Demetrius.
So siehet ein Erschlagner aus, so ich:
Denn Eure Grausamkeit durchbohrte mich.
Doch Ihr, die Mördrin, glänzet wie Cythere
Am Himmel dort in ihrer lichten Sphäre.
Hermia.
Was soll mir dies? Wo ist Lysander? spricht--
Gib ihn mir wieder, Freund, ich bitte dich.
Demetrius.
Den Hunden gäb ich lieber seine Leiche.
Hermia.
Hinweg, du Hund! du treibst durch deine Streiche
Mich armes Weib zur Wut. Hast du ihn umgebracht:
Nie werde mehr für einen Mann geacht't.
Sprich einmal wahr, sprich mir zuliebe wahr!
Hättst du, wenn er gewacht, ihm wohl ein Haar
Gekrümmt? und hast ihn, weil er schlief, erschlagen?
O Kühnheit! eine Natter konnt es wagen.
Ja, eine Natter tat's; die ärgste sticht
Zweizüngiger als du, o Schlange, nicht.
Demetrius.
An einen Wahn verschwendst du deine Wut.
Ich bin nicht schuldig an Lysanders Blut;
Auch mag er wohl, soviel ich weiß, noch leben.
Hermia.
Und geht's ihm wohl? Kannst du mir Nachricht geben?
Demetrius.
Und könnt ich nun, was würde mir dafür?
Hermia.
Mich nie zu sehn, dies Vorrecht schenk ich dir.
Und so verlaß ich deine schnöde Nähe;
Tot sei er oder nicht, wenn ich nur dich nicht sehe.
(Ab.)
Demetrius.
Ihr folgen ist vergebliches Bemühn
In diesem Sturm; so will ich hier verziehn.
Noch höher wird des Grames Not gesteigert,
Seit sich sein Schuldner Schlaf zu zahlen weigert.
Vielleicht empfang ich einen Teil der Schuld,
Erwart ich hier den Abtrag in Geduld.
(Er legt sich nieder.)
Oberon.
Was tatest du? du hast dich ganz betrogen.
Ein treues Auge hat den Liebessaft gesogen;
Dein Fehlgriff hat den treuen Bund gestört
Und nicht den Unbestand zur Treu bekehrt.
Droll.
So siegt das Schicksal denn, daß gegen (einen) Treuen
Millionen falsch auf Schwüre Schwür' entweihen.
Oberon.
Streif durch den Wald behender als der Wind
Und suche Helena, das schöne Kind.
Sie ist ganz liebekrank und blaß von Wangen,
Von Seufzern, die ihr sehr ans Leben drangen.
Geh, locke sie durch Täuschung her zu mir;
Derweil sie kommt, bezaubr' ich diesen hier.
Droll.
Ich eil, ich eil, sieh, wie ich eil;
So fliegt vom Bogen des Tataren Pfeil.
(Ab.)
Oberon. Blume mit dem Purpurschein
Die Cupidos Pfeile weihn,
Senk dich in sein Aug hinein;
Wenn er sieht sein Liebchen fein,
Daß sie glorreich ihm erschein
Wie Cyther' im Sternenreihn.
Wachst du auf, wenn sie dabei:
Bitte, daß sie hilfreich sei.
(Droll kommt zurück.)
Droll.
Hauptmann unsrer Elfenschar,
Hier stellt Helena sich dar.
Der von mir gesalbte Mann
Fleht um Liebeslohn sie an.
Wollen wir ihr Wesen sehn?
O die tollen Sterblichen! Oberon. Tritt beiseit! Erwachen muß
Von dem Lärm Demetrius. Droll. Wenn dann zwei um eine frein:
Das wird erst ein Hauptspaß sein.
Gehn die Sachen kraus und bunt,
Freu ich mich von Herzensgrund.
(Lysander und Helena treten auf.)
Lysander.
Pflegt Spott und Hohn in Tränen sich zu kleiden?
Wie glaubst du denn, ich huldge dir zum Hohn?
Sieh, wenn ich schwöre, wein ich: solchen Eiden
Dient zur Beglaubigung ihr Ursprung schon.
Kannst du des Spottes Reden wohl verklagen,
Die an der Stirn des Ernstes Siegel tragen?
Helena.
Stets mehr und mehr wird deine Schalkheit kund.
Wie teuflisch fromm, mit Schwur den Schwur erlegen!
Beschwurst du nicht mit Hermia so den Bund?
Wäg Eid an Eid, so wirst du gar nichts wägen.
Die Eid an sie und mich, wie Märchen leicht,
Leg in zwei Schalen sie, und keine steigt.
Lysander.
Verblendung war's, mein Herz ihr zu versprechen.
Helena.
Verblendung nenn ich's, jetzt den Schwur zu brechen.
Lysander.
Demetrius liebt (sie;) dich liebt er nicht.
Demetrius (erwachend).
O Huldin! schönste Göttin meiner Wahl!
Womit vergleich ich deiner Augen Strahl?
Kristall ist trübe. O wie reifend schwellen
Die Lippen dir, zwei küssende Morellen!
Und jenes dichte Weiß, des Taurus Schnee,
Vom Ostwind rein gelächelt, wird zur Kräh,
Wenn du die Hand erhebst. Laß mich dies Siegel
Der Wonne küssen, aller Reinheit Spiegel!
Helena.
O Schmach! o Höll! ich seh, ihr alle seid
Zu eurer Lust zu plagen mich bereit.
Wär Sitt und Edelmut in euch Verwegnen,
Ihr würdet mir so schmählich nicht begegnen.
Könnt ihr mich denn nicht hassen, wie ihr tut,
Wenn ihr mich nicht verhöhnt in frechem Mut?
Wärt ihr in Wahrheit Männer, wie im Schein,
So flößt' ein armes Weib euch Mitleid ein.
Ihr würdet nicht mit Lob und Schwüren scherzen,
Da ich doch weiß, ihr hasset mich von Herzen;
Als Nebenbuhler liebt ihr Hermia,
Wetteifernd nun verhöhnt ihr Helena.
Ein tapfres Stück, ein männlich Unternehmen,
Durch Spott ein armes Mädchen zu beschämen,
Ihr Tränen abzulocken! Quält ein Weib
Ein edler Mann wohl bloß zum Zeitvertreib?
Lysander.
Demetrius, du bist nicht bieder: sei's!
Du liebst ja Hermia; weißt, daß ich es weiß.
Hier sei von Herzensgrund, in Güt und Frieden,
An Hermias Huld mein Anteil dir beschieden.
Tritt deinen nun an Helena mir ab;
Ich lieb und will sie lieben bis ins Grab.
Helena.
Ihr losen Schwätzer, wie es keine gab!
Demetrius.
Nein, Hermia mag ich nicht: behalt sie, Lieber!
Liebt ich sie je, die Lieb ist längst vorüber.
Mein Herz war dort nur wie in fremdem Land;
Nun hat's zu Helena sich heimgewandt,
Um dazubleiben.
Lysander.
Glaubs nicht, Helena.
Demetrius.
Tritt nicht der Treu, die du nicht kennst, zu nah;
Du möchtest sonst vielleicht es teuer büßen.
Da kommt dein Liebchen; geh, sie zu begrüßen.
(Hermia tritt auf)
Hermia.
Die Nacht, die uns der Augen Dienst entzieht,
Macht, daß dem Ohr kein leiser Laut entflieht.
Was dem Gesicht an Schärfe wird benommen,
Muß doppelt dem Gehör zugute kommen.
Mein Aug war's nicht, das dich, Lysander, fand;
Mein Ohr, ich dank ihm, hat die Stimm erkannt.
Doch warum mußtest du so von mir eilen?
Lysander.
Den Liebe fortriß, warum sollt er weilen?
Hermia.
Und welche Liebe war's, die fort von mir dich trieb?
Lysander.
Lysanders Liebe litt nicht, daß er blieb;
Die schöne Helena, die so die Nacht durchfunkelt,
Daß sie die lichten O's, die Augen dort, verdunkelt.
Was suchst du mich? Tat dies dir noch nicht kund,
Mein Haß zu dir sei meines Fliehens Grund?
Hermia.
Ihr sprecht nicht, wie Ihr denkt. Es kann nicht sein.
