William Shakespear

Othello
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Othello, der Mohr von Venedig.

William Shakespeare

Ein Trauerspiel.

Übersetzt von Christoph Martin Wieland

Personen.

Der Herzog von Venedig.
Brabantio, ein Edler Venetianer.
Gratiano, dessen Bruder,
Lodovico, derselben Neffe.
Othello, der Mohr, Venetianischer General in Cypern.
Cassio, sein General-Lieutenant.
Jago, Fähndrich des Othello.
Rodrigo, ein einfältiger Junker, in Desdemona verliebt.
Montano, des Mohren Vorfahrer im Commando zu Cypern.
Hans Wurst, des Mohren Diener.
Ein Herold.
Desdemona, des Brabantio Tochter.
Emilia, Jago's Weib.
Bianca, eine Courtisane, Cassio's Liebste.
Officiers, verschiedene Cavaliers, Abgeordnete, Musicanten,
Matrosen, und Bediente.

Der Schau-Plaz ist im ersten Aufzug in Venedig; und durch das ganze
übrige Stük in Cypern.




Erster Aufzug.



Erste Scene.
 (Eine Strasse in Venedig.)
 (Rodrigo und Jago treten auf.)


Rodrigo.
Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr übel, daß du,
Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob
er dein eigen gewesen wäre, Nachricht von diesem--

Jago.
Ihr wollt mich ja nicht anhören: Wenn ich jemals von so was nur
geträumt habe, so seht mich als ein Scheusal an.

Rodrigo.
Du sagtest mir, du trügest einen unversöhnlichen Haß gegen ihn.

Jago.
Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist.  Drey grosse Männer in
dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Müzen bis auf den Boden
vor ihm ab, daß er mich zu seinem Lieutenant machen möchte: Und, so
wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiß, daß ich
keinen schlechtern Plaz werth bin.

Aber er, dessen hochmüthiger Eigensinn andre Absichten hatte,
entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umständen, und
rauhtönenden Kriegs-Kunst-Wörtern; und das Ende vom Liede war, daß
er meine Gönner mit einer langen Nase abziehen ließ.  Es ist mir
leid, sagt er, aber ihr kommt zu spät; ich habe mir meinen
Lieutenant schon ausersehen.  Und wer ist denn der?  Ein gewisser
Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der
von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll-
Spinnerin--nichts als was er aus Büchern gelernt, blosse Theorie,
wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt
sprechen können als er; blosses Gewäsche, ohne Erfahrung--Das ist
alles, was er vom Krieg versteht--Der hatte den Vorzug; und ich,
von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern
Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen
haben; ich muß mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen
lassen--ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld  wir wollen
schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen-
-Kurz, er muß nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den
Göttern!  seiner Mohrischen Excellenz demüthiger Fahnen-Junker.

Rodrigo.
Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn.

Jago.
Dafür ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders;
Befördrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben,
und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor
Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte.  Nun, mein Herr,
mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der
Wahrheit beschuldiget werden kan, daß ich den Mohren liebe.

Rodrigo.
Ich möchte nicht gerne haben, daß du ihn begleitest.

Jago.
O mein Herr, das laßt euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um
mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun.  Wir können nicht
alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber können getreue
Diener haben.  Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen,
knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljährigen treu-
eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel,
ohne etwas anders davon zu haben, als daß er gefüttert, und wenn er
alt ist gar abgedankt wird.  Peitscht mir solche gutherzige
Schurken--Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich
in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen
vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts
als den äusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten
Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und
wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre
eigne Herren sind.  Das sind noch Leute die einigen Verstand haben,
und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn.  Es ist so gewiß
als ihr Rodrigo seyd; wär' ich der Mohr, so möcht ich nicht Jago
seyn: izt dien ich, das wissen die Götter!  bloß um mir selbst zu
dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe--ich stelle mich zwar
so, aber das hat seine Absichten--denn wahrhaftig, wenn mein
Gesicht, und meine äusserlichen Handlungen die wahre innerliche
Gestalt meines Herzens zeigten, so würde mein Herz in kurzem den
Krähen zum Futter dienen--Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich
scheine.

Rodrigo.
Was für ein Glük macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon
tragen kann!

Jago.
Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm
wenigstens seinen Spaß; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre
Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese,
worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben könnt, so plagt
ihn doch mit Fliegen,

{ed. * Eine Anspielung auf die Beobachtung, daß die
schönsten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit
Ungeziefer gestraft sind.}

so daß seine Freude, wenn sie gleich nicht
völlig aufhört Freude zu seyn, doch wenigstens durch die
Verdrießlichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer
Farbe verliere.

Rodrigo.
Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm überlaut ruffen.

Jago.
Thut es, und mit einem so gräßlichen Ton, und Zetter-Geschrey, als
wie wenn bey Nacht durch Nachlässigkeit Feuer in einer volkreichen
Stadt ausgekommen ist.

Rodrigo.
He!  holla!  Brabantio!  Signor Brabantio!  he!

Jago.
Wacht auf!  he!  holla!  Brabantio!  he!  Diebe!  Diebe!
Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Säken:
Diebe!  Diebe!



Zweyte Scene.
 (Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.)


Brabantio.
Was ist die Ursache dieser fürchterlichen Aufforderung?  Was
giebt's hier?

