William Shakespear

Die Irrungen, oder die Doppelten Zwillinge
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Angelo.
Es beliebt euch zu spassen, mein Herr; lebet wohl.

(Er geht ab.)

Antipholis von Syracus.
Was ich hievon denken soll, kan ich nicht sagen; aber das denk ich,
es ist niemand so albern, der eine so schöne Kette nicht annehme,
wenn man sie ihm anbietet.  Ich sehe wohl, es hat einer hier keine
Kunstgriffe nöthig, um leben zu können, da einem auf der Strasse so
kostbare Geschenke in die Hände lauffen.  Ich will nun auf den Markt,
und den Dromio erwarten, und wenn irgend ein Schiff abgeht, auf
und davon!




Vierter Aufzug.



Erste Scene.
(Die Strasse.)
(Ein Kauffmann, Angelo und ein Gerichtsdiener treten auf.)


Kauffmann.
Ihr wißt, die Summe war schon um Pfingsten verfallen, und ich hab'
euch seither nicht viel beunruhiget, und würd' es auch izt nicht
thun, wenn ich nicht eine Reise nach Persien vor mir hätte, wozu
ich Geld brauche; befriedigt mich also auf der Stelle, oder hier
ist ein Gerichtsdiener, der sich eurer versichern wird.

Angelo.
Die nemliche Summe, die ihr an mich zu fodern habt, ist Antipholis
mir schuldig, für eine goldne Kette, die ich ihm einen Augenblik eh
ich euch antraf, zugestellt hatte; diesen Abend um fünfe soll ich
das Geld davor einnehmen; seyd nur so gut mit mir zu seinem Hause
zu gehen, und ich will euch mit Dank bezahlen.  (Antipholis von
Ephesus, und Dromio von Ephesus, kommen aus dem Hause der
Courtisane, und begegnen den Vorigen.)

Gerichtsdiener.
Ihr könnt euch eine Mühe ersparen; seht, da kommt er selbst.

Antipholis von Ephesus.
Indessen ich zum Goldschmidt gehe, geh' du, und kauf mir ein
hübsches Stük von einem Seil; ich will meine Frau und Compagnie
damit begaben, dafür daß sie mich heut aus dem Haus hinaus gesperrt
haben--Aber sachte, da seh' ich den Goldschmidt: Geh' du, und
kauffe den Strik, und bring ihn mir nach Hause.

(Dromio geht ab.)

Antipholis.
Dem ist wohl geholfen, der sich auf euch verläßt; ihr versprachet
mir eure Gegenwart und die Kette; aber es kam weder Kette noch
Goldschmidt; ihr habt vermuthlich gedacht, unsre Freundschaft
möchte zu lange dauren, wenn sie mit einer Kette zusammengebunden
wäre, und darum seyd ihr nicht gekommen.

Angelo.
Mit Erlaubniß des lustigen Humors, worinn ihr heute seyd, hier ist
die Note, wie viel eure Kette auf den äussersten Carath wiegt, die
Feinheit des Goldes, und die mühsame Arbeit; alles beläuft sich auf
drey Ducaten mehr als ich diesem Herrn hier schuldig bin; ich bitte
euch, übernehmet es, ihn sogleich zu befriedigen; er muß über Meer
reisen, und wartet nur um dessentwillen.

Antipholis von Ephesus.
Ich habe nicht so viel baares Geld bey mir, und überdas hab' ich
Geschäfte in der Stadt; mein lieber Herr, führt den Fremden in mein
Haus, und nehmt die Kette mit euch, und saget meiner Frau, daß sie
euch nach Empfang derselben bezahlen soll; vielleicht bin ich so
bald dort, als ihr.

Angelo.
Wollt ihr also die Kette nicht lieber selbst mitbringen?

Antipholis von Ephesus.
Nein, tragt ihr sie hin, auf den Fall, daß ich etwann nicht früh
genug kommen könnte.

Angelo.
Ganz gut, mein Herr; habt ihr die Kette bey euch?

Antipholis von Ephesus.
Wenn ich sie nicht habe, Herr, so hoff' ich, ihr habt sie; oder ihr
könnt ohne euer Geld wieder fortgehen.

Angelo.
Nein, mein Herr, ich bitt' euch, gebt mir die Kette; Wind und Fluth
warten auf diesen Herrn hier, ich darf ihn nicht länger aufhalten.

Antipholis von Ephesus.
Mein guter Herr, ihr wollt vermuthlich mit dieser Schäkerey
entschuldigen, daß ihr euer Wort nicht gehalten und ins
Stachelschwein gekommen seyd: Ich hätte euch deßwegen ausschelten
sollen, aber ihr macht es wie die bösen Weiber; wenn sie Keiffe
verdient haben, so fangen sie zuerst an zu schnurren.

Kauffmann.
Die Zeit verläuft; ich bitte euch, mein Herr, beschleunigt die
Sache.

Angelo.
Ihr hört ja selbst wie er mir's macht; die Kette --

Antipholis von Ephesus.
Gebt sie meiner Frauen, sag' ich ja, und laßt euch euer Geld geben.

Angelo.
Kommt, kommt, ihr wißt ja, daß ich sie euch nur erst gegeben habe.
Entweder schikt die Kette, oder gebt mir sonst ein Merkzeichen mit,
wodurch ich mich eurer Frauen legitimiren kan.

Antipholis von Ephesus.
Fy, Herr, ihr treibt den Spaß zu weit; kommt, wo ist die Kette; ich
bitt' euch, laßt mich sie sehen.

Kauffmann.
Meine Geschäfte können diese Kurzweile nicht aushalten; mein Herr,
erklärt euch, ob ihr mich bezahlen wollt oder nicht; wenn nicht, so
will ich ihn dem Gerichtsdiener überlassen.

Antipholis von Ephesus.
Ich euch bezahlen?Was soll ich euch bezahlen?

Angelo.
Das Geld, so ihr mir für die Kette schuldig seyd.

Antipholis von Ephesus.
Ich bin euch kein Geld schuldig, bis ich die Kette habe.

Angelo.
Ihr wißt, daß ich sie euch vor einer halben Stunde gegeben habe.

Antipholis von Ephesus.
Ihr habt mir nichts gegeben; ihr thut mir Unrecht, wenn ihr das
sagt.

Angelo.
Ihr thut mir grössers Unrecht, Herr, daß ihr's läugnet; bedenket,
daß mir mein Credit darauf steht.

Kauffmann.
Wohlan, Gerichtsdiener, arretirt ihn auf mein Ansuchen.

Gerichtsdiener.
Ich thu es, und befehl euch hiemit in des Herzogs Namen mir zu
folgen.

Angelo.
Das greift meine Ehre an.  Entweder bezahlt das Geld für mich, oder
ich versichre mich eurer durch diesen Gerichtsdiener.

Antipholis von Ephesus.
Ich soll für etwas bezahlen, das ich nie empfangen habe?Laß mich
arretiren, du närrischer Kerl, wenn du das Herz hast.

Angelo.
Gerichtsdiener, hier ist dein Tax; sez' ihn feste; ich wollte
meines eignen Bruders nicht schonen, wenn er mir so niederträchtig
begegnete.

Gerichtsdiener.
Mein Herr, ich arretire euch; ihr habt gehört, daß es an mich
gefordert wird.

Antipholis von Ephesus.
Ich unterwerfe mich dir, bis ich dir Bürgschaft stellen werde.  Aber
ihr, Bursche, sollt mir diesen Spaß so theuer bezahlen, daß alles
Metall in euerm Laden nicht zureichen soll.

Angelo.
Herr, Herr, ich will wol Justiz in Ephesus finden, und ihr werdet
wenig Ehre davon haben, das glaubt mir.



Zweyte Scene.
(Dromio von Syracus zu den Vorigen.)


