(Er geht ab.)
Flavius.
Wollte Gott, ich könnt' es nicht denken! Wie geneigt ist ein edles
und gütiges Herz, alle andern auch dafür zu halten.
(Er geht ab.)
Dritter Aufzug.
Erste Scene.
(Des Lucullus Haus in Athen.)
(Flaminius wartet auf Antwort, um vorgelassen zu werden; ein
Bedienter kommt zu ihm.)
Bedienter.
Ich hab euch bey meinem gnädigen Herrn angemeldt; er kommt eben
selbst herab.
Flaminius.
Ich danke euch. (Lucullus tritt auf.)
Bedienter.
Hier ist Milord.
Lucullus.
Einer von Lord Timons Leuten? ein Präsent, denk' ich; nun, es trift
recht artig zu; ich träumte diese Nacht von einem silbernen
Handbeken und einer Gießkannen. Flaminius, ehrlicher Flaminius, ihr
seyd recht besonders willkommen, mein Herr;--(bringt mir einen
Becher mit Wein)--Und wie befindet sich dann der würdigste,
vollkommenste, großmüthigste Edelmann in ganz Athen, dein sehr
gütiger lieber Herr und Meister?
Flaminius.
Er ist ganz wohl auf, was seine Gesundheit betrift.
Lucullus.
Nun das freut mich ja recht, daß er wohl auf ist--und was hast du
hier unter deinem Mantel, mein lieber Flaminius?
Flaminius.
Mein Treue, nichts als einen leeren Beutel, Gnädiger Herr, Euer
Gnaden zu bitten, daß ihr ihn aus Freundschaft für meinen Herrn
füllen möchtet; der, da ihm eben eine dringende Noth zugestossen,
mich zu Euer Gnaden geschikt hat, mit Bitte, ihm mit fünfzig
Talenten auszuhelfen; nicht zweiflend, daß ihr ihm eure schleunige
Beyhülfe nicht versagen werdet.
Lucullus.
La, la, la, la,--Nicht zweiflend, sagt ihr? Ach, leider! der gute
Herr, er ist ein wakrer Edelmann, das ist wahr; wenn er nur nicht
eine so kostbare Haushaltung führte. Ich hab' oft und viel mit ihm
zu Mittag gegessen, und es ihm gesagt, und bin wieder zum
Nachtessen zu ihm gekommen, um es zu wiederholen, daß er seine
Ausgaben einschränken sollte: Allein er wollte nie keinen guten
Rath annehmen, und ließ sich meine Besuche nicht zur Warnung dienen.
Jedermann hat seine Fehler, der seinige ist zuviel Ehrlichkeit.
Ich hab' es ihm oft gesagt, aber ich konnte nie was über ihn
erhalten. (Ein Bedienter kommt mit Wein.)
Bedienter.
Gnädiger Herr, hier ist der Wein.
Lucullus.
Flaminius, ich habe dich allezeit für einen verständigen jungen
Menschen gehalten;--Auf deine Gesundheit!
Flaminius.
Ich danke Euer Gnaden.
Lucullus.
Ich hab immer bemerkt, daß du einen muntern fertigen Kopf hast, und
daß du gescheidt genug bist, dich selbst nicht zu vergessen, und
dich der Zeit zu bedienen, wenn sie dir Gelegenheit dazu giebt. Du
hast hübsche Gaben--
(Zu seinem Bedienten)
Geh deines Weges, Schurke--Komm näher, ehrlicher Flaminius; dein
Herr ist ein gütiger Edelmann, aber du bist verständig, und
begreifst wol, (ob du gleich zu mir gekommen bist,) daß es izt
keine Zeit ist Geld auszuleihen, zumal auf blosse Freundschaft,
ohne Sicherheit. Hier hast du drey Goldgulden, mein guter Junge;
verstehe mich wol, und sage deinem Herrn, du habest mich nicht
gesehen. Lebe wohl.
Flaminius.
Ist's möglich, daß die Welt sich in so kurzer Zeit so verändert
hat? Weg, verdammte Niederträchtigkeit,
(er schmeißt das Geld weg)
geh' zu dem, dessen Abgott du bist.
Lucullus.
Ha! Nun seh' ich daß du auch ein Narr bist, und wol zu deinem Herrn
taugst.
(Lucullus geht ab.)
Flaminius.
Möge geschmolznes Geld deine Strafe in der Hölle seyn, und diese
Goldstüke zu den übrigen kommen, die dir glühend in den Rachen
gegossen werden sollen, du verfluchter Heuchler von einem Freund--
Hat Freundschaft ein so schwaches milchichtes Herz, das in weniger
als zwo Nächten gerinnt? O ihr Götter, ich fühle den Zorn, worinn
dieses meinen Herrn sezen wird. Dieser Nichtswürdige hat in diesem
Augenblik noch meines Herren Mahlzeit im Leibe! Laßt es, anstatt
ihn zu nähren, sich in Gall und Gift verwandeln! Laßt es nichts als
Krankheiten in ihm zeugen, und wenn er auf den Tod darnieder ligt,
o! so laßt jedes Theilchen von Nahrungssaft, wofür mein Herr
bezahlt hat, aller seiner heilsamen Kraft beraubt, zu nichts anderm
dienen als durch langsame Pein seine lezte Stunde zu verzögern!
(Geht ab.)
Zweyte Scene.
(Eine öffentliche Strasse.)
(Lucius tritt mit dreyen Fremden auf.)
Lucius.
Wer? der Lord Timon? Er ist mein sehr guter Freund, und ein
würdiger Edelmann.
1. Fremder.
Wir kennen ihn nicht anders, ob wir ihm gleich unbekannt sind. Aber
ich kan euch soviel sagen, Milord, und ich hab' es von dem
allgemeinen Gerüchte, daß Lord Timons glükliche Tage vorbey sind,
und daß er sich in schlimmen Umständen befindet.
Lucius.
Ey, nein, glaubt das nicht! Es kan ihm nicht an Gelde fehlen.
2. Fremder.
Seyd versichert, Milord, es ist noch nicht lange, so war einer von
seinen Leuten bey dem Lord Lucullus, und wollte fünfzig Talente von
ihm entlehnen; er betrieb es ungemein, und machte die Noth sehr
dringend, und doch wurd' es ihm abgeschlagen.
Lucius.
Wie?
2. Fremder.
Was ich euch sage, abgeschlagen, Milord!
Lucius.
Das ist ein seltsamer Zufall! Nun, bey den Göttern! ich schäme mich
für den Lucullus. Einem so angesehnen wakern Mann abzuschlagen! Er
hat sehr wenig Ehre davon, wahrhaftig. Was mich betrift so muß ich
bekennen, ich habe einige kleine Höflichkeiten von ihm empfangen,
Geld, Silbergeschirr, Juweelen und dergleichen Kleinigkeiten, die
in der That in keinen Vergleich mit demjenigen kommen, was Lucullus
von ihm hat; aber hätt er ihn vorbeygegangen und zu mir geschikt,
ich wollt ihm gewiß fünfzig Talente nicht abgeschlagen haben, ob
die Summe gleich nicht gering ist. (Servilius zu den Vorigen.)
Servilius.
Zu gutem Glük, find' ich hier den Lord Lucius; ich sucht' ihn schon
in der ganzen Stadt--Gnädiger Herr!
Lucius.
Servilius! Es freut mich euch zu sehen. Lebt wohl, empfehlt mich
euerm würdigen, tugendhaften Herrn, meinem sehr werthen Freund.
Servilius.
Mit Euer Gnaden Erlaubniß, mein Herr schikte--
Lucius.
Ha! was schikt er? Ich bin euerm Herrn schon so viel verpflichtet,
er schikt immer: Wie kan ich ihm meine Erkenntlichkeit bezeugen,
meynst du? Und was schikt er mir dann?
Servilius.
Er schikt Euer Gnaden nur seinen Gruß, mit Bitte, ihm wegen einem
dringenden Anlas der ihm zugestossen, mit fünfzig Talenten
auszuhelfen.
