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Wie es euch gefällt
William Shakespeare
Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel
Personen:
Der Herzog, (in der Verbannung)
Friedrich, (Bruder des Herzogs und Usurpator seines Gebiets)
Amiens (und) Jacques, (Edelleute, die den Herzog in der Verbannung
begleiten)
Le Beau, (ein Hofmann in Friedrichs Diensten)
Charles, (Friedrichs Ringer)
Oliver, Jakob (und) Orlando, (Söhne des Freiherrn Roland de Bois)
Adam (und) Dennis, (Bediente Olivers)
Probstein, (der Narr)
(Ehrn) Olivarius Textdreher, (ein Pfarrer)
Corinnus (und) Silvius, (Schäfer)
Wilhelm, (ein Bauernbursche, in Käthchen verliebt)
(Eine Person, die den Hymen vorstellt)
Rosalinde, (Tochter des vertriebnen Herzogs)
Celia, (Friedrichs Tochter)
Phöbe, (eine Schäferin)
Käthchen, (ein Bauernmädchen)
(Edelleute der beiden Herzoge, Pagen, Jäger und andres Gefolge)
Die Szene ist anfänglich bei Olivers Hause; nachher teils am Hofe
des Usurpators, teils im (Ardenner Wald)
Erster Aufzug
Erste Szene
Olivers Garten
(Orlando und Adam treten auf)
Orlando.
Soviel ich mich erinnre, Adam, war es folgendergestalt: Er
vermachte mir im Testament nur ein armes Tausend Kronen und,
wie du sagst, schärfte meinem Bruder bei seinem Segen ein, mich
gut zu erziehn, und da hebt mein Kummer an. Meinen Bruder Jakob
unterhält er auf der Schule, und das Gerücht sagt goldne Dinge
von ihm. Was mich betrifft, mich zieht er bäurisch zu Hause auf,
oder eigentlicher zu sagen, behält mich unerzogen hier zu Hause.
Denn nennt Ihr das Erziehung für einen Edelmann von meiner Geburt,
was vor der Stallung eines Ochsen nichts voraus hat? Seine Pferde
werden besser besorgt; denn außer dem guten Futter lernen sie
auch ihre Schule, und zu dem Ende werden Bereiter teuer bezahlt;
aber ich, sein Bruder, gewinne nichts bei ihm als Wachstum, wofür
seine Tiere auf dem Mist ihm ebenso verpflichtet sind wie ich.
Außer diesem Nichts, das er mir im Überfluß zugesteht, scheint
sein Betragen das Etwas, welches die Natur mir gab, von mir zu
nehmen; er läßt mich mit seinen Knechten essen, versperrt mir den
brüderlichen Platz und, soviel an ihm liegt, untergräbt er meinen
angebornen Adel durch meine Erziehung. Das ist's, Adam, was mich
betrübt, und der Geist meines Vaters, der, denke ich, auf mir ruht,
fängt an, sich gegen diese Knechtschaft aufzulehnen. Ich will sie
nicht länger ertragen, wiewohl ich noch kein kluges Mittel weiß,
ihr zu entgehen.
Adam.
Dort kommt mein Herr, Euer Bruder.
(Oliver tritt auf.)
Orlando.
Geh beiseit, Adam, und du sollst hören, wie er mich anfährt.
Oliver.
Nun, Junker, was macht Ihr hier?
Orlando.
Nichts. Man hat mich nicht gelehrt, irgend etwas zu machen.
Oliver.
Was richtet Ihr denn zugrunde?
Orlando.
Ei, Herr, ich helfe Euch zugrunde richten, was Gott gemacht hat,
Euren armen unwerten Bruder, mit Nichtstun.
Oliver.
Beschäftigt Euch besser und seid einmal nichtsnutzig.
Orlando.
Soll ich Eure Schweine hüten und Treber mit ihnen essen? Welches
verlornen Sohns Erbteil habe ich durchgebracht, daß ich in solch
Elend geraten mußte?
Oliver.
Wißt Ihr, wo Ihr seid, Herr?
Orlando.
O Herr, sehr gut! hier in Eurem Baumgarten.
Oliver.
Wißt Ihr, vor wem Ihr steht?
Orlando.
Ja, besser als der mich kennt, vor dem ich stehe. Ich kenne Euch
als meinen ältesten Bruder, und nach den sanften Banden des Bluts
solltet Ihr mich ebenso kennen. Die gute Sitte der Nationen
gesteht Euch Vorrechte vor mir zu, weil Ihr der Erstgeborne seid;
aber derselbe Gebrauch beraubt mich meines Blutes nicht, wären
auch zwanzig Brüder zwischen uns. Ich habe soviel vom Vater in
mir als Ihr, obwohl Ihr der Verehrung, die ihm gebührt, näher
seid, weil Ihr früher kamt.
Oliver.
Was, Knabe?
Orlando.
Gemach, gemach, ältester Bruder! Dazu seid Ihr zu jung.
Oliver.
Willst du Hand an mich legen, Schurke?
Orlando.
Ich bin kein Schurke! ich bin der jüngste Sohn des Freiherrn
Roland de Boys. Er war mein Vater, und der ist dreifach ein
Schurke, der da sagt, solch ein Vater konnte Schurken zeugen.
Wärst du nicht mein Bruder, so ließe meine Hand deine Kehle nicht
los, bis diese andre dir die Zunge für dies Wort ausgerissen hätte.
Du hast dich selber gelästert.
Adam.
Liebe Herren, seid ruhig! um des Andenkens eures Vaters willen,
seid einträchtig!
Oliver.
Laß mich los, sag ich.
Orlando.
Nicht eher, bis mir's gefällt. Ihr sollt mich anhören. Mein
Vater legte Euch in seinem Testament auf, mir eine gute Erziehung
zu geben. Ihr habt mich wie einen Bauern großgezogen, habt alle
Eigenschaften, die einem Edelmann zukommen, vor mir verborgen und
verschlossen gehalten. Der Geist meines Vaters wird mächtig in
mir, und ich will es nicht länger erdulden; darum gesteht mir
solche Übungen zu, wie sie dem Edelmann geziemen, oder gebt mir
das geringe Teil, das mir mein Vater im Testament hinterließ, so
will ich mein Glück damit versuchen.
Oliver.
Und was willst du anfangen? Betteln, wenn das durchgebracht ist?
Gut, geht nur hinein, ich will mich nicht lange mit Euch quälen,
Ihr sollt zum Teil Euren Willen haben. Ich bitt Euch, laßt mich
nur.
Orlando.
Ich will Euch nicht weiter belästigen, als mir für mein Bestes
notwendig ist.
Oliver.
Packt Euch mit ihm, alter Hund!
Adam.
Ist "alter Hund" mein Lohn? Doch es ist wahr, die Zähne sind mir
in Eurem Dienst ausgefallen.--Gott segne meinen alten Herrn, er
hätte solch ein Wort nicht gesprochen.
(Orlando und Adam ab.)
Oliver.
Steht es so? Fängst du an, mir über den Kopf zu wachsen? Ich
will dir den Kitzel vertreiben und die tausend Kronen doch nicht
geben. He, Dennis!
(Dennis kommt.)
Dennis.
Rufen Euer Gnaden?
Oliver.
Wollte nicht Charles, des Herzogs Ringer, mit mir sprechen ?
Dennis.
Wenn es Euch beliebt: er ist hier an der Tür und bittet sehr um
Zutritt zu Euch.
Oliver.
Ruft ihn herein.
(Dennis ab.)
Das wird eine gute Auskunft sein, und morgen ist der Wettkampf
schon.
(Charles kommt.)
Charles.
Euer Gnaden guten Morgen!
Oliver.
Guter Monsieur Charles!--Was sind die neuesten Neuigkeiten am neuen
Hof?
Charles.
Keine Neuigkeiten am Hof als die alten: nämlich, daß der alte
Herzog von seinem jüngern Bruder, dem neuen Herzog, vertrieben ist,
und drei oder vier getreue Herren haben sich in freiwillige
Verbannung mit ihm begeben; ihre Ländereien und Einkünfte
bereichern den neuen Herzog, darum gibt er ihnen gern Erlaubnis, zu
wandern.