Dromio von Syracus.
Herr, es ist eine Barke von Epidamnum, die nur noch so lange wartet,
bis der Schiffspatron an Bord kommt, und dann gleich absegelt.  Ich
habe unser Gepäke schon an Bord gebracht, und das Oel, den Balsam
und den Aquavit gekauft.  Das Schiff ist wohl geladen, es bläßt ein
muntrer Wind vom Land her; und man wartet nur noch auf den Patron
und auf euch.

Antipholis von Ephesus.
Was, zum Henker, bist du toll?Du dummer Schöps, was für ein Schiff
von Epidamnum wartet auf mich?

Dromio von Syracus.
Ein Schiff, worauf ihr mich geschikt habt, unsre Ueberfahrt zu
miethen.

Antipholis von Ephesus.
Du besoffner Schurke, ich schikte dich um ein Seil, und sagte dir,
wozu ich es brauchen wollte.

Dromio von Syracus.
Ich weiß von keinem Seil, ich; ihr schiktet mich an die Rhede, Herr,
um ein Schiff.

Antipholis von Ephesus.
Ich will diese Materie zu einer andern Zeit berichtigen, und deine
Ohren lehren besser aufzumerken, wenn ich dir was sage.  Lauf izt
straks zu Adriana, du Galgenvogel, gieb ihr diesen Schlüssel, und
sag' ihr, in dem Pult, der mit Türkischer Tapezerey überzogen ist,
werde sie einen Beutel mit Ducaten finden, den sie mir schiken soll;
sag' ihr, ich sey auf der Strasse arretirt worden, und dieses
müsse mich loskauffen; pake dich, Sclave, geh';--Nur fort,
Gerichtsdiener, ins Gefängniß bis es kommt.

(Sie gehen ab.)

Dromio von Syracus.
Zu Adriana!  Das ist ja, wo wir zu Mittag gegessen haben, und wo
Dowsebel mir zumuthete, daß ich ihr Mann seyn müsse; ich hoffe sie
ist zu dik, als daß wir zusammenpassen könnten.  Indessen muß ich
doch gehen, weil es mein Herr so haben will.

(ab.)



Dritte Scene.
(Verwandelt sich in des Ephesischen Antipholis Haus.)
(Adriana und Luciana treten auf.)


Adriana.
Ah, Luciana, sezt' er dir so zu?Sahest du es würklich in seinen
Augen, daß es ihm Ernst war?Sah' er roth oder blaß aus,
verdrießlich oder aufgeräumt?Was für Beobachtungen machtest du
über die Meteore seines Herzens, die in seinem Gesichte kämpften?

Luciana.
Fürs erste, so läugnete er, daß ihr ein Recht an ihn habet.

Adriana.
Er meynt', er lasse mir mein Recht nicht wiederfahren.

Luciana.
Hernach schwur er, er sey hier fremde.

Adriana.
Und schwur die Wahrheit, ob er gleich dadurch meineydig wurde.

Luciana.
Und da nahm ich eure Parthey.

Adriana.
Und was sagt' er dazu?

Luciana.
Die Liebe, um die ich ihn für euch bat, erbat er von mir.

Adriana.
Durch was für Ueberredungen sucht' er eure Liebe zu gewinnen?

Luciana.
Durch Worte, die bey ehrlichen Absichten hätten bewegen können; er
lobte zuerst meine Schönheit, hernach meinen Verstand.

Adriana.
Redtest du freundlich mit ihm?

Luciana.
Seyd geduldig, ich bitte euch.

Adriana.
Ich kan nicht mehr still halten, ich will nicht; ich will
wenigstens meiner Zunge den Lauf lassen.  Er ist ungestalt, krumm-
beinicht, alt und kalt, häßlich, mißgeschaffen, lasterhaft,
ungesittet, albern, grob und unartig; eine Mißgeburt am Leib, und
noch schlimmer am Gemüth.

Luciana.
Wie mögt ihr denn über so einen eifersüchtig seyn?Man beweint den
Verlust eines Uebels nicht, dessen man los worden ist.

Adriana.
Ach!  ich denk' ihn doch besser als ich sage; mein Herz betet für
ihn, ob ihm gleich meine Zunge flucht.



Vierte Scene.
(Dromio von Syracus zu den Vorigen.)


Dromio von Syracus

(ausser Athem.)


Hier, geht; der Pult, der Beutel; ich bitt' euch, macht hurtig.

Luciana.
Wie bist du so aus dem Athem gekommen?

Dromio von Syracus.
Weil ich stark geloffen bin.

Adriana.
Wo ist dein Herr, Dromio?Ist er wohl?

Dromio von Syracus.
Nein, er ist im Tartar-Limbo, der noch ärger als die Hölle selbst
ist.  Ein Teufel in einem immerwährenden Rok hat ihn; einer, dessen
Herz mit Stahl zugeknöpft ist; ein böser Feind, eine unbarmherzige
Furie, ein Wolf, nein, noch was ärgers, ein Kerl über und über in
Büffelsleder; ein Rüken-Freund, ein Schulter-Klopfer, einer der die
Zugänge der Strassen, die Schiff-Länden und enge Pässe besezt;
einer der, vor Gericht, arme Seelen zur Hölle führt; mit einem Wort,
Frau, ein Gerichtsdiener.

Adriana.
Wie, Mann, was ist die Sache?

Dromio von Syracus.
Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß er im Arrest ist.  Wollt
ihr ihm kein Lösegeld schiken, Frau?Das Geld ist in seinem Pult.

Adriana.
Geht, Schwester, holt es.

(Luciana geht ab.)

Das ist wunderbar, daß er Schulden haben soll, wovon ich nichts
weiß!  Sag mir, hat man ihn wegen einer Obligation in Verhaft
genommen?

Dromio von Syracus.
Wegen etwas weit stärkerm, wegen einer Kette; einer Kette; hört ihr
sie nicht klingeln?

Adriana.
Was, die Kette?

Dromio von Syracus.
Nein, die Gloke; es ist Zeit, daß ich gehe; es war zwey, da ich ihn
verließ, und nun schlägt die Glok, eins.

Adriana.
Das hab ich nie gehört, daß die Stunden zurük gehen.

Dromio von Syracus.
O ja, wenn eine Stunde einen Gerichtsdiener antrift, so lauft sie
vor Schreken zurük.  (Luciana kommt wieder.)

Adriana.
Geh, Dromio; hier ist das Geld, trag es hin, und bring deinen
Herren unmittelbar nach Hause.--Kommt, Schwester, ich weiß nimmer,
wo ich hin denken soll --


(Sie gehen ab.)



Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in die Strasse.)
(Antipholis von Syracus tritt auf.)


Antipholis.
Es begegnet mir kein Mensch auf der Strasse, der mich nicht grüsse,
als ob ich längst mit ihm bekannt wäre, und jedermann nennte mich
bey meinem Namen.  Einige bieten mir Geld an, andre laden mich ein,
andre danken mir für Höflichkeiten die ich ihnen erwiesen haben
soll; andre tragen mir Sachen zum Kauf an.  Diesen Augenblik rief
mir ein Schneider in seine Werkstatt, und zeigte mir einen seidnen
Zeug den er für mich gekauft habe, und wozu er das Maaß von mir
nahm.  Es kan nicht anders seyn, es besteht hier alles in lauter
Einbildungen, und es wohnen lauter lapländische Zauberer hier.
(Dromio von Syracus tritt auf.)

Dromio von Syracus.
Herr, hier ist das Geld, warum ihr mich geschikt habt; wie, seyd
ihr von dem neugekleideten Ebenbild des alten Adams los gekommen?

Antipholis von Syracus.
Was für Geld ist das?Und was meinst du für einen Adam?

Dromio von Syracus.
Nicht den Adam der das Paradies hütete, sondern den Adam, der das
Gefängniß hütet; den, der in des Kalbs Fell geht, das für den
verlohrnen Sohn geschlachtet wurde; der, wie ein böser Engel hinter
euch hergeschlichen kam, und euch eure Freyheit vergessen ließ.

Antipholis von Syracus.
Ich verstehe dich nicht.

