Romeo.
Keines von beyden, schöne Heilige, wenn dir eines davon mißfällt.
Juliette.
Wie kamst du hieher, sage mir das, und warum? Die Garten-Mauer ist
hoch und schwer zu ersteigen, und der Ort Tod, wenn dich einer von
meinen Verwandten gewahr würde.
Romeo.
Mit der Liebe leichten Flügeln überflog ich diese Mauern, einen zu
schwachen Wall gegen den mächtigsten Gott; was die Liebe thun kan,
dazu hat sie auch den Muth; und deßwegen können deine Verwandten
mich nicht abschreken.
Juliette.
Wenn sie dich sehen, so ermorden sie dich.
Romeo.
O Götter! Es ist mehr Gefahr in deinem Aug als in zwanzig ihrer
Schwerdter; sieh nur du mich huldreich an, so verlache ich alles
was ihr Groll gegen mich unternehmen kan.
Juliette.
Ich wollte nicht um die ganze Welt, daß sie dich hier sähen.
Romeo.
Der Mantel der Nacht wird mich vor ihren Augen verbergen, und wenn
nur du mich liebst, so mögen sie mich immer finden; besser daß ihr
Haß mein Leben ende, als daß der Mangel deiner Liebe meinen Tod
verlängre.
Juliette.
Wer gab dir Anweisung diesen Plaz zu finden?
Romeo.
Die Liebe, die mich antrieb ihn zu suchen; sie lehnte mir Wiz, und
ich lehnte ihr Augen--Ich bin kein Steuermann, aber wärst du so
fern als jenes vom entferntesten Ocean bespülte Ufer, ich würd' um
ein solches Kleinod mein Leben wagen.
Juliette.
Die Maske der Nacht liegt auf meinem Gesicht, sonst würde meine
glühende Wange dir zeigen, wie beschämt ich bin, daß du mich reden
hörtest da ich allein zu seyn glaubte. Vergeblich würd' ich izt
mich befremdet stellen wollen, vergeblich, vergeblich läugnen
wollen was ich gesprochen habe--So fahre dann wohl, Verstellung!
Liebst du mich? Ich weiß, du wirst sagen, ja; und ich will mit
deinem Wort zufrieden seyn--wenn du schwörst, so könntest du
meineydig werden; Jupiter lacht nur, sagen sie, zu den falschen
Schwüren der Verliebten. O werther Romeo, sey redlich, wenn du mir
sagst, du liebest mich: Oder wenn du denkst, ich lasse mich zu
leicht gewinnen, so will ich sauer sehen, und verkehrt seyn, und
dir nein sagen--aber anders nicht um die ganze Welt--In der That
liebenswürdiger Montague, ich bin zu zärtlich; du könntest deswegen
nachtheilig von meiner Aufführung denken; Aber glaube mir, edler
Jüngling, du wirst mich in der Probe zuverläßiger finden, als
diejenigen welche List genug haben sich zuverstellen und Umstände
zu machen. Ich würde selbst mehr gemacht haben, ich muß es bekennen,
wenn der Zufall dich nicht, mir unwissend, zum Zeugen meiner
zärtlichen Gesinnungen gemacht hätte. Vergieb mir also, und denke,
um dieser schleunigen Ergebung willen, nicht schlimmer von einer
Liebe, die dir die dunkle Nacht so unverhoft entdekt hat.
Romeo.
Fräulein, bey jenem himmlischen Mond schwör' ich, der alle diese
frucht-vollen Wipfel mit Silber mahlt--
Juliette.
O schwöre nicht bey dem Mond, dem unbeständigen Mond, der alle
Wochen in seinem cirkelnden Kreise sich ändert--oder deine Liebe
könnte eben so veränderlich werden.
Romeo.
Wobey soll ich denn schwören?
Juliette.
Schwöre gar nicht, oder wenn du ja willst, so schwöre bey deinem
anmuthsvollen Selbst, bey dem theuren Gegenstand meiner Anbetung,
und ich will dir glauben.
Romeo.
Wenn jemals meine redliche Liebe--
Juliette.
Gut, schwöre nicht--So angenehm du selbst mir bist, so ist mir doch
diese nächtliche Verbindung nicht angenehm; sie ist zu rasch, zu
unbesonnen, zu plözlich zu ähnlich dem Bliz, der schon aufgehört
hat zu seyn, eh man sagen kan, es blizt--Gute Nacht, mein Liebster.
Diese Knospe von Liebe kan durch des Sommers reiffenden Athem sich
zu einer schönen Blume entfalten, bis wir wieder zusammen kommen.
Gute Nacht, gute Nacht--Eine so süsse Ruhe komme über dein Herz,
als die, so ich in meiner Brust empfinde!
Romeo.
O, willt du mich so unbefriediget verlassen?
Juliette.
Und was für eine Befriedigung kanst du noch verlangen?
Romeo.
Die Auswechslung des Gelübds deiner treuen Liebe gegen das Meinige.
Juliette.
Das that ich schon, eh du mich darum batest, und ich wollte lieber
ich hätt' es nicht gethan.
Romeo.
Möchtest du dein Herz wieder zurüknehmen? Warum das, meine Liebe?
Juliette.
Nur damit ich dir's noch einmal geben könnte--und doch, was wünsch'
ich mir damit, als was ich schon habe? Meine Zärtlichkeit ist so
grenzenlos als die See, meine Liebe so tief; je mehr ich dir gebe,
je mehr ich habe, denn beyde sind unerschöpflich--Ich höre ein
Getöse--Lebe wohl, mein Geliebter--
(Man ruft Julietten hinter der Scene.)
Gleich, gute Amme; lieber Romeo, sey getreu warte nur ein wenig,
ich komme gleich wieder.
(Sie geht weg.)
Romeo.
O, glükliche, glükliche Nacht! Ich besorge nur, weil es Nacht ist,
daß alles das nur ein Traum sey; es ist zu schmeichelnd-süß um
würklich zu seyn. (Juliette kommt wieder.)
Juliette.
Drey Worte, liebster Romeo, und dann gute Nacht, im Ernst--Wenn die
Absicht deiner Liebe rechtschaffen ist, und auf eine geheiligte
Verbindung abzielet, so laß mich durch jemand, den ich morgen an
dich schiken will, wissen, wann und wo du die Ceremonien verrichten
lassen willst, und ich bin bereit, mein ganzes Glük zu deinen
Füssen zu legen, und dir, mein Liebster, durch die ganze Welt zu
folgen.
(Man ruft Julietten hinter der Scene.)
Ich komme gleich--wenn du es aber nicht wohl meynst, so bitt' ich
dich--
(Man ruft wieder)
Den Augenblik--ich komme--gieb deine Bewerbung auf und überlaß
mich meinem Gram--Morgen will ich schiken--
Romeo.
So möge meine Seele leben--
Juliette.
Tausendmal gute Nacht--
(Sie geht weg.)
Romeo.
Wie kann dein Wunsch erfüllt werden, da du mich verlässest?--
Schmerzen-volles Scheiden!--Liebe zu Liebe eilt so freudig wie
Schulknaben von ihren Büchern--aber wenn Liebe sich von Liebe
scheiden soll, da geht's der Schule zu, mit schwermüthigen Bliken--
(Er entfernt sich.)
(Juliette kommt noch einmal zurük.)
Juliette.
St! Romeo! St!--Wo nemm' ich eines Falkeniers Stimme her, um diesen
Terzelot sachte wieder zurük zuloken--Ich darf nicht laut ruffen,
sonst wollt ich die Höle wo Echo ligt zersprengen, und ihre helle
Zunge von Wiederholung meines Romeo heiser machen.
Romeo.
Ist es meine Liebe die mir bey meinem Namen ruft? welche Musik tönt
so süß als die Stimme der Geliebten durch die Nacht hin dem
Liebenden tönt!
Juliette.
Romeo!
Romeo.
Meine Liebe!
Juliette.