Oliver.
Könnt Ihr mir sagen, ob Rosalinde, des Herzogs Tochter, mit ihrem
Vater verbannt ist?
Charles.
O nein, denn des Herzogs Tochter, ihre Muhme, liebt sie so, da sie
von der Wiege an zusammen aufgewachsen sind, daß sie ihr in die
Verbannung gefolgt, oder gestorben wäre, wenn sie hätte
zurückbleiben müssen. Sie ist am Hofe, und der Oheim liebt sie
nicht weniger als seine eigne Tochter. Niemals haben sich zwei
Frauen mehr geliebt als diese.
Oliver.
Wo wird sich der alte Herzog aufhalten?
Charles.
Sie sagen, er ist bereits im Ardenner Wald, und viele lustige Leute
mit ihm, und da leben sie wie Zigeunervolk. Es heißt, viele junge
Leute strömen ihm täglich zu und versaufen sorglos die Zeit wie im
Goldnen Alter.
Oliver.
Sagt, werdet Ihr morgen vor dem neuen Herzoge ringen?
Charles.
Ganz gewiß, Herr, und ich komme, Euch etwas zu eröffnen. Man hat
mich unter der Hand benachrichtigt, daß Euer jüngster Bruder,
Orlando, gewillt ist, gegen mich verkleidet einen Gang zu wagen.
Morgen, Herr, ringe ich für meinen Ruhm, und wer ohne zerbrochene
Gliedmaßen davonkommt, wird von Glück zu sagen haben. Euer Bruder
ist jung und zart, und um Euretwillen sollte es mir leid tun, ihn
so zuzurichten, wie ich doch meiner eignen Ehre wegen müßte, wenn
er sich stellt. Darum kam ich aus Liebe zu Euch her, Euch
Nachricht davon zu geben, damit Ihr ihn entweder von seinem
Vorhaben zurückhaltet oder nicht übelnehmen mögt, was über ihn
ergeht, weil er sich's doch selber zugezogen hat und es ganz gegen
meinen Willen geschieht.
Oliver.
Charles, ich danke dir für deine Liebe zu mir, die ich freundlichst
vergelten will, wie du sehn sollst. Ich habe selbst einen Wink von
dieser Absicht meines Bruders bekommen und unter der Hand
gearbeitet, ihn davon abzubringen; aber er ist entschlossen. Ich
muß dir sagen, Charles--er ist der hartnäckigste junge Bursch in
Frankreich, voll Ehrgeiz, ein neidischer Nebenbuhler von jedermanns
Gaben, ein heimlicher und niederträchtiger Ränkemacher gegen mich,
seinen leiblichen Bruder. Darum tu nach Gefallen; mir wär's so
lieb, du brächest ihm den Hals als die Finger; und du magst dich
nur vorsehn, denn wenn du ihm nur eine geringe Schmach zufügst oder
wenn er keine große Ehre an dir einlegen kann, so wird er dir mit
Gift nachstellen, dich durch irgendeine Verräterei fangen und nicht
von dir lassen, bis er dich auf diese oder jene Weise ums Leben
gebracht hat; denn ich versichere dir--und fast mit Tränen sage ich
es--: es lebt kein Mensch auf Erden, der so jung und so verrucht
wäre. Ich spreche noch brüderlich von ihm; sollte ich ihn dir
zergliedern, so wie er ist, so müßte ich erröten und weinen, und du
müßtest blaß werden und erstaunen.
Charles.
Ich bin herzlich erfreut, daß ich zu Euch kam. Stellt er sich
morgen ein, so will ich ihm seinen Lohn geben. Wenn er je wieder
auf die Beine kommt, so will ich mein Lebtag nicht wieder um den
Preis ringen. Gott behüte Euer Gnaden!
(Ab.)
Oliver.
Lebt wohl, guter Charles!--Nun will ich den Abenteurer anspornen.
Ich hoffe, sein Ende zu erleben; denn meine Seele, ich weiß nicht
warum, hasset nichts so sehr als ihn. Doch ist er von sanftem
Gemüt, nicht belehrt und dennoch unterrichtet, voll edlen Trachtens,
von jedermann bis zur Verblendung geliebt; und in der Tat so fest
im Herzen der Leute, besonders meiner eignen, die ihn am besten
kennen, daß ich darüber ganz geringgeschätzt werde. Aber so soll
es nicht lange sein--dieser Ringer soll alles ins reine bringen.
Es bleibt nichts zu tun übrig, als daß ich den Knaben dorthin hetze,
was ich gleich ins Werk richten will.
(Ab.)
Zweite Szene
Eine Esplanade vor des Herzogs Palast
(Rosalinde und Celia treten auf)
Celia.
Ich bitte dich, Rosalinde, liebes Mühmchen, sei lustig.
Rosalinde.
Liebe Celia, ich zeige mehr Fröhlichkeit, als ich in meiner Gewalt
habe, und du wolltest dennoch, daß ich noch lustiger wäre? Kannst
du mich nicht lehren, einen verbannten Vater zu vergessen, so mußt
du nicht verlangen, daß mir eine ungewöhnliche Lust in den Sinn
kommen soll.
Celia.
Daran sehe ich, daß du mich nicht in so vollem Maße liebst, wie ich
dich liebe. Wenn mein Oheim, dein verbannter Vater, deinen Oheim,
den Herzog, meinen Vater verbannt hätte, und du wärst immer bei mir
geblieben, so hätte ich meine Liebe gewöhnen können, deinen Vater
als den meinigen anzusehn. Das würdest du auch tun, wenn deine
Liebe zu mir von so echter Beschaffenheit wäre als die meinige zu
dir.
Rosalinde.
Gut; ich will meinen Glücksstand vergessen, um mich an deinem zu
erfreun.
Celia.
Du weißt, mein Vater hat kein Kind außer mir und auch keine
Aussicht, eins zu bekommen; und wahrlich, wenn er stirbt, sollst du
seine Erbin sein; denn was er deinem Vater mit Gewalt genommen,
will ich dir in Liebe wiedergeben. Bei meiner Ehre, das will ich,
und wenn ich meinen Eid breche, mag ich zum Ungeheuer werden!
Darum, meine süße Rose, meine liebe Rose, sei lustig!
Rosalinde.
Das will ich von nun an, Mühmchen, und auf Späße denken. Laß sehen,
was hältst du vom Verlieben?
Celia.
Ei ja, tu's, um Spaß damit zu treiben. Aber liebe keinen Mann im
wahren Ernst, auch zum Spaß nicht weiter, als daß du mit einem
unschuldigen Erröten in Ehren wieder davonkommen kannst.
Rosalinde.
Was wollen wir denn für Spaß haben?
Celia.
Laß uns sitzen und die ehrliche Hausmutter Fortuna von ihrem Rade
weglästern, damit ihre Gaben künftig gleicher ausgeteilt werden
mögen.
Rosalinde.
Ich wollte, wir könnten das; denn ihre Wohltaten sind oft gewaltig
übel angebracht, und am meisten versieht sich die freigebige blinde
Frau mit ihren Geschenken an Frauen.
Celia.
Das ist wahr; denn die, welche sie schön macht, macht sie selten
ehrbar, und die, welche sie ehrbar macht, macht sie sehr häßlich.
Rosalinde.
Nein, da gehst du über von Fortunens Amt zu dem der Natur; Fortuna
herrscht in den weltlichen Gaben, nicht in den Zügen der Natur.
(Probstein kommt.)
Celia.
Nicht? wenn die Natur ein schönes Geschöpf gemacht hat, kann es
Fortuna nicht ins Feuer fallen lassen?--Wiewohl uns die Natur Witz
genug verliehen hat, um des Glücks zu spotten, schickt es nicht
diesen Narren herein, dem Gespräch ein Ende zu machen?
Rosalinde.
In der Tat, da ist das Glück der Natur zu mächtig, wenn es durch
einen natürlichen Einfaltspinsel dem natürlichen Witz ein Ende
macht.
Celia.