Lucius.
Ich weiß, daß Se. Gnaden nur Scherz mit mir treibt; es kan ihm
nicht an fünfzigmal fünfhundert Talenten fehlen.
Servilius.
Indessen fehlt es ihm doch dißmal an einer viel kleinern Summe,
Gnädiger Herr. Wenn er sie nicht so nothwendig brauchte, würd' ich
nicht halb so eifrig mich darum bewerben.
Lucius.
Sprichst du im Ernst, Servilius?
Servilius.
Bey meiner Seele, Milord, es ist Ernst.
Lucius.
Was für ein verwünschtes dummes Thier war ich, daß ich mich auf
eine so gute Gelegenheit so sehr an Geld entblößt habe, wo ich
hätte zeigen können, daß ich ein Mann bin, der auf Ehre hält! Wie
unglüklich es doch zutreffen muß, daß er mich gerad in einer Zeit
auf die Probe sezt, da ich ausser Stand bin--In der That, Servilius,
bey den Göttern, ich bin ausser Stand--(ein desto dummeres Vieh,
sag ich) Ich wollte diesen Augenblik selbst zum Lord Timon schiken,
und ihn um eine Summe Gelds ansprechen, diese Herren können
Zeugschaft geben: Aber izt wollt' ich nicht um alles Geld in Athen,
daß ich es gethan hätte. Empfehlt mich Sr. Gnaden zu geneigtem
Wohlwollen, und ich hoffe, Se. Gnaden werde keine schlimmere
Meynung deßwegen von mir fassen, weil ich nicht im Stande bin, ihm
meine Dienstwilligkeit zu zeigen. Und sagt ihm in meinem Namen, ich
rechne es unter meine grösten Widerwärtigkeiten, daß ich einem so
würdigen Edelmann nicht zu Gefallen seyn könne. Mein guter
Servilius, wollt ihr so viel Freundschaft für mich haben, und ihm
meine eignen Worte hinterbringen?
Servilius.
Ja, Herr, ich will.
(Servilius geht ab.)
Lucius.
Ich will euch eine ziemliche Streke nachsehen, Servilius--Es ist,
wie ihr sagtet; Timon ist hin, in der That; wer kan helfen? Euer
Diener, meine Herren.
(Er geht ab.)
1. Fremder.
Merkt ihr das, Hostilius?
2. Fremder.
Nur gar zu wohl.
1. Fremder.
Das ist der Lauf der Welt; so denken alle Schmeichler: Wer kan den
seinen Freund nennen, der in Eine Schüssel mit ihm taucht? Denn,
wie mir bekannt ist, war Lord Timon wie ein Vater zu diesem Herrn;
er unterhielt seinen Credit und seine Haushaltung aus seinem Beutel,
und bezahlte sogar seinen Bedienten ihren Lohn. Er trinkt nie,
ohne daß Timons Silber seine Lippen drükt; und dennoch--o! was für
ein Ungeheuer ist der Mensch, wenn er aus einer undankbaren Gestalt
hervorgukt! Er schlägt ihm ab, was gutthätige Leute Bettlern nicht
versagen.
3. Fremder.
Die Menschlichkeit schauert vor einer solchen Gefühllosigkeit.
1. Fremder.
Was mich betrift, so hab' ich in meinem Leben niemals die geringste
Gutthat von Timon genossen, die mich vor andern verbände, sein
Freund zu seyn; und doch versichre ich, um seines edeln und
wohlthätigen Gemüths willen, und aus Hochachtung für seine Tugend,
wollt' ich ihm die Helfte meines Vermögens geschenkt haben, wenn er
sich in seinem Bedürfniß an mich gewendet hätte, so sehr lieb' ich
sein Herz; allein, so wie die Welt geht, muß man sein Mitleiden
zurükhalten lernen; denn Klugheit geht über Gewissen.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Ein dritter Bedienter des Timon mit Sempronius.)
Sempronius.
Mußt' er denn gerade mich damit beunruhigen? Vor allen andern? Er
hätt' es bey Lord Lucius oder Lucullus versuchen können, und nun
ist auch Ventidius reich, den er aus dem Gefängniß erledigt hat;
alle diese drey haben ihm ihr Vermögen zu danken.
Bedienter.
O Gnädiger Herr, sie sind alle auf die Probe gesezt und falsch
befunden worden; sie haben ihn alle abgewiesen.
Sempronius.
Wie? Abgewiesen? Ventidius und Lucullus, beyde ihn abgewiesen? Und
nun schikt er zu mir? Drey! hum--Es zeigt wenig Freundschaft oder
Vernunft auf seiner Seite an. Muß ich seine lezte Zuflucht seyn?
Seine Freunde, die gleich Aerzten sich auf seine Unkosten
bereichert haben, geben ihn au? Muß ich nun die Cur übernehmen? er
hat mir eine schlechte Ehre damit angethan; es verdrießt mich, er
hätte wol wissen können, wer ich bin; ich kan keinen Grund erdenken,
warum er nicht zuerst an mich gekommen ist, wenn er jemands Hülfe
nöthig hatte. Auf mein Gewissen, ich war der erste unter allen die
iemals Gutes von ihm genossen haben; und denkt er denn so unbillig
von mir, daß ich der lezte seyn werde, es wett zu machen? Es wird
allen übrigen eine Materie zum Lachen geben, und ich werde der Narr
unter dem Atheniensischen Adel seyn. Ich wollte dreymal so viel als
er von mir verlangt darum geben, er hätte zu mir zuerst geschikt,
wenn es auch nur gewesen wäre, um meiner Gemüthsart Gerechtigkeit
wiederfahren zu lassen; ich wäre so geneigt gewesen ihm Gutes zu
thun. Aber so geh' nur wieder heim, und seze zu den abschlägigen
Antworten der übrigen, in meinem Namen, noch dieses hinzu: Wer
meiner Ehre zu nahe tritt, soll nimmermehr mein Geld zu sehen
kriegen.
(Er geht ab.)
Bedienter.
Vortreflich! Euer Gnaden ist ein feiner Spizbube. Der Teufel wußte
gewiß nicht was er that, wie er die Leute politisch machte; er
schadete sich selbst dadurch; und ich kan nichts anders als glauben,
am Ende werden sie ihn selbst mit ihren Schelmenstreichen zum
Narren machen.--Das waren nun diejenigen, auf die mein Herr seine
besten Hoffnungen gesezt hatte; nun sind alle zurükgetreten, und
ausser den Göttern bleibt ihm niemand übrig. Seine Freunde sind
todt. Thüren, die so manches glükliche Jahr her nie mit ihren
Schlössern bekannt worden, müssen nun gebraucht werden, ihren Herrn
vor dem Ungestüm seiner Glaubiger sicher zu stellen. Das ist alles,
was er von seiner Freygebigkeit davon trägt!
(Er geht ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in Timons Vorhaus.)
(Varro, Titus, Hortensius, Caphis, und andre Bediente von Timons
Gläubigern treten auf, um auf sein Ausgehen zu warten.)
Varro.
Treffen wir uns hier an? Guten Morgen, Titus und Hortensius.
Titus.
Ebenmässig, mein werther Varro.
Hortensius.
Caphis, sehen wir einander auch hier?
Caphis.
Ich denke wir haben alle einerley Verrichtung. Die meinige ist,
Geld zu fordern.
Titus.
Das ist die unsrige auch. (Philo zu den Vorigen.)
Caphis.
Da kommt auch Herr Philo.
Philo.
Guten Tag allerseits.
Caphis.
Willkommen, Bruder. Wie viel, denkt ihr, ist es an der Zeit?
Philo.
Nicht weit von neun Uhr.
Caphis.
Schon so viel?
Philo.
Hat sich Milord noch nicht sehen lassen?
Caphis.
Noch nicht.
Philo.
Das wundert mich, er pflegte sonst um sieben Uhr schon zu scheinen.
Caphis.
