,
Die meinen Leib erschuf, an ihrer Hand
Der Enkel ihres Bluts.--Fort, Sympathie!
Brecht, all ihr Band' und Rechte der Natur!
Sei's tugendhaft, in Starrsinn fest zu bleiben.--
Was gilt dies Beugen mir?  dies Taubenauge,
Das Götter lockt zum Meineid?--Ich zerschmelze!
Und bin nicht festre Erd als andre Menschen--
Ha! meine Mutter beugt sich--
Als wenn Olympus sich vor kleinem Hügel
Mit Flehen neigte; und mein junger Sohn
Hat einen Blick der Bitt, aus dem allmächtig
Natur schreit: "Weiger's nicht!"--Nein, pflüge auf
Der Volsker Rom, verheer Italien.--Nimmer
Soll, wie unflügge Brut, Instinkt mich führen;
Ich steh, als wär der Mensch sein eigner Schöpfer
Und kennte keinen Ursprung.

Virgilia.
Herr und Gatte!

Coriolanus.
Mein Auge schaut nicht mehr wie sonst in Rom.

Virgilia.
Der Gram, der uns verwandelt hat, macht dich
So denken.

Coriolanus.
Wie ein schlechter Spieler jetzt
Vergaß ich meine Roll und bin verwirrt,
Bis zur Verhöhnung selbst.--Blut meines Herzens!
Vergib mir meine Tyrannei; doch sage
Drum nicht: "Vergib den Römern."--O! ein Kuß,
Lang wie mein Bann und süß wie meine Rache.
Nun, bei der Juno Eifersucht, den Kuß
Nahm ich, Geliebte, mit, und meine Lippe
Hat ihn seitdem jungfräulich treu bewahrt.
Ihr Götter! wie?  ich schwatze?
Und aller Mütter edelste der Welt
Blieb unbegrüßt?--Mein Knie, sink in die Erde,
Drück tiefer deine Pflicht dem Boden ein
Als jeder andre Sohn.  

(Er kniet nieder.)

Volumnia.
Steh auf gesegnet!
Daß, auf nicht weicherm Kissen als der Stein,
Ich vor dir knie und Huldgung neuer Art
Dir weihe, die bisher ganz falsch verteilt
War zwischen Kind und Eltern.  

(Sie kniet.)

Coriolanus.
Was ist das?
Ihr vor mir knien?  vor dem gescholtnen Sohn?
Dann mögen Kiesel vor der öden Bucht
Frech an die Sterne springen; rebellsche Winde
Die Feuersonn mit stolzen Zedern peitschen,
Mordend Unmöglichkeit, zum Kinderspiel
Zu machen das, was ewig nie kann sein.

Volumnia.
Du bist mein Krieger,
Ich half dich formen.  Kennst du diese Frau?

Coriolanus.
Die edle Schwester des Publicola,
Die Luna Roms, keusch wie die Eiszacken,
Die aus dem reinsten Schnee der Frost erschuf
Am Heiligtum Dianens.  Seid gegrüßt, Valeria.

Volumnia.
Dies ein kleiner Auszug von dir selbst,
Der durch die Auslegung erfüllter Jahre
Ganz werden kann wie du.

Coriolanus.
Der Gott der Krieger,
Mit Beistimmung des höchsten Zeus, erziehe
Zum Adel deinen Sinn, daß du dich stählst,
Der Schande unverwundbar, und im Krieg
Ein groß Seezeichen stehst, den Stürmen trotzend,
Die rettend, die dich schaun.

Volumnia.
Knie nieder, Bursch.

Coriolanus.
Das ist mein wackrer Sohn.

Volumnia.
Er und dein Weib, die Frau hier und ich selbst
Sind Flehende vor dir.

Coriolanus.
Ich bitt euch, still!
Wo nicht, bedenket dies, bevor ihr sprecht:
Was zu gewähren ich verschwor, das nehmt nicht
Als euch verweigert; heißt mich nicht entlassen
Mein Heer; nicht, wieder unterhandeln mit
Den Handarbeitern Roms; nicht sprecht mir vor,
Worin ich unnatürlich scheine; denkt nicht
Zu sänftgen meine Wut und meine Rache
Mit euren kältern Gründen.

