Porzia.
Da nehmt ihn, Prinz, und liegt mein Bildnis da,
So bin ich Euer.
(Er schließt das goldne Kästchen auf.)
Marokko.
O Hölle, was ist hier?
Ein Beingeripp, dem ein beschriebner Zettel
Im hohlen Auge liegt? Ich will ihn lesen:
"Alles ist nicht Gold, was gleißt,
Wie man oft Euch unterweist.
Manchen in Gefahr es reißt,
Was mein äußrer Schein verheißt;
Goldnes Grab hegt Würmer meist;
Wäret Ihr so weis als dreist,
Jung an Gliedern, alt an Geist,
So würdet Ihr nicht abgespeist
Mit der Antwort: Geht und reist."
Ja fürwahr, mit bittrer Kost;
Leb wohl denn, Glut! Willkommen, Frost!
Lebt, Porzia, wohl! Zu langem Abschied fühlt
Mein Herz zu tief; so scheidet, wer verspielt.
(Ab.)
Porzia.
Erwünschtes Ende! Geht, den Vorhang zieht!
So wähle jeder, der ihm ähnlich sieht.
(Alle ab.)
Achte Szene
Venedig. Eine Straße
(Salarino und Solanio treten auf)
Salarino.
Ja, Freund, ich sah Bassanio unter Segel;
Mit ihm ist Graziano abgereist,
Und auf dem Schiff ist sicher nicht Lorenzo.
Solanio.
Der Schelm von Juden schrie den Dogen auf,
Der mit ihm ging, das Schiff zu untersuchen.
Salarino.
Er kam zu spät, das Schiff war unter Segel;
Doch da empfing der Doge den Bericht,
In einer Gondel habe man Lorenzo
Mit seiner Liebsten Jessica gesehn;
Auch gab Antonio ihm die Versichrung,
Sie sei'n nicht mit Bassanio auf dem Schiff.
Solanio.
Nie hört ich so verwirrte Leidenschaft,
So seltsam wild und durcheinander, als
Der Hund von Juden in den Straßen ausließ:
"Mein' Tochter--mein' Dukaten--o mein' Tochter!
Fort mit 'nem Christen--o mein' christlichen Dukaten!
Recht und Gericht! mein' Tochter! mein' Dukaten!
Ein Sack, zwei Säcke, beide zugesiegelt,
Voll von Dukaten, doppelten Dukaten!
Gestohl'n von meiner Tochter; und Juwelen,
Zwei Stein'--zwei reich' und köstliche Gestein',
Gestohl'n von meiner Tochter! O Gerichte,
Find't mir das Mädchen!--Sie hat die Steine bei sich
Und die Dukaten."
Salarino.
Ja, alle Gassenbuben folgen ihm
Und schrein: "Die Stein', die Tochter, die Dukaten!"
Solanio.
Daß nur Antonio nicht den Tag versäumt,
Sonst wird er hiefür zahlen.
Salarino.
Gut bedacht!
Mir sagte gestern ein Franzose noch,
Mit dem ich schwatzte, in der engen See,
Die Frankreich trennt von England, sei ein Schiff
Von unserm Land verunglückt, reich geladen;
Ich dachte des Antonio, da er's sagte,
Und wünscht im stillen, daß es seins nicht wär.
Solanio.
Ihr solltet ihm doch melden, was Ihr hört;
Doch tut's nicht plötzlich, denn es könnt ihn kränken.
Salarino.
Ein beßres Herz lebt auf der Erde nicht.
Ich sah Bassanio und Antonio scheiden;
Bassanio sagt' ihm, daß er eilen wolle
Mit seiner Rückkehr. "Nein", erwidert' er,
"Schlag dein Geschäft nicht von der Hand, Bassanio,
Um meinetwillen, laß die Zeit es reifen.
Und die Verschreibung, die der Jude hat,
Laß sie beschweren nicht dein liebend Herz.
Sei fröhlich, wende die Gedanken ganz
Auf Gunstbewerbung und Bezeugungen
Der Liebe, wie sie dort dir ziemen mögen."
Und hier, die Augen voller Tränen, wandt er
Sich abwärts, reichte seine Hand zurück,
Und, als ergriff ihn wunderbare Rührung,
Drückt' er Bassanios Hand. So schieden sie.
Solanio.
Ich glaub, er liebt die Welt nur seinetwegen;
Ich bitt Euch, laßt uns gehn, ihn aufzufinden,
Um seine Schwermut etwas zu zerstreun
Auf ein und andre Art.
Salarino.
Ja, tun wir das.
(Beide ab.)
Neunte Szene
Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause
(Nerissa kommt mit einem Bedienten)
Nerissa.
Komm, hurtig, hurtig, zieh den Vorhang auf!
Der Prinz von Arragon hat seinen Eid
Getan und kommt sogleich zu seiner Wahl.
(Trompentenstoß. Der Prinz von Arragon, Porzia und beider
Gefolge.)
Porzia.
Schaut hin, da stehn die Kästchen, edler Prinz!
Wenn Ihr das wählet, das mich in sich faßt,
Soll die Vermählung gleich gefeiert werden.
Doch fehlt Ihr, Prinz, so müßt Ihr ohne weiters
Im Augenblick von hier Euch wegbegeben.
Arragon.
Drei Dinge gibt der Eid mir auf zu halten:
Zum ersten, niemals jemand kundzutun,
Welch Kästchen ich gewählt; sodann: verfehl ich
Das rechte Kästchen, nie in meinem Leben
Um eines Mädchens Hand zu werben; endlich:
Wenn sich das Glück zu meiner Wahl nicht neigt,
Sogleich Euch zu verlassen und zu gehn.
Porzia.
Auf diese Pflichten schwört ein jeder, der
Zu wagen kommt um mein geringes Selbst.
Arragon.
Und so bin ich gerüstet. Glück wohlauf
Nach Herzens Wunsch!--Gold, Silber, schlechtes Blei:
"Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran."
Du mußtest schöner aussehn, eh ich's täte.
Was sagt das goldne Kästchen? Ha, laßt sehn!
"Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt."
Was mancher Mann begehrt?--Dies (mancher) meint vielleicht
Die Torenmenge, die nach Scheine wählt,
Nur lernend, was ein blödes Auge lehrt;
Die nicht ins Innre dringt und wie die Schwalbe
Im Wetter bauet an der Außenwand,
Recht in der Kraft und Bahn des Ungefährs.
Ich wähle nicht, was mancher Mann begehrt,
Weil ich nicht bei gemeinen Geistern hausen,
Noch mich zu rohen Haufen stellen will.
Nun dann zu dir, du silbern Schatzgemach!
Sag mir noch mal die Inschrift, die du führst:
"Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient."
Ja, gut gesagt: denn wer darf darauf ausgehn,
Das Glück zu täuschen und geehrt zu sein,
Den das Verdienst nicht stempelt? Maße keiner
Sich einer unverdienten Würde an.
O würden Güter, Rang und Ämter nicht
Verderbterweis erlangt und würde Ehre
Durch das Verdienst des Eigners rein erkauft,
Wie mancher deckte dann sein bloßes Haupt!
Wie mancher, der befiehlt, gehorchte dann!
Wie viel des Pöbels würde ausgesondert
Aus reiner Ehre Saat! und wieviel Ehre
Gelesen aus der Spreu, dem Raub der Zeit,
Um neu zu glänzen!--Wohl, zu meiner Wahl!
"Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient."
Ich halt es mit Verdienst: gebt mir dazu den Schlüssel,
Und unverzüglich schließt mein Glück hier auf.
Porzia.
Zu lang geweilt für das, was Ihr da findet.
Arragon.
Was gibt's hier? Eines Gecken Bild, der blinzt
Und mir 'nen Zettel reicht! Ich will ihn lesen.
O wie so gar nicht gleichst du Porzien!
Wie gar nicht meinem Hoffen und Verdienst!
"Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient."
Verdient ich nichts als einen Narrenkopf?
Ist das mein Preis? Ist mein Verdienst nicht höher?
Porzia.
Fehlen und richten sind getrennte Ämter,
Und die sich widersprechen.
Arragon.
Was ist hier?