Wer weiß, auch dies ist nicht das Werk des Glückes, sondern der
Natur, die unsern natürlichen Witz zu albern findet, um über solche
Göttinnen zu klügeln, und uns diesen Einfältigen zum Schleifstein
geschickt hat; denn immer ist die Albernheit des Narren der
Schleifstein der Witzigen.--Nun Witz, wohin wanderst du?
Probstein.
Fräulein, Ihr müßt zu Eurem Vater kommen.
Celia.
Seid Ihr als Bote abgeschickt?
Probstein.
Nein, auf meine Ehre, man hieß mich nur nach Euch gehn.
Rosalinde.
Wo hast du den Schwur gelernt, Narr?
Probstein.
Von einem gewissen Ritter, der bei seiner Ehre schwur, die
Pfannkuchen wären gut, und bei seiner Ehre schwur, der Senf wäre
nichts nutz. Nun behaupte ich: die Pfannkuchen waren nichts nutz
und der Senf gut, und doch hatte der Ritter nicht falsch geschworen.
Celia.
Wie beweiset Ihr das in der Hülle und Fülle Eurer Gelahrtheit ?
Rosalinde.
Ei ja, nun nehmt Eurer Weisheit den Maulkorb ab.
Probstein.
Tretet beide vor, streicht euer Kinn und schwört bei euren Bärten,
daß ich ein Schelm bin.
Celia.
Bei unsern Bärten, wenn wir welche hätten, du bist einer.
Probstein.
Bei meiner Schelmerei, wenn ich sie hätte, dann wär ich einer.
Aber wenn ihr bei dem schwört, was nicht ist, so habt ihr nicht
falsch geschworen; ebensowenig der Ritter, der auf seine Ehre
schwur, denn er hatte niemals welche, oder wenn auch, so hatte er
sie längst weggeschworen, ehe ihm diese Pfannkuchen und der Senf zu
Gesicht kamen.
Celia.
Ich bitte dich, wen meinst du?
Probstein.
Einen, den der alte Friedrich, Euer Vater, liebt.
Celia.
Meines Vaters Liebe reicht hin, ihm zur Ehre zu verhelfen. Genug,
sprecht nicht mehr von ihm; Ihr werdet gewiß nächstens einmal für
Euren bösen Leumund gestäupt.
Probstein.
Desto schlimmer, daß Narren nicht mehr weislich sagen dürfen, was
weise Leute närrisch tun.
Celia.
Meiner Treu, du sagst die Wahrheit; denn seit das bißchen Witz, das
die Narren haben, zum Schweigen gebracht worden ist, so macht das
bißchen Narrheit, das weise Leute besitzen, große Parade. Da kommt
Monsieur Le Beau.
(Le Beau tritt auf.)
Rosalinde.
Den Mund voll von Neuigkeiten.
Celia.
Die er uns zukommen lassen wird, wie Tauben ihre Jungen füttern.
Rosalinde.
Da werden wir also mit Neuigkeiten gemästet.
Celia.
Desto besser, so stehn wir ansehnlicher zu Markt. Guten Morgen,
Monsieur Le Beau! was gibt es Neues?
Le Beau.
Schöne Prinzessin, Euch ist ein guter Spaß entgangen.
Celia.
Ein Spaß? wohin?
Le Beau.
Wohin, Madame? wie soll ich das beantworten?
Rosalinde.
Wie es Witz und Glück verleihen.
Probstein.
Oder wie das Verhängnis beschließt.
Celia.
Gut gesagt! Das war wie mit der Kelle angeworfen.
Probstein.
Ja, wenn ich meinen Geschmack nicht behaupte--
Rosalinde.
So verlierst du deinen alten Beigeschmack.
Le Beau.
Ihr bringt mich aus der Fassung, meine Damen. Ich wollte euch von
einem wackern Ringen erzählen, das ihr versäumt habt, mit anzusehn.
Rosalinde.
Sagt uns doch, wie es dabei herging.
Le Beau.
Ich will euch den Anfang erzählen und wenn es euer Gnaden gefällt,
könnt ihr das Ende ansehn; denn das Beste muß noch geschehen, und
sie kommen hieher, wo ihr seid, um es auszuführen.
Celia.
Gut, den Anfang, der tot und begraben ist.
Le Beau.
Es kam ein alter Mann mit seinen drei Söhnen--
Celia.
Ich weiß ein altes Märchen, das so anfängt.
Le Beau.
Drei stattliche junge Leute, vortrefflich gewachsen und männlich--
Rosalinde.
Mit Zetteln am Halse: "Kund und zu wissen sei männiglich"--
Le Beau.
Der älteste unter den dreien rang mit Charles, des Herzogs Ringer.
Charles warf ihn in einem Augenblick nieder und brach ihm drei
Rippen entzwei, so daß fast keine Hoffnung für sein Leben ist;
ebenso richtete er den zweiten und den dritten zu. Dort liegen sie,
und der arme alte Mann, ihr Vater, erhebt eine so jämmerliche
Wehklage über sie, daß alle Zuschauer ihm mit Weinen beistehn.
Rosalinde.
Ach!
Probstein.
Aber welches ist der Spaß, Herr, der den Damen entgangen ist?
Le Beau.
Nun, der, wovon ich spreche.
Probstein.
So wird man alle Tage klüger! Das ist das erste, was ich höre, daß
Rippenentzweibrechen ein Spaß für Damen ist.
Celia.
Ich auch, das versichere ich dir.
Rosalinde.
Aber ist denn noch jemand da, den nach dieser Seitenmusik gelüstet?
Ist noch sonst wer auf zerbrochene Rippen erpicht?--Sollen wir das
Ringen mit ansehen, Muhme?
Le Beau.
Ihr müßt, wenn ihr hier bleibt; denn sie haben diesen Platz zum
Kampfe gewählt; er wird gleich vor sich gehn.
Celia.
Wirklich, dort kommen sie. Laß uns nun bleiben und zusehn.
(Trompetenstoß. Herzog Friedrich, Herren vom Hofe, Orlando,
Charles und Gefolge.)
Herzog Friedrich.
Wohlan! Da der junge Mensch nicht hören will, so mag er auf seine
eigne Gefahr vorwitzig sein.
Rosalinde.
Ist der dort der Mann?
Le Beau.
Das ist er, mein Fräulein.
Celia.
Ach, er ist zu jung, doch hat er ein siegreiches Ansehn.
Herzog Friedrich.
Ei, Tochter und Nichte! Seid ihr hierher geschlichen, um das
Ringen zu sehn?
Rosalinde.
Ja, mein Fürst, wenn Ihr uns gütigst erlaubt.
Herzog Friedrich.
Ihr werdet wenig Vergnügen daran finden: das kann ich euch sagen;
das Paar ist zu ungleich. Aus Mitleid mit des Ausforderers Jugend
möchte ich ihn gern davon abbringen, allein er läßt sich nicht
raten. Sprecht mit ihm, Fräulein; seht, ob Ihr ihn bewegen könnt.
Celia.
Ruft ihn hieher, guter Monsieur Le Beau.
Herzog Friedrich.
Tut das, ich will nicht dabei sein.
(Der Herzog entfernt sich.)
Le Beau.
Herr Ausforderer, die Prinzessinnen verlangen Euch zu sprechen.
Orlando.
Ich bin ehrerbietigst zu ihrem Befehl.
Rosalinde.
Junger Mann, habt Ihr Charles, den Ringer, herausgefordert?
Orlando.
Nein, schöne Prinzessin; er ist der allgemeine Ausforderer; ich
komme bloß, wie andre auch, die Kräfte meiner Jugend gegen ihn zu
versuchen.
Celia.
Junger Mann, Euer Mut ist zu kühn für Eure Jahre. Ihr habt einen
grausamen Beweis von der Stärke dieses Menschen gesehn: wenn Ihr
Euch selbst mit Euren Augen sähet oder mit Eurem Urteil erkanntet,
so würde Euch die Furcht vor dem Ausgange ein gleicheres Wagstück
anraten. Wir bitten Euch um Euer selbst willen, an Eure Sicherheit
zu denken und das Unternehmen aufzugeben.
