This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg2000.de erreichbar.
Die Irrungen,
oder
die doppelten Zwillinge,
William Shakespeare
ein Lustspiel.
Übersetzt von Christoph Martin Wieland
Personen.
Salinus, Herzog von Ephesus.
Aegeon, ein Kauffmann von Syracus.
Antipholis von Ephesus und Antipholis von Syracus, Zwillings-Brüder
und Söhne von Aegeon und Aemilia, aber einander unbekannt.
Dromio von Ephesus und Dromio von Syracus, Zwillings-Brüder und
Sclaven der beyden Antipholis.
Balthasar, ein Kauffmann.
Angelo, ein Goldschmidt.
Zween andre Kauffleute.
Dr. Zwik, ein Schulmeister und Beschwörer.
Aemilia, Aegeons Weib, eine Abbtißin zu Ephesus.
Adriana, des Antipholis von Ephesus Weib.
Eine Courtisane.
Luciana, Ihre Schwester.
Kerkermeister, Gerichtsdiener, Trabanten, und andre stumme Personen.
Die Scene ist zu Ephesus.
Erster Aufzug.
Erste Scene.
(Des Herzogs Palast.)
(Der Herzog von Ephesus, Aegeon, ein Kerkermeister, und einige vom
Gefolge des Herzogs treten auf.)
Aegeon.
Säume dich nicht länger, Salinus, durch den Ausspruch meines
Urtheils, meinem unglüklichen Leben ein Ende zu machen.
Herzog.
Kauffmann von Syracus, sage nichts mehr zu deiner Verantwortung;
ich kan zum Nachtheil des Gesezes nicht partheylich seyn. Das
neuliche grausame Verfahren euers Herzogs gegen einige Kauffleute,
unsre getreue Unterthanen, welche, weil sie nicht Gold genug hatten
ihr Leben loszukaufen, sein strenges Gesez mit ihrem Blute
besiegelt haben, schließt alles Erbarmen aus unsern dräuenden
Bliken aus. Denn seitdem diese verderbliche Zwietracht zwischen
deinen aufrührischen Landsleuten und uns ausgebrochen, ist in der
allgemeinen Versammlung des Volks, sowol von den Syracusern als von
uns, beschlossen worden, keine Handlung noch Gemeinschaft zwischen
unsern feindseligen Städten zu erlauben; noch mehr, welcher
gebohrne Epheser sich auf den Märkten und Jahrsmessen von Syracus
betreten läßt, der stirbt; und hinwieder, welcher gebohrne
Syracuser in der Bay von Ephesus gefunden wird, der stirbt, und
seine Güter werden zu Handen des Staats eingezogen; es sey dann,
daß er tausend Mark zu seinem Lösegeld bezahlen könne. Nun belauft
sich alles was du hast, nach der äussersten Schazung, kaum auf
hundert Mark; du bist also nach dem Geseze zum Tode verdammt.
Aegeon.
Mein Trost ist, daß die Vollziehung euers Worts noch vor Sonnen-
Untergang auch meinen Unglüks-Fällen ein Ende machen wird.
Herzog.
Gut, Syracuser, erzähl' uns kürzlich die Ursache, warum du deine
väterliche Heimath verlassen hast, und warum du hieher nach Ephesus
gekommen bist.
Aegeon.
Eine schwerere Verrichtung könnte mir nicht auferlegt werden, als
daß ich von meinem unaussprechlichen Kummer reden soll. Jedoch,
damit die Welt erkenne, daß der natürliche Lauf der menschlichen
Zufälle, und nicht irgend ein scheußliches, die Rache der Götter
aufforderndes Verbrechen, mir dieses unglükliche Ende zuzieht; so
will ich sagen, was mein Schmerz mir zu sagen Vermögen lassen wird.
Zu Syracus ward ich gebohren, und mit einem Weibe vermählt, die
mich glüklich machte, und es durch mich selbst gewesen wäre, wenn
ein feindseliges Schiksal die Dauer unsrer Glükseligkeit gestattet
hätte. Mit ihr lebt' ich vergnügt; mein Vermögen nahm durch
beglükte Reisen zu, die ich häuffig nach Epidamnum machte; bis der
Tod meines Factors, und die Sorge für meine Güter, die dadurch ohne
Aufsicht gelassen worden, mich aus den Umarmungen meiner Gattin riß.
Ich war noch nicht volle sechs Monat von ihr entfernt, als sie
(obgleich zu einer Zeit, da sie unter der angenehmen Straffe ihres
Geschlechts schmachtete,) Anstalten machte, mir nachzufolgen, und
bald und glüklich anlangte wo ich war. Sie war nicht lange da, so
wurde sie eine freudenvolle Mutter von zween hübschen Knaben, die
einander so wundersam gleich sahen, daß es unmöglich war, sie
anders, als durch Namen zu unterscheiden. In eben dieser Stunde und
an dem nemlichen Ort, ward eine arme Frau gleichfalls von zween
männlichen Zwillingen entbunden, die einander eben so gleich sahen;
diese kaufte ich ihren Eltern ab, denn es waren bettelarm Leute,
und zog sie auf, daß sie meinen Söhnen aufwarten sollten. Mein Weib,
die auf zween solche Knaben nicht wenig stolz war, drang täglich
in mich, unsre Heimreise zu beschleunigen; ich willigt' endlich,
wiewol ungern ein, und wir giengen, ach allzubald! zu Schiffe. Wir
hatten kaum eine Meile von Epidamnum fortgesegelt, als ein
plözlicher Sturm den Tag verdunkelnd, uns nur noch so viel düstres
Licht übrig ließ als nöthig war, unsern erschroknen Augen die
Gewißheit des unvermeidlichen Todes zu zeigen. Ich, für meinen
eignen Theil, würde mich willig darein ergeben haben; aber das
herzrührende Jammern eines geliebten Weibes, und das Geschrey ihrer
holdseligen Kinder, die, ohne zu wissen was sie fürchten sollten,
nur weinten, weil sie ihre Mutter weinen sahen, nöthigte mich auf
Rettung oder wenigstens auf einige Frist für sie und mich zu denken;
und diß war es, denn kein anders Mittel hatt' ich nicht. Das
Schiffs-Volk suchte seine Rettung in unserm Boot, und überließ uns
das Schiff, welches schon zum Versinken reif war. Mein Weib, für
ihren Erstgebohrnen am meisten besorgt, hatte ihn an einen
vorräthigen dünnen Mastbaum gebunden, dergleichen die Seeleute zur
Vorsorge mit sich zu nehmen pflegen; zu ihm wurde einer von den
andern beyden Zwillingen gebunden, indessen daß ich mit den übrigen
beyden das nemliche that. Nachdem wir nun die Kinder solchergestalt
besorgt hatten, banden wir uns, mein Weib und ich, die Augen auf
den Gegenstand unsrer zärtlichen Sorgen geheftet, jedes an das
andere Ende des Mastbaums, und überliessen uns so den Wellen, von
denen unser Schiff, wie uns däuchte, nach Corinth getrieben wurde.
Endlich zerstreute die Sonne das Gewölke, und die See wurde wieder
ruhiger; da entdekten wir bey ihrem wohlthätigen Licht zwey Schiffe,
die auf uns zusegelten, eines von Corinth, und das andre von
Epidaurus; aber eh sie zu uns kamen--o, zwingt mich nicht
fortzufahren! Errathet das Folgende aus dem Vorhergehenden.
Herzog.
Nein, fahre fort, alter Mann, brich deine Erzählung nicht so ab;
wenn wir dich nicht retten können, so können wir doch Erbarmniß mit
dir haben.
Aegeon.