Dromio von Syracus.
Nicht?die Sache ist doch ganz deutlich; der Kerl, der dahergieng,
wie eine Baßgeige in einem ledernen Ueberzug--* mit einem Wort, den
Gerichtsdiener.

{ed.-* Hier folgen im Original noch etliche sinnreich seyn-sollende
Umschreibungen, die aber in lauter Wortspielen bestehen, so sich
nicht deutsch machen lassen.}

Antipholis von Syracus.
Laß einmal deine unzeitige Schäkereyen, und sag' mir, hast du ein
Schiff gefunden, das diese Nacht abgeht?

Dromio von Syracus.
Wie, Herr?ich brachte euch ja Nachricht, daß die Barke Expedition
diese Nacht auslauffe, aber ihr wurdet von dem Gerichtsdiener
aufgehalten, euch an Bord zu begeben; hier sind die Engel, nach
denen ihr mich schiktet, um euch zu befreyen.

Antipholis von Syracus.
Der Bursche weiß nicht recht wo ihm der Kopf steht; und so gehts
mir auch; wir irren hier unter lauter Blendwerken herum; irgend ein
guter Geist bring uns unbeschädigt wieder hinweg!



Sechste Scene.
(Die Courtisane zu den Vorigen.)


Courtisane.
Wir treffen einander recht gelegen an, Herr Antipholis.  Ich seh'
ihr habt endlich den Goldschmidt gefunden; ist das die Kette, so
ihr mir heute versprochen habt?

Antipholis von Syracus.
Zurük, Satan!  Versuche mich nicht, sag' ich dir.

Dromio von Syracus.
Herr, ist dieses Frauenzimmer der Satan?

Antipholis von Syracus.
Es ist der Teufel.

Dromio von Syracus.
Nein, sie ist noch etwas ärgers, sie ist des Teufels Großmutter.*

Courtisane.
Euer Diener und ihr seyd erstaunlich spaßhaft, mein Herr.  Wollt ihr
mit mir gehen, wir wollen unser Mittag-Essen hier verbessern.

Antipholis von Syracus.
Zurük, böser Feind!  Was sagst du mir vom Nacht-Essen?Du bist eine
Hexe, wie ihr alle seyd; ich beschwöre dich, daß du von mir
ablassest, und deines Wegs gehest.

Courtisane.
Gebt mir entweder meinen Diamant-Ring wieder, den ihr mir beym
Essen abgezogen, oder die Kette, die ihr mir versprochen habt, so
will ich gehen und euch nicht beunruhigen.

Dromio von Syracus.
Andre Teufel verlangen nur Kleinigkeiten, einen abgeschnittnen
Nagel, einen Strohhalm, ein Haar, einen Tropfen Bluts, eine
Steknadel, eine Nuß oder einen Kirschenstein; aber diese ist so
gierig, daß sie eine Kette haben will.  Herr, seyd gescheidt; wenn
ihr's thätet, wer weiß was für ein Unglük daraus entstehen würde.

Antipholis von Syracus.
Pake dich, du Hexe!  Komm, Dromio, wir wollen gehen.

Dromio von Syracus.
Es wird das sicherste seyn--

(Sie gehen ab.)

{ed.-* Hier ist man wieder genöthigt, die Einfälle des Dromio
wegzulassen, die sich alle um die Zweydeutigkeit des Worts (light)
herumdrehen, welches Licht und leicht heißt.  (a light Wench) (ein
leichtes Mensch) ist im Englischen so viel als eine Hure.  Diß giebt
dann dem Dromio Anlas zu sagen: Dieses Frauenzimmer sey des Teufels
Mutter in Gestalt einer Hure

(of a light Wench.)

Nun (sagt er) steht geschrieben, die Teufel erscheinen den Leuten
in Gestalt der Engel des Lichts,

(Angels of light.)

Licht ist eine Würkung des Feuers, und Feuer brennt, ergo brennen
die Huren,

(light-Wenches will burn)

folglich kommt ihr nicht zu nahe.}



Siebende Scene.
(Die Courtisane bleibt zurük.)


Courtisane.
Ausser allem Zweifel ist Antipholis närrisch worden, sonst würd' er
sich nimmermehr so aufführen.  Er hat einen Ring von mir, der
vierzig Ducaten werth ist; er versprach mir eine Kette für den Ring,
und nun schlägt er mir beydes ab.  Noch ein andrer Umstand, der
mir's glaublich macht, daß er toll ist, ist ein närrisches Mährchen
so er heute bey Tisch erzählte, man habe seine eigne Hausthüre vor
ihm verschlossen; seine Frau müßte es dann darum gethan haben, weil
sie schon weiß, wenn er seinen Anstoß von Tollheit zu kriegen
pflegt.  Izt will ich nach seinem Hause gehen, und seiner Frau
erzählen, er sey heute, da er eben in seiner tollen Stunde gewesen,
in mein Haus eingedrungen, und habe mir mit Gewalt meinen Ring
genommen.  Das däucht mir das sicherste; denn vierzig Ducaten
verliehren, das wäre zuviel auf einmal.

(Sie geht ab.)



Achte Scene.
(Die Strasse.)
(Antipholis von Ephesus, mit einem Kerkermeister.)


Antipholis von Ephesus.
Besorge nichts, guter Freund; ich will nicht ausreissen; ich will
dir, eh ich dich verlasse, so viel Geld zum Unterpfand geben, als
die Summe beträgt um derentwillen ich in Verhaft bin.  Meine Frau
ist heute nicht im guten Zeichen; sie wird meinem Bedienten nicht
getraut haben.  Ich versichre dich, es würd' ihr hart in den Ohren
tönen, wenn sie hörte, daß ich in Ephesus feste sizen soll.  --
(Dromio von Ephesus mit einem Strik.)--Hier kommt mein Knecht; ich
denk', er bringt das Geld.  Nun, Herr Patron, habt ihr das, wornach
ich euch geschikt habe?

Dromio von Ephesus.
Hier ist etwas, ich bin euch gut dafür, das sie alle bezahlen soll.

Antipholis von Ephesus.
Aber wo ist das Geld?

Dromio von Ephesus.
Wie, Herr, ich gab es für den Strik.

Antipholis von Ephesus.
Zu was Ende befahl ich dir denn nach Hause zu gehen?

Dromio.
Zum* End' eines Seils, Herr, und zu dem Ende bin ich wieder da.

Antipholis von Ephesus.
Und zu dem Ende will ich dich bewillkommen.

(Er giebt ihm Schläge.)

Gerichtsdiener.
Mein lieber Herr, habt Geduld.

Dromio von Ephesus.
Wahrhaftig, es ist an mir, Geduld zu haben; ich bin in der
Anfechtung.

Gerichtsdiener.
Halt du dein Maul, guter Freund.

Dromio von Ephesus.
Beredet ihn vielmehr, daß er seine Hände halte.

Antipholis von Ephesus.
Du Hurensohn von einem sinnlosen Galgenschwengel.

Dromio von Ephesus.
Ich wollt' ich wäre sinnlos, Herr, so würd' ich eure Schläge nicht
fühlen.

Antipholis von Ephesus.
Du bist für nichts empfindlich als für Schläge, wie ein andrer Esel
auch.

Dromio von Ephesus.
Daß ich ein Esel bin, daß ist wahr; das könnt ihr mit meinen langen
Ohren beweisen.  Ich hab' ihm von meiner Geburts-Stund' an gedient,
und habe für alle meine Dienste noch nichts von ihm empfangen, als
Ohrfeigen.  Wenn mich friert, so wärmt er mich mit Schlägen; wenn
mir warm ist, so kühlt er mich mit Schlägen ab; er wekt mich mit
Schlägen, wenn ich schlafe; und macht mich mit Schlägen aufstehn,
wenn ich size; mit Schlägen treibt er mich zur Thür hinaus, wenn
ich ausgehe, und bewillkommt mich wieder mit Schlägen, wenn ich
zurükkomme; ich trage seine Schläge auf meinen Schultern, wie eine
Bettlerin ihr Kind; und ich denke, wenn er mich lahm geschlagen hat,
so werd ich noch damit von Haus zu Haus betteln gehen müssen.