Rosalinde.
Tut das, junger Mann; Euer Ruf soll deswegen nicht herabgesetzt
werden. Es soll unser Gesuch beim Herzoge sein, daß das Ringen
nicht vor sich gehe.
Orlando.
Ich beschwöre euch, straft mich nicht mit euren nachteiligen
Gedanken; ich erkenne mich selbst für schuldig, daß ich so schönen
und vortrefflichen Fräulein irgend etwas verweigre. Laßt nur eure
schönen Augen und freundlichen Wünsche mich zu meiner Prüfung
geleiten. Wenn ich zu Boden geworfen werde, so kommt nur Schmach
über jemand, der noch niemals in Ehren war; wenn umgebracht, so ist
nur Jemand tot, der sich nichts andres wünscht. Ich werde meinen
Freunden kein Leid zufügen, denn ich habe keine, mich zu beweinen,
und der Welt keinen Nachteil, denn ich besitze nichts in ihr; ich
fülle in der Welt nur einen Platz aus, der besser besetzt werden
kann, wenn ich ihn räume.
Rosalinde.
Ich wollte, das bißchen Stärke, das ich habe, wäre mit Euch.
Celia.
Meine auch, um ihre zu ergänzen.
Rosalinde.
Fahrt wohl! Gebe der Himmel, daß ich mich in Euch betrüge.
Celia.
Eures Herzens Wunsch werde Euch zuteil.
Charles.
Wohlan, wo ist der junge Held, dem so danach gelüstet, bei seiner
Mutter Erde zu liegen?
Orlando.
Hier ist er, Herr; aber sein Wille hegt eine anständigere Absicht.
Herzog Friedrich.
Ihr sollt nur (einen) Gang machen.
Charles.
Ich stehe Euer Hoheit dafür, Ihr werdet ihn nicht zu einem zweiten
bereden, nachdem Ihr ihn so dringend vom ersten abgemahnt habt.
Orlando.
Ihr denkt nachher über mich zu spotten: so braucht Ihr's nicht
vorher zu tun. Doch kommt zur Sache.
Rosalinde.
Nun, Herkules steh dir bei, junger Mann!
Celia.
Ich wollte, ich wäre unsichtbar, um dem starken Manne das Bein
unterwegs ziehen zu können.
(Charles und Orlando ringen.)
Rosalinde.
O herrlicher junger Mann!
Celia.
Hätte ich einen Donnerkeil in meinen Augen, so weiß ich, wer zu
Boden sollte.
(Charles wird zu Boden geworfen. Jubelgeschrei.)
Herzog Friedrich.
Nicht weiter! nicht weiter!
Orlando.
Doch, wenn es Euer Hoheit beliebt! ich bin noch nicht recht ins
Schnaufen gekommen.
Herzog Friedrich.
Wie steht's mit dir, Charles?
Le Beau.
Er kann nicht sprechen, mein Fürst.
Herzog Friedrich.
Tragt ihn weg. Wie ist dein Name, junger Mensch?
Orlando.
Orlando, mein Fürst, der jüngste Sohn des Freiherrn Roland de Boys.
Herzog Friedrich.
Ich wollt, du wärst sonst jemands Sohn gewesen.
Die Welt hielt deinen Vater ehrenwert,
Doch ich erfand ihn stets als meinen Feind.
Du würdst mir mehr mit dieser Tat gefallen,
Wenn du aus einem andern Hause stammtest.
Doch fahre wohl! du bist ein wackrer Jüngling!
Hättst du 'nen andern Vater nur genannt!
(Herzog Friedrich mit Gefolge und Le Beau ab.)
Celia.
Wär ich mein Vater, Mühmchen, tät ich dies?
Orlando.
Ich bin weit stolzer, Rolands Sohn zu sein,
Sein jüngster Sohn--und tauschte nicht den Namen,
Würd ich auch Friedrichs angenommner Erbe.
Rosalinde.
Mein Vater liebte Roland wie sein Leben,
Und alle Welt war so wie er gesinnt.
Hätt ich zuvor den jungen Mann gekannt,
Den Bitten hätt ich Tränen zugesellt,
Eh er sich so gewagt.
Celia.
Komm, liebe Muhme,
Laß uns ihm danken und ihm Mut einsprechen;
Denn meines Vaters rauhe Art und Groll
Gehn mir ans Herz.--Herr, Ihr habt Lob verdient;
Wenn Ihr im Lieben Eur Versprechen haltet,
Wie Ihr verdunkelt, was man sich versprach,
Ist Eure Liebste glücklich.
Rosalinde (gibt ihm eine Kette von ihrem Halse).
Junger Mann,
Tragt dies von mir, von einer Glückverstoßnen,
Die mehr wohl gäbe, fehlt' es nicht an Mitteln.
Nun, gehn wir, Muhme?
Celia.
Ja--lebt wohl denn, edler Junker!
Orlando.
Kann ich nicht sagen: Dank? mein beßres Teil
Liegt ganz darnieder; was noch aufrecht steht,
Ist nur ein Wurfziel, bloß ein leblos Holz.
Rosalinde.
Er ruft uns nach--mein Stolz sank mit dem Glück--
Ich frag ihn, was er will.--Rieft Ihr uns, Herr?--
Herr, Ihr habt brav gekämpft und mehre noch
Besiegt als Eure Feinde.
Celia.
Komm doch, Mühmchen.
Rosalinde.
Ich komme schon. Lebt wohl!
(Rosalinde und Celia ab.)
Orlando.
Welch ein Gefühl belastet meine Zunge?
Ich kann nicht reden, lud sie gleich mich ein.
(Le Beau kommt.)
Armer Orlando! du bist überwältigt,
Charles oder etwas Schwächers siegt dir ob.
Le Beau.
Mein guter Herr, ich rat aus Freundschaft Euch
Verlaßt den Ort; wiewohl Ihr hohen Preis
Euch habt erworben, Lieb und echten Beifall,
So steht doch so des Herzogs Stimmung jetzt,
Daß er mißdeutet, was Ihr nun getan.
Der Fürst ist launisch; was er ist, in Wahrheit,
Ziemt besser Euch zu sehn, als mir zu sagen.
Orlando.
Ich dank Euch, Herr, und bitt Euch, sagt mir dies:
Wer war des Herzogs Tochter von den beiden,
Die hier beim Ringen waren?
Le Beau.
Von beiden keine, wenn's nach Sitten gilt;
Doch wirklich ist die kleinste seine Tochter,
Die andre, Tochter des verbannten Herzogs,
Von ihrem Oheim hier zurückbehalten
Zu seiner Tochter Umgang; ihre Liebe
Ist zärtlicher als schwesterliche Bande.
Doch sag ich Euch: seit kurzem hegt der Herzog
Unwillen gegen seine holde Nichte,
Der auf die Ursach bloß gegründet ist,
Daß sie die Welt um ihre Gaben preist
Und sie beklagt um ihres Vaters willen;
Und, auf mein Wort, sein Ingrimm auf das Fräulein
Bricht einmal plötzlich los.--Lebt wohl, mein Herr!
Dereinst in einer bessern Welt als diese
Wünsch ich mir mehr von Eurer Lieb und Umgang.
Orlando.
Ich bleib Euch sehr verbunden; lebet wohl!
(Le Beau ab.)
So muß ich aus dem Dampf in die Erstickung,
Von Herzogs Druck in Bruders Unterdrückung.--
Doch Engel Rosalinde!--
(Ab.)
Dritte Szene
Ein Zimmer im Palast
(Celia und Rosalinde treten auf)
Celia.
Ei, Mühmchen! ei, Rosalinde! Cupido sei uns gnädig, nicht ein
Wort?
Rosalinde.
Nicht eins, das man einem Hunde vorwerfen könnte.
Celia.
Nein, deine Worte sind zu kostbar, um sie den Hunden vorzuwerfen;
wirf mir einige zu. Komm, lähme mich mit Vernunftgründen.
Rosalinde.
Da wär es um zwei Muhmen geschehen, wenn die eine mit Gründen
gelähmt würde und die andre unklug ohne Grund.