Helena.
Ha! sie stimmt auch in die Verschwörung ein.
Nun merk ich's: alle drei verbanden sich
Zu dieser falschen Posse gegen mich.
Feindselge Hermia! undankbares Mädchen!
Verstandest du, verschworst mit diesen dich,
Um mich zu necken mit so schnödem Spott?
Sind alle Heimlichkeiten, die wir teilten,
Der Schwestertreu Gelübde, jene Stunden,
Wo wir den raschen Tritt der Zeit verwünscht,
Wie sie uns schied: o alles nun vergessen?
Die Schulgenossenschaft, die Kinderunschuld?
Wie kunstbegabte Götter schufen wir
Mit unsern Nadeln (eine) Blume beide,
Nach (einem) Muster und auf (einem) Sitz;
(Ein) Liedchen wirbelnd, beid in (einem) Ton,
Als wären unsre Hände, Stimmen, Herzen
Einander einverleibt. So wuchsen wir
Zusammen, einer Doppelkirsche gleich,
Zum Schein getrennt, doch in der Trennung eins;
Zwei holde Beeren, (einem) Stiel entwachsen,
Dem Scheine nach zwei Körper, doch (ein) Herz.
Zwei Schildern (eines) Wappens glichen wir,
Die friedlich stehn, gekrönt von (einem) Helm.
Und nun zerreißt Ihr so die alte Liebe?
Gesellt im Hohne Eurer armen Freundin
Zu Männern Euch? Das ist nicht freundschaftlich,
Das ist nicht jungfräulich; und mein Geschlecht
Sowohl wie ich darf Euch darüber schelten,
Obschon die Kränkung mich allein betrifft.
Hermia.
Ich hör erstaunt die ungestümen Reden;
Ich höhn Euch nicht; es scheint, Ihr höhnet mich.
Helena.
Habt Ihr Lysandern nicht bestellt, zum Hohn
Mir nachzugehn, zu preisen mein Gesicht?
Und Euren andern Buhlen, den Demetrius,
Der eben jetzt noch mich mit Füßen stieß,
Mich Göttin, Nymphe, wunderschön zu nennen,
Und köstlich, himmlisch? Warum sagt er das
Der, die er haßt? Und warum schwört Lysander
Die Liebe ab, die ganz die Seel ihm füllt,
Und bietet mir (man denke nur!) sein Herz,
Als weil Ihr ihn gereizt, weil Ihr's gewollt?
Bin ich schon nicht so in der Gunst wie Ihr,
Mit Liebe so umkettet, so beglückt,
Ja, elend gnug, um ungeliebt zu lieben:
Ihr solltet mich bedauern, nicht verachten.
Hermia.
Ich kann mir nicht erklären, was Ihr meint.
Helena.
Schon recht! Beharrt nur! Heuchelt ernste Blicke
Und zieht Gesichter hinterm Rücken mir!
Blinzt euch nur zu! Verfolgt den feinen Scherz!
Wohl ausgeführt, wird er euch nachgerühmt.
Wär Mitleid, Huld und Sitte noch in euch,
Ihr machtet so mich nicht zu eurem Ziel.
Doch lebet wohl! Zum Teil ist's meine Schuld:
Bald wird Entfernung oder Tod sie büßen.
Lysander.
Bleib, holde Helena, und hör mich an!
Mein Herz! mein Leben! meine Helena!
Helena.
O herrlich!
Hermia.
Lieber, höhne sie nicht so!
Demetrius.
Und gilt ihr Bitten nichts, so kann ich zwingen.
Lysander.
Nichts mehr erzwingen, als was sie erbittet;
Dein Drohn ist kraftlos wie ihr schwaches Flehn.
Dich lieb ich, Helena! Bei meinem Leben,
Ich liebe dich und will dies Leben wagen,
Der Lüge den zu zeihn, der widerspricht.
Demetrius.
Ich sag, ich liebe dich weit mehr als er.
Lysander.
Ha! sagst du das, so komm, beweis es auch.
Demetrius.
Auf, komm!
Hermia.
Lysander, wohin zielt dies alles?
Lysander.
Fort, Mohrenmädchen!
Demetrius.
Nein, o nein! er tut,
Als bräch er los; er tobt, als wollt er folgen,
Kommt aber nicht. O geht mir, zahmer Mensch!
Lysander.
Fort, Katze, Klette! Mißgeschöpf, laß los!
Sonst schleudr ich dich wie eine Natter weg.
Hermia.
Wie wurdet Ihr so wild? wie so verwandelt,
Mein süßes Herz?
Lysander.
Dein Herz? Fort, fort, hinweg!
Zigeunerin! fort, widerwärtger Trank!
Hermia.
Ihr scherzet nicht?
Helena.
Ja wahrlich, und Ihr auch!
Lysander.
Demetrius, ich halte dir mein Wort.
Demetrius.
Ich hätt es schriftlich gern von deiner Hand;
Dich hält 'ne schwache Hand, ich trau dir nicht.
Lysander.
Wie? sollt ich sie verwunden, schlagen, töten?
Hass' ich sie schon, ich will kein Leid ihr tun.
Hermia.
Wie? könnt Ihr mehr mir Leid tun, als mich hassen?
Warum mich hassen? Was geschah, Geliebter?
Bin ich nicht Hermia? Seid Ihr nicht Lysander?
Ich bin so schön noch, wie ich eben war.
Ihr liebtet über Nacht mich; doch verließt Ihr
Mich über Nacht. Und muß ich also sagen
(Verhüten es die Götter!), Ihr verließt
Im Ernste mich?
Lysander.
Im Ernst, so wahr ich lebe!
Und nie begehrt ich wieder dich zu sehn.
Drum gib nur Hoffnung, Frage, Zweifel auf!
Sei sicher, nichts ist wahrer, 's ist kein Scherz:
Ich hasse dich und liebe Helena.
Hermia.
Weh mir!--Du Gauklerin! du Blütenwurm!
Du Liebesdiebin! Was? du kamst bei Nacht,
Stahlst meines Liebsten Herz!
Helena.
Schön, meiner Treu!
Hast du denn keine Scheu, noch Mädchensitte,
Nicht eine Spur von Scham? Und zwingst du so
Zu harten Reden meine sanften Lippen?
Du Marionette, pfui! du Puppe, du!
Hermia.
Wie? Puppe? Ha, nun wird ihr Spiel mir klar:
Sie hat ihn unsern Wuchs vergleichen lassen--
Ich merke schon--auf ihre Höh getrotzt.
Mit ihrer Figur, mit ihrer langen Figur
Hat sie sich seiner, seht mir doch! bemeistert.
Und stehst du nun so groß bei ihm in Gunst,
Weil ich so klein, weil ich so zwerghaft bin?
Wie klein bin ich, du bunte Bohnenstange?
Wie klein bin ich? Nicht gar so klein, daß nicht
Dir meine Nägel an die Augen reichten.
Helena.
Ihr Herrn, ich bitt euch, wenn ihr schon mich höhnt,
Beschirmt mich doch vor ihr. Nie war ich böse,
Bin keineswegs geschickt zur Zänkerin;
Ich bin so feig wie irgend nur ein Mädchen.
Verwehrt ihr, mich zu schlagen; denket nicht,
Weil sie ein wenig kleiner ist als ich,
Ich nähm es mit ihr auf.
Hermia.
Schon wieder kleiner?
Helena.
Seid, gute Hermia, nicht so bös auf mich,
Ich liebt Euch immer, hab Euch nie gekränkt,
Und stets bewahrt, was Ihr mir anvertraut;
Nur daß ich, dem Demetrius zuliebe,
Ihm Eure Flucht in diesen Wald verriet.
Er folgte Euch, aus Liebe folgt ich (ihm);
Er aber schalt mich weg und drohte, mich
Zu schlagen, stoßen, ja zu töten gar;
Und nun, wo Ihr mich ruhig gehen laßt,
So trag ich meine Torheit heim zur Stadt
Und folg Euch ferner nicht. O laßt mich gehn!
Ihr seht, wie kindisch und wie blöd ich bin.
Hermia.
Gut, zieht nur hin! Wer hindert Euch daran?
Helena.
Ein töricht Herz, das ich zurück hier lasse.