{ed.-*
Der Geist dieser Scherze ligt wie durchgängig in diesem Stük, in
einem Wortspiel.  (End), hat wie das deutsche Wort Ende, mehrere
Bedeutungen--(- rope), heißt ein Seil, und (a rope's-end), (ein
Ende von einem Seil,) ein Strik.  Antipholis befahl dem Dromio (a
rope's-end) zu kauffen; da er nun izt fragt, zu was End

(to what end)

schikt ich dich; so antwortet dieser: (to a rope's-end.)}



Neunte Scene.
(Adriana, Luciana, die Courtisane und Doctor Zwik, zu den Vorigen.)


Antipholis von Ephesus.
Kommt weiter; ich sehe dort meine Frau kommen.

Dromio von Ephesus.
(Respice finem), Madam, schaut auf euer End; nehmt euch vor dem
Strik in acht --


Antipholis von Ephesus.
Willst du das Maul halten.

(Er schlägt ihn wieder.)

Courtisane.
Was sagt ihr izt?Ist euer Mann nicht toll?

Adriana.
Ich kan nicht mehr daran zweiflen, da er so wild thut.  Lieber
Doctor Zwik, ihr seyd ein Beschwörer, gebt ihm seine Vernunft
wieder, und fordert was ihr nur wollt dafür.

Luciana.
Au weh, wie feurig und wild er um sich schaut!

Courtisane.
Bemerkt, wie er vor Wuth zittert.

Zwik.
Gebt mir eure Hand, damit ich euern Puls befühlen kan.

Antipholis von Ephesus (giebt ihm eine Ohrfeige.)
Hier ist meine Hand, die euer Ohr befühlen soll.

Zwik.
Ich beschwöre dich, Satan, der du diesen Mann besessen hast, bey
allen Heiligen des Himmels beschwör' ich dich, auszufahren, und in
deinen Ort der Finsterniß straks zurük zu kehren.

Antipholis von Ephesus.
Stille, wahnwiziger Hexenmeister, ich bin nicht toll.

Adriana.
O wollte Gott, du wär'st es nicht, arme verrükte Seele!

Antipholis von Ephesus.
Ihr Schäzgen, ihr, sind das eure Gesellschafter?War es dieser
Geselle mit dem saffrangelben Gesicht hier, der heut in meinem
Hause mit euch schmaußte und lustig machte, indessen daß die Thüre
schändlicher Weise vor mir verschlossen, und der Eingang in mein
Haus mir mit Gewalt verwehrt wurde?

Adriana.
O mein lieber Mann, Gott weiß, daß ihr bey Hause zu Mittag gegessen
habt; wollte der Himmel ihr wäret dort geblieben, und hättet euch
nicht so öffentlich auf der Strasse in ein böses Geschrey gebracht.

Antipholis von Ephesus (zu Dromio.)
Aß ich in meinem Hause zu Mittag, Galgenschwengel?Was sagst du?

Dromio von Ephesus.
Herr, die Wahrheit zu sagen, ihr habt nicht bey Hause zu Mittag
gegessen.

Antipholis von Ephesus.
Waren meine Thüren nicht verriegelt, und wurd' ich nicht
ausgesperrt?

Dromio von Ephesus.
Parbleu, eure Thüren waren verriegelt, und ihr ausgesperrt.

Antipholis von Ephesus.
Und wies sie mich nicht selbst schimpflich ab?

Dromio von Ephesus.
Scherz (à part), sie wies euch schimpflich ab.

Antipholis von Ephesus.
Schimpfte und verspottete mich nicht ihr Küchen-Mensch?

Dromio von Ephesus.
Ma foi, die Küchen-Vestalin verspottete euch.

Antipholis von Ephesus.
Und gieng ich nicht endlich voller Wuth fort?

Dromio von Ephesus.
(En verité), das thatet ihr; meine Knochen sind Zeugen, die seitdem
die Stärke eurer Wuth gefühlt haben.

Adriana (zu Zwik.)
Ist es gut, ihm in diesen verkehrten Einfällen recht zu geben?

Zwik.
Es ist nicht unrecht; der Kerl merkt wo es ihm fehlt, und, um ihn
nicht noch mehr aufzubringen, sagt er zu allen seinen phrenetischen
Reden ja.

Antipholis von Ephesus (zu Adriana.)
Du hast den Goldschmidt aufgehezt, daß er mich in Verhaft nehmen
lassen sollte.

Adriana.
Himmel!  Durch diesen Dromio hier hab ich euch Geld geschikt, euch
zu befreyen, da er in gröster Eil dafür gelauffen kam.

Dromio von Ephesus.
Ihr schiktet Geld durch mich?Guten Willen mögt ihr wol geschikt
haben; aber das versichre ich euch, nicht einen Heller Geld.

Antipholis von Ephesus.
Giengest du nicht zu ihr, um einen Beutel mit Ducaten zu holen?

Adriana.
Er kam zu mir, und ich gab ihn ihm.

Luciana.
Und ich bin Zeuge, daß sie es gethan hat.

Dromio von Ephesus.
Gott und der Seiler sind Zeugen, daß ich nach nichts als nach einem
Strik geschikt worden bin.

Zwik.
Madam, der Herr und der Knecht ist einer so besessen als wie der
andre; ich seh es an ihrem blassen und tödtlichen Aussehen; man muß
sie binden, und in ein dunkles Gemach einsperren.

Antipholis von Ephesus.
Sag', warum verschlossest du das Haus vor mir; und du, Kerl, warum
läugnest du den Beutel mit Geld ab?

Adriana.
Ich habe euch nicht ausgeschlossen, mein lieber Mann.

Dromio von Ephesus.
Und ich, mein lieber Herr, ich habe kein Gold empfangen; aber das
bekenn' ich, Herr, daß wir ausgeschlossen worden sind.

Adriana.
Du verstellter Galgenstrik, du lügst beydes.

Antipholis von Ephesus.
Du verstellte Meze, du bist in allem falsch, und hast dich mit
einem verdammten Gesindel zusammen verschworen, mich um meine Ehre
zu bringen, und zum Spott und Scheusal vor der Welt zu machen.  Aber
mit diesen Nägeln will ich dir diese falschen Augen ausreissen,
welche ihre Lust daran sehen wollen, daß ein so schändliches Spiel
mit mir getrieben wird.  (Drey oder vier Kerle treten auf, und
erbieten sich, ihn zu binden; er wehrt sich.)

Adriana.
O bindet, bindet ihn, laßt ihn mir nicht nahe kommen.

Zwik.
Noch mehr Leute--Der böse Feind ist mächtig in ihm.

Luciana.
O weh, der arme Mann, wie bleich und verstellt er aussieht!

Antipholis von Ephesus.
Wie, wollt ihr mich ermorden?Du, Gerichtsdiener, ich bin dein
Gefangner; willst du leiden, daß sie mich dir entführen?

Gerichtsdiener.
Ihr Herren, laßt ihn gehen; er ist mein Gefangner, und ihr sollt
ihn nicht haben.

Zwik.
Geht, bindet diesen Mann auch, er ist so gut mondsüchtig als die
andern.

Adriana.
Was willt du hier, du unverständiger Gerichtsdiener?Was für eine
Freude hast du daran, zu sehen, daß ein armer verrükter Mann sich
selbst Schaden und Leids zufügt?

Gerichtsdiener.
Er ist mein Gefangner; wenn ich ihn gehen lasse, muß ich die Schuld
bezahlen, wegen welcher er in Verhaft gekommen ist.