Celia.
Aber ist das alles um deinen Vater?
Rosalinde.
Nein, etwas davon ist um meines Vaters Kind. O wie voll Disteln
ist diese Werktagswelt!
Celia.
Es sind nur Kletten, Liebe, die dir bei einem Festtagsspaß
angeworfen werden. Wenn wir nicht in gebahnten Wegen gehen, so
haschen unsre eigenen Röcke sie auf.
Rosalinde.
Vom Rocke könnt ich sie abschütteln; diese Kletten stecken mir im
Herzen.
Celia.
Huste sie weg.
Rosalinde.
Das wollte ich wohl tun, wenn ich ihn herbeihusten könnte.
Celia.
Ei was! ringe mit deinen Neigungen.
Rosalinde.
Ach, sie nehmen die Partei eines bessern Ringers, als ich bin.
Celia.
Helfe dir der Himmel! Du wirst dich zu seiner Zeit mit ihm messen,
gilt es auch eine Niederlage.--Doch laß uns diese Scherze abdanken
und in vollem Ernste sprechen. Ist es möglich, daß du mit einem
Male in eine so gewaltige Zuneigung zu des alten Herrn Roland
jüngstem Sohn verfallen konntest?
Rosalinde.
Der Herzog, mein Vater, liebte seinen Vater über alles.
Celia.
Folgt daraus, daß du seinen Sohn über alles lieben mußt? Nach
dieser Folgerung müßte ich ihn hassen, denn mein Vater haßt seinen
Vater über alles, und doch hasse ich den Orlando nicht.
Rosalinde.
Nein gewiß, hasse ihn nicht, um meinetwillen!
Celia.
Warum sollte ich? verdient er nicht alles Gute?
(Herzog Friedrich kommt mit Herren vom Hofe.)
Rosalinde.
Um deswillen laß mich ihn lieben, und liebe du ihn, weil ich es tue.
--Sieh, da kommt der Herzog.
Celia.
Die Augen voller Zorn.
Herzog Friedrich.
Fräulein, in schnellster Eile schickt Euch an und weicht von unserm
Hof.
Rosalinde.
Ich, Oheim?
Herzog Friedrich.
Ja, Ihr, Nichte.
Wenn in zehn Tagen du gefunden wirst
Von unserm Hofe binnen zwanzig Meilen,
Bist du des Todes.
Rosalinde.
Ich ersuch Eur Gnaden,
Gebt mir die Kenntnis meines Fehlers mit.
Wenn ich Verkehr pfleg mit dem eignen Selbst,
Ja irgend meine eignen Wünsche kenne,
Wenn ich nicht träum und nicht von Sinnen bin,
Wie ich nicht hoffe: nie, mein werter Oheim,
Selbst nicht mit ungeborenen Gedanken
Beleidigt ich Eur Hoheit.
Herzog Friedrich.
So sprechen stets Verräter;
Beständ in Worten ihre Reinigung,
So sind sie schuldlos wie die Heiligkeit.
Laß dir's genügen, daß ich dir nicht traue.
Rosalinde.
Doch macht Eur Mißtraun nicht mich zum Verräter;
Sagt mir, worauf der Anschein denn beruht?
Herzog Friedrich.
Genug, du bist die Tochter deines Vaters.
Rosalinde.
Das war ich, als Eur Hoheit ihm sein Land nahm;
Das war ich, als Eur Hoheit ihn verbannte.
Verräterei wird nicht vererbt, mein Fürst,
Und überkämen wir von Eltern sie,
Was geht's mich an? Mein Vater übte keine.
Drum, bester Herr, verkennt mich nicht so sehr,
Zu glauben, meine Armut sei verrätrisch.
Celia.
Mein teuerster Gebieter, hört mich an!
Herzog Friedrich.
Ja, Celia, dir zulieb ließ ich sie bleiben,
Sonst irrte sie umher mit ihrem Vater.
Celia.
Ich bat nicht damals, daß sie bleiben möchte,
Ihr wolltet es, Ihr waret selbst erweicht.
Ich war zu jung um (die) Zeit, sie zu schätzen:
Jetzt kenn ich sie; wenn sie verrätrisch ist,
So bin ich's auch; wir schliefen stets beisammen,
Erwachten, lernten, spielten miteinander,
Und wo wir gingen, wie der Juno Schwäne,
Da gingen wir gepaart und unzertrennlich.
Herzog Friedrich.
Sie ist zu fein für dich, und ihre Sanftmut,
Ihr Schweigen selbst und ihre Duldsamkeit
Spricht zu dem Volk, und es bedauert sie.
Du Törin, du! Sie stiehlt dir deinen Namen,
Und du scheinst glänzender und tugendreicher,
Ist sie erst fort. Drum öffne nicht den Mund;
Fest und unwiderruflich ist mein Spruch,
Der über sie erging: sie ist verbannt.
Celia.
Sprecht denn dies Urteil über mich, mein Fürst!
Ich kann nicht leben außer ihrer Nähe.
Herzog Friedrich.
Du bist 'ne Törin.--Nichte, seht Euch vor!
Wenn Ihr die Zeit versäumt--auf meine Ehre
Und kraft der Würde meines Worts: Ihr sterbt.
(Herzog und Gefolge ab.)
Celia.
O arme Rosalinde, wohin willst du?
Willst du die Väter tauschen? So nimm meinen.
Ich bitt dich, sei nicht trauriger als ich!
Rosalinde.
Ich habe ja mehr Ursach.
Celia.
Nicht doch, Muhme.
Sei nur getrost! Weißt du nicht, daß der Herzog
Mich, seine Tochter, hat verbannt?
Rosalinde.
Das nicht.
Celia.
Das nicht? So fehlt die Liebe Rosalinden,
Die dich belehrt, daß du und ich nur eins.
Soll man uns trennen? Solln wir scheiden, Süße?
Nein, mag mein Vater andre Erben suchen.
Ersinne nur mit mir, wie wir entfliehn,
Wohin wir gehn und was wir mit uns nehmen;
Und suche nicht, die Last auf dich zu ziehn,
Dein Leid zu tragen und mich auszuschließen.
Bei diesem Himmel, bleich von unserm Gram,
Sag, was du willst, ich gehe doch mit dir.
Rosalinde.
Wohl! wohin gehn wir?
Celia.
Zu meinem Oheim im Ardenner Wald.
Rosalinde.
Doch ach, was für Gefahr wird es uns bringen,
So weit zu reisen, Mädchen wie wir sind?
Schönheit lockt Diebe schneller noch als Gold.
Celia.
Ich stecke mich in arme, niedre Kleidung
Und streiche mein Gesicht mit Ocker an;
Tu ebendas, so ziehn wir unsern Weg
Und reizen keine Räuber.
Rosalinde.
Wär's nicht besser,
Weil ich von mehr doch als gemeinem Wuchs,
Daß ich mich trüge völlig wie ein Mann?
Den schmucken kurzen Säbel an der Hüfte
Den Jagdspieß in der Hand, und--läg im Herzen
Auch noch so viele Weiberfurcht versteckt--
Wir sähen kriegerisch und prahlend drein,
Wie manche andre Männermemmen auch,
Die mit dem Ansehn es zu zwingen wissen.
Celia.
Wie willst du heißen, wenn du nun ein Mann bist?
Rosalinde.
Nicht schlechter als der Page Jupiters;
Denk also dran, mich Ganymed zu nennen.
Doch wie willst du genannt sein?
Celia.
Nach etwas, das auf meinen Zustand paßt:
Nicht länger Celia, sondern Aliena.
Rosalinde.
Wie, Muhme, wenn von Eures Vaters Hof
Wir nun den Schalksnarrn wegzustehlen suchten,
Wär er uns nicht ein Trost auf unsrer Reise?
Celia.
Oh, der geht mit mir in die weite Welt,
Um den laß mich nur werben. Laß uns gehn
Und unsern Schmuck und Kostbarkeiten sammeln,
Die beste Zeit und sichern Weg bedenken
Vor der Verfolgung, die nach meiner Flucht
Wird angestellt. So ziehn wir denn in Frieden,
Denn Freiheit ist uns, nicht der Bann beschieden.