In welcher Stunde soll ich morgen zu dir schiken?
Romeo.
Um neun Uhr.
Juliette.
Ich will es nicht vergessen, es ist zwanzig Jahre bis dahin--Ich
habe vergessen, warum ich dich zurükrief.
Romeo.
Laß mich hier stehen, biß es dir wieder einfällt.
Juliette.
Deine Gegenwart ist mir so angenehm, daß ich vergessen werde, daß
ich dich zu lange hier stehen lasse.
Romeo.
Und ich stehe so gerne hier, daß ich mich nicht erinnre eine andre
Heimat zu haben als diese.
Juliette.
Es ist bald Morgen--Ich wollte du wärest weg, und doch nicht weiter
als der Vogel eines spielenden Mädchens, den sie ein wenig von
ihrer Hand weghüpfen läßt, aber aus zärtlicher Eifersucht über
seine Freyheit, wenn er sich zu weit entfernen will, den armen
kleinen Gefangnen gleich wieder an einem seidnen Faden zurükzieht.
Romeo.
Ich wollt' ich wäre dein Vogel.
Juliette.
Das wollt' ich auch, mein Herz, wenn ich nicht fürchtete daß ich
dich gar zu tode liebkosen möchte. Gute Nacht, gute Nacht. Das
Scheiden kommt mich so sauer an, daß ich so lange gute Nacht sagen
werde, biß es Morgen ist.
(Sie geht weg.)
Romeo.
Schlummer ruhe auf deinen Augen, und süsser Friede in deiner Brust!
Möcht' ich der Schlaf und der Friede seyn, um so lieblich zu ruhen!--
Ich gehe nun in die Celle meines Geistlichen Vaters, ihm mein Glük
zu entdeken und ihn um seinen Beystand zu bitten.
(ab.)
Dritte Scene.
(Verwandelt sich in ein Kloster.)
(Pater Lorenz tritt mit einem Korb auf.)
Lorenz.
Der grau-augichte Morgen lächelt die runzelnde Nacht weg, und
zeichnet die östlichen Wolken mit Streiffen von Licht; indem die
geflekte Finsterniß gleich einem Betrunknen, den brennenden Rädern
des Titan aus dem Wege taumelt. Nun ist es Zeit, daß ich, eh das
flammende Auge der Sonne näher kömmt, dem Tag zu liebkosen, und den
nächtlichen Thau aufzutroknen, diesen Korb mit balsamischen
Kräutern und Blumen von heilsamer Kraft anfülle. Die Erde, die
Mutter der Natur, ist auch ihr Grab, und dieses fruchtbare Grab
ists, aus dessen Schoos alle diese verschiednen Kinder entspringen,
die wir saugend an ihrem mütterlichen Busen hangen sehen; jede Art
mit besondern Kräften begabt, jede mit einer eignen Tugend
geschmükt, und keine der andern gleich. Wie groß ist nicht die
manchfaltige Kraft die in Pflanzen, Kräutern und Steinen ligt!
Nichts was auf der Erde sich findet, ist so schlecht, daß die Erde
nicht irgend einen besondern Nuzen davon ziehe; nichts so gut,
dessen Mißbrauch nicht schädlich sey. Die Tugend selbst, wird durch
Überspannung oder irrige Anwendung zum Laster, und das Laster
hingegen zuweilen durch die Art wie es ausgeübt wird, geadelt--In
dieser kleinen Blume hier liegt Gift und Heil-Kraft beysammen; ihr
Geruch stärkt und ermuntert alle Lebens-Kräfte; gekostet hingegen,
raubt sie den Sinnen alle Empfindung, und das Leben selbst. Zween
eben so feindselige Gegner ligen allezeit in jedes Menschen Brust,
die Gnade, und der verdorbne Wille, und wo dieser die Oberhand
gewinnt, da hat der krebsartige Tod nur gar zu bald die ganze
Pflanze aufgefressen. (Romeo zu dem Vorigen.)
Romeo.
Guten Morgen, Vater.
Bruder Lorenz.
Benedicite! Was für eine frühe Zunge grüßt mich so freundlich?--
Junger Sohn, es zeigt einen verstörten Kopf an, daß du dein Bette
so früh schon verlässest. Sorgen wachen wohl in alter Leute Augen,
und wo Sorge wohnt, wird der Schlaf nie sein Nachtlager nehmen:
Aber wo kummerfreye Jugend mit unbeladnem Hirn ihre Glieder ruhen
läßt, da herrschst der goldne Schlaf. Dein frühes Aufseyn ist mir
also ein Zeichen daß irgend eine aufrührische Leidenschaft deine
innerliche Ruhe stört--oder wenn dieses nicht ist, nun, so ist's
bald errathen, daß unser Romeo diese Nacht gar nicht zu Bette
gegangen ist.
Romeo.
Das leztere ist wahr, weil mir eine süssere Ruhe zu theil ward.
Bruder Lorenz.
Gott verzeihe dir deine Sünde! warst du bey Rosalinen?
Romeo.
Bey Rosalinen, mein geistlicher Vater? Nein. Ich habe sie bis auf
ihren Namen vergessen.
Bruder Lorenz.
Das ist mein guter Sohn! Aber wo bist du denn gewesen?
Romeo.
Ich will es aufrichtig gestehen; ich befand mich vor einiger Zeit,
unerkannt, bey einem Gastmal meines Feindes; dort wurd' ich
unversehens, von einer Person verwundet, die ich zu gleicher Zeit
verwundet habe; du besizest die geheiligte Arzney, die uns allein
helfen kan; du siehest, heiliger Mann, daß ich keinen Haß in meinem
Herzen hege, da meine Bitte sich auf meinen Feind erstrekt.
Bruder Lorenz.
Rede gerad und ohne Umschweiffe mit mir, mein Sohn; eine
räthselhafte Beicht' erhält auch nur einen räthselhaften Ablaß.
Romeo.
So wisse dann, daß ich des reichen Capulets schöne Tochter liebe;
ihr Herz hängt an meinem, wie das meinige an dem ihrigen: Alles ist
schon unter uns verglichen, und um gänzlich vereinigt zu seyn,
fehlt uns nichts, als der Knoten, den du machen kanst. Wenn, wo,
und wie, wir einander zuerst gesehen, geliebt, und unsre Herzen
ausgetauscht haben, will ich dir hernach erzählen; alles warum ich
izt bitte, ist, daß du einwilligest uns heute noch zu vermählen.
Bruder Lorenz.
Heiliger Franciscus! Was für eine Veränderung ist das! Ist Rosaline,
die du so zärtlich liebtest, so schnell vergessen? So sizt wohl
die Liebe junger Leute bloß in ihren Augen und nicht im Herzen!
Jesu, Maria! Was für Fluthen von Thränen haben deine Wangen um
Rosalinen willen überschwemmt! Die Sonne hat deine Seufzer noch
nicht vom Himmel weggewischt, dein Gewinsel hallt noch in meinen
alten Ohren; sieh, hier sizt auf deiner Wange noch der Flek von
einer alten Thräne, die noch nicht weggewaschen ist. Wenn du damals
du selbst warst, so gehörst du Rosalinen--und du bist ihr untreu
worden? So gestehe dann, daß es unbillig ist, auf den Leichtsinn
der Weiber zu schmählen, da in Männern selbst keine Standhaftigkeit
ist.
Romeo.
Und doch beschaltest du mich so oft, daß ich Rosalinen liebe?
Bruder Lorenz.
Daß du in sie vernarrt warst, nicht daß du sie liebtest, mein Kind--
Romeo.
Und befahlst mir, meine Liebe zu begraben?
Bruder Lorenz.
Aber nicht eine neue aus ihrem Grab heraus zu holen.
Romeo.
Ich bitte dich, schohne meiner; Sie die ich liebe, erwiedert meine
Zuneigung durch die ihrige; das that die andre nicht.
Bruder Lorenz.
