William Shakespear

Der Sturm, oder Die bezauberte Insel
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Der Sturm;
oder:
Die bezauberte Insel.

William Shakespeare

Übersetzt von Christoph Martin Wieland


Personen.

Alonso, König von Neapel.
Sebastian, dessen Bruder.
Prospero, rechtmässiger Herzog von Meiland.
Antonio, dessen Bruder, und unrechtmässiger Innhaber von Meiland.
Ferdinand, Sohn des Königs von Neapel.
Gonsalo, ein ehrlicher alter Rath des Königs.
Adrian und Francisco, zween Herren vom Adel.
Caliban, ein wilder und mißgeschaffner Sclave.
Trinculo, ein Hofnarr.
Stephano, ein berauschter Kellermeister.
Schiffspatron, Hochbootsmann und Matrosen.
Miranda, Prosperos Tochter.
Ariel, ein Sylphe.
Iris, Ceres, Juno, Nymphen und Schnitter, Geister, die zu einer
allegorischen Vorstellung gebraucht werden.




Erster Aufzug.



Erste Scene.
(In einem Schiff auf dem Meer.)
(Man hört ein Getöse von einem heftigen Sturm, mit Donner und
 Blizen.)
(Der Schiffspatron und der Hochbootsmann treten auf.)


Schiffspatron.
Hochbootsmann--

Bootsmann.
Hier, Patron: Wie steht's?

Patron.
Gut; redet mit den Matrosen; arbeitet mit den äussersten Kräften,
oder wir gehen zu Grunde; greift an, greift an!

(Geht ab.)

(Etliche Matrosen kommen herein.)

Bootsmann.
Hey, meine Kinder; munter, meine Kinder!  hurtig!  hurtig!  Zieht
das Bramsegel ein!  gebt auf des Patrons Pfeifchen acht--Ey so
blase, bis du bersten möchtest--

(Alonso, Sebastiano, Antonio, Ferdinand, Gonsalo, und andre zu den
Vorigen.)

Alonso.
Guter Hochbootsmann, habt Sorge; wo ist der Schiffspatron?  Haltet
euch wie Männer!

Bootsmann.
Ich bitte euch, bleibt unten.

Antonio.
Wo ist der Patron, Hochbootsmann?

Bootsmann.
Hört ihr ihn denn nicht--ihr geht uns im Weg um; geht in eure
Cajüte; ihr helft nur dem Sturm.

Gonsalo.
Nun, mein guter Mann, seyd geduldig.

Bootsmann.
Wenn's das Meer ist.  Weg--was fragen diese Aufrührer nach dem
Nahmen eines Königs?  In die Cajüte--Still!  hindert uns nicht!

Gonsalo.
Ehrlicher Mann, besinne dich, wen du am Bord hast--


Bootsmann.
Niemand, den ich lieber habe als mich selbst.  Ihr seyd ein Rath;
wenn ihr diesen Elementen ein Stillschweigen auferlegen oder auf
der Stelle den Frieden mit ihnen machen könnt, so wollen wir kein
Thau mehr anrühren; braucht eure Autorität.  Wenn ihr aber nichts
könnt, so dankt dem Himmel, daß ihr so lange gelebt habt, und macht
euch in eurer Cajüte auf das Unglük gefaßt, das alle Augenblike
begegnen kan--Frisch zu, meine Kinder--fort aus dem Wege, sag ich.

(Er geht ab.)

Gonsalo.
Dieser Kerl macht mir Muth; mich däucht, er sieht keinem gleich,
der ersauffen wird, er hat eine vollkommne Galgen-Physionomie!
halte fest an deiner Absicht, liebes Schiksal; mache den Strang,
der ihm bestimmt ist, zu unserm Ankerseil, denn das unsrige hilft
uns nicht viel: wenn er nicht zum Galgen gebohren ist, so steht es
jämmerlich um uns.

(Sie gehen alle ab.)

(Der Hochbootsmann kommt zurük.)

Hochbootsmann.
Herab mit dem Bramsteng; greift an, besser herunter, noch besser!--
macht, daß nur das Schönfahrsegel treibt--

(man hört ein heulendes Geschrey hinter der Scene)

daß die schwehre Noth diß verfluchte Geheul--
(Antonio, Sebastiano und Gonsalo kommen zurük.)--Sie überschreyen
das Wetter und uns--Seyd ihr wieder da?  Was thut ihr hier?  Sollen
wir aufgeben und ersauffen?  habt ihr Lust dazu?

Sebastiano.
Daß die Pest deine Gurgel--du bellender, lästerlicher
unbarmherziger Hund!

Bootsmann.
So helft denn arbeiten.

Antonio.
Geh an den Galgen, du Hund, an den Galgen; du Hurensohn von einem
unverschämten Polterer; wir fürchten uns weniger vor dem Ertrinken
als du.

Gonsalo.
Ich steh ihm fürs Ersauffen, und wenn gleich das Schiff nicht
stärker wäre als eine Nußschaale, und so löchricht als eine--
(Etliche Matrosen von Wasser triefend treten auf.)

Matrosen.
Alles ist verlohren!  Betet, betet; alles ist verlohren!

(Sie gehen ab.)

Bootsmann.
Wie, müssen wir uns in Wasser zu tode sauffen?

Gonsalo.
Der König und der Prinz beten; wir wollen gehen und ihnen helfen;
denn es geht uns wie ihnen.

Sebastian.
Die Geduld ist mir ausgegangen.

Antonio.
Diese Trunkenbolde sind ganz allein Schuld, daß wir umkommen--
Dieser weitgespaltene Schurke--Ich wollt' er läge so tief im Meer,
daß ihn zehn Fluthen nicht heraus spülen könnten.

Gonsalo.
Er wird doch noch gehangen werden, und wenn jeder Tropfe Wasser
dagegen schwören, und das Maul aufsperren würde, ihn zu
verschlingen.

(Man hört ein vermischtes Getös hinter der Scene.)

Wir scheitern, wir scheitern, wir sinken unter!  Lebet wohl, mein
Weib und meine Kinder!  Wir scheitern!  wir scheitern!

Antonio.
Wir wollen alle mit dem König versinken.

(Geht ab.)

Sebastian.
Wir wollen Abschied von ihm nehmen.

(Geht ab.)

Gonsalo.
Izt wollt' ich von Herzen gerne tausend Meilen See für eine
Jauchart dürren Boden geben, Heidekraut, Genister, was man wollte--
der Wille des Himmels geschehe!  Doch wollt' ich lieber eines
troknen Todes sterben!

(Geht ab.)



Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in einen Theil der bezauberten Insel, unweit der
 Celle des Prospero.)
(Prospero und Miranda treten auf.)


Miranda.
Wenn ihr, mein theurester Vater, diese wilden Wasser durch eure
Kunst in einen so entsezlichen Aufruhr gesezt habet, o so leget sie
wieder!  Der Himmel, so scheint es, würde stinkendes Pech
herunterschütten, wenn nicht die See, die bis an seine Wangen
steigt, das Feuer wieder löschte.  O!  wie hab' ich mit diesen
Unglüklichen gelidten, die ich leiden sah!  Ein schönes Schiff
(ohne Zweifel hatte es einige edle Geschöpfe in sich) ganz in Stüke
zerschmettert--O das Geschrey schlug recht gegen mein Herz an.  Die
armen Seelen, sie kamen um!  Hätte ich die Macht irgend eines
Gottes gehabt, ich wollte eher das Meer in die Erde hineingesenkt
haben, eh es dieses gute Schiff so verschlungen haben sollte, und
die darauf befindlichen Seelen mit ihm.

Prospero.
Fasse dich, meine Tochter; nicht so bestürzt; sage deinem
mitleidigen Herzen, es sey kein Schaden geschehen.

Miranda.
O!  unglüklicher Tag!