O hätten die Götter das gethan, so hätt' ich keine Ursach, sie
unbarmherzig gegen uns zu nennen. Wir waren nur wenige Meilen noch
von diesen Schiffen entfernt, als unser hülfloses Schiff, durch
einen plözlichen Stoß an einen im Meer verborgnen Felsen mitten
entzwey geschmettert wurde. Das Glük, welches mein Weib und mich
auf eine so ungerechte Weise schied, ließ einem jeden was uns
zugleich Freude und Kummer machte. Ihr Theil, der armen Seele!
Vermuthlich weil er leichter beladen war, wurde vom Wind schneller
vorwärts getrieben, und alle drey wurden in meinem Gesicht, von
Corinthischen Fischern, wie mir dauchte, aufgefangen. Endlich
bemächtigte sich ein andres Schiff meiner auch; ich fand bekannte
Freunde darinn, welche sich freuten, daß sie uns in einer solchen
Noth hatten Hülfe leisten können; sie würden auch, mir zu lieb, die
Fischer ihrer Beute gerne beraubt haben; allein da ihre Barke
schlecht besegelt war, mußten sie es aufgeben, und richteten ihren
Lauf der Heimat zu--Und nun habt ihr gehört was mich meiner
Glükseligkeit beraubt hat, und durch was für Unfälle mein Leben nur
dazu verlängert worden ist, daß ich klägliche Geschichten erzählen
kan, von denen mein eignes Unglük der Innhalt ist.
Herzog.
Um derer willen, um welche du traurest, erzeige mir die
Gefälligkeit, und melde noch, wie es ihnen und dir ferner ergangen
ist.
Aegeon.
Mein jüngster Sohn bekam als er achtzehn Jahre hatte, ein heftiges
Verlangen, seinen Bruder aufzusuchen, und ließ nicht nach, biß ich
ihm erlaubte sich auf den Weg zu machen, und seinen Diener (der in
dem gleichen Fall wie er, und seines Bruders beraubt war, aber den
Namen desselben, wie mein Sohn den Namen seines ältern Bruders,
behalten hatte,) zu seiner Gesellschaft mitzunehmen. Ich wagte also
einen geliebten Sohn, den ich hatte, um denjenigen zu finden, den
ich nicht hatte; und verlohr dadurch beyde. Fünf Sommer hab' ich
schon angewandt, um sie in dem fernsten Griechenland zu suchen, und
nachdem ich durch alle Gegenden von Asien auf- und niedergeschwärmt,
kam ich endlich nach Ephesus, zwar ohne Hoffnung sie da zu finden,
aber doch entschlossen, weder diesen noch irgend einen andern von
Menschen bewohnten Ort undurchsucht zu lassen. Allein hier muß ich
die Geschichte meines Lebens enden, und der Tod würde mir
willkommen seyn, wenn ich von allen meinen Reisen nur soviel
erhalten hätte, daß ich von ihrem Leben versichert wäre.
Herzog.
Unglüklicher Aegeon, den die Göttinnen des Geschikes dazu bestimmt
haben, den äussersten Grad der grausamsten Widerwärtigkeiten zu
erfahren; glaube mir, wär' es nicht gegen unsre Geseze, (welche
Fürsten, wenn sie auch wollten, nicht vernichten können,) wär' es
nicht gegen meine Crone, meinen Eid, und meine Würde, mein Herz
würde keinen Augenblik verziehen, der Regung Plaz zu geben, die
darinn für dich spricht. Allein, ob dich gleich ein
unwiderrufflicher Spruch zum Tode verurtheilt, so will ich doch
soviel zu deiner Rettung thun, als mir Macht gelassen ist; ich
schenke dir also noch diesen Tag, Kauffmann, damit du dein Leben
durch andrer Beyhülfe zu erhalten suchen könnest; stelle alle
Freunde, die du in Ephesus haben magst, auf die Probe; bettle oder
borge soviel als du nöthig hast, um dein Lösegeld voll zu machen,
und lebe; wo nicht, so bist du verurtheilt zu sterben.--
Kerkermeister, nimm ihn in deine Aufsicht.
(Der Herzog und Gefolge gehen ab.)
Kerkermeister.
Ich will, Gnädigster Herr.
Aegeon.
Hülf- und hoffnunglos geht Aegeon, um das Ende seines Lebens einen
Tag später zu sehen.
(Aegeon und Kerkermeister gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Antipholis von Syracus, ein Kauffmann und Dromio treten auf.)
Kauffmann.
Wenn ihr nicht wollt, daß euer Geld sogleich wieder verlohren sey,
so gebt aus, ihr seyd von Epidamnum. Erst diesen nemlichen Morgen
ist ein Syracusischer Kauffmann hier eingezogen worden, und weil er
nicht im Stande war, sein Leben loszukauffen, so muß er nach unserm
Gesez noch vor Sonnen Untergang sterben. Hier ist euer Geld, das
ihr bey mir hinterlegt hattet.
Antipholis.
Geh, Dromio, trag es in den Centaur, wo wir unser Quartier genommen
haben; warte dort bis ich komme, in einer Stunde wird es
Mittagessens-Zeit seyn. Ich will indessen die Stadt in Augenschein
nehmen, mit den Kauffleuten Bekanntschaft machen, die Gebäude
anschauen, und dann in mein Wirthshaus zurükkommen und schlafen;
denn ich bin von langwierigen Reisen ganz steiff und müde. Geh
deiner Wege.
Dromio.
Mancher würde euch beym Worte nehmen, und mit einem so hübschen
Reisegeld seines Wegs gehen.
(Dromio geht ab.)
Antipholis.
Er ist ein ehrlicher Schurke, mein Herr, der mich, wenn ich
niedergeschlagen und melancholisch bin, mit seinen närrischen
Einfällen oft wieder aufgeräumt macht. Wie ists, wollt ihr nicht
mit mir in der Stadt herum gehen, und hernach in meinem Gasthof mit
mir zu Mittag essen?
Kauffmann.
Mein Herr, ich bin zu etlichen andern Kauffleuten bestellt, von
denen ich einen ansehnlichen Profit zu machen hoffe; ihr werdet
mich also entschuldiget halten. Sobald es fünfe geschlagen hat,
will ich euch, wenn es beliebig ist, auf dem Markt wieder antreffen,
und euch dann bis zur Schlafzeit Gesellschaft leisten. Dißmal
ruffen mich meine Geschäfte von euch ab.
Antipholis.
Lebet wohl bisdahin; ich will indeß allein herumgehen, und die
Stadt besehen.
Kauffmann.
Mein Herr, ich überlaß' euch euerm eignen Vergnügen.
(Der Kauffmann geht ab.)
Dritte Scene.
Antipholis.
Wer mich meinem eignen Vergnügen überläßt, überläßt mich einem Ding,
daß ich nirgends finden kan. Ich bin in der Welt wie ein Tropfen
Wassers, der im Ocean einen andern Tropfen suchen will, und indem
er hineinfallt sich selbst verliehrt, ohne den andern zu finden. So
geht es unglüklicher Weise auch mir; indem ich eine Mutter und
einen Bruder suchen will, verliehr' ich mich selbst. (Dromio von
Ephesus tritt auf.) Hier kommt mein Kerl wieder--Was hat das zu
bedeuten?Warum kommst du sobald wieder zurük?
Dromio von Ephesus.
Sobald wieder zurük! Sagt vielmehr: Warum findst du mich so spät?
Der Capaun dorrt aus, das Spanferkel fällt vom Spieß ab, die Gloke
hat zwölfe geschlagen; meine Frau machte, daß es auf meinem Baken
eins wurde; sie ist so heiß, weil das Essen kalt wird; das Essen
wird kalt, weil ihr nicht heim kommt; ihr kommt nicht heim, weil
ihr keinen Appetit habt; ihr habt keinen Appetit, weil ihr eure
Fasten gebrochen habt; und wir, welche wissen was fasten und beten
ist, wir müssen nun dafür büssen, daß ihr gesündigt habt.