"Siebenmal im Feur geklärt
Ward dies Silber: so bewährt
Ist ein Sinn, den nichts betört.
Mancher achtet Schatten wert,
Dem ist Schattenheil beschert;
Mancher Narr in Silber fährt,
So auch dieser, der Euch lehrt:
Nehmet, wen Ihr wollt, zum Weib
Immer trägt mich Euer Leib.
Geht und sucht Euch Zeitvertreib!"
Mehr und mehr zum Narrn mich macht
Jede Stunde hier verbracht.
Mit einem Narrenkopf zum Frein
Kam ich her und geh mit zwein.
Herz, leb wohl! was ich versprach,
Halt ich, trage still die Schmach.
(Arragon mit Gefolge ab.)
Porzia.
So ging dem Licht die Motte nach!
O diese weisen Narren! wenn sie wählen,
Sind sie so klug, durch Witz es zu verfehlen.
Nerissa.
Die alte Sag ist keine Ketzerei.
Daß Frein und Hängen eine Schickung sei.
Porzia.
Komm, zieh den Vorhang zu, Nerissa.
(Ein Bedienter kommt.)
Bedienter.
Wo ist mein Fräulein?
Porzia.
Hier; was will mein Herr?
Bedienter.
An Eurem Tor ist eben abgestiegen
Ein junger Venezianer, welcher kommt,
Die nahe Ankunft seines Herrn zu melden,
Von dem er stattliche Begrüßung bringt;
Das heißt, nebst vielen artgen Worten, Gaben
Von reichem Wert; ich sahe niemals noch
Solch einen holden Liebesabgesandten.
Nie kam noch im April ein Tag so süß,
Zu zeigen, wie der Sommer köstlich nahe,
Als dieser Bote seinem Herrn voran.
Porzia.
Nichts mehr, ich bitt dich; ich besorge fast,
Daß du gleich sagen wirst, er sei dein Vetter;
Du wendest solchen Festtagswitz an ihn.
Komm, komm, Nerissa; denn er soll mich freun,
Cupidos Herold, so geschickt und fein.
Nerissa.
Bassanio, Herr des Herzens! laß es sein.
(Alle ab.)
Dritter Aufzug
Erste Szene
Venedig. Eine Straße
(Solanio und Salarino treten auf)
Solanio.
Nun, was gibt's Neues auf dem Rialto?
Salarino.
Ja, noch wird es nicht widersprochen, daß dem Antonio sein Schiff
von reicher Ladung in der Meerenge gestrandet ist. Die Goodwins,
denke ich, nennen sie die Stelle: eine sehr gefährliche Sandbank,
wo die Gerippe von manchem stattlichen Schiff begraben liegen,
wenn Gevatterin Fama eine Frau von Wort ist.
Solanio.
Ich wollte, sie wäre darin eine so lügenhafte Gevatterin, als
jemals eine Ingwer kaute oder ihren Nachbarn weismachte, sie
weine um den Tod ihres dritten Mannes. Aber es ist wahr--ohne
alle Umschweife, und ohne die gerade, ebne Bahn des Gespräches zu
kreuzen--daß der gute Antonio, der redliche Antonio--o daß ich
eine Benennung wüßte, die gut genug wäre, seinem Namen
Gesellschaft zu leisten!--
Salarino.
Wohlan, zum Schluß!
Solanio.
He, was sagst du?--Ja, das Ende ist, er hat ein Schiff eingebüßt.
Salarino.
Ich wünsche, es mag das Ende seiner Einbußen sein.
Solanio.
Laßt mich beizeiten Amen sagen, ehe mir der Teufel einen
Querstrich durch mein Gebet macht; denn hier kommt er in Gestalt
eines Juden.
(Shylock kommt.)
Wie steht's, Shylock? Was gibt es Neues unter den Kaufleuten?
Shylock.
Ihr wußtet, niemand besser, niemand besser als Ihr um meiner
Tochter Flucht.
Salarino.
Das ist richtig; ich meinerseits kannte den Schneider, der ihr
die Flügel zum Wegfliegen gemacht hat.
Solanio.
Und Shylock seinerseits wußte, daß der Vogel flügge war; und dann
haben sie es alle in der Art, das Nest zu verlassen.
Shylock.
Sie ist verdammt dafür.
Salarino.
Das ist sicher, wenn der Teufel ihr Richter sein soll.
Shylock.
Daß mein eigen Fleisch und Blut sich so empörte!
Solanio.
Pfui dich an, altes Fell! bei dem Alter empört es sich?
Shylock.
Ich sage, meine Tochter ist mein Fleisch und Blut.
Salarino.
Zwischen deinem Fleisch und ihrem ist mehr Unterschied als
zwischen Ebenholz und Elfenbein, mehr zwischen eurem Blute als
zwischen rotem Wein und Rheinwein.--Aber sagt uns, was hört Ihr:
hat Antonio einen Verlust zur See gehabt oder nicht?
Shylock.
Da hab ich einen andern schlimmen Handel: ein Bankerottierer, ein
Verschwender, der sich kaum auf dem Rialto darf blicken lassen;
ein Bettler, der so schmuck auf den Markt zu kommen pflegte! Er
sehe sich vor mit seinem Schein! Er hat mich immer Wucherer
genannt--er sehe sich vor mit seinem Schein!--er verlieh immer
Geld aus christlicher Liebe,--er sehe sich vor mit seinem Schein!
Salarino.
Nun, ich bin sicher, wenn er verfällt, so wirst du sein Fleisch
nicht nehmen: wozu wär es gut?
Shylock.
Fische mit zu ködern. Sättigt es sonst niemanden, so sättigt es
doch meine Rache. Er hat mich beschimpft, mir 'ne halbe Million
gehindert; meinen Verlust belacht, meinen Gewinn bespottet, mein
Volk geschmäht, meinen Handel gekreuzt, meine Freunde verleitet,
meine Feinde gehetzt. Und was hat er für Grund! Ich bin ein Jude.
Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude Hände, Gliedmaßen,
Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise
genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten
unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet
von eben dem Winter und Sommer als ein Christ? Wenn ihr uns
stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht?
Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns
beleidigt, sollen wir uns nicht rächen? Sind wir euch in allen
Dingen ähnlich, so wollen wir's euch auch darin gleich tun. Wenn
ein Jude einen Christen beleidigt, was ist seine Demut? Rache.
Wenn ein Christ einen Juden beleidigt, was muß seine Geduld sein
nach christlichem Vorbild? Nu, Rache. Die Bosheit, die ihr mich
lehrt, die will ich ausüben, und es muß schlimm hergehen, oder
ich will es meinen Meistern zuvortun.
(Ein Bedienter kommt.)
Bedienter.
Edle Herren, Antonio, mein Herr, ist zu Hause und wünscht euch zu
sprechen.
Salarino.
Wir haben ihn allenthalben gesucht.
(Tubal kommt.)
Solanio.
Hier kommt ein anderer von seinem Stamm; der dritte Mann ist
nicht aufzutreiben, der Teufel selbst müßte denn Jude werden.
(Solanio, Salarino und Bedienter ab.)
Shylock.
Nun, Tubal, was bringst du Neues von Genua? Hast du meine Tochter
gefunden?
Tubal.
Ich bin oft an Örter gekommen, wo ich von ihr hörte, aber ich
kann sie nicht finden.
Shylock.
Ei so, so, so, so! Ein Diamant fort, kostet mich zweitausend
Dukaten zu Frankfurt. Der Fluch ist erst jetzt auf unser Volk
gefallen, ich hab ihn niemals gefühlt bis jetzt. Zweitausend
Dukaten dafür! und noch mehr kostbare, kostbare Juwelen! Ich
wollte, meine Tochter läge tot zu meinen Füßen und hätte die
Juwelen in den Ohren! Wollte, sie läge eingesargt zu meinen
Füßen, und die Dukaten im Sarge! Keine Nachricht von ihnen! Ei,
daß dich!--und ich weiß noch nicht, was beim Nachsetzen
draufgeht. Ei, du Verlust über Verlust! Der Dieb mit soviel
davongegangen, und soviel, um den Dieb zu finden; und keine
Genugtuung, keine Rache! Kein Unglück tut sich auf, als was mir
auf den Hals fällt; keine Seufzer, als die ich ausstoße, keine
Tränen, als die ich vergieße.