Prospero.
Kein Unglük.  Was ich gethan habe, hab' ich aus Fürsorge für dich
gethan, für dich, meine Theure, meine Tochter, die du nicht weißst,
wer du bist, oder von wannen ich hieher kam, noch daß ich etwas
bessers bin als Prospero, Herr über eine armselige Celle, und dein
nicht grösserer Vater.

Miranda.
Mir fiel niemals ein, mehr wissen zu wollen.

Prospero.
Es ist Zeit, daß ich dir mehr entdeke.  Lehne mir deine Hand, und
ziehe mir dieses magische Gewand ab; so!

(er legt seinen Mantel hin)

lige hier, meine Kunst--Wische du deine Augen, beruhige dich.
Dieses fürchterliche Schauspiel des Schiffbruchs, welches ein so
zärtliches Mitleiden in deinem Herzen erregt hat, hab ich durch die
Mittel, die meine Kunst mir an die Hand giebt, so sicher angeordnet,
daß keine Seele zu Grunde gegangen ist, nein, nicht ein Haar von
irgend einem dieser Geschöpfe, deren Geschrey du hörtest, die du
sinken sahst: Seze dich nieder, denn du must nun noch mehr wissen.

Miranda.
Ihr habt oft angefangen mir sagen zu wollen, was ich sey, aber
wieder inngehalten, und mich einem eiteln Nachsinnen überlassen,
indem ihr allemal damit schlosset, halt!  noch nicht--

Prospero.
Die Stund' ist nun gekommen, und es ist keine Minute mehr zu
verliehren.  Höre dann und sey aufmerksam.  Erinnerst du dich einer
Zeit, eh wir in diese Celle kamen?  Ich denke nicht, daß du es
kanst; denn du warst damals noch nicht volle drey Jahre alt.

Miranda.
Ja, mein Herr, ich kan.

Prospero.
Wobey dann?  Bey irgend einem Haus oder einer Person?  Sage mir,
was es auch seyn mag, dessen Bild in deinem Gedächtniß geblieben
ist.

Miranda.
Es ist in einer tiefen Entfernung, und eher einem Traum als einer
Gewißheit gleich, was mir die Erinnerung vorstellt.  Hatte ich
nicht einst vier oder fünf Weiber, die mir aufwarteten?

Prospero.
Du hattest, und mehr, Miranda.  Aber wie kommt es, daß diß noch in
deinem Gemüthe lebt?  Was siehst du noch mehr in dem tiefen Abgrund
der verflossenen Zeit?  Wenn du dich noch an etwas erinnerst, eh du
hieher kamst, so wirst du dich auch erinnern, wie du hieher kamst.

Miranda.
Nein, das thue ich nicht.

Prospero.
Es sind nun zwölf Jahre seit dieses geschah, Miranda; zwölf Jahre,
seit der Zeit, da dein Vater Herzog von Meiland und ein mächtiger
Fürst war.

Miranda.
Mein Herr, seyd ihr dann nicht mein Vater?

Prospero.
Deine Mutter war ein Muster der Tugend, und sie sagte, du seyest
meine Tochter; und dein Vater war Herzog von Meiland, und du seine
einzige Erbin.

Miranda.
O Himmel!  Was für ein schlimmer Streich trieb uns von dannen?
Oder war es unser Glük, daß es geschah?

Prospero.
Beydes, beydes, mein Mädchen!  Durch einen schlimmen Streich, wie
du sagst, wurden wir von dort vertrieben, und glüklicher Weise
hieher gerettet.

Miranda.
O!  mein Herz blutet, wenn ich an die Sorgen denke, die ich euch in
einer Zeit gemacht haben werde, an die ich mich nicht mehr besinnen
kan.  Ich bitte euch, fahret fort.

Prospero.
Mein Bruder, und dein Oheim, Antonio genannt, (ich bitte dich,
merke auf)--daß ein Bruder fähig seyn konnte, so treulos zu seyn!--
Er, den ich, nächst dir selbst, über alle Welt liebte, und dem ich
die Verwaltung meines Staats anvertraute, der damals unter allen in
Italien der erste, so wie es Prospero an Ansehen war, und an Ruhm
in den Wissenschaften, die meine einzige Beschäftigung waren.  Ich
überließ also die Staatsverwaltung meinem Bruder, und wurd' ein
Fremdling in meinem eignen Lande, so sehr riß mich die Liebe und
der Reiz geheimnißreicher Studien dahin.  Dein treuloser Oheim--
Aber du giebst nicht Acht!

Miranda.
Höchst aufmerksam, mein Herr.

Prospero.
Dein Oheim, sag ich, der in der Kunst ausgelernt war, wie er ein
Gesuch bewilligen oder wie er es abschlagen, wen er befördern oder
wen er wegen eines allzuüppigen Wuchses abschneiden sollte; schuf
alle diejenigen um, die meine Creaturen waren; ich sage, er
versezte sie entweder, oder er gab ihnen sonst eine andre Form; und
da er den Schlüssel zu dem Amt und zu dem Beamteten hatte, stimmte
er alle Herzen in dem Staat, nach dem Ton, der seinem Ohr der
angenehmste war.  Solchergestalt war er nun der Epheu, der meinen
fürstlichen Stamm umwand, und sein Mark an sich sog--du giebst
nicht Acht.

Miranda.
Ich thu es, mein werther Herr.

Prospero.
Ich bitte dich, merke wohl auf.  Da ich nun alle weltlichen Dinge
so bey Seite sezte, und mich ganz der Einsamkeit und der
Verbesserung meines Gemüths widmete, die in meinen Augen alles
überwog was der grosse Hauffe hochschäzt, so erwachte meines
Bruders schlimme Gemüthsart, und mein Zutrauen brütete eine Untreue
in ihm aus, die so groß war als mein Zutrauen, welches in der That
keine Grenzen hatte.  Da er sich in dem Besiz meiner Einkünfte und
meiner Gewalt sah, so machte ers wie einer, der durch häufiges
Erzählen der nemlichen Unwahrheit einen solchen Sünder aus seinem
Gedächtniß macht, daß er selbst nicht mehr weiß, daß es eine
Unwahrheit ist; er hatte so lange die Rolle des Herzogs mit allen
ihren Vorrechten gespielt, daß er sich zulezt einbildete, er sey
der Herzog selbst--Hörst du mir zu?

Miranda.
Eure Erzählung, mein Herr, könnte die Taubheit heilen.

Prospero.
Damit nun aller Unterschied zwischen der Person die er spielte, und
demjenigen, für welchen er sie spielte, aufhören möchte, wollte er
schlechterdings selbst Herzog in Meiland seyn.  Mir, armen Manne,
dachte er, wäre mein Büchersaal Herzogthums genug; zu allen
Geschäften eines Fürsten hielt er mich für ganz untüchtig.  Er
machte also ein Bündniß mit dem König von Neapolis, und verstuhnd
sich, (so sehr dürstete ihn nach der Herrschaft), ihm einen
jährlichen Tribut zu bezahlen, und ihn als seinen Lehnsherrn zu
erkennen, seinen Fürstenhut der Crone dieses Königs zu unterwerffen,
und das bisher unabhängige Herzogthum (armes Meiland!) unter ein
schimpfliches Joch zu beugen.

Miranda.
O Himmel!

Prospero.
Höre nun die Bedingung die er ihm dagegen machte, und den Ausgang;
dann sage mir, ob das ein Bruder war?

Miranda.
Es wäre Sünde, von meiner Großmutter etwas unedels zu denken; gute
Eltern können schlimme Kinder haben.