Antipholis.
Spare deinen Athem, junger Herr; sage mir erst, ich bitte dich, wo
du das Geld gelassen hast, das ich dir gab?
Dromio von Ephesus.
Oh--Die drey Bazen, die ich Mittwochs kriegte, um den Sattler für
den Schwanz-Riemen an meiner Frauen ihrem Pferd zu bezahlen?Der
Sattler hat sie, Herr; ich habe sie nicht behalten.
Antipholis.
Ich bin izt in keinem spaßhaften Humor; sag' mir ohne zu schäkern,
wo ist das Geld?Wie unterstehst du dich, an einem Orte wo wir
fremde sind, eine so grosse Summe aus deiner eignen Verwahrung zu
geben?
Dromio von Ephesus.
Ich bitte euch Herr, scherzet wenn ihr bey Tische sizt. Meine Frau
hat mich in gröster Eile geschikt euch zu suchen; wenn ihr nicht
gleich kommt, wird es mein Schedel entgelten müssen; mir däucht,
euer Magen sollte, wie der meinge, eure Gloke seyn, und euch ohne
einen Boten heimschlagen.
Antipholis.
Komm, Dromio, komm, diese Possen sind izt zur Unzeit, spare sie auf
eine lustigere Stunde. Wo ist das Gold, das ich dir aufzuheben gab?
Dromio von Ephesus.
Mir, Herr?Wie, ihr habt mir kein Gold gegeben.
Antipholis.
Hey da, Herr Spizbube, hör auf den Narren zu treiben, und sag mir,
wie hast du deinen Auftrag besorgt?
Dromio von Ephesus.
Mein Auftrag war, euch von dem Markt nach Hause zu holen, in den
Phönix, Herr, zum Mittag-Essen, meine Frau und ihre Schwester
warten auf euch.
Antipholis.
Nun, so wahr ich ein Christ bin, antworte mir wo du mein Geld
hingethan hast, oder ich werde dir diesen kurzweiligen Kragen
umdrehen, der so unzeitigen Spaß treibt wenn es mir nicht gelegen
ist; wo sind die tausend Mark, die du von mir empfangen hast?
Dromio von Ephesus.
Ich hab' einige Marken von euch auf meinem Kopf, und einige Marken
von meiner Frauen auf meinen Schultern; aber von tausend Mark
ausser diesen weiß ich nichts. Wenn ich sie Euer Gestreng wieder
zurükzahlen würde, so würdet ihr's vielleicht nicht geduldig tragen.
Antipholis.
Deiner Frauen Marken?Welcher Frauen, Schurke?Was hast du für eine
Frau?
Dromio von Ephesus.
Euer Gestreng eigne Frau, meine Frau zum Phönix; Sie, welche fasten
muß, bis ihr nach Hause kommt, und betet, daß ihr bald kommen möget.
Antipholis.
Wie, willt du mich so ins Gesicht für deinen Narren haben, und
dir's nicht wehren lassen?Da nimm das, Herr Schurke.
(Er giebt ihm Schläge.)
Dromio von Ephesus.
Was denkt ihr, Herr?Um Gottes willen, haltet eure Hände--Nein,
wenn ihr nicht wollt, Herr, so will ich meine Füsse brauchen --
(Er geht ab.)
Antipholis.
So wahr ich lebe, der Bube ist durch irgend einen schlimmen Streich
um mein Geld gebracht worden. Man sagt, diese Stadt sey voller
Spizbuben-Gesindel*, als, Taschenspieler, so die Augen betrügen,
Zauberer, so durch magische Getränke das Gemüth zerrütten, und
Hexen, so den Leib verunstalten; verkleidete Beutelschneider,
geschwäzige Marktschreyer, und wer weiß was noch mehr für
dergleichen Leute die sich alles erlaubt halten; wenn es so ist, so
will ich desto schneller heimgehen. Ich will in den Centaur, und
diesen Schurken aufsuchen, ich sorge, mein Geld ist nicht wol
verwahrt.
{ed.-* Diß war der Character, den die Alten von dieser Stadt geben.
Daher das gemeine Sprüchwort: Ejesia alexijarmaka, so auch beym
Menander, wo Ejesia grammata in dem nemlichen Sinn vorkommt.
Warburton.}
(Er geht ab.)
Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
(Das Haus des Antipholis von Ephesus.)
(Adriana und Luciana treten auf.)
Adriana.
Weder mein Mann noch mein Sclave kommt zurük, den ich doch so
eilfertig seinem Herrn entgegen geschikt habe?ganz gewiß, Luciana,
es ist schon zwey Uhr.
Luciana.
Vielleicht ist er vom Markte weg, mit irgend einem Kauffmann, der
ihn eingeladen hat, zum Mittag-Essen gegangen; meine liebe
Schwester, wir wollen essen, und uns nicht deßwegen grämen. Ein
Mann ist Herr über seine Freyheit, und hat keinen andern Herrn als
seine Gelegenheit; sie kommen und gehen, je nachdem es ihnen
gelegen ist; und da es nun einmal so ist, so seyd geduldig,
Schwester.
Adriana.
Warum sollen sie mehr Freyheit haben, als wir?
Luciana.
Weil ihre meisten Geschäfte ausser dem Hause ligen.
Adriana.
Seht, wenn ich ihn auf diesen Fuß bedienen will, nimmt er's übel.
Luciana.
Oh, ihr müßt wissen, daß er der Zaum euers Willens ist.*
{ed.-* Der Zusammenhang ligt hier in den Reimen, worinn
dieser Dialogus im Original geschrieben ist.}
Adriana.
Nur Esel werden sich gutwillig so zäumen lassen.
Luciana.
Es ist nichts unter dem Himmel, das nicht in der Erde, in der See,
oder in der Luft einem andern unterworfen sey. Die Fische, die
Thiere und die Vögel sind ihren Männlein unterworfen, und stehen
unter ihrem Gebott; der göttlichere Mensch, Herr über sie alle,
Beherrscher dieser weiten Welt und des Oceans, der sie umströmt,
mit einer denkenden Seele begabt, die ihn über alle andern Thiere
hinaufsezt, wird nicht in diesem einzigen Stük weniger als sie seyn;
er ist Herr über sein Weib, und ihr rechtmäßiger Gebieter; laßt
euch's also nicht verdriessen, euern Willen nach dem seinigen zu
stimmen.
Adriana.
Und doch ist es bloß diese Dienstbarkeit, die euch bewegt
unverheurathet zu bleiben.
Luciana.
Nicht diese Unterwürfigkeit, sondern die Unruhen und Sorgen des
Ehebetts.
Adriana.
Aber wenn ihr verheurathet wäret, so wolltet ihr doch auch etwas zu
befehlen haben.
Luciana.
Eh ich die Liebe kennen lerne, will ich mich in der Kunst zu
gehorchen üben.
Adriana.
Aber wie, wenn euer Mann sich gerne ausser dem Hause verweilte?
Luciana.
Ich würde Geduld haben, bis er wieder heim käme.
Adriana.
Eine ungereizte Geduld kan leicht geduldig seyn; es ist keine Kunst
gut zu seyn, wenn man keine Ursache zum Gegentheil hat; wir wollen
haben, daß der Unglükliche, den sein Kummer quält, ruhig bleiben
soll, weil uns sein Geschrey beunruhiget; aber drükte uns die
nemliche Bürde, wir würden eben so viel oder noch mehr klagen als
er. Du, die du keinen unzärtlichen Ehegatten hast, der dich kränkte,
weißst mir keinen andern Trost zu geben, als daß du mich zu
hülfloser Geduld anweisest; aber wir wollen sehen, wie lange du
diese alberne Geduld behalten wirst, wenn du's erlebst, mein
Schiksal zu erfahren.