(Ab.)
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Der Ardenner Wald
(Der Herzog, Amiens und andre Edelleute in Jägerkleidung)
Herzog.
Nun, meine Brüder und des Banns Genossen,
Macht nicht Gewohnheit süßer dieses Leben
Als das gemalten Pomps? Sind diese Wälder
Nicht sorgenfreier als der falsche Hof?
Wir fühlen hier die Buße Adams nur,
Der Jahrszeit Wechsel; so den eisgen Zahn
Und böses Schelten von des Winters Sturm;
Doch, wenn er beißt und auf den Leib mir bläst,
Bis ich vor Kälte schaudre, sag ich lächelnd:
"Dies ist nicht Schmeichelei; Ratgeber sind's,
Die fühlbar mir bezeugen, wer ich bin."
Süß ist die Frucht der Widerwärtigkeit,
Die gleich der Kröte, häßlich und voll Gift,
Ein köstliches Juwel im Haupte trägt.
Dies unser Leben, vom Getümmel frei,
Gibt Bäumen Zungen, findet Schrift im Bach,
In Steinen Lehre, Gutes überall.
Amiens.
Ich tauscht es selbst nicht; glücklich ist Eur Hoheit,
Die auszulegen weiß des Schicksals Härte
In solchem ruhigen und milden Sinn.
Herzog.
Kommt, wolln wir gehen und uns Wildbret töten?
Doch schmerzt's, daß wir den armen fleckgen Narren,
Die Bürger sind in dieser öden Stadt,
Auf eignem Grund mit hakgen Spitzen blutig
Die runden Hüften reißen.
Erster Edelmann.
Ja, mein Fürst,
Den melancholschen Jacques kränkt dieses sehr;
Er schwört, daß Ihr auf diesem Weg mehr Unrecht
Als Euer Bruder übt, der Euch verbannt.
Heut schlüpften ich und Amiens hinter ihn,
Als er sich hingestreckt an einer Eiche,
Wovon die alte Wurzel in den Bach
Hineinragt, der da braust den Wald entlang;
Es kam dahin ein arm verschüchtert Wild,
Das von des Jägers Pfeil beschädigt war,
Um auszuschmachten; und gewiß, mein Fürst,
Das arme Tier stieß solche Seufzer aus,
Daß jedesmal sein ledern Kleid sich dehnte
Zum Bersten fast, und dicke runde Tränen
Längs der unschuldgen Nase liefen kläglich
Einander nach; und der behaarte Narr,
Genau bemerkt vom melancholschen Jacques,
Stand so am letzten Rand des schnellen Bachs,
Mit Tränen ihn vermehrend.
Herzog.
Nun, und Jacques?
Macht er dies Schauspiel nicht zur Sittenpredigt?
Erster Edelmann.
O ja, in tausend Gleichnissen. Zuerst
Das Weinen in den unbedürftgen Strom:
"Ach, armer Hirsch!" so sagt' er, "wie der Weltling
Machst du dein Testament: gibst dem den Zuschuß,
Der schon zuviel hat."--Dann, weil er allein
Und von den samtnen Freunden war verlassen:
"Recht!" sagt' er, "so verteilt das Elend stets
Des Umgangs Flut."--Alsbald ein Rudel Hirsche,
Der Weide voll, sprang sorglos an ihm hin,
Und keiner stand zum Gruße. "Ja", rief Jacques,
"Streift hin, ihr fetten, wohlgenährten Bürger!
So ist die Sitte eben; warum schaut ihr
Nach dem bankrotten, armen Schelme da?"
Auf diese Art durchbohrt er schmähungsvoll
Den Kern vom Lande, Stadt und Hof, ja selbst
Von diesem unserm Leben; schwört, daß wir
Nichts als Tyrannen, Räuber, Schlimmres noch,
Weil wir die Tiere schrecken, ja sie töten
In ihrem eignen heimatlichen Sitz.
Herzog.
Und ließet ihr in der Betrachtung ihn?
Erster Edelmann.
Ja, gnädger Herr, beweinend und besprechend
Das schluchzende Geschöpf.
Herzog.
Zeigt mir den Ort,
Ich lasse gern in diesen düstern Launen
Mich mit ihm ein; er ist dann voller Sinn.
Erster Edelmann.
Ich will Euch zu ihm bringen.
(Ab.)
Zweite Szene
Ein Zimmer im Palaste
(Herzog Friedrich, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf)
Herzog Friedrich.
Ist es denn möglich, daß sie niemand sah?
Es kann nicht sein! nein, Schurken hier am Hof
Sind im Verständnis mit und gaben's zu.
Erster Edelmann.
Ich hörte nicht, daß irgendwer sie sah.
Die Fraun im Dienste ihrer Kammer brachten
Sie in ihr Bett und fanden morgens früh
Das Bett von ihrem Fräulein ausgeleert.
Zweiter Edelmann.
Mein Herzog, der Hanswurst, den Euer Hoheit
Oft zu belachen pflegt', wird auch vermißt.
Hesperia, der Prinzessin Kammerfräulein,
Bekennt, sie habe insgeheim belauscht,
Wie Eure Nicht' und Tochter überaus
Geschick und Anstand jenes Ringers lobten,
Der jüngst den nervgen Charles darniederwarf;
Sie glaubt, wohin sie auch gegangen sind,
Der Jüngling sei gewißlich ihr Begleiter.
Herzog Friedrich.
Schickt hin zum Bruder, holt den Braven her;
Ist der nicht da, bringt mir den Bruder selbst:
Der soll ihn mir schon finden. Tut dies schnell;
Laßt Nachsuchung und Forschen nicht ermatten,
Die törichten Verlaufnen heimzubringen.
(Ab.)
Dritte Szene
Vor Olivers Hause
(Orlando und Adam begegnen sich)
Orlando.
Wer ist da?
Adam.
Was? Ihr, mein junger Herr?--O edler Herr!
O mein geliebter Herr! O Ihr, Gedächtnis
Des alten Roland! Sagt, was macht Ihr hier?
Weswegen übt Ihr Tugend? schafft Euch Liebe?
Und warum seid Ihr edel, stark und tapfer?
Was wart Ihr so erpicht, den stämmgen Kämpfer
Des launenhaften Herzogs zu bezwingen?
Eur Ruhm kam allzu schnell vor Euch nach Haus.
Wißt Ihr nicht, Junker, daß gewissen Leuten
All ihre Gaben nur als Feinde dienen?
So, bester Herr, sind Eure Tugenden
An Euch geweihte, heilige Verräter.
O welche Welt ist dies, wenn das, was herrlich,
Den, der es hat, vergiftet!
Orlando.
Nun denn, was gibt's?
Adam.
Oh, unglückselger Jüngling!
Geht durch dies Tor nicht; unter diesem Dach
Lebt aller Eurer Trefflichkeiten Feind:
Eur Bruder--nein, kein Bruder, doch der Sohn--
Nein, nicht der Sohn; ich will nicht Sohn ihn nennen
Des, den ich seinen Vater heißen wollte--
Hat Euer Lob gehört und denkt zu Nacht
Die Wohnung zu verbrennen, wo Ihr liegt,
Und Euch darinnen. Schlägt ihm dieses fehl,
So sucht er andre Weg, Euch umzubringen;
Ich habe ihn belauscht und seinen Anschlag.
Kein Wohnort ist dies Haus, 'ne Mördergrube;
Verabscheut, fürchtet es, geht nicht hinein.
Orlando.
Sag, wohin willst du, Adam, daß ich gehe?
Adam.
Gleichviel wohin, ist es nur hieher nicht.
Orlando.
Was? willst du, daß ich gehn und Brot soll betteln?
Wohl gar mit schnödem, tollem Schwert erzwingen
Als Straßenräuber meinen Unterhalt?
Das muß ich tun, sonst weiß ich nichts zu tun;
Doch will ich dies nicht, komme, was da will.
Ich setze mich der Bosheit lieber aus
Des abgefallnen Bluts und blutgen Bruders.
Adam.