Ja, aber die Tage haben bey ihm abgenommen; ihr müßt bedenken, daß
der Lauf eines Verschwenders dem Sonnenlauf gleich ist, aber ich
fürchte mit dem Unterscheid, daß er nicht wieder von vornen anfangt.
Es ist tiefster Winter in Timons Sekel; das ist, es mag einer tief
genug hinunter langen, und doch nicht viel finden.
Philo.
Das besorg' ich auch.
Titus.
Ihr könnt bey dieser Gelegenheit eine feine Beobachtung machen:
Euer Herr hat euch geschikt, den Timon um Geld anzufodern.
Hortensius.
So ist's.
Titus.
Und er trägt in diesem Augenblik Juweelen, die ihm Timon geschenkt
hat, wofür ich die Bezahlung fordern soll.
Hortensius.
Ich thue es ungern genug.
Caphis.
Das ist seltsam, daß Timon mehr bezahlen soll, als er schuldig ist;
und es kommt eben so heraus, als ob euer Herr kostbare Kleinode
trüge, und schikte um Geld dafür.
Hortensius.
Die Götter sind meine Zeugen, daß mich diese Verrichtung recht
sauer ankommt; ich weiß, mein Herr hat dem Timon geholfen, sein
Vermögen durchzubringen; seine Undankbarkeit macht, daß es izt
ärger ist, als wenn er's ihm gestohlen hätte.
Varro.
Meine Forderung ist dreytausend Cronen; wie viel ist die eurige?
Caphis.
Fünftausend.
Varro.
Das ist viel; aus der Summe sollte man schliessen, euer Herr habe
mehr Confidenz gehabt als der meinige, sonst hätt' dieser gewiß
seine Fordrung eben so groß gemacht.* (Flaminius zu den Vorigen.)
Titus.
Hier kommt einer von Timons Leuten.
Caphis.
Flaminius! Herr, ein Wort; ich bitte euch, ist Milord noch nicht
fertig heraus zu kommen?
Flaminius.
Nein, in der That, er ist nicht.
Titus.
Wir warten auf Se. Gnaden, seyd so gut und sagt ihm das.
Flaminius.
Das hab ich nicht nöthig ihm zu sagen, er kennt eure Aufwartsamkeit.
(Flavius, in einen Mantel eingehüllt.)
Caphis.
Ha! Ist das nicht der Verwalter, der so vermummt ist? Er lauft wie
in einem Sturm davon; ruft ihn, ruft ihn.
Titus.
Hört ihr, Herr--
Varro.
Mit eurer Erlaubniß, Herr.
Flavius.
Was wollt ihr von mir, mein Freund?
Titus.
Wir warten hier wegen gewissen Geld-Summen, Herr.
Flavius.
Wenn euer Geld so gewiß wäre als euer Warten, so wär' es sicher
genug. Warum wieset ihr denn eure Rechnungen und Schuld-
Verschreibungen nicht damals vor, als eure verräthrischen Herren
aus meines Herrn Schüsseln assen? Damals konnten sie seine Schulden
anlächeln, und die Interessen in ihren heißhungrigen Rachen
hinunter schluken. Ihr thut euch nur selbst Schaden, wenn ihr mich
aufreizet; laßt mich in Ruhe meines Wegs gehen. Glaubt mir, Milord
und ich sind fertig; ich habe nichts mehr zu rechnen, und er nichts
mehr auszugeben.
Caphis.
Schon recht, aber die Antwort dient nicht--
Flavius.
Wenn sie nicht dienen mag, so ist sie nicht so niederträchtig als
ihr; denn ihr dient Schelmen.
(Er geht ab.)
Varro.
Wie? was brummt seine verwalterische Herrlichkeit?
Titus.
Laßt es gehen--er ist arm, und das ist Straffe genug. Wer darf sich
breiter machen, als einer der kein Haus hat, wo er seinen Kopf
hinein steken kan? Solche Leute dürfen sich wol über Paläste
aufhalten. (Servilius zu den Vorigen.)
Titus.
O, hier ist Servilius; nun werden wir doch eine Antwort kriegen.
Servilius.
Wenn ich euch bitten dürfte, meine Herren, zu einer andern Zeit
wieder zu kommen, so würdet ihr mir einen Gefallen thun. Denn bey
meiner Seele, Milord ist auf eine seltsame Art unmuthig; sein
leutseliges Wesen hat ihn ganz verlassen, er ist gar nicht wohl auf,
er hütet das Zimmer.
Caphis.
Manche hüten das Zimmer, die nicht krank sind; und wenn es so übel
mit seiner Gesundheit steht, so däucht mich, sollt' er seine
Schulden nur desto eher bezahlen, und sich einen offnen Weg zu den
Göttern machen.
Servilius.
Ihr gütigen Götter!
Titus.
Das können wir für keine Antwort nehmen.
Flaminius (hinter der Bühne.)
Servilius, helft--Milord, Milord! * Ein Wortspiel mit (Confidence),
welches im Englischen Zutrauen und Unverschämtheit heissen kan.
Fünfte Scene.
(Timon lauft in der Wuth heraus.)
Timon.
Wie, ist mir nicht mehr erlaubt zu meiner Thür heraus zu gehen? Ich
bin immer frey gewesen, und soll nun mein Haus mein Kerker werden?
Muß mich die eisenherzige Grausamkeit der Menschen bis in den Plaz
verfolgen, wo ich ihnen Bankette gab?
Caphis.
Bring dein Gewerb' izt an, Titus.
Titus.
Gnädiger Herr, hier ist meine Obligation.
Caphis.
Hier ist die meinige.
Varro.
Und hier die meinige, Milord.
Philo und die Übrigen.
Und hier die unsrige.
Timon.
Schlagt mich damit zu Boden--Spaltet mich bis an den Gürtel.
Caphis.
Aber, Milord--
Timon.
Schneid mein Herz in Stüke.
Titus.
Meine ist fünfzig Talente.
Timon.
Rechne sie an meinem Blut ab.
Caphis.
Fünftausend Cronen, Milord.
Timon.
Fünftausend Tropfen zahlen das. Wie viel ist eure--und eure?
Varro.
Milord!--
Philo.
Milord!--
Timon.
Hier nehmt mich, zerreißt mich, und die Götter zerschmettern euch,
und die so euch geschikt haben!
(Er geht ab.)
Hortensius.
Bey meiner Treue, ich sehe, unsre Herren können ihre Kappen nach
ihrem Gelde werfen; diese Schulden können wohl verzweifelt genennt
werden, denn der sie bezahlen soll, ist wahnwizig.
(Sie gehen ab.)
(Timon und Flavius kommen zurük.)
Timon.
Sie haben mich ganz ausser Athem gebracht, die Sclaven! Gläubiger!--
Teufel!
Flavius.
Mein theurer Herr--
Timon.
Wie, wenn ich es so machte?
Flavius.
Mein theurer Herr--
Timon.
So soll es seyn!--Mein Verwalter!
Flavius.
Hier, Milord.
Timon.
Du bist schnell da--Geh, lade alle meine Freunde ein, Lucius,
Lucullus, Sempronius, Alle! Ich will diesen Galgenschwengeln noch
einmal zu schmausen geben.
Flavius.
Ach, mein gütiger Herr, ihr sprecht in der Zerstreuung euers
Gemüths; es ist nicht einmal so viel übrig, als zu einer mässigen
Mahlzeit nöthig ist.
Timon.
Bekümmre dich nicht um das; geh' und lade sie alle ein, laß die
Fluth von Schelmen noch einmal herein; mein Koch und ich wollen
schon davor sorgen.
Sechste Scene.
(Verwandelt sich in das Rath-Haus.)
(Die Senatoren und Alcibiades.)
1. Senator.
Milord, ihr habt meine Stimme dazu, das Verbrechen ist blutig, er
muß dafür sterben; nichts muntert die Sünden mehr auf als
Barmherzigkeit.
2. Senator.
Sehr richtig; das Gesez muß sie zerschmettern.
Alcibiades.