Luciana.
Gut, ich will mich einmal auf einen Tag verheurathen um ein Probe
zu machen. Aber hier kommt euer Sclave, sein Herr wird also nicht
weit weg seyn.
Zweyte Scene.
(Dromio von Ephesus zu den Vorigen.)
Adriana.
Sag', ist dein zaudernder Herr nun bey der Hand?
Dromio von Ephesus.
Nein, er ist mit zwo Händen bey mir, und davon sind meine zwey
Ohren Zeugen.
Adriana.
Sag', redtest du mit ihm?Sagt' er dir seine Meynung?
Dromio von Ephesus.
Ja, ja, er sagte mir seine Meynung auf mein Ohr; Dank seiner Hand;
es wurde mir sauer sie zu begreiffen.
Luciana.
Sprach er so zweydeutig, daß du seine Meynung nicht fassen konntest?
Dromio von Ephesus.
Nein, er schlug so gerade zu, daß ich seine Ohrfeigen nur gar zu
gut faßte; und doch sprach er so zweydeutig, daß ich kaum verstehen
konnte, was sie bedeuten sollten.
Adriana.
Aber sag', ich bitte dich, wird er heim kommen?Es scheint, er
bekümmert sich viel darum, seinem Weib gefällig zu seyn.
Dromio.
Versichert, Frau, mein Herr ist nicht recht gescheidt; das hat
seine Richtigkeit; wie ich ihn bat, er möchte heim zum Mittag-Essen
kommen, so fragt' er mich nach tausend Mark an Gold; es ist
Essenszeit, sagt' ich; mein Gold, sagt' er; euer Essen verdorrt,
sagt' ich; mein Gold, sagt' er; wollt ihr heim kommen, sagt' ich;
mein Gold, sagt' er; wo sind die tausend Mark, die ich dir gab,
Galgenschwengel?Das Ferkel, sagt' ich, ist ganz verbraten; mein
Gold, sagt' er. Meine Frau, sagt' ich; an den Galgen mit deiner
Frau! Ich weiß nicht wer deine Frau ist; zum Henker mit deiner Frau!
Luciana.
Sagte wer?
Dromio.
Sagte mein Herr. Ich weiß nichts, sagt' er, von keinem Haus, und
von keinem Weib und von keiner Frau, sagt' er; so daß ich also
meine Commißion, die meiner Zunge aufgegeben werden sollte, Dank
sey ihm! auf meinen Schultern heimtrage; denn mit einem Wort, er
gab mir Schläge.
Adriana.
Geh wieder zurük du Sclave, und hol' ihn heim.
Dromio.
Geh wieder und laß dich noch einmal prügeln?Ich bitt' euch
schönstens Frau, schikt einen andern Abgesandten.
Adriana.
Zurük, Sclave, oder ich will dir den Schädel entzweyschlagen.
Dromio.
Und er wird den Bruch mit andern Schlägen wieder ganz machen; das
wird gut gehen.
Adriana.
Pake dich, du wortreicher Schlingel, hohl deinen Herrn heim.
Dromio.
Bin ich dann so rund mit euch als ihr mit mir, daß ihr mich so wie
eine Kugel vor euch her stoßt?Ihr stoßt mich fort, und er wird
mich wieder zurükstossen; wenn ich in einem solchen Dienst
ausdauren soll, müßt ihr ein ledernes Futteral über mich machen
lassen.
(Er geht ab.)
Dritte Scene.
Luciana.
Fy, wie entstellt diese Ungeduld euer Gesicht!
Adriana.
Er kan seinen Liebling seiner angenehmen Gesellschaft nicht
berauben, und ich muß indeß daheim sizen, und zum Verhungern nach
einem freundlichen Blik schmachten. Hat denn das Alter die
anziehende Schönheit schon von meiner armen Wange genommen?Wenn es
ist, so hat Er sie verderbt. Ist mein Gespräch troken, und mein Wiz
stumpf?Seine Unfreundlichkeit ist der harte Marmor, woran er seine
Schärfe verlohren hat. Gefallen ihm andre besser, weil sie schöner
aufgepuzt sind?Das ist nicht mein Fehler; er ist Herr über mein
Vermögen. Was für Ruinen können an mir gefunden werden, die er
nicht gemacht hat?Würde nicht ein einziger sonnichter Blik von ihm,
meine verwelkte Schönheit wieder herstellen?Aber ach! er
verschmäht ein Weib, von der er ohne Maaß geliebt wird, und sucht,
ausser seinem Haus, ein Vergnügen --
Luciana.
Sich selbst peinigende Eifersucht! Fy, jagt sie fort.
Adriana.
Nur gefühllose alberne Tröpfe können bey solchen Beleidigungen
gleichgültig bleiben; ich bin gewiß, seine Augen haben irgendwo
einen andern Gegenstand den sie anbeten. Warum würd' er sonst nicht
hier seyn?Schwester, ihr wißt, er versprach mir eine goldne Kette.
Wollte der Himmel, es wäre nur das was er mir vorenthielte--Ich
sehe wol, ein Kleinod, so schön es immer gefaßt seyn mag, verliehrt
endlich seine Schönheit, wenn wir's immer tragen; und so wie das
Gold selbst, ungeachtet seiner Dauerhaftigkeit, durch beständiges
Berühren sich endlich abnuzt, so ist kein Gemüth so edel, das nicht
durch langwierige Untreu und Falschheit endlich seinen Glanz
verliehre. Wenn meine Schönheit in seinen Augen keinen Reiz mehr
hat, so will ich ihren Rest wegweinen, und weinend sterben.
Luciana.
Was für alberne Geschöpfe kan nicht die Eifersucht aus diesen
verliebten Seelen machen!
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in eine Strasse.)
(Antipholis von Syracus tritt auf.)
Antipholis.
Das Gold, das ich dem Dromio gab, ist im Centaur sicher verwahrt;
und der allzu sorgfältige Tropf ist weggegangen, um mich zu suchen,
aus Besorgniß, es möchte mir etwas zugestossen seyn. Wenn ich die
Umstände der Zeit und meines Wirths Erzählung mit einander
vergleiche, so kan ich den Dromio nicht gesprochen haben, seitdem
ich ihn zuerst vom Markte fortschikte. Ha, hier kömmt er eben recht.
(Dromio von Syracus tritt auf.) Wie gehts, junger Herr?Seyd ihr
noch so spaßhaft?Wenn ihr Liebhaber von Ohrfeigen seyd, so treibt
wieder den Narren mit mir. Ihr wißt nichts vom Centaur?Ihr habt
kein Gold empfangen?Eure Frau schikte euch, mich zum Mittag-Essen
nach Hause zu ruffen?Mein Haus war zum Phönix?Warst du toll, daß
du mir so unsinnige Antworten gabst?
Dromio von Syracus.
Was für Antworten, Herr?Wenn sagt' ich dergleichen?
Antipholis.
Nur eben, nur eben, es ist noch keine halbe Stunde.
Dromio von Syracus.
Hab ich euch doch bis izt mit keinem Auge gesehen, seitdem ihr mich
mit dem Golde, so ihr mir gabt, in den Centaur schiktet.
Antipholis.
Galgenschwengel, du leugnetest ja, daß du das Gold empfangen habest,
und redtest mir von einer Frau, und von einem Mittag-Essen; doch
ich hoffe, du hast gefühlt, wie wohl es mir gefallen hat.
Dromio von Syracus.
Es erfreut mich, euch in so gutem Humor zu sehen. Was soll dieser
Scherz bedeuten, ich bitte euch, Herr, sagt mir's?
Antipholis.