Nein, tut das nicht! ich hab fünfhundert Kronen,
Sorgsam ersparten Lohn von Eurem Vater;
Ich legt ihn bei, mein Pfleger dann zu sein,
Wann mir der Dienst erlahmt in schwachen Gliedern
Und man das Alter in die Ecke wirft.
Nehmt das, und der die jungen Raben füttert,
Ja, sorgsam für den Sperling Vorrat häuft,
Sei meines Alters Trost! Hier ist das Gold;
Nehmt alles, laßt mich Euren Diener sein.
Seh ich gleich alt, bin ich doch stark und rüstig;
Denn nie in meiner Jugend mischt ich mir
Heiß und aufrührerisch Getränk ins Blut.
Noch ging ich je mit unverschämter Stirn
Den Mitteln nach zu Schwäch und Unvermögen.
Drum ist mein Alter wie ein frischer Winter,
Kalt, doch erquicklich. Laßt mich mit Euch gehn!
Ich tu den Dienst von einem jüngern Mann
In aller Eurer Notdurft und Geschäften.
Orlando.
O guter Alter, wie so wohl erscheint
in dir der treue Dienst der alten Welt,
Da Dienst um Pflicht sich mühte, nicht um Lohn!
Du bist nicht nach der Sitte dieser Zeiten,
Wo niemand mühn sich will als um Befördrung,
Und kaum daß er sie hat, erlischt sein Dienst
Gleich im Besitz. So ist es nicht mit dir.
Doch, armer Greis, du pflegst den dürren Stamm,
Der keine Blüte mehr vermag zu treiben
Für alle deine Sorgsamkeit und Müh.
Doch komm wir brechen miteinander auf;
Und eh wir deinen Jugendlohn verzehrt,
Ist uns ein friedlich kleines Los beschert.
Adam.
Auf, Herr! und bis zum letzten Atemzug
Folg ich Euch nach, ergeben ohne Trug.
Von siebzehn Jahren bis zu achtzig schier
Wohnt ich, nun wohn ich ferner nicht mehr hier.
Um siebzehn ziemt's, daß mit dem Glück man buhle,
Doch achtzig ist zu alt für diese Schule.
Könnt ich vom Glück nur diesen Lohn erwerben,
Nicht Schuldner meines Herrn und sanft zu sterben!
(Ab.)
Vierte Szene
Der Wald
(Rosalinde als Knabe, Celia, wie eine Schäferin gekleidet, und
Probstein treten auf)
Rosalinde.
O Jupiter! wie matt sind meine Lebensgeister!
Probstein.
Ich frage nicht nach meinen Lebensgeistern, wenn nur meine Beine
nicht matt wären.
Rosalinde.
Ich wäre imstande, meinen Mannskleidern eine Schande anzutun und
wie ein Weib zu weinen. Aber ich muß das schwächere Gefäß
unterstützen, denn Wams und Hosen müssen sich gegen den Unterrock
herzhaft beweisen. Also Herz gefaßt, liebe Aliena!
Celia.
Ich bitte dich, ertrage mich, ich kann nicht weiter.
Probstein.
Ich für mein Teil wollte Euch lieber ertragen als tragen. Und doch
trüge ich kein Kreuz, wenn ich Euch trüge; denn ich bilde mir ein,
Ihr habt keinen Kreuzer in Eurem Beutel.
Rosalinde.
Gut, dies ist der Ardenner Wald.
Probstein.
Ja, nun bin ich in den Ardennen, ich Narr; da ich zu Hause war, war
ich an einem bessern Ort, aber Reisende müssen sich schon begnügen.
Rosalinde.
Ja, tut das, guter Probstein.--Seht, wer kommt da? Ein junger Mann
und ein alter in tiefem Gespräch.
(Corinnus und Silvius treten auf.)
Corinnus.
Dies ist der Weg, daß sie dich stets verschmäht.
Silvius.
O wüßtest du, Corinnus, wie ich liebe!
Corinnus.
Zum Teil errat ich's, denn einst liebt ich auch.
Silvius.
Nein, Freund: alt wie du bist, errätst du's nicht,
Warst du auch jung ein so getreuer Schäfer,
Als je aufs mitternächtge Kissen seufzte;
Allein, wenn deine Liebe meiner gleich--
Zwar glaub ich, keiner liebte jemals so--
Zu wieviel höchlich ungereimten Dingen
Hat deine Leidenschaft dich hingerissen?
Corinnus.
Zu Tausenden, die ich vergessen habe.
Silvius.
O dann hast du so herzlich nie geliebt!
Entsinnst du dich der kleinsten Torheit nicht,
In welche dich die Liebe je gestürzt,
So hast du nicht geliebt;
Und hast du nicht gesessen, wie ich jetzt,
Den Hörer mit der Liebsten Preis ermüdend,
So hast du nicht geliebt;
Und brachst du nicht von der Gesellschaft los
Mit eins, wie jetzt die Leidenschaft mich heißt,
So hast du nicht geliebt.--O Phöbe! Phöbe! Phöbe!
(Ab.)
Rosalinde.
Ach, armer Schäfer! deine Wunde suchend,
Hab ich durch schlimmes Glück die meine funden.
Probstein.
Und ich meine. Ich erinnre mich, da ich verliebt war, daß ich
meinen Degen an einem Stein zerstieß und hieß ihn das dafür
hinnehmen, daß er sich unterstände, nachts zu Hannchen Freundlich
zu kommen; und ich erinnre mich, wie ich ihr Waschholz küßte und
die Euter der Kuh, die ihre artigen, rissigen Hände gemolken hatten.
Ich erinnre mich, wie ich mit einer Erbsenschote schön tat, als
wenn sie es wäre, und ich nahm zwei Erbsen, gab sie ihr wieder und
sagte mit weinenden Tränen: "Tragt sie um meinetwillen." Wir treuen
Liebenden kommen oft auf seltsame Sprünge; wie alles von Natur
sterblich ist, so sind alle sterblich Verliebten von Natur Narren.
Rosalinde.
Du sprichst klüger, als du selber gewahr wirst.
Probstein.
Nein, ich werde meinen eignen Witz nicht eher gewahr werden, als
bis ich mir die Schienbeine daran zerstoße.
Rosalinde.
O Jupiter! o Jupiter! Dieses Schäfers Leidenschaft ist ganz nach
meiner Eigenschaft.
Probstein.
Nach meiner auch, aber sie versauert ein wenig bei mir.
Celia.
Ich bitte Euch, frag einer jenen Mann,
Ob er für Gold uns etwas Speise gibt.
Ich schmachte fast zu Tode.
Probstein.
Heda, Tölpel.
Rosalinde.
Still, Narr! Er ist dein Vetter nicht.
Corinnus.
Wer ruft?
Probstein.
Vornehmere als Ihr.
Corinnus.
Sonst wären sie auch wahrlich sehr gering.
Rosalinde.
Still, sag ich Euch!--Habt guten Abend, Freund!
Corinnus.
Ihr gleichfalls, feiner Herr, und allesamt.
Rosalinde.
Hör, Schäfer, können Geld und gute Worte
In dieser Wildnis uns Bewirtung schaffen,
So zeigt uns, wo wir ruhn und essen können.
Dies junge Mädchen ist vom Wandern matt
Und schmachtet nach Erquickung.
Corinnus.
Lieber Herr,
Sie tut mir leid, und ihretwillen mehr
Als meinetwillen wünscht ich, daß mein Glück
Instand mich besser setzt', ihr beizustehn.
Doch ich bin Schäfer eines andern Manns
Und schere nicht die Wolle, die ich weide.
Von filziger Gemütsart ist mein Herr
Und fragt nicht viel danach, den Weg zum Himmel
Durch Werke der Gastfreundlichkeit zu finden.
Auch stehn ihm Hütt und Herd und seine Weiden
Jetzt zum Verkauf; und auf der Schäferei
Ist, weil er nicht zu Haus, kein Vorrat da,
Wovon ihr speisen könnt; doch kommt und seht!
Von mir euch alles gern zu Dienste steht.
Rosalinde.
