William Shakespear

Wie es Euch gefällt
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Herzog.
Was ist das für ein Narr?

Jacques.
Ein würdger Narr!  Er war ein Hofmann sonst
Und sagt, wenn Frauen jung und schön nur sind,
So haben sie die Gabe, es zu wissen.
In seinem Hirne, das so trocken ist
Wie Überrest von Zwieback nach der Reise,
Hat er seltsame Texte, übervoll
Von Lebensweisheit, die er brockenweise
Nun von sich gibt.--O wär ich doch ein Narr!
Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke.

Herzog.
Du sollst sie haben.

Jacques.
's ist mein einzger Wunsch;
Vorausgesetzt, daß Ihr Eur beßres Urteil
Von aller Meinung reinigt, die da wuchert,
Als wär ich weise.--Dann muß ich Freiheit haben,
So ausgedehnte Vollmacht wie der Wind--
So ziemt es Narrn--auf wen ich will, zu blasen,
Und wen am ärgsten meine Torheit geißelt,
Der muß am meisten lachen.  Und warum?
Das fällt ins Auge wie der Weg zur Kirche:
Der, den ein Narr sehr weislich hat getroffen,
Wär wohl sehr töricht, schmerzt es noch sosehr,
Nicht fühllos bei dem Schlag zu tun.  Wo nicht,
So wird des Weisen Narrheit aufgedeckt
Selbst durch des Narren ungefähres Zielen.
Steckt mich in meine Jacke, gebt mich frei
Zu reden, wie mir's dünkt, und durch und durch
Will ich die angesteckte Welt schon säubern,
Wenn sie geduldig nur mein Mittel nehmen.

Herzog.
O pfui!  Ich weiß wohl, was du würdest tun.

Jacques.
Und was, zum Kuckuck, würd ich tun als Gutes?

Herzog.
Höchst arge Sünd, indem du Sünde schältest;
Denn du bist selbst ein wüster Mensch gewesen,
So sinnlich wie nur je des Tieres Trieb;
Und alle Übel, alle bösen Beulen,
Die du auf freien Füßen dir erzeugt,
Die würdst du schütten in die weite Welt.

Jacques.
Wie!  wer schreit gegen Stolz
Und klagt damit den einzelnen nur an?
Schwillt seine Flut nicht mächtig wie die See,
Bis daß die letzten, letzten Mittel ebben?
Welch eine Bürgerfrau nenn ich mit Namen,
Wenn ich behaupt, es tragen Bürgerfraun
Der Fürsten Aufwand auf unwürdgen Schultern?
Darf (eine) sagen, daß ich sie gemeint,
Wenn so wie sie die Nachbarin auch ist?
Und wo ist (der) vom niedrigsten Beruf,
Der spricht: sein Großtun koste mir ja nichts--
Im Wahn, er sei gemeint--und seine Torheit
Nicht stimmt dadurch zu meiner Rede Ton?
Ei ja doch!  wie denn?  was denn?  Laßt doch sehn,
Worin ihm meine Zunge Unrecht tat.
Tut sie sein Recht ihm, tat er selbst sich Unrecht;
Und ist er rein, nun wohl, so fliegt mein Tadel
Die Kreuz und Quer wie eine wilde Gans,
Die niemand angehört.--Wer kommt da?  seht!

(Orlando kommt mit gezognem Degen.)

Orlando.
Halt!  eßt nicht mehr!

Jacques.
Ich hab noch nicht gegessen.

Orlando.
Und sollst nicht, bis die Notdurft erst bedient.

Jacques.
Von welcher Art mag dieser Vogel sein?

Herzog.
Hat deine Not dich, Mensch, so kühn gemacht?
Wie?  oder ist's Verachtung guter Sitten,
Daß du so leer von Höflichkeit erscheinst?

Orlando.
Ihr traft den Puls zuerst; der dornge Stachel
Der harten Not nahm von mir weg den Schein
Der Höflichkeit; im innern Land geboren,
Kenn ich wohl Sitte--aber haltet!  sag ich,
Der stirbt, wer etwas von der Frucht berührt,
Eh ich und meine Sorgen sind befriedigt.

Jacques.
Könnt Ihr nicht durch Vernunft befriedigt werden,
So muß ich sterben.

Herzog.
Was wollt Ihr haben?  Eure Freundlichkeit
Wird mehr als Zwang zur Freundlichkeit uns zwingen.

Orlando.
Ich sterbe fast vor Hunger, gebt mir Speise.

Herzog.
Sitzt nieder!  eßt!  willkommen unserm Tisch!

Orlando.
Sprecht Ihr so liebreich?  O vergebt, ich bitte!
Ich dachte, alles müßte wild hier sein,
Und darum setzt ich in die Fassung mich
Des trotzigen Befehls.  Wer ihr auch seid,
Die hier in dieser unzugangbarn Wildnis
Unter dem Schatten melancholscher Wipfel
Säumt und vergeßt die Stunden träger Zeit:
Wenn je ihr beßre Tage habt gesehn,
Wenn je zur Kirche Glocken euch geläutet,
Wenn je ihr saßt bei guter Menschen Mahl,
Wenn je vom Auge Tränen ihr getrocknet
Und wißt, was Mitleid ist und Mitleid finden,
So laßt die Sanftmut mir statt Zwanges dienen:
Ich hoff's, erröt und berge hier mein Schwert.

Herzog.
Wahr ist es, daß wir beßre Tage sahn,
Daß heilge Glocken uns zur Kirch geläutet,
Daß wir bei guter Menschen Mahl gesessen
Und Tropfen unsern Augen abgetrocknet,
Die ein geheiligt Mitleid hat erzeugt:
Und darum setzt in Freundlichkeit Euch hin
Und nehmt nach Wunsch, was wir an Hilfe haben,
Das Eurem Mangel irgend dienen kann.

Orlando.
Enthaltet Euch der Speise nur ein Weilchen,
Indessen wie die Hindin ich mein Junges
Will füttern gehn.  Dort ist ein armer Alter,
Der manchen sauren Schritt aus bloßer Liebe
Mir nachgehinkt: bis er befriedigt ist,
Den doppelt Leid, das Alter schwächt und Hunger,
Berühr ich keinen Bissen.

Herzog.
Geht, holt ihn her!
Wir wollen nichts verzehren, bis Ihr kommt.

Orlando.
Ich dank Euch; seid für Euren Trost gesegnet!

(Orlando ab.)

Herzog.
Du siehst, unglücklich sind nicht wir allein,
Und dieser weite, allgemeine Schauplatz
Beut mehr betrübte Szenen dar als unsre,
Worin du spielst.

Jacques.
Die ganze Welt ist Bühne
Und alle Fraun und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und geben wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen
Durch sieben Akte hin.  Zuerst das Kind,
Das in der Wärtrin Armen greint und sprudelt;
Der weinerliche Bube, der mit Bündel
Und glattem Morgenantlitz wie die Schnecke
Ungern zur Schule kriecht; dann der Verliebte,
Der wie ein Ofen seufzt, mit Jammerlied
Auf seiner Liebsten Braun; dann der Soldat,
Voll toller Flüch und wie ein Pardel bärtig,
Auf Ehre eifersüchtig, schnell zu Händeln,
Bis in die Mündung der Kanone suchend
Die Seifenblase Ruhm.  Und dann der Richter
Im runden Bauche, mit Kapaun gestopft,
Mit strengem Blick und regelrechtem Bart,
Voll weiser Sprüch und Allerweltssentenzen
Spielt seine Rolle so.  Das sechste Alter
Macht den besockten, hagern Pantalon,
Brill auf der Nase, Beutel an der Seite;
Die jugendliche Hose, wohl geschont,
'ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden;
Die tiefe Männerstimme, umgewandelt
Zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt
In seinem Ton.  Der letzte Akt, mit dem
Die seltsam wechselnde Geschichte schließt,
Ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,
Ohn Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles.

(Orlando kommt zurück mit Adam.)

Herzog.
Nun, Freund, setzt nieder Eure würdge Last
Und laßt ihn essen.

Orlando.
Ich dank Euch sehr für ihn.

Adam.
Das tut auch not;
Kaum kann ich sprechen, selbst für mich zu danken.

