William Shakespear

Romeo und Julia
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WÄRTERIN
 Meiner Seel, hier ists:
Er ist verbannt, und tausend gegen eins,
Daß er sich nimmer wieder her getraut,
Euch anzusprechen; oder tät ers doch,
So müßt es schlechterdings verstohlen sein.
Nun, weil denn so die Sachen stehn, so denk ich,
Das beste wär, daß Ihr den Grafen nähmt.
Ach, er ist solch ein allerliebster Herr!
Ein Lump ist Romeo nur gegen ihn.
Ein Adlersauge, Fräulein, ist so grell,
So schön, so feurig nicht, wie Paris seins.
Ich will verwünscht sein, ist die zweite Heirat
Nicht wahres Glück für Euch; weit vorzuziehn
Ist sie der ersten.  Oder wär sie's nicht?
Der erste Mann ist tot, so gut als tot;
Denn lebt er schon, habt Ihr doch nichts von ihm.

JULIA
Sprichst du von Herzen?

WÄRTERIN
 Und von ganzer Seele,
Sonst möge Gott mich strafen!

JULIA
 Amen!

WÄRTERIN
 Was?

JULIA
Nun ja, du hast mich wunderbar getröstet.
Geh, sag der Mutter, weil ich meinen Vater
Erzürnt, so woll ich nach Lorenzos Zelle,
Zu beichten und Vergebung zu empfangen.

WÄRTERIN
Gewiß, das will ich; Ihr tut weislich dran.

(Ab.)

JULIA
O alter Erzfeind, höllischer Versucher!
Ists ärgre Sünde, so zum Meineid mich
Verleiten, oder meinen Gatten schmähn
Mit eben dieser Zunge, die zuvor
Viel tausendmal ihn ohne Maß und Ziel
Gepriesen hat?--
Seht, wie sie fröhlich aus der Beichte kommt!

(Julia tritt auf.)

CAPULET
Nun, Starrkopf?  Sag, wo bist herumgeschwärmt?

JULIA
Wo ich gelernt, die Sünde zu bereun
Hartnäckgen Ungehorsams gegen Euch
Und Eur Gebot, und wo der heilge Mann
Mir auferlegt, vor Euch mich hinzuwerfen,
Vergebung zu erflehn.--Vergebt, ich bitt Euch!
Von nun an will ich stets Euch folgsam sein.

CAPULET
Schickt nach dem Grafen, geht und sagt ihm dies.
Gleich morgen früh will ich dies Band geknüpft sehn.

JULIA
Ich traf den jungen Grafen bei Lorenzo,
Und alle Huld und Lieb erwies ich ihm,
So das Gesetz der Zucht nicht übertritt.

CAPULET
Nun wohl, das freut mich, das ist gut.--Steh auf!
So ist es recht.--Laßt mich den Grafen sehn.
Potztausend, geht, sag ich, und holt ihn her!--
So wahr Gott lebt, der würdge fromme Pater,
Von unsrer ganzen Stadt verdient er Dank.

JULIA
Kommt, Amme, wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer?
Mir helfen Putz erlesen, wie Ihr glaubt,
Daß mir geziemt, ihn morgen anzulegen?

GRÄFIN CAPULET
Nein, nicht vor Donnerstag; es hat noch Zeit.

CAPULET
Geh mit ihr, Amme, morgen gehts zur Kirche.

(Julia und die Wärterin ab.)

GRÄFIN CAPULET
Die Zeit wird kurz zu unsrer Anstalt fallen;
Es ist fast Nacht.

CAPULET
 Blitz!  Ich will frisch mich rühren,
Und alles soll schon gehn, Frau, dafür steh ich.
Geh du zu Julien, hilf an ihrem Putz.
Ich gehe nicht zu Bett; laß mich gewähren,
Ich will die Hausfrau diesmal machen.--Heda!--
Kein Mensch zur Hand?--Gut, ich will selber gehn
Zum Grafen Paris, um ihn anzutreiben
Auf morgen früh; mein Herz ist mächtig leicht,
Seit dies verkehrte Mädchen sich besonnen.

(Capulet und die Gräfin ab.)



DRITTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia und die Wärterin.)


JULIA
Ja, dieser Anzug ist der beste.--Doch
Ich bitt dich, liebe Amme, laß mich nun
Für diese Nacht allein; denn viel Gebete
Tun not mir, um den Himmel zu bewegen,
Daß er auf meinen Zustand gnädig lächle,
Der, wie du weißt, verderbt und sündlich ist.

(Gräfin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET
Seid ihr geschäftig?  Braucht ihr meine Hülfe?

JULIA
Nein, gnädge Mutter, wir erwählten schon
Zur Tracht für morgen alles Zubehör.
Gefällt es Euch, so laßt mich jetzt allein
Und laßt zu Nacht die Amme mit Euch wachen,
Denn sicher habt Ihr alle Hände voll
Bei dieser eilgen Anstalt.