Ohne Zweifel sagte ihr Herz ihr vorher, wie unzuverläßig das
deinige sey! Doch komm nur, junger Flattergeist, folge mir; dein
Wankelmuth kan vielleicht gute Folgen nach sich ziehen. Diese
Verbindung kan das gesegnete Mittel werden, den alten Haß eurer
Familien auszulöschen--und in dieser einzigen Betrachtung will ich
dir behülflich seyn.
Romeo.
O laß uns gehen, ich habe keine Zeit zu versäumen--
Bruder Lorenz.
Bedächtlich und langsam! Wer zu schnell lauft, stolpert leicht.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in die Strasse.)
(Benvolio und Mercutio treten auf.)
Mercutio.
Wo, zum T**, mag denn dieser Romeo seyn? Kam er verwichene Nacht
nicht nach Hause?
Benvolio.
Sein Bedienter sagt, nein.
Mercutio.
Wie, zum Henker, dieses bleichsüchtige, hartherzige Mensch, diese
Rosaline quält ihn, daß er endlich zum Narren d'rüber werden wird.
Benvolio.
Tybalt, des alten Capulets Neffe, hat einen Brief in seines Vaters
Haus geschikt.
Mercutio.
Eine Ausforderung, auf mein Leben!
Benvolio.
Romeo wird ihm antworten, wie sich's gebührt.
Mercutio.
Auf einen Brief kan endlich ein jeder antworten, der Schreiben
gelernt hat.
Benvolio.
Nein, ich meyne, Tybalt wird seinen Mann in Romeo finden.
Mercutio.
Wollte Gott! Aber ach, der arme Romeo! er ist schon tod; von einer
weissen Dirne schwarzem Aug zu tod gestochen! mit einem Liebes-
Liedchen durch und durch--die Ohren gestossen! Der kleine blinde
Bogenschüze hat ihm den Herz-Bendel abgeschossen; und er soll der
Mann seyn, sich mit einem Tybalt zu messen?
Benvolio.
Wie, was ist denn Tybalt--
Mercutio.
Mehr als der Fürst der Kazen; das glaube mir--O, das ist der
herzhafte Obrist-Leutenant aller Complimente; er ficht dir so
leicht als du einen Gassen-Hauer singst, und bohrt dir nach der
Cadenz, troz dem besten Tanzmeister--mit eins, zwey, drey, sein
Federmesser in den Busen, daß es eine Lust zu sehen ist--ein wahrer
Mörder eines seidnen Knopfs, ein Duellist, ein Duellist! Ein Mann,
der immer zu förderst an der Spize seines hohen Hauses steht, ein
Mann der sich nach den Noten schlägt--ah, der unsterbliche
(Passado), der (Punto reverso), der--Hey! --
Benvolio.
Der--was?
Mercutio.
Der Henker hohle diese frazigten, lispelnden, affectierten Narren!
Diese süssen Bürschchen, die mit einem halbausländischen Accent
ausruffen: Jesu! die allerliebste Klinge!--Der allerliebste
Grenadier!--die allerliebste H**!--Wie, ist es nicht erbärmlich,
Großvater, daß wir mit diesen Schmetterlingen, mit diesen Mode-
Frazen, diesen (pardonnés-moi's) heimgesucht seyn sollen, die so
steiff auf der neuen Mode halten, daß sie unmöglich auf dem alten
Bank ruhig sizen können?--O! ihre (bons), ihre (bons!) (Romeo zu
den Vorigen.)
Benvolio.
Hier kommt Romeo, hier kommt er--
Mercutio.
Ohne seinen Rogen, wie ein gedörrter Häring--O Fleisch, Fleisch,
wie bist du fischificiert!--Izt ist er in den Harmonien vertieft,
worinn Petrarch daherfließt: Laura war gegen sein Fräulein nur ein
Küchen-Mensch--Zum Henker, sie hatte einen Liebhaber der sie besser
bereimen konnte--Dido war gegen sein Mädchen nur eine dike Säug-
Amme, Helena und Hero Mezen und Landstreichers-Waare, Thisbe ein
kazen-augichtes Ding, oder so was--Aber nun zur Sache! Signor Romeo,
(bon jour); das ist ein französischer guter Morgen für eure
französischen Hosen--Ihr spieltet uns einen artigen Streich lezte
Nacht--
Romeo.
Guten Morgen--meine Freunde: Was für einen Streich spielt' ich euch
dann?
Mercutio.
Daß ihr so davon schlüpftet, wie wir euch ruften.
Romeo.
Um Vergebung, mein lieber Mercutio, mein Geschäfte war wichtig, und
in einem solchen Fall wie der meinige, ist es einem ehrlichen Mann
erlaubt, eine kleine Ausnahme von den Regeln der Höflichkeit zu
machen--* (Die Amme, mit Peter, ihrem Diener, zu den Vorigen.)
{ed.-* Hier fängt sich bis zum Auftritt der Amme eine Art von wizigem
Duell mit Wortspielen, und abgeschmakt-sinnreichen Einfällen
zwischen Romeo und Mercutio an, welcher leztere zuweilen auch noch
mit schmuzigen Scherzen um sich wirft, wenn er sich nicht anders
mehr zu helfen weiß--Man kennt schon diese Mode-Seuche von unsers
Autors Zeit, und erlaubt uns, eine Lüke zu machen, wo es in unsrer
Sprache unmöglich ist so wizig zu seyn wie seine Spaß-Macher.}
Amme.
Peter--
Peter.
He?
Amme.
Meinen Fächer, Peter--
Mercutio.
Thu es, guter Peter, damit sie ihr Gesicht verbergen kan; ihr
Fächer ist doch das schönste von beyden.
Amme.
Guten Tag geb euch Gott, ihr Herren.
Mercutio.
Ein gutes Mittag-Essen geb euch Gott, schönes Frauenzimmer.
Amme.
Ist es schon Mittag-Essens-Zeit?
Mercutio.
Es ist nicht weniger, sag ich euch; denn die--** ([Nachdem diese
drey jungen Herren eine Zeitlang ihren geistreichen Spaß mit der
Amme gehabt haben, welche dem Romeo sagt, daß sie einen Auftrag an
ihn habe, so führen sich endlich die beyden andern ab, und Romeo
bleibt bey der Amme zurük.])
{ed.-** Eine abermalige Lüke, die sich von einer Zote des sinnreichen
Mercutio anhebt, und im Original mit dem albersten Zeug von der
Welt ausgefüllt ist.}
Amme.
Ich bitte euch, Gnädiger Herr, wer war der grobe Geselle da, der so
voller Raupereyen stekte?
Romeo.
Ein junger Edelmann, Amme, der sich selber gerne reden hört, und in
einer Minute mehr sagt, als er in einem Monat zu verantworten im
Sinn hat.
Amme.
Wenn er etwas wider mich sagte, so wollt' ich ihn auf den Boden
kriegen, und wenn er noch einmal so muthig wär' als er ist, und
zwanzig solche Hansen; und wenn ich nicht kan, so will ich die wol
finden, die es können--der Schurke, der! Ich bin keine von seinen
Fleder-Wischen; ich bin keine von seinen Unter-Pfülben! Und du must
so da stehn, und zusehen, wie ein jeder Flegel seine Lust an mir
büßt?
Peter.
Ich sah niemand seine Lust an euch büssen; wenn ich so was gesehen
hätte, ich wollte bald mit der Fuchtel heraus gewesen seyn, das
versichr' ich euch. Ich habe so viel Herz als ein andrer, wenn ich
Sicherheit in einem Handel sehe, und das Gesez auf meiner Seite ist.
Amme.