Rodrigo.
Signor, ist eure ganze Familie zu Hause?

Jago.
Sind alle eure Thüren verriegelt?

Brabantio.
Was sollen diese Fragen?

Jago.
Sakerlot!  Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen
Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele,
euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik,
Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf.
Auf, auf, wekt die schnarchenden Bürger mit der Sturm-Gloke, oder
der Teufel wird euch zum Großvater machen; auf, sag ich.

Brabantio.
Wie?  Habt ihr euern Verstand verlohren?

Rodrigo.
Mein hochzuverehrender Herr und Gönner, kennt ihr meine Stimme
nicht?

Brabantio.
Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann?

Rodrigo.
Mein Nam' ist Rodrigo.

Brabantio.
Desto schlimmer!  Hab ich dir nicht verboten, um meine Thüren
herum zu schwärmen?  Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich
herausgesagt, meine Tochter sey nicht für dich gemacht?  Und izt,
nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in
tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und
mich in der Ruhe zu stören?

Rodrigo.
Herr, Herr, Herr--

Brabantio.
Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, daß mein Unwille
und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor
bezahlen zu machen.

Rodrigo.
Geduld, mein guter Herr.

Brabantio.
Was sagst du mir von Dieben?  Wir sind hier in Venedig; mein Haus
ist keine Scheure.

Rodrigo.
Sehr ehrwürdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens,
und in guter Meynung zu euch.

Jago.
Sakerlot!  Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den
Dienst aufkünden würden, wenn's der Teufel so haben wollte.  Weil
wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir
seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, daß eure Tochter von einem
Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, daß eure Enkel
euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine
Andalusische Stutten zu Basen haben.

Brabantio.
Was für ein heilloser Lotterbube bist du?

Jago.
Ich bin einer, Herr, der ausdrüklich hieherkommt euch zu sagen, daß
eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rüken
zu machen.

Brabantio.
Du bist ein Nichtswürdiger--

Jago.
Ihr seyd ein Senator.

Brabantio.
Du sollst mir das bezahlen.  Ich kenne dich, Rodrigo.

Rodrigo.
Mein Herr, ich bin für alles gut.  Aber ich bitte euch, hört mich
nur an.  Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall
geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) daß eure schöne
Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung
als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen
Umarmungen eines geilen Mohren zugeführt worden; wenn das, sag ich,
mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings
gröblich beleidiget.  Wißt ihr aber nichts hievon, so sind wir
diejenigen, die sich über Unrecht zu beschweren haben; oder ich
verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt.  Glaubet
nicht, daß ich von allem Gefühl der Anständigkeit so sehr verlassen
sey, daß ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure
Excellenz zum Besten haben sollte.  Ich sag es noch ein mal, wenn
ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniß dazu gegeben habt, so hat sie
sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schönheit, ihren
Verstand, und ihr Vermögen einem herumirrenden Ritter, einem
Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist--
Verzieht nicht länger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in
ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so laßt mich die
ganze Strenge der Justiz dafür erfahren, daß ich euch so mißhandelt
habe.

Brabantio.
Schlagt Feuer, he!  bringt mir ein Licht--Ruft meine Leute
zusammen--Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich
sterbe vor Furcht, daß es so seyn möchte.  He!  Licht, sag ich,
Licht!

Jago.
Lebt wohl, ich kan mich nicht länger aufhalten--Es würde sich gar
nicht wol für meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht
gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgeführt zu werden.
Die Gründe, die ihn zum Heerführer in dem Cyprischen Kriege, worinn
sie würklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, daß sie,
für ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden können,
dem sie dieses Geschäft mit Sicherheit anvertrauen dürften.  Bey
solchen Umständen muß ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als
die Pein der Hölle, doch äusserlich, meines eignen Vortheils wegen,
dergleichen thun, als ob ich ihm gänzlich ergeben sey.  Damit ihr
ihn aber unfehlbar findet, so führet den Brabantio und seine Leute
zum Schüzen, und dort werd' ich bey ihm seyn.  Hiemit, gehabt euch
wol.

(Jago geht ab.)



Dritte Scene.
 (Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.)


Brabantio.
Mein Unglük ist nur allzugewiß.  Sie ist weg; und Schmach und
Bitterkeit ist nun der Antheil meines übrigen Lebens.  Nun,
Rodrigo, wo sahst du sie?  O, das unglükselige Mädchen!  Mit dem
Mohren, sagst du?  Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen?--Woher
wußtest du, daß sie's war?  O!  das ist unbegreiflich, wie sehr
ich mich an ihr betrogen habe!--Was sagte sie zu euch?--Noch mehr
Fakeln her--Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen--meynt ihr,
sie seyen schon verheurathet?

Rodrigo.
Ich denke freylich, sie sind's.

Brabantio.
O Himmel!  wie ist's möglich, daß sie so aus der Art schlagen
konnte!--Väter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr
sie sehet.  Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld
eines jungen unwissenden Mädchens verführt werden kan?  Habt ihr
nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo?

Rodrigo.
Ja mein Herr, das hab' ich, in der That.

Brabantio (zu einem Bedienten.)
Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr hättet sie gehabt,
auf eine oder die andre Art--Wißt ihr, wo wir sie und den Mohren
antreffen können?

