William Shakespear

Macbeth
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Banquo.
So hast du's also?  Glamis, Cawdor, König, alles was dir die
Zauberinnen versprochen haben; ich fürchte sehr, du bist auf keine
gute Art dazu gekommen; und doch wurde gesagt, es sollte nicht bey
deinen Nachkommen bleiben, sondern ich selbst sollte die Wurzel und
der Stammvater vieler Könige seyn.  Wenn Wahrheit von ihnen kommen
kan, (wie ihre Anrede an dich, Macbeth, zu beweisen scheint) warum
können sie nicht eben so wohl meine Orakel seyn, und mich zu
Hoffnung anfrischen?--Doch stille!  nichts mehr hievon.  (Trompeten.
Macbeth als König, Lady Macbeth, Lenox, Rosse, Lords und
Hofdiener.)

Macbeth.
Hier ist unser vornehmster Gast.

Lady.
Wenn er vergessen worden wäre, so hätte es wie eine gähnende Lüke
in unserm Fest ausgesehen, und alles andre entstellt.

Macbeth.
Wir haben auf die Nacht ein festliches Gastmal, Sir, und ersuchen
euch um eure Gegenwart.

Banquo.
Nach eurer Hoheit Befehl; an deren jeden meine Pflicht durch ein
unauflößliches Band auf ewig geknüpft ist.

Macbeth.
Ihr verreiset diesen Nachmittag?

Banquo.
Ja, mein gnädigster Herr.

Macbeth.
Wir wollten uns sonst euren guten Rath (der allezeit weise und
glüklich war) in der heutigen Raths-Versammlung ausgebetten haben,
doch es ist morgen früh genug dazu.  Geht die Reise weit?

Banquo.
So weit, daß ich die ganze Zeit zwischen izt und dem Nachtessen
dazu gebrauchen werde.  Wenn mein Pferd nicht das beste thut, so
werd' ich noch eine oder zwoo dunkle Stunden von der Nacht
entlehnen müssen.

Macbeth.
Bleibet ja nicht von unserm Gastmal aus.

Banquo.
Mein gebietender Herr, ich will nicht fehlen.

Macbeth.
Wir hören, unsre blutigen Vettern haben sich nach England und
Irland gemacht, läugnen ihren grausamen Vater-Mord, erfüllen ihre
Hörer mit seltsamen Erfindungen--Doch, hievon morgen, mit andern
Angelegenheiten, die den Staat betreffen, und unsre vereinigte
Aufmerksamkeit fodern.  Geht ihr zu Pferde!  Adieu, bis auf die
Nacht.  Geht Fleance mit euch?

Banquo.
Ja, gnädigster Herr, wir können nicht länger verweilen--

Macbeth.
Ich wünsche euern Pferden schnelle und sichre Füsse, und hiemit
empfehl' ich euch ihrem Rüken.  Lebet wohl.

(Banquo geht ab.)

Laßt bis Abends um sieben Uhr, jedermann Meister von seiner Zeit
seyn; das Vergnügen der Gesellschaft desto besser zu schmeken,
wollen wir selbst bis zum Abendessen allein seyn; bis dahin, sey
Gott mit euch!

(Lady Macbeth und Lords gehen ab.)



Zweyte Scene.
(Macbeth und ein Bedienter bleiben.)


Macbeth.
Camerad, ein Wort mit dir; sind diese Männer bey der Hand, die wir
foderten?

Bedienter.
Gnädigster Herr, sie warten bey der Schloß-Pforte.

Macbeth.
Führe sie vor uns--

(Der Bediente geht ab.)