Nun, bey Gott, ich bin so übel, daß alles an mir zittert--der
garstige Mensch! Ich bitte euch, Gnädiger Herr, ein einziges Wort;
und wie ich euch sagte, mein junges Fräulein befahl mir euch
aufzusuchen; was sie mir sagte, daß ich sagen sollte, will ich bey
mir behalten; aber ich will nur so viel sagen, wenn ihr sie ins
Narren-Paradies führen würdet, wie man zu sagen pflegt, so wär' es
gewißlich eine grosse Sünde, denn das Fräulein ist jung, und wenn
ihr sie also nur betrügen wolltet, so wär' es in der That nicht
hübsch mit einem jungen Fräulein umgegangen--
Romeo.
Empfiehl mich deiner Fräulein; ich protestiere dir--
Amme.
Das gute Herz! Wohl, meiner Treue, das will ich ihr sagen: Herr,
Gott, sie wird sich vor Freude kaum zu lassen wissen--
Romeo.
Was willt du ihr denn sagen, Amme? Du hörst mich ja nicht an.
Amme.
Ich will ihr sagen, Gnädiger Herr, daß ihr protestiert, welches,
wie ich's verstehe, ein recht honnettes Anerbieten von einem jungen
Cavalier ist--
Romeo.
Sag ihr, sie möchte ein Mittel ausfindig machen, diesen Nachmittag
zur Beichte zu gehen; so solle sie in Bruder Lorenzens Celle zu
gleicher Zeit absolviert und copuliert werden--Hier ist was für
deine Mühe.
Amme.
Nein, wahrhaftig, Gnädiger Herr, nicht einen Pfenning.
Romeo.
Geh, geh, mach keine Umstände, du must--
Amme.
Diesen Nachmittag, Gnädiger Herr? Gut, wir wollen uns einfinden.
Romeo.
Noch eins, gute Amme; warte hinter der Kloster-Mauer, mein Diener
soll binnen dieser Stunde bey dir seyn, und dir eine Strik-Leiter
bringen, die mich diese Nacht auf den Gipfel meiner Glükseligkeit
führen soll. Lebe wohl, sey getreu, und ich will deine Mühe
reichlich belohnen.
Amme.
Nun, Gott im Himmel segne dich! Hört einmal, Gnädiger Herr--
Romeo.
Was willt du mir sagen, meine liebe Amme?
Amme.
Ist euer Bedienter auch verschwiegen? Hörtet ihr niemal sagen,
zween können ein Geheimniß am besten bey sich behalten, wenn man
einen davon thut?
Romeo.
Ich stehe dir davor, mein Kerl ist so zuverlässig als Stahl und
Eisen.
Amme.
Gut, Gnädiger Herr, mein Fräulein ist das holdseligste Fräulein von
der Welt--Herr Gott! wie sie noch ein kleines plapperndes Ding war--
O,--es ist ein Edelmann in der Stadt, ein gewisser Paris, der
seinen Mann gar zu gern bey ihr anbringen möchte; aber sie, die
gute Seele, sie säh eben so gern eine Kröte als sie ihn sieht: Ich
erzürne sie manchmal und sag ihr, Paris sey der schönere von beyden--
aber das versichr' ich euch, wenn ich so rede, so wird sie so
bleich wie ein weisses Tuch--Fangen nicht Rosmarin und Romeo beyde
mit einem Buchstaben an?
Romeo.
Ja, Amme, warum fragst du das? Beyde mit einem R.
Amme.
Ah, Spottvogel! Das ist ja ein Hunds-Name--Nein, nein, ich weiß, es
fangt mit einem andern Buchstaben an, und sie sagt die artigsten
Sentenzien darüber, über euch und den Rosmarin, daß es euch im
Herzen wohlthäte, wenn ihr's hörtet.
Romeo.
Meine Empfehlung an dein Fräulein--
(Romeo geht ab.)
Amme.
O, tausendmal, Peter--
Peter.
He?
Amme.
Nimm meinen Fächer, und geh voran.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in Capulets Haus.)
(Juliette tritt auf.)
Juliette.
Die Gloke schlug neun, wie ich die Amme ausschikte: und sie
versprach in einer halben Stunde wieder zu kommen. Vielleicht kan
sie ihn nicht finden--Das kan es nicht seyn--Oh, sie ist lahm. Die
Boten der Liebe sollten Gedanken seyn, die zehnmal schneller
fortschlüpfen als Sonnenstralen, wenn sie von dämmernden Hügeln die
Schatten der Nacht vertreiben. Deßwegen ziehen leicht-geflügelte
Dauben die Liebes-Göttin, und deßwegen hat der Wind-schnelle Cupido
Schwingen. Die Sonne hat bereits den höchsten Gipfel ihrer
täglichen Reise erstiegen; von neun bis zwölf sind drey lange
Stunden--und doch ist sie noch nicht da--O, hätte sie warmes
jugendliches Blut und ein gerührtes Herz, sie würde so schnell seyn
als ein Ball; meine Worte würden sie zu meinem Geliebten stossen,
und die seinigen zu mir--
(Die Amme und Peter treten auf.) O Gott, sie kommt--O Zuker-Amme,
was bringst du mir für eine Zeitung? Hast du ihn angetroffen?--
Schik deinen Diener weg.
Amme.
Peter warte vor der Tür auf mich.
(Peter geht ab.)
Juliette.
Nun, gute liebe Amme--O Himmel, warum siehst du so finster? Wenn
deine Zeitung böse ist, so solltest du doch freundlich dazu
aussehen; und ist sie gut, so verderbst du ihre Musik, wenn du sie
mir mit einem sauern Gesicht vorspielst.
Amme.
Ich bin müde, laßt mich ein wenig ausruhen--Fy, meine Beine
schmerzen mich, was das für ein Gang war!
Juliette.
Ich wollte du hättest meine Beine, und ich deine Zeitung. Nein,
komm, ich bitte dich, rede--Gute, liebe Amme rede.
Amme.
Jesu! was für eine Ungeduld! Könnt ihr denn nicht ein wenig warten?
Seht ihr nicht, daß ich ganz ausser Athem bin.
Juliette.
Wie bist du ausser Athem, da du Athem genug hast mir zu sagen, daß
du ausser Athem bist? Die Entschuldigung die du für dein Zaudern
machst ist länger als die Erzählung, auf die du mich warten läßst.
Ist deine Zeitung gut oder böse? Antworte mir nur das; Sag eines
von beyden, und ich will auf die Umstände warten; laß mich nicht in
der Unruh, ist sie gut oder böse?
Amme.
Wohl, wohl, ihr habt eine feine Wahl getroffen; ihr wißt nicht wie
man sich einen Mann auslesen muß: Romeo nein, er nicht; und doch,
wenn sein Gesicht gleich nicht besser ist als andrer Leute ihres,
so hat er doch die schönsten Waden, die man sehen kan; und was eine
Hand, einen Fuß, und einen Leib anbetrift, wenn man schon nicht
davon redt, so sind sie doch unvergleichlich. Er ist kein
Complimenten-Narr nicht, aber ich bin gut davor, daß er so sanft
ist wie ein Lamm--Geh deines Wegs, Mädchen, und danke Gott--Wie,
habt ihr schon zu Mittag gegessen?
Juliette.
Nein, nein aber das alles wußt' ich schon vorher; was sagt er von
unsrer Verheurathung? was sagt er davon?
Amme.
Herr, wie mir der Kopf weh thut! was ich für einen Kopf habe! Es
schlägt nicht anders drinn, als ob er in zwanzig Stüke fallen
sollte--Und mein Rüken--O mein Rüken, mein Rüken! Gott verzeih' es
euch, daß ihr mich ausgeschikt, mit auf- und ablauffen mein Leben
einzubüssen.
Juliette.
Bey meiner Treue, es ist mir leid, daß du so übel bist. Liebe,
liebe, liebe Amme, ich bitte dich, was sagt mein Romeo?
Amme.
Euer Romeo redt wie ein rechtschaffner Edelmann, und ein artiger,
und ein freundlicher, und ein hübscher, und, ich bin gut dafür,
auch ein tugendhafter--Wo ist eure Mutter?
Juliette.
