William Shakespear

Ein St.-Johannis-Nachts-Traum
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Vorredner.
Wenn wir mißfallen thun, so ist's mit gutem Willen;
Der Vorsaz bleibet gut, wenn wir ihn nicht erfüllen;
Zu zeigen unsre Pflicht durch dieses kurze Spiel,
Das ist der wahre Zwek von unserm End und Ziel.
Erwäget also dann, warum wir kommen fein.
Wir kommen nicht, als sollt ihr euch daran ergözen
Die wahre Absicht ist--zu eurer Lust allein
Wir sind nicht hier--daß wir in Reu euch sezen.
Die Spieler sind bereit--wenn ihr sie werdet sehen,
So wißt ihr alles schon, was ihr nur wollt verstehen.

Theseus.
Dieser Bursche geht nicht auf Stelzen.

Lysander.
Er hat seinen Prologus geritten, wie ein junges Füllen; er weiß
noch nicht, wo er Halt machen soll.  Eine gute Moral, Mylord.  Es
ist nicht genug daß man rede, man muß auch wahr reden.

Hippolita.
In der That, er hat auf seinem Prologus gespielt, wie ein Kind auf
der Flöte; er brachte wol einen Ton heraus, aber keine Note.

Theseus.
Seine Rede war wie eine verwikelte Kette, alles zusammenhängend,
aber alles in Unordnung.  Wo ist nun der folgende?  (Pyramus und
Thisbe, Wand, Monschein und Löwe treten als stumme Personen auf.)

Vorredner.
Was diß bedeuten soll, das wird euch wundern müssen,
Bis Wahrheit alle Ding stellt an das Licht herfür.
Der Mann ist Pyramus, wofern ihr es wollt wissen,
Und diese Fräulein schön, ist Thisbe, glaubt es mir.
Der Mann mit Pflaster hier und Leimen soll bedeuten
Die Wand, die garst'ge Wand, die ihre Lieb thät scheiden;
Doch freut es sie, drob auch sich niemand wundern soll,
Wenn durch die Spalten klein sie konnten flüstern wol.
Der Mann da mit Latern, und Hund, und Busch von Dorn
Den Monschein präsentiert; denn wenn ihr's wollt erwägen,
Beym Monschein hatten die Verliebten sich geschwohr'n,
Zu geh'n nach Nini Grab, und dort der Lieb' zu pflegen.
Diß gräßlich wilde Thier, von Namen Löwe groß,
Die treue Thisbe die des Nachts zuerst gekommen,
Thät scheuchen ja vielmehr erschreken, daß sie bloß
Den Mantel fallen ließ und blutt die Flucht genommen;
Drauf dieser schnöde Löw in seinen Rachen nahm,
Und ließ mit Blut beflekt den Mantel lobesam.
Sofort kömmt Pyramus, ein Jüngling wolgemuth,
Findt seiner Thisbe treu ihr'n Mantel voller Blut,
Worauf er mit dem Deg'n, mit blut'gem bösem Degen,
Die blut'ge heisse Brust sich dapferlich durchstach;
Und Thisbe, die indeß im Maulbeer-Schatten g'legen,
Zog seinen Dolch heraus und sich das Herz zerbrach.
Was noch zu sagen ist, das wird, glaubt mir fürwahr,
Euch Mondschein, Wand und Löw, und das verliebte Paar,
Der Läng' und Breite nach, so lang sie hier verweilen,
Erzählen, wenn ihr wollt, in wolgereimten Zeilen.

(Alle treten ab, bis auf Wand.)

Theseus.
Mich wundert, ob der Löwe reden wird?

Demetrius.
Warum nicht ein Löwe, Mylord, da Esel reden können?

Wand.
In dem besagten Spiel es sich zutragen thut,
Daß ich, Tom Schnauz genannt, die Wand vorstelle gut,
Und eine solche Wand, wovon ihr solltet halten,
Sie sey durch einen Schliz, recht durch und durch gespalten:
Wodurch denn Pyramus und seine Thisbe fein
Oft flüsterten fürwahr ganz leis' und ingeheim.
Der Merdel, und der Leim, und dieser Stein thut zeigen,
Daß ich bin diese Wand, ich will's euch nicht verschweigen.
Und diß die Spalte ist, zur Linken und zur Rechten,
Wodurch die Buhler zwey sich thäten still besprechen.