Adriana.
Ich will dich stehendes Fusses befriedigen; führe mich nur zu
seinem Geläubiger;

(Sie binden Antipholis und Dromio.)

sobald ich weiß, wie hoch sich die Schuld beläuft, will ich sie
bezahlen.  Lieber Herr Doctor, sorget dafür, daß er unversehrt heim
in mein Haus gebracht werde.  O unglükseliger Tag!

Antipholis von Ephesus.
O unglükselige Meze!

Dromio von Ephesus.
Herr, ich bin hier euertwegen in Banden.

Antipholis von Ephesus.
Geh' zum T** du Galgenschwengel!  Willst du mich rasend machen?

Dromio von Ephesus.
Wollt ihr denn um nichts gebunden seyn?Raset, mein lieber Herr;
ruft, der Teufel --

Luciana.
Gott helf uns!  Die armen Tröpfe, was sie für Reden führen!

Adriana.
Geht, führt ihn weg; Schwester, bleib du bey mir.

(Zwik, Antipholis und Dromio gehen ab.)

Nun, sagt mir, auf wessen Klag ist er im Verhaft?

Gerichtsdiener.
Auf eines Goldschmidts, Namens Angelo; kennt ihr ihn?

Adriana.
Ja; wie viel ist er ihm schuldig?

Gerichtsdiener.
Zweyhundert Ducaten.

Adriana.
Und wofür?

Gerichtsdiener.
Für eine Kette, die euer Mann von ihm hatte.

Adriana.
Er bestellte eine Kette für mich, aber er hat sie noch nicht
empfangen.

Courtisane.
Gleich darauf, nachdem euer Mann in seiner Tollheit in mein Haus
eingefallen war, und mir meinen Ring genommen hatte, begegnet' ich
ihm auf der Strasse, und sah' daß er eine Kette am Halse trug.

Adriana.
Es mag seyn, aber ich habe sie nie gesehen.  Kommt, Gerichtsdiener,
führt mich zu dem Goldschmidt; es verlangt mich sehr, die Umstände
von der Sache zu erfahren.



Zehnte Scene.
(Antipholis von Syracus mit gezognem Degen, und Dromio von Syracus
 zu den Vorigen.)


Luciana.
Um's Himmels willen, sie sind schon wieder los.

Adriana.
Und kommen mit blassen Degen auf uns zu; wir wollen um Hülfe ruffen,
daß wir sie wieder binden können.

Gerichtsdiener.
Fort, fort, oder sie bringen uns um.

(Sie lauffen davon.)

Antipholis von Syracus.
Ich sehe, diese Hexen fürchten sich vor blossen Degen.

Dromio von Syracus.
Sie, die eure Frau seyn wollte, lief izt zuerst davon.

Antipholis von Syracus.
Komm, zum Centaur, und hol dort unsre Sachen ab; ich kan es kaum
erwarten, bis wir mit ganzer Haut von hinnen und am Bord sind.

Dromio von Syracus.
Glaubt mir, bleibt diese Nacht noch hier; sie thun uns gewiß nichts;
ihr habt ja gesehen, daß sie freundlich mit uns redten und uns
Gold gaben; mich däucht, sie sind ein so leutseliges Volk, daß,
wenn der Berg von abgestandnem Fleisch nicht wäre, der ehliche
Ansprüche an mich macht, ich recht von Herzen gern immer hier
bleiben, und selbst ein Zauberer werden möchte.

Antipholis von Syracus.
Nicht um die ganze Stadt wollt' ich hier über Nacht bleiben; fort
also, und pake unser Zeug zusammen.

(Sie gehen ab.)




Fünfter Aufzug.



Erste Scene.
(Eine Strasse vor einem Frauen-Kloster.)
(Der Kauffmann und Angelo treten auf.)


Angelo.
Es ist mir sehr leid, mein Herr, daß ich euch habe aufhalten müssen;
ich versichre euch aber, er hatte von mir eine Kette, ob er's
gleich so schändlicher Weise läugnet.

Kauffmann.
Was für einen Namen hat der Mann sonst in der Stadt?

Angelo.
Einen sehr ehrenvollen Namen, mein Herr; er ist ein Mann von
unendlichem Credit, sehr beliebt, und weicht keinem einzigen in der
Stadt, wer es sey; ein Wort von ihm gilt immer soviel, als mein
ganzes Vermögen.

Kauffmann.
Redet leise; mir däucht, dort seh ich ihn gehen.  (Antipholis und
Dromio von Syracus treten auf.)

Angelo.
Es ist so; und er trägt eben diese Kette um seinen Hals, die er
empfangen zu haben auf eine so unerhörte Art wegläugnete.  Mein
werther Herr, kommt mit mir, ich will ihn anreden--Herr Antipholis,
ich verwundre mich nicht wenig, warum ihr mich in solche Schmach
und Unruh habt sezen mögen, und daß ihr nicht wenigstens für eure
eigne Ehre mehr Sorge getragen, als mit solchen Umständen und
Schwüren diese Kette abzuläugnen, die ihr izt so öffentlich am
Halse tragt?Ausser der Beschimpfung und dem Verhaft, so ihr mir
und euch selbst zugezogen, habt ihr diesem meinem wakern Freund
einen grossen Schaden zugefügt, indem er, durch unsern Streit
aufgehalten, um die Gelegenheit, heute von hier abzufahren,
gekommen ist.  Könnt ihr's läugnen, daß ihr diese Kette von mir
hattet?

Antipholis von Syracus.
Ich denk', ich hatte sie von euch; ich hab' es nie geläugnet.

Kauffmann.
Ja, das thatet ihr, Herr; und schwuret noch dazu.

Antipholis von Syracus.
Wer hörte mich's läugnen und verschwören?

Kauffmann.
Diese meine Ohren, du weißst es, hörten dich; schäme dich,
niederträchtiger Mann; es ist zu bedauren, daß es dir erlaubt ist,
unter ehrlichen Leuten frey herum zu gehen.

Antipholis von Syracus.
Du selbst bist ein Schurke, mir solche Dinge schuld zu geben; ich
will diesen Augenblik meine Ehre und meine Unschuld gegen dich
beweisen, wenn du das Herz hast, stand zu halten.

Kauffmann.
Das hab' ich, und fordre dich als einen Schurken heraus --


(Sie ziehen den Degen.)



Zweyte Scene.
(Adriana, Luciana, Courtisane, und andre zu den Vorigen.)

Adriana.
Haltet ein, thut ihm kein Leid, um Gottes willen haltet ein; er ist
rasend; bemächtigt euch seiner, ihr; nehmt ihm seinen Degen; bindet
den Dromio auch, und führt sie in mein Haus.

Dromio von Syracus.
Lauft, Herr, lauft; um Gottes willen, flüchtet euch in ein Haus;
hier ist ein Kloster, denk' ich; hinein, oder wir sind verlohren.

(Sie lauffen in das Kloster.)
Die Frau Abbtißin tritt nach einer Weile auf.)

Abbtissin.
Seyd ruhig, ihr Leute; warum drängt ihr euch so zu?

Adriana.
Um meinen armen verrükten Mann abzuholen; laßt uns hinein, damit
wir ihn binden, und heim führen, um ihn wieder zurechte zu bringen.

Angelo.
Ich merkt's, daß er nicht recht bey Vernunft seyn müsse.

Kauffmann.
Wenn es so ist, so ist mir leid, daß ich gegen ihn gezogen habe.

Abbtissin.
Wie lang' ist der Mann schon in diesem Zustande?

Adriana.
Diese ganze Woche war er immer schwermüthig, dunkel und
niedergeschlagen, und gar nicht, gar nicht mehr der Mann, der er
ehmals war; aber bis zu diesem Nachmittag ist seine Krankheit nie
bis zur völligen Wuth ausgebrochen.

Abbtissin.
Hat er etwann durch einen Schiffbruch grosses Gut verlohren?Hat er
vielleicht irgend einen geliebten Freund begraben?Oder haben
etwann seine Augen sein Herz zu einer gesezwidrigen Liebe
verleitet?Eine Sünde, die bey jungen Männern, die ihren Augen die
Freyheit herumzuschweiffen gestatten, nur allzugewöhnlich ist.
Welches von diesen dreyen ist die Ursache seiner Zerrüttung?