Wo meine Mutter ist? Wie, sie ist in ihrem Zimmer; wo soll sie
sonst seyn? Wie wunderlich du fragst? Euer Liebhaber redt wie ein
rechtschaffner Edelmann--wo ist eure Mutter! --
Amme.
O heilige Mutter Gottes, wie hizig ihr seyd! Wahrhaftig, ihr macht
mir's, daß es nicht recht ist. Ist das der Lohn für meine Schmerzen
in den Beinen? Ein andermal rüstet eure Gesandschaften selbst aus--
Juliette.
Was du für einen Lerm machst? Komm, was sagt Romeo?
Amme.
Habt ihr Erlaubniß gekriegt, heut zur Beichte zu gehen?
Juliette.
Ja.
Amme.
So macht euch, sobald ihr könnt, nach Bruder Lorenzens Celle; dort
wartet ein Mann auf euch, der euch zu einem Weibe machen will--Nun
rennt das muthwillige Blut wieder in eure Wangen--Man kan euch kaum
was neues sagen, so sind sie lauter Scharlach. Geht ihr zur Kirche;
ich muß einen andern Weg, eine Leiter zu holen, auf der euer
Liebhaber zu einem Vogel-Nest hinaufklettern soll, so bald es
dunkel seyn wird. Ich bin den ganzen Tag mit euerm Vergnügen
geplagt, aber heute Nacht werdet ihr die Last selber tragen. Geht,
ich will zum Mittag-Essen, macht ihr daß ihr in die Celle kommt.
Juliette.
Wie glüklich bin ich! Leb wohl indessen, gute Amme!
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
(Verwandelt sich in das Kloster.)
(Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)
Bruder Lorenz.
So lächle der Himmel auf diese heilige Handlung, daß keine
nachfolgende Unglüks-Stunden uns zur Reue zwingen mögen!
Romeo.
Amen, Amen! Doch komme was für ein Unglük auch will, es kan die
Wonne nicht überwiegen, die mir eine einzige kurze Minute in ihrem
Anblik giebt: Vereinige du nur mit heiligen Worten unsre Hände, und
dann mag der Tod selbst sein ärgstes thun; es ist genug, wenn ich
sie nur mein nennen kann.
Bruder Lorenz.
Diese heftigen Entzükungen nehmen gemeiniglich ein plözliches Ende,
und sterben in ihrem Triumph; wie Feuer und Pulver, die sich, indem
sie sich begegnen, verzehren. Des süssesten Honigs wird man um
seiner Süssigkeit willen zulezt überdrüssig. Liebe also mässig,
damit du lange lieben könnest; zu schnell kommt eben so spät an,
als zu langsam.
(Juliette zu den Vorigen.)
Hier kommt das Fräulein. Wie munter, wie leicht auf den Füssen sie
ist! Ein Verliebter könnte das leichte Pflaum-Federchen besteigen,
das in der üppigen Sommer-Luft herumflattert, und würde doch nicht
fallen, so leicht ist Eitelkeit.
Juliette.
Guten Abend, mein geistlicher Vater.
Bruder Lorenz.
Romeo, meine Tochter, soll dir für uns beyde danken.
Juliette.
Ich wünsche ihm eben so viel, sonst wäre sein Dank zu viel.
Romeo.
Ah! Juliette, wenn das Maaß deiner Freude so aufgehäuft ist als das
meinige, und du fähiger bist als ich, sie auszudrüken, o so
versüsse durch deinen Athem diese umgebende Luft, und laß die
zauberische Musik deiner Zunge die Glükseligkeit entfalten, die wir
beyde von dieser frohen Zusammenkunft erhalten.
Juliette.
Mein Herz ist zu voll von seinem Glük, als daß es sich in Worte
ergiessen könnte--Die sind nur arm, welche sagen können, wie reich
sie sind--Meine Zärtlichkeit ist zu einem solchen Übermaaß
gestiegen, daß ich nicht die Hälfte meines Reichthums anzugeben
vermag.
Bruder Lorenz.
Kommt, kommt mit mir, und wir wollen kurze Arbeit machen; denn, mit
eurer Erlaubniß, sollt ihr nicht allein beysammen bleiben, bis die
heilige Kirch aus beyden (Einen) Leib gemacht hat.
(Sie gehen ab.)
Dritter Aufzug.
Erste Scene.
(Die Strasse.)
(Mercutio und Benvolio mit ihren Bedienten treten auf.)
Benvolio.
Ich bitte dich, lieber Mercutio, laß uns gehen, der Tag ist heiß,
und die Capulets schwärmen in den Strassen herum; wenn wir ihnen
begegnen, so wird es unfehlbar Händel absezen; denn in diesen
heissen Tagen ist das tolle Blut aufrührisch.
Mercutio.
Du kommst mir gerade so vor, wie einer von den tapfern Männern, die,
wenn sie in ein Weinhaus kommen, gleich ihren Degen auf den Tisch
schmeissen und sagen: Gott gebe daß ich dich nicht nöthig habe!
aber sobald ihnen die zweyte Flasche in den Kopf gestiegen ist, ihn
gegen den Keller-Jungen ziehen, welches sie in der That nicht
nöthig hatten.
Benvolio.
Und einem solchen Burschen bin ich gleich?
Mercutio.
Komm, komm, wenn du aufgebracht bist, bist du ein so hiziger
Klingen-Fresser als irgend einer in Italien--und das schlimmste
dabey ist, daß du eben so schnell aufzubringen bist, als du hizig
bist, wenn man dich aufgebracht hat.
Benvolio.
Wie kömmt das?
Mercutio.
Wahrhaftig, wenn zween solche wären wie du, wir würden gar bald gar
keinen haben, denn einer würde den andern in der ersten Stunde
aufreiben. Du? du fängst ja Händel mit einem an, weil er ein Haar
mehr oder weniger in seinem Bart hat, als du; du würdest mit einem
anbinden, der Nüsse aufknakte, ohne eine andre Ursache angeben zu
können, als weil du nußbraune Augen hast. Dein Kopf ist so voller
Händel, als ein Ey voll von Dotter und Eyer-Klar--und doch ist dir
dieser nemliche Kopf, um deiner Schlägereyen willen, schon so weich
geschlagen worden, als ein gesottnes Ey. Du hast dich mit einem
geschlagen, der auf der Strasse hustete, weil er deinen Hund damit
aufgewekt habe, der in der Sonne schlafend lag. Fiengst du nicht
mit einem Schneider Händel an, weil er sein neues Wams vor Ostern
trug? und mit einem andern, weil er seine neue Schuhe mit einem
alten Nestel zugeknöpft hatte? Und du willt hier den Hofmeister mit
mir machen, und mich vor Händeln warnen!
Benvolio.
Wenn ich so händelsüchtig wäre wie du, es würde mir niemand zwo
Stunden um mein Leben geben--
(Tybalt, Petrucchio und andre von den Capulets treten auf.) Bey
meinem Kopf, hier kommen die Capulets--
Mercutio.
Bey meiner Ferse, ich frage nichts darnach.
Tybalt.
Haltet euch dicht an mir, ich will mit ihnen reden--Guten Tag,
meine Herren, ein Wort mit einem von euch.
Mercutio.
Warum nur Ein Wort? Kuppelt es mit einem leibhaftern Ding zusammen,
macht daß ein Wort und eine Ohrfeige draus wird.
Tybalt.
Ihr sollt mich willig genug dazu finden, Herr, wenn ihr mir
Gelegenheit dazu geben wollt.
Mercutio.
Könnt ihr denn keine Gelegenheit nehmen, ohne daß man sie euch
geben muß?
Tybalt.
Mercutio, du ziehst immer mit Romeo herum--
Mercutio.
Herumziehen! wie, machst du Bier-Fidler aus uns? Wenn du Bier-
Fidler aus uns machst, so erwarte nichts bessers als Mißtöne zu
hören--Hier ist mein Fiddel-Bogen--Hier ist was, das euch tanzen
machen soll!--Höll-Teufel! Herumziehen!