Heil, Ehre und Mitleiden dem Senat!
1. Senator.
Nun, Feldherr--
Alcibiades.
Ich komme, Euern Herrlichkeiten eine demüthige Bitte vorzutragen.
Mitleiden ist der echte Geist der Geseze, und nur Tyrannen machen
einen grausamen Gebrauch davon. Zeit und Unglük verfolgen einen von
meinen Freunden, der in der Hize seines Blutes in das Gesez
gefallen ist, welches für diejenige, die unvorsichtiger Weise
hineinplätschern, eine bodenlose Tieffe zu seyn pflegt. Er ist,
dieses Vergehen bey Seite gesezt, ein Mann von Ehre und Tugend, und
dieses kauft seinen Fehler los. Auch ist seine That mit keiner
Niederträchtigkeit beflekt; sondern mit einer edeln Wuth und einem
ruhmwürdigen Stolz sezt' er sich seinem Feind, der seiner Ehre eine
tödtliche Wunde beygebracht hatte, entgegen; nachdem er lange genug
seinen Zorn zurük gehalten, und sich mit einem so gemässigten Eifer
vertheidigt hatte, als ob er nur einen academischen Saz behauptete.
1. Senator.
Ihr übernehmt etwas allzu anstößiges, indem ihr euch so viele Mühe
gebt, einer häßlichen That einen schönen Anstrich zu geben; ihr
habt nicht anders gesprochen, als ob ihr im Sinn hättet, den
Menschen-Mord in Schwang zu bringen, und Schlägereyen auf Rechnung
der Dapferkeit zu sezen, die doch bloß von einer unächten
Dapferkeit ihren Ursprung haben, und in die Welt kamen, eh noch
bürgerliche Geseze den neugebohrnen Factionen und Zerrüttungen
Einhalt gethan hatten. Der ist wahrhaftig dapfer, der das ärgste,
was ein Mensch athmen kan, weislich erträgt; und, anstatt
Beleidigungen bis zu seinem Herzen dringen, und es in gefährliches
Feuer sezen zu lassen, sie für Kletten ansieht, die nur an seinen
Kleidern hangen bleiben --
Alcibiades.
Milord--
1. Senator.
Ihr könnt schwarze Verbrechen nicht weiß waschen; Nicht Rache,
sondern Geduld ist Tapferkeit.
Alcibiades.
So vergebet mir dann, gnädige Herren, wenn ich wie ein Soldat
spreche. Warum sind denn die Leute so albern und wagen ihr Leben in
einem Treffen? Und warum erdulden sie nicht lieber alle Drohungen
des Feindes, schlaffen ruhig dabey ein, und lassen sich von den
Feinden, ohne Wiederstand, die Hälse abschneiden? Wenn im Erdulden
eine so grosse Tapferkeit ist, was machen wir im Felde? So sind
also unleugbar die Weiber, die zu Hause bleiben, tapfrer als wir;
so ist der Esel dapfrer als der Löwe; ja ein Kerl der eine Last von
Eisen auf dem Rüken trägt, ist weiser dann ein Rathsherr, wenn im
Tragen Weisheit ligt. O, Milords, wie ihr groß seyd, so seyd auch
gütig und mitleidig; wer kan nicht bey kaltem Blut das Vergehen
eines heissen Bluts verdammen? Morden, ich gesteh es, ist das
schwerste Verbrechen; aber zu seiner Vertheidigung--Bey allem was
billig ist, dieses macht es gerecht. Sich seinem Zorn überlassen,
ist Sünde; aber wo ist der Mann, der nicht zornig werden kan? Wägt
das Verbrechen nur nach diesem ab.
2. Senator.
Du verschwendest deinen Athem umsonst.
Alcibiades.
Umsonst? Die Dienste, die er zu Byzanz und Lacedämon geleistet,
sollten allein vermögend seyn, seine Begnadigung zu erbitten.
1. Senator.
Was ist das?
Alcibiades.
Ich sage, Milords, er hat gute Dienste gethan, und in der Schlacht
manchen von euern Feinden erschlagen. Wie dapfer hielt er sich nur
in dem lezten Treffen, und was für ergiebige Wunden macht' er nicht!
2. Senator.
Er ist ein vollkommen lüderlicher Mensch; er hat noch eine andre
böse Gewohnheit, die seine Dapferkeit oft in Wein ertränkt; wenn
gleich keine Feinde wären, so wäre das allein genug, ihn zu
übermannen. Man weiß, daß er in dergleichen viehischer Raserey die
grösten Ausschweiffungen begangen, und Tumult angefangen hat. Es
ist uns geklagt worden, seine Tage seyen unnüze, und seine im Trunk
verbrausende Nächte gefährlich.
1. Senator.
Er muß sterben.
Alcibiades.
Hartes Schiksal! Er hätt' im Kriege sterben können. Milords, wenn
euch seine eigne Verdienste nicht bewegen können, (obgleich sein
rechter Arm seine Sache gut machen sollte, ohne jemand anderm etwas
schuldig zu werden) so nehmt meine Verdienste zu den seinigen; und
da ich weiß, daß euer ehrwürdiges Alter Sicherheit liebt, will ich
euch meine Siege, meine Ehrenzeichen zum Pfand seiner Besserung
geben. Wenn er dieses Verbrechens halben sein Leben dem Gesez
schuldig ist, so laßt ihn's im Krieg auf eine dapfre Art in Wunden
ausströmen; wenn das Gesez scharf ist, so ist es der Krieg nicht
weniger.
1. Senator.
Wir sind um des Gesezes willen da, er stirbt, treib es nicht weiter,
bey den strengsten Folgen unsers Mißvergnügens; Freund oder Bruder,
wer eines andern Blut vergießt, macht sich seines eignen verlustig.
Alcibiades.
Muß es denn seyn? Es muß nicht seyn; Milords, ich bitte euch,
mißkennt mich nicht.
2. Senator.
Wie?
Alcibiades.
Erinnert euch meiner!
3. Senator.
Was?--
Alcibiades.
Ich kan nicht anders als denken, euer Alter muß mich vergessen
haben; es wäre sonst unmöglich, daß ich so verächtlich in euern
Augen seyn sollte, um eine so gemeine Gnade zu bitten, und
abgewiesen zu werden. Meine Wunden schmerzen mich um euertwillen.
1. Senator.
Trozt ihr unserm Zorn--er braucht wenig Worte, aber die Würkung
reicht weit--Wir verbannen dich auf ewig.
Alcibiades.
Mich verbannen? Verbannt euern Aberwiz, verbannt den Wucher, die
den Senat verachtenswürdig machen!
1. Senator.
Wenn nach zween Tagen Athen dich noch enthält, so erwart' unser
strengeres Urtheil. Und damit dein unmächtiger Stolz noch mehr
aufschwelle, soll er diesen Augenblik hingerichtet werden.
(Sie gehen ab.)
Alcibiades.
Die Götter lassen euch alt genug werden, daß ihr nur noch in
Knochen lebet, und euer Anblik alle Welt verscheuche! Ich bin mehr
als unsinnig; ich habe ihre Feinde von ihnen entfernt gehalten,
indessen daß sie ihr Geld gezählt, und auf Wucher ausgeliehen haben;
Wunden sind mein ganzer Gewinn dabey--Und alles das für diß? Ist
das der Balsam, den der filzichte Senat in eines Feldherrn Wunden
gießt? Ha! Verbannung! Doch es kommt nicht ungelegen; ich bin es
zufrieden, verbannt zu seyn; es ist mir eine gerechte Ursache,
Athen meine Wuth empfinden zu lassen. Ich will meine mißvergnügten
Truppen aufmuntern, und alles aufs Spiel sezen. Es ist Ehre
einzulegen, wenn man es mit einer überlegnen Anzahl aufnimmt.
Soldaten schluken so wenig eine Beleidigung ein, als die Götter.
(Er geht ab.)
Siebende Scene.
(Verwandelt sich in Timons Haus.)