Tubal.
Ja, andre Menschen haben auch Unglück. Antonio, so hört ich in Genua--
Shylock.
Was, was, was? Ein Unglück? ein Unglück?
Tubal.
Hat eine Galeone verloren, die von Tripolis kam.
Shylock.
Gott sei gedankt! Gott sei gedankt! Ist es wahr? ist es wahr?
Tubal.
Ich sprach mit ein paar von den Matrosen, die sich aus dem
Schiffbruch gerettet.
Shylock.
Ich danke dir, guter Tubal! Gute Zeitung, gute Zeitung!--Wo? in
Genua?
Tubal.
Eure Tochter vertat in Genua, wie ich hörte, in (einem) Abend
achtzig Dukaten!
Shylock.
Du gibst mir einen Dolchstich--ich kriege mein Gold nicht wieder
zu sehn--Achtzig Dukaten in (einem) Strich! achtzig Dukaten!
Tubal.
Verschiedene von Antonios Gläubigern reisten mit mir zugleich
nach Venedig; die beteuerten, er müsse notwendig fallieren.
Shylock.
Das freut mich sehr! ich will ihn peinigen, ich will ihn martern;
das freut mich!
Tubal.
Einer zeigte mir einen Ring, den ihm Eure Tochter für einen Affen
gab.
Shylock.
Daß sie die Pest! Du marterst mich, Tubal. Es war mein Türkis,
ich bekam ihn von Lea, als ich noch Junggeselle war; ich hätte
ihn nicht für einen Wald von Affen weggegeben.
Tubal.
Aber Antonio ist gewiß ruiniert.
Shylock.
Ja, das ist wahr! das ist wahr! Geh, Tubal, miete mir einen
Amtsdiener, bestell ihn vierzehn Tage vorher. Ich will sein Herz
haben, wenn er verfällt; denn wenn er aus Venedig weg ist, so
kann ich Handel treiben, wie ich will. Geh, geh, Tubal, und triff
mich bei unsrer Synagoge! geh, guter Tubal! bei unsrer Synagoge,
Tubal!
(Ab.)
Zweite Szene
Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause
(Bassanio, Porzia, Graziano, Nerissa und Gefolge treten auf
Die Kästchen sind aufgestellt)
Porzia.
Ich bitt Euch, wartet ein, zwei Tage noch,
Bevor Ihr wagt; denn wählt Ihr falsch, so büße
Ich Euren Umgang ein; darum verzieht.
Ein Etwas sagt mir (doch es ist nicht Liebe),
Ich möcht Euch nicht verlieren; und Ihr wißt,
Es rät der Haß in diesem Sinne nicht.
Allein damit Ihr recht mich deuten möchtet
(Und doch, ein Mädchen spricht nur mit Gedanken),
Behielt' ich gern Euch ein paar Tage hier,
Eh Ihr für mich Euch wagt. Ich könnt Euch leiten
Zur rechten Wahl, dann bräch ich meinen Eid;
Das will ich nie; so könnt Ihr mich verfehlen.
Doch wenn Ihr's tut, macht Ihr mich sündlich wünschen,
Ich hätt ihn nur gebrochen. O der Augen,
Die so bezaubert mich und mich geteilt!
Halb bin ich Eur, die andre Hälfte Euer--
Mein, wollt ich sagen; doch wenn mein, dann Euer,
Und so ganz Euer. O die böse Zeit,
Die Eignern ihre Rechte vorenthält!
Und so, ob Euer schon, nicht Euer.--Trifft es,
So sei das Glück dafür verdammt, nicht ich.
Zu lange red ich, doch nur um die Zeit
Zu dehnen, in die Länge sie zu ziehn,
Die Wahl noch zu verzögern.
Bassanio.
Laßt mich wählen,
Denn wie ich jetzt bin, leb ich auf der Folter.
Porzia.
Bassanio, auf der Folter? So bekennt,
Was für Verrat in Eurer Liebe steckt.
Bassanio.
Allein der häßliche Verrat des Mißtrauns,
Der mich am Glück der Liebe zweifeln läßt.
So gut verbände Schnee und Feuer sich
Zum Leben, als Verrat und meine Liebe.
Porzia.
Ja, doch ich sorg, Ihr redet auf der Folter,
Wo sie, gezwungen, sagen, was man will.
Bassanio.
Verheißt mir Leben, so bekenn ich Wahrheit.
Porzia.
Nun wohl, bekennt und lebt!
Bassanio.
Bekennt und liebt!
Mein ganz Bekenntnis wäre dies gewesen.
O selge Folter, wenn der Folterer
Mich Antwort lehrt zu meiner Lossprechung?
Doch laßt mein Heil mich bei den Kästchen suchen.
Porzia.
Hinzu denn! Eins darunter schließt mich ein;
Wenn Ihr mich liebt, so findet Ihr es aus.
Nerissa und ihr andern steht beiseit.--
Laßt nun Musik ertönen, weil er wählt!
So, wenn er fehltrifft, end' er Schwanen gleich
Hinsterbend in Musik; daß die Vergleichung
Noch näher passe, sei mein Aug der Strom,
Sein wäßrig Totenbett. Er kann gewinnen,
Und was ist dann Musik? Dann ist Musik
Wie Paukenklang, wenn sich ein treues Volk
Dem neugekrönten Fürsten neigt; ganz so
Wie jene süßen Tön in erster Frühe,
Die in des Bräutigams schlummernd Ohr sich schleichen
Und ihn zur Hochzeit laden. Jetzo geht er
Mit minder Anstand nicht, mit weit mehr Liebe,
Als einst Alcides, da er den Tribut
Der Jungfrau löste, welchen Troja heulend
Dem Seeuntier gezahlt. Ich steh als Opfer,
Die dort von fern sind die Dardanschen Fraun
Mit rotgeweinten Augen, ausgegangen,
Der Tat Erfolg zu sehn.--Geh, Herkules!
Leb du, so leb ich! mit viel stärkerm Bangen
Seh ich den Kampf, als du ihn eingegangen.
(Musik, während Bassanio über die Kästchen mit sich zu Rate geht.)
(Lied)
(Erste Stimme.) Sagt, woher stammt Liebeslust?
Aus den Sinnen, aus der Brust?
Ist euch ihr Lebenslauf bewußt? (Zweite Stimme.) In den Augen erst gehegt,
Wird Liebeslust durch Schaun gepflegt;
Stirbt das Kindchen, beigelegt
In der Wiege, die es trägt,
Läutet Totenglöckchen ihm;
Ich beginne: Bim! bim! bim! (Chor.) Bim! bim! bim!
Bassanio.
--So ist oft äußrer Schein sich selber fremd,
Die Welt wird immerdar durch Zier berückt.
Im Recht, wo ist ein Handel so verderbt,
Der nicht, geschmückt von einer holden Stimme,
Des Bösen Schein verdeckt? Im Gottesdienst,
Wo ist ein Irrwahn, den ein ehrbar Haupt
Nicht heiligte, mit Sprüchen nicht belegte,
Und bürge die Verdammlichkeit durch Schmuck?
Kein Laster ist so blöde, das von Tugend
Im äußern Tun nicht Zeichen an sich nähme.
Wie manche Feige, die Gefahren stehn
Wie Spreu dem Winde, tragen doch am Kinn
Den Bart des Herkules und finstern Mars,
Fließt gleich in ihren Herzen Blut wie Milch!
Und diese leihn des Mutes Auswuchs nur,
Um furchtbar sich zu machen. Blickt auf Schönheit,
Ihr werdet sehn, man kauft sie nach Gewicht,
Das hier ein Wunder der Natur bewirkt,
Und die es tragen, um so lockrer macht.
So diese schlänglicht krausen goldnen Locken,
Die mit den Lüften so mutwillig hüpfen
Auf angemaßtem Reiz: man kennt sie oft
Als eines zweiten Kopfes Ausstattung,
Der Schädel der sie trug, liegt in der Gruft.