Wer ist's, der seine Herd' und Wiesen kauft?
Corinnus.
Der junge Schäfer, den ihr erst gesehn,
Den es nicht kümmert, irgendwas zu kaufen.
Rosalinde.
Ich bitte dich, besteht's mit Redlichkeit,
Kauf du die Meierei, die Herd' und Weiden;
Wir geben dir das Geld, es zu bezahlen.
Celia.
Und höhern Lohn; ich liebe diesen Ort
Und brächte willig hier mein Leben hin.
Corinnus.
Soviel ist sicher, dies ist zu Verkauf.
Geht mit! Gefällt euch auf Erkundigung
Der Boden, der Ertrag und dieses Leben,
So will ich euer treuer Pfleger sein
Und kauf es gleich mit eurem Golde ein.
(Alle ab.)
Fünfte Szene
Ein anderer Teil des Waldes
(Amiens, Jacques und andere)
Lied.
Amiens.
Unter des Laubdachs Hut
Wer gerne mit mir ruht
Und stimmt der Kehle Klang
Zu lustger Vögel Sang:
Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!
Hier nagt und sticht
Kein Feind ihn nicht
Als Wetter, Regen und Winde.
Jacques.
Mehr, mehr, ich bitte dich, mehr!
Amiens.
Es würde Euch melancholisch machen, Monsieur Jacques.
Jacques.
Das danke ich ihm. Mehr, ich bitte dich, mehr! Ich kann
Melancholie aus einem Liede saugen, wie ein Wiesel Eier saugt.
Mehr! mehr! ich bitte dich.
Amiens.
Meine Stimme ist rauh; ich weiß, ich kann Euch nicht damit gefallen.
Jacques.
Ich verlange nicht, daß Ihr mir gefallen sollt; ich verlange, daß
Ihr singt. Kommt, noch eine Strophe! Nennt Ihr's nicht Strophen?
Amiens.
Wie es Euch beliebt, Monsieur Jacques.
Jacques.
Ich kümmre mich nicht um ihren Namen; sie sind mir nichts schuldig.
Wollt Ihr singen?
Amiens.
Mehr auf Euer Verlangen als mir zu Gefallen.
Jacques.
Gut, wenn ich mich jemals bei einem Menschen bedanke, so will ich's
bei Euch; aber was sie Komplimente nennen, ist, als wenn sich zwei
Affen begegnen. Und wenn sich jemand herzlich bei mir bedankt, so
ist mir, als hätte ich ihm einen Pfennig gegeben und er sagte:
"Gotteslohn dafür." Kommt singt, und wer nicht mag, halte sein Maul!
Amiens.
Gut, ich will das Lied zu Ende bringen.--Ihr Herren, deckt indes
die Tafel; der Herzog will unter diesem Baum trinken--er ist den
ganzen Tag nach Euch aus gewesen.
Jacques.
Und ich bin ihm den ganzen Tag aus dem Wege gegangen. Er ist ein
zu großer Disputierer für mich. Es gehn mir so viele Gedanken
durch den Kopf als ihm; aber ich danke dem Himmel und mache kein
Wesens davon. Kommt, trillert eins her.
Lied. (Alle zusammen.)
Wer Ehrgeiz sich hält fern,
Lebt in der Sonne gern,
Selbst sucht, was ihn ernährt,
Und es mit Lust verzehrt:
Komm geschwinde geschwinde geschwinde!
Hier nagt und sticht
Kein Feind ihn nicht
Als Wetter, Regen und Winde.
Jacques.
Ich will Euch einen Vers zu dieser Weise sagen, den ich gestern
meiner Dichtungsgabe zum Trotz gemacht habe.
Amiens.
Und ich will ihn singen.
Jacques.
So lautet er:
Besteht ein dummer Tropf
Auf seinem Eselskopf,
Läßt seine Füll und Ruh
Und läuft der Wildnis zu:
(Duc ad me! duc ad me! duc ad me!)
Hier sieht er mehr
So Narrn wie er,
Wenn er zu mir will kommen her.
Amiens.
Was heißt das: (duc ad me?)
Jacques.
Es ist eine griechische Beschwörung, um Narren in einen Kreis zu
bannen. Ich will gehn und schlafen, wenn ich kann; kann ich nicht,
so will ich auf alle Erstgeburt in Ägypten lästern.
Amiens.
Und ich will den Herzog aufsuchen, sein Mahl ist bereitet.
(Von verschiedenen Seiten ab.)
Sechste Szene
Ein anderer Teil des Waldes
(Orlando und Adam treten auf)
Adam.
Liebster Herr, ich kann nicht weitergehn; ach, ich sterbe vor
Hunger! Hier werfe ich mich hin und messe mir mein Grab. Lebt
wohl, bester Herr!
Orlando.
Ei was, Adam! hast du nicht mehr Herz? Lebe noch ein wenig,
stärke dich ein wenig, ermuntre dich ein wenig. Wenn dieser rauhe
Wald irgendein Gewild hegt, so will ich ihm entweder zur Speise
dienen oder es dir zur Speise bringen. Deine Einbildung ist dem
Tode näher als deine Kräfte. Mir zuliebe sei getrost! halt dir
den Tod noch eine Weile vom Leibe. Ich will gleich wieder bei dir
sein, und wenn ich dir nicht etwas zu essen bringe, so erlaube ich
dir zu sterben; aber wenn du stirbst, ehe ich komme, so hast du
mich mit meiner Mühe zum besten.--So recht! du siehst munter aus,
und ich bin gleich wieder bei dir. Aber du liegst in der scharfen
Luft; komm, ich will dich hinbringen, wo Überwind ist, und du
sollst nicht aus Mangel an einer Mahlzeit sterben, wenn es
irgendwas Lebendiges in dieser Einöde gibt. Mut gefaßt, guter Adam.
(Beide ab.)
Siebente Szene
Ein anderer Teil des Waldes
(Ein gedeckter Tisch. Der Herzog, Amiens, Edelleute und Gefolge
treten auf)
Herzog.
Ich glaub, er ist verwandelt in ein Tier,
Denn nirgends find ich ihn in Mannsgestalt.
Erster Edelmann.
Mein Fürst, er ging soeben von hier weg
Und war vergnügt, weil wir ein Lied ihm sangen.
Herzog.
Wenn er, ganz Mißlaut, musikalisch wird,
So gibt's bald Dissonanzen in den Sphären.--
Geht, sucht ihn, sagt, daß ich ihn sprechen will.
(Jacques tritt auf.)
Erster Edelmann.
Er spart die Mühe mir durch seine Ankunft.
Herzog.
Wie nun, mein Herr? was ist denn das für Art,
Daß Eure Freunde um Euch werben müssen?
Was? Ihr seht lustig aus?
Jacques.
Ein Narr! ein Narr!--ich traf 'nen Narrn im Walde,
'nen scheckgen Narrn--o jämmerliche Welt!--
So wahr mich Speise nährt, ich traf 'nen Narrn,
Der streckte sich dahin und sonnte sich
Und schimpfte Frau Fortuna ganz beredt
Und ordentlich--und doch ein scheckger Narr!
"Guten Morgen, Narr!" sagt' ich; "Mein Herr", sagt' er,
"Nennt mich nicht Narr, bis mich das Glück gesegnet."
Dann zog er eine Sonnenuhr hervor,
Und wie er sie besah mit blödem Auge,
Sagt' er sehr weislich: "Zehn ist's an der Uhr.
Da sehn wir nun", sagt' er, "wie die Welt läuft:
's ist nur 'ne Stunde her, da war es neun,
Und nach 'ner Stunde noch wird's elfe sein;
Und so von Stund zu Stunde reifen wir,
Und so von Stund zu Stunde faulen wir,
Und daran hängt ein Märlein." Da ich hörte
So predgen von der Zeit den scheckgen Narrn,
Fing meine Lung an, wie ein Hahn zu krähn,
Daß Narrn so tiefbedächtig sollten sein;
Und eine Stunde lacht ich ohne Rast
Nach seiner Sonnenuhr.--O wackrer Narr!
Ein würdger Narr! die Jacke lob ich mir.