Rodrigo.
Ich denke, ich werde sie entdeken können, wenn es euch gefällt,
unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen.

Brabantio.
Ich bitte euch, geht voran.  Ich will von Hause zu Hause ruffen;
ich kann befehlen, wenn's nöthig ist; schafft Waffen her, holla!
und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan--Geht,
mein guter Rodrigo, ich will dankbar für eure Bemühung seyn.

(Sie gehen ab.)



Vierte Scene.
 (Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schüzen.)
 (Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.)


Jago.
Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im
Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das grösseste Gewissen
draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen!  Weniger Bedenklichkeit
würde manchmal mein Vortheil seyn--Ich dachte neun- oder zehn mal,
ich müßte ihm nothwendig eins unter die Ribben geben.

Othello.
Es ist besser, daß du's nicht gethan hast.

Jago.
Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbübisches Zeug, und
in so empfindlichen Ausdrüken gegen eure Ehre, daß all mein Bißchen
Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten.  Aber
ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gültig verheurathet?
Denn davon dürft ihr versichert seyn, daß der (Magnifico) sehr
beliebt ist, und daß seine Stimme in der Republik zum wenigsten so
viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die
Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so
weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez
in seiner äussersten Strenge ihm Befugniß geben kan.

Othello.
Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung
gethan habe, werden seine Klagen weit überschreyen.  Es ist noch
unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre
mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner
unwürdige Pralerey ansehe,) daß mein Blut aus einer königlichen
Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne
Vergrösserung, zulänglich auf ein so stolzes Glük Anspruch zu
machen, als dieses ist, dessen ich mich bemächtiget habe.  Denn
wisse, Jago, wär' es nicht, daß ich die reizende Desdemona liebe,
der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine
Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen.
Aber siehe, was für Lichter kommen dort?



Fünfte Scene.
 (Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.)


Jago.
Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn--das beste
wär', ihr giengt hinein.

Othello.
Ich?  gewiß nicht, ich muß gefunden werden.  Meine Verdienste,
mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem
wahren Lichte zeigen.  Sind sie's?

Jago.
Beym Janus, ich denke, nein.

Othello.
Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine
Freunde; was bringt ihr Neues?

Cassio.
Der Herzog entbeut euch seinen Gruß, Feldherr; und ersucht euch mit
der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure
Gegenwart.

Othello.
Was meynt ihr, warum es zu thun sey?

Cassio.
Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan.  Es muß eine dringende
Anliegenheit seyn.  Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht
zwölf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der
Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt.  Man
ließ euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm
Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus,
euch überall aufzusuchen.

Othello.
Es ist gut, daß ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in
diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen.

(Othello geht ab.)

Cassio.
Fähndrich, was thut er hier?

Jago.
Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque

{ed. * Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen
Kauf-Fardey-Schiffe.}

aufgebracht; wenn sie für gute Prise erklärt wird, so ist sein Glük
gemacht.

Cassio.
Ich weiß nicht, was ihr sagen wollt.

Jago.
Er hat sich verheurathet.

Cassio.
Mit wem?

Jago.
Bey G***, mit--he!  Herr General, wollt ihr gehen?  (Othello zu
den Vorigen.)

Othello.
Hier bin ich--

Cassio.
Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht.



Sechste Scene.
 (Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.)


Jago.
Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn.

Othello.
Holla!  Steht, ihr dort!

Rodrigo.
Signor, es ist der Mohr.

Brabantio.
Zu Boden mit ihm, dem Räuber!

(Sie ziehen auf beyden Seiten.)

Jago.
Wie, ihr, Rodrigo?--Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite--(Zu
Othello.)

Othello.
Stekt eure Degen ein, der Thau möchte sie rostig machen.  Werther
Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen.

Brabantio.
O du schändlicher Räuber!  Wo hast du meine Tochter hin verborgen?
Verdammlicher Bube!  Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was
Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Mädchen, so jung, so
schön, so zärtlich als sie war, von ihrem Stand und Glük, und so
abgeneigt vom Heurathen, daß sie den Augen der auserlesensten und
reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches
Mädchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Künste fähig gewesen
wäre, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem väterlichen
Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings
wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich
hinein zu stürzen?  Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht
handgreiflich ist, daß du vermittelst schnöder Zauber-Mittel oder
Liebes-Tränke die das Hirn verrüken, ihre schuldlose Jugend
mißbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist
wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen.  Ich
arrestiere dich also hier, als einen Verführer und der hiezu
verbotne Künste treibt--Bemächtigt euch seiner; und wenn er sich
wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr.

Othello.
Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten
wäre, so würd' ich's ohne einen Einsager gewußt haben.  Wohin wollt
ihr, daß ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu
verantworten?

Brabantio.
Ins Gefängniß, bis zur gehörigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank
erscheinen sollst.

Othello.
Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indeß der Herzog zufrieden
gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im
Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu
ihm zu führen?

Officier.
Diß verhält sich würklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im
Staats-Rath; und ich bin sicher, daß ihr gleichfalls dahin beruffen
worden seyd.

Brabantio.
Wie?  der Herzog im Staats-Rath?  In dieser späten Nacht?  Führt
ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit.  Der Herzog selbst
und jeder von meinen Brüdern im Staat kan nicht anders als diese
Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden
wäre.  Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft verübt werden dürften,
so würden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn.