Herzog.
Willkommen denn!  greift zu!  Ich stör Euch nicht
Bis jetzt mit Fragen über Eure Lage.--
Gebt uns Musik und singt eins, guter Vetter!
Lied.

Amiens.
Stürm, stürm, du Winterwind!
Du bist nicht falsch gesinnt,
Wie Menschenundank ist.
Dein Zahn nagt nicht sosehr,
Weil man nicht weiß, woher,
Wiewohl du heftig bist.
Heisa!  singt heisa!  den grünenden Bäumen!
Die Freundschaft ist falsch, und die Liebe nur Träumen.
Drum heisa, den Bäumen!
Den lustigen Räumen!  Frier, frier, du Himmelsgrimm!
Du beißest nicht so schlimm
Als Wohltat nicht erkannt;
Erstarrst du gleich die Flut,
Viel schärfer sticht das Blut
Ein Freund von uns gewandt.
Heisa!  singt heisa!  den grünenden Bäumen!
Die Freundschaft ist falsch, und die Liebe nur Träumen.
Drum heisa, den Bäumen!
Den lustigen Räumen!


Herzog.
Wenn ihr der Sohn des guten Roland seid,
Wie Ihr mir eben redlich zugeflüstert
Und meinem Aug sein Ebenbild bezeugt,
Das konterfeit, in Eurem Antlitz lebt:
Seid herzlich hier begrüßt!  Ich bin der Herzog,
Der Euren Vater liebte; Eur ferners Schicksal,
Kommt und erzählt's in meiner Höhle mir.--
Willkommen, guter Alter, wie dein Herr!
Führt ihn am Arme.--Gebt mir Eure Hand
Und macht mir Euer ganz Geschick bekannt.

(Alle ab.)




Dritter Aufzug



Erste Szene

Ein Zimmer im Palast

(Herzog Friedrich, Oliver, Herren vom Hofe und Gefolge)


Herzog Friedrich.
Ihn nicht gesehn seitdem?  Herr!  Herr!  das kann nicht sein.
Bestünd aus Milde nicht mein größter Teil,
So sucht ich kein entferntes Ziel der Rache,
Da du zur Stelle bist.--Doch sieh dich vor;
Schaff deinen Bruder, sei er, wo er will;
Such ihn mit Kerzen, bring in Jahresfrist
Ihn lebend oder tot; sonst komm nie wieder,
Auf unserm Boden Unterhalt zu suchen.
Was du nur dein nennst, Land und andres Gut,
Des Einziehns wert, fällt unsrer Hand anheim,
Bis du durch deines Bruders Mund dich lösest
Von allem, was wir gegen dich gedacht.

Oliver.
O kennt' Eur Hoheit hierin nur mein Herz!
Ich liebt im Leben meinen Bruder nicht.

Herzog Friedrich.
Schurk um so mehr!--Stoßt ihn zur Tür hinaus,
Laßt die Beamten dieser Art Beschlag
Ihm legen auf sein Haus und Länderein:
Tut in der Schnelle dies und schafft ihn fort!

(Alle ab.)



Zweite Szene

Der Wald

(Orlando kommt mit einem Blatt Papier)


Orlando.
Da häng, mein Vers, der Liebe zum Beweis!
Und du, o Königin der Nacht dort oben,
Sieh keuschen Blicks aus deinem blassen Kreis
Den Namen deiner Jägrin hier erhoben.
O Rosalinde!  sei der Wald mir Schrift:
Ich grabe mein Gemüt in alle Rinden,
Daß jedes Aug, das diese Bäume trifft,
Ringsum bezeugt mag deine Tugend finden.
Auf, auf, Orlando!  rühme spät und früh
Die schöne, keusche, unnennbare "sie".

(Ab.)

(Corinnus und Probstein treten auf.)

Corinnus.
Und wie gefällt Euch dies Schäferleben, Meister Probstein?

Probstein.
Wahrhaftig, Schäfer, an und für sich betrachtet, ist es ein gutes
Leben; aber in Betracht, daß es ein Schäferleben ist, taugt es
nichts.  In Betracht, daß es einsam ist, mag ich es wohl leiden;
aber in Betracht, daß es stille ist, ist es ein sehr erbärmliches
Leben.  Ferner in Betracht, daß es auf dem Lande ist, steht es mir
an; aber in Betracht, daß es nicht am Hofe ist, wird es langweilig.
 Insofern es ein mäßiges Leben ist, seht Ihr, ist es nach meinem
Sinn; aber insofern es nicht reichlicher dabei zugeht, streitet es
sehr gegen meine Neigung.  Verstehst Philosophie, Schäfer?

Corinnus.
Mehr nicht, als daß ich weiß, daß einer sich desto schlimmer
befindet, je kränker er ist; und wem's an Geld, Gut und Genügen
gebricht, daß dem drei gute Freunde fehlen; daß des Regens
Eigenschaft ist, zu nässen, und des Feuers, zu brennen; daß gute
Weide fette Schafe macht und die Nacht hauptsächlich vom Mangel an
Sonne kommt; daß einer, der weder durch Natur noch Kunst zu
Verstand gekommen wäre, sich über die Erziehung zu beklagen hätte,
oder aus einer sehr dummen Sippschaft sein müßte.

Probstein.
So einer ist ein natürlicher Philosoph.  Warst je am Hofe, Schäfer?

Corinnus.
Nein, wahrhaftig nicht.

Probstein.
So wirst du in der Hölle gebraten.

Corinnus.
Ei, ich hoffe--

Probstein.
Wahrhaftig, du wirst gebraten wie ein schlecht geröstet Ei, nur an
(einer) Seite.

Corinnus.
Weil ich nicht am Hofe gewesen bin?  Euren Grund!

Probstein.
Nun: wenn du nicht am Hofe gewesen bist, so hast du niemals gute
Sitten gesehn.  Wenn du niemals gute Sitten gesehn hast, so müssen
deine schlecht sein, und alles Schlechte ist Sünde, und Sünde führt
in die Hölle.  Du bist in einem verfänglichen Zustande, Schäfer.

Corinnus.
Ganz und gar nicht, Probstein.  Was bei Hofe gute Sitten sind, die
sind so lächerlich auf dem Lande, als ländliche Weise bei Hofe zum
Spott dient.  Ihr sagtet mir, bei Hofe grüßt Ihr nicht, ohne Eure
Hand zu küssen.  Das wäre eine sehr unreinliche Höflichkeit, wenn
Hofleute Schäfer wären.

Probstein.
Den Beweis, kürzlich, den Beweis?

Corinnus.
Nun, wir müssen unsre Schafe immer angreifen, und ihre Felle sind
fettig, wie Ihr wißt.

Probstein.
Schwitzen die Hände unserer Hofleute etwa nicht, und ist das Fett
von einem Schafe nicht so gesund wie der Schweiß von einem
Menschen?  Einfältig!  einfältig!  Einen besseren Beweis!  her
damit!

Corinnus.
Auch sind unsre Hände hart.

Probstein.
Eure Lippen werden sie desto eher fühlen.  Wiederum einfältig!
Einen tüchtigeren Beweis!

Corinnus.
Und sind oft ganz beteert vom Bepflastern unsrer Schafe.  Wollt Ihr,
daß wir Teer küssen sollen?  Die Hände der Hofleute riechen nach
Bisam.

Probstein.
Höchst einfältiger Mensch!  Du wahre Würmerspeise gegen ein gutes
Stück Fleisch!  Lerne von den Weisen und erwäge!  Bisam ist von
schlechterer Abkunft als Teer: der unsaubre Abgang einer Katze.
Einen bessern Beweis, Schäfer!

Corinnus.
Ihr habt einen zu höfischen Witz für mich; ich lasse es dabei
bewenden.

Probstein.
Was?  bei der Hölle?  Gott helfe dir, einfältiger Mensch!  Gott
eröffne dir das Verständnis!  Du bist ein Strohkopf.

Corinnus.
Herr, ich bin ein ehrlicher Tagelöhner; ich verdiene, was ich esse,
erwerbe, was ich trage, hasse keinen Menschen, beneide niemandes
Glück, freue mich über andrer Leute Wohlergehn, bin zufrieden mit
meinem Ungemach, und mein größter Stolz ist, meine Schafe weiden
und meine Lämmer saugen zu sehn.