(Er legt die Hand an seinen Degen.)
Benvolio.
Wir sind hier mitten unter den Leuten. Entweder zieht euch an einen
abgelegnen Ort zurük, oder macht euren Zwist mit kaltem Blut aus;
hier gaffen uns alle Augen an.
Mercutio.
Die Leute haben ihre Augen drum, damit sie sehen sollen; laß sie
gaffen; ich will niemand zum Gefallen von der Stelle gehen, ich.
(Romeo zu den Vorigen.)
Tybalt.
Gut! Ihr könnt Friede haben, Herr! Hier kommt mein Mann.
Mercutio.
Aber ich will gehangen seyn, Herr, wenn er euere Liverey trägt;
geht nur zuerst zu Felde, er wird euch auf dem Fusse folgen; in
diesem Sinn kan Eu. Gnaden ihn wol einen Mann heissen.
Tybalt.
Romeo, die Liebe die ich zu dir trage, giebt mit keinen bessern
Gruß für dich als diesen, du bist ein nichtswürdiger Kerl--
Romeo.
Tybalt, die Ursache die ich habe dein Freund zu seyn, ist groß
genug, mich gegen die beleidigende Wuth eines solchen Grusses
unempfindlich zu machen--Ich bin nicht was du sagst--Also, lebe
wohl; ich sehe, du kennst mich nicht.
Tybalt.
Junge, damit sollst du nicht für die Beleidigungen davon kommen,
die ich von dir empfangen habe; kehr um, und zieh.
Romeo.
Ich schwöre dir, daß ich dich nie beleidigt habe; ich liebe dich
mehr als du dir einbilden kanst; und bis du die Ursach erfahren
wirst, warum ich dich liebe, guter Capulet,
(leiser)
--dessen Name mir so theuer ist als mein eigner--gieb dich
zufrieden.
Mercutio.
Wie? So gelassen? O schimpfliche, niederträchtige Gelassenheit!--
Tybalt, du Razenfänger, willt du mit mir kommen?
Tybalt.
Was willst du von mir?
Mercutio.
Guter Kazen-König, nichts als eines von deinen neun Leben, um ein
bißchen lustig damit zu machen, und je nach dem ihr euch künftig
aufführen werdet, euch auch die übrigen auszuklopfen. Wollt ihr
euern Degen ziehen? Macht hurtig--
Tybalt.
Ich bin zu euern Diensten.
(Er zieht.)
Romeo.
Liebster Mercutio, stek dein Rapier ein.
Mercutio.
Wolan, Herr, einen kleinen Gang.
(Mercutio und Tybalt fechten.)
Romeo.
Zieh, Benvolio--hilf mir ihnen die Degen aus den Händen schlagen--
Meine Herren--Um's Himmels willen, haltet ein--Tybalt--Mercutio--
Ihr wißt das ausdrükliche Verbot des Fürsten--Halt, Tybalt--armer
Mercutio--
(Tybalt geht ab.)
Mercutio.
Ich bin verwundet--Verderben über eure beyde Häuser! Ich habe
meinen Theil. Ist er weg, und hat nichts?
Benvolio.
Wie, bist du verwundet?
Mercutio.
Ja, ja, eine Rize, eine Nadelrize--Zum Henker, es ist genug, wo ist
mein Diener? Geh, Schurke, hol einen Wund-Arzt.
Romeo.
Gutes Muths, Mann, die Wunde wird nicht viel zu bedeuten haben.
Mercutio.
Nein, sie ist nicht so tief als ein Zieh-Brunnen, noch so weit als
eine Kirchen-Thür, aber sie ist eben recht, so viel ich brauche;
fragt morgen wieder nach mir. Ich bin gepfeffert für diese Welt,
das glaubt mir; der Henker hole eure beyden Häuser! Wie? ein Hund,
eine Raze, eine Maus, eine Kaze soll einen Mann zu tod krazen? Eine
feige Hure, ein Schurke, ein Lumpen-Kerl, der nach dem Rechenbuch
ficht? Warum zum Teufel kam't ihr zwischen uns? Ich wurde unter
euerm Arm gestossen--
Romeo.
Ich that es aus der besten Absicht.
Mercutio.
Hilf mir in irgend ein Haus, Benvolio, oder ich werde umsinken--Die
Pest über eure Häuser! Sie haben eine Wurms-Mahlzeit aus mir
gemacht; ich hab' es, und bald genug--Den Teufel über eure Häuser!--
(Mercutio und Benvolio gehen ab.)
Zweyte Scene.
Romeo.
Dieser Edelmann, ein naher Verwandter des Prinzen, mein bester
Freund, muß um meinetwillen sein Leben lassen--meine Ehre ist durch
Tybalts Lästerungen beflekt, Tybalts, der kaum seit einer Stunde
mein Vetter ist: O süsse Juliette, deine Schönheit hat mich
weibisch gemacht--Würd' ein Mann soviel leiden und gelassen
bleiben? (Benvolio tritt auf.)
Benvolio.
O Romeo, Romeo, der brave Mercutio ist todt--
Romeo.
Dieser unglükselige Tag, es ahnet mir, wird mehr andre nach sich
ziehen--
(Tybalt zu den Vorigen.)
Benvolio.
Hier kommt der rasende Tybalt wieder zurük.
Romeo.
Lebend, im Triumph? und Mercutio ist erschlagen? Hinweg gen Himmel,
zurükhaltende Sanftmuth, und du, feuer-augichte Wuth, sey nun meine
Führerin! Nun, Tybalt nimm den nichtswürdigen Kerl zurük, den du
vorhin mir gabst--Mercutio's Seele schwebt nicht weit über unsern
Häuptern und wartet auf die deinige--Du oder ich, einer von uns muß
ihm Gesellschaft leisten.
Tybalt.
Du, armseliger Junge, der hier mit ihm zu lauffen gewohnt war, du
sollst mit ihm.
(Sie fechten; Tybalt fällt.)
Benvolio.
Romeo, hinweg, fliehe--die Bürger lauffen zusammen, und Tybalt ist
erschlagen--Steh nicht so sinnlos da--der Prinz wird dein Todes-
Urtheil sprechen, wenn du ergriffen wirst--Hinweg, fliehe, fort!
Romeo.
O! Ich unglükseliger Ball des Glüks--
Benvolio.
Wie, du zögerst noch?
(Romeo entweicht.)
Dritte Scene.
(Einige Bürger treten auf.)
Bürger.
Welchen Weg floh Tybalt, der den Mercutio ermordet hat? Wo floh er
hin?
Benvolio.
Hier ligt Tybalt.
Bürger.
Auf, Herr, geht mit mir--ich befehle dir's in des Fürsten Namen,
gehorche. (Der Prinz, Montague, Capulet, ihre Weiber, u. s. w.
treten auf.)
Prinz.
Wo sind die schändlichen Urheber dieser Unruh?
Benvolio.
Gnädigster Herr, ich kan den ganzen unglüklichen Hergang dieses
fatalen Zwists erzählen; hier ligt, vom jungen Romeo erschlagen,
der Mann der den tapfern Mercutio, euern Vetter erschlug.
Lady Capulet.
Tybalt, mein Neffe! O meines Bruders Kind! Unglükseliger Anblik! O
weh mir, das Blut meines liebsten Neffen ist vergossen--Prinz, so
wahr du diesen Namen verdienst, so laß unser Blut durch das Blut
des mördrischen Montague gerochen werden.
Prinz.
Benvolio, wer war der Anfänger des Handels?
Benvolio.