Hermia.
Wie? Bei Lysander?
Helena.
Bei Demetrius.
Lysander.
Sei ruhig, Helena! sie soll kein Leid dir tun.
Demetrius.
Sie soll nicht, Herr, wenn Ihr sie schon beschützt.
Helena.
Oh, sie hat arge Tück in ihrem Zorn.
Sie war 'ne böse Sieben in der Schule
Und ist entsetzlich wild, obschon so klein.
Hermia.
Schon wieder klein, und anders nicht wie klein?
Wie duldet Ihr's, daß sie mich so verspottet?
Weg! laß mich zu ihr!
Lysander.
Packe dich, du Zwergin!
Du Knirps aus Knötrich, der das Wachstum hemmt!
Du Ecker du, du Paternosterkralle!
Demetrius.
Ihr seid zu dienstgeschäftig, guter Freund,
Zugunsten der, die Euren Dienst verschmäht.
Laß mir sie gehn! Sprich nicht von Helena!
Nimm nicht Partei für sie! Vermissest du
Dich im geringsten, Lieb ihr zu bezeugen,
So sollst du's büßen.
Lysander.
Jetzo bin ich frei;
Nun komm, wofern du's wagst; laß sehn, wes Recht
An Helena, ob deins, ob meines gilt.
Demetrius.
Dir folgen? Nein, ich halte Schritt mit dir.
(Lysander und Demetrius ab.)
Hermia.
Nun, Fräulein! Ihr seid schuld an all dem Lärm.
Ei, bleibt doch stehn!
Helena.
Nein, nein! ich will nicht traun,
Noch länger Eur verhaßtes Antlitz schaun.
Sind Eure Hände hurtiger zum Raufen,
So hab ich längre Beine doch zum Laufen.
(Ab.)
Hermia.
Ich staun und weiß nicht, was ich sagen soll.
(Sie läuft der Helena nach.)
Oberon.
Das ist dein Unbedacht! Stets irrst du dich,
Wenn's nicht geflißne Schelmenstreiche sind.
Droll.
Ich irrte diesmal, glaubt mir, Fürst der Schatten,
Gabt Ihr denn nicht von dem bestimmten Mann
Mir die Athenertracht als Merkmal an?
Und so weit bin ich ohne Schuld, daß jener,
Den ich gesalbt, doch wirklich ein Athener;
Und so weit bin ich froh, daß so sich's fügt,
Weil diese Balgerei mich sehr vergnügt.
Oberon.
Du siehst zum Kampf bereit die hitzgen Freier:
Drum eile, Droll: wirf einen nächtgen Schleier,
Bedecke die gestirnte Feste schnell
Mit Nebeln, düster wie Kozytus' Quell;
Und locke sie auf falsche Weg und Stege,
Damit sie nicht sich kommen ins Gehege.
Bald borg die Stimme vom Demetrius
Und reize keck Lysandern zum Verdruß;
Bald schimpf und höhne wieder wie Lysander
Und bringe so sie weiter auseinander,
Bis ihre Stirnen Schlaf, der sich dem Tod vergleicht,
Mit dichter Schwing und bleirnem Tritt beschleicht.
Zerdrück dies Kraut dann auf Lysanders Augen,
Die Zauberkräfte seines Saftes taugen,
Von allem Wahn sie wieder zu befrein
Und den gewohnten Blick ihm zu verleihn.
Wenn sie erwachen, ist, was sie betrogen,
Wie Träum und eitle Nachtgebild entflogen;
Dann kehren wieder nach Athen zurück
Die Liebenden, vereint zu stetem Glück.
Derweil dies alles deine Sorgen sind,
Bitt ich Titanien um ihr indisch Kind;
Ich bann ihr vom betörten Augenlide
Des Unholds Bild, und alles werde Friede.
Droll.
Mein Elfenfürst, wir müssen eilig machen.
Die Nacht teilt das Gewölk mit schnellen Drachen.
Auch schimmert schon Auroras Herold dort,
Und seine Näh scheucht irre Geister fort
Zum Totenacker; banger Seelen Heere,
Am Scheideweg begraben und im Meere:
Man sieht ins wurmbenagte Bett sie gehn.
Aus Angst, der Tag möcht ihre Schande sehn,
Verbannt vom Lichte sie ihr eigner Wille,
Und ihnen dient die Nacht zur ewgen Hülle.
Oberon.
Doch wir sind Geister andrer Region.
Oft jagt ich mit Aurorens Liebling schon,
Darf, wie ein Weidmann, noch den Wald betreten,
Wenn flammend sich des Ostens Pforten röten
Und, aufgetan, der Meeresfluten Grün
Mit schönem Strahle golden überglühn.
Doch zaudre nicht! Sei schnell vor allen Dingen!
Wir können dies vor Tage noch vollbringen.
(Oberon ab.)
Droll.
Hin und her, hin und her,
Alle führ ich hin und her.
Land und Städte scheun mich sehr.
Kobold, führ sie hin und her! Hier kommt der eine.
(Lysander tritt auf.)
Lysander.
Demetrius! Wo bist du, Stolzer, du?
Droll.
Hier, Schurk, mit bloßem Degen; mach nur zu!
Lysander.
Ich komme schon.
Droll.
So laß uns miteinander
Auf ebnem Boden gehn.
(Lysander ab, als ging' er der Stimme nach.
Demetrius tritt auf.)
Demetrius.
Antworte doch, Lysander!
Ausreißer! Memme! liefst du so mir fort?
In welchem Busche steckst du? sprich ein Wort!
Droll.
Du Memme, forderst hier heraus die Sterne,
Erzählst dem Busch, du fochtest gar zu gerne,
Und kommst doch nicht? Komm, Bübchen, komm doch her,
Ich geb die Rute dir. Beschimpft ist der,
Der gegen dich nur zieht.
Demetrius.
He, bist du dort?
Droll.
Folg meinem Ruf, zum Kampf ist dies kein Ort.
(Droll und Demetrius ab. Lysander kommt zurück.)
Lysander.
Stets zieht er vor mir her mit lautem Drohen;
Komm ich, wohin er ruft, ist er entflohen.
Behender ist der Schurk im Lauf als ich:
Ich folgt ihm schnell, doch schneller mied er mich,
So daß ich fiel auf dunkler, rauher Bahn,
Und hier nun ruhn will.--
(Legt sich nieder.)
Holder Tag, brich an!
Sobald mir nur dein graues Licht erscheint,
Räch ich den Hohn und strafe meinen Feind.
(Entschläft.)
(Droll und Demetrius kommen zurück.)
Droll.
Ho, ho! du Memme, warum kommst du nicht?
Demetrius.
Steh, wenn du darfst, und sieh mir ins Gesicht.
Ich merke wohl, von einem Platz zum andern
Entgehst du mir und läßt umher mich wandern.
Wo bist du nun?
Droll.
Hieher komm! ich bin hier.
Demetrius.
Du neckst mich nur, doch zahlst du's teuer mir,
Wenn je der Tag dich mir vors Auge bringt.
Jetzt zieh nur hin, weil Müdigkeit mich zwingt,
Mich hinzustrecken auf dies kalte Kissen;
Frühmorgens werd ich dich zu finden wissen.
(Legt sich nieder und entschläft. Helena tritt auf)
Helena.
O träge, lange Nacht, verkürze dich!
Und Tageslicht, laß mich nicht länger schmachten
Zur Heimat führe weg von diesen mich,
Die meine arme Gegenwart verachten.
Du, Schlaf, der oft dem Grame Lindrung leiht,
Entziehe mich mir selbst auf kurze Zeit.
(Schläft ein.)
Droll.
Dreie nur!--Fehlt eins noch hier:
Zwei von jeder Art macht vier.
Seht, sie kommt ja, wie sie soll,
Auf der Stirn Verdruß und Groll.
Amor steckt von Schalkheit voll,
Macht die armen Weiblein toll.
(Hermia tritt auf.)
Hermia.
Wie matt! wie krank! Zerzaust von Dornensträuchen,
Vom Tau beschmutzt und tausendfach in Not:
Ich kann nicht weitergehn, nicht weiterschleichen;
Mein Fuß vernimmt nicht der Begier Gebot.