Wie, du spottest mir noch ins Gesicht?denkst du ich spasse?Halt,
nimm das, und das.
(Er giebt ihm Schläge.)
Dromio von Syracus.
Haltet ein, Herr, ums Himmels willen, izt fühl' ich's, daß aus
euerm Spaß Ernst wird, aber warum gebt ihr mir diese Schläge, wenn
man fragen darf?
Antipholis.
Weil ich zuweilen vertraulich genug mit dir umgehe, dich für meinen
Lustigmacher zu gebrauchen, und Spaß mit dir treibe, so treibst du
die Unverschämtheit so weit, meine Gütigkeit zu mißbrauchen, und
mir deine Possen auch in meinen ernsthaften Stunden aufzudrängen.
Wenn die Sonne scheint, mögen gaukelnde Müken ihre Kurzweile
treiben; aber sie sollen in Spalten kriechen, wenn sie ihre Stralen
verbirgt: Wenn du mit mir spassen willst, so sieh erst wie ich
aussehe, und richte dein Betragen nach meinen Bliken ein; oder ich
will dir diese Methode auf eine andre Art einpleuen.*
{ed.-* Hier sind im Original einige Wortspiele, die man lieber
weggelassen hat, da sie an sich selbst frostig genug sind; und
wenn sie auch noch das Verdienst des Doppelsinns, den sie nur in
der Original-Sprache haben, verliehren, unerträglich werden. Man
hat es mit dem grösten übrigen Theil dieser Scene eben so gemacht,
wo Dromio alle seine ungeheure Menge Wiz in Wortspielen ausläßt,
die seinen Herrn, und vermuthlich auch die Zeitgenossen unsers
Poeten eben so sehr belustigten, als sie unserm verwöhnten Geschmak
albern und ekelhaft vorkommen.}
Dromio.
Ich will euch diese Mühe gern ersparen, wenn ihr mir nur in gutem
Ernst sagen wollt, warum ihr mich geschlagen habt.
Antipholis.
Weist du's noch nicht?
Dromio.
Nichts, Herr, als daß ihr mich geschlagen habt.
Antipholis.
Soll ich dir sagen warum?
Dromio.
Ja, Herr, und weßwegen?Denn man pflegt zu sagen, jedes Warum hat
sein Weßwegen.
Antipholis.
Für's erste, Warum, weil du meiner gespottet hast; und dann
Weßwegen, weil du es mir das zweyte mal weggeläugnet hast.
Dromio von Syracus.
Ich begreiffe weder euer Warum noch euer Weßwegen, noch eure
Ohrfeigen--Nun gut, Herr, ich danke euch.
Antipholis.
Du dankst mir?Wofür?
Dromio von Syracus.
Mein Six, Herr, für das Etwas so ihr mir um Nichts gegeben habt.
Antipholis.
Ich will es mit nächsten wieder gut machen, und dir Nichts für
etwas geben. Aber sag', ist es Mittagessens-Zeit?
Dromio von Syracus.
Nein, Herr, ich glaub', es fehlt dem Essen etwas das ich habe.
Antipholis.
Mit Erlaubniß, was mag das seyn?
Dromio von Syracus.
Daß es nicht genug beträuft ist.**
{ed.-** Der Einfall ligt im Original in der Zweydeutigkeit
des Worts (basting), welches zugleich eine Tracht Schläge, und das
Beträuffen, dessen was am Spieß gebraten wird, bedeutet.}
Antipholis.
Gut, Bursche, so wird es troken seyn.
Dromio von Syracus.
Wenn es so ist, so bitt' ich euch, esset nichts davon.
Antipholis.
Warum?
Dromio von Syracus.
Weil es euch cholerisch machen, und mir noch eine andre Tracht
Schläge zuziehen würde.
Antipholis.
Gut, junger Herr, lernt eure Zeit wol in Acht nehmen, wenn ihr
spassen wollt; ein jedes Ding hat seine Zeit.
Fünfte Scene.
(Adriana und Luciana zu den Vorigen.)
Adriana.
Ja, ja, Antipholis, sieh nur fremde und verdrieslich aus, eine
andre Gebieterin hat deine zärtlichen Blike: ich bin nicht mehr
Adriana, noch dein Weib. Es war eine Zeit, da du ungeheissen
schwurest, daß keine Worte Musik in deinem Ohr seyen, als die ich
rede; daß kein Gegenstand dein Aug entzüke, als mein Anblik; daß
keine andre Berührung deiner Hand willkommen sey, als die meinige--
Wie kommt es dann izt, mein Gemal, o sage wie kommt es, daß du so
fremde gegen dich selbst worden bist--Gegen dich selbst nenn' ich
es, da du es gegen mich bist, die auf eine so unzertrennliche Art
dir einverleibt bin, daß ich mehr bin als der größre Theil von dir
selbst. Eher könntest du einen Tropfen Wassers in die tieffe See
fallen lassen, und unvermengt mit andern eben diesen Tropfen wieder
zurüknehmen; als dich von mir losreissen, ohne mich mitzunehmen.
Wie sehr würd' es dich bis in die Seele kränken, wenn du nur hören
würdest, daß ich ausgelassen sey, und daß dieser dir allein
geheiligte Leib durch unkeusche Lust besudelt würde! Würdest du
mich nicht anspeyen, nicht mit Füssen stossen, und mir den Namen
eines Ehmanns ins Gesicht werfen, und die beflekte Haut von meiner
Huren-Stirne reissen, und von meiner treulosen Hand den Trauring
abhauen, und ihn mit einem auf ewig uns scheidenden Gelübde
zerbrechen?Ich weiß du kanst es, also thu es auch--ich bin mit
einem ehebrecherischen Fleken beschmizt; mein Blut ist mit dem
Schmuz der Unzucht vermengt; denn wenn wir beyde eins sind, und du
untreu wirst, so theilst du mir das Gift mit, das in deinen Adern
schäumt, und machst mich durch Anstekung zur Hure. O so kehre dann
zu deiner Pflicht zurük, und bleibe deinem keuschen Bette getreu,
damit ich unbeflekt lebe, und du unentehrt.
Antipholis.
Klagt ihr über mich, schönes Frauenzimmer?Ich kenne euch ja nicht.
Ich bin in Ephesus kaum zwoo Stunden alt, und mit eurer Stadt so
unbekannt als mit euern Reden. Ich strenge allen meinen Wiz
vergeblich an, nur ein Wort von allem dem was ihr mir sagtet, zu
verstehen.
Luciana.
Fy, Bruder, was für eine Veränderung ist das bey euch?Wenn wart
ihr gewohnt, meiner Schwester so zu begegnen; Sie schikte den
Dromio, euch zum Mittag-Essen heim zu holen.
Antipholis.
Den Dromio?
Dromio von Syracus.
Mich?
Adriana.
Ja dich, und du brachtest uns zurük, daß er dir Maulschellen
gegeben, und unter den Maulschellen mein Haus und mich als sein
Weib verläugnet habe.
Antipholis.
Habt ihr mit diesem Frauenzimmer gesprochen?Was für ein
Verständniß habt ihr mit ihr, und was soll die Absicht davon seyn?
Dromio von Syracus.
Ich, Herr, ich habe sie meine Tage nie gesehen als izt.
Antipholis.
Du lügst, du Galgenschwengel; denn du brachtest mir ihre eigensten
Worte auf den Markt.
Dromio von Syracus.
Ich habe sie in meinem Leben nie gesprochen.
Antipholis.
Woher kan sie uns denn bey unsern Namen nennen, es wäre dann, daß
sie einen Wahrsager-Geist hätte?
Adriana.