Probstein.
Das ist wieder eine einfältige Sünde von Euch, daß Ihr die Schafe
und die Böcke zusammenbringt und Euch nicht schämt, von der
Begattung des Viehes Euren Unterhalt zu ziehn; daß ihr den Kuppler
für einen Leithammel macht und so ein jähriges Lamm einem
schiefbeinigen alten Hahnrei von Widder überantwortet gegen alle
Regeln des Ehestandes.  Wenn du dafür nicht in die Hölle kommst, so
will der Teufel selbst keine Schäfer; sonst sehe ich nicht, wie du
entwischen könntest.

Corinnus.
Hier kommt der junge Herr Ganymed, meiner neuen Herrschaft Bruder.

(Rosalinde kommt mit einem Blatt Papier.)

Rosalinde (liest).
"Von Ost bis West, in beiden Inden
Ist kein Juwel gleich Rosalinden;
Ihr Wert, beflügelt von den Winden,
Trägt durch die Welt hin Rosalinden.
Alle Schilderein erblinden
Bei dem Glanz von Rosalinden;
Keinen Reiz soll man verkünden
Als den Reiz von Rosalinden."

Probstein.
So will ich Euch acht Jahre hintereinander reimen, Essens- und
Schlafenszeit ausgenommen; es ist der wahre Butterfrauentrab, wenn
sie zu Markte gehn.

Rosalinde.
Fort mit dir, Narr!

Probstein.
Zur Probe: Sehnt der Hirsch sich nach den Hinden:
Laßt ihn suchen Rosalinden.
Will die Katze sich verbinden:
Glaubt, sie macht's gleich Rosalinden.
Reben müssen Bäum umwinden:
So tut's nötig Rosalinden.
Wer da mäht, muß Garben binden
Auf den Karrn mit Rosalinden.
Süße Nuß hat saure Rinden;
Solche Nuß gleicht Rosalinden.
Wer süße Rosen sucht, muß finden
Der Liebe Dorn und Rosalinden.  Das ist der eigentliche falsche
Versgalopp.  Warum behängt Ihr Euch mit ihnen?

Rosalinde.
Still, dummer Narr!  Ich fand sie an einem Baum.

Probstein.
Wahrhaftig, der Baum trägt schlechte Früchte.

Rosalinde.
Ich will Euch auf ihn impfen, und dann wird er Mispeln tragen: denn
Eure Einfälle verfaulen, ehe sie halb reif sind, und das ist eben
die rechte Tugend einer Mispel.

Probstein.
Ihr habt gesprochen, aber ob gescheit oder nicht, das mag der Wald
richten.

(Celia kommt mit einem Blatt Papier.)

Rosalinde.
Still!  hier kommt meine Schwester und liest; gehn wir beiseit.

Celia.
"Sollten schweigen diese Räume,
Weil sie unbevölkert?  Nein.
Zungen häng ich an die Bäume,
Daß sie reden Sprüche fein;
Bald, wie rasch das Menschenleben
Seine Pilgerfahrt durchläuft;
Wie die Zeit, ihm zugegeben,
Eine Spanne ganz begreift;
Bald, wie Schwüre falsch sich zeigen,
Wie sich Freund vom Freunde trennt.
Aber an den schönsten Zweigen
Und an jedes Spruches End
Soll man Rosalinde lesen,
Und verbreiten soll der Ruf,
Daß der Himmel aller Wesen
Höchsten Ausbund in ihr schuf.
Drum hieß die Natur sein Wille
(Eine) menschliche Gestalt
Zieren mit der Gaben Fülle;
Die Natur mischt' alsobald
Helenens Wange, nicht ihr Herz;
Kleopatrens Herrlichkeit;
Atalantens leichten Scherz
Und Lukreziens Sittsamkeit.
So ward durch einen Himmelsbund
Aus vielen Rosalind ersonnen,
Aus manchem Herzen, Aug und Mund,
Auf daß sie jeden Reiz gewonnen;
Der Himmel gab ihr dieses Recht
Und tot und lebend mich zum Knecht."

Rosalinde.
O gütiger Jupiter!--Mit welcher langweiligen Liebespredigt habt Ihr
da Eure Gemeinde müde gemacht und nicht einmal gerufen: "Geduld,
gute Leute!"

Celia.
Seht doch, Freunde hinterm Rücken?--Schäfer, geh ein wenig abseits.
--Geh mit ihm, Bursch.

Probstein.
Kommt, Schäfer, laßt uns einen ehrenvollen Rückzug machen,
wenngleich nicht mit Sang und Klang, doch mit Sack und Pack.

(Corinnus und Probstein ab.)

Celia.
Hast du diese Verse gehört?

Rosalinde.
O ja, ich hörte sie alle und noch was drüber; denn einige hatten
mehr Füße, als die Verse tragen konnten.

Celia.
Das tut nichts, die Füße konnten die Verse tragen.

Rosalinde.
Ja, aber die Füße waren lahm und konnten sich nicht außerhalb des
Verses bewegen, und darum standen sie so lahm im Verse.

Celia.
Aber hast du gehört, ohne dich zu wundern, daß dein Name an den
Bäumen hängt und eingeschnitten ist?

Rosalinde.
Ich war schon sieben Tage in der Woche über alles Wundern hinaus,
ehe du kamst: denn sieh nur, was ich an einem Palmbaum fand.  Ich
bin nicht so bereimt worden seit Pythagoras' Zeiten, wo ich eine
Ratte war, die sie mit schlechten Versen vergifteten, wessen ich
mich kaum noch erinnern kann.

Celia.
Rätst du, wer es getan hat?

Rosalinde.
Ist es ein Mann?

Celia.
Mit einer Kette um den Hals, die du sonst getragen hast.
Veränderst du die Farbe?

Rosalinde.
Ich bitte dich, wer?

Celia.
O Himmel!  Himmel!  Es ist ein schweres Ding für Freunde, sich
wieder anzutreffen; aber Berg und Tal kommen im Erdbeben zusammen.

Rosalinde.
Nein, sag, wer ist's?

Celia.
Ist es möglich?

Rosalinde.
Ich bitte dich jetzt mit der allerdringendsten Inständigkeit, sag
mir, wer er ist.

Celia.
O wunderbar, wunderbar und höchst wunderbarlich wunderbar und
nochmals wunderbar und über alle Wunder weg.

Rosalinde.
O du liebe Ungeduld!  Denkst du, weil ich wie ein Mann ausstaffiert
bin, daß auch meine Gemütsart in Wams und Hosen ist?  Ein Zollbreit
mehr Aufschub ist eine Südsee weit von der Entdeckung.  Ich bitte
dich, sag mir, wer ist es?  Geschwind, und sprich hurtig!  Ich
wollte, du könntest stottern, daß dir dieser verborgne Mann aus dem
Munde käme wie Wein aus einer enghalsigen Flasche: entweder zuviel
auf einmal oder gar nichts.  Ich bitte dich, nimm den Kork aus
deinem Munde, damit ich deine Zeitungen trinken kann.

Celia.
Da könntest du einen Mann mit in den Leib bekommen.

Rosalinde.
Ist er von Gottes Machwerk?  Was für eine Art von Mann?  Ist sein
Kopf einen Hut wert oder sein Kinn einen Bart?

Celia.
Nein, er hat nur wenig Bart.

Rosalinde.
Nun, Gott wird mehr bescheren, wenn der Mensch recht dankbar ist;
ich will den Wuchs von seinem Bart schon abwarten, wenn du mir nur
die Kenntnis von seinem Kinn nicht länger vorenthältst.

Celia.
Es ist der junge Orlando, der den Ringer und dein Herz in einem
Augenblick zu Falle brachte.

Rosalinde.
Nein, der Teufel hole das Spaßen!  Sag auf dein ehrlich Gesicht und
Mädchentreue.

Celia.
Auf mein Wort, Muhme, er ist es.

Rosalinde.
Orlando?

Celia.
Orlando.

Rosalinde.
Ach liebe Zeit!  Was fange ich nun mit meinem Wams und Hosen an?--
Was tat er, wie du ihn sahst?  Was sagte er?  Wie sah er aus?  Wie
trug er sich?  Was macht er hier?  Frug er nach mir?  Wo bleibt er?
Wie schied er von dir, und wann wirst du ihn wiedersehn?  Antworte
mir mit einem Wort.