GRÄFIN CAPULET
 Gute Nacht!
Geh nun zu Bett und ruh; du hast es nötig.

(Gräfin Capulet und die Wärterin ab.)

JULIA
Lebt wohl!--Gott weiß, wann wir uns wiedersehn.
Kalt rieselt matter Schau'r durch meine Adern,
Der fast die Lebenswärm erstarren macht.
Ich will zurück sie rufen mir zum Trost.
Amme!--Doch was soll sie hier?
Mein düstres Spiel muß ich allein vollenden.
Komm du, mein Kelch!--
Doch wie, wenn dieser Trank nun gar nichts wirkte,
Wird man dem Grafen mit Gewalt mich geben?
Nein, nein!  Dies solls verwehren.  Lieg du hier!--

(Sie legt einen Dolch neben sich.)

Wie?  Wär es Gift, das mir mit schlauer Kunst
Der Mönch bereitet, mir den Tod zu bringen,
Auf daß ihn diese Heirat nicht entehre,
Weil er zuvor mich Romeo vermählt?
So, fürcht ich, ists!--Doch dünkt mich, kanns nicht sein,
Denn er ward stets ein frommer Mann erfunden.
Ich will nicht Raum so bösem Argwohn geben.
Wie aber, wenn ich, in die Gruft gelegt,
Erwache vor der Zeit, da Romeo
Mich zu erlösen kommt?  Furchtbarer Fall!
Werd ich dann nicht in dem Gewölb ersticken,
Des giftger Mund nie reine Lüfte einhaucht,
Und so erwürgt da liegen, wann er kommt?
Und leb ich auch, könnt es nicht leicht geschehn,
Daß mich das grause Bild von Tod und Nacht
Zusammen mit den Schrecken jenes Ortes
Dort im Gewölb in alter Katakombe,
Wo die Gebeine aller meiner Ahnen
Seit vielen hundert Jahren aufgehäuft,
Wo frisch beerdigt erst der blutge Tybalt
Im Leichentuch verwest; wo, wie man sagt,
In mitternächtger Stunde Geister hausen--
Weh, weh!--könnt es nicht leicht geschehn, daß ich,
Zu früh erwachend--und nun ekler Dunst,
Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt,
Das Sterbliche, die's hören, sinnlos macht--
Oh, wach ich auf, werd ich nicht rasend werden,
Umringt von all den greuelvollen Schrecken,
Und toll mit meiner Väter Gliedern spielen?
Und Tybalt aus dem Leichentuche zerren?
Und in der Wut mit irgendeines Ahnherrn
Gebein zerschlagen mein zerrüttet Hirn?
O da!  Mich dünkt, ich sehe Tybalts Geist!
Er späht nach Romeo, der seinen Leib
Auf einen Degen spießte.--Tybalt, halt!--
Ich komme, Romeo!  Dies trink ich dir!

([Sie trinkt und] wirft sich auf das Bett.)



VIERTE SZENE

(Ein Saal in Capulets Hause)

(Gräfin Capulet und die Wärterin.)


GRÄFIN CAPULET
Da, nehmt die Schlüssel, holt noch mehr Gewürz!

WÄRTERIN
Sie wollen Quitten und Orangen haben
Für ihre Bäckerei.

(Capulet kommt.)

CAPULET
Auf, rührt euch, frisch!  Schon kräht der zweite Hahn,
Die Morgenglocke läutet; 's ist drei Uhr.
Sieh nach dem Backwerk, Frau Angelika,
Spar nichts daran!

WÄRTERIN
 Topfgucker!  Geht nur, geht!
Macht Euch zu Bett!  Ja, Ihr seid morgen krank,
Wenn Ihr die ganze Nacht nicht schlaf!

CAPULET
Kein bißchen!  Was!  Ich hab um Kleiners wohl
Die Nächte durchgewacht und war nie krank.

GRÄFIN CAPULET
Ja, ja!  Ihr wart ein feiner Vogelsteller
Zu Eurer Zeit!  Nun aber will ich Euch
Vor solchem Wachen schon bewachen.

(Gräfin und Wärterin ab.)

CAPULET
O Ehestand, o Wehestand!  Nun, Kerle!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben treten auf.)

Was bringt ihr da!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben gehn über die Bühne.)

ERSTER DIENER
's ist für den Koch, Herr; was, das weiß ich nicht.

CAPULET
Macht zu, macht zu!

(Erster Diener ab.)

 Hol trockne Klötze, Bursch!
Ruf Petern, denn der weiß es, wo sie sind.

ZWEITER DIENER
Braucht Ihr 'nen Klotz, Herr, bin ich selber da
Und hab nicht nötig, Petern anzugehn.

(Ab.)

CAPULET
Blitz!  Gut gesagt!  Ein lustger Teufel!  ha,
Du sollst das Haupt der Klötze sein.--Wahrhaftig,
's ist Tag; der Graf wird mit Musik gleich kommen.
Das woll er, sagt' er ja; ich hör ihn schon.

(Musik hinter der Szene.)