Das zu seyn, ist noch nichts; aber es mit Sicherheit zu seyn--Wir
haben grosse Ursachen, diesen Banquo zu fürchten; es herrscht ein
Etwas in seiner Königlichen Seele, das gefürchtet werden will.
Sein Muth reicht weit, und zu dieser unerschroknen Stählung seines
Gemüths, besizt er eine Klugheit, die seinen Muth regiert, und
seinen Unternehmungen Sicherheit giebt.  Er ist der einzige, dessen
Daseyn ich fürchte.  In seiner Gegenwart allein wird mein Genius
gedämpft, wie man erzählt, daß Antons seiner es vor Cäsars war.  Er
redte die Schwestern trozig an, da sie zum erstenmal den Königs-
Titel auf mich legten, und befahl ihnen, zu ihm zu reden; und dann
grüßten sie ihn, prophetisch, den Vater einer Reyhe von Königen.
Auf mein Haubt sezten sie eine unfruchtbare Crone, und gaben mir
einen dürren Scepter in meine Hand, damit er von einer fremden Hand
mir einst entwunden werde.  Ist es so, so hab ich für Banquos
Nachkömmlinge meine Seele beflekt, für sie den huldreichen Duncan
ermordet; für sie auf ewig den Frieden meines Herzens verlohren,
und mein unvergängliches Kleinod dem allgemeinen Feind der Menschen
verkauft, um sie zu Königen zu machen--die Nachkommen des Banquo zu
Königen: Eh diß seyn soll, eh komme der Tod in die Schranken, und
fordre mich zum Kampf aufs Leben heraus!--Wer ist hier?  (Der
Bediente kommt mit zween Mördern zurük.) Geh vor die Thüre, und
warte dort, bis wir ruffen.  War es nicht gestern, als wir mit
einander sprachen?

Mörder.
Es war so, Gnädigster Herr.

Macbeth.
Wohlan dann, habt ihr meinen Reden nachgedacht?  Ihr wißt nun, daß
er es war, der in vergangnen Zeiten das Glük euch so ungeneigt
machte; ihr bildtet euch ein, daß es unser unschuldiges Selbst wäre;
aber, es ist euch in unsrer lezten Unterredung bewiesen worden,
wie man mit euch umgegangen ist; was für Kunstgriffe man gebraucht,
wer die Werkzeuge dazu waren, wer sie in Bewegung sezte, kurz,
solche Umstände, die einer halben Seele und dem schwächsten Begriff
sagen mußten: das that Banquo.

1. Mörder.
In der That, wir wurden überzeugt.

Macbeth.
Nunmehr komm' ich auf den andern Punct.  Findet ihr eine so
übermäßige Geduld in eurer Natur, daß ihr das so gehen lassen
könnt?  Seyd ihr so gar fromm, daß ihr für diesen wakern Mann und
seine Nachkommen beten könnt--für den, der euch bis ans Grab
niedergebeugt, und auf immer zu Bettlern gemacht hat?

1. Mörder.
Wir sind Männer, mein Gnädigster Oberherr.

Macbeth.
Ja, ja, in der allgemeinen Claßification geht ihr unter diesem
Namen, so wie Windhunde, Wachtelhunde, Pudel, Möpse, Bullen-Beisser,
Schäferhunde, alle unter dem allgemeinen Namen Hund begriffen
werden; die besondere Bestimmung unterscheidet den schnellen, den
langsamen, den schlauen, den Haushüter, den Jäger, einen jeden
durch eine gewisse Gabe der gütigen Natur, die seiner Art eigen ist,
und ihn aus der allgemeinen Gattung auszeichnet.  So ist es auch
mit den Menschen.  Nun, wenn ihr dann Männer seyd, und in der Reyhe
der verschiednen Arten an ächter Mannheit nicht die allerlezten, so
sagt es, und ich will ein Geschäft in euern Busen legen, dessen
Ausführung euch von einem Feinde befreyen und zugleich an unser
eignes Herz anklammern wird; indem sein Tod allein uns eine
vollkommne Zufriedenheit gewähren kan.

2. Mörder.
Ich bin einer, den die Streiche und Mißhandlungen der Welt
dermassen aufgebracht haben, daß ich bereit bin, ihr zu Troz alles
zu unternehmen.