Celia.
Da mußt du mir erst Gargantuas Mund leihen; es wäre ein zu großes
Wort für irgendeinen Mund, wie sie heutzutage sind.  Ja und nein
auf diese Artikel zu sagen ist mehr, als in einer Kinderlehre
antworten.

Rosalinde.
Aber weiß er, daß ich in diesem Lande bin, und in Mannskleidern?
Sieht er so munter aus, wie an dem Tage, wo wir ihn ringen sahen?

Celia.
Es ist ebenso leicht, Sonnenstäubchen zu zählen als die Aufgaben
eines Verliebten zu lösen.  Doch nimm ein Pröbchen von meiner
Entdeckung und koste es recht aufmerksam.--Ich fand ihn unter einem
Baum wie eine abgefallne Eichel.

Rosalinde.
Der mag wohl Jupiters Baum heißen, wenn er solche Früchte fallen
läßt.

Celia.
Verleiht mir Gehör, wertes Fräulein.

Rosalinde.
Fahret fort.

Celia.
Da lag er, hingestreckt wie ein verwundeter Ritter.

Rosalinde.
Wenn es gleich ein Jammer ist, solch einen Anblick zu sehn, so muß
er sich doch gut ausgenommen haben.

Celia.
Ruf deiner Zunge "Holla" zu, ich bitte dich; sie macht zur Unzeit
Sprünge.  Er war wie ein Jäger gekleidet.

Rosalinde.
O Vorbedeutung!  Er kommt, mein Herz zu erlegen.

Celia.
Ich möchte mein Lied ohne Chor singen; du bringst mich aus der
Weise.

Rosalinde.
Wißt Ihr nicht, daß ich ein Weib bin?  Wenn ich denke, muß ich
sprechen.  Liebe, sag weiter.
(Orlando und Jacques treten auf.)

Celia.
Du bringst mich heraus.--Still!  kommt er da nicht?

Rosalinde.
Er ist's!  Schlüpft zur Seite und laßt uns ihn aufs Korn nehmen.

(Celia und Rosalinde verbergen sich.)

Jacques.
Ich danke Euch für geleistete Gesellschaft; aber meiner Treu, ich
wäre ebensogern allein gewesen.

Orlando.
Ich auch; aber um der Sitte willen danke ich Euch gleichfalls für
Eure Gesellschaft.

Jacques.
Der Himmel behüt Euch!  Laßt uns sowenig zusammenkommen wie möglich.

Orlando.
Ich wünsche mir Eure entferntere Bekanntschaft.

Jacques.
Ich ersuche Euch, verderbt keine Bäume weiter damit, Liebeslieder
in die Rinden zu schneiden.

Orlando.
Ich ersuche Euch, verderbt meine Verse nicht weiter damit, sie
erbärmlich abzulesen.

Jacques.
Rosalinde ist Eurer Liebsten Name?

Orlando.
Wie Ihr sagt.

Jacques.
Ihr Name gefällt mir nicht.

Orlando.
Es war nicht die Rede davon, Euch zu gefallen, wie sie getauft
wurde.

Jacques.
Von welcher Statur ist sie?

Orlando.
Grade so hoch wie mein Herz.

Jacques.
Ihr seid voll artiger Antworten.  Habt Ihr Euch etwa mit
Goldschmiedweibern abgegeben und solche Sprüchlein von Ringen
zusammengelesen?

Orlando.
Das nicht; aber ich antworte Euch wie die Tapetenfiguren, aus deren
Munde Ihr Eure Fragen studiert habt.

Jacques.
Ihr habt einen behenden Witz; ich glaube, er ist aus Atalantens
Fersen gemacht.  Wollt Ihr Euch mit mir setzen, so wollen wir
zusammen über unsre Gebieterin, die Welt, und unser ganzes Elend
schmähen.

Orlando.
Ich will kein lebendig Wesen in der Welt schelten als mich selber,
an dem ich die meisten Fehler kenne.

Jacques.
Der ärgste Fehler, den Ihr habt, ist, verliebt zu sein.

Orlando.
Das ist ein Fehler, den ich nicht mit Eurer besten Tugend
vertauschte.--Ich bin Eurer müde.

Jacques.
Meiner Treu, ich suchte eben einen Narren, da ich Euch fand.

Orlando.
Er ist in den Bach gefallen; guckt nur hinein, so werdet Ihr ihn
sehn.

Jacques.
Da werde ich meine eigne Person sehen.

Orlando.
Die ich entweder für einen Narren oder eine Null halte.

Jacques.
Ich will nicht länger bei Euch verweilen.  Lebt wohl, guter Signor
Amoroso!

Orlando.
Ich freue mich über Euren Abschied.  Gott befohlen, guter Monsieur
Melancholie!

(Jacques ab.)

(Celia und Rosalinde treten vor.)

Rosalinde.
Ich will wie ein naseweiser Lakai mit ihm sprechen und ihn unter
der Gestalt zum besten haben.--Hört Ihr, Jäger?

Orlando.
Recht gut; was wollt Ihr?

Rosalinde.
Sagt mir doch, was ist die Glocke?

Orlando.
Ihr solltet mich fragen, was ist's an der Zeit; es gibt keine
Glocke im Walde.

Rosalinde.
So gibts auch keinen rechten Liebhaber im Walde, sonst würde jede
Minute ein Seufzen und jede Stunde ein Ächzen den trägen Fuß der
Zeit so gut anzeigen wie eine Glocke.

Orlando.
Und warum nicht den schnellen Fuß der Zeit?  Wäre das nicht ebenso
passend gewesen?

Rosalinde.
Mitnichten, mein Herr.  Die Zeit reiset in verschiednem Schritt mit
verschiednen Personen.  Ich will Euch sagen, mit wem die Zeit den
Paß geht, mit wem sie trabt, mit wem sie galoppiert und mit wem sie
stillsteht.

Orlando.
Ich bitte dich, mit wem trabt sie?

Rosalinde.
Ei, sie trabt hart mit einem jungen Mädchen zwischen der Verlobung
und dem Hochzeitstage.  Wenn auch nur acht Tage dazwischen hingehn,
so ist der Trab der Zeit so hart, daß es ihr wie acht Jahre
vorkommt.

Orlando.
Mit wem geht die Zeit den Paß?

Rosalinde.
Mit einem Priester, dem es an Latein gebricht, und einem reichen
Manne, der das Podagra nicht hat.  Denn der eine schläft ruhig,
weil er nicht studieren kann, und der andre lebt lustig, weil er
keinen Schmerz fühlt; den einen drückt nicht die Last dürrer und
auszehrender Gelehrsamkeit, der andre kennt die Last schweren
mühseligen Mangels nicht.  Mit diesen geht die Zeit den Paß.

Orlando.
Mit wem galoppiert sie?

Rosalinde.
Mit dem Diebe zum Galgen; denn ginge er auch noch sosehr Schritt
vor Schritt, so denkt er doch, daß er zu früh kommt.

Orlando.
Mit wem steht sie still?

Rosalinde.
Mit Advokaten in den Gerichtsferien; denn sie schlafen von Session
zu Session und werden also nicht gewahr, wie die Zeit fortgeht.

Orlando.
Wo wohnt Ihr, artiger junger Mensch?

Rosalinde.
Bei dieser Schäferin, meiner Schwester; hier am Saum des Waldes,
wie Fransen an einem Rock.

Orlando.
Seid Ihr hier einheimisch?

Rosalinde.
Wie das Kaninchen, das zu wohnen pflegt, wo es zur Welt gekommen
ist.

Orlando.
Eure Aussprache ist etwas feiner, als Ihr sie an einem so
abgelegnen Ort Euch hättet erwerben können.

Rosalinde.
Das haben mir schon viele gesagt; aber in der Tat, ein alter
geistlicher Onkel von mir lehrte mich reden; er war in seiner
Jugend ein Städter und gar zu gut mit dem Hofmachen bekannt, denn
er verliebte sich dabei.  Ich habe ihn manche Predigt dagegen
halten hören und danke Gott, daß ich kein Weib bin und keinen Teil
an allen den Verkehrtheiten habe, die er ihrem ganzen Geschlecht
zur Last legte.