So ist denn Zier die trügerische Küste
Von einer schlimmen See, der schöne Schleier,
Der Indiens Schöne birgt; mit einem Wort:
Die Scheinwahrheit, womit die schlaue Zeit
Auch Weise fängt. Darum, du gleißend Gold,
Des Midas harte Kost, dich will ich nicht,
Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer
Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei,
Das eher droht als irgend was verheißt,
Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an:
Ich wähle hier, und sei es wohlgetan!
Porzia.
Wie jede Regung fort die Lüfte tragen!
Als irre Zweifel, ungestüm Verzagen
Und bange Schaur und blasse Schüchternheit.
O Liebe, mäßge dich in deiner Seligkeit!
Halt ein, laß deine Freuden sanfter regnen;
Zu stark fühl ich, du mußt mich minder segnen,
Damit ich nicht vergeh.
Bassanio (öffnet das bleierne Kästchen).
Was find ich hier?
Der schönen Porzia Bildnis? Welcher Halbgott
Kam so der Schöpfung nah? Regt sich dies Auge?
Wie, oder schwebend auf des meinen Wölbung,
Scheint es bewegt? Hier sind erschloßne Lippen,
Die Nektarodem trennt: so süße Scheidung
Muß zwischen solchen süßen Freunden sein.
Der Maler spielte hier in ihrem Haar,
Die Spinne wob ein Netz, der Männer Herzen
Zu fangen wie die Mück im Spinngeweb.
Doch ihre Augen--o wie konnt er sehn,
Um sie zu malen? Da er eins gemalt,
Dünkt mich, es mußt ihm seine beiden stehlen
Und ungepaart sich lassen. Doch seht, soweit
Die Wahrheit meines Lobes diesem Schatten
Zu nahe tut, da es ihn unterschätzt,
Soweit läßt diesen Schatten hinter sich
Die Wahrheit selbst zurück.--Hier ist der Zettel,
Der Inbegriff und Auszug meines Glücks.
"Ihr, der nicht auf Schein gesehn:
Wählt so recht und trefft so schön!
Weil Euch dieses Glück geschehn,
Wollet nicht nach anderm gehn.
Ist Euch dies nach Wunsch getan
Und findt Ihr Heil auf dieser Bahn,
Müßt Ihr Eurer Liebsten nahn,
Und sprecht mit holdem Kuß sie an."
Ein freundlich Blatt--erlaubt, mein holdes Leben,
(er küßt sie)
Ich komm, auf Schein zu nehmen und zu geben,
Wie, wer um einen Preis mit andern ringt
Und glaubt, daß vor dem Volk sein Tun gelingt;
Er hört den Beifall, Jubel schallt zum Himmel:
Im Geist benebelt, staunt er--"Dies Getümmel
Des Preises", fragt er sich, "gilt es denn mir?"
So, dreimal holdes Fräulein, steh ich hier,
Noch zweifelnd, ob kein Trug mein Auge blend't,
Bis Ihr bestätigt, zeichnet, anerkennt.
Porzia.
Ihr seht mich, Don Bassanio, wo ich stehe,
So wie ich bin. Obschon für mich allein
Ich nicht ehrgeizig wär in meinem Wunsch,
Viel besser mich zu wünschen; doch für Euch
Wollt ich verdreifacht zwanzigmal ich selbst sein,
Noch tausendmal so schön, zehntausendmal
So reich.--
Nur um in Eurer Schätzung hoch zu stehn
Möcht ich an Gaben, Reizen, Gütern, Freunden
Unschätzbar sein; doch meine volle Summa
Macht etwas nur: das ist, in Bausch und Bogen,
Ein unerzognes, ungelehrtes Mädchen,
Darin beglückt, daß sie noch nicht zu alt
Zum Lernen ist; noch glücklicher, daß sie
Zum Lernen nicht zu blöde ward geboren;
Am glücklichsten, weil sie ihr weich Gemüt
Dem Euren überläßt, daß Ihr sie lenkt
Als ihr Gemahl, ihr Führer und ihr König.
Ich selbst, und was nur mein, ist Euch und Eurem
Nun zugewandt; noch eben war ich Eigner
Des schönen Guts hier, Herrin meiner Leute,
Monarchin meiner selbst; und eben jetzt
Sind Haus und Leut und ebendies "ich selbst"
Eur eigen, Herr. Nehmt sie mit diesem Ring;
Doch trennt Ihr Euch von ihm, verliert, verschenkt ihn,
So prophezei es Eurer Liebe Fall,
Und sei mein Anspruch gegen Euch zu klagen.
Bassanio.
Fräulein, Ihr habt der Worte mich beraubt,
Mein Blut nur in den Adern spricht zu Euch;
Verwirrung ist in meinen Lebensgeistern,
Wie sie nach einer wohlgesprochnen Rede
Von einem teuren Prinzen wohl im Kreis
Der murmelnden zufriednen Meng erscheint,
Wo jedes Etwas, ineinander fließend,
Zu einem Chaos wird von nichts als Freude,
Laut und doch sprachlos.--Doch weicht dieser Ring
Von diesem Finger, dann weicht hier das Leben;
O dann sagt kühn, Bassanio sei tot!
Nerissa.
Mein Herr und Fräulein, jetzt ist unsre Zeit,
Die wir dabei gestanden und die Wünsche
Gelingen sehn, zu rufen: Freud und Heil!
Habt Freud und Heil, mein Fräulein und mein Herr!
Graziano.
Mein Freund Bassanio und mein wertes Fräulein,
Ich wünsch euch, was für Freud ihr wünschen könnt;
Denn sicher wünscht ihr keine von mir weg.
Und wenn ihr beiderseits zu feiern denkt
Den Austausch eurer Treue, bitt ich euch,
Daß ich zugleich mich auch verbinden dürfe.
Bassanio.
Von Herzen gern, kannst du ein Weib dir schaffen.
Graziano.
Ich dank Euch, Herr, Ihr schafftet mir ein Weib.
Mein Auge kann so hurtig schaun als Eures;
Ihr saht das Fräulein, ich die Dienerin;
Ihr liebtet und ich liebte; denn Verzug
Steht mir nicht besser an als Euch, Bassanio.
Eur eignes Glück hing an den Kästchen dort,
Und so auch meines, wie es sich gefügt.
Denn werbend hier, bis ich in Schweiß geriet,
Und schwörend, bis mein Gaum' von Liebesschwüren
Ganz trocken war, ward ich zuletzt--geletzt
Durch ein Versprechen dieser Schönen hier,
Mir Liebe zu erwidern, wenn Eur Glück
Ihr Fräulein erst gewönne.
Porzia.
Ist's wahr, Nerissa?
Nerissa.
Ja, Fräulein, wenn Ihr Euren Beifall gebt.
Bassanio.
Und meint Ihr's, Graziano, recht im Ernst?
Graziano.
Ja, auf mein Wort.
Bassanio.
Ihr ehrt durch Eure Heirat unser Fest.
Graziano.
Wir wollen mit ihnen auf den ersten Jungen wetten um tausend Dukaten.
Doch wer kommt hier; Lorenzo und sein Heidenkind?
Wie? und mein alter Landsmann, Freund Salerio?
(Lorenzo, Jessica und Salerio treten auf.)
Bassanio.
Lorenzo und Salerio, willkommen,
Wofern die Jugend meines Ansehns hier
Willkommen heißen darf. Erlaubet mir,
Ich heiße meine Freund und Landesleute
Willkommen, holde Porzia.
Porzia.
Ich mit Euch;
Sie sind mir sehr willkommen.
Lorenzo.
Dank Euer Gnaden!--Was mich angeht, Herr,
Mein Vorsatz war es nicht, Euch hier zu sehn;
Doch da ich unterwegs Salerio traf,
So bat er mich, daß ich's nicht weigern konnte,
Hieher ihn zu begleiten.
Salerio.
Ja, ich tat's
Und habe Grund dazu. Signor Antonio
Empfiehlt sich Euch.
(Gibt dem Bassanio einen Brief.)
Bassanio.
Eh ich den Brief erbreche,
Sagt, wie befindet sich mein wackrer Freund?
Salerio.