Theseus.
Könntet ihr fodern, daß Leim und Haar besser sprechen sollten?

Demetrius.
Mylord, es ist die sinnreichste Erfindung, von der ich jemals
gehört habe.

Theseus.
Pyramus nähert sich der Wand; stille!  (Pyramus tritt auf.)

Pyramus.
O Nacht so schwarz von Farb!  o grimmerfüllte Nacht!
O!  Nacht als jemals schien, wenn es nicht Tag mehr war!
O Nacht, o Nacht, o Nacht!  ach!  ach!  ach, Himmel, ach!
Ich fürcht' mein' Thisbe hat ihr Wort vergessen gar!
Und du, o Wand, o süß und liebenswerthe Wand,
Die zwischen unsrer bey--der Eltern Haus thut stehen,
Du Wand, o Wand, o süß und liebenswerthe Wand,
Zeig deine Spalte mir, daß ich dadurch mag sehen,
Hab Dank, du gute Wand!  Der Himmel lohn' es dir!
Jedoch was seh' ich dort?  Thisbe die seh' ich nicht.
O böse Wand, durch die ich nicht seh' meine Zier!
Verflucht sey'n deine Stein!  daß du so äffest mich!

Theseus.
Mich dünkt, die Wand sollte wieder zurük fluchen, weil sie
empfindlich ist.

Pyramus.
Nein, fürwahr, Herr, sie muß nicht.  Äffest mich, ist Thisbes
Merkwort; sie wird gleich kommen, und ich muß sie durch die Wand
ausspähen.  Ihr werdet sehen, es wird gerade so gehen, wie ich euch
sage.  Da kömmt sie schon.  (Thisbe tritt auf.)

Thisbe.
O Wand, oft hast du schon gehört das Seufzen mein,
Mein'n schönsten Pyramus weil du so trennst von mir!
Mein rother Mund hat oft geküsset deine Stein,
Dein' Stein' mit Haar und Leim geküttet auf in dir.

Pyramus.
Ein' Stimm' ich sehen thu, ich will zur Spalt' und schauen,
Ob ich nicht hören kan mein'r Thisbe Antliz klar.
Thisbe!

Thisbe.
Diß ist mein Schaz!  Mein Liebchen ists!  fürwahr.

Pyramus.
Denk was du willt, ich bin's; du kanst mir sicher trauen.
Und gleich Limander bin ich treu nach meiner Pflicht.

Thisbe.
Und ich gleich Helena, bis mich der Tod ersticht.

Pyramus.
So treu war Schefelus zu seiner Procrus nicht!

Thisbe.
Wie Procrus Scheflus liebt', lieb' ich dein Angesicht.

Pyramus.
O küß mich durch das Loch von dieser garst'gen Wand!

Thisbe.
Mein Kuß trift nur das Loch, nicht deiner Lippen Rand.

Pyramus.
Willt du bey Ninnys Grab heut Nacht mich treffen an.

Thisbe.
Sey's lebend oder todt, ich komme wenn ich kan.

Wand.
So hab ich Wand nunmehr mein'n Part gemachet gut,
Und nun sich also Wand hinwegbegeben thut.

(Geht ab.)

Theseus.
So ist die Scheidwand zwischen beyden Nachbarn auf einmal gefallen.

Demetrius.
Kein Wunder, Mylord, da sie so willig war, sich aufzurichten.

Hippolita.
Elenderes Zeug hab ich niemals gehört.

Theseus.
Das Beste in dieser Art ist nur Schatten; und das Schlechteste ist
nicht schlechter, wenn ihm die Einbildungskraft nachhilft.

Hippolita.
So muß es also eure Einbildungskraft seyn, nicht die ihrige.

Theseus.
Wenn wir nicht schlechter von ihnen denken als sie von sich selbst,
so können sie für vortrefliche Leute passieren.  Hier kommen zwey
edle Bestien, in der Person eines Menschen und eines Löwen.  (Löwe
und Monschein treten auf.)

Löwe.
Ihr Fräulein, deren Herz fürchtet die kleinste Maus,
Die in monstroser G'stalt thut an dem Boden schweben,
Möcht izo zweifelsohn erzittern und erbeben,
Wenn Löwe rauh von Wuth läßt sein Gebrüll heraus.
So wisset dann, daß ich Hans Schnok, der Schreiner bin,
Kein böser Löw fürwahr noch eines Löwen Weib;
Denn käm' ich als ein Löw und hätte Harm im Sinn,
So daurte, meiner Treu!  mich nur mein g'rader Leib.