Wie übel steht es euerm Character an, eine so niederträchtige
Comödie mit euerm Sclaven zu spielen, um meiner auf eine grobe Art
ins Gesicht zu spotten?Ich bin beleidigt genug, daß ihr so
entfremdet von mir seyd; häuffet euer Unrecht nicht noch durch
einen solchen Grad von Verachtung. Komm, laß mich um deine Schläfe
mich winden; du bist eine Ulme, mein lieber Mann, und ich eine
schwache Rebe, die mit deinem stärkern Stamm vermählt, an deiner
Stärke Antheil nimmt, ohne sie zu vermindern; alles was dich von
mir trennen will, ist Unkraut, diebischer Epheu und unnüzes Mooß,
das sich, wenn es nicht bey Zeiten abgeschnitten wird, bis zu
deinem Mark einfrißt, und von deinem Verderben seine Nahrung zieht.
Antipholis. (bey Seite.)
Sie spricht mir so ernstlich zu, daß ich nicht weiß, was ich
denken oder sagen soll. Bin ich im Traum mit ihr vermählt worden?
Oder schlaf ich izt, und bilde mir ein, daß ich alles diß höre?Was
für ein Irrthum bethört unsre Augen und Ohren?Bis ich erfahren kan,
was ich aus dieser unbegreiflichen Sache machen soll, wird das
sicherste seyn, den günstigen Betrug zu unterhalten.
Luciana.
Dromio, geh, sage den Bedienten, daß sie anrichten.
Dromio von Syracus. (bey Seite.)
Nun, bey meinem Rosenkranz! Ich will das Kreuz machen; Gott sey
bey uns! wir sind im Feen-Land, wir reden mit lauter Kobolten,
Gespenstern und Nacht-Frauen; wenn wir nicht thun was sie haben
wollen, so werden sie uns den Athem aussaugen, und uns braun und
blau zwiken.
Luciana.
Was plauderst du da mit dir selber, und antwortest nicht?Dromio,
du Hummel, du Schneke, du träger Kerl, du Sot!
Dromio von Syracus.
Ich bin verwandelt, Herr, nicht wahr?
Antipholis.
Ich denke du bist's am Gemüth, wie ich selbst.
Dromio von Syracus.
Nein, Herr, an beydem, an Seel und Leib.
Antipholis.
Du hast deine eigne Gestalt.
Dromio.
Nein, ich bin ein Affe.
Luciana.
Wenn du in etwas verwandelt bist, so ist's in einen Esel.
Dromio.
Das ist es; sie reitet mich, und es hungert mich nach Gras; es ist
so, ich bin ein Esel, sonst könnt' es unmöglich seyn, daß ich sie
nicht so gut kennte, als sie mich.
Adriana.
Kommt, kommt, ich will nicht länger ein Narr seyn, und den Finger
in die Augen steken und weinen, indeß daß Herr und Knecht meines
Kummers lachen. Kommt, mein Herr, zum Mittag-Essen; Dromio, hüte
die Thüre. Mein lieber Mann, ich will heut oben mit euch zu Mittag
essen, und ihr sollt mir alle eure kleinen Schelmereyen beichten--
Kerl, wenn jemand nach deinem Herrn fragt, so sag', er ißt ausser
dem Haus, und laß keinen lebendigen Menschen herein. Kommt,
Schwester; Dromio, sey du ein guter Thürhüter.
Antipholis.
Bin ich auf der Erde, im Himmel oder in der Hölle?Schlafend oder
wachend, verrükt oder bey Sinnen?Diesen Leuten bekannt, und mir
selbst verborgen?Ich will sagen was sie sagen, und es darauf
ankommen lassen, was aus diesem Abentheuer werden mag.
Dromio von Syracus.
Herr, soll ich hier Thürhüter seyn?
Adriana.
Ja, laß niemand herein, oder ich breche dir den Hals.
Luciana.
Kommt, kommt, Antipholis, wir werden spät zu Mittag essen.
(Sie gehen ab.)
Dritter Aufzug.
Erste Scene.
(Die Strasse vor Antipholis Haus.)
(Antipholis von Ephesus, Dromio von Ephesus, Angelo und Balthasar
treten auf.)
Antipholis von Ephesus.
Mein lieber Herr Angelo, ihr müßt uns entschuldigen; meine Frau ist
verdrießlich, wenn ich nicht zur gewöhnlichen Zeit nach Hause komme;
sagt, ich habe mich bey euch in eurer Werkstatt aufgehalten, um
der Arbeit ihrer Kette zuzusehen, und ihr wollet ihr sie morgen
überbringen. Aber hier ist ein Galgenschwengel, der mir ins Gesicht
behaupten will, er habe mich auf dem Markt angetroffen; und ich
hab' ihm Schläge gegeben, und tausend Mark an Gold von ihm gefodert,
und ich hab' ihm meine Frau und mein Haus abgeläugnet: Du
besoffener Kerl, du, was meyntest du mit allem diesem Gewäsche?
Dromio von Ephesus.
Sagt was ihr wollt, Herr, ich weiß doch was ich weiß; daß ihr mich
auf dem Markt geschlagen habt, das kan ich mit eurer Hand beweisen;
wäre mein Fell Pergament, und die Ohrfeigen die ihr mir gegeben
habt, Dinte, so würde eure eigne Handschrift sagen was ich denke.
Antipholis von Ephesus.
Ich denke, du bist ein Esel.
Dromio von Ephesus.
Mein Six, das erhellet aus den Schlägen, die ich ohne Ursache
gekriegt habe.
Antipholis von Ephesus.
Ihr seyd düster, Herr Balthasar?Der Himmel gebe, daß unsre
Mahlzeit meinem guten Willen entspreche. Wenn ihr nicht gut
bewirthet werdet, so seyd wenigstens versichert, daß ihr nicht
willkommner seyn könntet.
(Er will die Thür aufmachen.)
Sachte! die Thür ist verriegelt; geh', Dromio, sag' ihnen, daß sie
uns einlassen.
Dromio von Ephesus.
Mathilde, Brigitte, Marian, Cäcile, Cathrine, Susanne!
Dromio von Syracus (hinter der Thür.)
Flegel, Schlingel, Bengel, Gek, Mauskopf, Frazen-Gesicht! Entweder
scherr dich von der Thüre, oder siz' auf die Zaken; was für eine
verzweifelte Menge Menscher beschwörst du da zusammen, da es an
einer zuviel gegen einem ist; scherr dich von der Thür.
Dromio von Ephesus.
Was für ein Flegel ist Thürhüter bey uns worden?Mein Herr wartet
hier auf der Strasse, mach auf.
Dromio von Syracus.
Laß ihn gehn woher er gekommen ist, oder er möchte sich die Füsse,
hier erkälten.
Antipholis von Ephesus.
Wer redt da drinnen?holla; macht die Thür auf.
Dromio von Syracus.
Gleich, Herr, wenn ihr mir nur erst sagen wollt, warum?
Antipholis von Ephesus.
Warum, Schurke?Weil ich zu mittag essen will; ich habe heute noch
nichts gegessen.
Dromio von Syracus.
Und werdet heute auch in diesem Hause nichts zu essen kriegen;
kommt ein ander mal wieder.
Antipholis von Ephesus.
Wer bist du, der mich zu meinem eignen Hause hinausschließt?
Dromio von Syracus.
Der zeitige Thürhüter, Herr, und mein Nam ist Dromio, wenn's euch
lieb ist.
Dromio von Ephesus.
O du Galgenvogel, hast du mir meinen Namen zusammt meinem Amt
gestohlen?Bist du Dromio?Ich wollte du wärst es heute gewesen; es
war ein Anlas, wo ich meinen Namen wohlfeil gegeben hätte.*
{ed.-* Man ist genöthiget, hier einen guten Theil von kleinen
sinnreichen Reden auszulassen, die zwischen den Bedienten und einer
Magd vorfallen, und in lauter Wortspielen bestehen, so sie einander
zuwerfen.}
(Weil man den Antipholis nicht einlassen will, fangt dieser an
ungeduldig werden, und will die Thür mit Gewalt einstossen, worüber
ein grosser Lerm entsteht.)