Nicht krank, Herr, wenn er's im Gemüt nicht ist,
Noch wohl, als im Gemüt; der Brief da wird
Euch seinen Zustand melden.
Graziano.
Nerissa, muntert dort die Fremde auf,
Heißt sie willkommen. Eure Hand, Salerio!
Was bringt Ihr von Venedig mit? Wie geht's
Dem königlichen Kaufmann, dem Antonio?
Ich weiß, er wird sich unsers Glückes freun;
Wir sind die Iasons, die das Vlies gewonnen.
Salerio.
O hättet Ihr das Vlies, das er verlor.
Porzia.
In dem Papier ist ein feindselger Inhalt,
Es stiehlt die Farbe von Bassanios Wangen.
Ein teurer Freund tot; nichts auf Erden sonst,
Was eines festgesinnten Mannes Fassung
So ganz verwandeln kann. Wie? schlimm und schlimmer?
Erlaubt, Bassanio, ich bin halb Ihr selbst,
Und mir gebührt die Hälfte auch von allem,
Was dies Papier Euch bringt.
Bassanio.
O werte Porzia,
Hier sind ein paar so widerwärtge Worte,
Als je Papier bedeckten. Holdes Fräulein,
Als ich zuerst Euch meine Liebe bot,
Sagt ich Euch frei, mein ganzer Reichtum rinne
In meinen Adern: ich sei Edelmann;
Und dann sagt ich Euch wahr. Doch, teures Fräulein,
Da ich auf nichts mich schätzte, sollt Ihr sehn,
Wie sehr ich Prahler war. Da ich Euch sagte,
Mein Gut sei nichts, hätt ich Euch sagen sollen,
Es sei noch unter nichts; denn in der Tat,
Mich selbst verband ich einem teuren Freunde,
Den Freund verband ich seinem ärgsten Feind,
Um mir zu helfen. Hier, Fräulein, ist ein Brief,
Das Blatt Papier, wie meines Freundes Leib
Und jedes Wort drauf eine offne Wunde,
Der Lebensblut entströmt.--Doch ist es wahr,
Salerio? Sind denn alle Unternehmen
Ihm fehlgeschlagen? Wie, nicht eins gelang?
Von Tripolis, von Mexiko, von England,
Von Indien, Lissabon, der Berberei?
Und nicht (ein) Schiff entging dem furchbarn Anstoß
Von Armut drohnden Klippen?
Salerio.
Nein, nicht eins.
Und außerdem, so scheint es, hätt er selbst
Das bare Geld, den Juden zu bezahlen,
Der nähm es nicht. Nie kannt ich ein Geschöpf,
Das die Gestalt von einem Menschen trug,
So gierig, einen Menschen zu vernichten.
Er liegt dem Dogen früh und spät im Ohr
Und klagt des Staats verletzte Freiheit an,
Wenn man sein Recht ihm weigert. Zwanzig Handelsleute,
Der Doge selber und die Senatoren
Vom größten Ansehn reden all ihm zu;
Doch niemand kann aus der Schikan ihn treiben
Von Recht, verfallner Buß und seinem Schein.
Jessica.
Als ich noch bei ihm war, hört ich ihn schwören
Vor seinen Landesleuten Chus und Tubal,
Er wolle lieber des Antonio Fleisch
Als den Betrag der Summe zwanzigmal,
Die er ihm schuldig sei. Und, Herr, ich weiß,
Wenn ihm nicht Recht, Gewalt und Ansehn wehrt,
Wird es dem armen Manne schlimm ergehn.
Porzia.
Ist's Euch ein teurer Freund, der so in Not ist?
Bassanio.
Der teurste Freund, der liebevollste Mann,
Das unermüdet willigste Gemüt
Zu Dienstleistungen und ein Mann, an dem
Die alte Römerehre mehr erscheint
Als sonst an wem, der in Italien lebt.
Porzia.
Welch eine Summ' ist er dem Juden schuldig?
Bassanio.
Für mich, dreitausend Dukaten.
Porzia.
Wie? nicht mehr?
Zahlt ihm sechstausend aus und tilgt den Schein,
Doppelt sechstausend, dann verdreifacht das,
Eh einem Freunde dieser Art ein Haar
Gekränkt soll werden durch Bassanios Schuld.
Erst geht mit mir zur Kirch und nennt mich Weib,
Dann nach Venedig fort zu Eurem Freund,
Denn nie sollt Ihr an Porzias Seite liegen
Mit Unruh in der Brust. Gold geb ich Euch,
Um zwanzigmal die kleine Schuld zu zahlen;
Zahlt sie und bringt den echten Freund mit Euch.
Nerissa und ich selbst indessen leben
Wie Mädchen und wie Witwen. Kommt mit mir,
Ihr sollt auf Euren Hochzeitstag von hier.
Begrüßt die Freunde, laßt den Mut nichts trüben;
So teur gekauft, will ich Euch teuer lieben.--
Doch laßt mich hören Eures Freundes Brief.
Bassanio (liest).
"Liebster Bassanio! Meine Schiffe sind alle verunglückt, meine
Gläubiger werden grausam, mein Glücksstand ist ganz zerrüttet,
meine Verschreibung an den Juden ist verfallen, und da es
unmöglich ist, daß ich lebe, wenn ich sie zahle, so sind alle
Schulden zwischen mir und Euch berichtigt. Wenn ich Euch nur bei
meinem Tode sehen könnte! Jedoch handelt nach Belieben; wenn Eure
Liebe Euch nicht überredet, zu kommen, so muß es mein Brief
nicht.
Porzia.
O Liebster, geht, laßt alles andre liegen!
Bassanio.
Ja, eilen will ich, da mir Eure Huld
Zu gehn erlaubt; doch bis ich hier zurück,
Sei nie ein Bett an meinem Zögern schuld,
Noch trete Ruhe zwischen unser Glück!
(Alle ab.)
Dritte Szene
Venedig. Eine Straße
(Shylock, Solanio, Antonio und Gefangenwärter treten auf)
Shylock.
Acht auf ihn, Schließer!--Sagt mir nicht von Gnade, Dies ist der
Narr, der Geld umsonst auslieh.--Acht auf ihn, Schließer!
Antonio.
Hört mich, guter Shylock.
Shylock.
Ich will den Schein, nichts gegen meinen Schein!
Ich tat 'nen Eid, auf meinen Schein zu dringen.
Du nanntest Hund mich, eh du Grund gehabt;
Bin ich ein Hund, so meide meine Zähne.
Der Doge soll mein Recht mir tun.--Mich wundert's,
Daß du so töricht bist, du loser Schließer,
Auf sein Verlangen mit ihm auszugehn.
Antonio.
Ich bitte, hör mich reden.
Shylock.
Ich will den Schein, ich will nicht reden hören,
Ich will den Schein, und also sprich nicht mehr.
Ich macht mich nicht zum schwachen, blinden Narrn,
Der seinen Kopf wiegt, seufzt, bedauert, nachgibt
Den christlichen Vermittlern. Folg mir nicht,
Ich will kein Reden, meinen Schein will ich.
(Shylock ab.)
Solanio.
Das ist ein unbarmherzger Hund, wie's keinen
Je unter Menschen gab.
Antonio.
Laßt ihn nur gehn,
Ich geh ihm nicht mehr nach mit eitlen Bitten.
Er sucht mein Leben, und ich weiß warum;
Oft hab ich Schuldner, die mir vorgeklagt,
Davon erlöst, in Buß ihm zu verfallen;
Deswegen haßt er mich.
Solanio.
Gewiß, der Doge
Gibt nimmer zu, daß diese Buße gilt.
Antonio.
Der Doge kann des Rechtes Lauf nicht hemmen;
Denn die Bequemlichkeit, die Fremde finden
Hier in Venedig, wenn man sie versagt,
Setzt die Gerechtigkeit des Staats herab,
Weil der Gewinn und Handel dieser Stadt
Beruht auf allen Völkern. Gehn wir denn!
Der Gram und der Verlust zehrt so an mir
Kaum werd ich ein Pfund Fleisch noch übrig haben
Auf morgen für den blutgen Gläubiger.
Komm, Schließer! Gebe Gott, daß nur Bassanio
Mich für ihn zahlen sieht, so gilt mir's gleich.