Prospero.
Nun die Bedingung: Dieser König von Neapel, der mein alter Feind
war, willigte mit Freuden in meines Bruders Begehren, welches dahin
gieng, daß er, gegen die ihm zugestandne Abhänglichkeit, und ich
weiß nicht wie viel jährlichen Tribut, ungesäumt mich und die
meinigen aus dem Herzogthum vertreiben, und das schöne Meiland mit
allen seinen Regalien meinem Bruder zu Lehen geben sollte.  Nachdem
sie nun zu Ausführung dieses Vorhabens eine verrätherische
Kriegsschaar zusammen gebracht, öffnete Antonio in einer fatalen
Mitternacht die Thore von Meiland, und in der Todesstille der
Finsterniß schleppten die Diener seiner bösen That mich und dein
schreyendes Selbst hinweg.

Miranda.
O weh!  Ich will izt über diese Gewaltthat schreyen, da ich mich
nicht mehr erinnere, wie ich damals geschrien habe; eine geheime
Nachempfindung preßt diese Thränen aus meinen Augen.

Prospero.
Hör' ein wenig weiter, und dann will ich dich zu der gegenwärtigen
Angelegenheit bringen, die wir vor uns haben, und ohne welche diese
Erzählung sehr unbesonnen wäre.

Miranda.
Warum nahmen sie uns denn das Leben nicht?

Prospero.
Die Frage ist vernünftig, Mädchen; meine Erzählung veranlaset sie.
Sie durften es nicht wagen, meine Theureste, so groß war die Liebe
die das Volk für mich hatte, sie durften es nicht wagen, ihre
Übelthat durch ein blutiges Merkmal der Entdekung auszusezen,
sondern strichen ihre boshaftigen Absichten mit schönern Farben an.
Kurz, sie schleppten uns auf eine Barke, und führten uns etliche
Meilen in die See, wo sie ein ausgeweidetes Gerippe von einem Boot,
ohne Thauwerk, ohne Seegel, und ohne Mast zubereiteten, ein so
armseliges Ding, das sogar die Razen, vom Instinct gewarnet, es
verlassen hatten; und auf diesem elenden Nachen stiessen sie uns in
die See, um den Wellen entgegen zu jammern, die uns heulend
antworteten; und den Winden zuzuseufzen, deren wieder
zurükseufzendes Mitleiden unsre Angst vermehrte, indem es sie
lindern zu wollen schien.

Miranda.
Himmel!  wie viel Unruhe muß ich euch damals gemacht haben!

Prospero.
O!  Ein Cherubim warst du, der mich beschüzte.  Da ich von der Last
meines Elends niedergedrükt, einen Strom von trostlosen Thränen in
die See hinunter weinte, da lächeltest du mir mit einer vom Himmel
eingegoßnen Freudigkeit entgegen, und erwektest dadurch den Muth in
mir, alles zu ertragen, was über mich kommen würde.

Miranda.
Wie kamen wir denn ans Land?

Prospero.
Durch Göttliche Vorsicht!  Wir hatten einigen Vorrath von Speise
und frischem Wasser, womit uns Gonsalo, ein Neapolitanischer
Edelmann, dem die Ausführung dieses Geschäfts anbefohlen war, aus
Gutherzigkeit und Mitleiden versehen hatte.  Er hatte uns auch mit
reichen Kleidern, leinen Geräthe und andern Nothwendigkeiten
beschenkt, die uns seither gute Dienste gethan haben; und da er
wußte wie sehr ich meine Bücher liebte, so verschafte mir seine
Leutseligkeit aus meinem eignen Vorrath einige, die ich höher
schäze als mein Herzogthum.

Miranda.
Wie wünscht' ich diesen Mann einmal zu sehen!

Prospero.
Nun komm ich zur Hauptsache.  Bleibe sizen, und höre das Ende
meiner Erzählung.  Wir kamen in dieses Eiland, und hier hab' ich,
durch meine Unterweisungen, dich weiter gebracht als andre Fürsten
können, die nur für ihre Lustbarkeiten Musse haben, und die
Erziehung ihrer Kinder nicht so sorgfältigen Aufsehern überlassen.

Miranda.
Der Himmel danke es euch!  Aber nun bitte ich euch mein Herr, (denn
ich höre dieses Ungewitter noch immer in meiner Einbildung) was war
die Ursache, warum ihr diesen Sturm erreget habt?

Prospero.
So wisse denn, daß durch einen höchst seltsamen Zufall, das mir
wieder günstige Glük meine Feinde an dieses Ufer gebracht hat:
Meine Vorhersehungs-Kunst sagt mir, daß ein sehr glüklicher Stern
über meinem Zenith schwebt; allein sie sagt mir auch, daß wenn ich
die wenigen Stunden seines günstigen Einflusses ungenüzt
entschlüpfen lasse, mein Glük auf immer verscherzt seyn werde--Hier
frage nicht weiter; du bist schläfrig; es ist eine heilsame
Betäubung, gieb ihr nach; ich weiß daß du nicht anders kanst.

(Miranda schläft ein.)

Herbey, mein Diener, herbey; ich bin fertig.  Nähere dich, mein
Ariel--Komm!



Dritte Scene.
(Ariel zu Prospero.)


Ariel.
Heil dir, mein grosser Meister!  Ehrwürdiger Herr, Heil dir!  ich
komme deine Befehle auszurichten; es sey nun zu fliegen oder zu
schwimmen, mich in die Flammen zu tauchen, oder auf den krausen
Wolken zu reiten; Ariel und alle seine Kräfte sind zu deinem
mächtigen Befehl.

Prospero.
Hast du, o Geist, den Sturm so ausgerichtet, wie ich dir befahl?

Ariel.
Bis auf den kleinsten Umstand.  Ich kam an Bord des Königlichen
Schiffes, und sezte, in Flammen eingehüllt, bald das Vordertheil,
bald den Bauch, das Verdek und jede Cajüte in Schreken.  Zuweilen
theilt' ich mich, und zündet' es an etlichen Orten zugleich an,
flammte in abgesonderten Klumpen Feuers auf dem Bramsteng, den
Segelstangen und dem Bögs-Priet-Mast; dann floß ich wieder zusammen.
Jupiters Blize selbst, die Vorläuffer fürchterlicher Donner-
Schläge, sind nicht behender zu leuchten und wieder zu verschwinden;
das schmetternde Gebrüll der schweflichten Flammen schien den
allmächtigen Neptunus zu belagern, und seine kühne Woogen zittern
zu machen, ja seinen furchtbaren Dreyzak selbst zu erschüttern.

Prospero.
Mein wakrer, wakrer Geist!  War einer unter diesen Leuten gesezt
und standhaft genug, bey einem solchen Getöse Meister von sich
selbst zu bleiben?

Ariel.
Keine einzige Seele, die nicht, von fieberhaften Schauern
geschüttelt, in irgend einen Ausbruch von Verzweiflung fiel.  Alle,
bis auf die Schiffleute, verliessen das Schiff, das ganz von mir in
Flammen stuhnd, und stürzten sich in das schäumende Salzwasser.
Ferdinand, des Königs Sohn, war der erste, der mit berg an
stehendem Haar, eher Binsen als Haaren ähnlich, in die See sprang.
Die Hölle ist leer, schrie er, und alle Teufel sind hier.

Prospero.
Gut, das ist mein Geist!  Aber war es nahe genug am Ufer?

Ariel.
Ganz nah, mein Gebieter.

Prospero.
Sind sie alle errettet, Ariel?

Ariel.
Es ist nicht ein Haar umgekommen, und auf ihren Kleidern ist nicht
ein Fleken, sondern sie glänzen frischer als zuvor.  Wie du mir
befohlen hast, hab' ich sie truppenweise um die Insel her zerstreut:
den Sohn des Königs hab ich ganz allein ans Land gebracht, und ihn
in einem düstern Winkel der Insel verlassen, wo er mit
verschlungnen Armen traurig dasizt, und die Luft mit seinen
Seufzern abkühlt.

Prospero.
Was hast du denn mit dem Schiffsvolk auf dem königlichen Schiffe,
und mit dem ganzen Rest der Flotte gemacht?