(Verschiedene Senatoren treten durch verschiedne Thüren auf.)
1. Senator.
Guten Tag, mein Herr.
2. Senator.
Ebenfalls; ich denke dieser würdige Edelmann sezte uns lezthin nur
auf die Probe.
1. Senator.
Ich dachte nur eben auch daran. Ich hoffe, es steht nicht so
schlimm mit ihm, als er vorgab, wie er seine Freunde auf die Probe
sezte.
2. Senator.
Es sollte nicht seyn, wenn man von diesem neuen Banket schliessen
darf.
1. Senator.
Ich kan nicht anders denken; er hat mir eine ernstliche Einladung
zugesandt, die ich wegen vieler nothwendiger Geschäfte gerne
abgelehnt hätte; allein, er hat mich so anhaltend bitten lassen,
daß ich kommen mußte.
2. Senator.
Ich befand mich in gleichen Umständen, allein er wollte keine
Entschuldigung gelten lassen. Es ist mir leid, daß ich nicht
versehen war, wie er um Geld zu mir schikte.
1. Senator.
Es verdrießt mich für meinen Theil nicht weniger, da ich nun merke,
wie die Sachen stehen.
2. Senator.
Es ist keiner hier, dem es nicht eben so ist, wie uns. Wie viel
wollt' er von euch entlehnen?
1. Senator.
Fünfzig Talente.
2. Senator.
Fünfzig Talente?
1. Senator.
Wie viel von euch?
2. Senator.
Er schikte zu mir--Hier kommt er. (Timon tritt mit seinem Gefolg
auf.)
Timon.
Von Herzen willkommen, meine Herren beyderseits--und wie steht es?
1. Senator.
Aufs allerbeste, da wir gute Zeitungen von Eu. Gnaden hören.
2. Senator.
Die Schwalbe folgt dem Sommer nicht williger, als wir Eu. Gnaden.
Timon (bey Seite.)
Und verläßt den Winter nicht lieber; solche Sommer-Vögel sind die
Menschen--Meine Herren, unsre Mahlzeit wird nicht werth seyn, daß
wir so lange drauf warten; Tractirt indessen eure Ohren mit der
Musik, wenn Trompeten-Schall nicht eine zu harte Speise für sie ist;
wir werden uns gleich sezen können.
1. Senator.
Ich hoffe Euer Gnaden werde keinen Unwillen gefaßt haben, daß ich
euch einen leeren Boten zurükgeschikt habe.
Timon.
O mein Herr, laßt euch das nicht beunruhigen.
2. Senator.
Mein edler Lord--
Timon.
Ah, mein guter Freund, wie gehts?
(Das Essen wird aufgetragen.)
2. Senator.
Mein hochgeehrtester Herr, ich bin ganz krank vor Schaam, daß ich
so ein unglüklicher Bettler war, als Euer Gnaden neulich zu mir
schikte.
Timon.
Denkt nicht an das, mein Herr.
2. Senator.
Hättet ihr nur zwo Stunden eher geschikt--
Timon.
Laßt euch das nicht von angenehmern Erinnerungen abhalten--He,
stellt alles zugleich auf!
2. Senator (zum Ersten.)
Lauter bedekte Schüsseln?
1. Senator.
Ein Königliches Tractament, ich steh' euch dafür.
3. Senator.
Daran ist kein Zweifel, was Geld und die Jahrszeit aufbringen
können.
1. Senator.
Wie befindet ihr euch? Was giebt's Neues?
2. Senator.
Alcibiades ist aus der Stadt verwiesen worden.
1. Senator.
Alcibiades verwiesen?
3. Senator.
Es ist nichts gewissers.
1. Senator.
Wie das? wie das?
2. Senator.
Ich bitte euch, weswegen?
Timon.
Meine würdigen Freunde, wollt ihr nicht näher kommen?
3. Senator.
Ich will's euch sogleich sagen--Wir haben ein prächtiges Gastmahl
vor uns.
2. Senator.
Er ist noch immer der vorige Mann.
3. Senator.
Wird es dauern? wird es dauern?
2. Senator.
Es wird, wenn Zeit und Glük will, und so--
3. Senator.
Ich versteh euch.
Timon.
Ein jeder nehme seinen Plaz, so begierig, als ob er an die Lippen
seiner Liebsten wollte; ihr werdet an allen Pläzen gleich gehalten
werden. Macht nicht eine Stadt-Gasterey daraus, und laßt das Essen
kalt werden, eh man einig werden kan, wer zu oberst sizen soll.
Sezt euch, sezt euch! Die Götter fordern unsern Dank: "Ihr grossen
Wohlthäter, besprengt unsre Gesellschaft mit Dankbarkeit. Macht,
daß ihr für eure Gaben gepriesen werdet; aber behaltet immer etwas,
das ihr geben könnt, sonst möchten Eure Gottheiten in Verachtung
gerathen. Leihet einem jeden genug, damit keiner nöthig habe dem
andern zu leihen; denn wenn Eure Gottheiten selbst dazu kämen, daß
sie von Menschen entlehnen müßten, so würden die Menschen Atheisten
seyn. Macht die Mahlzeit beliebter, als den der sie giebt. Laßt
keine Versammlung von fünfzehn ohne eine Mandel Bösewichter seyn.
Wenn zwölf Weiber an einem Tisch sizen, so laßt ein Duzend von
ihnen seyn--was sie sind--den Rest eurer Feinde, o ihr Götter, die
Senatoren von Athen, nebst der Grund-Suppe des übrigen Volks,
zählet, ihr Götter, dem Verderben zu. Was diese meine Freunde
betrift--So, wie sie für mich Nichts sind, so segnet sie auch mit
Nichts, und zu Nichts sind sie mir willkommen."
(Man dekt auf, und alle Schüsseln sind mit Hunden von verschiedner
Gattung angefüllt.)
Etliche von den Gästen.
Was meynen Se. Gnaden damit?
Andre.
Das weiß ich nicht.
Timon.
Daß ihr nie keine bessere Mahlzeit sehet, ihr Maul-Freunde; Dampf
und laues Wasser ist euer vollkommnes Ebenbild. Das ist Timons Leze.
Lebt lang, und von aller Welt verabscheut, ihr glatten, lächelnden,
verwünschten Schmarozer, ihr liebkosenden Zerstörer,
schmeichlerische Wölfe, zahme Bären, ihr Glüks-Narren, Teller-Leker,
und Fleisch-Fliegen, ihr Kopf- und Kniebeugenden Sclaven, daß alle
ungezählten Krankheiten von Menschen und Vieh euch in diesem
Augenblik überdeken! Wo gehst du hin! Sachte, nimm erst deine
Arzney ein--du auch--und du --
(Er wirft die Teller nach ihnen, und jagt sie hinaus.)
Halt, ich will dir Geld leihen, ich will keines borgen. Wie? Alle
in Bewegung? Von nun an sey kein Gastmahl, wo ein Bösewicht nicht
willkommen sey! Brenn' auf den Grund ab, Haus; sink', Athen; und
Timon hasse von nun an den Menschen, und alles was menschlich ist!
(Geht ab.)
(Die Senatoren kommen zurük.)
1. Senator.
Wie gefällt euch das, Milords?
2. Senator.
Kennt ihr die Beschaffenheit von Lord Timons Wuth?
3. Senator.
Zum Henker, habt ihr meine Müze nicht gesehen?
4. Senator.
Ich habe meinen Oberrok verlohren.
1. Senator.
Lord Timon ist nichts bessers als ein Narr, er läßt sich lediglich
durch die Laune regieren. Lezthin schenkt' er mir ein Kleinod, und
nun hat er mir's von meiner Müze abgeworfen. Seht ihr mein Kleinod
nicht?
2. Senator.
Habt ihr meine Müze nicht gesehen?
3. Senator.
Hier ist sie.
4. Senator.
Hier ligt mein Rok.
1. Senator.
Wir wollen uns nicht länger aufhalten.
2. Senator.
Lord Timon ist verrükt.