Volumnia.
O! nicht mehr! nicht mehr!
Du hast erklärt, du willst uns nichts gewähren;
Denn nichts zu wünschen haben wir, als das,
Was du schon abschlugst; dennoch will ich bitten,
Daß, weichst du unsern Bitten aus, der Tadel
Auf deine Härte falle.  Hör uns drum.

Coriolanus.
Aufidius und ihr Volsker, merkt, wir hören
Nichts insgeheim von Rom.  Nun, eure Bitte?

Volumnia.
Wenn wir auch schwiegen, sagte doch dies Kleid
Und unser bleiches Antlitz, welch ein Leben
Seit deinem Bann wir führten.  Denke selbst,
Wie wir, unselger als je Fraun auf Erden,
Dir nahn!  Dein Anblick, der mit Freudentränen
Die Augen füllen soll, das Herz mit Wonne,
Netzt sie mit Leid, und quält's mit Furcht und Sorge;
Da Mutter, Weib und Kind es sehen müssen,
Wie Sohn, Gemahl und Vater grausam wühlt
In seines Landes Busen.--Weh, uns Armen!
Uns trifft am härtsten deine Wut; du wehrst uns
Die Götter anzuflehn, ein Trost, den alle,
Nur wir nicht, teilen: denn wie könnten wir's?
Wie können für das Vaterland wir beten,
Was unsre Pflicht?  und auch für deinen Sieg,
Was unsre Pflicht?--Ach! unsre teure Amme,
Das Vaterland, geht unter, oder du,
Du Trost im Vaterland.  Wir finden immer
Ein unabwendbar Elend, wird uns auch
Ein Wunsch gewährt; wer auch gewinnen mag,
Entweder führt man dich, Abtrünn'gen, Fremden,
In Ketten durch die Straßen; oder du
Trittst im Triumph des Vaterlandes Schutt
Und trägst die Palme, weil du kühn vergossest
Der Frau, des Kindes Blut; denn ich, mein Sohn,
Ich will das Schicksal nicht erwarten, noch
Des Krieges Schluß.  Kann ich dich nicht bewegen,
Daß lieber jedem Teil du Huld gewährst,
Als einen stürzest--Traun, du sollst nicht eher
Dein Vaterland bestürmen, bis du tratst
(Glaub mir, du sollst nicht) auf der Mutter Leib,
Der dich zur Welt gebar.

Virgilia.
Ja, auch auf meinen,
Der diesen Sohn dir gab, auf daß dein Name
Der Nachwelt blüh.

Der kleine Marcius.
Auf mich soll er nicht treten.
Fort lauf ich, bis ich größer bin, dann fecht ich.

Coriolanus.
Wer nicht will Wehmut fühlen, gleich den Frauen,
Der muß nicht Frau noch Kindes Antlitz schauen.
Zu lange saß ich.  

(Er steht auf.)