(Sie gehen ab.)



Siebende Scene.
 (Verwandelt sich in das Rath-Haus.)
 (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend,
  und einige Officianten etc.)


Herzog.
Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als daß sie
Glauben verdienen könnten.

1. Senator.
In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen
hundert und sieben Galeren.

Herzog.
Und meine hundert und vierzig.

2. Senator.
Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht
zusammentreffen, (welches in Fällen, wo der Bericht nach blosser
Muthmassung gemacht werden muß, nicht zu verwundern ist,) so
stimmen doch alle darinn überein, daß eine türkische Flotte in der
See ist, und daß es auf Cypern abgesehen sey.

Herzog.
Es ist möglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich
doch alle Maaßnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die
Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umständen gut heissen.

Matrosen (hinter der Scene.)



Holla!  ho!  he!  aufgemacht!  (Die Matrosen kommen herein.)

Officiers.
Eine Bottschaft von den Galeeren.

Herzog.
Nun!--was ist euer Anbringen?

1. Matrose.
Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, daß die Türkischen Kriegs-
Zurüstungen der Insel Rhodis gelten.

(Die Matrosen gehen ab.)

Herzog.
Was sagt ihr zu diesem Wechsel?

1. Senator.
Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich.  Es ist ein
blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die
Gefahr würklich ist.  Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den
Türken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und daß sie
die Eroberung desselben weit eher hoffen können, da es weniger
befestigt, und in allen Absichten in schwächerm Vertheidigungs-
Stand ist--Wenn wir dieses in gehörige Betrachtung ziehen, so
werden wir uns schwerlich einbilden können, daß der Türk so
unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute
fahren zu lassen, um sich an eine gefährliche und wenig
vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner
Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.

Herzog.
In der That, allen Umständen nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt.

Officiers.
Hier kommt wieder eine Zeitung.  (Ein Expresser tritt auf.)

Expresser.
Erlauchte und Gnädige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf
gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem
kleinern Geschwader vereinbart--

1. Senator.
Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie?

Expresser.
Dreyßig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre
Absichten länger zu verheelen, nach Cypern.  Signor Montano, euer
getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch,
unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht,
und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen.

Herzog.
Wir sind also nun gewiß, daß es um Cypern zu thun ist; ist Marcus
Luccicos nicht in der Stadt?

1. Senator.
Er ist würklich in Florenz.

Herzog.
Schreibet unverzüglich in unserm Namen an ihn, daß er sich mit der
äussersten Eilfertigkeit hieher begebe.

1. Senator.
Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.



Achte Scene.
 (Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den
  Vorigen.)


Herzog.
Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen
Feind Ottoman vonnöthen zu haben.

(Zu Brabantio.)
Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir
mangelten euern Rath und eure Hülfe diese Nacht.

Brabantio.
Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein
Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschäfte gesagt
wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht
mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wüthenden
und ungestümen Art, daß er alle andre Sorgen verschlingt, und mich
nichts anders fühlen läßt.

Herzog.
Wie?  Was kan die Ursach seyn?

Brabantio.
Meine Tochter!  O!  meine Tochter!--

Senator.
Gestorben?

Brabantio.
Für mich wenigstens; sie ist verführt, von mir weggestohlen,
mißbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Tränke, den Kram
von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden--Denn auf eine so
widernatürliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind,
noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen--Zauberey allein
konnte sie dahin bringen--

Herzog.
Wer der auch seyn mag, der durch so schändliche Mittel eure Tochter,
sich selbst, und euch entführt hat, dessen Urtheil sollt ihr
selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger
des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der
Thäter wäre.

Brabantio.
Ich danke Eu.  Durchlaucht unterthänig.  Hier ist der Mann, dieser
Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschäften des
Staats hieher gebracht hat.

Alle.
Das thut uns herzlich leid.

Herzog (zu Othello.)

Und was könnt ihr, eurer Seits, hierauf antworten?

Brabantio.
Nichts, als daß es so ist.

Othello.
Erlauchte und Großmächtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und
gnädige Gebieter; daß ich dieses alten Mannes Tochter entführt habe,
ist wahr; und wahr ist's, daß ich mit ihr vermählt bin--So weit
erstrekt sich die äusserste Linie meines Verbrechens, und weiter
nicht--Ich bin kein Redner, und wenig geübt in der friedsamen Kunst,
die Zuhörer durch Worte zu gewinnen--Seitdem diese meine Arme
siebenjähriges Mark hatten, bis izt, die leztverfloßnen neun oder
zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine
einzige Beschäftigung gewesen--in diesen Kreis ist alle meine
Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan.
Ich werde also, indem ich für mich selbst rede, meiner Sache
wenig Vortheil verschaffen.  Und doch will ich, mit eurer Erlaubniß,
eine aufrichtige ungeschminkte Erzählung von dem ganzen Hergang
meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was für
Tränke, Zauber-Formeln, Beschwörungen und übernatürliche Künste,
(weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,)
ich seine Tochter gewonnen habe.