3. Senator.
Das fühl ich an meinen Beinen.
4. Senator.
Den einen Tag giebt er uns Diamanten, und den andern Steine.
(Sie gehen ab.)
Vierter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein Plaz ausser den Mauern von Athen.)
(Timon tritt auf.)
Timon.
Laßt mich noch einmal nach euch zurüksehen, o ihr Mauern, die diese
Wölfe umzingeln! Versink' in den Erdboden, Athen! ihr vermählten
Frauen, werdet unkeusch! ihr Kinder empört euch wider eure Eltern,
und Sclaven und wahnwizige mögen den ehrwürdigen grauen Senat von
seinen Bänken reissen, und an ihrer Stelle den Staat regieren! Gieb
dich der allgemeinen Unzucht Preiß, unreiffe Jungferschaft, thut es
vor euerer Eltern Augen! haltet fest, ihr Bankerotierer; eh ihr den
Rüken kehret, die Messer heraus, und schneidet euern Gläubigern die
Kehlen ab! Stehlt, ihr Sclaven; euere ehrsamen Herren sind nur
Diebe mit längern Händen, und stehlen unter dem Schuz der Geseze.
In deines Herrn Bette, Mädchen; deine Frau ist im Bordell.
Sechszehnjähriger Sohn, reiß deinem alten hinkenden Vater die Krüke
aus der Hand, und schlag ihm damit das Hirn aus! Furcht und
Mitleiden, Scheu vor den Göttern, Friede, Gerechtigkeit, Wahrheit,
häusliche Zucht, Nacht-Ruhe, Nachbarschaft, Unterricht, Sitten,
Religions-Gebräuche, Unterschied der Stände, Herkommen,
Gewohnheiten und Geseze, artet in euer zerrüttendes Gegentheil aus,
und nichts als die Zerrüttung bestehe!--Ihr Plagen alle, deren der
Mensch fähig ist, häuffet eure gährenden anstekenden Fieber über
Athen zusammen; es ist reif zum Untergang! Du kalte Gicht, mach'
unsre Rathsherren zu Krüppeln, damit ihre Glieder so lahm seyn
mögen als ihre Aufführung! Zaumlose Ueppigkeit und wilde Frechheit
kriech in die Herzen und in das Mark unsrer Jugend, daß sie dem
Strom der Tugend entgegen arbeiten, und sich selbst in
Ruchlosigkeit ertränken! Kräze und Eyterbeulen überdeken jeden
Atheniensischen Busen, und ihr Kropf sey lauter Aussaz; ein Athem
steke den andern an, damit ihre Gesellschaft (wie ihre
Freundschaft) durch und durch vergiftet sey. Nichts will ich aus
dir hinaustragen als Naktheit, du abscheuliche Stadt! Nimm noch,
mit vervielfachten Flüchen, diese Versicherung: Timon will in den
Wald, wo er die wildesten Thiere milder als den Menschen finden
wird. Die Götter verderben (o hört mich, ihr guten Götter alle!)
die Athenienser inner- und ausserhalb ihrer Mauern, und verleihen,
daß mit jedem Tage seines Lebens Timons Haß gegen das ganze
Geschlecht der Menschen wachse!
(Geht ab.)
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in Timons Haus.)
(Flavius mit zween oder dreyen Bedienten.)
1. Bedienter.
Hört ihr, guter Herr Verwalter, wo ist unser Herr? Sind wir
verdorben, ist alles aus, ist nichts übrig?
Flavius.
Ach, meine lieben Cameraden, was soll ich euch sagen? So wahr als
ich wünsche, daß die wohlthätigen Götter sich meiner erinnern, ich
bin so arm als ihr.
1. Bedienter.
Daß ein solches Haus gebrochen, ein so edler Herr gefallen seyn
soll! Alles hin! und nicht ein einziger Freund, der ihm in seinem
Unglük unter die Arme greiffe?
2. Bedienter.
Wie wir uns von einem Bekannten wegwenden, der in sein Grab gesenkt
worden, so schleichen seine Freunde von seinem begrabnen Glüksstand
alle hinweg, hinterlassen ihm ihre treulosen Schwüre und
Versprechungen; und er selbst, ein dem freyen Himmel preißgegebner
Bettler, mit einem Uebel das alle Welt von ihm scheucht, mit
Dürftigkeit behaftet, geht, bleibt, gleich der Verachtung, allein.--
Noch mehr von unsern Cameraden. (Es treten noch einige Bediente auf.)
Flavius.
Lauter zerbrochnes Geräthe eines zerstörten Hauses!
3. Bedienter.
Doch tragen unsre Herzen noch Timons Liverey, das seh' ich in euer
aller Gesicht. Wir sind noch alle Cameraden, die, da sie ihrem
Herrn sonst nichts mehr dienen können, ihre Treu durch ihren Kummer
zeigen. Unsre Barke ist lek, und wir armen Tropfen stehen auf dem
sinkenden Verdek, und hören die Wellen dräuen; wir müssen alle in
dem Meer der weiten Luft, jeder so gut er kan, seine Rettung suchen.
Flavius.
Meine guten Cameraden, ich will das äusserste meines Vermögens mit
euch theilen. Wo wir uns jemals wieder antreffen, wollen wir, um
Timons willen, immer gute Freunde seyn, unsre Köpfe schütteln, und
sagen: Wir haben bessere Tage gesehen. Jeder nehme seinen Antheil;
nein, streket alle eure Hände aus--Kein Wort mehr --
(Er giebt ihnen Geld, sie umarmen einander und scheiden, der eine
diesen, der andre einen andern Weg.)
Wer wollte sich Reichthum wünschen, wenn Reichthum in Elend und
Verachtung aufhört? Wer wollte (nach diesem Beyspiel,) sich durch
einen Traum von schimmerndem Glük und Freundschaft täuschen lassen?
Durch ein Gepränge von Herrlichkeit und Wohlleben, aber alles nur
gemahlt, wie diese gefirnißten Freunde! Mein armer redlicher Herr!
durch sein eignes gutes Herz so weit herunter gebracht! Durch Güte
zu Grunde gerichtet! Wie seltsam, daß zuviel Güte eines Menschen
gröste Sünde seyn soll! Unbegränzte Güte macht Götter, und verderbt
Menschen--Mein theurester Herr, einst so glüklich um desto elender,
so reich um desto dürftiger zu seyn; dein grosser Wohlstand ist die
Gelegenheit zu deinen grösten Widerwärtigkeiten worden! Ach! der
gütige Herr! Er ist in Wuth aus dem undankbaren Siz unnatürlicher
Freunde geflohen, und hat nichts mit sich genommen, was sein Leben
unterhalten, oder diesen Unterhalt verschaffen kan. Ich will ihm
folgen und ihn aufsuchen; ich will ihm um seines Herzens willen
immer mit bestem Willen dienen, und, so lang ich Gold habe, immer
sein Verwalter bleiben.
(Er geht ab.)
Dritte Scene.
(Der Wald.)
(Timon tritt auf.)
Timon.
O Sonne, Quelle der segensvollesten Einflüsse, ziehe faule Dünste
aus der Erde, und vergifte die Luft unter deiner Schwester Kreis--
Zwillings-Brüder, zugleich gezeugt, von einer Mutter gebohren und
gesäugt, sind im Glüke getheilt. Der Grössere verschmäht den
Kleinern. Die menschliche Natur selbst, sie, die von so unzählbaren
Uebeln belagert wird, kan zu keinem grossen Glüke kommen, ohne sich
ihrer selbst zu schämen. Erhebt mir diesen Bettler und zieht mir
diesen Lord aus, so wird der Lord so verachtet seyn, als ob er zum
Bettler gebohren worden wäre, und der Bettler geehrt werden, als ob
er kein gebohrner Bettler wäre. Es ist die Weide, die des Widders
Seiten spikt, und der Mangel, der ihn mager macht. Wo ist der, dem
die Aufrichtigkeit seiner eignen unverfälschten Seele den Muth
giebt aufzustehen, und zu sagen: Dieser Mann ist ein Schmeichler?