Orlando.
Könnt Ihr Euch nicht einiger von den vornehmsten Untugenden
erinnern, die er den Weibern aufbürdete?

Rosalinde.
Es gab keine vornehmsten darunter; sie sahen sich alle gleich wie
Pfennige: jeder einzelne Fehler schien ungeheuer, bis sein
Mitfehler sich neben ihn stellte.

Orlando.
Bitte, sagt mir einige davon.

Rosalinde.
Nein, ich will meine Arznei nicht wegwerfen, außer an Kranke.  Es
spukt hier ein junger Mensch im Walde herum, der unsre junge
Baumzucht mißbraucht, den Namen Rosalinde in die Rinden zu graben,
der Oden an Weißdorne hängt und Elegien an Brombeersträuche, alle--
denkt doch!--um den Namen Rosalinde zu vergöttern.  Könnte ich
diesen Herzenskrämer antreffen, so gäbe ich ihm einen guten Rat,
denn er scheint mit dem täglichen Liebesfieber behaftet.

Orlando.
Ich bin's, den die Liebe so schüttelt; ich bitte Euch, sagt mir
Euer Mittel.

Rosalinde.
Es ist keins von meines Onkels Merkmalen an Euch zu finden.  Er
lehrte mich einen Verliebten erkennen; ich weiß gewiß, Ihr seid
kein Gefangner in diesem Käfig.

Orlando.
Was waren seine Merkmale?

Rosalinde.
Eingefallne Wangen, die Ihr nicht habt; Augen mit blauen Rändern,
die Ihr nicht habt; ein ungeselliger Sinn, den Ihr nicht habt; ein
verwilderter Bart, den Ihr nicht habt--doch den erlasse ich Euch,
denn, aufrichtig, was Ihr an Bart besitzet, ist eines jüngeren
Bruders Einkommen.--Dann sollten Eure Kniegürtel lose hängen, Eure
Mütze nicht gebunden sein, Eure Ärmel aufgeknöpft, Eure Schuhe
nicht zugeschnürt, und alles und jedes an Euch müßte eine
nachlässige Trostlosigkeit verraten.  Aber solch ein Mensch seid
ihr nicht.  Ihr seid vielmehr geschniegelt in Eurem Anzuge, mehr
wie einer, der in sich selbst verliebt als sonst jemands Liebhaber
ist.

Orlando.
Schöner Junge, ich wollte, ich könnte dich glauben machen, daß ich
liebe.

Rosalinde.
Mich das glauben machen?  Ihr könntet es ebensogut Eure Liebste
glauben machen, was nie zu tun williger ist--dafür steh ich Euch--
als zu gestehn, daß sie es tut; das ist einer von den Punkten,
worin die Weiber immer ihr Gewissen Lügen strafen.  Aber in ganzem
Ernst: seid Ihr es, der die Verse an die Bäume hängt, in denen
Rosalinde so bewundert wird?

Orlando.
Ich schwöre dir, junger Mensch, bei Rosalindens weißer Hand: ich
bin es, ich bin der Unglückliche.

Rosalinde.
Aber seid Ihr so verliebt, als Eure Reime bezeugen?

Orlando.
Weder Gereimtes noch Ungereimtes kann ausdrücken, wie sehr.

Rosalinde.
Liebe ist eine bloße Tollheit, und ich sage Euch, verdient
ebensogut eine dunkle Zelle und Peitsche als andre Tolle; und die
Ursache, warum sie nicht so gezüchtigt und geheilt wird, ist, weil
sich dieser Wahnsinn so gemein gemacht hat, daß die Zuchtmeister
selbst verliebt sind.  Doch kann ich sie mit gutem Rat heilen.

Orlando.
Habt Ihr irgendwen so geheilt?

Rosalinde.
Ja, einen, und zwar auf folgende Weise.  Er mußte sich einbilden,
daß ich seine Liebste, seine Gebieterin wäre, und alle Tage hielt
ich ihn an, um mich zu werben.  Ich, der ich nur ein launenhafter
Junge bin, grämte mich dann, war weibisch, veränderlich, wußte
nicht, was ich wollte, stolz, phantastisch, grillenhaft, läppisch,
unbeständig, bald in Tränen, bald voll Lächeln, von jeder
Leidenschaft etwas und von keiner etwas Rechtes, wie Kinder und
Weiber meistenteils in diese Farben schlagen.  Bald mochte ich ihn
leiden, bald konnte ich ihn nicht ausstehn; dann machte ich mir mit
ihm zu schaffen, dann sagte ich mich von ihm los; jetzt weinte ich
um ihn, jetzt spie ich vor ihm aus: so daß ich meinen Bewerber aus
einem tollen Anfall von Liebe in einen leibhaften Anfall von
Tollheit versetzte, welche darin bestand, das Getümmel der Welt zu
verschwören und in einem mönchischen Winkel zu leben.  Und so
heilte ich ihn, und auf diese Art nehme ich es über mich, Euer Herz
so reinzuwaschen, wie ein gesundes Schafherz, daß nicht ein Flecken
Liebe mehr daran sein soll.

Orlando.
Ihr würdet mich nicht heilen, junger Mensch.

Rosalinde.
Ich würde Euch heilen, wolltet Ihr mich nur Rosalinde nennen und
alle Tage in meine Hütte kommen und um mich werben.

Orlando.
Nun, bei meiner Treue im Lieben, ich will es; sagt mir, wo sie ist.

Rosalinde.
Geht mit mir, so will ich sie Euch zeigen, und unterwegs sollt Ihr
mir sagen, wo Ihr hier im Walde wohnt.  Wollt Ihr kommen?

Orlando.
Von ganzem Herzen, guter Junge.

Rosalinde.
Nein, Ihr müßt mich Rosalinde nennen.--Komm, Schwester, laßt uns
gehn.

(Alle ab.)



Dritte Szene

Der Wald

(Probstein und Käthchen kommen.  Jacques in der Ferne, belauscht
sie)


Probstein.
Komm hurtig, gutes Käthchen; ich will deine Ziegen zusammenholen,
Käthchen.  Und sag, Käthchen: bin ich der Mann noch, der dir
ansteht?  Bist du mit meinen schlichten Zügen zufrieden?

Käthchen
Eure Züge?  Gott behüte!  Was sind das für Streiche?

Probstein.
Ich bin hier bei Käthchen und ihren Ziegen, wie der Dichter, der
die ärgsten Bocksprünge machte, der ehrliche Ovid, unter den Goten.

Jacques.
O schlechtlogierte Gelehrsamkeit!  schlechter als Jupiter unter
einem Strohdach!

Probstein.
Wenn eines Menschen Verse nicht verstanden werden und eines
Menschen Witz von dem geschickten Kinde Verstand nicht unterstützt
wird, das schlägt einen Menschen härter nieder als eine große
Rechnung in einem kleinen Zimmer.--Wahrhaftig, ich wollte, die
Götter hätten dich poetisch gemacht.

Käthchen
Ich weiß nicht, was poetisch ist.  Ist es ehrlich in Worten und
Werken?  Besteht es mit der Wahrheit?

Probstein.
Nein, wahrhaftig nicht; denn die wahrste Poesie erdichtet am
meisten, und Liebhaber sind der Poesie ergeben, und was sie in
Poesie schwören, davon kann man sagen, sie erdichten es als
Liebhaber.

Käthchen
Könnt Ihr denn wünschen, daß mich die Götter poetisch gemacht
hätten?

Probstein.
Ich tue es wahrlich, denn du schwörst mir zu, daß du ehrbar bist.
Wenn du nun ein Poet wärest, so hätte ich einige Hoffnung, daß du
erdichtetest.

Käthchen
Wolltet Ihr denn nicht, daß ich ehrbar wäre?

Probstein.
Nein, wahrhaftig nicht, du müßtest denn sehr häßlich sein; denn
Ehrbarkeit mit Schönheit gepaart ist wie eine Honigbrühe über
Zucker.

Jacques.
Ein sinnreicher Narr!

Käthchen
Gut, ich bin nicht schön, und darum bitte ich die Götter, daß sie
mich ehrbar machen.