Frau!  Wärterin!  He, sag ich, Wärterin!

(Die Wärterin kommt.)

Weckt Julien auf!  Geht, putzt sie mir heraus!
Ich geh indes und plaudre mit dem Grafen.
Eilt Euch, macht fort!  Der Bräutgam ist schon da.
Fort, sag ich Euch.

(Beide ab.)



FÜNFTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia auf dem Bett.  Die Wärterin kommt.)


WÄRTERIN
Fräulein!--Nun, Fräulein!  Julia!--Nun, das schläft!
He, Lamm!  He, Fräulein!  Pfui, Langschläferin!
Mein Schätzchen, sag ich!  Süßes Herz!  Mein Bräutchen!
Was, nicht ein Laut?  Ihr nehmt Eur Teil voraus,
Schlaft für 'ne Woche; denn ich steh dafür,
Auf nächste Nacht hat seine Ruh Graf Paris
Daran gesetzt, daß wenig Ruh Ihr habt!
Behüt der Herr sie!  Wie gesund sie schläft!
Ich muß sie aber wecken.--Fräulein!  Fräulein!
Laßt Euch den Grafen nur im Bett ertappen,
Der wird Euch schon ermuntern; meint Ihr nicht?--
Was, schon in vollen Kleidern?  Und so wieder
Sich hingelegt?  Ich muß durchaus Euch wecken.
He, Fräulein!  Fräulein!  Fräulein!--
Daß Gott, daß Gott!  Zu Hülfe!  Sie ist tot!
Ach, liebe Zeit!  Daß ich je ward geboren!
Bringt Weingeist, he!  He, gnädger Herr!  Frau Gräfin!

(Grafin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET
Was ist das für ein Lärm?

WÄRTERIN
 O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET
Was gibts?

WÄRTERIN
 Seht, seht nur!  O betrübter Tag!

GRÄFIN CAPULET
O weh, o weh!  Mein Kind, mein einzig Leben!
Erwach, leb auf, ich sterbe sonst mit dir!
O Hülfe, Hülfe!  Ruft doch Hülfe!

(Capulet kommt.)

CAPULET
Schämt euch!  Bringt Julien her!  Der Graf ist da.

WÄRTERIN
Ach sie ist tot, verblichen, tot!  O wehe!

GRÄFIN CAPULET
O wehe, wehe, sie ist tot, tot, tot!

CAPULET
Laßt mich sie sehn!--Gott helf uns!  Sie ist kalt,
Ihr Blut steht still, die Glieder sind ganz starr,
Von diesen Lippen schied das Leben längst,
Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost
Auf des Gefildes schönster Blume liegt.
Fluch dieser Stund!  Ich armer alter Mann!

WÄRTERIN
O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET
 O jammervolle Stunde!

CAPULET
Der Tod, der mir sie nahm, mir Klagen auszupressen,
Er bindet meine Zung und macht sie stumm.

(Bruder Lorenzo, Graf Paris und Musikanten treten auf.)

LORENZO
Kommt!  Ist die Braut bereit zur Kirch zu gehn?

CAPULET
Bereit zu gehn, um nie zurückzukehren.--
O Sohn, die Nacht vor deiner Hochzeit buhlte
Der Tod mit deiner Braut.  Sieh, wie sie liegt,
Die Blume, die in seinem Arm verblühte.
Mein Eidam ist der Tod, der Tod mein Erbe;
Er freite meine Tochter.  Ich will sterben,
Ihm alles lassen; wer das Leben läßt,
Der läßt dem Tode alles.

PARIS
Hab ich nach dieses Morgens Licht geschmachtet,
Und bietet es mir solchen Anblick dar?

GRÄFIN CAPULET
Unseliger, verhaßter, schwarzer Tag!
Der Stunden jammervollste, so die Zeit
Seit ihrer langen Pilgerschaft gesehn.
Nur eins, ein einzig armes, liebes Kind,
Ein Wesen nur, mich dran zu freun, zu laben--
Und grausam riß es nun der Tod mir weg!

WÄRTERIN
O Weh!  O Jammer--Jammer--Sachen hier sehn gar erbärmlich aus.

(Ab.)

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT (zeigt auf sein Instrument.)
Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen,
aber sie klingen doch gut.

{Im Original bezieht der Musiker den Ausspruch der Amme aufgrund
der Doppeldeutigkeit des Wortes "case" (Sache, Kasten) auf den
Kasten für sein Instrument: "Ja, bei meiner Treu, den Kasten kann
man doch ausbessern."}

PETER
O Musikanten, Musikanten, spielt:
"Frisch auf, mein Herz!  Frisch auf, mein Herz, und singe!"
O spielt, wenn euch mein Leben lieb ist, spielt:
"Frisch auf, mein Herz!"

ERSTER MUSIKANT
Warum: "Frisch auf, mein Herz?"

PETER
O Musikanten, weil mein Herz selber spielt: "Mein Herz voll Angst
und Nöten." O spielt mir eine lustige Litanei, um mich aufzurichten.