Hier will ich ruhn; und soll's ein Treffen geben,
O Himmel, schütze mir Lysanders Leben!
(Schläft ein.)
Droll.
Auf dem Grund
Schlaf gesund!
Gießen will
Ich dir still
Auf die Augen Arzenei.
(Träufelt den Saft auf Lysanders Augen.)
Wirst du wach,
O so lach
Freundlich der,
Die vorher
Du geliebt, und bleib ihr treu.
Dann geht es, wie das Sprüchlein rühmt:
Gebt jedem das, was ihm geziemt.
Hans nimmt sein Gretchen,
Jeder sein Mädchen;
Find't seinen Deckel jeder Topf,
Und allen gehts nach ihrem Kopf.
(Ab.)
Vierter Aufzug
Erste Szene
Der Wald
(Titania und Zettel mit einem Gefolge von Elfen
Oberon im Hintergrunde, ungesehen)
Titania.
Komm, laß uns hier auf Blumenbetten kosen!
Beut, Holder, mir die zarte Wange dar:
Den glatten Kopf besteck ich dir mit Rosen
Und küsse dir dein schönes Ohrenpaar.
Zettel.
Wo ist Bohnenblüte?
Bohnenblüte.
Hier.
Zettel.
Kratz mir den Kopf, Bohnenblüte.--Wo ist Musje Spinnweb?
Spinnweb.
Hier.
Zettel.
Musje Spinnweb, lieber Musje, kriegen Sie Ihre Waffen
zurhand und schlagen Sie mir eine rotbeinige Biene auf
einem Distelkopfe tot, und, lieber Musje, bringen Sie mir
den Honigbeutel. Tummeln Sie sich nicht allzusehr bei
dieser Verrichtung, Musje; und, lieber Musje, haben Sie
acht, daß der Honigbeutel nicht entzwei geht; es würde
mir leid tun, Signor, wenn Sie sich mit einem Honigbeutel
beschütteten. Wo ist Musje Senfsamen?
Senfsamen.
Hier.
Zettel.
Geben Sie die Pfote, Musje Senfsamen; ich bitte Sie, lassen
Sie die Reverenzen, lieber Musje.
Senfsamen.
Was befehlen Sie?
Zettel.
Nichts, lieber Musje, als daß Sie dem Kavalier Bohnenblüte
kratzen helfen. Ich muß zum Balbier, Musje; denn mir ist,
als wär ich gewaltig haarig ums Gesicht herum, und ich
bin ein so zärtlicher Esel: wenn mein Haar mich nur ein
bißchen kitzelt, gleich muß ich kratzen.
Titania.
Willst du Musik vernehmen, süßer Freund?
Zettel.
Ich hab ein räsonabel gutes Ohr für Musik; spielt mir ein
Stück auf der Maultrommel.
Titania.
Sag, süßer Freund, was hast du Lust zu essen?
Zettel.
Ja, meiner Seel! Eine Krippe voll Futter. Ich könnte
auch guten, trocknen Hafer käuen. Mir ist, als hätte
ich großen Appetit nach einem Bunde Heu; gutes Heu,
süßes Heu hat seinesgleichen auf der Welt nicht.
Titania.
Ich hab 'nen dreisten Elfen, der nach Nüssen
Im Magazin des Eichhorns suchen soll.
Zettel.
Ich hätte lieber ein oder zwei Hand voll trockner Erbsen.
Aber ich bitt Euch, laßt keinen von Euren Leuten mich
stören. Es kommt mir eine Exposition zum Schlaf an.
Titania.
Schlaf du! Dich soll indes mein Arm umwinden.
Ihr Elfen, weg! Nach allen Seiten fort!--
So lind umflicht mit süßen Blütenranken
Das Geißblatt; so umzingelt, weiblich zart,
Das Efeu seines Ulmbaums rauhe Finger:
Wie ich dich liebe! wie ich dich vergöttre!
(Sie schlafen ein. Oberon tritt vor. Droll kommt.)
Oberon.
Willkommen, Droll! Siehst du dies süße Schauspiel?
Jetzt fängt mich doch ihr Wahnsinn an zu dauern.
Denn da ich eben im Gebüsch sie traf,
Wie sie für diesen Tropf nach Düften suchte,
Da schalt ich sie und ließ sie zornig an.
Sie hatt ihm die behaarten Schläf' umwunden
Mit einem frischen, würzgen Blumenkranz.
Derselbe Tau, der sonst wie runde Perlen
Des Morgenlandes an den Knospen schwoll,
Stand in der zarten Blümchen Augen jetzt,
Wie Tränen, trauernd über eigne Schmach.
Als ich sie nach Gefallen ausgeschmält
Und sie voll Demut und Geduld mich bat,
Da fordert ich von ihr das Wechselkind;
Sie gab's mir gleich und sandte ihren Elfen
Zu meiner Laub' im Feenland mit ihm.
Nun, da der Knabe mein ist, sei ihr Auge
Von dieser häßlichen Verblendung frei.
Du, lieber Droll, nimm diese fremde Larve
Vom Kopfe des Gesellen aus Athen;
Auf daß er mit den andern hier, erwachend,
Sich wieder heimbegebe nach Athen,
Und alle der Geschichten dieser Nacht
Nur wie der Launen eines Traums gedenken.
Doch lös ich erst die Elfenkönigin:
(Er berührt ihre Augen mit einem Kraut.)
Sei, als wäre nichts geschehn!
Sieh, wie du zuvor gesehn!
So besiegt zu hohem Ruhme
Cynthias Knospe Amors Blume.
Nun, holde Königin! wach auf, Titania!
Titania.
Mein Oberon, was für Gesicht' ich sah!
Mir schien, ein Esel hielt mein Herz gefangen.
Oberon.
Da liegt dein Freund.
Titania.
Wie ist dies zugegangen?
O wie mir nun vor dieser Larve graut!
Oberon.
Ein Weilchen still!--Droll, nimm den Kopf da weg.
Titania, du laß Musik beginnen
Und binde stärker aller fünfe Sinnen
Als durch gemeinen Schlaf.
Titania.
Musik her! Schlafbeschwörende Musik!
Droll.
Wenn du erwachst, so sollst du umgeschaffen
Aus deinen eignen dummen Augen gaffen.
Oberon.
Ertön Musik! (Sanfte Musik.)
Nun komm, Gemahlin! Hand in Hand gefügt,
Und dieser Schläfer Ruheplatz gewiegt!
Die Freundschaft zwischen uns ist nun erneut:
Wir tanzen morgen Mitternacht erfreut
In Theseus' Hause bei der Festlichkeit
Und segnen es mit aller Herrlichkeit.
Auch werden da vermählt zu gleicher Zeit
Die Paare hier in Wonn und Fröhlichkeit.
Droll. Elfenkönig, horch! da klang
Schon der Lerche Morgensang. Oberon. Hüpfen wir denn, Königin,
Schweigend nach den Schatten hin!
Schneller als die Monde kreisen
Können wir die Erd umreisen. Titania. Komm, Gemahl, und sage du
Mir im Fliehn: wie ging es zu,
Daß man diese Nacht im Schlaf
Bei den Sterblichen mich traf?
(Alle ab. Waldhörner hinter der Szene.
Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge treten auf.)
Theseus.
Geh einer hin und finde mir den Förster,
Denn unsre Maienandacht ist vollbracht;
Und da sich schon des Tages Vortrab zeigt,
So soll Hippolyta die Jagdmusik
Der Hunde hören.--Koppelt sie im Tal
Gen Westen los; eilt, sucht den Förster auf.
Komm, schöne Fürstin, auf des Berges Höh;
Dort laßt uns in melodischer Verwirrung
Das Bellen hören samt dem Widerhall.
Hippolyta.
Ich bin beim Herkules und Kadmus einst,
Die mit spartanschen Hunden einen Bär
In Kretas Wäldern hetzten; nie vernahm ich
So tapfres Toben. Nicht die Haine nur,
Das Firmament, die Quellen, die Reviere,
Sie schienen all' (ein) Ruf und Gegenruf.
Nie hört ich so harmonschen Zwist der Töne,
So hellen Donner.
Theseus.