(Ab.)
Vierte Szene
Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause
(Porzia, Nerissa, Lorenzo, Jessica und Balthasar kommen)
Lorenzo.
Mein Fräulein, sag ich's schon in Eurem Beisein,
Ihr habt ein edles und ein echt Gefühl
Von göttergleicher Freundschaft; das beweist Ihr,
Da Ihr die Trennung vom Gemahl so tragt.
Doch wüßtet Ihr, wem Ihr die Ehr erzeigt,
Welch einem biedern Mann Ihr Hilfe sendet,
Welch einem lieben Freunde Eures Gatten,
Ich weiß, Ihr wäret stolzer auf das Werk,
Als Euch gewohnte Güte drängen kann.
Porzia.
Noch nie bereut ich, daß ich Gutes tat,
Und werd es jetzt auch nicht; denn bei Genossen,
Die miteinander ihre Zeit verleben
Und deren Herz (ein) Joch der Liebe trägt,
Da muß unfehlbar auch ein Ebenmaß
Von Zügen sein, von Sitten und Gemüt.
Dies macht mich glauben, der Antonio,
Als Busenfreund von meinem Gatten, müsse
Durchaus ihm ähnlich sein. Wenn es so ist,
Wie wenig ist es, was ich aufgewandt,
Um meiner Seele Ebenbild zu lösen
Aus einem Zustand höllscher Grausamkeit!
Doch dies kommt einem Selbstlob allzu nah;
Darum nichts mehr davon. Hört andre Dinge:
Lorenzo, ich vertrau in Eure Hand
Die Wirtschaft und die Führung meines Hauses,
Bis zu Bassanios Rückkehr; für mein Teil
Ich sandt ein heimliches Gelübd zum Himmel,
Zu leben in Beschauung und Gebet,
Allein begleitet von Nerissa hier,
Bis zu der Rückkunft unser beider Gatten.
Ein Kloster liegt zwei Meilen weit von hier,
Da wollen wir verweilen. Ich ersuch Euch:
Lehnt nicht den Auftrag ab, den meine Liebe
Und eine Nötigung des Zufalls jetzt
Euch auferlegt.
Lorenzo.
Von ganzem Herzen, Fräulein;
In allem ist mir Euer Wink Befehl.
Porzia.
Schon wissen meine Leute meinen Willen
Und werden Euch und Jessica erkennen
An meiner eignen und Bassanios Statt.
So lebt denn wohl, bis wir uns wiedersehn!
Lorenzo.
Sei froher Mut mit Euch und heitre Stunden!
Jessica.
Ich wünsch Eur Gnaden alle Herzensfreude.
Porzia.
Ich dank Euch für den Wunsch und bin geneigt,
Ihn Euch zurückzuwünschen.--Jessica, lebt wohl!
(Jessica und Lorenzo ab.)
Nun, Balthasar,
Wie ich dich immer treu und redlich fand,
Laß mich auch jetzt dich finden. Nimm den Brief
Und eile, was in Menschenkräften steht,
Nach Padua; gib ihn zu eignen Händen
An meinen Vetter ab, Doktor Bellario.
Sieh zu, was er dir für Papiere gibt
Und Kleider; bringe die in höchster Eil
Zur Überfahrt an die gemeine Fähre,
Die nach Venedig schifft. Verlier die Zeit
Mit Worten nicht; geh, ich bin vor dir da.
Balthasar.
Fräulein, ich geh mit aller schuldigen Eil.
(Balthasar ab.)
Porzia.
Nerissa, komm. Ich hab ein Werk zur Hand,
Wovon du noch nicht weißt; wir wollen unsre Männer,
Eh sie es denken, sehn.
Nerissa.
Und sie auch uns?
Porzia.
Jawohl, Nerissa, doch in solcher Tracht,
Daß sie mit dem versehn uns denken sollen,
Was uns gebricht. Ich wette, was du willst:
Sind wir wie junge Männer aufgestutzt,
Will ich der feinste Bursch von beiden sein
Und meinen Degen mit mehr Anstand tragen
Und sprechen wie im Übergang vom Knaben
Zum Mann und einem heiseren Diskant.
Ich will zwei jüngferliche Tritte dehnen
Zu (einem) Männerschritt; vom Raufen sprechen
Wie kecke junge Herrn; und artig lügen,
Wie edle Frauen meine Liebe suchten
Und, da ich sie versagt, sich tot gehärmt.--
Ich konnte nicht mit allen fertig werden;
Und dann bereu ich es und wünsch, ich hätte
Bei alledem sie doch nicht umgebracht.
Und zwanzig solcher kleinen Lügen sag ich,
So daß man schwören soll, daß ich die Schule
Schon seit dem Jahr verließ.--Ich hab im Sinn
Wohl tausend Streiche solcher dreisten Gecken,
Die ich verüben will.
Nerissa.
So sollen wir in Männer uns verwandeln?
Porzia.
Ja, komm, ich sag dir meinen ganzen Anschlag,
Wenn wir im Wagen sind, der uns am Tor
Des Parks erwartet; darum laß uns eilen,
Denn wir durchmessen heut noch zwanzig Meilen.
(Ab.)
Fünfte Szene
Belmont. Ein Garten
(Lanzelot und Jessica kommen)
Lanzelot.
Ja, wahrhaftig! Denn seht Ihr, die Sünden der Väter sollen an den
Kindern heimgesucht werden: darum glaubt mir, ich bin besorgt für
Euch. Ich ging immer gerade gegen Euch heraus, und so sage ich
Euch meine Deliberation über die Sache. Also seid gutes Mutes,
denn wahrhaftig, ich denke, Ihr seid verdammt. Es ist nur (eine)
Hoffnung dabei, die Euch zustatten kommen kann, und das ist auch
nur so eine Art von Bastardhoffnung.
Jessica.
Und welche Hoffnung ist das?
Lanzelot.
Ei, Ihr könnt gewissermaßen hoffen, daß Euer Vater Euch nicht
erzeugt hat, daß Ihr nicht des Juden Tochter seid.
Jessica.
Das wäre in der Tat eine Art von Bastardhoffnung, dann würden die
Sünden meiner Mutter an mir heimgesucht werden.
Lanzelot.
Wahrhaftig, dann fürchte ich, Ihr seid von Vater und Mutter wegen
verdammt. Wenn ich die Scylla, Euren Vater, vermeide, so falle
ich in die Charybdis, Eure Mutter; gut, Ihr seid auf eine und die
andre Art verloren.
Jessica.
Ich werde durch meinen Mann selig werden; er hat mich zu einer
Christin gemacht.
Lanzelot.
Wahrhaftig, da ist er sehr zu tadeln. Es gab unser vorher schon
Christen genug, grade soviel, als nebeneinander gut bestehen
konnten. Dies Christenmachen wird den Preis der Schweine
steigern; wenn wir alle Schweinefleischesser werden, so ist in
kurzem kein Schnittchen Speck in der Pfanne für Geld mehr zu
haben.
(Lorenzo kommt.)
Jessica.
Ich will meinem Mann erzählen, was Ihr sagt, Lanzelot; hier kommt
er.
Lorenzo.
Bald werde ich eifersüchtig auf Euch, Lanzelot, wenn Ihr meine
Frau so in die Ecken zieht.
Jessica.
Ihr habt nichts zu befürchten, Lorenzo; Lanzelot und ich, wir
sind ganz entzweit. Er sagt mir grade heraus, im Himmel sei keine
Gnade für mich, weil ich eines Juden Tochter bin; und er
behauptet, daß Ihr kein gutes Mitglied des gemeinen Wesens seid,
weil Ihr Juden zum Christentum bekehrt und dadurch den Preis des
Schweinefleisches steigert.
Lorenzo.
Das kann ich besser beim gemeinen Wesen verantworten als Ihr Eure
Streiche mit der Mohrin. Da Ihr ein Weißer seid, Lanzelot, hättet
Ihr die Schwarze nicht so aufgeblasen machen sollen.
Lanzelot.
Es tut mir leid, wenn ich ihr etwas weisgemacht habe; aber da das
Kind einen weisen Vater hat, wird es doch keine Waise sein.