Ariel.
Des Königs Schiff ist unbeschädigt in Sicherheit gebracht.  Ich hab
es in eine tiefe Bucht der Bermudischen Inseln verborgen, wohin du
mich einst um Mitternacht schiktest, Thau zu holen.  Die
Schiffleute, alle in den Raum zusammen gedrängt, habe ich in einen
bezauberten Schlaf versenkt; die übrigen Schiffe der Flotte die ich
zerstreut hatte, fanden sich wieder zusammen, und sind auf der
mittelländischen See im Begriff traurig wieder heim nach Neapel zu
segeln, in der Meynung, daß sie des Königs Schiff scheitern, und
seine hohe Person umkommen gesehen haben.

Prospero.
Ariel, du hast meinen Auftrag pünctlich ausgerichtet; aber es ist
noch mehr Arbeit; wie viel ist es am Tage?

Ariel.
Höchstens zwey Stunden nach Mittag.

Prospero.
Die Zeit zwischen izt und Sechse muß von uns beyden als höchst
kostbar angewendet werden.

Ariel.
Ist noch mehr zu thun?  Da du mir so viel Mühe auflegest, so
verstatte daß ich dich an etwas erinnre, so du mir versprochen und
noch immer nicht gehalten hast.

Prospero.
Wie?  du bist übel aufgeräumt?  Was verlangst du denn?

Ariel.
Meine Freyheit.

Prospero.
Eh deine Zeit aus ist?  Nichts mehr davon!

Ariel.
Ich bitte dich, erinnere dich wie getreu ich dir gedient habe; ich
sagte dir keine Lügen vor, ich machte nie eines für das andre, ich
diente dir ohne Groll noch Murren; und du versprachest mir ein
ganzes Jahr nachzulassen.

Prospero.
Hast du vergessen, von was für einer Marter ich dich befreyet habe?

Ariel.
Nein.

Prospero.
Du hast es vergessen, und hältst es für zuviel in dem sumpfichten
Grund des gesalznen Meeres für mich zu waten, oder auf dem scharfen
Nordwind zu rennen, oder in den Adern der hartgefrornen Erde meine
Geschäfte auszurichten.

Ariel.
Das thu ich nicht, mein gebietender Herr.

Prospero.
Du lügst, boshaftes Ding.  Hast du die scheußliche Zauberin Sycorax
vergessen, die von Alter und Neid in einen Reif zusammengewachsen
war?  Hast du sie vergessen?

Ariel.
Nein, Herr.

Prospero.
Du hast; wo war sie gebohren?  Sprich, erzähl es mir.

Ariel.
In Argier, mein Herr.

Prospero.
So, war sie?  ich muß alle Monat einmal mit dir wiederholen was du
gewesen bist, um dir das Gedächtniß ein wenig anzufrischen.  Diese
verdammte Hexe Sycorax, war wegen manchfaltiger Übelthaten und
Zaubereysünden, die zu ungeheuer sind, als daß ein menschliches Ohr
sie ertragen könnte, wie du weist, von Argier verbannt; um eines
einzigen willen das sie gethan hatte, wollten sie ihr das Leben
nicht nehmen.  Ists nicht so?

Ariel.
Ja, mein Herr.

Prospero.
Diese blauaugichte Unholdin ward schwängern Leibes hiehergebracht,
und von den Schiffleuten hier zurükgelassen; du, mein Sclave,
warest nach deiner eignen Aussage, damals ihr Diener.  Und weil du
zu Verrichtung ihrer irdischen und abscheulichen Aufträge ein zu
zärtlicher Geist warst, und ihre grossen Befehle ausschlugest; so
schloß sie dich in ihrer unerbittlichen Wuth, mit Hülfe ihrer
stärkern Diener in eine gespaltne Fichte, in deren Klamme
eingekerkert du zwölf peinvolle Jahre verharren mußtest, bis sie
starb und dich in diesem elenden Zustand ließ, worinn du die Gegend
umher, soweit als man das Getöse von Mühlrädern hören kan, mit
Ächzen und Winseln erfülltest.  Damals war dieses Eiland, (ausser
einem Sohn, den sie hier geworfen hatte, einen rothgeflekten
ungestalten Wechselbalg) mit keiner menschlichen Gestalt geziert.

Ariel.
Ja, Caliban ihr Sohn.

Prospero.
Dummes Ding, das ists was ich sage; eben dieser Caliban, den ich
nun in meinen Dinsten habe.  Du weist am besten in was für einer
Quaal ich dich hier fand; dein Winseln machte Wölfe mit dir heulen,
und durchbohrte die wilde Brust des immerzürnenden Bärs; es war
eine Marter, wie die Verdammten ausstehen müssen, und Sycorax
selbst war nicht im Stande sie wieder aufzuheben: meine Kunst war
es, als ich hieher kam und dich hörte, welche die bezauberte Fichte
zwang sich zu öffnen, und dich herauszulassen.

Ariel.
Ich danke dir, mein Gebieter.

Prospero.
Wenn du noch einmal murrest, so will ich eine Eiche spalten, und
dich in ihr knottichtes Eingeweide einklammern, bis du zwölf Winter
weggeheult hast.

Ariel.
Vergieb mir, mein Gebieter, ich will alle deine Befehle vollziehen,
und willig und behend in meinen Spükereyen seyn.

Prospero.
Thue das, so will ich dich in zween Tagen frey lassen.

Ariel.
Das ist mein großmüthiger Meister!  Was soll ich thun?  Sage was?
Was soll ich thun?

Prospero.
Geh, nimm die Gestalt einer Meernymphe an, aber mache dich jedem
andern Auge als dem meinigen unsichtbar.  Geh, und komm in dieser
Gestalt wieder hieher; mache hurtig.

(Ariel verschwindt.)

Erwache, mein theures Herz, erwache, du hast wohl geschlafen--
Erwache!

Miranda.
Die Seltsamkeit eurer Geschichte hat meinen Kopf ganz schwer
gemacht.

Prospero.
Muntre dich auf; komm mit, wir wollen den Caliban meinen Sclaven
besuchen, der uns niemals eine freundliche Antwort giebt.

Miranda.
Es ist ein Nichtswürdiger, mein Herr, ich mag ihn nicht gerne
ansehen.

Prospero.
Und doch, so wie er ist können wir nicht ohne ihn seyn; er macht
uns unser Feuer, schaft unser Holz herbey und thut uns Dienste, die
uns zu statten kommen.  He!  Sclave!  Caliban!  du Kloz du, gieb
Antwort!

Caliban (hinter der Scene.)
Es ist Holz genug drinnen.

Prospero.
Komm hervor, sag' ich, es ist eine andre Arbeit für dich da, komm,
du Schildkröte!  Nun, wie lange--

(Ariel erscheint in Gestalt einer Wasser-Nymphe.)

Eine artige Erscheinung!  Mein muntrer Ariel, ich habe dir etwas
ins Ohr zu sagen--

Ariel.
Es soll geschehen, mein Gebieter.

(Geht ab.)

Prospero.
Du krötenmäßiger Sclave, vom Teufel selbst mit der Hexe, die dich
gebohren hat, gezeugt!  hervor!



Vierte Scene.
(Caliban zu den Vorigen.)


Caliban.
Ein so schädlicher Thau, als jemals meine Mutter mit Rabenfedern
von ungesundem Morast abgebürstet hat, träufle auf euch beyde!  Ein
Südwest blase euch an, und bedeke euch über und über mit Schwülen
und Finnen!

Prospero.
Für diesen guten Wunsch, verlaß dich drauf, sollt du diese Nacht
den Krampf haben, Seitenstiche sollen deinen Athem einzwängen, und
Igel sollen sich die ganze Nacht durch an dir ermüden; du sollt so
dicht gekneipt werden, wie Honigwaben, und jeder Zwik soll schärfer
stechen als die Bienen, die sie machen.