Adriana (hinter der Scene.)
Wer ist da vor der Thür, der einen solchen Lermen macht?
Dromio von Syracus.
Bey meiner Six, es giebt böse Buben in eurer Stadt.
Antipholis von Ephesus.
Seyd ihr da, Frau?Ihr hättet wol bälder kommen können.
Adriana.
Eure Frau, Herr Spizbube?Geht, pakt euch von der Thüre fort.
Angelo.
Mein Herr, ich sehe wol, hier ist weder was gutes zu essen, noch
ein freundlicher Willkomm zu haben--wir halten uns vergeblich auf.
Antipholis von Ephesus.
Geh', hole mir was, daß ich die Thür aufbrechen kan.
Dromio von Syracus.
Versuchts, und brecht hier was, wenn ihr wollt daß ich euch den
Schädel zerbrechen soll.
Antipholis von Ephesus.
Geh', sag' ich, hole mir ein Stemm-Eisen --
Balthasar.
Habt Geduld, mein Herr; ich bitte euch, fangt nichts dergleichen an;
ihr würdet einen Anfall auf euren eignen guten Namen thun, und die
nie verlezte Ehre eurer Frauen in Verdacht bringen. Bedenket nur
das; die lange Erfahrung, die ihr von ihrer klugen Aufführung und
von ihrer Tugend habt, ihre bekannte Sittsamkeit, und selbst ihr
geseztes Alter rechtfertigen sie gegen allen Verdacht; es muß
irgend eine gute Ursache seyn, wenn ihr sie gleich nicht wißt,
warum die Thüren dißmal so vor euch verriegelt sind; und zweifelt
nicht, mein Herr, daß sie sich vollkommen deßwegen wird
rechtfertigen können. Folget mir, und zieht euch in Geduld zurük,
und laßt uns alle in den Tyger zum Mittag-Essen gehen, auf den
Abend geht dann allein nach Hause, und erkundigst euch um die
Ursache dieser seltsamen Begebenheit. Wenn ihr mit Gewalt ins Haus
einbrechen wolltet, am hellen Tag und da alle Strassen voller Leute
sind, so würde gleich ein allgemeines Stadt-Mährchen draus werden;
und das könnte, so wie die Welt alles aufs schlimmste auszudeuten
pflegt, eurer Ehre einen Fleken anhängen, der euch bis ins Grab
bleiben könnte.
Antipholis von Ephesus.
Ihr habt mich überzeugt; ich will in der Stille abziehen, und ich
hab' im Sinn mich lustig zu machen, so wenig ich auch Ursache dazu
habe. Ich kenne ein Weibsbild von unvergleichlichem Umgang, hübsch
und wizig, muthwillig, und doch artig. Dort wollen wir zu Mittag
essen; meine Frau hat mir sie schon oft, aber versichert ohne
Ursache, vorgerupft; wir wollen geh'n und bey ihr zu Mittag essen.
Geht ihr heim, Angelo, und holt die Kette; sie wird izt wol fertig
seyn; bringt sie, ich bitte euch, zum Stachel-Schwein, denn das ist
das Haus; ich will die Kette meiner Wirthin dort geben, und wenn es
auch nur meiner Frauen zum Possen wäre. Säumt euch nicht, mein
werther Herr. Weil meine eigne Thüre mich nicht einlassen will, muß
ich sehen wo ich eine andre offen finde.
Angelo.
Mein Herr, ich will euch in einer oder zwo Stunden daselbst
aufwarten.
Antipholis von Ephesus.
Gut, mein Herr;
(für sich.)
Dieser Spaß wird mich Geld kosten.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Das Haus des Antipholis von Ephesus.)
(Luciana und Antipholis von Syracus treten auf.)
Luciana.
Wie, ist denn möglich, daß ihr so plözlich habt vergessen können,
was die Pflicht eines Ehmanns ist?Wie, Antipholis, sollen schon im
Frühling deiner Liebe die Quellen deiner* Liebe vertroknen?Fällt
das Gebäude eurer Liebe schon zusammen, da es kaum aufgeführt ist?
Wenn ihr meine Schwester bloß um ihres Vermögens willen geheurathet
habt, so begegnet ihr, wenigstens um ihres Vermögens willen,
freundlicher; oder wenn ihr irgend eine andre lieber habt, so thut
es doch heimlich; laßt meine Schwester eure Untreu nicht so
deutlich in euern Augen lesen, und macht eure Zunge nicht zum
Redner eurer eignen Schande; seht sie freundlich an, gebt ihr gute
Worte; seyd mit einer guten Art ungetreu, kleidet das Laster wie
einen Hausgenossen der Tugend; nehmt eine schöne Gestalt an, wenn
schon euer Herz besudelt ist; mit einem Wort, seyd heimlich untreu;
wozu braucht Sie es zu wissen?Welcher Dieb ist so einfältig, mit
seinen eignen Streichen zu pralen?Beredet uns wenigstens, uns arme
Weiber, die so leicht zu bereden sind, daß ihr uns liebt; wenn
gleich andre den Arm haben, so zeigt uns wenigstens ein
freundliches Gesicht; wir werden nur von Euch in Bewegung gesezt,
und ihr könnt aus uns machen was ihr wollt. Kommt also wieder mit
mir hinein, mein lieber Bruder; tröstet meine Schwester, thut
freundlich mit ihr, nennt sie euer Weib; wenn es auch nur
Schmeicheley ist, so dient es doch zu ihrer Beruhigung.
{ed.-* Ein Wortspiel mit dem Wort Spring, welches Frühling, und Quelle
heißt.}
Antipholis von Syracus.
Anmuthsvolle Gebieterin, (keinen andern Namen weiß ich euch nicht
zu geben, noch begreiff ich, durch was für ein Wunderwerk ihr den
meinigen entdekt habt,) eure Schönheit und diese Probe eurer
Wissenschaft beweisen beyde, daß ihr eher irgend eine Gottheit als
ein irdisches Wesen seyd; lehre mich, schönste Gestalt, wie ich
denken und wie ich reden soll; entfalte vor meinen zu groben
irdischen, in Irrthum eingehüllten Sinnen, den geheimnisvollen
Inhalt deiner Reden--Warum bemüht ihr euch so sehr, mich in einem
unbekannten Feld irre zu führen?Seyd ihr eine Göttin?Wollt ihr
mich neu erschaffen?So verwandelt mich dann, ich unterwerffe mich
eurer Macht. Aber so lang ich ich selbst bin, weiß ich gewiß, und
es ist umsonst die lautre Wahrheit meiner Seele einer Falschheit
anzuklagen, daß eure weinende Schwester mein Weib nicht ist, und
daß ich keine von diesen Pflichten ihr schuldig bin, die ihr mir
einschärfet. Warum wollt ihr mich dann nöthigen sie zu lieben, da
mein Herz weit stärker, weit stärker zu euch gezogen wird?O, loke
mich nicht, holdes Meer-Mädchen, durch dein Zauberlied, um in der
Thränenfluth deiner Schwester mich zu ertränken; sing' für dich
selbst, Syrene, und ich bin lauter Liebe; spreite deine goldnen
Loken über die Silberwellen, und ich will sie zu meinem Bette
machen, und da ligen, und den Tod, den du mir geben wirst, mit
Entzüken annehmen.
Luciana.
Wie, seyd ihr wahnwizig, daß ihr so schwärmt?
Antipholis von Syracus.
Nicht wahnwizig, aber geblendet; wie, weiß ich selbst nicht.