Lorenzo.
Wie jeder Narr mit den Worten spielen kann! Bald, denke ich, wird
sich der Witz am besten durch Stillschweigen bewähren und
Gesprächigkeit bloß noch an Papageien gelobt werden.--Geht ins
Haus, Bursch, sagt, daß sie zur Mahlzeit zurichten.
Lanzelot.
Das ist geschehn, Herr, sie haben alle Mägen.
Lorenzo.
Lieber Himmel, welch ein Witzschnapper Ihr seid! Sagt also, daß
sie die Mahlzeit anrichten.
Lanzelot.
Das ist auch geschehn, es fehlt nur am Decken.
Lorenzo.
Wollt Ihr also decken?
Lanzelot.
Mich, Herr? Ich weiß besser, was sich schickt.
Lorenzo.
Wieder Silben gestochen! Willst du deinen ganzen Reichtum an Witz
auf einmal zum besten geben? Ich bitte dich, verstehe einen
schlichten Mann nach seiner schlichten Meinung. Geh zu deinen
Kameraden, heiß sie den Tisch decken, das Essen auftragen, und
wir wollen zur Mahlzeit hereinkommen.
Lanzelot.
Der Tisch, Herr, soll aufgetragen werden, das Essen soll gedeckt
werden; und was Euer Hereinkommen zur Mahlzeit betrifft, dabei
laßt Lust und Laune walten.
(Ab.)
Lorenzo.
O heilige Vernunft, was eitle Worte!
Der Narr hat ins Gedächtnis sich ein Heer
Wortspiele eingeprägt. Und kenn ich doch
Gar manchen Narrn an einer bessern Stelle,
So aufgestutzt, der um ein spitzes Wort
Die Sache preisgibt. Wie geht's dir, Jessica?
Und nun sag deine Meinung, liebes Herz,
Wie Don Bassanios Gattin dir gefällt?
Jessica.
Mehr als ich sagen kann. Es schickt sich wohl,
Daß Don Bassanio fromm sein Leben führe;
Denn da sein Weib ihm solch ein Segen ist,
Find't er des Himmels Lust auf Erden schon.
Und will er das auf Erden nicht, so wär's
Ihm recht, er käme niemals in den Himmel.
Ja, wenn zwei Götter irgendeine Wette
Des Himmels um zwei irdsche Weiber spielten,
Und Porzia wär die eine, tät es not,
Noch sonst was mit der andern auf das Spiel
Zu setzen; denn die arme rohe Welt
Hat ihresgleichen nicht.
Lorenzo.
Und solchen Mann
Hast du an mir, als er an ihr ein Weib.
Jessica.
Ei, fragt doch darum meine Meinung auch.
Lorenzo.
Sogleich; doch laß uns erst zur Mahlzeit gehn.
Jessica.
Nein, laßt mich vor der Sättigung Euch loben.
Lorenzo.
Nein, bitte, spare das zum Tischgespräch;
Wie du dann sprechen magst, so mit dem andern
Werd ich's verdaun.
Jessica.
Nun gut, ich werd Euch anzupreisen wissen.
(Ab.)
Vierter Aufzug
Erste Szene
Venedig. Ein Gerichtssaal
(Der Doge, die Senatoren, Antonio, Bassanio, Graziano, Salarino,
Solanio und andre)
Doge.
Nun, ist Antonio da?
Antonio.
Eur Hoheit zu Befehl.
Doge.
Es tut mir leid um dich; du hast zu tun
Mit einem felsenharten Widersacher;
Es ist ein Unmensch, keines Mitleids fähig.
Kein Funk Erbarmen wohnt in ihm.
Antonio.
Ich hörte,
Daß sich Eur Hoheit sehr verwandt, zu mildern
Sein streng Verfahren; doch weil er sich verstockt
Und kein gesetzlich Mittel seinem Haß
Mich kann entziehn, so stell ich denn Geduld
Entgegen seiner Wut und bin gewaffnet
Mit Ruhe des Gemütes, auszustehn
Des seinen ärgsten Grimm und Tyrannei.
Doge.
Geh wer und ruf den Juden in den Saal.
Solanio.
Er wartet an der Tür; er kommt schon, Herr.
(Shylock kommt.)
Doge.
Macht Platz, laßt ihn uns gegenüberstehn.--
Shylock, die Welt denkt, und ich denk es auch,
Du treibest diesen Anschein deiner Bosheit
Nur bis zum Augenblick der Tat; und dann,
So glaubt man, wirst du dein Erbarmen zeigen
Und deine Milde, wunderbarer noch
Als deine angenommne Grausamkeit.
Statt daß du jetzt das dir Verfallne eintreibst,
Ein Pfund von dieses armen Kaufmanns Fleisch,
Wirst du nicht nur die Buße fahren lassen,
Nein, auch gerührt von Lieb und Menschlichkeit,
Die Hälfte schenken von der Summe selbst,
Ein Aug des Mitleids auf die Schäden werfend,
Die kürzlich seine Schultern so bestürmt:
Genug, um einen königlichen Kaufmann
Ganz zu erdrücken und an seinem Fall
Teilnahme zu erzwingen, selbst von Herzen,
So hart wie Kieselstein, von ehrnen Busen
Von Türken und Tataren, nie gewöhnt
An Dienste zärtlicher Gefälligkeit.
Wir all erwarten milde Antwort, Jude.
Shylock.
Ich legt Eur Hoheit meine Absicht vor:
Bei unserm heilgen Sabbat schwor ich es,
Zu fordern, was nach meinem Schein mir zusteht.
Wenn Ihr es weigert, tut's auf die Gefahr
Der Freiheit und Gerechtsam' Eurer Stadt.
Ihr fragt, warum ich lieber ein Gewicht
Von schnödem Fleisch will haben, als dreitausend
Dukaten zu empfangen? Darauf will ich
Nicht Antwort geben; aber setzet nun,
Daß mir's so ansteht: ist das Antwort gnug?
Wie? wenn mich eine Ratt im Hause plagt?
Und ich, sie zu vergiften, nun dreitausend
Dukaten geben will?--Ist's noch nicht Antwort gnug?
Es gibt der Leute, die kein schmatzend Ferkel
Ausstehen können; manche werden toll,
Wenn sie 'ne Katze sehn; noch andre können,
Wenn die Sackpfeife durch die Nase singt,
Den Harn nicht bei sich halten; denn die Triebe,
Der Leidenschaften Meister, lenken sie
Nach Lust und Abneigung. Nun, Euch zur Antwort:
Wie sich kein rechter Grund angeben läßt,
Daß (der) kein schmatzend Ferkel leiden kann,
(Der) keine Katz, ein harmlos nützlich Tier,
(Der) keinen Dudelsack; und muß durchaus
Sich solcher unfreiwillgen Schmach ergeben,
Daß er, belästigt, selbst belästgen muß;
So weiß ich keinen Grund, will keinen sagen,
Als eingewohnten Haß und Widerwillen,
Den mir Antonio einflößt, daß ich so
Ein mir nachteilig Recht an ihm verfolge.
Habt Ihr nun eine Antwort?
Bassanio.
Nein, es ist keine, du fühlloser Mann,
Die deine Grausamkeit entschuldgen könnte.
Shylock.
Muß ich nach deinem Sinn dir Antwort geben?
Bassanio.
Bringt jedermann das um, was er nicht liebt?
Shylock.
Wer haßt ein Ding und brächt es nicht gern um?
Bassanio.
Beleidigung ist nicht sofort auch Haß.
Shylock.
Was? läßt du dich die Schlange zweimal stechen?
Antonio.
Ich bitt Euch, denkt, Ihr rechtet mit dem Juden.
Ihr mögt so gut hintreten auf den Strand,
Die Flut von ihrer Höh sich senken heißen;
Ihr mögt so gut den Wolf zur Rede stellen,
Warum er nach dem Lamm das Schaf läßt blöken?