Theseus.
Eine höfliche Bestie, und recht gewissenhaft.

Lysander.
Dieser Löwe ist ein vollkommener Fuchs an Herzhaftigkeit.

Theseus.
Das ist wahr, und eine Gans an Discretion.

Demetrius.
Nicht so, Mylord, denn seine Herzhaftigkeit kan seiner Discretion
nicht Meister werden, wie ein Fuchs einer Gans.

Theseus.
Ohne Zweifel kan seine Discretion seine Herzhaftigkeit nicht
bemeistern, denn eine Gans bemeistert keinen Fuchs.  Gut!  wir
wollen seine Discretion davor sorgen lassen, und izt hören, was uns
der Mond zu sagen hat.

Mondschein.
Den wolgehörnten Mond d'Latern z'erkennen giebt.

Demetrius.
Er sollte die Hörner an seiner Stirne tragen.

Theseus.
Er ist nicht im Zunehmen; seine Hörner steken unsichtbar in der
Peripherie.

Mondschein.
Den wolgehörnten Mond d'Latern z'erkennen giebt,
Ich selbst den Mann im Mond, wofern es euch beliebt.

Theseus.
Das ist noch der gröste Fehler unter allen; man hätte den Mann in
die Laterne sezen sollen; wie kan er sonst der Mann im Monde seyn?

Demetrius.
Er darf es nicht wegen der Kerze; Ihr sehet ja, daß sie schon
lauter Buzen ist.

Hippolita.
Dieser Mond macht mir lange Weile; ich wollte, er änderte sich.

Theseus.
Man sieht an seinem bescheidnen Licht, daß er im Abnehmen ist; aus
Höflichkeit und von rechtswegen müssen wir nun schon das Ende
abwarten.

Lysander.
Komm besser hervor, Mond!

Mondschein.
Alles was ich zu sagen habe, ist euch zu melden, daß diese Laterne
der Mond ist; ich, der Mann im Mond, dieser Dornbusch, mein
Dornbusch, und dieser Hund, mein Hund.

Demetrius.
Alle diese Dinge sollten also in der Laterne seyn.  Doch stille,
hier kömmt Thisbe.  (Thisbe tritt auf.)

Thisbe.
Diß ist ja Ninnys Grab, wo ist mein Liebchen dann?

Löwe.
Oh!--

(der Löwe brüllt, Thisbe läuft davon.)

Demetrius.
Wol gebrüllt, Löwe.

Theseus.
Wol geloffen, Thisbe.

Hippolita.
Wol geschienen, Mond.  In der That, der Mond scheint mit einer
recht guten Art.

Demetrius.
Und da kam Pyramus.

Lysander.
Und da verschwand der Löwe.  (Pyramus tritt auf.)

Pyramus.
Ich dank dir, süsser Mond, für deine Sonnenstralen,
Die also hell und schön den Erdenball bemahlen;
Dieweil bey deinem Gold und funkelnd süssem Licht
Zu kosten ich verhoff mein'r Thisbe Angesicht.

Doch halt!  o Pein!
Was soll diß seyn?
Was für ein Graus ist diß?
Aug, siehst du noch?
O!  schweres Joch!
Mein Herz, mein Liebchen süß,
Dein Mantel gut,
Beflekt mit Blut!
Ihr Furien kommt in Trab,
Herbey und rächt
Und löscht und brecht
Den Lebensfaden ab!

Theseus.
Diese Leidenschaft und der Tod eines werthen Freundes, würden nahe
zu hinreichen, einen Mann finster sehen zu machen.

Hippolita.
Ich möchte mir selbst Böses wünschen, daß ich mich nicht verwahren
kan, den Mann zu bedauern.

Pyramus.
Warum denn, o Natur, thätst du den Löwen bauen?
Weil solch ein schnöder Löw mein' Lieb' hat defloriert;
Sie welche ist--Nein!  war--die schönste aller Frauen,
Die je des Tages Glanz mit ihrem Schein geziert.

Komm, Thränenschaar,
Aus, Schwerdt, durfahr
Die Brust des Pyramo!
Die Linke hier,
Wo s'Herz hüpft mir,
So sterb' ich denn, So, so!
Nun bin ich tod,
Aus ist die Noth,
Mein' Seel im Himmel lacht;
Verliehr dein'n Schein,
O Zunge mein,
Flieh' Mond; gut Nacht, gut Nacht!