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT
Nichts da von Litanei!  Es ist jetzt nicht Spielens Zeit.

PETER
Ihr wollt es also nicht?

[MUSIKANTEN] ERSTER MUSIKANT
Nein.

PETER
Nun, so will ich es euch schon [eintränken] gründlich geben.

ERSTER MUSIKANT
Was wollt Ihr uns [eintränken] geben?

PETER
[Keinen Wein] Kein Geld, wahrhaftig; sondern Spott,--ich werde
es euch geben, indem ich euch als Spielmänner beschimpfe.

ERSTER MUSIKANT
Dann werde ich Euch eine Dienstboten-Kreatur nennen.

PETER
Dann wird Euer Schädel den Dolch dieser Dienstboten-Kreatur zu
spüren bekommen.  Ich dulde solche Töne nicht: [ich will euch eure
Instrumente um den Kopf schlagen.] Ich will euch befa-sol-laen.
Das notiert euch!

ERSTER MUSIKANT
Wenn Ihr uns befa-sol-laet, so notiert Ihr uns.

ZWEITER MUSIKANT
Bitte steckt Euren Dolch ein und zieht Euren Witz hervor.

PETER
Dann legt euch mit meinem Witz an!  Ich werde euch mit eisernem
Witz verbleuen und meinen eisernen Dolch einstecken.--
[Hört, spannt mir einmal eure Schafsköpfe wie die Schafsdärme an
euren Geigen.] Antwortet verständlich: Wenn in der Leiden hartem Drang
Das bange Herze will erliegen,
Musik mit ihrem Silberklang--Warum "Silberklang"?  warum "Musik
mit ihrem Silberklang"?  Was sagt Ihr, Hans Kolophonium?

ERSTER MUSIKANT
Ei nun, Musje, weil Silber einen feinen Klang hat.

PETER
Recht artig!  Was sagt Ihr, Michel Hackebrett?

ZWEITER MUSIKANT
Ich sage "Silberklang", weil Musik nur für Silber klingt.

PETER
Auch recht artig!  Was sagt Ihr, Jakob Gellohr?

DRITTER MUSIKANT
Mein Seel, ich weiß nicht, was ich sagen soll.

PETER
Oh, ich bitt Euch um Vergebung!  Ihr seid der Sänger, Ihr singt
nur; so will ich es denn für Euch sagen.  Es heißt "Musik mit
ihrem Silberklang", weil solche Kerle wie Ihr kein Gold fürs
Spielen kriegen!  Musik mit ihrem Silberklang
Weiß hülfreich ihnen obzusiegen.

(Geht [singend] ab.)

ERSTER MUSIKANT
Was für ein Pestkerl ist das?

ZWEITER MUSIKANT
Hol ihn der Henker!  Kommt, wir wollen hier hineingehn, auf
die Trauerleute warten und sehen, ob es nichts zu essen gibt.

(Alle ab.)




FÜNFTER AKT



ERSTE SZENE

(Mantua.  Eine Straße)

(Romeo tritt auf.)


ROMEO
Darf ich dem Schmeichelblick des Schlafes traun,
So deuten meine Träum ein nahes Glück.
Leicht auf dem Thron sitzt meiner Brust Gebieter;
Mich hebt ein ungewohnter Geist mit frohen
Gedanken diesen ganzen Tag empor.
Mein Mädchen, träumt ich, kam und fand mich tot
--Seltsamer Traum, der Tote denken läßt!--
Und hauchte mir solch Leben ein mit Küssen,
Daß ich vom Tod erstand und Kaiser war.
Ach Herz!  Wie süß ist Liebe selbst begabt,
Da schon so reich an Freud ihr Schatten ist!

(Balthasar tritt auf.)

Ha, Neues von Verona!  Sag, wie stehts?
Bringst du vom Pater keine Briefe mit?
Was macht mein teures Weib?  Wie lebt mein Vater?
Ist meine Julie wohl?  Das frag ich wieder,
Denn nichts kann übel stehn, gehts ihr nur wohl.

BALTHASAR
Nun, ihr gehts wohl, und nichts kann übel stehn.
Ihr Körper schläft in Capulets Begräbnis,
Und ihr unsterblich Teil lebt bei den Engeln.
Ich sah sie senken in der Väter Gruft
Und ritt in Eil hieher, es Euch zu melden.
O Herr, verzeiht die schlimme Botschaft mir,
Weil Ihr dazu den Auftrag selbst mir gabt!

ROMEO
Ist es denn so?  Ich biet euch Trotz, ihr Sterne!--
Du kennst mein Haus, hol mir Papier und Tinte
Und miete Pferde; ich will fort zu Nacht.

BALTHASAR
Verzeiht, ich darf Euch so nicht lassen, Herr!
Ihr seht so blaß und wild, und Eure Blicke
Weissagen Unglück.

ROMEO
 Nicht doch, du betrügst dich.
Laß mich und tu, was ich dich heiße tun.
Hast du für mich vom Pater keine Briefe?