Caliban.
Ich muß zu Mittag essen.  Diese Insel ist mein, ich habe sie von
Sycorax, meiner Mutter geerbt, und du hast sie mir abgenommen.  Wie
du hieherkamst, da streicheltest du mich, und thatest freundlich
mit mir, gabst mir Wasser mit Beeren drinn zu trinken, und lehrtest
mich, wie ich das grössere Licht und das kleinere, die des Tags und
des Nachts brennen, nennen sollte; und da liebt ich dich, und
zeigte dir die ganze Beschaffenheit der Insel, die frischen Quellen,
und die salzigen, die öden und die fruchtbaren Gegenden.
Verflucht sey ich, daß ich es that!  Alle Zaubereyen meiner Mutter,
Kröten, Schröter und Fledermäuse über euch!  Daß ich, der vorher
mein eigner König war, nun euer einziger Unterthan, und in diesen
Felsen eingesperrt seyn muß, indessen daß ihr die ganze übrige
Insel für euch allein behaltet.

Prospero.
Du lügenhafter Sclave, den nur Schläge, statt Freundlichkeit,
zähmen können; So ein garstiges Thier du bist, so hab ich dir doch
mit menschlicher Fürsorge begegnet, und dich in meiner eignen Celle
beherberget, biß du frech genug warst, meinem Kinde Gewalt anthun
zu wollen.

Caliban.
O ho!  o ho!--Ich wollt' es wäre vor sich gegangen; du kamst zu
früh dazu, sonst hätte ich diese Insel mit Calibanen bevölkert.

Prospero.
Du abscheulicher Sclave, unfähig den Eindruk von irgend einer guten
Eigenschaft anzunehmen, und zu allem Bösen aufgelegt!  Ich hatte
Mitleiden mit dir nahm die Mühe dich reden zu lehren, und wieß dir
alle Stunden etwas neues.  Da du nicht im Stand warst, du wilder,
deine eigne Meynung zu entdeken, sondern gleich einem
unvernünftigen Vieh nur unförmliche Töne von dir gabst, begabte ich
deine Gedanken mit Worten, damit du sie andern verständlich machen
könntest.  Aber ungeachtet alles Unterrichts behielt die angebohrne
Bosheit deiner Natur die Oberhand und machte deine Gesellschaft
wohlgearteten Geschöpfen unerträglich; ich sah mich also gezwungen,
dich in diesen Felsen einzusperren, und begnügte mich, deine
Bosheit nur allein unwürksam zumachen, ob du gleich mehr als ein
Gefängniß verdient hattest.

Caliban.
Ihr lehrtet mich reden, und der ganze Vortheil den ich davon habe,
ist daß ich fluchen kan; daß ihr die Pest dafür hättet, daß ihr
mich reden gelehrt habt!

Prospero.
Du Wechselbalg, hinweg!  Bring uns Holz und Reiser zu einem Feuer
hieher, und mache hurtig, damit ich dich zu andern Arbeiten
gebrauchen kan.  Zükst du die Achseln, du Unhold?  Wenn du nicht
thust was ich dir befehle, oder es unwillig thust, so will ich dich
am ganzen Leibe mit krampfichten Zükungen foltern, alle deine
Gebeine mit Schmerzen füllen, und dich heulen machen, daß wilde
Thiere vor deinem Geschrey zittern sollen.

Caliban.
Nein, ich bitte dich.

(Für sich.)

Ich muß gehorchen; seine Kunst giebt ihm eine so grosse Gewalt,
daß er im Stande wäre, meiner Mutter Gott Setebos zu bezwingen, und
einen Vasallen aus ihm zu machen.

(Caliban geht ab.)

Prospero.
So, Sclave, hinweg!



Fünfte Scene.
(Ferdinand tritt auf; Ariel unsichtbar singend und spielend.)


Ferdinand.
Wo kan diese Musik seyn?  In der Luft oder auf der Erde?--Sie hat
aufgehört--wahrhaftig es ist eine Anzeige, daß irgend eine Gottheit
dieses Eiland bewohnt.  Indeme ich auf einer Sandbank saß, und den
Untergang des Königs meines Vaters beweinte, schien diese Musik
über die Wellen mir entgegen zu schleichen, und besänftigte durch
ihre Lieblichkeit beydes ihre Wuth und meine Leidenschaft; ich
folgte ihr bis an diesen Ort, oder sie zog mich vielmehr an;--Aber
sie hat aufgehört--Nun beginnt sie von neuem.

Ariel (singt:)
Fünf Faden tief dein Vater ligt,
Sein Gebein ward zu Corallen,
Zu Perlen seine Augen-Ballen,
Und vom Moder unbesiegt,
Wandelt durch der Nymphen Macht
Sich jeder Theil von ihm und glänzt in fremder Pracht.
Die Nymphen lassen ihm zu Ehren
Von Stund zu Stund die Todtengloke hören.
Horch auf, ich höre sie, ding-dang, ding-dang--

Ferdinand.
Der Gesang spricht von meinem ertränkten Vater; diß ist nicht das
Werk eines Sterblichen, noch eine irdische Musik; izt hör ich sie
über mir.



Sechste Scene.
(Prospero und Miranda nähern sich auf einer andern Seite dem Orte,
 wo Ferdinand steht.)


Prospero.
Ziehe die Vorhänge deiner Augen auf, und sage, was du dort siehest?

Miranda.
Was ist es?  ein Geist?--Wie es umherschaut!  Glaubet mir, mein
Herr, es hat eine feine Gestalt.  Aber--es ist ein Geist.

Prospero.
Nein, Mädchen, es ißt und schläft, und hat solche Sinnen wie wir
haben, eben solche; und wenn es nicht von Gram (der der Schönheit
Krebs ist) in etwas entstellt wäre, könnte man ihn eine ganz
hübsche Person nennen.  Er hat seine Gefährten verlohren, und irret
umher sie zu suchen.

Miranda.
Ich möchte ihn etwas Göttliches nennen, denn nie sah ich in der
Natur eine so edle Gestalt.

Prospero (für sich.)
Es geht, sehe ich, wie es mein Herz wünschet--Geist, feiner Geist,
für diß will ich dich in zween Tagen frey lassen.

Ferdinand

(indem er Miranda gewahr wird.)

Ganz gewiß ist dieses die Göttin, deren Gegenwart jene Harmonien
ankündigten.  Erlaubet meiner Bitte zu wissen, ob ihr auf dieser
Insel wohnet, und würdiget mich einer Belehrung, wie ich mich hier
zu verhalten habe?  Mein erster Wunsch, obgleich zulezt
ausgesprochen, ist, o ihr Wunder!  zu wissen, ob ihr geschaffen
seyd oder nicht?

Miranda.
Kein Wunder, mein Herr, aber ganz gewiß ein Mädchen.

Ferdinand.
Meine Sprache!  Himmel!  ich bin der Erste unter denen die diese
Sprache reden; wär' ich nur da wo sie geredet wird.

Prospero.
Wie?  der erste?  Was wärest du, wenn dich der König von Neapel
reden hörte?

Ferdinand.
Eine einzelne Person, wie izt, die sich wundert, dich vom König von
Neapel reden zu hören.  Er hört mich, und daß er mich höret, ist
was ich beweine.  Ich selbst bin nun der König von Neapel, da ich
mit diesen meinen Augen, die seit dem niemals troken worden sind,
den König meinen Vater im Schiffbruch umkommen gesehen habe.

Miranda.
Wie sehr dauert er mich!

Ferdinand.
Glaubet mirs, er kam um, er und alle seine Hofleute: der Herzog von
Meiland und sein edler Sohn waren dabey.

Prospero.
Der Herzog von Meiland und seine noch edlere Tochter könnten dich
eines bessern belehren, wenn es izt Zeit dazu wäre--

(vor sich.)