Adriana.
Keine davon, es müßte dann die lezte seyn; nemlich, irgend eine
Liebe, die ihn oft aus seinem Hause zog.

Abbtissin.
Ihr hättet ihn deßwegen zur Rede stellen sollen.

Adriana.
Ey, das that ich auch.

Abbtissin.
Ja, aber nicht scharf genug.

Adriana.
So scharf, als es mir meine Schamhaftigkeit erlauben wollte.

Abbtissin.
Vermuthlich nur, wenn ihr allein waret.

Adriana.
Nein, auch vor andern Leuten.

Abbtissin.
Aber vielleicht nicht oft genug.

Adriana.
O, es war der beständige Innhalt unsers Umgangs; im Bette schlief
er nicht, so sehr rükt' ich's ihm vor; bey Tische aß er nicht, so
sehr rükt ich's ihm vor; allein, war es das Thema meiner
Beschwerungen; in Gesellschaft stichelt' ich immer darauf;
unaufhörlich sagt ich ihm, wie schlimm und unrecht es sey.

Abbtissin.
Und daher kam es, daß der Mann närrisch wurde.  Das giftige Geschrey
eines eifersüchtigen Weibes verwundet tödtlicher als der Biß eines
wüthenden Hunds.  Du gestehst, daß ihn dein Schmälen nicht schlafen
gelassen, daher kam es daß ihm sein Hirn austroknete; du sagst, du
habest ihm sein Essen mit deinen Vorwürfen gewürzt, unruhige
Mahlzeiten verursachen üble Verdauung: Daher zulezt das tobende
Feuer des Fiebers, und was ist Fieber anders als ein Anstoß von
Raserey?Du sagst, dein Gezänke hab' ihn bis in seine Ergözungs-
Stunden verfolgt; wenn einem Mann alle angenehme Zeitkürzung
verwehrt wird, was kan daraus erfolgen, als düstre Melancholie, ein
verstörtes Temperament, ein zähes Blut, und verdorbne
Feuchtigkeiten, die endlich das Leben selbst untergraben?In seiner
Nahrung, in seinen Ergözungen, und in seinem Schlaf gestört werden;
das wäre genug, einen Menschen zu einem Thier zu machen.  Der Schluß
ist also leicht gemacht, daß es bloß deine eifersüchtigen Grillen
sind, die deinen Mann um seinen Verstand gebracht haben.

Luciana.
Sie macht' ihm niemals andre Vorstellungen als sehr gelinde, da er
hingegen sich mürrisch und wild aufführte--Warum leidet ihr diese
Vorwürfe so geduldig, Schwester?Warum antwortet ihr nicht?

Adriana.
Sie hat mir das Gewissen ein wenig gerührt.--Lieben Leute, geht
hinein, und bemächtigt euch seiner.

Abbtissin.
Nein, kein lebender Mensch untersteh' sich in mein Haus
einzudringen.

Adriana.
So laßt eure Bedienten meinen Mann heraus bringen.

Abbtissin.
Auch diß nicht; er wählte diesen heiligen Ort zu seiner Freystatt,
und er soll darinn vor euern Händen sicher seyn; er soll so lange
darinn bleiben, bis ich ihn wieder zurechte gebracht, oder alle
meine Mühe im Versuch verlohren habe.

Adriana.
Ich will meinem Mann schon abwarten, ich will seine Krankenwärterin
seyn, es ist (meine) Pflicht; ich will keine andre Wärterin bey ihm
leiden, als mich selbst; und also gestattet, daß ich ihn mit nach
Hause nehme.

Abbtissin.
Geduldet euch, ich werd' ihn ganz gewiß nicht fortlassen, bis ich
meine bewährten Mittel an ihm versucht haben werde.  Gesunde Säfte,
Tränke und heilige Fürbitten, werden ihn, wie ich hoffe, in den
gehörigen Stand wieder herstellen; es ist eine Pflicht der
Christlichen Milde, die mein Ordens-Gelübde mir auflegt; begebt
euch also weg, und laßt ihn hier bey mir.

Adriana.
Ich will nicht fort, und meinen Mann hier lassen; es steht Euer
Hochwürden sehr übel an, Mann und Weib von einander trennen zu
wollen.

Abbtissin.
Sey ruhig und geh', du sollst ihn nicht haben.

Luciana.
Beschwert euch bey dem Herzog über diese Gewaltthätigkeit.

(Die Abbtissin geht ab.)

Adriana.
Kommt mit mir; ich will ihm zu Füssen fallen, und nicht aufstehen,
bis meine Thränen und Bitten Se.  Durchlaucht gewonnen haben, in
eigner Person hieher zu kommen, und meinen Mann der Abbtißin mit
Gewalt abzunehmen.

Kauffmann.
Ich seh' an der Uhr, daß es bald fünfe seyn wird; ich bin
versichert, der Herzog wird nicht lange mehr verziehen, in Person
diesen Weg zu kommen, zu dem melancholischen Thal hinter den Gräben
der Abbtey hier, wo die zum Tode Verurtheilten gerichtet zu werden
pflegen.

Angelo.
Warum dieses?

Kauffmann.
Um einen Syracusischen Kauffmann sterben zu sehen, der unglüklicher
Weise gegen die Geseze dieser Stadt, hier angeländet ist, und
deßwegen den Kopf verliehren muß.

Angelo.
Seht, da kommen sie schon; wir wollen der Hinrichtung zusehen.

Luciana (zu Adriana.)
Thut einen Fußfall vor dem Herzog, indem er bey der Abtey
vorbeygeht.



Dritte Scene.
(Der Herzog, und sein Gefolge, Aegeon mit blassem Haupt, der
 Nachrichter und andre Gerichtsdiener treten auf.)


Herzog.
Noch einmal ruft es öffentlich aus; wenn irgend ein Freund die
Summe für ihn bezahlen will, so soll er nicht sterben; das ist
alles, was wir für ihn thun können.

Adriana.
Justiz, Gnädigster Herr, gegen die Abbtißin.

Herzog.
Sie ist eine tugendhafte und ehrwürdige Frau; es kan nicht seyn,
daß sie dir unrecht gethan haben sollte.

Adriana.
Erlaubet mir zu reden, Gnädigster Herr; Antipholis, mein Mann, (den
ich auf euere vollgültige Empfehlung zum Herrn von meiner Person
und meinem Vermögen machte,) bekam an diesem unglüklichen Tag einen
so heftigen Anstoß von Raserey, daß er in seiner Tollheit durch die
Strassen lief, und den Leuten in der Stadt Ungemach zufügte, indem
er in die Häuser einfiel, und Ringe, Juweelen, und was ihm nur in
der Wuth anständig war, mit sich nahm.  Ich bemächtigte mich endlich
seiner, ließ ihn binden und heimbringen; indeß daß ich den Schaden
zu vergüten bemüht war, den er hier und da in der Raserey
angerichtet hatte.  Allein er riß, ich weiß nicht wie, sich von
denen wieder los die ihn hüten sollten, und begegnete uns, er und
sein Knecht, der so rasend als sein Herr ist, abermal voller Wuth
und mit gezognem Degen auf der Strassen, fiel uns an, und jagte uns
fort; wie wir aber in stärkerer Anzahl zurük kamen, um sie zu
binden, flohen sie in diese Abbtey, wohin wir ihnen folgten; und
hier schlägt die Abbtißin die Thüre vor uns zu, und will weder
leiden, daß ihr ihn holen, noch ihn heraus schiken, damit wir ihn
forttragen können.  Laßt also, Gnädigster Herr, laßt ihn auf euern
Befehl heraus gebracht, und zu seiner Wiederherstellung
heimgetragen werden.