Tybalt, der hier von Romeo's Hand erschlagen ligt, von Romeo, der
ihm freundlich zuredete, ihn bat die Gefährlichkeit der Händel, die
er anfieng, zu bedenken, und daß er sich die schärfste Ahndung von
Eurer Durchlaucht zuziehen werde; aber alles was er mit sanfter
Stimme, ruhigen Bliken, und demüthig gebognen Knien sagte, war
nicht vermögend die wüthende Galle des tauben Tybalts zu
besänftigen--noch ihn abzuhalten, den scharfen Stahl nach des
kühnen Mercutio Brust zu züken, der gleich hizig ihm Stoß um Stoß
wiedergab, und mit furchtlosem Kaltsinn, mit der einen Hand den
kalten Tod auf die Seite schlug, mit der andern ihn zu Tybalt zurük
sandte, von dessen geschikter Faust er gleich wieder auf seinen
Gegner zurükprallte.--Romeo ruft was er kan: haltet ein! Freunde!
Freunde, haltet ein! und schneller als seine Zunge schlägt sein
behender Arm beyder tödtliche Klingen nieder, und stürzt sich
zwischen sie: Aber in eben diesem Augenblik durchbort, unter seinem
Arm, ein unglüklicher Stoß von Tybalt des unbändigen Mercutio's
Herz; Tybalt entflieht, aber bald kommt er wieder zu Romeo zurük,
den eines Freundes Tod zur Rache anspornt, und wie der Bliz sind
sie an einander: Denn eh ich sie von einander reissen konnte, war
Tybalt erschlagen, und so wie er fiel, begab sich Romeo auf die
Flucht. Diß ist die Wahrheit, oder laßt Benvolio sterben.
Lady Capulet.
Er ist ein Verwandter von den Montaguen, die Freundschaft macht ihn
verdächtig, er sagt nicht die Wahrheit. Es waren ihrer wenigstens
zwanzig gegen den einzigen Tybalt, weniger als diese zwanzig hätten
nichts über ihn vermocht. Ich verlange Justiz, Prinz, und es ist
nicht in deiner Gewalt sie abzuschlagen. Romeo tödtete Tybalt,
Romeo soll nicht leben!
Prinz.
Romeo erschlug ihn, und er erschlug den Mercutio--von wem soll dann
ich das werthe Blut meines Anverwandten fordern?
Lady Montague.
Nicht von Romeo, Prinz, er war Mercutio's Freund: Sein ganzer
Fehler war, daß er dem Mörder Tybalt das Leben nahm, welches ihm
das Gesez ohnehin genommen hätte.
Prinz.
Und dieses Verbrechens wegen verbannen wir ihn von Stund an aus
Verona--Euere Feindschaft, euer ungezähmter Groll kostet mich mein
eignes Blut, es ist hohe Zeit um meiner eignen Sicherheit willen
ihm Einhalt zu thun. Ich will es, ich will durch den Zwang der
Straffen erhalten, was Drohung nicht vermocht hat. Keine
Entschuldigungen! Keine Vorbitten! weder Thränen noch Fußfälle
sollen die ermüdete Gerechtigkeit versöhnen--Laßt Romeo
unverzüglich fliehen, oder die Stunde, worinn er ergriffen wird,
ist seine lezte--Traget diesen Leichnam von hinnen, und erwartet
meinen fernern Willen--Gnade wird selbst zur Mörderin, wenn sie
Mördern vergiebt.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in ein Zimmer in Capulets Haus.)
(Juliette tritt allein auf.)
Juliette.
Eilet, eilet davon, ihr feurigen Rosse der Sonne, euerm Nachtlager
zu--ein solcher Führer, wie Phaeton war, würde euch bald nach
Westen gepeitscht, und in einem Augenblik den Tag in düstre Nacht
verwandelt haben--Spreite deinen dichten Vorhang aus,
Liebebefördernde Nacht! daß die Augen des müden Phöbus niken, und
unbesprochen und ungesehn Romeo in diese Arme fliege. Liebende
sehen genug zu ihren zärtlichen Geheimnissen beym Glanz ihrer
eignen Schönheiten: Oder wenn die Liebe blind ist, so taugt sie am
besten zur Nacht. Komm, stille Nacht, gleich einer sittsamen
Matrone ganz in Schwarz gekleidet; komm und lehre mich ein
gewinnreiches Spiel verliehren, das um ein paar unbeflekte
Jungferschaften gespielt wird--Verhülle das unbemannte Blut, das
meine Wangen erhizt, in deinen schwarzen Schleyer, bis die
ungewohnte Liebe kühner wird, und in ihren brünstigsten Ausbrüchen
nichts als Unschuld findt. Komm, Nacht, komm, Romeo, komm du Tag in
der Nacht, denn du wirst auf den Flügeln der Nacht weisser als
Schnee auf eines Raben Rüken ligen; komm, holde Nacht, komm,
liebende, schwarz-augichte Nacht! Gieb mir meinen Romeo, und wenn
er einst sterben muß, so nimm ihn und schneid ihn in kleine Sterne
aus, und er wird dem Antliz des Himmels eine so reizende Anmuth
geben, daß die ganze Welt in die Nacht verliebt werden, und den
Flitter-Glanz der Sonne nichts mehr achten wird--O wie lang, wie
verdrießlich lang ist dieser Tag, so lang, wie die Nacht vor einem
Festtag einem ungeduldigen Kinde, das neue Kleider bekommen hat,
und sie noch nicht tragen darf. O, hier kommt meine Amme--
(Die Amme mit einer Strik-Leiter.) und bringt mir Nachrichten--
jede Zunge, die meines Romeo Namen ausspricht, ist die Zunge eines
Engels für mich--Nun Amme, was giebt's neues? Was hast du hier? Die
Strik-Leiter die Romeo dich holen hieß?
Amme.
Ja, ja, die Strik-Leiter--
Juliette.
Weh mir! was ist begegnet? warum ringst du die Hände?
Amme.
Ach! daß's Gott erbarm'! er ist todt, er ist todt, er ist todt! wir
sind verlohren, Fräulein, wir sind verlohren!--Ach, daß's Gott
erbarm! er ist hin, er ist umgebracht, er ist todt!
Juliette.
Kan der Himmel so mißgünstig seyn?
Amme.
Was der Himmel nicht kan, kan Romeo--O Romeo! Romeo! Wer hätte sich
das einbilden können, Romeo?
Juliette.
Was für ein Teufel bist du, der mich so martert? Diese Folter
sollte im Abgrund der Hölle geheult werden! Hat Romeo sich selbst
ermordet? Sag nur ja, und diese einzige Sylbe wird mich schneller
vergiften als das todtschiessende Auge des Basilisken.
Amme.
Ich sah die Wunde, ich sah sie mit meinen Augen, Gott behüte mich!
Hier--auf seiner männlichen Brust. Eine erbärmliche Leiche, eine
blutige erbärmliche Leiche, bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut
beschmiert, lauter geronnen Blut--es wurde mir ohnmächtig wie ich
es sah.
Juliette.
O brich mein Herz--schließt euch zu, meine Augen; öffnet euch nicht
mehr--stirb, arme Unglükliche, daß dich und Romeo Eine Baare drüke!
Amme.
O Tybalt, Tybalt, der beste Freund den ich hatte: O freundlicher,
wakrer, edler Tybalt, daß ich leben mußte, dich todt zu sehen!
Juliette.
Was für ein Sturm ist das, der von so entgegenstehenden Seiten
bläst. Ist Romeo erschlagen, und ist Tybalt todt? Mein
vielgeliebter Vetter, und mein geliebterer Gemahl? Wenn das ist, so
mag die Posaune zum allgemeinen Gerichts-Tag blasen--Denn wer lebt
noch, wenn diese zween nicht mehr sind?
Amme.
Tybalt ist todt, und Romeo verbannt; Romeo, der ihn erschlug, ist
verbannt.
Juliette.
O Gott! Romeo's Hand vergoß Tybalts Blut?
Amme.
Das that sie, das that sie, leider Gott erbarm's, das that sie.
Juliette.