Beym ersten Anblik tauschten sie ihre Augen (Ariel, für diesen
Dienst sollt du frey seyn!)

(laut.)

Ein Wort mit euch, mein feiner Herr, ich fürchte ihr habt euch in
einen schlimmen Handel verwikelt: Ein Wort--


Miranda.
Warum spricht mein Vater so unfreundlich?  Diß ist der dritte Mann,
den ich jemals sah, und der erste, für den ich seufze.  Möchte
Mitleiden meinen Vater so gesinnt machen wie mich!

Ferdinand.
O, wenn ihr ein sterbliches Mädchen seyd, und eure Neigung noch
frey ist, so will ich euch zur Königin von Neapel machen.

Prospero.
Sachte, mein Herr; Nur ein Wort--

(vor sich.)

Sie sind beyde eines in des andern Gewalt: aber ich muß diesem
plözlichen Einverständniß Schwierigkeiten in den Weg legen, sonst
möchte ein zu leichtgewonnenes Glük seinen Werth verringern--Herr,
nur noch ein Wort; ich befehle dir, mir zu folgen.  Du legst dir
hier einen Namen bey, der dir nicht gebührt, du hast dich als einen
Kundschafter in diese Insel eingeschlichen, um sie mir, ihrem
Herren abzugewinnen.

Ferdinand.
Nein, so wahr ich ein Mann bin.

Miranda.
Gewiß, es kan nichts böses in einem solchen Tempel wohnen.  Wenn
der böse Geist ein so schönes Haus hätte, gute Dinge würden bey ihm
zu wohnen versucht.

Prospero.
Folge mir--Rede du nicht für ihn, er ist ein Verräther.  Komm, ich
will dir Hals und Füsse zusammenfesseln, Seewasser soll dein Trank,
und frische Bachbungen, dürre Wurzeln und Eicheln deine Speise seyn.
Folge!

Ferdinand.
Nein, eine solche Begegnung will ich nicht leiden, bis mein Feind
der stärkere ist.

(Er zieht den Degen, und bleibt bezaubert und unbeweglich stehen.)

Miranda.
O mein theurer Vater, verfahret nicht so strenge mit ihm; er ist ja
liebenswürdig, nicht fürchterlich.

Prospero.
Wie, Mädchen, du willt mich meistern?  Zieh dein Schwerdt,
Verräther!  du willt den Herzhaften machen, und darfst keinen
Streich führen?  Bilde dir nicht ein, daß du dich wehren wollest;
ich brauche nichts, als diesen Stab, dich zu entwaffnen, und deinen
Degen fallen zu machen.

Miranda.
Ich bitte euch, mein Vater.

Prospero.
Weg, hänge dich nicht so an meinen Rok.

Miranda.
Mein Herr, habet Mitleiden, ich will Bürge für ihn seyn.

Prospero.
Schweige, noch ein einziges Wort mehr wird machen, daß ich dich
ausschelte, oder gar hasse.  Was?  einem Betrüger das Wort reden?
husch!  du denkst, es habe nicht noch mehr solche Gesichter wie er
ist, weil du nur den Caliban und ihn gesehen hast; einfältiges Ding!
gegen die meisten Männer gerechnet, ist er nur ein Caliban, und
sie sind Engel gegen ihn.

Miranda.
So sind meine Neigungen sehr demüthig, denn ich habe kein Verlangen
einen schönern Mann zu sehen.

Prospero.
Komm mit, gehorche; deine Nerven sind wieder in ihrer Kindheit, und
haben keine Stärke mehr.

Ferdinand.
So ist es; alle meine Lebensgeister sind wie in einem Traum,
gefesselt.  Aber meines Vaters Tod, die Schwäche die ich fühle, der
Schiffbruch aller meiner Freunde, und die Drohungen dieses Mannes,
dem ich unterworfen bin, würden mir leicht zu ertragen seyn, möchte
ich nur einmal des Tages durch eine Öfnung meines Kerkers dieses
holde Mädchen sehen: Die Freyheit mag von dem ganzen Rest der Erde
Gebrauch machen; für mich ist Raum genug in einem solchen Kerker.

Prospero (für sich.)
Es würkt:

(laut)

folge mir!  (du hast dich wohl gehalten, Ariel) folge mir.

(Zu Ariel.)

Höre, was du weiter zu verrichten hast.

(Er sagt dem unsichtbaren Ariel etwas in Geheim.)

Miranda (zu Ferdinand.)
Fasset Muth, mein Herr; mein Vater ist von einer bessern Gemüthsart,
als ihr aus seinen Worten schliessen könnt; sein iziges Betragen
ist etwas ungewohntes.

Prospero (zu Ariel.)
Du sollst so frey seyn als die Winde auf hohen Bergen; aber unter
der Bedingung, daß du meinen Befehl in allen Puncten aufs genaueste
vollziehest.

Ariel.
Nach dem Buchstaben.

Prospero.
Komm, folge mir!  Sprich du nicht für ihn.

(Sie gehen ab.)




Zweyter Aufzug.



Erste Scene.
(Ein andrer Theil der Insel.)
(Alonso, Sebastian, Antonio, Gonsalo, Adrian, Francisco, und andre
 Hofleute, treten auf.)


Gonsalo.
Ich bitte euch, Gnädigster Herr, gutes Muths zu seyn; wir haben
alle Ursache zur Freude; denn unsre Errettung geht weit über unsern
Verlust.  Das Unglük das wir gehabt haben, ist etwas gemeines;
jeden Tag hat irgend eines Schiffers Weib oder irgend ein Kauffmann
das nehmliche Thema zu klagen; aber von einem solchen Wunder wie
unsre Erhaltung ist, wissen unter Millionen nur wenige zu sagen.
Wäget also, Gnädigster Herr, weislich unsern Kummer gegen unsern
Trost, und beruhiget euch.

Alonso.
Ich bitte dich, schweige.

[Sebastian.*
Er nimmt deinen Trost an, wie kalte Suppe.

{ed.-* Alle diese Reden, welche man zur Unterscheidung in [ ]
eingeschlossen, scheinen von einer fremden Hand, vielleicht von
Schauspielern, eingeschoben, um so mehr als es nicht nur an sich
sehr ungereimtes Zeug, sondern in dem Mund unglüklicher
schiffbrüchiger Leute eine höchst unnatürliche und unschikliche
Spaßhaftigkeit ist.  Es kommen noch mehr Reden von dieser Art in
dem übrigen Theil dieser Scene vor.  Pope.}

Antonio.
Gonsalo wird sich nicht so leicht abweisen lassen.

Sebastian.
Seht, er zieht seinen Wiz auf wie eine Taschenuhr, den Augenblik
wird er schlagen.

Gonsalo.
Gnädigster Herr--

Sebastian.
Eins; zählet, Antonio--

Gonsalo.
Wenn einer einem jeden Verdruß der ihm aufstößt, nachhängen will,
so hat er nichts davon als--

Sebastian.
Einen Thaler.

Gonsalo.
(Dolores),** in der That, ihr habt besser gesprochen, als ihr im
Sinne hattet.

{ed.-** Der frostige Spaß ligt in dem ähnlichen Schall der Worte
(dollar), und (dolour).}

Sebastian.
Und ihr habt es weislicher aufgenommen, als ich euch zugetraut habe.

Gonsalo.
Folglich, gnädigster Herr--

Antonio.
Pfui, wie der Mann seine Zunge verschwendet!

Alonso.
Ich bitte dich, sey ruhig.

Gonsalo.
Gut, ich bin fertig; aber doch--

Sebastian.
Will er reden.

Antonio.
Was wetten wir, wer von beyden, er oder Adrian zuerst anfangen wird
zu krähen?

Sebastian.
Der alte Hahn.

Antonio.
Der junge.

Sebastian.
Gut, was wetten wir?

Antonio.
Ein Gelächter.