Brabantio.
Ein unschuldiges junges Mädchen, die immer das zärtlichste,
schüchternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige
Seele, das jede ihrer Bewegungen über sich selbst zu erröthen
schien--und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in
der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war
nur anzusehen--Was für eine Art zu schliessen muß der haben, der
sich vorstellen kan, daß die Natur so weit von ihren eignen Gesezen
abweichen sollte--Es ist unmöglich; aus der Hölle mußten die
verdammten Künste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten.
Ich behaupte also noch einmal, daß er sie durch Tränke, die das
Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres
übernatürliches Mittel mißbraucht und zu Falle gebracht habe.

Herzog.
Behaupten ist nicht Beweisen--es gehören stärkere Beweisthümer
hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein dünnes
Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn
aufzustellen vermeynt.

1. Senator.
Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame
Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder
erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine
Seele die andre anzuziehen pflegt?

Othello.
Ich bitte euch, laßt die junge Dame aus dem Schüzen herholen, und
sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklären; findet ihr, daß
ihre Erzählung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht
nur aller Ehren und Würden, die ich von euch empfangen habe,
sondern laßt mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen
seyn.

Herzog.
Holet Desdemona hieher.

(Zween oder drey gehen ab.)

Othello (zu Jago.)

Fähndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten--

(Jago geht ab.)

--Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem
Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser
ehrwürdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schönen
Desdemona gewonnen habe.

Herzog.
Redet, Othello.

Othello.
Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der
Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und ließ mich alle
Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin,
erzählen.  Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von
meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn
er mich erzählen hieß: Und da sprach ich ihm also von den
verschiedenen seltsamen Glüks-Wechseln, die ich erfahren, von
hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfällen, die mir zu
Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der
Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in
die Hände grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft
worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze
Geschichte meiner irrenden Ritterschaft--als von ungeheuern Grotten,
und unterirdischen Gewölben, einöden Inseln, Steinbrüchen, Felsen
und Gebürgen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von
Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von
Leuten, die die Köpfe unter den Schultern tragen,--und was der
Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte.  Allem diesem
hörte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich
die Hausgeschäfte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie
sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zurük
und verschlang meine Erzählung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte
dieses, und da sich einst eine günstige Stunde anbot, wußte ich
bald Anlas zu machen, daß sie mich recht von Herzen bat, ihr die
ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrißne
Stüke gehört hatte, vollständig und im Zusammenhang zu erzählen:
Ich willigte ein, und lokte manche Thräne aus ihren schönen Augen,
wenn ich auf die verschiednen Trübsalen und Unfälle kam, die meine
Jugend ausgestanden.  Wie ich mit meiner Geschichte fertig war,
belohnte sie meine Mühe mit einer Welt voll Seufzer

{ed. * Es hieß "Küsse" in einigen Ausgaben; und das war freylich in
mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt.  Pope hat die ächte
Lesart wieder hergestellt.  Das junge Fräulein, meynt er, wäre gar
zu freygebig gewesen, wenn sie für die blosse Erzählung einer
Historie eine Welt voll Küsse gegeben hätte--und er hat allerdings
recht.}

--sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, über die
Maassen ausserordentlich--es sey rührend, zum Verwundern rührend--
Sie wünschte, sie hätte nichts davon gehört--und doch wünschte sie,
der Himmel hätte einen solchen Mann für sie gemacht--und endlich
dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund hätte, der in sie
verliebt wäre, so möcht' ich ihn nur meine Geschichte erzählen
lehren, und er würde sie damit gewinnen.  Auf diesen Wink fieng'
ich dann an zu reden,--und so verlohren wir beyde unsre Herzen--Sie
liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden,
und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze
Zauberey die ich gebraucht habe.  Aber hier kommt sie selbst, laßt
sie Zeugniß geben.



Neunte Scene.


Herzog.
Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzählung würde meine eigne
Tochter noch oben drein behexen--Guter Brabantio, seht diese Sache,
da sie nun nicht mehr zu ändern ist, von der besten Seite an.  Die
Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als
die blosse Hand.

Brabantio.
Ich bitte euch, laßt sie reden.  Bekennt sie, daß sie seinen Liebes-
Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle
Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik länger tadle.
Kommt näher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in
dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig
seyd?

Desdemona.
Mein edler Vater, ich empfinde daß meine Pflicht hier getheilt ist:
Euch bin ich für mein Leben und für meine Erziehung verbunden, und
beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin.  Ihr
seyd Herr über meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin.
Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter
gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verließ um euch anzuhängen,
so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, daß ich dem Mohren,
meinem Gemahl, schuldig sey.

Brabantio.
Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen.  Gefällt's eurer
Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden.
Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben.  Komm
hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn
du's nicht schon hättest, von ganzem Herzen vor dir verwahren
wollte.  Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh daß ich
keine andre Kinder habe--Denn der Streich, den du mir gespielt hast,
würde mich tyrannisch genug machen, ihnen Klöze anzuhängen.  Ich
bin fertig, Gnädigster Herr.

Herzog.
Laßt mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines
allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil fällen, das diesen
Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben.

{ed. * Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird
von Brabantio in gleicher Münze bezahlt.}

Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen,
und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der nächste Weg ein
geschehenes Unglük mit einem neuen zu häuffen.  Wenn die Klugheit
die Streiche des Glüks nicht allemal verhindern kan, so kan doch
Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen.  Der Beraubte,
der dazu lächelt, stiehlt dem Räuber etwas, und der beraubt sich
selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.