Volumnia.
Nein, so geh nicht fort.
Zielt' unsre Bitte nur dahin, die Römer
Zu retten durch den Untergang der Volsker,
Die deine Herrn, so möchtst du uns verdammen
Als Mörder deiner Ehre.--Nein, wir bitten,
Daß beide du versöhnst; dann sagen einst
Die Volsker: "Diese Gnad erwiesen wir",--
Die Römer: "Wir empfingen sie"; und jeder
Gibt dir den Preis und ruft: "Gesegnet sei
Für diesen Frieden!"--Großer Sohn, du weißt,
Des Krieges Glück ist ungewiß; gewiß
Ist dies, daß, wenn du Rom besiegst, der Lohn
Den du dir erntest, solch ein Name bleibt,
Dem, wie er nur genannt wird, Flüche folgen.
Dann schreibt die Chronik einst: "Der Mann war edel,
Doch seine letzte Tat löscht' alles aus,
Zerstört' sein Vaterland; drum bleibt sein Name
Ein Abscheu künftgen Zeiten."--Sprich zu mir.
Der Ehre zartste Fordrung war dein Streben,
In ihrer Hoheit Göttern gleich zu sein:
Den Luftraum mit dem Donner zu erschüttern
Und dann den Blitz mit einem Keil zu tauschen,
Der nur den Eichbaum spaltet.  Wie?  nicht sprichst du?--
Hältst du es würdig eines edlen Mannes,
Sich stets der Kränkung zu erinnern?--Tochter,
Sprich du, er achtet auf dein Weinen nicht.--
Sprich du, mein Kind--
Vielleicht bewegt dein Kindgeschwätz ihn mehr,
Als unsre Rede mag.--Kein Mann auf Erden
Verdankt der Mutter mehr; doch hier läßt er
Mich schwatzen wie ein Weib am Pranger.--Nie
Im ganzen Leben gabst der lieben Mutter
Du freundlich nach, wenn sie, die arme Henne,
Nicht andrer Brut erfreut, zum Krieg dich gluckte,
Und sicher heim, mit Ehren stets beladen.--
Heiß ungerecht mein Flehn und stoß mich weg;
Doch ist's das nicht, so bist nicht edel du,
Und strafen werden dich die Götter, daß
Du mir die Pflicht entziehst, die Müttern ziemt.
Er kehrt sich ab!--
Kniet nieder Fraun, beschäm ihn unser Knien.
Dem Namen Coriolanus ziemt Verehrung,
Nicht Mitleid unserm Flehn.--Kniet, sei's das Letzte.--
Nun ist es aus--wir kehren heim nach Rom
Und sterben mit den Unsern.--Nein, sieh her!
Dies Kind, nicht kann es sagen, was es meint;
Doch kniet es, hebt die Händ empor mit uns,
Spricht so der Bitte Recht mit größrer Kraft,
Als du zu weigern hast.--Kommt, laßt uns gehn:
Der Mensch hat eine Volskerin zur Mutter,
Sein Weib ist in Corioli, dies Kind
Gleicht ihm durch Zufall.--So sind wir entlassen,
Still bin ich, bis die Stadt in Flammen steht,
Dann sag ich etwas noch.

Coriolanus.
O! Mutter!--Mutter!

(Er faßt die beiden Hände der Mutter.  Pause.)

Was tust du?  Sieh, die Himmel öffnen sich,
Die Götter schaun herab; den Auftritt, unnatürlich,
Belachen sie.--O! meine Mutter!  Mutter!  O!
Für Rom hast glücklich du den Sieg gewonnen;
Doch deinen Sohn--O glaub es, glaub es nur,
Ihm höchst gefahrvoll hast du den bezwungen,
Wohl tödlich selbst.  Doch mag es nur geschehn!
Aufidius, kann ich Krieg nicht redlich führen,
Schließ ich heilsamen Frieden.  Sprich, Aufidius,
Wärst du an meiner Statt, hättst du die Mutter
Wen'ger gehört?  ihr wen'ger zugestanden?

Aufidius.
Ich war bewegt.

Coriolanus.
Ich schwöre drauf, du warst es.
Und nichts Geringes ist es, wenn mein Auge
Von Mitleid träuft.  Doch rate mir, mein Freund!
Was für Bedingung machst du?  denn nicht geh ich
Nach Rom, ich kehre mit euch um und bitt euch,
Seid hierin mir gewogen.--O Mutter!  Frau!

Aufidius (für sich).
Froh bin ich, daß dein Mitleid, deine Ehre,
Dich so entzwein; hieraus denn schaff ich mir
Mein ehemalges Glück.  

(Die Frauen wollen sich entfernen.)

Coriolanus.
O! jetzt noch nicht.
Erst trinken wir, dann tragt ein beßres Zeugnis
Als bloßes Wort nach Rom, das gegenseitig
Auf billige Bedingung wir besiegeln.
Kommt, tretet mit uns ein.  Ihr Fraun verdient,
Daß man euch Tempel baut; denn alle Schwerter
Italiens und aller Bundsgenossen,
Sie hätten diesen Frieden nicht erkämpft.

(Alle ab.)



Vierte Szene

Rom.  Ein öffentlicher Platz 
Menenius und Sicinius treten auf


Menenius.
Seht ihr dort jenen Vorsprung am Kapitol?  jenen Eckstein?