Sebastian.
Es bleibt darbey.

Adrian.
Obgleich diese Insel wüste scheint--

Sebastian.
Ha, ha, ha--So, ihr seyd bezahlt.

Adrian.
Unbewohnbar, und in der That ganz unzugangbar--

Sebastian.
So kan sie doch--

Adrian.
So kan sie doch--

Antonio.
So kan er doch nicht weiter--

Adrian.
Nicht anders, als von einer subtilen zärtlichen und angenehmen
Temperatur seyn.

Antonio.
(Temperantia) war ein hübsches Mensch.

Sebastian.
Ja, und subtil, wie er auf eine sehr gelehrte Art angemerkt hat.

Adrian.
Die Luft weht uns hier recht lieblich an--

Sebastian.
So lieblich, als ob sie eine faule Lunge hätte.

Antonio.
Oder als ob sie von einem Morast parfümirt würde.

Gonsalo.
Man findet alles hier, was zu einem angenehmen Leben gehört.

Antonio.
In der That, ausser nichts zu essen.

Sebastian.
Nun, das eben nicht.

Gonsalo.
Wie frisch und anmuthig das Gras aussieht!  wie grün!

Antonio.
In der That, der Boden ist braungelb.

Sebastian.
Mit einem Gedanken von grün vermengt.

Antonio.
Er trift es doch nicht übel.

Sebastian.
Nicht übel; es ist weiter nichts, als daß er die Wahrheit ganz und
gar verfehlt.

Gonsalo.
Das seltsamste aber, und was in der That allen Glauben übersteigt--

Sebastian.
Wie manche Raritäten der Reisebeschreiber--

Gonsalo.
Ist, daß unsre Kleider, ungeachtet sie im Meer wohl durchnezt
worden, nichts destoweniger Farbe und Glanz behalten haben; man
sollte eher denken, sie seyen noch einmal gefärbt, als vom
Seewasser beflekt worden.

Antonio.
Wenn nur eine von seinen Taschen reden könnte, würde sie ihn nicht
Lügen strafen?

Gonsalo.
Mich dünkt, unsre Kleider sehen so neu aus, als wie wir sie in
Africa das erstemal anzogen, da der König seine schöne Tochter
Claribella mit dem Könige von Tunis vermählte.

Sebastian.
Es war eine lustige Hochzeit, und die Heimreise schlägt uns recht
wohl zu.

Adrian.
Tunis hat noch nie die Ehre gehabt, eine Königin von so seltnen
Vollkommenheiten zu haben.

Gonsalo.
Seit der Wittwe Dido Zeiten nicht.

Antonio.
Wittwe?  daß der Henker die Wittwe!  Wie kommt diese Wittwe hieher?
warum Wittwe Dido?

Sebastian.
Und wie, wenn er noch gesagt hätte: Wittwer Äneas?  Euer Gnaden
nehmen ihm auch alles zum schlimmsten auf.

Adrian.
Wittwe Dido, sagtet ihr?  Dabey fällt mir auch etwas aus der Schule
ein.  Dido war von Carthago, nicht von Tunis.

Gonsalo.
Aber Tunis, mein guter Herr, war einst Carthago.

Adrian.
Carthago?

Gonsalo.
Das versichre ich euch, Carthago.

Antonio.
Sein Wort ist über die wunderthätige Harfe Amphions.

Sebastian.
Es richtet die Mauren mit samt den Häusern auf.

Antonio.
Was für unmögliche Dinge wird er nun zustande bringen?

Sebastian.
Ich denke, er wird auf der Heimreise diese Insel in seine Tasche
steken, und sie seinem Buben statt eines Apfels nach Hause bringen.

Antonio.
Und die Kerne davon in das Meer säen, damit er eine junge Zucht von
Inseln kriegt.

Alonso.
Wie, wovon sprecht ihr?

Gonsalo.
Gnädigster Herr, wir redten davon, daß unsre Kleider noch so neu
aussehen, als wie wir sie zu Tunis auf eurer Tochter
Vermählungsfest trugen.]

Alonso.
Ihr erinnert mich zur Unzeit an das, worüber ich mir selbst nur
allzuviel Vorwürfe mache--Wollte der Himmel, ich hätte meine
Tochter nie zu Tunis verheurathet!  Weil ich dahin reißte, hab ich
meinen Sohn verlohren, und meiner Rechnung nach, sie dazu; da sie
soweit von Italien entfernt ist, daß ich sie nimmer wiedersehen
werde.  O du mein Erbe von Neapel und Meiland, was für einem Meer-
Ungeheuer bist du zur Speise geworden!

Francisco.
Sire, verhoffentlich lebt er noch.  Ich sah ihn die
entgegenschwellenden Wellen unter ihm wegschlagen, und auf ihrem
bezwungenen Rüken reiten; er erhielt sein kühnes Haupt immer über
ihnen empor, und steurte sich selbst mit starken Armen ans Ufer,
welches sich über seine von den Wellen abgespülte Basis in die See
hinaus bog, als ob es ihm eine Zuflucht darbieten wollte.  Ich
zweifle nicht, er kam lebendig ans Land.

Alonso.
Nein, nein, er ist nicht mehr.

Sebastian.
Sire, diesen grossen Verlust habt ihr niemand zu danken als euch
selbst, da ihr eure Tochter lieber an einen Africaner verliehren,
als unser Europa mit ihr beglükseligen wolltet.

Alonso.
Ich bitte dich, sey ruhig.

Sebastian.
Wir alle ermüdeten euch ihrentwegen mit Bitten und Kniefällen, und
die schöne Seele selbst wog zwischen Neigung und Gehorsam, wohin
sich das Wagzünglein neigen sollte.  Ich besorge, wir haben euern
Sohn auf ewig verlohren; Meiland und Neapel haben mehr Weiber, die
dieses Geschäfte zu Wittwen gemacht hat, als wir Männer mitbringen
sie zu trösten.  Der Fehler ist euer eigen.

Alonso.
So wie der gröste Verlust.

Gonsalo.
Prinz Sebastian, wenn ihr gleich die Wahrheit sagt, so sagt ihr sie
doch auf eine unfreundliche Art, und zur Unzeit; ihr reibt die
Wunde, da ihr ein Pflaster drauf legen solltet.

Sebastian.
Wohl gesprochen!

Antonio.
Und sehr chirurgisch!

Gonsalo.
Sire, es ist schlimmes Wetter bey uns allen, wenn Euer Majestät
bewölkt ist.

Sebastian.
Schlimmes Wetter?

Antonio.
Sehr schlimmes.

Gonsalo.
Hätte ich eine Pflanzstätte in dieser Insel anzulegen, Gnädigster
Herr--

Antonio.
So würd' er Brenn-Nessel-Saamen drein säen.

Sebastian.
Oder Kletten und Pappel-Kraut.

Gonsalo.
Und wäre der König davon, was würd' ich thun?

Sebastian.
Euch wenigstens nicht betrinken, denn ihr hättet keinen Wein.

Gonsalo.
Die Einrichtung des gemeinen Wesens müßte mir gerade das
Wiederspiel von allen unsrigen seyn; denn ich wollte keine Art von
Handel und Wandel gestatten; Von Obrigkeitlichen Ämtern sollte nur
nicht der Name bekannt seyn; Von allen Wissenschaften sollte man
nichts wissen; Kein Reichthum, keine Armuth, kein Unterschied der
Stände; nichts von Käuffen, Erbschaften, Marchen, Grenzsteinen,
Braachfeldern noch Weinbergen; Kein Gebrauch von Metall, Korn, Wein
oder Öl; Keine Arbeit, alle Leute müßig, alle, und die Weiber dazu;
aber alles in Unschuld.  Keine Oberherrschaft--

Sebastian.
Und doch wollt' er König davon seyn.