Brabantio.
Wenn das ist, so laßt die Türken uns immer Cypern wegnehmen; wir
verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen können--Ich erkenne,
Gnädigster Herr, die Weisheit euers Raths--Aber Worte sind doch nur
Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren
geheilt worden--Ich bitte euch, zu den Staats-Geschäften.

Herzog.
Die Türken machen furchtbare Zurüstungen, Cypern anzugreiffen:
Othello, dir ist am besten bekannt, in was für einem Vertheidigungs-
Stand der Plaz ist.  Wir haben zwar einen Befehlshaber von
bekannter Tüchtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die
unumschränkte Königin der Welt, verspricht sich von euch eine noch
grössere Sicherheit; laßt's euch also gefallen, über die Glasur
euers neuen Glüks hinweg zu schlüpfen, und die Freuden der Liebe
mit den Beschwerden dieser hartnäkigen und Gefahr-vollen
Unternehmung zu vertauschen.

Othello.
Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte
und stählerne Lager des Kriegs mir längst zum weichsten Pflaum-
Bette gemacht.  Die rauhe Arbeit des Kriegs ist für mich ein
Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit
entgegen eilt.  Ich unterziehe mich also dem gegenwärtigen Krieg
mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste
Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren
unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, daß sie
an einem anständigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so
sich für ihre Geburt schikt, unterhalten werde.

Herzog.
Also, in ihres Vaters Hause.

Brabantio.
Das will ich nicht.

Othello.
Ich noch weniger.

Desdemona.
Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen
Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen wäre.  Gnädigster
Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstüzet sie
mit eurer Stimme.

Herzog.
Was verlangt ihr, Desdemona?

Desdemona.
Daß ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die
Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan
habe, durch die ganze Welt austrompeten.  Mein Herz und meine
Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich.  Ich sah Othello's
Gesicht in der Schönheit seines Gemüthes, und seinen Verdiensten
und heldenmässigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein
ganzes Glük gewiedmet.  So daß, theureste Herren, wenn ich
zurükgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts,
seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn
liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem
verdrießlichen Interim verurtheilt wäre.  Laßt mich also mit ihm
gehen.

Othello.
Eure Genehmigung, Gnädige Herren!  Ich bitte euch, laßt sie ihren
Willen haben.  Ich bitt' es nicht aus Rüksicht auf den Vortheil
meines eignen Vergnügens, nicht aus Gefälligkeit gegen die Hize
junger Begierden, die der erste Genuß mehr gereizt als befriedigt
hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu
lassen.  Der Himmel verhüte, daß ihr mich fähig haltet, eure
ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachläßigen, wenn sie
bey mir ist--Nein!  Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des
befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner
Thätigkeit in üppige Trägheit senken, und meine Ergözungen meinen
Arbeiten schädlich sind; dann laßt Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus
meinem Helm machen, und die unwürdigsten, schmählichsten
Wiederwärtigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwören.

Herzog.
Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkühr überlassen seyn--
Die Geschäfte fordern die hastigste Eilfertigkeit.  Ihr müßt diese
Nacht noch fort.

Desdemona.
Diese Nacht, gnädigster Herr?

Herzog.
Diese Nacht.

Othello.
Von Herzen gerne.

Herzog.
Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen.  Othello,
laßt einen Officier zurük, durch den wir euch euer Patent, und
eure Instruction nachschiken können.

Othello.
Wenn es Eu.  Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein
Fähndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die
Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir
zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu.  Durchlaucht
für nöthig hält.

Herzog.
Ich bin's zufrieden.  Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.)

Und, edler Signor, wenn Tugend die glänzendste Schönheit ist, so
ist euer Tochtermann mehr weiß als schwarz.

Senator.
Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.

Brabantio.
Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater
betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.

(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)

Othello.
Ich stehe mit meinem Leben für ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muß
ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine
Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit
nach.  Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe
und unsern Angelegenheiten schenken kan.  Wir müssen der Zeit
gehorchen.

(Sie gehen ab.)



Zehnte Scene.
 (Rodrigo und Jago bleiben.)


Rodrigo.
Jago--

Jago.
Was willst du mir sagen, tapfres Herz?

Rodrigo.
Was denkst du, daß ich thun will?

Jago.
Was?  Zu Bette gehen und schlaffen.

Rodrigo.
Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stürzen.

Jago.
Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr
lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann!

Rodrigo.
Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann,
so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist.

Jago.
O wie niederträchtig das gedacht ist!  Es ist schon viermal sieben
Jahre, daß ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen
Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen
kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand hätte
sich selbst zu lieben.  Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer
Guineischen Henne zulieb ersäuffen, eh wollt' ich meine Menschheit
mit einem Wald-Teufel vertauschen.

Rodrigo.
Wie soll ich mir aber anders helfen?  Ich bekenn', es macht mir
schlechte Ehre, daß ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend
ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen.