Auch meine Hunde sind aus Spartas Zucht,
Weitmäulig, scheckig und ihr Kopf behangen
Mit Ohren, die den Tau vom Grase streifen;
Krummbeinig, wammig wie Thessaliens Stiere;
Nicht schnell zur Jagd, doch ihrer Kehlen Ton
Folgt aufeinander wie ein Glockenspiel.
Harmonischer scholl niemals ein Gebell
Zum Hussa und zum frohen Hörnerschall
In Kreta, Sparta, noch Thessalien.
Entscheidet selbst.--Doch still! wer sind hier diese?
Egeus.
Hier schlummert meine Tochter, gnädger Herr;
Dies ist Lysander, dies Demetrius,
Dies Helena, des alten Nedars Kind.
Ich bin erstaunt, beisammen sie zu treffen.
Theseus.
Sie machten ohne Zweifel früh sich auf,
Den Mai zu feiern, hörten unsre Absicht
Und kamen her zu unsrer Festlichkeit.
Doch sag mir, Egeus, ist dies nicht der Tag,
Wo Hermia ihre Wahl erklären sollte?
Egeus.
Er ist's, mein Fürst.
Theseus.
Geh, heiß die Jäger, sie
Mit ihren Hörnern wecken.
(Waldhörner und Jagdgeschrei hinter der Szene, Demetrius,
Lysander, Hermia und Helena erwachen und fahren auf.)
Theseus.
Ei, guten Tag! Sankt Velten ist vorbei,
Und paaren jetzt sich diese Vögel erst?
Lysander.
Verzeihung, Herr!
(Er und die übrigen knien.)
Theseus.
Steht auf, ich bitt euch alle.
Ich weiß, ihr seid zwei Feind und Nebenbuhler:
Wo kommt nun diese milde Eintracht her,
Daß, fern vom Argwohn, Haß beim Hasse schläft
Und keiner Furcht vor Feindlichkeiten hegt?
Lysander.
Mein Fürst, ich werd verworren Antwort geben,
Halb wachend, halb im Schlaf; noch, schwör ich Euch,
Weiß ich nicht recht, wie ich hieher mich fand.
Doch denk ich (denn ich möchte wahrhaft reden--
Und jetzt besinn ich mich, so ist es auch),
Ich kam mit Hermia her; wir hatten vor,
Weg von Athen an einen Ort zu fliehn,
Wo des Gesetzes Bann uns nicht erreichte.--
Egeus.
Genug, genug! Mein Fürst, Ihr habt genug;
Ich will den Bann, den Bann auf seinen Kopf.
Fliehn wollten sie, ja fliehn, Demetrius!
Und wollten so berauben dich und mich,
Dich deines Weibs und meines Wortes mich;
Des Wortes, das zum Weibe dir sie gab!
Demetrius.
Mein Fürst, die schöne Helena verriet
Mir ihren Plan, in diesen Wald zu flüchten;
Und ich verfolgte sie hieher aus Wut,
Die schöne Helena aus Liebe mich.
Doch weiß ich nicht, mein Fürst, durch welche Macht
(Doch eine höhre Macht ist's) meine Liebe
Zu Hermia, wie Schnee zerronnen, jetzt
Mir eines eitlen Tands Erinnrung scheint,
Worein ich in der Kindheit mich vergafft.
Der Gegenstand, die Wonne meiner Augen
Und alle Treu und Tugend meiner Brust
Ist Helena allein. Mit ihr, mein Fürst,
War ich verlobt, bevor ich Hermia sah.
Doch wie ein Kranker haßt ich diese Nahrung.
Nun, zum natürlichen Geschmack genesen,
Begehr ich, lieb ich sie, schmacht ich nach ihr
Und will ihr treu sein nun und immerdar.
Theseus.
Ihr Liebenden, ein Glück, daß ich euch traf!
Wir setzen dies Gespräch bald weiter fort.--
Ihr, Egeus, müßt Euch meinem Willen fügen:
Denn schließen sollen diese Paar im Tempel
Zugleich mit uns den ewigen Verein.
Und weil der Morgen schon zum Teil verstrich,
So bleib auch unsre Jagd nun ausgesetzt.--
Kommt mit zur Stadt! Wir wollen drei selb drei
Ein Fest begehn, das ohnegleichen sei.--
Komm denn, Hippolyta.
(Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge ab.)
Demetrius.
Dies alles scheint so klein und unerkennbar
Wie ferne Berge, schwindend im Gewölk.
Hermia.
Mir ist, ich säh dies mit geteiltem Auge,
Dem alles doppelt scheint.
Helena.
So ist's auch mir.
Ich fand Demetrius, so wie ein Kleinod,
Mein und auch nicht mein eigen.
Demetrius.
Seid Ihr denn
Des Wachens auch gewiß? Mir scheint's, wir schlafen,
Wir träumen noch. Denkt Ihr nicht, daß der Herzog
Hier war und ihm zu folgen uns gebot?
Hermia.
Ja, auch mein Vater.
Helena.
Und Hippolyta.
Lysander.
Und er beschied uns zu sich in den Tempel.
Demetrius.
Wohl denn, wir wachen also. Auf, ihm nach!
Und plaudern wir im Gehn von unsern Träumen.
(Ab.)
(Wie sie abgehn, wacht Zettel auf.)
Zettel.
Wenn mein Stichwort kommt, ruft mich, und ich will
antworten. Mein nächstes ist: "O schönster Pyramus!"--
He! holla!--Peter Squenz! Flaut, der Bälgenflicker!
Schnauz, der Kesselflicker! Schlucker!--Sapperment!
Alle davongelaufen und lassen mich hier schlafen!--
Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt. Ich hatte
'nen Traum--'s geht über Menschenwitz, zu sagen, was
es für ein Traum war. Der Mensch ist nur ein Esel, wenn
er sich einfallen läßt, diesen Traum auszulegen. Mir
war, als wär ich--kein Menschenkind kann sagen, was.
Mir war, als wär ich, und mir war, als hätt ich--aber
der Mensch ist nur ein lumpiger Hanswurst, wenn er
sich unterfängt zu sagen, was mir war, als hätt ichs;
des Menschen Auge hat's nicht gehört, des Menschen Ohr
hats nicht gesehen, des Menschen Hand kann's nicht
schmecken, seine Zunge kanns nicht begreifen und sein
Herz nicht wieder sagen, was mein Traum war.--Ich will
den Peter Squenz dazukriegen, mir von diesem Traum
eine Ballade zu schreiben; sie soll Zettels Traum
heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich
will sie gegen das Ende des Stücks vor dem Herzoge
singen. Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen,
werde ich sie nach dem Tode singen.
(Ab.)
Zweite Szene
Athen
Eine Stube in Squenzens Hause
(Squenz, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen)
Squenz.
Habt ihr nach Zettels Hause geschickt? Ist er noch nicht
nach Haus gekommen?
Schlucker.
Man hört nichts von ihm. Ohne Zweifel ist er transportiert.
Flaut.
Wenn er nicht kommt, so ist das Stück zum Henker. Es geht
nicht vor sich, nicht wahr?
Squenz.
Es ist nicht möglich. Ihr habt keinen Mann in ganz Athen
außer ihm, der kapabel ist, den Pyramus herauszubringen.
Flaut.
Nein; er hat schlechterdings den besten Witz von allen
Handwerksleuten in Athen.
Squenz.
Ja, der Tausend! und die beste Person dazu. Und was eine
süße Stimme betrifft, da ist er ein rechtes Phänomen.
Flaut.
Ein Phönix müßt Ihr sagen. Ein Phänomen (Gott behüte uns)
ist ein garstiges Ding.
(Schnock kommt.)
Schnock.
Meister, der Herzog kommt eben vom Tempel, und noch drei
oder vier andere Herren und Damen mehr sind verheiratet.
Wenn unser Spiel vor sich gegangen wäre, so wären wir
alle gemachte Leute gewesen.
Flaut.
O lieber Sappermentsjunge, Zettel! So hat er nun sechs
Batzen des Tags für Lebenszeit verloren. Er konnte sechs
Batzen des Tags nicht entgehn--und wenn ihm der Herzog
nicht sechs Batzen des Tags für den Pyramus gegeben hätte,
will ich mich hängen lassen! Er hätt es verdient.--Sechs
Batzen des Tags für den Pyramus, oder gar nichts!