Probstein.
Wahrhaftig, Ehrbarkeit an eine garstige Schmutzdirne wegzuwerfen,
hieße, gut Essen auf eine unreinliche Schüssel legen.

Käthchen
Ich bin keine Schmutzdirne, ob ich schon den Göttern danke, daß ich
garstig bin.

Probstein.
Gut, die Götter sei'n für deine Garstigkeit gepriesen, die
Schmutzigkeit kann noch kommen.  Aber sei es, wie es will, ich
heirate dich, und zu dem Ende bin ich bei Ehrn Olivarius Textdreher
gewesen, dem Pfarrer im nächsten Dorf der mir versprochen hat, mich
an diesem Platz im Walde zu treffen und uns zusammenzugeben.

Jacques (beiseite).
Die Zusammenkunft möchte ich mit ansehn.

Käthchen
Nun, die Götter lassen es wohl gelingen!

Probstein.
Amen!  Wer ein zaghaft Herz hätte, möchte wohl bei diesem
Unternehmen stutzen; denn wir haben hier keinen Tempel als den Wald,
keine Gemeinde als Hornvieh.  Aber was tut's?  Mutig!  Hörner sind
verhaßt, aber unvermeidlich.  Es heißt, mancher Mensch weiß des
Guten kein Ende; recht!  mancher Mensch hat gute Hörner und weiß
ihrer kein Ende.  Wohl!  es ist das Zugebrachte von seinem Weibe,
er hat es nicht selbst erworben.--Hörner?  Nun ja!  Arme Leute
allein?--Nein, nein, der edelste Hirsch hat sie so hoch wie der
geringste.  Ist der ledige Mann darum gesegnet?  Nein.  Wie eine
Stadt mit Mauern vornehmer ist als ein Dorf, so ist die Stirn eines
verheirateten Mannes ehrenvoller als die nackte Schläfe eines
Junggesellen; und um soviel besser Schutzwehr ist als Unvermögen,
um soviel kostbarer ist ein Horn als keins.
(Ehrn Olivarius Textdreher kommt.)  Hier kommt Ehrn Olivarius.--
Ehrn Olivarius Textdreher, gut, daß wir Euch treffen.  Wollt Ihr
uns hier unter diesem Baum abfertigen, oder sollen wir mit Euch in
Eure Kapelle gehn?

Ehrn Olivarius.
Ist niemand da, um die Braut zu geben?

Probstein.
Ich nehme sie nicht als Gabe von irgendeinem Mann.

Ehrn Olivarius.
Sie muß gegeben werden, oder die Heirat ist nicht gültig.

Jacques (tritt vor).
Nur zu!  nur zu!  ich will sie geben.

Probstein.
Guten Abend, lieber Herr.  Wie heißt Ihr doch?  Wie gehts Euch?
Schön, daß ich Euch treffe.  Gotteslohn für Eure neuliche
Gesellschaft!  Ich freue mich sehr, Euch zu sehn.--Ich habe hier
eben eine Kleinigkeit vor, Herr.  Ich bitte, bedeckt Euch.

Jacques.
Wollt Ihr Euch verheiraten, Hanswurst?

Probstein.
Wie der Ochse sein Joch hat, Herr, das Pferd seine Kinnkette und
der Falke seine Schellen, so hat der Mensch seine Wünsche; und wie
sich Tauben schnäbeln, so möchte der Ehestand naschen.

Jacques.
Und wollt Ihr, ein Mann von Eurer Erziehung, Euch im Busch
verheiraten wie ein Bettler?  In die Kirche geht und nehmt einen
tüchtigen Priester, der Euch bedeuten kann, was Heiraten ist.
Dieser Geselle wird Euch nur so zusammenfügen, wie sie's beim
Tafelwerk machen; dann wird eins von euch eintrocknen und sich
werfen wie frisches Holz: knack, knack.

Probstein (beiseite).
Ich denke nicht anders, als mir wäre besser, von ihm getraut zu
werden wie von einem andern; denn er sieht mir aus, als wenn er
mich nicht recht trauen wurde; und wenn er mich nicht recht traute,
so ist das nachher ein guter Vorwand, mein Weib im Stiche zu lassen.

Jacques.
Geh mit mir, Freund, und höre meinen Rat.

Probstein.
Komm, lieb Käthchen!
Du wirst noch meine Frau, oder du bleibst mein Mädchen.
Lebt wohl, Ehrn Olivarius.  Nicht:
        "O holder Oliver!
        O wackrer Oliver!
        Laß mich nicht hinter dir." Nein:
        "Pack dich fort!
        Geh!  auf mein Wort,
        Ich will nicht zur Trauung mit dir."

(Jacques, Probstein und Käthchen ab.)

Ehrn Olivarius.
Es tut nichts; keiner von allen diesen phantastischen Schelmen
zusammen soll mich aus meinem Beruf herausnecken.

(Ab.)



Vierte Szene

Der Wald.  Vor einer Hütte

(Rosalinde und Celia treten auf)


Rosalinde.
Sage mir nichts weiter, ich will weinen.

Celia.
Tu es nur; aber sei doch so weise, zu bedenken, daß Tränen einem
Mann nicht anstehn.

Rosalinde.
Aber habe ich nicht Ursache zu weinen?

Celia.
So gute Ursache sich einer nur wünschen mag.  Also weine.

Rosalinde.
Selbst sein Haar ist von einer falschen Farbe.

Celia.
Nur etwas brauner als des Judas seins.  Ja, seine Küsse sind rechte
Judaskinder.

Rosalinde.
Sein Haar ist bei alledem von einer hübschen Farbe.

Celia.
Eine herrliche Farbe; es geht nichts über Nußbraun.

Rosalinde.
Und seine Küsse sind so voll Heiligkeit wie die Berührung des
geweihten Brotes.

Celia.
Er hat ein Paar abgelegte Lippen der Diana gekauft; eine Nonne von
des Winters Schwesterschaft küßt nicht geistlicher; das wahre Eis
der Keuschheit ist in ihnen.

Rosalinde.
Aber warum versprach er mir, diesen Morgen zu kommen, und kommt
nicht?

Celia.
Nein, gewißlich, es ist keine Treu und Glauben in ihm.

Rosalinde.
Denkst du das?

Celia.
Nun, ich glaube, er ist weder ein Beutelschneider noch ein
Pferdedieb; aber was seine Wahrhaftigkeit in der Liebe betrifft, so
halte ich ihn für so hohl als einen umgekehrten Becher oder eine
wurmstichige Nuß.

Rosalinde.
Nicht wahrhaftig in der Liebe?

Celia.
Ja, wenn er verliebt ist; aber mich dünkt, das ist er nicht.

Rosalinde.
Du hörtest ihn doch hoch und teuer beschwören, daß er es war.

Celia.
(War) ist nicht (ist.)  Auch ist der Schwur eines Liebhabers nicht
zuverlässiger als das Wort eines Bierschenken: sie bekräftigen
beide falsche Rechnungen.  Er begleitet hier im Walde den Herzog,
Euren Vater.

Rosalinde.
Ich begegnete dem Herzog gestern und mußte ihm viel Rede stehn.  Er
fragte mich, von welcher Herkunft ich wäre; ich sagte ihm, von
einer ebenso guten als er; er lachte und ließ mich gehn.  Aber was
sprechen wir von Vätern, solange ein Mann wie Orlando in der Welt
ist?

Celia.
O das ist ein reizender Mann!  Er macht reizende Verse, spricht
reizende Worte, schwört reizende Eide und bricht sie reizend der
Quere, grade vor seiner Liebsten Herz, wie ein jämmerlicher
Turnierer, der sein Pferd nach (einer) Seite spornt, seine Lanze
zerbricht.  Aber alles ist reizend, wo Jugend obenauf sitzt und die
Zügel lenkt.  Wer kommt hier?

(Corinnus kommt.)

Corinnus.
Mein Herr und Fräulein, ihr befragtet oft
Mich um den Schäfer, welcher Liebe klagte,
Den ihr bei mir saht sitzen auf dem Rasen,
Wie er die übermütge Schäfrin pries,
Die seine Liebste war.

Celia.
Was ist mit ihm?