Herzog.
Dein Mann hat mir vor langer Zeit schon in meinen Kriegen gute
Dienste gethan; und ich versprach dir, (da du ihn zum Herrn von
deinem Bette machtest,) bey meinem fürstlichen Wort, daß ich ihm
allezeit so viel Gnade und Gutes beweisen wolle, als ich könne.
Geh' jemand von euch, und klopfe an der Pforte an, und heisse die
Abbtißin zu mir heraus kommen; ich will diese Sache ausmachen, eh
ich weiter gehe.



Vierte Scene.
(Ein Bote zu den Vorigen.)


Bote.
O Frau, Frau, eilet und rettet euch; mein Herr und sein Diener
haben sich beyde losgerissen, die Mägde im Reihen herum geprügelt,
und den Doctor gebunden; sie haben ihm den Bart mit Feuerbränden
angestekt, und da er aufloderte, gossen sie ganze Kübel voll
Mistpfüzen-Wasser über ihn her, um das Haar wieder zu löschen: Mein
Herr predigt ihm Geduld, und unterdessen zwikt ihn sein Diener mit
einer Scheere, daß er närrisch werden möchte; wenn ihm nicht
augenbliklich jemand zu Hülfe geschikt wird, so bin ich gewiß, sie
werden den armen Teufelsbanner ums Leben bringen.

Adriana.
Schweige, du alberner Kerl, dein Herr und sein Diener sind hier; es
ist alles falsch was du uns da erzählst.

Bote.
Frau, auf mein Leben, ich sagte euch die Wahrheit; ich habe kaum
Athem geholt, seitdem ich es mit meinen Augen gesehen habe; er tobt
entsezlich über euch, und schwört, wenn er euer habhaft werde, so
woll' er euch so zeichnen, daß ihr euch selbst nimmermehr gleich
sehen sollet.

(Man hört ein Geschrey hinter der Bühne.)

Horcht, horcht, ich hör ihn, Frau; flieht, flieht.

Herzog.
Kommt, steht neben mich, fürchtet nichts; Wache, habet Acht!

Adriana.
Weh mir, es ist mein Mann; ihr seyd Zeugen, daß er unsichtbar
wieder heraus gekommen ist.  Eben izt sahen wir ihn in die Abbtey
hier hinein flüchten, und nun ist er hier, ohne daß ein Mensch
begreiffen kan, wie es zugegangen ist.



Fünfte Scene.
(Antipholis und Dromio von Ephesus zu den Vorigen.)


Antipholis von Ephesus.
Justiz, Gnädigster Herr, o, lasset mir Justiz angedeyhen.  Um des
Dienstes willen den ich euch einst that, da ich in der Schlacht
meinen Leib zu euerm Schild machte, und die Wunden auffieng, die
auf euch gezielt waren; um des Blutes willen, so ich damals verlohr,
euer Leben zu retten; lasset mir izt Justiz angedeyhen.

Aegeon.
Wenn Todesfurcht mein Auge nicht verfälscht, seh' ich hier meinen
Sohn Antipholis und Dromio.

Antipholis von Ephesus.
Justiz, theurer Fürst, gegen dieses Weibsbild hier; sie, die ihr
selbst mir zum Weibe gegeben habt, und die mich auf den äussersten
Grad betrogen und beschimpft hat.  Sie übersteigt alles was man sich
einbilden kan, die Beleidigung, so sie mir heute angethan hat.

Herzog.
Erzähle worinn, und du sollst mich gerecht finden.

Antipholis von Ephesus.
An diesem heutigen Tag, grosser Herzog, schloß sie die Thüre vor
mir zu, und schmaußte indessen mit Huren in meinem Hause.

Herzog.
Ein schweres Vergehen; sag', Weibsbild, thatest du das?

Adriana.
Nein, Gnädigster Herr; ich selbst, er und meine Schwester haben
heute mit einander zu Mittag gegessen; möge meine Seele verlohren
seyn, wenn dieses falsch ist; er legt mir das ungebührlich zu.

Luciana.
Nimmermehr mög' ich den Tag wieder sehen, wenn das nicht die reine
Wahrheit ist, was sie Euer Durchlaucht gesagt hat.

Angelo.
O meineidige Weibsstüke!  Sie schwören beyde falsch; hierinn klagt
sie der tolle Mann mit Recht an.

Antipholis von Ephesus.
Gnädigster Herr, ich weiß was ich rede; ich bin weder betrunken
noch von Zorn und Wuth verrükt, ob ich gleich auf eine Art
beleidiget bin, die einen gescheidtern Mann als ich bin, rasend
machen könnte.  Dieses Weibsbild rigelte mich heut, um Mittagessens-
Zeit zum Hause hinaus; dieser Goldschmidt hier, wenn er nicht mit
ihr in Verständniß wäre, könnt' es bezeugen, denn er war damals bey
mir; und hernach verließ er mich um eine Kette zu holen, die er mir
ins Stachelschwein zu bringen versprach, wo Balthasar und ich mit
einander zu Mittag assen.  Wie wir gegessen hatten, und er nicht kam,
gieng ich aus, ihn aufzusuchen; ich traf ihn auf der Strasse an,
und diesen Herrn hier in seiner Gesellschaft.  Hier schwur mich
dieser meineidige Goldschmidt zu Boden, daß ich die Kette würklich
schon von ihm empfangen hätte, die ich doch, weiß Gott, nicht
gesehen habe; und um deswillen ließ er mich durch einen
Gerichtsdiener in Verhaft nehmen.  Ich bequemte mich, und schikte
meinen Kerl um eine Summe Ducaten nach Hause, er brachte mir aber
nichts zurük.  Darauf bat ich den Gerichtsdiener höflich, daß er in
Person mit mir in mein Haus gehen möchte.  Unterwegs traffen wir auf
mein Weib, ihre Schwester, und ein ganzes Pak ihrer nichtswürdigen
Mitgenossen; sie brachten einen gewissen Zwik mit, einen
ausgehungerten dürren Spizbuben, ein pures Gerippe, einen
Marktschreyer, der den Leuten wahrsagt, einen armseligen, hol-
augichten, scharfblikenden Tropf, einen lebendigen Todten-Körper;
dieser verfluchte Lumpen-Kerl, den sie als einen Beschwörer
mitgebracht hatten, gaffte mir in die Augen, fühlte mir den Puls,
und schrie: Ich sey besessen.  Sogleich fielen sie alle über mich
her, banden mich, führten mich heim, und liessen mich und meinen
Knecht dort, beyde zusammengebunden, in einem dunkeln und dumpfigen
Gewölbe ligen; bis ich, nachdem ich meine Bande mit den Zähnen von
einander gebissen, meine Freyheit wieder erhielt, und unmittelbar
hieher zu Eu.  Durchlaucht lief; welche ich ersuche, mir wegen
solcher unerhörten Beschimpfungen und Kränkungen die vollständigste
Genugthüung zu verschaffen.

Angelo.
Gnädigster Herr, in so weit kan ich ihm Zeugniß geben, daß er nicht
bey Hause zu Mittag aß, sondern hinaus geschlossen wurde.

Herzog.
Aber hatte er eine solche Kette von dir, oder nicht?

Angelo.
Er hatte sie, Gnädigster Herr, und da er hieher gelauffen kam,
sahen diese Leute, daß er die Kette am Halse trug.

Kauffmann.
Überdiß kan ich darauf schwören, daß diese meine Ohren euch
bekennen gehört haben, daß ihr die Kette von ihm empfangen, nachdem
ihr vorher auf dem Markte das Gegentheil geschworen hattet; ich zog
deßwegen den Degen gegen euch, und da flohet ihr in diese Abtey
hier, aus der ihr, denk ich, durch ein Wunderwerk wieder heraus
gekommen seyn müßt.

Antipholis von Ephesus.
Ich bin niemals in diese Abtey hinein gekommen, und niemals hast du
deinen Degen gegen mich gezogen; auch hab ich, so wahr mir der
Himmel helfe, die Kette nie gesehen; ihr beschuldiget mich alles
dessen mit Unrecht.