Ihr mögt so gut den Bergestannen wehren,
Ihr hohes Haupt zu schütteln und zu sausen,
Wenn sie des Himmels Sturm in Aufruhr setzt;
Ihr mögt so gut das Härteste bestehn,
Als zu erweichen suchen--was wär härter?--
Sein jüdisch Herz.--Ich bitt Euch also, bietet
Ihm weiter nichts, bemüht Euch ferner nicht
Und gebt in aller Kürz und gradezu
Mir meinen Spruch, dem Juden seinen Willen.
Bassanio.
Statt der dreitausend Dukaten sind hier sechs.
Shylock.
Wär jedes Stück von den sechstausend Dukaten
Sechsfach geteilt und jeder Teil 'n Dukat,
Ich nähm sie nicht, ich wollte meinen Schein.
Doge.
Wie hoffst du Gnade, da du keine übst?
Shylock.
Welch Urteil soll ich scheun, tu ich kein Unrecht?
Ihr habt viel feiler Sklaven unter Euch,
Die Ihr wie Eure Esel, Hund' und Maultier'
In sklavischem, verworfnem Dienst gebraucht,
Weil Ihr sie kauftet. Sag ich nun zu Euch--
Laßt sie doch frei, vermählt sie Euren Erben;
Was plagt Ihr sie mit Lasten? laßt ihr Bett
So weich als Eures sein, labt ihren Gaum'
Mit eben solchen Speisen.--Ihr antwortet:
Die Sklaven sind ja unser; und so geb ich
Zur Antwort: das Pfund Fleisch, das ich verlange,
Ist teur gekauft, ist mein, und ich will's haben.
Wenn Ihr versagt, pfui über Eur Gesetz!
So hat das Recht Venedigs keine Kraft.
Ich wart auf Spruch; antwortet: soll ich's haben?
Doge.
Ich bin befugt, die Sitzung zu entlassen,
Wo nicht Bellario, ein gelehrter Doktor,
Zu dem ich um Entscheidung ausgeschickt,
Hier heut erscheint.
Salarino.
Eur Hoheit, draußen steht
Ein Bote hier, mit Briefen von dem Doktor,
Er kommt soeben an von Padua.
Doge.
Bringt uns die Briefe, ruft den Boten vor.
Bassanio.
Wohlauf, Antonio! Freund, sei gutes Muts!
Der Jude soll mein Fleisch, Blut, alles haben,
Eh dir ein Tropfen Bluts für mich entgeht.
Antonio.
Ich bin ein angestecktes Schaf der Herde,
Zum Tod am tauglichsten; die schwächste Frucht
Fällt vor der andern, und so laßt auch mich.
Ihr könnt nicht bessern Dienst mir tun, Bassanio,
Als wenn Ihr lebt und mir die Grabschrift setzt.
(Nerissa tritt auf, als Schreiber eines Advokaten gekleidet.)
Doge.
Kommt Ihr von Padua, von Bellario?
Nerissa.
Von beiden, Herr; Bellario grüßt Eur Hoheit.
(Sie überreicht einen Brief.)
Bassanio.
Was wetzest du so eifrig da dein Messer?
Shylock.
Die Buß dem Bankrottierer auszuschneiden.
Graziano.
An deiner Seel, an deiner Sohle nicht,
Machst du dein Messer scharf, du harter Jude!
Doch kein Metall, selbst nicht des Henkers Beil,
Hat halb die Schärfe deines scharfen Grolls.
So können keine Bitten dich durchdringen?
Shylock.
Nein, keine, die du Witz zu machen hast.
Graziano.
O sei verdammt, du unbarmherzger Hund!
Und um dein Leben sei Gerechtigkeit verklagt.
Du machst mich irre fast in meinem Glauben,
Daß ich es halte mit Pythagoras,
Wie Tieresseelen in die Leiber sich
Von Menschen stecken; einen Wolf regierte
Dein hündscher Geist, der, aufgehenkt für Mord,
Die grimme Seele weg vom Galgen riß
Und, weil du lagst in deiner schnöden Mutter,
In dich hineinfuhr; denn dein ganz Begehren
Ist wölfisch, blutig, räuberisch und hungrig.
Shylock.
Bis du von meinem Schein das Siegel wegschiltst,
Tust du mit Schrein nur deiner Lunge weh.
Stell deinen Witz her, guter junger Mensch,
Sonst fällt er rettungslos in Trümmern dir.
Ich stehe hier um Recht.
Doge.
Der Brief da von Bellarios Hand empfiehlt
Uns einen jungen und gelehrten Doktor.--
Wo ist er denn?
Nerissa.
Er wartet dicht bei an
Auf Antwort, ob Ihr Zutritt ihm vergönnt.
Doge.
Von ganzem Herzen! Geht ein paar von euch
Und gebt ihm höfliches Geleit hieher.
Hör das Gericht indes Bellarios Brief.
Ein Schreiber (liest).
"Eur Hoheit dient zur Nachricht, daß ich beim Empfange Eures
Briefes sehr krank war. Aber in dem Augenblick, da Euer Bote
ankam, war bei mir auf einen freundschaftlichen Besuch ein junger
Doktor von Rom, namens Balthasar. Ich machte ihn mit dem
streitigen Handel zwischen dem Juden und dem Kaufmann Antonio
bekannt; wir schlugen viele Bücher nach. Er ist von meiner
Meinung unterrichtet, die er, berichtigt durch seine eigne
Gelehrsamkeit (deren Umfang ich nicht genug empfehlen kann),
mitgenommen hat, um auf mein Andringen Euer Hoheit an meiner
Statt Genüge zu leisten. Ich ersuche Euch, laßt seinen Mangel an
Jahren keinen Grund sein, ihm eine anständige Achtung zu
versagen; denn ich kannte noch niemals einen so jungen Körper mit
einem so alten Kopf. Ich überlasse ihn Eurer gnädigen Aufnahme;
seine Prüfung wird ihn am besten empfehlen."
Doge.
Ihr hört, was der gelehrte Mann uns schreibt,
Und hier, so glaub ich, kommt der Doktor schon.
(Porzia tritt auf, wie ein Rechtsgelehrter gekleidet.)
Gebt mir die Hand; Ihr kommt von unserm alten
Bellario?
Porzia.
Zu dienen, gnädger Herr!
Doge.
Ihr seid willkommen! nehmet Euren Platz.
Seid Ihr schon mit der Zwistigkeit bekannt,
Die hier vor dem Gericht verhandelt wird?
Porzia.
Ich bin ganz unterrichtet von der Sache.
Wer ist der Kaufmann hier und wer der Jude?
Doge.
Antonio, alter Shylock, tretet vor!
Porzia.
Eur Nam ist Shylock?
Shylock.
Shylock ist mein Name.
Porzia.
Von wunderlicher Art ist Euer Handel,
Doch in der Form, daß das Gesetz Venedigs
Euch nicht anfechten kann, wie Ihr verfahrt.--
Ihr seid von ihm gefährdet; seid Ihr nicht?
Antonio.
Ja, wie er sagt.
Porzia.
Den Schein erkennt Ihr an?
Antonio.
Ja.
Porzia.
So muß der Jude Gnad ergehen lassen.
Shylock.
Wodurch genötigt, muß ich? Sagt mir das.
Porzia.
Die Art der Gnade weiß von keinem Zwang.
Sie träufelt wie des Himmels milder Regen
Zur Erde unter ihr; zwiefach gesegnet:
Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt;
Am mächtigsten in Mächtgen, zieret sie
Den Fürsten auf dem Thron mehr als die Krone.
Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt,
Das Attribut der Würd und Majestät,
Worin die Furcht und Scheu der Könge sitzt.
Doch Gnad ist über diese Zeptermacht,
Sie thronet in dem Herzen der Monarchen,
Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst,
Und irdsche Macht kommt göttlicher am nächsten,
Wenn Gnade bei dem Recht steht. Darum, Jude,
Suchst du um Recht schon an, erwäge dies:
Daß nach dem Lauf des Rechtes unser keiner
Zum Heile käm; wir beten all um Gnade,
Und dies Gebet muß uns der Gnade Taten
Auch üben lehren. Dies hab ich gesagt,
Um deine Forderung des Rechts zu mildern;
Wenn du darauf bestehst, so muß Venedigs
Gestrenger Hof durchaus dem Kaufmann dort
Zum Nachteil einen Spruch tun.