(Zettel kommt.)
Zettel.
Wo sind die Buben? Wo sind die Herzensjungen?
Squenz.
Zettel!--O allertrefflichster Tag! gebenedeite Stunde!
Zettel.
Meister, ich muß Wunderdinge reden, aber fragt mich nicht
was; denn wenn ich's euch sage, bin ich kein ehrlicher
Athener. Ich will euch alles sagen, just wie es sich zutrug.
Squenz.
Laß uns hören, lieber Zettel.
Zettel.
Nicht eine Silbe. Nur soviel will ich euch sagen: der Herzog
haben zu Mittage gespeist. Kriegt eure Gerätschaften herbei!
Gute Schnüre an eure Bärte! Neue Bänder an eure Schuh! Kommt
gleich beim Palaste zusammen; laßt jeden seine Rolle
überlesen; denn das Kurze und das Lange von der Sache ist:
unser Spiel geht vor sich. Auf allen Fall laßt Thisbe reine
Wäsche anziehn, und laßt dem, der den Löwen macht, seine
Nägel nicht verschneiden; denn sie sollen heraushängen als
des Löwen Klauen. Und, allerliebste Akteure! eßt keine
Zwiebeln, keinen Knoblauch; denn wir sollen süßen Odem von
uns geben, und ich zweifle nicht, sie werden sagen: Es ist
eine sehr süße Komödie. Keine Worte weiter! Fort! marsch!
fort!
(Alle ab.)
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Ein Zimmer im Palast des Theseus
(Theseus, Hippolyta, Philostrat, Herren vom Hofe und
Gefolge treten auf)
Hippolyta.
Was diese Liebenden erzählen, mein Gemahl,
Ist wundervoll.
Theseus.
Mehr wundervoll wie wahr.
Ich glaubte nie an diese Feenpossen
Und Fabelein. Verliebte und Verrückte
Sind beide von so brausendem Gehirn,
So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt,
Was nie die kühlere Vernunft begreift.
Wahnwitzige, Poeten und Verliebte
Bestehn aus Einbildung. Der eine sieht
Mehr Teufel, als die weite Hölle faßt:
Der Tolle nämlich; der Verliebte sieht,
Nicht minder irr, die Schönheit Helenas
Auf einer äthiopisch braunen Stirn.
Des Dichters Aug, in schönem Wahnsinn rollend,
Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd hinab,
Und wie die schwangre Phantasie Gebilde
Von unbekannten Dingen ausgebiert,
Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt
Das luftge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz.
So gaukelt die gewaltge Einbildung;
Empfindet sie nur irgend eine Freude,
Sie ahnet einen Bringer dieser Freude;
Und in der Nacht, wenn uns ein Graun befällt,
Wie leicht, daß man den Busch für einen Bären hält!
Hippolyta.
Doch diese ganze Nachtbegebenheit
Und ihrer aller Sinn, zugleich verwandelt,
Bezeugen mehr als Spiel der Einbildung:
Es wird daraus ein Ganzes voll Bestand,
Doch seltsam immer noch und wundervoll.
(Lysander, Demetrius, Hermia und Helena treten auf.)
Theseus.
Hier kommen die Verliebten, froh entzückt.
Glück, Freunde, Glück! Und heitre Liebestage
Nach Herzenswunsch!
Lysander.
Beglückter noch, mein Fürst,
Sei Euer Aus- und Eingang, Tisch und Bett!
Theseus.
Nun kommt! Was haben wir für Spiel' und Tänze?
Wie bringen wir nach Tisch bis Schlafengehn
Den langen Zeitraum von drei Stunden hin?
Wo ist der Meister unsrer Lustbarkeiten?
Was gibt's für Kurzweil? Ist kein Schauspiel da,
Um einer langen Stunde Qual zu lindern?--
Ruft mir den Philostrat.
Philostrat.
Hier, großer Theseus!
Theseus.
Was gibt's für Zeitvertreib auf diesen Abend?
Was für Musik und Tanz? Wie täuschen wir
Die träge Zeit als durch Belustigung?
Philostrat.
Der Zettel hier besagt die fertgen Spiele:
Wähl Eure Hoheit, was sie sehen will.
(Überreicht ein Papier.)
Theseus (liest).
"Das Treffen der Kentauren--wird zur Harfe
Von einem Hämling aus Athen gesungen."
Nein, nichts hievon! Das hab ich meiner Braut
Zum Ruhm des Vetter Herkules erzählt.--
"Der wohlbezechten Bacchanalen Wut,
Wie sie den Sänger Thraziens zerreißen."
Das ist ein altes Stück; es ward gespielt,
Als ich von Theben siegreich wiederkam.--
"Der Musen Neunzahl, traurend um den Tod
Der jüngst im Bettelstand verstorbenen Gelahrtheit."
Das ist 'ne strenge, beißende Satire,
Die nicht zu einer Hochzeitsfeier paßt.--
"Ein kurz langweilger Akt vom jungen Pyramus
Und Thisbe, seinem Lieb. Spaßhafte Tragödie."
Kurz und langweilig? Spaßhaft und doch tragisch?
Das ist ja glühend Eis und schwarzer Schnee.
Wer findet mir die Eintracht dieser Zwietracht?
Philostrat.
Es ist ein Stück, ein Dutzend Worte lang,
Und also kurz, wie ich nur eines weiß;
Langweilig wird es, weils ein Dutzend Worte
Zu lang ist, gnädger Fürst; kein Wort ist recht
Im ganzen Stück, kein Spieler weiß Bescheid.
Und tragisch ist es auch, mein Gnädigster,
Denn Pyramus bringt selbst darin sich um.
Als ichs probieren sah, ich muß gestehn,
Es zwang mir Tränen ab; doch lustger weinte
Des lauten Lachens Ungestüm sie nie.
Theseus.
Wer sind die Spieler?
Philostrat.
Männer, hart von Faust,
Die in Athen hier ein Gewerbe treiben,
Die nie den Geist zur Arbeit noch geübt
Und nun ihr widerspenstiges Gedächtnis
Mit diesem Stück auf Euer Fest geplagt.
Theseus.
Wir wollen's hören.
Philostrat.
Nein, mein gnädger Fürst,
Es ist kein Stück für Euch. Ich hört es an,
Und es ist nichts daran, nichts auf der Welt,
Wenn Ihr nicht Spaß an ihren Künsten findet,
Die sie mit schwerer Müh sich eingeprägt,
Euch damit aufzuwarten.
Theseus.
Ich will's hören,
Denn nie kann etwas unwillkommen sein,
Was Einfalt darbringt und Ergebenheit.
Geht, führt sie her! Ihr Frauen, nehmet Platz!
(Philostrat ab.)
Hippolyta.
Ich mag nicht gern Armseligkeit bedrückt,
Ergebenheit im Dienst erliegen sehn.
Theseus.
Du sollst ja, Teure, nichts dergleichen sehn.
Hippolyta.
Er sagt ja, sie verstehen nichts hievon.
Theseus.
Um desto gütger ist's, für nichts zu danken.
Was sie versehen, ihnen nachzusehen,
Sei unsre Lust. Was armer, willger Eifer
Zu leisten nicht vermag, schätz edle Rücksicht
Nach dem Vermögen nur, nicht nach dem Wert.
Wohin ich kam, da hatten sich Gelahrte
Auf wohlgesetzte Reden vorbereitet;
Da haben sie gezittert, sich entfärbt,
Gestockt in einer halb gesagten Phrase;
Die Angst erstickte die erlernte Rede,
Noch eh sie ihren Willkomm vorgebracht,
Und endlich brachen sie verstummend ab.
Sogar aus diesem Schweigen, liebes Kind,
Glaub mir, fand ich den Willkomm doch heraus;
Ja, in der Schüchternheit bescheidnen Eifers
Las ich soviel als von der Plapperzunge
Vorwitzig prahlender Beredsamkeit.
Wenn Lieb und Einfalt sich zu reden nicht erdreisten,
Dann, dünkt mich, sagen sie im Wenigsten am meisten.
(Philostrat kommt zurück.)
Philostrat.
Beliebt es Eurer Hoheit? Der Prolog
Ist fertig.
Theseus.