Sicinius.
Warum?  Was soll er?

Menenius.
Wenn es möglich ist, daß Ihr ihn mit Euerm kleinen Finger von 
der Stelle bewegt, dann ist einige Hoffnung, daß die römischen 
Frauen, besonders seine Mutter, etwas bei ihm ausrichten können.--
Aber! ich sage, es ist keine Hoffnung; unsre Kehlen sind verurteilt 
und warten auf den Henker.

Sicinius.
Ist es möglich, daß eine so kurze Zeit die Gemütsart 
eines Menschen so verändert?

Menenius.
Es ist ein Unterschied zwischen einer Raupe und einem 
Schmetterling; und doch war der Schmetterling eine Raupe.  
Dieser Marcius ist aus einem Menschen ein Drache geworden, 
die Schwingen sind ihm gewachsen, er ist mehr als ein 
kriechendes Geschöpf.

Sicinius.
Er liebte seine Mutter von Herzen.

Menenius.
Mich auch.  Aber er kennt jetzt seine Mutter sowenig als ein 
achtjähriges Roß.  Die Herbigkeit seines Angesichts macht reife 
Trauben sauer.  Wenn er wandelt, so bewegt er sich wie ein Turm, 
und der Boden bebt unter seinem Tritt.  Er ist imstande, einen 
Harnisch mit seinem Blick zu durchbohren; er spricht wie eine 
Glocke, und sein "Hm" ist eine Batterie.  Er sitzt da in seiner 
Herrlichkeit wie ein Abbild Alexanders.  Was er befiehlt, das 
geschehen soll, das ist schon vollendet, indem er es befiehlt.  
Ihm fehlt zu einem Gotte nichts als Ewigkeit und ein Himmel, 
darin zu thronen.

Sicinius.
Doch, Gnade, wenn Ihr ihn richtig beschreibt.

Menenius.
Ich male ihn nach dem Leben.  Gebt nur acht, was für Gnade seine 
Mutter mitbringen wird.  Es ist nicht mehr Gnade in ihm als Milch 
in einem männlichen Tiger; das wird unsre arme Stadt empfinden.--
Und alles dies haben wir euch zu danken.

Sicinius.
Die Götter mögen sich unser erbarmen!

Menenius.
Nein, bei dieser Gelegenheit werden sich die Götter unser nicht 
erbarmen.  Als wir ihn verbannten, achteten wir nicht auf sie, und 
da er nun zurückkommt, um uns den Hals zu brechen, achten sie nicht 
auf uns.  

(Ein Bote tritt auf.)

Bote.
Wollt Ihr das Leben retten, flieht nach Hause,
Das Volk hat Euren Mittribun ergriffen
Und schleift ihn durch die Straßen.  Alle schwören,
Er soll, wenn keinen Trost die Frauen bringen,
Den Tod zollweis empfinden.  Ein Zweiter Bote kommt.

Sicinius.
Was für Nachricht?

Bote.
Heil!  Heil!  Die Frauen haben obgesiegt,
Es ziehn die Volsker ab und Marcius geht.
Ein frohrer Tag hat nimmer Rom begrüßt,
Nicht seit Tarquins Vertreibung.

Sicinius.
Freund, sag an,
Ist's denn auch wirklich wahr?  weißt du's gewiß?

Bote.
Ja, so gewiß die Sonne Feuer ist.
Wo stecktet Ihr, daß Ihr noch zweifeln könnt?
Geschwollne Flut stürzt so nicht durch den Bogen,
Wie die Beglückten durch die Tore.  Horcht!  (Man hört Trompeten, 
Hoboen, Trommeln und Freudengeschrei.)  Posaunen, Flöten, 
Trommeln und Drommeten,
Zimbeln und Pauken und der Römer Jauchzen,
Es macht die Sonne tanzen.  

(Freudengeschrei.)