1. Mörder.
Und ich ein andrer, der es so überdrüßig ist, sich, immer zu seinem
Nachtheil, mit dem Glük herumzubalgen, daß ich alle Augenblike
bereit bin, mein Leben auf das ungewisseste Spiel zu sezen, und es
zu verbessern, oder seiner gar loß zu werden.

Macbeth.
Ihr wisset beyde, daß Banquo euer Feind war--

Mörder.
Ja, Gnädigster Herr.

Macbeth.
Er ist auch der meinige, und mit einem so blutigen Hasse, daß eine
jede Minute, die sein Daseyn verlängert, das meinige in Gefahr sezt;
und ob ich gleich Macht genug hätte, ihn öffentlich aus meinem
Gesicht wegzutilgen, so mag ich's doch um gewisser Freunde willen
nicht thun, die auch die seinigen sind, und deren Zuneigung ich
nicht gerne verscherzte; die Klugheit fordert, daß ich den Fall
desjenigen beweine, den ich selbst zu Boden geschlagen habe; und
daher kommt es, daß ich euern Beystand nöthig habe, um die Sache,
aus besondern wichtigen Ursachen, vor dem öffentlichen Auge zu
verbergen.

2. Mörder.
Gnädigster Herr, wir sind zu allem entschlossen, was ihr uns
befehlen könnt.

1. Mörder.
Wenn gleich unser Leben--

Macbeth.
Eure Geister scheinen durch euch hervor.  Binnen einer Stund', aufs
längste, will ich euch über Zeit, Ort und Augenblik den nähern
Unterricht geben, denn es muß bey Nacht gethan werden, und in
einiger Entfernung von dem Palast--aber das muß noch genauer
bestimmt werden--und mit ihm soll, um reine Arbeit zu machen, auch
Fleance, sein Sohn, der ihm Gesellschaft leistet, und dessen
Hinwegräumung mir nicht weniger wichtig ist, als seines Vaters, das
Schiksal dieser finstern Stunde theilen.  Bedenket euch nun allein,
ich will gleich wieder zu euch kommen.

Mörder.
Wir sind schon entschlossen, Gnädigster Herr.

Macbeth.
Gut, so will ich euch wieder ruffen lassen; geht indeß auf die
Seite--

(die Mörder gehen ab.)

Es ist beschlossen--Banquo, wenn deine Seele dem Himmel zufliegen
will, so muß sie ihn in dieser Nacht ausfindig machen.



Dritte Scene.
(Ein andres Zimmer im Palast.)
(Lady Macbeth und ein Bedienter.)


Lady.
Ist Banquo schon abgereist?

Bedienter.
Ja, Gnädigste Frau, aber er kommt auf die Nacht wieder zurük.

Lady.
Sage dem Könige, ich möchte, wenn's ihm gelegen ist, ein paar Worte
mit ihm sprechen.

(Der Bediente geht.)

Alles ist verlohren, und nichts gewonnen, wenn wir das Ziel unsrer
Wünsche nicht mit unsrer Zufriedenheit erkauft haben--
(Macbeth tritt auf.) Wie steht's, Milord?  warum so viel allein?
wozu soll es dienen, daß ihr die verdrieslichsten Einbildungen zu
eurer Gesellschaft macht, und euch mit Gedanken unterhaltet, die
mit denen, an welche sie denken, gestorben seyn sollten?  An Dinge
die nicht zu ändern sind, sollt' auch nicht gedacht werden; was
gethan ist, ist gethan.

Macbeth.
Wir haben die Schlange zerstükt, nicht getödtet--Sie wird wieder
zusammenwachsen, und sie selbst seyn; indeß daß unsre arme
einfältige Boßheit der Gefahr ihrer vorigen Zähne ausgesezt bleibt.
Aber ehe sollen beyde Welten aus ihren Angeln fallen, und alle
Wesen unter ihrem Gewicht zertrümmern, eh wir unser Brod mit
Zittern essen, und in der Beängstigung dieser schreklichen Träume
schlafen wollen, die uns bey nächtlicher Weil' erschüttern.  Besser
bey dem Todten seyn, (den wir, diesen Plaz zu erhalten, in seine
Ruhe gesandt haben,) als auf dieser Folter des Gemüths in rastloser
Pein zu ligen--Duncan ligt in seinem Grabe; auf das unruhvolle
Fieber des Lebens, schläft er wohl; Verrätherey hat ihr ärgstes
gethan; nun kan weder Gift, noch Stahl, weder einheimische Boßheit,
noch auswärtiger Anfall, nichts kan ihn mehr berühren.