Laßt ihn kommen.
(Trompeten.--Der Prolog tritt auf.)
Prolog.
Wenn wir mißfallen tun, so ist's mit gutem Willen;
Der Vorsatz bleibt doch gut, wenn wir ihn nicht erfüllen.
Zu zeigen unsre Pflicht durch dieses kurze Spiel,
Das ist der wahre Zweck von unserm End und Ziel.
Erwäget also denn: warum wir kommen sein:
Wir kommen nicht, als sollt ihr euch daran ergetzen;
Die wahre Absicht ist--zu eurer Lust allein
Sind wir nicht hier--daß wir in Reu und Leid euch setzen.
Die Spieler sind bereit; wenn ihr sie werdet sehen,
Versteht ihr alles schon, was ihr nur wollt verstehen.
Theseus.
Dieser Bursche nimmt's nicht sehr genau.
Lysander.
Er hat seinen Prolog geritten wie ein wildes Füllen; er
weiß noch nicht, wo er halt machen soll. Eine gute Lehre,
gnädiger Herr: es ist nicht genug, daß man rede; man muß
auch richtig reden.
Hippolyta.
In der Tat, er hat auf seinem Prolog gespielt wie ein
Kind auf der Flöte. Er brachte wohl einen Ton heraus,
aber keine Note.
Theseus.
Seine Rede war wie eine verwickelte Kette: nichts zerrissen,
aber alles in Unordnung. Wer kommt zunächst?
(Pyramus, Thisbe, Wand, Mondschein und Löwe treten als
stumme Personen auf.)
Prolog.
Was dies bedeuten soll, das wird euch wundern müssen,
Bis Wahrheit alle Ding' stellt an das Licht herfür.
Der Mann ist Pyramus, wofern ihr es wollt wissen;
Und dieses Fräulein schön ist Thisbe, glaubt es mir.
Der Mann mit Mörtel hier und Leimen soll bedeuten
Die Wand, die garstge Wand, die ihre Lieb tät scheiden.
Doch freut es sie, drob auch sich niemand wundern soll,
Wenn durch die Spalte klein sie konnten flüstern wohl.
Der Mann da mit Latern und Hund und Busch von Dorn
Den Mondschein präsentiert, denn, wann ihr's wollt erwägen:
Bei Mondschein hatten die Verliebten sich verschworn,
Zu gehen nach Nini Grab, um dort der Lieb zu pflegen.
Dies gräßlich wilde Tier, mit Namen Löwe groß,
Die treue Thisbe, die des Nachts zuerst gekommen,
Tät scheuchen, ja vielmehr erschrecken, daß sie bloß
Den Mantel fallen ließ und drauf die Flucht genommen.
Drauf dieser schnöde Löw in seinen Rachen nahm
Und ließ mit Blut befleckt den Mantel lobesam.
Sofort kommt Pyramus, ein Jüngling weiß und rot,
Und find't den Mantel da von seiner Thisbe tot;
Worauf er mit dem Deg'n, mit blutig bösem Degen
Die blutge heiße Brust sich tapferlich durchstach;
Und Thisbe, die indes im Maulbeerschatten glegen,
Zog seinen Dolch heraus und sich das Herz zerbrach.
Was noch zu sagen ist, das wird--glaubt mir fürwahr!--
Euch Mondschein, Wand und Löw und das verliebte Paar
Der Läng und Breite nach, solang sie hier verweilen,
Erzählen, wenn ihr wollt, in wohlgereimten Zeilen.
(Prolog, Thisbe, Löwe und Mondschein ab.)
Theseus.
Mich nimmt wunder, ob der Löwe sprechen wird.
Demetrius.
Kein Wunder, gnädiger Herr: ein Löwe kann's wohl, da so
viele Esel es tun.
Wand.
In dem besagten Stück es sich zutragen tut,
Daß ich, Thoms Schnauz genannt, die Wand vorstelle gut.
Und eine solche Wand, wovon ihr solltet halten,
Sie sei durch einen Schlitz recht durch und durch gespalten,
Wodurch der Pyramus und seine Thisbe fein
Oft flüsterten fürwahr ganz leis und insgeheim.
Der Mörtel und der Lehm und dieser Stein tut zeigen,
Daß ich bin diese Wand, ich wills euch nicht verschweigen;
Und dies die Spalte ist, zur Linken und zur Rechten,
Wodurch die Buhler zwei sich täten wohl besprechen.
Theseus.
Kann man verlangen, daß Lehm und Haar besser reden sollten?
Demetrius.
Es ist die witzigste Abteilung, die ich jemals vortragen hörte.
Theseus.
Pyramus geht auf die Wand los! Stille!
Pyramus.
O Nacht, so schwarz von Farb, o grimmerfüllte Nacht!
O Nacht, die immer ist, sobald der Tag vorbei.
O Nacht! O Nacht! O Nacht! ach! ach! ach! Himmel! ach!
Ich fürcht, daß Thisbes Wort vergessen worden sei.--
Und du, o Wand, o süß' und liebenswerte Wand,
Die zwischen unsrer beiden Eltern Haus tut stehen;
Du Wand, o Wand, o süß' und liebenswerte Wand!
Zeig deine Spalte mir, daß ich dadurch mag sehen.
(Wand hält die Finger in die Höhe.)
Hab Dank, du gute Wand! der Himmel lohn es dir!
Jedoch, was seh ich dort? Thisbe, die seh ich nicht.
O böse Wand, durch die ich nicht seh meine Zier,
Verflucht sei'n deine Stein', daß du so äffest mich.
Theseus.
Mich dünkt, die Wand müßte wieder fluchen, da sie
Empfindung hat.
Pyramus.
Nein, fürwahr, Herr, das muß er nicht. "Äffest mich"
ist Thisbes Stichwort; sie muß hereinkommen, und ich
muß sie dann durch die Wand ausspionieren. Ihr sollt
sehen, es wird just zutreffen, wie ich's Euch sage.
Da kommt sie schon.
(Thisbe kommt.)
Thisbe.
O Wand, du hast schon oft gehört das Seufzen mein,
Mein'n schönsten Pyramus weil du so trennst von mir;
Mein roter Mund hat oft geküsset deine Stein',
Dein' Stein', mit Lehm und Haar geküttet auf in dir.
Pyramus.
Ein' Stimm ich sehen tu; ich will zur Spalt und schauen,
Ob ich nicht hören kann meiner Thisbe Antlitz klar.
Thisbe!
Thisbe.
Dies ist mein Schatz, mein Liebchen ist's, fürwahr!
Pyramus.
Denk was du willst, ich bin's; du kannst mir sicher trauen,
Und gleich Limander bin ich treu in meiner Pflicht.
Thisbe.
Und ich gleich Helena, bis mich der Tod ersticht.
Pyramus.
So treu war Schefelus einst seiner Procrus nicht.
Thisbe.
Wie Procrus Schef'lus liebt', lieb ich dein Angesicht.
Pyramus.
O küß mich durch das Loch von dieser garstgen Wand!
Thisbe.
Mein Kuß trifft nur das Loch, nicht deiner Lippen Rand.
Pyramus.
Willst du bei Nickels Grab heut nacht mich treffen an?
Thisbe.
Sei's lebend oder tot, ich komme, wenn ich kann.
Wand.
So hab ich Wand nunmehr mein Part gemachet gut,
Und nun sich also Wand hinwegbegeben tut.
(Wand, Pyramus und Thisbe ab.)
Theseus.
Nun ist also die Wand zwischen den beiden Nachbarn nieder.
Demetrius.
Das ist nicht mehr als billig, gnädiger Herr, wenn Wände
Ohren haben.
Hippolyta.
Dies ist das einfältigste Zeug, das ich jemals hörte.
Theseus.
Das Beste in dieser Art ist nur Schattenspiel, und das
Schlechteste ist nichts Schlechteres, wenn die
Einbildungskraft nachhilft.
Hippolyta.
Das muß denn Eure Einbildungskraft tun und nicht die
ihrige.
Theseus.
Wenn wir uns nichts Schlechteres von ihnen einbilden als
sie selbst, so mögen sie für vortreffliche Leute gelten.
Hier kommen zwei edle Tiere herein, ein Mond und ein Löwe.