BALTHASAR
Nein, bester Herr.

ROMEO
 Es tut nichts; mach dich auf
Und miete Pferd', ich komme gleich nach Haus.

(Balthasar ab.)

Wohl, Julia, heute nacht ruh ich bei dir.
Ich muß auf Mittel sinnen.--O wie schnell
Drängt Unheil sich in der Verzweiflung Rat!
Mir fällt ein Apotheker ein; er wohnt
Hier irgendwo herum.--Ich sah ihn neulich,
Zerlumpt, die Augenbrauen überhangend;
Er suchte Kräuter aus; hohl war sein Blick,
Ihn hatte herbes Elend ausgemergelt.
Ein Schildpatt hing in seinem dürftgen Laden,
Ein ausgestopftes Krokodil und Häute
Von mißgestalten Fischen; auf dem Sims
Ein bettelhafter Prunk von leeren Büchsen
Und grüne Töpfe, Blasen, muffger Samen,
Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen,
Das alles dünn verteilt, zur Schau zu dienen.
Betrachtend diesen Mangel, sagt ich mir:
Bedürfte jemand Gift hier, des Verkauf
In Mantua sogleich zum Tode führt,
Da lebt ein armer Schelm, ders ihm verkaufte.
Oh, der Gedanke zielt' auf mein Bedürfnis,
Und dieser dürftge Mann muß mirs verkaufen.
Soviel ich mich entsinn, ist dies das Haus.
Weils Festtag ist, schloß seinen Kram der Bettler.
Hei Holla!  Apotheker!

(Der Apotheker kommt heraus.)

APOTHEKER
 Wer ruft so laut?

ROMEO
Mann, komm hieher!--erregt mir Schrecken.

(Entfernt sich.)

ROMEO
O du verhaßter Schlund, du Bauch des Todes,
Der du der Erde Köstlichstes verschlangst,
So brech ich deine morschen Kiefer auf

(Er bricht die Tür des Grabmals auf.)

Und will, zum Trotz, noch mehr dich überfüllen.

(Er bricht die Tür des Gewölbes auf.)

PARIS
Ha, der verbannte, stolze Montague,
Der Juliens Vetter mordete; man glaubt,
An diesem Grame starb das holde Wesen.
Hier kommt er jetzt, um niederträchtgen Schimpf
Den Leichen anzutun; ich will ihn greifen!

(Tritt hervor.)

Laß dein verruchtes Werk, du Montague!
Wird Rache übern Tod hinaus verfolgt?
Verdammter Bube, ich verhafte dich;
Gehorch und folge mir, denn du mußt sterben.

ROMEO
Fürwahr, das muß ich; darum kam ich her.
Versuch nicht, guter Jüngling, den Verzweifelnden!
Entflieh und laß mich; denke dieser Toten!
Laß sie dich schrecken!--Ich beschwör dich, Jüngling,
Lad auf mein Haupt nicht eine neue Sünde,
Wenn du zur Wut mich reizest; geh, o geh,
Bei Gott, ich liebe mehr dich wie mich selbst,
Denn gegen mich gewaffnet komm ich her.
Fort, eile, leb und nenn barmherzig ihn,
Den Rasenden, der dir gebot zu fliehn!

PARIS
Ich kümmre mich um dein Beschwören nicht
Und greife dich als Missetäter hier.

ROMEO
Willst du mich zwingen?  Knabe, sieh dich vor!

(Sie fechten.)

PAGE
Sie fechten!  Gott, ich will die Wache rufen.

PARIS
O ich bin hin!--

(Fällt.)

 Hast du Erbarmen, öffne
Die Gruft und lege mich zu Julien.

(Er stirbt.)

ROMEO
Auf Ehr, ich wills.--Laßt sein Gesicht mich schaun.
Mercutios edler Vetter ists, Graf Paris.
Was sagte doch mein Diener, weil wir ritten,
Als die bestürmte Seel es nicht vernahm?
Ich glaube, Julia habe sich mit Paris
Vermählen sollen: sagt' er mir nicht so?
Wie, oder träumt ichs?  Oder bild ichs mir
Im Wahnsinn ein, weil er von Julien sprach?
O gib mir deine Hand, du, so wie ich,
Ins Buch des herben Unglücks eingezeichnet!
Ich bette dich in eine stolze Gruft.
Doch Gruft?  Nein, helle Wölbung, Jungerschlagner!
Denn hier liegt Julia: ihre Schönheit macht
Dies Grab zur Feierhalle voll von Licht.
Toter, lieg da, von totem Mann begraben!

(Er legt Paris in das Begräbnis.)