Corinnus.
Wollt ihr ein Schauspiel sehn, wahrhaft gespielt
Von treuer Liebe blassem Angesicht
Und roter Glut des Hohns und stolzer Hoffart:
Geht nur ein Endchen mit, ich führ euch hin,
Wenn ihr's beachten wollt.

Rosalinde.
O kommt!  gehn wir dahin;
Verliebte sehen nährt Verliebter Sinn.
Bringt uns zur Stell, und gibt es so das Glück,
So spiel ich eine Roll in ihrem Stück.

(Alle ab.)



Fünfte Szene

Ein anderer Teil des Waldes

(Silvius und Phöbe treten auf)


Silvius.
Höhnt mich nicht, liebe Phöbe!  Tut's nicht, Phöbe!
Sagt, daß Ihr mich nicht liebt, doch sagt es nicht
Mit Bitterkeit; der Henker, dessen Herz
Des Tods gewohnter Anblick doch verhärtet,
Fällt nicht das Beil auf den gebeugten Nacken,
Bis er sich erst entschuldigt.  Seid Ihr strenger
Als der von Tropfen Bluts sich nährt und kleidet?

(Rosalinde, Celia und Corinnus kommen in der Entfernung.)

Phöbe.
Ich möchte keineswegs dein Henker sein;
Ich fliehe dich, um dir kein Leid zu tun.
Du sagst mir, daß ich Mord im Auge trage;
's ist artig in der Tat und steht zu glauben,
Daß Augen, diese schwächsten, zartsten Dinger,
Die feig ihr Tor vor Sonnenstäubchen schließen,
Tyrannen, Schlächter, Mörder sollen sein.
Ich seh dich finster an von ganzem Herzen:
Verwundet nun mein Aug, so laß dich's töten.
Tu doch, als kämst du um!  so fall doch nieder!
Und kannst du nicht: pfui!  schäm dich, so zu lügen,
Und sag nicht, meine Augen seien Mörder.
Zeig doch die Wunde, die mein Aug dir machte.
Ritz dich mit einer Nadel nur, so bleibt
Die Schramme dir; lehn dich auf Binsen nur,
Und es behält den Eindruck deine Hand
Auf einen Augenblick; allein die Augen,
Womit ich auf dich blitzte, tun dir nichts,
Und sicher ist auch keine Kraft in Augen,
Die Schaden tun kann.

Silvius.
O geliebte Phöbe!
Begegnet je--wer weiß, wie bald dies je!--
Auf frischen Wangen dir der Liebe Macht,
Dann wirst du die geheimen Wunden kennen
Vom scharfen Pfeil der Liebe.

Phöbe.
Doch bis dahin
Komm mir nicht nah, und wenn die Zeit gekommen,
Kränk mich mit deinem Spott, sei ohne Mitleid,
Wie ich bis dahin ohne Mitleid bin.

Rosalinde (tritt vor).
Warum?  ich bitt Euch--Wer war Eure Mutter,
Daß Ihr den Unglückselgen kränkt und höhnt
Und was nicht alles?  Hättet Ihr auch Schönheit
(Wie ich doch wahrlich mehr an Euch nicht sehe,
Als ohne Licht--im Finstern geht zu Bett),
Müßt Ihr deswegen stolz und fühllos sein?
Was heißt das?  Warum blickt Ihr mich so an?
Ich seh nicht mehr an Euch, als die Natur
Auf Kauf zu machen pflegt.  So war ich lebe!
Sie will auch (meine) Augen wohl betören?
Nein, wirklich, stolze Dame!  hofft das nicht.
Nicht Euer Rabenhaar, kohlschwarze Brauen,
Glaskugelaugen, noch die Milchrahmwange
Bezwingen meinen Sinn, Euch zu verehren.--
O blöder Schäfer, warum folgt Ihr ihr
Wie feuchter Süd, von Wind und Regen schwellend?
Ihr seid ja tausendfach ein hübschrer Mann
Als sie ein Weib.  Dergleichen Toren füllen
Die ganze Welt mit garstgen Kindern an.
Der Spiegel nicht: Ihr seid es, der ihr schmeichelt;
Sie sieht in Euch sich hübscher abgespiegelt,
Als ihre Züge sie erscheinen lassen.--
Doch, Fräulein, kennt Euch selbst, fallt auf die Knie,
Dankt Gott mit Fasten für 'nen guten Mann;
Denn als ein Freund muß ich ins Ohr Euch sagen:
Verkauft Euch bald, Ihr seid nicht jedes Kauf.
Liebt diesen Mann!  fleht ihm als Eurem Retter:
Am häßlichsten ist Häßlichkeit am Spötter!--
So nimm sie zu dir, Schäfer.  Lebt denn wohl!

Phöbe.
O holder Jüngling, schilt ein Jahr lang so!
Dich hör ich lieber schelten als ihn werben.

Rosalinde.
Er hat sich in ihre Häßlichkeit verliebt, und sie wird sich in
meinen Zorn verlieben.  Wenn das so ist, so will ich sie mit
bittern Worten pfeffern, so schnell sie dir mit Stirnrunzeln
antwortet.--Warum seht Ihr mich so an?

Phöbe.
Aus üblem Willen nicht.

Rosalinde.
Ich bitt Euch sehr, verliebt Euch nicht in mich,
Denn ich bin falscher als Gelübd' im Trunk;
Zudem, ich mag Euch nicht.  Sucht Ihr etwa mein Haus:
's ist hinter den Oliven, dicht bei an.
Wollt Ihr gehn, Schwester?--Schäfer, setz ihr zu.--
Komm, Schwester!--Seid ihm günstger, Schäferin,
Und seid nicht stolz; konnt alle Welt auch sehn,
So blind wird keiner mehr von hinnen gehn.
Zu unsrer Herde, kommt!

(Rosalinde und Celia ab.)

Phöbe.
O Schäfer!  nun kommt mir dein Spruch zurück:
"Wer liebte je und nicht beim ersten Blick?"

Silvius.
Geliebte Phöbe--

Phöbe.
Ha, was sagst du, Silvius?

Silvius.
Beklagt mich, liebe Phöbe.

Phöbe.
Ich bin um dich bekümmert, guter Silvius.

Silvius.
Wo die Bekümmernis, wird Hilfe sein.
Seid Ihr um meinen Liebesgram bekümmert,
Gebt Liebe mir; mein Gram und Euer Kummer
Sind beide dann vertilgt.

Phöbe.
Du hast ja meine Lieb, ist das nicht nachbarlich?

Silvius.
Dich möcht ich haben.

Phöbe.
Ei, das wäre Habsucht.
Die Zeit war, Silvius, da ich dich gehaßt:
Es ist auch jetzt nicht so, daß ich dich liebte;
Doch weil du kannst so gut von Liebe sprechen,
So duld ich deinen Umgang, der mir sonst
Verdrießlich war, und bitt um Dienste dich.
Allein, erwarte keinen andern Lohn
Als deine eigne Freude, mir zu dienen.

Silvius.
So heilig und so groß ist meine Liebe,
Und ich in solcher Dürftigkeit an Gunst,
Daß ich es für ein reiches Teil muß halten,
Die Ähren nur dem Manne nachzulesen,
Dem volle Ernte wird.  Verliert nur dann und wann
Ein flüchtig Lächeln: davon will ich leben.

Phöbe.
Kennst du den jungen Mann, der mit mir sprach?

Silvius.
Nicht sehr genau, doch traf ich oft ihn an.
Er hat die Weid und Schäferei gekauft,
Die sonst dem alten Carlot zugehört.