O Schlangen-Herz, unter einem blühenden Gesicht verborgen! wohnte
jemals ein Drache in einer so schönen Höhle? Liebreizender Unmensch,
Englischer Teufel!--O Natur, was hast du in der Hölle zu thun,
wenn du den Geist eines solchen Teufels in ein irdisches Paradies
herbergest? War jemals ein Buch von so schändlichem Inhalt so schön
eingebunden? O, daß in einem so prächtigen Palast gleißnerisches
Laster wohnen soll!
Amme.
Es ist weder Treu, noch Glauben, noch Ehrlichkeit in diesen
Mannsleuten; sie sind alle meineydig, alle Verräther, lauter Nichts,
alle Heuchler--Ah! wo ist mein Diener? Gieb mir ein wenig Aquavit--
Dieser Jammer, diese Noth, diese Sorgen machen eins vor der Zeit
grau--Schaam über diesen Romeo!
Juliette.
Verflucht sey deine Zunge durch einen solchen Wunsch! Er ward nicht
zur Schaam gebohren, sie untersteht sich nicht auf seine Stirne zu
sizen: Sie ist ein Thron, wo die Ehre zum allgemeinen Monarchen der
ganzen Welt gekrönt werden sollte! O was für eine Unglükliche war
ich, so wider ihn auszubrechen!
Amme.
Wolltet ihr gut von dem Mörder euers Verwandten reden?
Juliette.
Soll ich übel von meinem Ehemann reden? Ach, armer Gemahl, was für
eine Zunge soll deinem Namen liebkosen, da ich, dein dreystündiges
Weib, ihn mißhandelt habe?--Aber warum, Unglüklicher, tödtetest du
meinen Vetter? Dieser Vetter, der Unglükselige! würde sonst meinen
Gemahl getödtet haben. Zurük, thörichte Thränen, zurük in eure
Quelle; ihr seyd ein Zoll der dem Kummer gebührt, und ihr bietet
ihn aus Irrthum der Freude dar? Mein Gemahl lebt, den Tybalt
ermorden wollte, und Tybalt ist todt, der meinen Gemahl gern
getödtet hätte; alles dieses ist Trost; warum wein' ich dann? Ach!
es war noch ein Wort, schlimmer als Tybalts Tod, das mich ermordet
hat; ich streb' umsonst es zu vergessen, ach! es dringt sich meinem
Gedächtniß auf, wie das Bewußtseyn böser Thaten dem Gemüthe des
Sünders; Tybalt ist todt und Romeo verbannt; dieses (verbannt),
dieses einzige Wort verbannt, hat zehntausend Tybalts ermordet;
Tybalts Tod war für sich allein Unglüks genug--Oder wenn das Unglük
ja Gesellschaft haben will, warum folgte, wie sie sagte--Tybalt ist
todt--warum folgte nicht, dein Vater, oder deine Mutter, oder gar
beyde? Aber mit diesem gräßlichen Nachklang: auf, Tybalt ist todt--
Romeo ist verbannt--Durch dieses einzige Wort ist Vater, Mutter,
Tybalt, Romeo, Juliet, alles erschlagen, alles todt!--Romeo
verbannt! Es ist weder Ziel, noch Maaß, noch Ende in dem Tod dieses
Worts--es sind keine Worte die den Jammer ausdrüken, den es in sich
hält. Wo ist mein Vater und meine Mutter, Amme?
Amme.
Weinend und jammernd über Tybalts Leiche. Wollt ihr zu ihnen? Ich
will euch hinführen.
Juliette.
Waschen sie seine Wunden mit Thränen? Meine sollen, wenn die
ihrigen vertroknet sind, über Romeo's Verbannung fliessen. Nimm
diese Strike zu dir--arme Strike, ihr seyd verrathen, ihr und ich;
Romeo ist verbannt! Er wollte sich auf euch einen Weg zu meinem
Bette machen; aber nun werd' ich als eine verwittwete Jungfrau
sterben. Komm, Strik-Leiter; komm, Amme; ich will in mein Braut-
Bette, um dem Tod, nicht meinem Romeo in die Arme zu sinken.*
{ed.-* Im Original sagt Juliette: (And Death, not Romeo, take my
Maidenhead!)--Shakespear mußte einen Reim auf den vorhergehenden
Vers haben, und es ist kein Unsinn, keine Unanständigkeit, die er
sich nicht erlauben sollte, um sich nicht lang auf einen Reim
besinnen zu dürfen.}
Amme.
Geht in euer Zimmer; ich will den Romeo aufsuchen, der euch trösten
soll. Ich weiß wol wo er ist; ich will zu ihm, er ist in Bruder
Lorenzens Celle.
Juliette.
O such ihn, find ihn, gieb ihm diesen Ring, und bitt' ihn daß er
komme, sein leztes Lebewohl zu nehmen.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in das Kloster.)
(Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)
Bruder Lorenz.
Romeo, komm hervor, hervor du furchtsamer Mann; der Kummer ist in
deine Schönheit verliebt, und du bist mit der Wiederwärtigkeit
verheurathet.
Romeo.
Was bringt ihr mir neues, mein Vater? Was ist des Prinzen Urtheil?
Was für ein noch unbekanntes Elend will Bekanntschaft mit mir
machen?
Lorenz.
Nur allzuvertraut ist mein theurer Sohn mit so beschwerlicher
Gesellschaft. Ich bringe dir Nachricht von des Prinzen Urtheil.
Romeo.
Was weniger kan mein Urtheil seyn als der Tod?
Lorenz.
Ein milderer Spruch ergieng von seinen Lippen--Nicht dein Tod, nur
deine Verbannung.
Romeo.
Ha! Verbannung! Sey mitleidiger, sage, Tod; denn Verbannung hat
weit mehr schrekliches in ihren Bliken als der Tod selbst. Sage
nicht, Verbannung.
Lorenz.
Hier aus Verona bist du verbannt; sey geduldig, die Welt ist weit
und breit.
Romeo.
Ausser Verona's Mauern ist keine Welt, sondern nichts als Fegfeuer,
Abgrund und Hölle. Von hier verbannt ist aus der ganzen Welt
verbannt, und aus der Welt verbannt seyn, ist Tod. Dieses
(verbannt) ist nur ein unrecht benannter Tod; wenn du den Tod
Verbannung nennst, so ist das nichts bessers als ob du mir den Kopf
mit einem goldnen Beil abhautest und zu dem Streich lächeltest,
womit du mir das Leben nimmst.
Lorenz.
O Todsünde! O rohe Undankbarkeit! Auf dein Vergehen sezt unser
Gesez den Tod; der gütige Fürst tritt dazwischen, stößt das Gesez
auf die Seite, und verwandelt das schwarze Wort Tod in Verbannung;
welch eine Gnade, und du siehst sie nicht?
Romeo.
Marter ist's, nicht Gnade! Der Himmel ist da, wo Juliette lebt;
jede Kaze, jeder Hund, jede kleine Maus, jedes unwürdige Ding lebt
hier im Himmel, und kan sie ansehen, nur Romeo nicht. Armselige
Schmeis-Fliegen haben mehr Recht, sind achtbarer, edler, glüklicher
als Romeo; sie können sich auf die weisse Hand meiner theuren
Juliette sezen, und unsterbliche Wonne von ihren Lippen stehlen--
Fliegen können das thun, indeß daß ich von ihr fliehen muß; und
sagst du noch, daß Verbannung nicht Tod ist?--Sie können's, nur
Romeo kan nicht, denn er ist verbannt--Hast du keinen Gift-Trank,
keinen Dolch, kein plözliches Todes-Werkzeug, (so elend es seyn mag,
kan es doch nicht so elend seyn als verbannt) mir das Leben zu
nemmen? Ha! Verbannt! O Vater, die Verdammten in der Hölle brauchen
dieses Wort, und Heulen folgt darauf--Wie kanst du so unbarmherzig
seyn, du ein Mann Gottes, ein geistlicher Vater, ein Beichtiger,
und mein erklärter Freund, mich mit diesem verfluchten Wort, zu
zerschmettern?