Jago.
Tugend?  Pfifferling.  Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn
wollen.  Unsre Leiber sind unsre Gärten, und unser Wille ist der
Gärtner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein säen wollen, ob
wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewächsen,
oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und
unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten
Stand sezen wollen: Das hängt alles lediglich von unsrer Willkühr
ab. Hätten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll
Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu
halten, zu was für tollen Ausschweiffungen würde uns die Hize des
Bluts und der thierische Trieb dahinreissen?  Aber wir haben die
Vernunft dazu, daß sie unsre rasenden Bewegungen, unsre
fleischliche Triebe und zügellose Lüste bändigen soll--Was nennt
ihr Liebe?  Meynt ihr, daß es eine so feyrliche Sache sey,  als ihr
euch einbildet?  Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille
den Zügel verhängt--Komm, sey ein Mann!  dich selbst ersäuffen?
Ersäuffe mir Kazen und junge blinde Hunde!  Ich habe dir meine
Freundschaft zugesagt, und ich mache mich groß, mit Seilen, die
unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu
seyn.  Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nüzlich seyn kan.  Einen
wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbräme dein
glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel,
sag ich. Es ist unmöglich, daß Desdemona den Mohren in die Länge
lieben könnte,--nur Geld in deinen Beutel--noch der Mohr sie.
Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch
schnell wieder aufzuhören--Spik du nur deinen Beutel--Diese Mohren
sind veränderlich in ihren Neigungen;--füll deinen Beutel mit Geld--
Der Lekerbissen, der ihm izt so süß daucht wie Syrop, wird ihm
bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem
Theil, sich einmal an ihm ersättiget hat, so werden ihr die Augen
über ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen.  Sie (muß) sich
ändern, sie muß! Also füll du nur deinen Beutel.  Wenn du ja zum
T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg
als Ersäuffen.  Mach alles zu Gelde was du kanst.  Wenn Tugend und
ein armes zerbrechliches Gelübde zwischen diesem Landstreicher aus
der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin,
nicht stärker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hölle, so
sollst du sie in deine Arme kriegen.  Also Geld in deinen Sekel,
sag ich! Laß du dich lieber dafür hängen, daß du deine Lust gebüßt
hast, als dich zu ersäuffen, und nichts dafür genossen zu haben.

Rodrigo.
Stehst du mir gut für meine Hoffnungen, wenn ich's wage?

Jago.
Verlaß dich auf mich--Geh, mach Geld zusammen--Ich habe dirs oft
gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren.
Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Haß hat keinen
schlechtern Grund.  Laß uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an
ihm zu nehmen.  Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du
dir selbst ein Vergnügen, und mir einen Spaß.  Die Zukunft geht mit
allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehöriger Zeit
entbunden werden wird.  Geh du izt, und sorge für Geld; morgen mehr
von dieser Materie.  Adieu.

Rodrigo.
Wo sehen wir einander morgen?

Jago.
In meinem Quartier.

Rodrigo.
Ich will bey Zeiten kommen.

Jago.
Gut, geht nur, lebt wohl.  Hört ihr, Rodrigo?

Rodrigo.
Was soll ich hören?

Jago.
Nichts mehr vom Ersäuffen, hört ihr's?

Rodrigo.
Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Güter zu
Geld machen.

(Er geht ab.)



Eilfte Scene.
 (Jago bleibt zurük.)


Jago (allein.)
Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel,--Bin ich nicht
ein gescheidter Kerl?  So mach' ich aus meinem Narren meinen
Schazmeister--Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit
übel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen
Schneppen verderben wollte, ohne daß ich Spaß und Vortheil davon
hätte.  Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an,
und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle
vertreten.  Ich weiß nicht, ob es so ist--aber mir ist eine blosse
Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit
Augen gesehen hätte.  Er mag mich wol leiden--Desto beßre
Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu
meinem Vorhaben taugt: Laßt einmal sehen--seine Stelle zu kriegen
und meinen Haß zu ersättigen--Wie, wie kommt das?  Laßt sehen--
Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen,
daß er zu vertraulich mit seiner Frau ist--Seine Figur und sein
ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann
dazu, die Weiber ungetreu zu machen.  Der Mohr ist von der offnen
treuherzigen Art Leuten, welche die Leute für ehrlich hält, wenn
sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumführen
lassen wie ein Esel--Ich hab es--Mein Entwurf ist gezeugt--und Rach
und Hölle sollen die scheußliche Mißgeburt ans Taglicht bringen!

(ab.)




Zweyter Aufzug.



Erste Scene.
 (Die Hauptstadt von Cypern.)
 (Montano, Statthalter von Cypern, und zween Officiers.)


Montano.
Was könnt ihr vom Vorgebürg in der See unterscheiden?

1. Officier.
Gar nichts, als aufgethürmte Wellen; ich kan zwischen dem Himmel
und der See nicht ein einziges Segel entdeken.

Montano.
Mich däucht, der Wind ist zu Land sehr heftig gewesen--Ein
ungestümerer Sturm hat noch nie unsre Zinnen erschüttert--wenn er
auf der See eben so geraset hat, was für Ribben von Eichen sind,
wenn Berge auf sie herabschmelzen, stark genug, sich in ihren Fugen
zu erhalten?  Was für Zeitungen werden wir hievon hören?

2. Officier.
Die Zerstreuung der Türkischen Flotte--Steht nur am schäumenden
Ufer, die zornigen Wogen scheinen euch bis in die Wolken hinauf zu
sprizen--Man dächte, die vom Sturm geschleuderte Welle sprühe dem
brennenden Bären Wasser entgegen, und lösche die Nachtlichter des
Himmels aus--Ich habe in meinem Leben keinen so rasenden Sturm
gesehen.