Menenius.
Gute Zeitung.
Ich geh den Fraun entgegen.  Die Volumnia
Ist von Patriziern, Konsuln, Senatoren
Wert eine Stadt voll, solcher Volkstribunen
Ein Meer und Land voll.--Ihr habt gut gebetet,
Für hunderttausend eurer Kehlen gab ich
Heut früh nicht einen Pfennig.  Hört die Freude! 

(Musik und Freudengeschrei.)

Sicinius.
Erst für die Botschaft segnen Euch die Götter,
Und dann nehmt meinen Dank.

Bote.
Wir haben alle
Viel Grund zu vielem Dank.

Sicinius.
Sind sie schon nah?

Bote.
Fast schon am Tor.

Sicinius.
Laßt uns entgegengehn
Und ihren Jubel mehren.  Die Frauen treten auf, von Senatoren, 
Patriziern und Volk begleitet
Sie gehn über die Bühne.

Erster Senator.
Seht unsre Schutzgöttin, das Leben Roms!
Ruft alles Volk zusammen, preist die Götter,
Macht Freudfeuer, streut den Weg mit Blumen
Und übertönt den Schrei, der Marcius bannte,
Ruft ihn zurück im Willkomm seiner Mutter.
Willkommen! ruft den Fraun Willkommen zu.

Alle.
Willkommen! edle Frauen! seid willkommen!

(Trommeln und Trompeten.  Alle ab.)



Fünfte Szene

Antium.  Ein öffentlicher Platz 
Aufidius tritt auf mit Begleitern


Aufidius.
Geht, sagt den Senatoren, ich sei hier,
Gebt ihnen dies Papier, und wenn sie's lasen,
Heißt sie zum Marktplatz kommen, wo ich selbst
Vor ihrem und des ganzen Volkes Ohr
Bekräftge, was hier steht.  Der Angeklagte
Zog eben in die Stadt und ist gewillt,
Sich vor das Volk zu stellen, in der Hoffnung,
Durch Worte sich zu rein'gen.  Geht.  

(Die Begleiter gehn ab.  Drei oder vier Verschworne treten auf.)

Willkommen!

Erster Verschworner.
Wie steht's mit unserm Feldherrn?

Aufidius.
Grade so
Wie dem, der durch sein Wohltun wird vergiftet,
Den sein Erbarmen mordet.

Zweiter Verschworner.
Edler Herr,
Wenn bei derselben Absicht Ihr verharrt,
Zu der Ihr unsern Beitritt wünscht, erretten
Wir Euch von der Gefahr.

Aufidius.
Ich weiß noch nicht.
Wir müssen handeln nach des Volkes Stimmung.

Dritter Verschworner.
Das Volk bleibt ungewiß, solang es noch
Kann wählen zwischen euch.  Der Fall des einen
Macht, daß der andre alles erbt.

Aufidius.
Ich weiß es.
Auch wird der Vorwand, ihm eins beizubringen,
Beschönigt.  Ich erhob ihn, gab mein Wort
Für seine Treu.  Er, so emporgestiegen,
Begoß mit Schmeicheltau die neuen Pflanzen,
Die Freunde mir verführend; zu dem Zweck
Bog er sein Wesen, das man nur vorher
Als rauh, unlenksam und freimütig kannte.

Dritter Verschworner.
Jawohl, sein Starrsinn, als er einst die Würde
Des Konsuls suchte, die er nur verlor,
Weil er nicht nachgab--

Aufidius.
Davon wollt ich reden.
Deshalb verbannt, kam er an meinen Herd,
Bot seinen Hals dem Dolch.  Ich nahm ihn auf,
Macht ihn zu meinesgleichen, gab ihm Raum
Nach seinem eignen Wunsch, ja, ließ ihn wählen
Aus meinem Heer, zu seines Plans Gelingen,
Die besten, kühnsten Leute.  Selbst auch dient' ich
Für seinen Plan, half ernten Ruhm und Ehre,
Die er ganz nahm als eigen.  Selbst mir Schaden
Zu tun, war ich fast stolz.  Bis ich am Ende
Sein Söldner schien, nicht Mitregent, den er
Mit Gunst bezahlt und Beifall; als wär ich
Für Lohn in seinem Dienste.