(Löwe und Mondschein treten auf.)
Löwe.
Ihr, Fräulein, deren Herz fürchtet die kleinste Maus,
Die in monströser Gestalt tut auf dem Boden schweben,
Mögt itzo zweifelsohn erzittern und erbeben,
Wenn Löwe, rauh von Wut, läßt sein Gebrüll heraus.
So wisset denn, daß ich Hans Schnock der Schreiner bin,
Kein böser Löw fürwahr, noch eines Löwen Weib;
Denn käm ich als ein Löw und hätte Harm im Sinn,
So daurte, meiner Treu, mich mein gesunder Leib.
Theseus.
Eine sehr höfliche Bestie und sehr gewissenhaft.
Demetrius.
Das Beste von Bestien, gnädiger Herr, was ich je gesehn habe.
Lysander.
Dieser Löwe ist ein rechter Fuchs an Herzhaftigkeit.
Theseus.
Wahrhaftig, und eine Gans an Klugheit.
Demetrius.
Nicht so, gnädiger Herr, denn seine Herzhaftigkeit kann
sich seiner Klugheit nicht bemeistern wie der Fuchs einer
Gans.
Theseus.
Ich bin gewiß, seine Klugheit kann sich seiner
Herzhaftigkeit nicht bemeistern; denn eine Gans
bemeistert sich keines Fuchses. Wohl! überlaßt es
seiner Klugheit und laßt uns auf den Mond horchen.
Mond.
Den wohlgehörnten Mond d'Latern z'erkennen gibt.
Demetrius.
Er sollte die Hörner auf dem Kopfe tragen.
Theseus.
Er ist ein Vollmond, seine Hörner stecken unsichtbar
in der Scheibe.
Mond.
Den wohlgehörnten Mond d'Latern z'erkennen gibt;
Ich selbst den Mann im Mond, wofern es euch beliebt.
Theseus.
Das ist noch der größte Verstoß unter allen: der Mann
sollte in die Laterne gesteckt werden; wie ist er sonst
der Mann im Monde?
Demetrius.
Er darf es nicht wegen des Lichtes. Er würde es in Feuer
und Flammen setzen.
Hippolyta.
Ich bin diesen Mond satt; ich wollte, er wechselte.
Theseus.
Das kleine Licht seiner Vernunft zeigt, daß er im Abnehmen
ist. Aber doch aus Höflichkeit und der Ordnung wegen müssen
wir die Zeit ausdauern.
Lysander.
Sprich weiter, Mond!
Mond.
Alles, was ich zu sagen habe, ist, euch zu melden, daß
diese Laterne der Mond ist; ich der Mann im Monde; dieser
Dornbusch mein Dornbusch; und dieser Hund mein Hund.
Demetrius.
Alle diese Dinge sollten also in der Laterne sein, denn
sie sind im Monde. Doch still! hier kommt Thisbe.
(Thisbe tritt auf.)
Thisbe.
Dies ist ja Nickels Grab; wo ist mein Liebchen denn?
Löwe.
Oh!
(Der Löwe brüllt, Thisbe läuft davon.)
Demetrius.
Gut gebrüllt, Löwe!
Theseus.
Gut gelaufen, Thisbe!
Hippolyta.
Gut geschienen, Mond!--In der Tat, der Mond scheint mit
vielem Anstande.
(Der Löwe zerreißt den Mantel der Thisbe.)
Theseus.
Gut gezaust, Löwe!
Demetrius.
Und da kam Pyramus.
(Pyramus kommt.)
Lysander.
Und da verschwand der Löwe.
(Löwe ab.)
Pyramus.
Ich dank dir, süßer Mond, für deine Sonnenstrahlen,
Die also hell und schön den Erdenball bemalen;
Dieweil bei deinem Gold und funkelnd süßem Licht
Zu kosten ich verhoff mein'r Thisben Angesicht.
Doch halt, o Pein!
Was soll dies sein?
Was für ein Graus ist dies?
Aug, siehst du noch?
O schweres Joch!
Mein Herz, mein Liebchen süß,
Dein Mantel gut
Befleckt mit Blut!
Ihr Furien, kommt im Trab
Herbei und rächt
Und löscht und brecht
Den Lebensfaden ab.
Theseus.
Dieser Jammer und der Tod eines werten Freundes sollten
einen Menschen schon zum Trauern bringen.
Hippolyta.
Bei meiner Seele, ich bedaure den Mann.
Pyramus.
Warum denn, o Natur, tatst du den Löwen bauen?
Weil solch ein schnöder Löw mein Lieb hat defloriert;
Sie, welche ist--nein, war--die schönste alter Frauen,
Die je des Tages Glanz mit ihrem Schein geziert.
Komm, Tränenschar!
Aus, Schwert! durchfahr
Die Brust dem Pyramo!
Die Linke hier,
Wo 's Herz hüpft mir;
So sterb ich denn, so, so!
Nun tot ich bin,
Der Leib ist hin,
Die Seel speist Himmelsbrot.
O Zung, Tisch aus!
Mond, lauf nach Haus!
Nun tot, tot, tot, tot, tot!
(Er stirbt. Mondschein ab.)
Hippolyta.
Wie kommt's, daß der Mondschein weggegangen ist, ehe
Thisbe zurückkommt und ihren Liebhaber findet?
Theseus.
Sie wird ihn beim Sternenlicht finden.--Hier kommt sie;
(Thisbe kommt.)
und ihr Jammer endigt das Spiel.
Hippolyta.
Mir deucht, sie sollte keinen langen Jammer für solch
einen Pyramus nötig haben; ich hoffe, sie wird sich kurz
fassen.
Demetrius.
Eine Motte wird in der Waage den Ausschlag geben, ob
Pyramus oder Thisbe mehr taugt.
Lysander.
Sie hat ihn schon mit ihren süßen Augen ausgespäht.
Demetrius.
Und so jammert sie folgendergestalt. (Thisbe.)
Schläfst du, mein Kind?
Steh auf geschwind!
Wie, Täubchen, bist du tot?
O sprich! o sprich!
O rege dich!
Ach! tot ist er! o Not!
Dein Lilienmund,
Dein Auge rund,
Wie Schnittlauch frisch und grün;
Dein' Kirschennas,
Dein' Wangen blaß,
Die wie ein Goldlack blühn,
Soll nun ein Stein
Bedecken fein?
O klopf mein Herz und brich!
Ihr Schwestern drei!
Kommt, kommt herbei
Und leget Hand an mich!
Zung, nicht ein Wort!
Nun, Dolch, mach fort,
Zerreiß des Busens Schnee.
Lebt wohl, ihr Herrn!
Ich scheide gern.
Ade, ade, ade!
(Sie stirbt.)
Theseus.
Mondschein und Löwe sind übriggeblieben, um die Toten zu
begraben.
Demetrius.
Ja, und Wand auch.
Zettel.
Nein, wahrhaftig nicht; die Wand ist niedergerissen, die
ihre Väter trennte. Beliebt es euch, den Epilog zu sehen
oder einen Bergomasker Tanz zwischen zweien von unsrer
Gesellschaft zu hören?
Theseus.
Keinen Epilog, ich bitte euch; euer Stück bedarf keiner
Entschuldigung. Entschuldigt nur nicht: wenn alle
Schauspieler tot sind, braucht man keinen zu tadeln.
Meiner Treu, hätte der, der es geschrieben hat, den
Pyramus gespielt und sich in Thisbes Strumpfband
aufgehängt, so wär es eine schöne Tragödie gewesen;
und das ist es auch, wahrhaftig, und recht wacker
agiert. Aber kommt, euren Bergomasker Tanz! Den Epilog
laßt laufen.
(Ein Tanz von Rüpeln.)
Theseus.
Die Mitternacht rief zwölf mit ehrner Zunge.
Zu Bett, Verliebte! Bald ist's Geisterzeit.
Wir werden, fürcht ich, in den Morgen schlafen,
Soweit wir in die Nacht hinein gewacht.
Dies greiflich dumme Spiel hat doch den trägen Gang
Der Nacht getäuscht. Zu Bett, geliebten Freunde!
Noch vierzehn Tage lang soll diese Festlichkeit
Sich jede Nacht erneun mit Spiel und Lustbarkeit.