Antonio.
Das Ende von seiner Republik vergißt den Anfang***

{ed.-*** Dieses ganze Gespräch ist eine feine Satyre über die
Utopischen Tractate von Regierungsformen, und die schimärischen
und unbrauchbaren Entwürfe, die darinn angepriesen werden.
Warbürton.}

Gonsalo.
Alle Dinge sollten gemein seyn; die Natur sollte alles von sich
selbst hervorbringen, ohne Arbeit und Schweiß der Menschen.  Keine
Verrätherey, keine Übelthaten, folglich auch kein Schwerdt, kein
Spieß, kein Messer, kein Schießgewehr, kurz keine Nothwendigkeit
von irgend einem Instrument; denn die Natur sollte aus eignem Trieb
alles in Überfluß hervorbringen, was zum Unterhalt meines
unschuldigen Volkes nöthig wäre.

Sebastian.
Würde man denn in seiner Republik nicht auch heurathen?

Antonio.
Heurathen?  Nichts weniger; lauter müßiges Volk, Huren und
Spizbuben.

Gonsalo.
Ich wollte mit einer solchen Vollkommenheit regieren, Gnädigster
Herr, daß das goldne Alter selbst nicht damit in Vergleichung
kommen sollte.

Sebastian.
Der Himmel schüze seine Majestät!

Antonio.
Lang lebe Gonsalo!

Gonsalo.
Ihr versteht mich doch--


Alonso.
Ich bitte dich, hör auf; du unterhältst mich mit einem Gespräch von
Nichts.

Gonsalo.
Das glaub ich Euer Majestät, und ich that es bloß, um diesen beyden
Herren Gelegenheit zum Lachen zu geben; denn sie haben so reizbare
und zärtliche Lungen, daß sie immer über nichts zu lachen pflegen.

Antonio.
Wir lachten über euch.

Gonsalo.
Der in dieser Art von Spaßhaftigkeit gegen euch nichts ist; ihr
könnt also fortfahren, über nichts zu lachen.

Antonio.
Das hat eine Ohrfeige seyn sollen?

Sebastian.
Wenn sie nicht neben bey gefallen wäre.

Gonsalo.
Ihr seyd tapfre Herren; ihr würdet den Mond aus seinem Kreise heben,
wenn er nur fünf Wochen nach einander ohne abzunehmen scheinen
würde.

(Ariel erscheint, den redenden Personen unsichtbar, mit einer
ernsthaften und einschläfrenden Musik.)

Sebastian.
Das wollten wir, und dann auf den Vogel-Heerd.

Antonio (zu Gonsalo.)
Nein, mein guter Herr, werdet nicht böse.

Gonsalo.
Ich stehe euch davor, daß ich zu gescheidt bin über eure Einfälle
böse zu werden.  Wollt ihr mich in den Schlaf lachen?  denn ich bin
ganz schläfrig.

Antonio.
Geht, schlaft und hört uns zu.

Alonso.
Wie?  Alle schon eingeschlafen!  Meine Augen schliessen sich auch,
möchten sie meine Gedanken zugleich verschliessen!

Sebastian.
Sire, wiedersteht dem Schlummer nicht, der sich euch anbietet.  Er
besucht selten den Kummer, und wenn er's thut, ist er ein Tröster.

Antonio.
Wir zween, Gnädigster Herr, wollen indessen daß ihr der Ruhe
geniesset, für eure Sicherheit wachen.

Alonso.
Ich danke euch--eine wunderbare Schläfrigkeit! --

(Alle schlaffen, ausser Sebastian und Antonio.)

Sebastian.
Was für ein seltsamer Taumel ist das, der sich ihrer bemeistert?

Antonio.
Die Beschaffenheit des Clima muß daran Ursache seyn.

Sebastian.
Warum sinken dann unsre Auglieder nicht auch?  Ich spüre nicht die
mindeste Schläfrigkeit.

Antonio.
Ich auch nicht; meine Lebensgeister sind ganz munter.  Sie fielen
alle hin als ob sie es mit einander abgeredet hätten, sie sanken um,
wie vom Donner gerührt.  Was könnte, würdiger Sebastian--O!  was
könnte--Nichts weiter!--Und doch, dünkt mich, ich seh es in deinem
Gesicht, was du seyn solltest.  Die Gelegenheit sagt es dir, und
meine Einbildungs-Kraft sieht eine Krone über deinem Haupte
schweben.

Sebastian.
Wie?  wachest du?

Antonio.
Hört ihr mich denn nicht reden?

Sebastian.
Ich höre dich, aber wahrhaftig es sind Reden eines Schlafenden; du
sprichst im Schlaf.  Was sagtest du?  Es ist ein seltsamer Schlaf,
mit weitofnen Augen zu schlafen; stehen, reden, sich bewegen, und
doch so hart eingeschlaffen seyn!

Antonio.
Edler Sebastian, du lässest dein Glük schlafen.  Stirb lieber!  du
wachest mit geschloßnen Augen.

Sebastian.
Du schnarchest verständlich; es ist Bedeutung in deinem Schnarchen.

Antonio.
Ich bin ernsthafter als meine Gewohnheit ist.  Seyd auch so, wenn
ich euch rathen darf; und es wird euer Glük seyn, euch rathen zu
lassen.

Sebastian.
Gut, ich bin stehendes Wasser.

Antonio.
Ich will euch fliessen lehren.

Sebastian.
Thue das; stehen lehrt mich meine angeerbte Trägheit.

Antonio.
O!  wenn ihr nur wißtet, wie sehr ihr meinen Vorschlag liebet, ob
ihr ihn gleich zu verwerfen, wie ihr euch immer mehr darinn
verwikelt, je mehr ihr euch loß zu winden scheint.  Langsame Leute
werden oft durch ihre Zagheit oder Trägheit nur desto schneller auf
den Grund gezogen.

Sebastian.
Ich bitte dich, sprich deutlich.  Dein Blik und deine glühende
Wange verkündigen, daß du mit irgend einem grossen Vorhaben
schwanger gehst, von dem du so voll bist, daß du es nicht länger
zurükhalten kanst.

Antonio.
Hier ist es, Prinz.  Ungeachtet dieser Höfling, schwachen
Angedenkens (es wird gewiß seiner wenig gedacht werden, wenn er
einmal eingescharrt ist) den König beynahe überredet hat (denn er
ist ein Geist der Überredung, er kan sonst nichts als überreden)
daß sein Sohn noch lebe; so ist es doch so unmöglich, daß er nicht
im Wasser umgekommen seyn sollte, als daß der schwimmt, der hier
schläft.

Sebastian.
Ich habe keine Hoffnung, daß er mit dem Leben davongekommen seyn
möchte.

Antonio.
O sagt mir nichts von Hoffnung--Was für grosse Hoffnung hättet ihr--
die Hoffnung ligt nicht auf diesem Wege; es ist ein andrer, der zu
einer so hohen Hoffnung führt, daß der Ehrgeiz keinen Blik dahin
thut, ohne an der Würklichkeit dessen was er sieht zu zweifeln.
Wollt ihr mir eingestehen, daß Ferdinand umgekomen ist?

Sebastian.
Ich glaub es.

Antonio.
So sagt mir dann, wer ist der nächste Erbe von Neapel?

Sebastian.
Claribella.

Antonio.
Sie, welche Königin von Tunis ist; sie, die zehen Meilen hinter
einem Menschenalter wohnt; sie, die von Neapel nicht eher eine
Nachricht haben kan, (es wäre denn daß die Sonne der Postillion
seyn wollte, der Mann im Monde wäre zu langsam) bis neugebohrne
Kinne bärtig worden sind; sie, um deren willen wir vom Meer
verschlungen worden; obgleich einige, die wieder ausgeworfen worden,
von diesem Zufall Gelegenheit nehmen mögen, eine Scene zu spielen,
wovon das Vergangne der Prologus ist;
                
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