Wie oft sind Menschen, schon des Todes Raub,
Noch fröhlich worden!  Ihre Wärter nennens
Den letzten Lebensblitz.  Wohl mag nun dies
Ein Blitz mir heißen.--O mein Herz!  Mein Weib!
Der Tod, der deines Odems Balsam sog,
Hat über deine Schönheit nichts vermocht.
Noch bist du nicht besiegt; der Schönheit Fahne
Weht purpurn noch auf Lipp und Wange dir;
Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner.--
Liegst du da, Tybalt, in dem blutgen Tuch?
O welchen größern Dienst kann ich dir tun,
Als mit der Hand, die deine Jugend fällte,
Des Jugend, der dein Feind war, zu zerreißen?
Vergib mir, Vetter!--Liebe Julia,
Warum bist du so schön noch?  Soll ich glauben,
Der körperlose Tod entbrenn in Lieb
Und der verhaßte, hagre Unhold halte
Als seine Buhle hier im Dunkeln dich?
Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen
Und will aus diesem Palast dichter Nacht
Nie wieder weichen.  Hier, hier will ich bleiben
Mit Würmern, so dir Dienerinnen sind.
O hier bau ich die ewge Ruhstatt mir
Und schüttle von dem lebensmüden Leibe
Das Joch feindseliger Gestirne.--Augen,
Blickt euer Letztes!  Arme, nehmt die letzte
Umarmung!  Und, o Lippen, ihr, die Tore
Des Odems, siegelt mit rechtmäßgem Kusse
Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod.
Komm, bittrer Führer, widriger Gefährt,
Verzweifelter Pilot!  Nun treib auf einmal
Dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung!
Dies auf dein Wohl, wo du auch stranden magst!
Dies meiner Lieben!--

(Er trinkt.)

 O wackrer Apotheker,
Dein Trank wirkt schnell.--Und so im Kusse sterb ich.

(Er stirbt, Bruder Lorenzo kommt vom andern Ende des Kirchhofes
mit Laterne Brecheisen und Spaten.)

LORENZO
Helf mir Sankt Franz!  Wie oft sind über Gräber
Nicht meine alten Füße heut gestolpert.
Wer ist da?
Wer ists, der noch so spät zu Toten geht?

{"Who is it that consorts, so late, the dead?" Dieser Vers findet

fehlt aber in allen anderen mir bekannten Ausgaben.}

BALTHASAR
Ein Freund, und einer, dem Ihr wohl bekannt.

LORENZO
Gott segne dich!  Sag mir, mein guter Freund,
Welch eine Fackel ists, die dort ihr Licht
Umsonst den Würmern leiht und blinden Schädeln?
Mir scheint, sie brennt in Capulets Begräbnis.

BALTHASAR
Ja, würdger Pater, und mein Herr ist dort,
Ein Freund von Euch.

LORENZO
 Wer ist es?

BALTHASAR
 Romeo.

LORENZO
Wie lange schon?

BALTHASAR
 Voll eine halbe Stunde.

LORENZO
Geh mit mir zu der Gruft!

BALTHASAR
 Ich darf nicht, Herr.
Mein Herr weiß anders nicht, als ich sei fort,
Und drohte furchtbarlich den Tod mir an,
Blieb ich, um seinen Vorsatz auszuspähn.

LORENZO
So bleib, ich geh allein.--Ein Graun befällt mich;
Oh, ich befürchte sehr ein schlimmes Unglück!

BALTHASAR
Derweil ich unter dieser Eibe schlief,
Träumt ich, mein Herr und noch ein andrer föchten,
Und er erschlüge jenen.

LORENZO
 Romeo?

(Er geht weiter nach vorn.)

O wehe, weh mir!  Was für Blut befleckt
Die Steine hier an dieses Grabmals Schwelle?
Was wollen diese herrenlosen Schwerter,
Daß sie verfärbt hier liegen an der Stätte
Des Friedens?

(Er geht in das Begräbnis.)

 Romeo?--Ach, bleich!--Wer sonst?
Wie?  Paris auch?  Und in sein Blut getaucht?
O welche unmitleidge Stund ist schuld
An dieser kläglichen Begebenheit?--
Das Fräulein regt sich.

JULIA (erwachend.)
O Trostesbringer!  Wo ist mein Gemahl?
Ich weiß recht gut noch, wo ich sollte sein;
Da bin ich auch.  Wo ist mein Romeo?

(Geräusch von Kommenden.)

LORENZO
Ich höre Lärm.--Kommt, Fräulein, flieht die Grube
Des Tods, der Seuchen, des erzwungnen Schlafs;
Denn eine Macht, zu hoch dem Widerspruch,
Hat unsern Rat vereitelt.  Komm, o komm!
Dein Gatte liegt an deinem Busen tot,
Und Paris auch; komm, ich versorge dich
Bei einer Schwesternschaft von heilgen Nonnen.
Verweil mit Fragen nicht; die Wache kommt.
Geh, gutes Kind!

(Geräusch hinter der Szene.)

 Ich darf nicht länger bleiben.

(Ab.)

JULIA
Geh nur, entweich, denn ich will nicht von hinnen.--

(Bruder Lorenzo geht ab.)