Herzog.
Wie, was für ein verworrener Handel ist das?Ich glaube, ihr habt
alle aus Circe's Becher getrunken: Wenn ihr ihn in dieses Kloster
getrieben hättet, so würd' er drinn seyn; wenn er rasend wäre, so
würd' er seine Klage nicht mit so kaltem Blut vorbringen.  Ihr sagt
er habe zu Hause mit euch zu Mittag gegessen; der Goldschmidt hier
widerspricht euch das--Kerl, was sagst du?

Dromio von Ephesus.
Gnädigster Herr, er aß mit dieser hier zu Mittag, im Stachelschwein.

Courtisane.
Das that er, und da zog er mir den Ring vom Finger.

Antipholis von Ephesus.
Das ist wahr, Gnädigster Herr, diesen Ring hatt' ich von ihr.

Herzog (zur Courtisane)
Sahst du ihn in die Abbtey hier hinein gehen?

Courtisane.
So gewiß, Gnädigster Herr, als ich izt Eu.  Durchlaucht sehe.

Herzog.
Wie, das ist wunderlich; geht, ruft die Abbtißin heraus; ich denke
ihr seyd alle bezaubert oder toll.

(Einer geht zu der Abbtissin ab.)



Sechste Scene.


Aegeon.
Großmächtigster Herzog, verstattet mir ein Wort zu reden: Ich sehe
hier glüklicher Weise einen Freund, der mein Leben retten, und mein
Lösegeld bezahlen wird.

Herzog.
Rede frey, Syracusaner, was du willst.

Aegeon (zu Antipholis.)
Mein Herr, ist euer Name nicht Antipholis?Und ist das nicht euer
Sclave, Dromio?Ich bin gewiß, ihr werdet mich beyde kennen--Wie?
Warum seht ihr mich so fremd an?Ihr kennet mich wol.

Antipholis von Ephesus.
Ich hab' euch, bis izt, in meinem Leben nicht gesehen.

Aegeon.
O!  Gram und Kummer haben mein Gesicht unkenntlich gemacht, seitdem
wir das leztemal uns sahen; aber sag' mir, kennst du nicht
wenigstens meine Stimme?

Antipholis von Ephesus.
Eben so wenig.

Aegeon.
Du auch nicht, Dromio?

Dromio von Ephesus.
Nein, meiner Treu, Herr, ich nicht.

Aegeon.
Ich bin gewiß, du kennst mich!

Dromio von Ephesus.
Und ich bin gewiß, daß ich euch noch nie gesehen hab' als izt!

Aegeon.
Meine Stimme nicht mehr kennen!  O Zeit, hast du denn in sieben
kurzen Jahren meine arme Zunge so gebrochen, daß mein einziger Sohn
hier ihren sorgenvollen Ton nicht mehr erkennt?Obgleich diß mein
graues Gesicht in des saftverzehrenden Winters Schnee eingehüllt
ist, und alle Canäle meines Bluts zugefroren sind; so hat doch die
Nacht meines Lebens einiges Gedächtniß, meine ausgebrannte Lampe
noch einen schwachen Schimmer übrig, und meine tauben Ohren noch
ein wenig Gehör; alle diese Zeugen lassen mich nicht irren, indem
sie mir sagen, daß du mein Sohn Antipholis bist.

Antipholis von Ephesus.
In meinem Leben hab' ich meinen Vater nie gesehen.

Aegeon.
Und doch weißst du, daß es erst sieben Jahre sind, daß wir in der
Bay von Syracus von einander Abschied nahmen; aber vielleicht
schämest du dich izt, mein Sohn, mich in meinem elenden Zustande zu
erkennen.

Antipholis von Ephesus.
Der Herzog und alle in der Stadt die mich kennen, können meine
Zeugen seyn, daß es nicht so ist; ich habe Syracus in meinem Leben
nie gesehen.

Herzog.
Ich sage dir, Syracusaner, zwanzig Jahre bin ich des Antipholis
Patron gewesen, und in dieser ganzen Zeit hat er Syracus nie
gesehen.  Ich sehe, dein Alter und die Todesfurcht machen dich
schwärmen.



Siebende Scene.
(Die Abbtißin mit Antipholis und Dromio von Syracus zu den Vorigen.)


Abbtissin.
Gnädigster Herr, sehet hier einen Mann, dem das gröste Unrecht
geschehen ist.

(Alle drängen sich, ihn zu sehen.)

Adriana.
Was seh ich?betrügen mich meine Augen?Ich seh meinen Mann
gedoppelt.

Herzog.
Einer von diesen beyden Männern ist der Genius des andern.  Und so
ist es auch mit diesen.  Welcher von Beyden ist der natürliche
Mensch, und welcher der Geist?Wer entziefert sie?

Dromio von Syracus.
Ich, Herr, bin Dromio; heißt ihn fortgehen.

Dromio von Ephesus.
Ich bin Dromio, Herr; laßt mich da bleiben.

Antipholis von Syracus.
Bist du nicht Aegeon, mein Vater?oder bist du sein Geist?

Dromio von Syracus.
O!  mein guter alter Herr, wer hat euch so gebunden?

Abbtissin.
Wer ihn auch so gebunden haben mag, ich will ihn los machen, und
durch seine Freyheit einen Ehemann gewinnen.  Rede, alter Aegeon,
wenn du der Mann bist, der einst ein Weib, Aemilia genannt, hatte,
die dir auf einmal zween schöne Söhne gebahr?O wenn du eben dieser
Aegeon bist so rede, und rede zu eben dieser Aemilia.

Herzog.
Wie, hier fangt die Geschichte, die er diesen Morgen erzählte, sich
zu entwikeln an; diese zween Antipholis und diese zween Dromio sind
diese Brüder, die nicht von einander unterschieden werden konnten;
hier sind die Eltern dieser Kinder, und der Zufall hat sie heute
zusammen gebracht.

Aegeon.
Wenn ich nicht träume, so bist du Aemilia, wenn du sie bist, so
sage mir wo ist der Sohn, der mit dir auf dem fatalen Boote schwamm?

Abbtissin.
Er und ich, und der Zwilling Dromio, wurden alle von Männern von
Epidamnum aufgefangen; allein bald darauf nahmen ihnen rohe
Fischers-Leute von Corinth, Dromio und meinen Sohn mit Gewalt ab,
und mich liessen sie bey denen von Epidamnum.  Was hernach aus ihnen
wurde, kan ich nicht sagen; ich bin in diesen Stand gekommen,
worinn ihr mich seht.

Herzog (zum Antipholis von Syracus.)
Antipholis, du kamst ja anfangs von Corinth hieher?

Antipholis von Syracus.
Nicht ich, Gnädigster Herr; ich kam von Syracus.

Herzog.
Stellt euch einander gegen über; ich verwechsle euch immer mit
einander.

Antipholis von Ephesus.
Ich kam von Corinth, Gnädigster Herr.

Dromio von Ephesus.
Und ich mit ihm.

Antipholis von Ephesus.
Von dem berühmten Helden, dem Herzog Menaphon, euerm ehren-vollen
Oheim, in diese Stadt gebracht.

Adriana.
Welcher von euch beyden aß heute mit mir zu Mittag?

Antipholis von Syracus.
Ich, werthe Madam.

Adriana.
Ihr seyd also nicht mein Mann?

Antipholis von Ephesus.
Nein, dazu sag' ich nein.

Antipholis von Syracus.
Das thu ich auch, ob ihr mich gleich so nenntet, und dieses schöne
Frauenzimmer, eure Schwester, mich Bruder hieß.  Was ich euch damals
sagte, werde ich, wie ich hoffe, Gelegenheit bekommen, zu
bestätigen, wenn anders das, was ich sehe und höre nicht ein Traum
ist.

Angelo.
Diß ist die Kette, mein Herr, die ihr von mir bekamet.

Antipholis von Syracus.
Ich denk' es ist so; ich läugn' es nicht.
                
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