Erster Verschworner.
Ja, das tat er,
Das Heer erstaunte drob.  Und dann zuletzt,
Als Rom sein war, und wir nicht wen'ger Ruhm
Als Beut erwarteten--

Aufidius.
Dies ist der Punkt,
Wo meine ganze Kraft ihm widerstrebt.
Für wen'ge Tropfen Weibertränen, wohlfeil
Wie Lügen, konnt er Schweiß und Blut verkaufen
Der großen Unternehmung.  Darum sterb er,
Und ich ersteh in seinem Fall.--Doch, horcht.--

(Trommeln und Trompeten, Freudengeschrei des Volks.)

Erster Verschworner.
Ihr kamt zur Vaterstadt, gleich einem Boten,
Und wurdet nicht begrüßt; bei seiner Rückkehr
Zerreißt ihr Schrein die Luft.

Zweiter Verschworner.
Ihr blöden Toren!
Die Kinder schlug er euch: ihr sprengt die Kehlen,
Ihm Glück zu wünschen.

Dritter Verschworner.
Drum zu Euerm Vorteil,
Eh er noch sprechen kann, das Volk zu stimmen
Durch seine Rede, fühl er Euer Schwert.
Wir unterstützen Euch, daß, wenn er liegt,
Auf Eure Art sein Wort gedeutet wird,
Mit ihm sein Recht begraben.

Aufidius.
Sprich nicht mehr,
Hier kommt schon der Senat.  Die Senatoren treten auf.

Die Senatoren.
Ihr seid daheim willkommen!

Aufidius.
Das hab ich nicht verdient; doch, würdge Herrn,
Last ihr bedächtig durch, was ich euch schrieb?

Die Senatoren.
Wir taten's.

Erster Senator.
Und mit Kummer, dies zu hören.
Was früher er gefehlt, das, glaub ich, war
Nur leichter Strafe wert; doch da zu enden,
Wo er beginnen sollte, wegzuschenken
Den Vorteil unsers Kriegs, uns zu bezahlen
Mit unsern Kosten und Vergleich zu schließen
Statt der Erobrung--das ist unverzeihlich.

Aufidius.
Er naht, ihr sollt ihn hören.  Coriolanus tritt ein mit 
Trommeln und Fahnen, Bürger mit ihm.

Coriolanus.
Heil, edle Herrn!  Heim kehr ich, euer Krieger,
Unangesteckt von Vaterlandsgefühlen,
So wie ich auszog.  Euerm hohen Willen
Bleib ich stets untertan.--Nun sollt ihr wissen,
Daß uns der herrlichste Erfolg gekrönt:
Auf blutgem Pfade führt ich euern Krieg
Bis vor die Tore Roms.  Wir bringen Beute,
Die mehr als um ein Dritteil überwiegt
Die Kosten dieses Kriegs.  Wir machten Frieden,
Mit minderm Ruhm nicht für die Antiaten
Als Schmach für Rom, und überliefern hier,
Von Konsuln und Patriziern unterschrieben
Und mit dem Siegel des Senats versehn,
Euch den Vergleich.

Aufidius.
Lest ihn nicht, edle Herrn.
Sagt dem Verräter, daß er eure Macht
Im höchsten Grad gemißbraucht.

Coriolanus.
Was?  Verräter?

Aufidius.
Ja, du Verräter, Marcius!

Coriolanus.
Marcius?

Aufidius.
Ja, Marcius, Cajus Marcius! denkst du etwa,
Daß ich mit deinem Raub dich schmücke, deinem
Gestohlnen Namen Coriolan?
Ihr Herrn und Häupter dieses Staats, meineidig
Verriet er eure Sach und schenkte weg
Für ein'ge salzge Tropfen euer Rom,
Ja, eure Stadt, an seine Frau und Mutter,
Den heilgen Eid zerreißend, wie den Faden
Verfaulter Seide, niemals Kriegesrat
Berufend.  Nein, bei seiner Amme Tränen
Weint' er und heulte euern Sieg hinweg,
Daß Pagen sein sich schämten und Soldaten
Sich staunend angesehn.

Coriolanus.
Hörst du das, Mars?