Montano.
Wenn die Türkische Flotte sich nicht bey Zeit in irgend eine Bucht
hat retten können, so ist sie verlohren--es ist unmöglich, dieses
Wetter auszuhalten.



Zweyte Scene.
 (Ein dritter Officier zu den Vorigen.)


3. Officier.
Etwas Neues, meine Herren, der Krieg ist zu Ende; dieses
verzweifelte Ungewitter hat die Türken so zugerichtet, daß ihre
Entwürfe Halt machen müssen.  Ein ansehnliches Venetianisches
Schiff hat dem Schiffbruch und der Noth des grössesten Theils ihrer
Flotte zugesehen.

Montano.
Wie?  Ist das wahr?

3. Officier.
Das Schiff ist würklich hier eingelauffen; ein Veronesisches,
welches den Michael Cassio, den Lieutenant dieses tapfern Mohren
Othello, an Bord hatte; der Mohr selbst ist in der Ueberfahrt
begriffen, und wird in kurzem als oberster Kriegs-Befehlshaber hier
in Cypern eintreffen.

Montano.
Ich bin erfreut darüber; er hat alle Eigenschaften zu einem so
wichtigen Posten.

3. Officier.
Allein eben dieser Cassio, so tröstlich das lautet, was er uns vom
Verlust der Türken berichtet, sieht doch düster aus, und wünscht
daß der Mohr glüklich davon gekommen seyn möge; denn sie waren im
heftigsten Sturm abgereist.

Montano.
Der Himmel geb' es!  Ich bin sein Freund, und er ist beydes ein
guter Soldat und ein vollkommner Feldherr.  Wir wollen der See-
Seite zugehen, sowol um das schon eingelauffene Schiff zu
besichtigen, als dem wakern Othello, soweit bis Luft und Wasser
sich in unserm Auge vermischt, entgegen zu sehen.

Officier.
Kommt, wir wollen das thun--Eine jede Minute däucht uns lange, bis
wir seiner glüklichen Ankunft versichert sind.



Dritte Scene.
 (Cassio zu den Vorigen.)


Cassio.
Dank sollen die Tapfern dieser kriegerischen Insel davor haben, daß
sie so gute Freunde des Mohren sind--Der Himmel beschüze ihn gegen
der Wuth der Elemente; ich hab' ihn in einer gefährlichen See
verlohren.

Montano.
Ist sein Schiff gut?

Cassio.
Sein Schiff ist gut gezimmert, und sein Pilot ein Mann von
Erfahrung und bewährter Geschiklichkeit: Ich bin also nicht ohne
Hoffnung.

Hinter der Scene
Ein Segel!  ein Segel!  ein Segel!

Cassio.
Was bedeutet dieses Geschrey?

1. Officier.
Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie
ruffen: Ein Segel!

Cassio.
Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers.

Officier.
Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind
Freunde, wenigstens.

Cassio.
Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewißheit, wer
angekommen ist.

Officier.
Ich will.

(ab.)

Montano.
Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermählt?

Cassio.
Ja, und höchstglüklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen,
die alles übertrift, was das ausschweiffende Gerücht zu ihrem Lob
sagen kan: eine Gemahlin, deren Schönheit den Pinsel des feinsten
Mahlers beschämt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer
Auszug aller Vollkommenheiten der Schöpfung ist--



Vierte Scene.
 (Der Officier kommt zurük.)


Cassio.
Wie steht's?  Wer ist eingelauffen?

Officier.
Ein gewisser Jago, der Fähndrich des Generals.

Cassio.
Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so
glücklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und
heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehäuften
Sandbänke, (Verräther, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen
Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefühl der
Schönheit hätten, ihre natürliche Grausamkeit, um die göttliche
Desdemona unbeleidigt durchzulassen.

Montano.
Wer ist diese?

Cassio.
Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen
Befehlshabers, die er der Führung des kühnen Jago anvertraut hat,
und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche
wenigstens zuvorkömmt.  Beschüze nun, o Himmel, beschüze noch
Othello!  und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmächtigen
Athem auf, damit er mit seinem schönen Schiff diese Bay beselige,
und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzükung des
Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erlöschende Geister in neues
Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfülle.--



Fünfte Scene.
 (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.)


Cassio.
--O sehet!  der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr
Männer von Cypern, laßt eure Knie sie bewillkommen!  Heil dir,
Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir,
und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her.

Desdemona.
Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was für Nachrichten könnt ihr mir
von meinem Herrn geben?

Cassio.
Er ist noch nicht angeländet, doch weiß ich nichts anders, als daß
er wohl ist und in kurzem hier seyn wird.

Desdemona.
O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn?

Cassio.
Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre
Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel!

Hinter der Scene:
Ein Segel!  ein Segel!

Officier.
Dieser Gruß wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls
ein Freund.

Cassio.
Seht was es ist: Mein lieber Fähndrich, willkommen!  (Zu Aemilia,
mit einem Kuß.)
Willkommen, Madam.  Nehmt mir nicht übel, mein guter Jago, daß ich
meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner
Erziehung her, daß ich so frey im Ausdruk einer schuldigen
Höflichkeit bin.
                
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