Wenn einer es ist, sind es alle; denn jede Stuffe des Glüks findt
ihre Schmeichler eine Stuffe niedriger; der gelehrte Kopf bükt sich
vor dem goldnen Narren; alles ist krumm, es ist nichts gerades in
unsrer verfluchten Natur, als unverbesserliche Büberey. So sey dann
alle Gesellschaft und alle Gemeinschaft mit Menschen von mir
verabscheut! Alle von seiner Gattung, ja sich selbst hasset Timon.
Verderben über das ganze Menschen-Geschlecht!--Erde, gieb mir
Wurzeln.
(Er gräbt die Erde auf.)
Wer etwas bessers von dir begehrt, dem würze den Rachen mit deinem
würksamsten Gifte!--Was ist hier! Gold! gelbes, blinkendes, feines
Gold? Nein, ihr Götter, das verlangt' ich nicht von euch; Wurzeln,
gütiger Himmel! Nur so viel von diesem hier ist genug, weiß,
schwarz; schön, häßlich; unrecht, recht; niederträchtig, edel; ein
altes Gesicht, jung; und eine feige Memme, tapfer zu machen. Ihr
Götter, wozu das? warum das? Ihr Götter! wie, das kan eure Priester
von eurer Seite loken, und Leute mit frischem Herzen ins Grab
befördern; dieser gelbe Sclave kan geheiligte Bündnisse
zusammenkütten und auflösen; dem Verfluchten Segnungen, und dem
grindigen Aussaz Anbetung zuziehen; Diebe zu Ehrenstellen erheben
und ihnen neben den Senatoren, Titel, Kniebeugungen und Beyfall
geben: Diß ist's, was die bekümmerte Wittwe wieder freyen macht,
und was einer von Geschwüren und Krebsschäden zerfressenen
Candidatin des Siechenhauses, durch seine balsamische Kraft die
frische Anmuth der Jugendblüthe wieder giebt. Komm, du verdammte
Erde, du gemeine Meze des menschlichen Geschlechts, die so viel
Lermens unter der Rotte der Nationen macht--
(Man hört von fern einen Marsch.)
Ha, eine Trummel--Du bist sehr lebendig, aber ich will dich doch
begraben; wenn deine podagrische Besizer nicht mehr stehen, kanst
du noch davon lauffen--Doch nein, bleib noch ein wenig da, ich will
dich für Handgeld gebrauchen.
(Er stekt eine Anzahl Goldstüke zu sich.)
Vierte Scene.
(Alcibiades zieht auf eine kriegrische Weise mit Trummel und
Pfeiffen auf; und Phrynia und Timandra.)
Alcibiades.
Wer bist du hier? Sprich!
Timon.
Eine Bestie, wie du bist. Daß der Krebs dein Herz dafür durchfresse,
daß du mir wieder ein menschliches Gesicht zu sehen giebst!
Alcibiades.
Wie ist dein Name? Ist der Mensch dir so verhaßt, und du bist
selbst ein Mensch?
Timon.
Ich bin Misanthropos, und hasse das menschliche Geschlecht. Was
dich betrift, so wünscht' ich, du wär'st ein Hund, damit ich dich
ein wenig lieben könnte.
Alcibiades.
Ich kenne dich wol; aber was für Unfälle dir zugestossen seyn
müssen, davon weiß ich nichts.
Timon.
Ich kenne dich auch, und verlange nicht mehr von dir zu wissen, als
ich weiß; zieh deiner Trummel nach, färbe den Boden mit Menschen-
Blut; roth, roth;--Religions-Gebräuche, bürgerliche Geseze sind
grausam, was soll dann der Krieg seyn? Diese faule Meze hier hat
mit allen ihren Cherubin-Bliken mehr Zerstörung in sich als dein
Schwerdt.
Phrynia.
Daß dir die Lippen verfaulen!
Timon.
Das könnte nur begegnen wenn ich dich küßte, und das will ich nicht.
Alcibiades.
Wie kam der edle Timon zu diesem Wechsel?
Timon.
Wie der Mond, weil er kein Licht mehr zu geben hatte; aber ich
konnte mich nicht wieder erneuern wie der Mond, denn es waren keine
Sonnen da, von denen ich hätte borgen können.
Alcibiades.
Edler Timon, was für Freundschaft kan ich dir erweisen?
Timon.
Keine, als mich in meiner Meynung zu bestärken.
Alcibiades.
Was ist diese, Timon?
Timon.
Mir Freundschaft zu versprechen, und keine zu halten. Wenn du mir
keine versprechen willst, so verderben dich die Götter! denn du
bist ein Mensch; und wenn du sie hältst, so sollen sie dich
gleichfalls verderben, denn du bist ein Mensch.
Alcibiades.
Es sind mir einige verworrne Nachrichten von deinen Unglüksfällen
zu Ohren gekommen.
Timon.
Du sahst sie, wie ich im Wohlstand saß.
Alcibiades.
Ich seh sie izt, damals war eine glükliche Zeit.
Timon.
Wie die deinige izt ist, zwischen einem Paar Mezen.
Timandra.
Ist das der allgemeine Liebling von Athen, von dem die Welt so viel
rühmliches sagte?
Timon.
Bist du Timandra?
Timandra.
Ja.
Timon.
Bleib immer eine Hure; die lieben dich nicht, die dich gebrauchen;
häng ihnen Krankheiten an, wenn sie ihre Lust mit dir gebüßt haben;
mach einen guten Gebrauch von deinen bittern Stunden, bringe die
Sclaven zu Schwiz-Kästen und Bädern, bring die rosenwangichte
Jugend zur Hunger-Cur*, und zur Diät.
{ed.-* (Tub-Fast), (Tonne-Fasten) im Englischen. Der Autor zielt auf
die Venerische Seuche und ihre Würkungen. Die Cur derselben wurde
in damaligen Zeiten entweder durch (Guaiacum), oder Mercurialische
Salben gemacht; und in beyden Fällen wurde der Patient sehr warm
und eingesperrt gehalten; das erste, damit der Schweiß befördert
werde; und das andre, damit er sich nicht wieder erkälte, welches
gefährlich war. Das Regimen beym Gebrauch des (Guaiacum), oder
(Lignum Sanctum) (sagt Dr. Friend in seiner Geschichte der Arzney-
Kunst, 2. Theil, S. 380.) war anfangs mit ausserordentlichen
Umständen begleitet, und so strenge, daß der Patient in ein enges
dunkles Loch gesperrt wurde, damit er desto besser schwizen möchte;
und durch diese Veranstaltung wurde, wie sich Fallopius ausdrukt,
der ganze Mensch bis auf die Knochen selbst durchgebeizt. Wisemann
sagt, in England habe man sich zu diesem Zwek, anstatt der
anderwärts üblichen Keller, Bak-Ofen, u. d. gl. einer Tonne bedient.
Was die Unction betrift, so wurde sie zuweilen sieben und dreyßig
Tage fortgesezt, wie er S. 375. bemerkt, und während dieser ganzen
Zeit war eine ausserordentliche Abstinenz nothwendig. Daher dann
das Wort (Tub-Fast.) Warbürton. ** Ein Provinzial-Wort für das
Englische (Slut), für welches dem Uebersezer kein hochdeutsches
Wort bekannt ist.}
Timandra.
An den Galgen, du Ungeheuer.
Alcibiades.
Vergieb, meine liebe Timandra, seine Wiederwärtigkeiten haben
seinen Verstand überwältiget. Ich habe nur wenig Geld übrig, wakrer
Timon, und der Mangel daran verursacht täglichen Aufruhr unter
meiner abgemergelten Kriegs-Schaar. Ich hörte mit Bekümmerniß, wie
das verfluchte Athen, deiner Verdienste uneingedenk, und
undankbarlich der Zeit vergessend, da sie ohne dein Schwerdt und
deine Reichthümer, von ihren Nachbarn mit Füssen zertreten worden
wären --
Timon.