Phöbe.
Denk nicht, ich lieb ihn, weil ich nach ihm frage.
's ist nur ein dummer Bursch--doch spricht er gut;
Frag ich nach Worten?--Doch tun Worte gut,
Wenn, der sie spricht, dem, der sie hört, gefällt.
Es ist ein hübscher Junge--nicht gar hübsch;
Doch wahrlich, er ist stolz--zwar steht sein Stolz ihm:
Er wird einmal ein feiner Mann.  Das Beste
Ist sein Gesicht, und schneller als die Zunge
Verwundete, heilt' es sein Auge wieder.
Er ist nicht eben groß, doch für sein Alter groß;
Sein Bein ist nur so so, doch macht sich's gut;
Es war ein lieblich Rot auf seinen Lippen,
Ein etwas reiferes und stärkres Rot
Als auf den Wangen: just der Unterschied
Wie zwischen dunkeln und gesprengten Rosen.
Es gibt der Weiber, Silvius: hätten sie
Ihn Stück für Stück betrachtet so wie ich,
Sie hätten sich verliebt; ich für mein Teil,
Ich lieb ihn nicht, noch hass' ich ihn, und doch
Hätt ich mehr Grund zu hassen als zu lieben.
Denn was hatt er für Recht, mich auszuschelten?
Er sprach, mein Haar sei schwarz, mein Auge schwarz,
Und, wie ich mich entsinne, höhnte mich.
Mich wundert's, daß ich ihm nicht Antwort gab.
Schon gut!  Verschoben ist nicht aufgehoben;
Ich will ihm einen Brief voll Spottes schreiben,
Du sollst ihn zu ihm tragen: willst du, Silvius?

Silvius.
Phöbe, von Herzen gern.

Phöbe.
Ich schreib ihn gleich;
Der Inhalt liegt im Kopf mir und im Herzen,
Ich will ganz kurz und bitter zu ihm sein.
Komm mit mir, Silvius!

(Ab.)




Vierter Aufzug



Erste Szene

Der Wald

(Rosalinde, Celia und Jacques treten auf)


Jacques.
Ich bitte dich, artiger, junger Mensch, laß uns besser miteinander
bekannt werden.

Rosalinde.
Sie sagen, Ihr wärt ein melancholischer Gesell.

Jacques.
Das bin ich; ich mag es lieber sein als lachen.

Rosalinde.
Die eins von beiden aufs äußerste treiben, sind abscheuliche
Burschen und geben sich jedem Tadel preis, ärger als Trunkenbolde.

Jacques.
Ei, es ist doch hübsch, traurig zu sein und nichts zu sagen.

Rosalinde.
Ei, so ist es auch hübsch, ein Türpfosten zu sein.

Jacques.
Ich habe weder des Gelehrten Melancholie, die Nacheifrung ist, noch
des Musikers, die phantastisch ist, noch des Hofmanns, die
hoffärtig ist, noch des Soldaten, die ehrgeizig ist, noch des
Juristen, die politisch ist, noch der Frauen, die zimperlich ist;
noch des Liebhabers, die das alles zusammen ist, sondern es ist
eine Melancholie nach meiner Weise, aus mancherlei Ingredienzien
bereitet, von mancherlei Gegenständen abgezogen, und wirklich die
gesamte Betrachtung meiner Reisen, deren öftere Überlegung mich in
eine höchst launische Betrübnis einhüllt.

Rosalinde.
Ein Reisender?  Meiner Treu, Ihr habt große Ursache, betrübt zu
sein; ich fürchte, Ihr habt Eure eignen Länder verkauft, um andrer
Leute ihre zu sehn.  Viel gesehn haben und nichts besitzen, das
kommt auf reiche Augen und arme Hände hinaus.

Jacques.
Nun, ich habe Erfahrung gewonnen.

(Orlando tritt auf.)

Rosalinde.
Und Eure Erfahrung macht Euch traurig.  Ich möchte lieber einen
Narren halten, der mich lustig machte, als Erfahrung, die mich
traurig machte.  Und noch obendrein darum zu reisen?

Orlando.
Habt Gruß und Heil, geliebte Rosalinde.

Jacques.
Nein, dann Gott befohlen, wenn Ihr gar in Versen sprecht.

(Ab.)

Rosalinde.
Fahrt wohl, mein Herr Reisender!  Seht zu, daß Ihr lispelt und
ausländische Kleidung tragt, macht alles Ersprießliche in Eurem
eignen Lande herunter, entzweit Euch mit Eurer Geburt und scheltet
schier den lieben Gott, daß er Euch kein andres Gesicht gab: sonst
glaub ich es kaum, daß Ihr je in einer Gondel gefahren seid.--Nun,
Orlando, wo seid Ihr die ganze Zeit her gewesen?  Ihr, ein
Liebhaber?--Spielt Ihr mir noch einmal so einen Streich, so kommt
mir nicht wieder vors Gesicht.

Orlando.
Meine schöne Rosalinde, es ist noch keine Stunde später, als ich
versprach.

Rosalinde.
Ein Versprechen in der Liebe um eine Stunde brechen?--Wer tausend
Teile aus einer Minute macht und nur ein Teilchen von dem
tausendsten Teil einer Minute in Liebessachen versäumt, von dem mag
man wohl sagen, Cupido hat ihm auf die Schulter geklopft; aber ich
stehe dafür, sein Herz ist unversehrt.

Orlando.
Verzeiht mir, liebe Rosalinde.

Rosalinde.
Nein, wenn Ihr so saumselig seid, so kommt mir nicht mehr vors
Gesicht; ich hätte es ebenso gern, daß eine Schnecke um mich freite.

Orlando.
Eine Schnecke?

Rosalinde.
Ja, eine Schnecke!  Denn kommt solch ein Liebhaber gleich langsam,
so trägt er doch sein Haus auf dem Kopfe; ein besseres Leibgedinge,
denk ich, als Ihr einer Frau geben könnt.  Außerdem bringt er sein
Schicksal mit sich.

Orlando.
Was ist das?

Rosalinde.
Ei, Hörner!  die solche, wie Ihr, sich gern von ihren Weibern
aufsetzen lassen.  Aber er kommt mit seinem Lose ausgerüstet und
verhütet den üblen Ruf seiner Frau.

Orlando.
Tugend dreht keine Hörner, und meine Rosalinde ist tugendhaft.

Rosalinde.
Und ich bin Eure Rosalinde.

Celia.
Es beliebt ihm, Euch so zu nennen; aber er hat eine Rosalinde von
zarterer Farbe als Ihr.

Rosalinde.
Kommt, freit um mich, freit um mich, denn ich bin jetzt in einer
Festtagslaune und könnte wohl einwilligen.--Was würdet Ihr zu mir
sagen, wenn ich Eure rechte, rechte Rosalinde wäre?

Orlando.
Ich würde küssen, ehe ich spräche.

Rosalinde.
Nein, Ihr tätet besser, erst zu sprechen, und wenn Ihr dann
stocktet, weil Ihr nichts mehr wüßtet, nähmt Ihr Gelegenheit zu
küssen.  Gute Redner räuspern sich, wenn sie aus dem Text kommen,
und wenn Liebhabern (was Gott verhüte!) der Stoff ausgeht, so ist
der schicklichste Behelf, zu küssen.

Orlando.
Wenn nun der Kuß verweigert wird?

Rosalinde.
So nötigt sie Euch zum Bitten, und das gibt neuen Stoff.

Orlando.
Wer könnte wohl stocken, wenn er vor seiner Liebsten steht?

Rosalinde.
Wahrlich, das solltet Ihr, wenn ich Eure Liebste wäre, sonst müßte
ich meine Tugend für stärker halten als meinen Witz.  Bin ich nicht
Eure Rosalinde?

Orlando.
Es macht mir Freude, Euch so zu nennen, weil ich gern von ihr
sprechen mag.

Rosalinde.
Gut, und in ihrer Person sage ich: ich will Euch nicht.

Orlando.
So sterbe ich in meiner eignen Person.

Rosalinde.
Mitnichten: verrichtet es durch einen Anwalt.  Die arme Welt ist
fast sechstausend Jahre alt, und die ganze Zeit über ist noch kein
Mensch in eigner Person gestorben: nämlich in Liebessachen.  Dem
Troilus wurde das Gehirn von einer griechischen Keule zerschmettert;
doch tat er, was er konnte, um vorher noch zu sterben, und er ist
eins von den Mustern der Liebe.  Leander, der hätte noch manches
schöne Jahr gelebt, wär Hero gleich Nonne geworden, wenn eine heiße
Sommernacht es nicht getan hätte; denn der arme Junge, er ging nur
hin, um sich im Hellespont zu baden, bekam den Krampf und ertrank,
und die albernen Chronikenschreiber seiner Zeit befanden, es sei
Hero von Sestos.  Doch das sind lauter Lügen; die Menschen sind von
Zeit zu Zeit gestorben, und die Würmer haben sie verzehrt, aber
nicht aus Liebe.
                
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