Was ist das hier?  Ein Becher, festgeklemmt
In meines Trauten Hand?--Gift, seh ich, war
Sein Ende vor der Zeit.--O Böser!  Alles
Zu trinken, keinen gütgen Tropfen mir
Zu gönnen, der mich zu dir brächt?--Ich will
Dir deine Lippen küssen.  Ach, vielleicht
Hängt noch ein wenig Gift daran und läßt mich
An einer Labung sterben.

(Sie küßt ihn.)

 Deine Lippen
Sind warm.

ERSTER WÄCHTER (hinter der Szene.)
 Wo ist es, Knabe?  Führ uns!

JULIA
Wie?  Lärm?--Dann schnell nur!

(Sie ergreift Romeos Dolch.)

 O willkommner Dolch!

(Sie ergreift Romeos Dolch.)

Dies werde deine Scheide.

(Ersticht sich.)

 Roste da
Und laß mich sterben!

(Sie fällt auf Romeos Leiche und stirbt.
Wächter mit dem Pagen des Paris.)

PAGE
Dies ist der Ort, da, wo die Fackel brennt.

ERSTER WÄCHTER
Der Boden ist voll Blut; durchsucht den Kirchhof,
Ein paar von euch; geht, greifet, wen ihr trefft.

(Einige von der Wache ab.)

Betrübt zu sehn!  Hier liegt der Graf erschlagen,
Und Julia blutend, warm und kaum verschieden,
Die schon zwei Tage hier begraben lag.--
Geht, sagts dem Fürsten!  Weckt die Capulets!
Lauft zu den Montagues!  Ihr andern sucht!

(Andre Wächter ab.)

Wir sehn den Grund, der diesen Jammer trägt;
Allein den wahren Grund des bittern Jammers
Erfahren wir durch näh're Kundschaft nur.

(Einige von der Wache kommen mit Balthasar zurück.)

ZWEITER WÄCHTER
Hier ist der Diener Romeos; wir fanden
Ihn auf dem Kirchhof.

ERSTER WÄCHTER
Bewahrt ihn sicher, bis der Fürst erscheint!

([Ein andrer] Andere Wächter kommen zurück mit Lorenzo.)

DRITTER WÄCHTER
Hier ist ein Mönch, der zittert, weint und ächzt;
Wir nahmen ihm den Spaten und die Haue,
Als er von jener Seit des Kirchhofs kam.

ERSTER WÄCHTER
Verdächtges Zeichen!  Haltet auch den Mönch!

(Der Prinz und sein Gefolge.)

PRINZ
Was für ein Unglück ist so früh schon wach,
Das Uns aus Unsrer Morgenruhe stört?

(Capulet, Gräfin Capulet und andre kommen.)

CAPULET
Was ists, daß draußen so die Leute schrein?

GRÄFIN CAPULET
Das Volk ruft auf den Straßen: "Romeo"
Und "Julia" und "Paris"; alles rennt
Mit lautem Ausruf unserm Grabmal zu.

PRINZ
Welch Schrecken ists, das Unser Ohr betäubt?

ERSTER WÄCHTER
Durchlauchtger Herr, entleibt liegt hier Graf Paris;
Tot Romeo; und Julia, tot zuvor,
Noch warm und erst getötet.

PRINZ
Sucht, späht, erforscht die Täter dieser Greuel!

ERSTER WÄCHTER
Hier ist ein Mönch und Romeos Bedienter;
Man fand Gerät bei ihnen, das die Gräber
Der Toten aufzubrechen dient.

CAPULET
 O Himmel!
O Weib!  Sieh hier, wie unsre Tochter blutet.
Der Dolch hat sich verirrt; sieh seine Scheide
Liegt ledig auf dem Rücken Montagues,
Er selbst steckt fehl in unsrer Tochter Busen.

GRÄFIN CAPULET
O weh mir!  Dieser Todesanblick mahnt
Wie Grabgeläut mein Alter an die Grube.

(Montague und andre kommen.)

PRINZ
Komm, Montague!  Früh hast du dich erhoben,
Um früh gefallen deinen Sohn zu sehn.

MONTAGUE
Ach, gnädger Fürst, mein Weib starb diese Nacht;
Gram um des Sohnes Bann entseelte sie.
Welch neues Leid bricht auf mein Alter ein?

PRINZ
Schau hin, und du wirst sehn.

MONTAGUE
O Ungeratner!  Was ist das für Sitte,
Vor deinem Vater dich ins Grab zu drängen?

PRINZ
Versiegelt noch den Mund des Ungestüms,
Bis wir die Dunkelheiten aufgehellt
Und ihren Quell und wahren Ursprung wissen.
Dann will ich Eurer Leiden Hauptmann sein
Und selbst zum Tod Euch führen.--Still indes!
Das Mißgeschick sei Sklave der Geduld. -
Führt die verdächtigen Personen vor!

LORENZO
Mich trifft, obschon den Unvermögendsten,
Am meisten der Verdacht des grausen Mordes,
Weil Zeit und Ort sich gegen mich erklärt.
Hier steh ich, mich verdammend und verteidgend,
Der Kläger und der Anwalt meiner selbst.