Demetrius.
So stirb dann, oder ein Aß für ihn, denn er ist doch eines.

Lysander.
Minder als ein Aß, Mann; denn er ist todt; er ist nichts.

Theseus.
Mit Hülfe eines Barbiers möchte er vielleicht noch aufkommen, und
ein Aß werden.

Hippolita.
Wie?  der Mondschein ist gegangen, eh Thisbe zurük kömmt, und ihren
Liebhaber findet.  (Thisbe kömmt.)

Theseus.
Sie wird ihn beym Sternenlicht finden.  Hier kömmt sie, und ihre
Passion endet das Spiel.

Hippolita.
Mich dünkt, sie sollte keine lange für einen solchen Pyramus nöthig
haben; ich hoffe sie wird kurz seyn.

Thisbe.  Schläfst du, mein Kind?
Steh auf geschwind!
Wie?  Täubchen, bist du todt?
O!  Sprich, o sprich!
O!  rege dich!
Ach!  todt ist er!  O Noth!
Dein Lilien-Mund,
Dein Auge rund,
Wie Schnittlauch frisch und grün,
Dein Kirschen-Nas'
Dein' Wangen blaß
Die wie ein Goldlak blüh'n,
Soll nun ein Stein
Bedeken fein,
O klopf, mein Herz, und brich!
Ihr Schwestern drey
Kommt, kommt herbey,
Und leget Hand an mich!
Schweig, Zunge still,
Komm, Schwerdt, und ziel
Nach meines Busens Schnee;
So fahr ich hin
Mit treuem Sinn,
Adieu, adieu, adieu!

(stirbt.)

Theseus.
Monschein und Löwe sind noch übrig, die Todten zu begraben.

Demetrius.
Ja, und (Wand) auch.

Zettel.
Nein, ich versichre euch, die Wand ist niedergerissen, die ihrer
Väter Häuser trennte.  Gefällt es euch den Epilogus zu sehen, oder
einen Bergomasker-Tanz zwischen zween aus unsrer Companie zu hören?

Theseus.
Keinen Epilogus, wenn ich bitten darf.  Euer Schauspiel bedarf
keiner Entschuldigung.  Keine Entschuldigung!  Denn wenn die
Schauspieler alle todt sind, so hat man nicht nöthig jemand zu
tadeln.  Wahrhaftig, wenn der Autor dieses Stüks den Pyramus
gemacht, und sich selbst an Thisbes Strumpfband erhenkt hätte, so
wäre es eine feine Tragödie gewesen; und das ist es auch, in der
That, und auf eine recht merkwürdige Art vorgestellt.  Aber kommt,
euer Ballet; laßt euern Epilogus nur weg.

(Hier folgt ein Tanz von Bauern.)

Theseus.
Schon hat die eiserne Zunge der Mitternacht zwölfe geruffen.  Ihr
Liebhaber, zu Bette!  Es ist schon Feen-Zeit.  Ich fürchte, wir
werden den nächsten Morgen verschlaffen, wie wir diese Nacht
verwacht haben.  Dieses handgreiflich-dumme Schauspiel hat uns doch
den schweren Gang der Nacht unmerklich gemacht.  Zu Bette, lieben
Freunde.  Vierzehn solche Nächte sollen noch mit nächtlichen
Spielen, und immer ändernden Lustbarkeiten zugebracht werden.*

{ed.-* Hier folget im Original noch ein kleiner Feen-Auftritt, wo Puk
zuerst mit einem Besem erscheint, um das Haus zuvor auszukehren,
Oberon und Titania aber mit ihrem Gefolge dasselbe durchtanzen, und
durch einen Gesang einsegnen.  Es ist mir unmöglich gewesen, diese
Scene, welche ohnehin bloß die Stelle eines Divertissement vertritt,
in kleine gereimte Verse zu übersezen; in Prosa aber, oder in
einer andern Versart als in kleinen Jamben und Trochäen, würde sie
das tändelnde und Feen-mässige gänzlich verlohren haben, das alle
ihre Anmuth ausmacht.}


Ein St. Johannis Nachts-Traum, von William Shakespeare
(Übersetzt von Christoph Martin Wieland).
                
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