Aufidius.
O! nenne nicht den Gott, du Knab der Tränen!--

Coriolanus.
Ha!

Aufidius.
Nichts mehr!

Coriolanus.
Du grenzenloser Lügner! zu groß machst du
Mein Herz für meinen Busen.  Knab?  O Sklave!
Verzeiht mir, Herrn, das ist das erste Mal,
Daß man mich zwingt zu schimpfen.--Ihr Verehrten,
Straft Lügen diesen Hund; sein eignes Wissen
(Denn meine Striemen sind ihm eingedrückt,
Und diese Zeichen nimmt er mit ins Grab)
Schleudr' ihm zugleich die Lüg in seinen Hals.

Erster Senator.
Still, beid, und hört mich an.

Coriolanus.
Reißt mich in Stück', ihr Volsker!  Männer, Kinder,
Taucht euern Stahl in mich.--Knab?--Falscher Hund!
Wenn eure Chronik Wahrheit spricht--da steht's,
Daß, wie im Taubenhaus der Adler, ich
Gescheucht die Volsker in Corioli.
Allein--ich--tat es.  Knabe!

Aufidius.
Edle Herrn,
So laßt ihr an sein blindes Glück euch mahnen,
Und eure Schmach?  Durch diesen frechen Prahler
Vor euren eignen Augen?

Die Verschwornen.
Dafür sterb er!

Die Bürger.  (Durcheinander.)
Reißt ihn in Stücke, tut es gleich.--Er tötete meinen Sohn--
meine Tochter.--Er tötete meinen Vetter Marcus!--
Er tötete meinen Vater!

Zweiter Senator.
Still! keine blinde Wut.  Seid ruhig.  Still!
Der Mann ist edel, und sein Ruhm umschließt
Den weiten Erdkreis.  Sein Vergehn an uns
Sei vor Gericht gezogen.  Halt, Aufidius!
Und stör den Frieden nicht.

Coriolanus.
O! hätt ich ihn!
Und sechs Aufidius, mehr noch, seinen Stamm,
Mein treues Schwert zu prüfen!

Aufidius.
Frecher Bube!

Die Verschwornen.
Durchbohrt! durchbohrt! durchbohrt ihn!

(Aufidius und die Verschwornen ziehen und erstechen Coriolanus.  
Aufidius stellt sich auf ihn.)

Die Senatoren.
Halt, halt ein!

Aufidius.
Ihr edlen Herrn!  o! hört mich an.

Erster Senator.
O Tullus!

Zweiter Senator.
Du hast getan, was Tugend muß beweinen.

Dritter Senator.
Tritt nicht auf ihn.  Seid ruhig, all ihr Männer,
Steckt eure Schwerter ein.

Aufidius.
Ihr Herrn, erkennt ihr (wie in dieser Wut,
Von ihm erregt, nicht möglich) die Gefahren,
Die euch sein Leben droht', erfreut ihr euch,
Daß er so weggeräumt.  Beruft mich, Edle,
Gleich in den Rat, so zeig ich, daß ich bin
Eur treuster Diener, oder ich erdulde
Die schwerste Strafe.

Erster Senator.
Tragt die Leiche fort,
Und trauert über ihn.  Er sei geehrt,
Wie je ein edler Leichnam, dem der Herold
Zum Grab gefolgt.

Zweiter Senator.
Sein eigner Ungestüm
Nimmt von Aufidius einen Teil der Schuld,
So kehrt's zum Besten.

Aufidius.
Meine Wut ist hin,
Mein Herz durchbohrt der Gram.  So nehmt ihn auf,
Helft, drei der ersten Krieger, ich der vierte.
Die Trommel rührt, und laßt sie traurig tönen,
Schleppt nach die Speer'.  Obwohl in dieser Stadt
Er manche gatten-, kinderlos gemacht
Und nie zu sühnend Leid auf uns gebracht,
So sei doch seiner ehrenvoll gedacht.
Helft mir.

(Sie tragen die Leiche Coriolans fort.  Trauermarsch.)



William Shakespeare (Übersetzt von Dorothea Tieck
unter der Redaktion von Ludwig Tieck)
                
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