Luciana.
Der Fehler ligt in euern Augen.
Antipholis von Syracus.
Weil ich zu lang, o schöne Sonne, in eure Stralen schaute.
Luciana.
Schaut wohin ihr sollt, das wird euer Gesicht wieder aufklären.
Antipholis von Syracus.
Das ist soviel, meine süsse Liebe, als ob ihr mir befählet, in die
Nacht zu schauen.
Luciana.
Warum nennt ihr mich, Liebe?Nennt meine Schwester so.
Antipholis von Syracus.
Deiner Schwester Schwester.
Luciana.
Das ist meine Schwester.
Antipholis.
Nein, das bist du selbst, die bessere Helfte des meinigen, das Auge
meiner Augen, und meines Herzens theureres Herz; meine Nahrung,
mein Glük und mein Anspruch an den Himmel.
Luciana.
Alles diß ist meine Schwester, oder sollt es doch seyn.
Antipholis von Syracus.
Nenne dich selbst Schwester, meine Liebe, denn ich meyne dich; dich
will ich lieben, und mit dir mein Leben leben. Du hast noch keinen
Mann; ich noch kein Weib; gieb mir deine Hand.
Luciana.
O, sachte, mein Herr, haltet noch ein wenig ein; ich will nur
vorher meine Schwester holen, damit sie ihre Einwilligung geben kan.
(Luciana geht ab.)
Dritte Scene.
(Dromio von Syracus, (über die Bühne lauffend.)
Antipholis von Syracus.
He, holla, Dromio, wohin laufst du so eilig?
Dromio von Syracus.
Kennt ihr mich dann, Herr?Bin ich Dromio?Bin ich euer Knecht?Bin
ich ich selbst?
Antipholis von Syracus.
Du bist Dromio, mein Knecht, und du selbst.
Dromio von Syracus.
Ich bin ein Esel, eines Weibes Mann, und ausser mir selbst.
Antipholis von Syracus.
Was für eines Weibes Mann, und wie ausser dir selbst?
Dromio von Syracus.
Meiner Six, Herr, in so fern ich ausser mir selbst bin, gehör' ich
einem Weib an; einer, die Ansprüche an mich macht, die mir
allenthalben nachläuft, und mich haben will.
Antipholis von Syracus.
Was für Ansprüche macht sie an dich?
Dromio von Syracus.
Sapperment, Herr, so einen Anspruch wie ihr auf euer Pferd machen
könnt; einen recht bestialischen Anspruch; denn ich müßte nichts
geringere als ein Stier seyn, wenn ihr Anspruch gültig wäre, so
ähnlich ist sie einer Kuh aus Flandern.
Antipholis von Syracus.
Wer ist es dann?
Dromio von Syracus.
Eine sehr respectable Person, Herr; eine Person, von der man nicht
reden darf, ohne zu sagen: Mit Respect. Ich mache nur ein sehr
mageres Glük, wenn ich den Handel eingehe, und doch ist sie eine
erstaunlich fette Parthey.
Antipholis von Syracus.
Was meynst du damit?
Dromio von Syracus.
Sapperment, Herr, sie ist das Küchen-Mensch und lauter Schmeer; ich
wüßte nicht was man aus ihr machen könnte als eine Lampe, um bey
ihrem eignen Licht vor ihr davon zu lauffen. Ich steh' euch dafür,
ihre Lumpen und das Talg darinn, würden einen Lapländischen Winter
lang brennen.
Antipholis.
Wie heißt sie?
Dromio von Syracus.
Nell, Herr--Aber ihr Name, Herr, und drey Viertel, (das ist eine
Ell und drey Viertel,) reichte noch lange nicht zu, sie von einer
Hüfte zur andern auszumessen.
Antipholis.
Sie ist also räsonnabel breit?
Dromio von Syracus.
Nicht länger vom Kopf zum Fuß als von einer Hüfte zur andern; sie
ist rund wie ein Globus: Ich wollte Länder auf ihr finden.
Antipholis.
Wo wolltest du zum Exempel Irrland finden?
Dromio von Syracus*.
{ed.-* Der Leser wird uns vielleicht eher verzeihen, daß wir ihm die
Antwort des Dromio schuldig bleiben, als daß wir ihn und uns
bereits mit so vielen andern albernen Possen, wovon dieses Stük
wimmelt, geplagt haben. Die Idee von einem Globus hat unserm Autor
so kurzweilig gedäucht, daß Dromio seinem Herrn beynahe alle Länder
des Erdbodens auf dieser seltsamen Weltkugel aufsuchen muß; welches
er dann auf eine so ekelhafte und schmuzige Art thut, als der
Gegenstand ist, der seinem pöbelhaften Wiz diesen schönen Anlas
giebt, sich zu zeigen.}
--Mit einem Wort, diese Unholde machte
Anspruch an mich, nannte mich Dromio, schwur daß ich mit ihr
verheurathet sey, sagte mir was für geheime Merkmale ich an mir
habe, als die Fleken auf meiner Schulter, das Gewächs an meinem
Hals, die grosse Warze an meinem linken Arm; so daß ich voller
Schreken davon lief, weil ich wol sah, daß sie eine Hexe seyn mußte.
Ich glaube, meiner Treu, wenn ich nicht ein so guter Christ wäre,
sie hätte mich in einen Hund ohne Schwanz verwandelt, und mich
gezwungen, die Braten in ihrer Küche zu wenden.
Antipholis von Syracus.
Geh', so schnell als du kanst, lauf an die Rhede, und wenn irgend
ein Wind vom Ufer wegtreibt, so will ich keine Nacht mehr in dieser
Stadt zubringen. Wenn du ein Schiff findest, das abfahren will, so
komm auf den Markt; ich will dort auf und ab gehen, bis du wieder
kommst; wenn uns jedermann kennt, und wir kennen niemand, so ist es
hohe Zeit, denk' ich, seinen Bündel zu machen, und davon zu gehen.
(Dromio geht ab.)
Vierte Scene.
Antipholis von Syracus.
Das ist gewiß, daß lauter Zaubervolk hier wohnt, und es ist also
nicht gut, sich hier lang aufzuhalten. Es graut mir in der Seele
vor dem Gedanken, daß diejenige mein Weib seyn sollte, die mich als
ihren Mann anspricht. Aber ihre schöne Schwester hat ein so
unwiderstehlich angenehmes Wesen, und einen so bezaubernden Umgang,
daß sie mich beynahe zum Verräther an mir selbst gemacht hat. Aber
wenn ich mich selbst nicht in Unglück stürzen will, muß ich meine
Ohren gegen den Gesang dieser Syrene verstopfen. (Angelo tritt mit
einer goldnen Kette auf.)
Angelo.
Herr Antipholis--
Antipholis von Syracus.
Ja, so heiß' ich.
Angelo.
Das weiß ich wohl, mein Herr: seht, hier ist die Kette; ich dachte
ich wollte euch im Stachelschwein antreffen, ich mußte so lange
ausbleiben, weil die Kette noch nicht fertig war.
Antipholis von Syracus.
Was wollt ihr daß ich damit thun soll?
Angelo.
Was ihr selbst wollt, mein Herr; ich habe sie für euch gemacht.
Antipholis von Syracus.
Für mich gemacht, mein Herr?Ich bestellte sie ja nicht.
Angelo.
Nicht ein oder zweymal, wohl zwanzig mal habt ihr sie bestellt,
geht heim und macht eurer Frauen eine Freude damit; gleich nach dem
Nachtessen will ich zu euch kommen, und das Geld dafür abholen.
Antipholis von Syracus.
Ich bitte euch, mein Herr, nehmt das Geld lieber izt ein, ihr
möchtet sonst weder Geld noch Kette wieder sehen.