Ich bitte dich, laß deine Trummel rühren, und geh' deines Wegs.
Alcibiades.
Ich bin dein Freund, und habe Mitleiden mit dir, mein liebster
Timon.
Timon.
Wie kanst du Mitleiden mit dem haben, den du beunruhigest; ich
wollte lieber allein seyn.
Alcibiades.
Nun, so fahr wohl; hier hast du Gold.
Timon.
Behalt es, ich kan es nicht essen.
Alcibiades.
Wenn ich das stolze Athen in einen Steinhauffen umgekehrt habe --
Timon.
Ziehst du gegen Athen?
Alcibiades.
Ja, Timon, und aus einer gerechten Ursache.
Timon.
Die Götter verderben sie alle durch deine Hand, und wenn du sie
vernichtet hast, dich auch!
Alcibiades.
Warum mich, Timon?
Timon.
Weil du gebohren wardst, durch Ermordung von Bösewichtern mein
Vaterland zu Grunde zu richten. Ließ dein Gold wieder auf. Geh
weiter, hier ist noch mehr Gold, geh; sey wie eine Planetarische
Seuche, wenn Jupiter über irgendeine lastervolle Stadt sein Gift in
die sieche Luft aushängt; laß dein Schwerdt nicht einen einzigen
überspringen; schone dem ehrwürdigen Greis nicht um seines weissen
Barts willen, er ist ein Wucherer; schlage die Ehefrau nieder, ihr
Kleid allein ist ehrlich, sie ist eine Kupplerin. Laß nicht die
jungfräuliche Wange dein schneidendes Schwerdt stumpf machen;
schone dieses milchweissen Busens nicht, der unter dem gläsernen
Flor zu den Augen der Männer emporschwillt, er ist ein schändlicher
Verräther. Schone nicht des Säuglings, dessen kindisches Lächeln
Narren zur Erbarmung zwingt; denk es ist ein Bastard, von dem ein
dunkles Orakel vorhergesagt hat, daß er dir die Kehle abschneiden
soll, und zerhak' ihn ohne Bedenklichkeit. Verschwöre dich wider
jeden Gegenstand, der dein Herz erweichen könnte; leg' eine Rüstung
um deine Ohren und deine Augen, deren Stählung weder das Heulen der
Mütter, das Geschrey der Jungfrauen, und das Wimmern der Kinder;
noch der Anblik von Priestern, deren Blut über ihre heiligen
Kleider herab strömt, nur um eine Nadelspize durchdringen möge.
Hier ist Gold, deine Soldaten zu bezahlen. Verbreite Verderben um
dich her, geh', und wenn du deine Wuth ausgelassen hast, so verdirb
selbst! Antworte nicht, geh!
Alcibiades.
Hast du noch Gold? Ich nehme das Gold an, das du mir giebst, und
lasse dir deinen Rath.
Timon.
Du folgest ihm oder nicht, so falle der Fluch des Himmels auf dich!
Timandra, Phrynia.
Gieb uns auch etwas Gold, guter Timon; hast du noch mehr?
Timon.
Genug, um zu machen daß eine Hure ihr Handwerk verschwöre und eine--
Kupplerin werde. Hebt auf, ihr Schlütten**, die Schürze auf! Ihr
seyd nicht eydfähig, ob ich gleich weiß, daß ihr schwören würdet;
schwören, daß die unsterblichen Götter die euch hören, vor Entsezen
schaudern müßten. Spart eure Schwüre, ich will euerm blossen
Versprechen glauben. Bleibt immer Huren, und dem, dessen frommer
Zuspruch euch bekehren will, dem macht es dreymal ärger als den
übrigen; ködert ihn an, brennt ihn bis auf die Knochen; laßt nicht
eher von ihm ab, biß euer Feuer über seinem Rauch Meister wird;
doch sollt ihr dafür alle Jahre sechs Monate eine ganz
entgegengesezte Mühe haben. Sezt euch falsche Haare an, und dekt
eure arme dünne Schädel mit Aufsäzen von Todten (wenn schon einige
davon gehangen sind, das hindert nichts); tragt sie, betrügt damit,
und h** immer auf ihren Credit hin; schminkt euch, bis ein Pferd in
euerm Gesicht steken bleiben möchte; der Henker hole die Runzeln!
Beyde.
Gut, gut, nur mehr Gold; glaubt uns, um Gold thun wir was ihr nur
wollt.
Timon.
Säet Auszehrung in ihre marklosen Knochen, lähmet ihre dünnen Beine,
und dämpfet den männlichen Trieb. Brecht die Stimme des Advocaten,
daß er untüchtig werde schlimme Sachen zu führen, und Rabulisten-
Streiche durch sein Geschrey gut zu machen; stekt den Priester an,
der wider die Triebe des Fleisches eifert und sich selbst nicht
glaubt; herab mit der Nase, platt ab, nehmt ihm den Nasenknörpel
ohne Verschonen, der, seinen Privat-Nuzen ausser Gefahr zu sezen,
das gemeine Beste aufopfert. Macht krausköpfichte Spizbuben kahl,
und laßt auch die jungen Eisenfresser nicht leer ausgehen, die mit
ihren grossen Thaten pralen, und nur nicht eine Narbe davon
aufzuweisen haben. Verpestet alle Welt, und ruhet nicht, bis ihr
die Quelle der Vermehrung selbst gänzlich verstopft und
ausgetroknet habt.--Hier ist mehr Gold für euch, bringt alle andre
ins Verderben, dann verfaulet selbst und Misthauffen mögen euer
aller Grab seyn.
Beyde.
Mehr Rath und mehr Geld, guter Timon.
Timon.
Ihr müßtet es erst besser verdienen; ihr habt nun euer Handgeld.
Alcibiades.
Rührt die Trummel, und gegen Athen zu. Lebe wohl, Timon, wenn es
mir gelungen seyn wird, will ich dich wieder besuchen.
Timon.
Wenn mich die Hoffnung nicht betrügt, werd ich dich nicht mehr
sehen.
Alcibiades.
Ich that dir nie was zu leide.
Timon.
Ja, du redtest Gutes von mir.
Alcibiades.
Nennst du das beleidigen?
Timon.
Die Menschen erfahren es alle Tage. Geh deines Weges, pake dich,
und nimm deine Dachshunde mit.
Alcibiades.
Wir sind ihm nur beschwerlich; rührt die Trummel!
(Alcibiades, Timandra und Phrynia gehen ab.)
Fünfte Scene.
Timon.
Daß die Natur noch zu eben der Zeit hungern soll, da der Unmuth
über des Menschen Unbarmherzigkeit sie des Lebens überdrüßig macht!--
Allgemeine Mutter, du deren unermeßliche Schoos und unbegrenzte
Brust alles gebiehrt und säuget; o du, deren nemliche Zeugungs-Hize,
woraus der stolze Mensch aufdunset, die schwarze Kröte zeugt, und
die blaue Schlange, die goldflekichte Eidechs und den blinden
vergifteten Wurm mit allem andern verabscheuten Ungeziefer, das
Hyperions Feuer belebt: Gieb dem der alle deine menschlichen Söhne
hasset, gieb ihm aus deinem unerschöpflichen Busen eine einzige
arme Wurzel. Verstopfe deine fruchtbare gern empfangende Schooß;
laß sie nichts mehr für den undankbaren Menschen hervorbringen. Geh
nur mit Tygern, Drachen, Wölfen und Bären schwanger; schwill von
neuen Ungeheuern auf, die dein emporgerichtetes Antliz dem
umwölbenden Himmel nie gezeigt hat!--O! eine Wurzel--habet Dank,
ihr Götter!--trokne deine lokern Adern auf, und deine vom Pflug
zerrißne Schollen, aus denen der undankbare Mensch diese geistigen
Säfte und diese niedlichen Bissen zieht, die sein reines Gemüth mit
einem Fett umgeben, woran alle Betrachtung abglitscht.