PRINZ
So sag ohn Umschweif, was du hievon weißt!

LORENZO
Kurz will ich sein, denn kurze Frist des Atems
Versagt gedehnte Reden. Romeo,
Der tot hier liegt, war dieser Julia Gatte,
Und sie, die tot hier liegt, sein treues Weib.
Ich traute heimlich sie, ihr Hochzeittag
War Tybalts letzter, des unzeitger Tod
Den jungen Gatten aus der Stadt verbannte;
Und Julia weint' um ihn, nicht um den Vetter.
Ihr, um den Gram aus ihrer Brust zu treiben,
Verspracht und wolltet sie dem Grafen Paris
Vermählen mit Gewalt.  Da kommt sie zu mir
Mit wildem Blick, heißt mich auf Mittel sinnen,
Um dieser zweiten Heirat zu entgehn,
Sonst wollt in meiner Zelle sie sich töten.
Da gab ich, so belehrt durch meine Kunst,
Ihr einen Schlaftrunk; er bewies sich wirksam
Nach meiner Absicht, denn er goß den Schein
Des Todes über sie.  Indessen schrieb ich
An Romeo, daß er sich herbegäbe
Und hülf aus dem erborgten Grab sie holen
In dieser Schreckensnacht, als um die Zeit,
Wo jenes Trankes Kraft erlösche.  Doch
Den Träger meines Briefs, den Bruder Markus,
Hielt Zufall auf, und gestern abend bracht er
Ihn mir zurück.  Nun ging ich ganz allein
Um die bestimmte Stunde des Erwachens,
Sie zu befrein aus ihrer Ahnen Gruft,
Und dacht in meiner Zelle sie zu bergen,
Bis ich es Romeo berichten könnte.
Doch wie ich kam, Minuten früher nur,
Eh sie erwacht', fand ich hier tot zu früh
Den treuen Romeo, den edlen Paris.
Jetzt wacht' sie auf; ich bat sie, fortzugehn
Und mit Geduld des Himmels Hand zu tragen;
Doch da verscheucht' ein Lärm mich aus der Gruft.
Sie, in Verzweiflung, wollte mir nicht folgen
Und tat, so scheints, sich selbst ein Leides an.
Dies weiß ich nur; und ihre Heirat war
Der Wärterin vertraut.  Ist etwas hier
Durch mich verschuldet, laßt mein altes Leben,
Nur wenig Stunden vor der Zeit, der Härte
Des strengsten Richterspruchs geopfert werden.

PRINZ
Wir kennen dich als einen heilgen Mann.--
Wo ist der Diener Romeos?  Was sagt er?

BALTHASAR
Ich brachte meinem Herrn von Juliens Tod
Die Zeitung, und er ritt von Mantua
In Eil zu diesem Platz, zu diesem Grabmal.
Den Brief hier gab er mir für seinen Vater,
Und drohte Tod mir, als er in die Gruft ging,
Wo ich mich nicht entfernt und dort ihn ließe.

PRINZ
Gib mir den Brief; ich will ihn überlesen.--
Wo ist der Bub des Grafen, der die Wache
Geholt?--Sag, Bursch, was machte hier dein Herr?

PAGE
Er kam, um Blumen seiner Braut aufs Grab
Zu streun, und hieß mich fern stehn, und das tat ich.
Drauf naht' sich wer mit Licht, das Grab zu öffnen,
Und gleich zog gegen ihn mein Herr den Degen;
Alsbald lief ich davon und holte Wache.

PRINZ
Hier dieser Brief bewährt das Wort des Mönchs,
Den Liebesbund, die Zeitung ihres Todes;
Auch schreibt er, daß ein armer Apotheker
Ihm Gift verkauft, womit er gehen wolle
Zu Juliens Gruft, um neben ihr zu sterben.--
Wo sind sie, diese Feinde?--Capulet, Montague!
Seht, welch ein Fluch auf eurem Hasse ruht,
Daß Liebe eure Freuden töten muß!
Und ich, weil ich dem Zwiespalt nachgesehn,
Verlor auch zwei Verwandte.  Alle büßen.

CAPULET
O Bruder Montague, gib mir die Hand!
Das ist das Leibgedinge meiner Tochter,
Denn mehr kann ich nicht fordern.

MONTAGUE
 Aber ich
Vermag dir mehr zu geben; denn ich will
Aus klarem Gold ihr Bildnis fertgen lassen.
Solang Verona seinen Namen trägt,
Komm nie ein Bild an Wert dem Bilde nah
Der treuen, liebevollen Julia.

CAPULET
So reich will ich es Romeo bereiten.
O arme Opfer unsrer Zwistigkeiten!

PRINZ
Nur düstern Frieden bringt uns dieser Morgen;
Die Sonne scheint, verhüllt vor Weh, zu weilen.
Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen,
Ich will dann strafen oder Gnad erteilen,
Denn nie verdarben Liebende noch so
Wie diese: Julia und ihr Romeo.

(Alle ab.)




William Shakespeare (Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel)
                
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