Lady.
Kommt, kommt, mein liebster Lord, heitert diese finstern Blike auf;
seyd munter und Jovialisch, unter euern Gästen, auf die Nacht.

Macbeth.
Das will ich, meine Liebe, und ich bitte, seyd es auch.
Sonderheitlich habt eine immer geschäftige Achtung für Banquo; thut
ihm mit Bliken und Worten, alle ersinnliche Ehre an; noch erheischt
es die Zeit, daß wir unsre Würde vergessen, uns zu Schmeicheleyen
herablassen, und unsre Gesichter zu lächelnden Masken unsrer Herzen
machen.

Lady.
Denkt nicht an das.

Macbeth.
O, mein Gemüth ist mit Scorpionen angefüllt, theures Weib!  du
weißt, daß Banquo und sein Fleance leben!

Lady.
Aber in beyden ist der Abdruk der Natur nicht unsterblich.

Macbeth.
Das ist noch der Trost, daß sie zerstörbar sind; also, sey du gutes
Muths.  Eh noch die Fledermaus ihren einsiedlerischen Flug beginnen
wird, eh auf der schwarzen Hecate Ruf, der Scherben-gebohrne Käfer,
mit seinem schläfrigen Sumsen die gähnende Nacht einläutet, soll
eine That von furchtbarem Inhalt gethan seyn.

Lady.
Was soll dann geschehen?

Macbeth.
Sey lieber unwissend, mein liebstes Hühnchen, bis du der
vollbrachten That zujauchzen kanst.  Komm, blendende Nacht,
schliesse das zärtliche Auge des mitleidigen Tags, durchstreiche
mit deiner blutigen und unsichtbaren Hand, und zerreiß in Stüken
diesen grossen Schuldbrief, der mich so bleich aussehen macht.--Die
Nacht wird diker, und die Krähe fliegt dem dohlen-vollen Gehölze zu;
alle guten Tag-Geschöpfe fangen an zu niken und einzuschlummern,
indeß daß die schwarzen Hausgenossen der Nacht auf ihren Raub
ausgehen.  Du erstaunst über meine Reden; aber sey ruhig; Dinge,
die einen bösen Anfang haben, können nur durch Übelthaten
fortgeführt werden.  Begnüge dich hiemit, und folge mir.

(Sie gehen ab.)



Vierte Scene.
(Verwandelt sich in einen Parc; in einiger Entfernung von dem
 Schlosse.)
(Drey Mörder treten auf.)


1. Mörder.
Aber wer befahl dir, zu uns zu stossen?

3. Mörder.
Macbeth.

2. Mörder.
Wir haben keine Ursache, Mißtrauen in ihn zu sezen, da er dasjenige
was wir zu thun haben, an den rechten Mann berichten wird.

1. Mörder.
So stehe zu uns.  Der Westen schimmert noch von einigen verlohrnen
Stralen; der verspätete Wandrer verdoppelt izt die Schritte, um
zeitig in die Herberge zu kommen, und der Gegenstand unsrer Wache
nähert sich.

3. Mörder.
Horcht, ich höre Pferde.

Banquo (hinter der Scene.)
Gebt uns Licht, hier, he!

2. Mörder.
So ist ers: die andern, die erwartet wurden, sind alle schon bey
Hofe.

1. Mörder.
Seine Pferde machen einen Umweg.

3. Mörder.
Schier um eine halbe Stunde: aber er und fast jedermann pflegt den
Weg von hier bis zur Schloßpforte zu nehmen, weil er durch den Park
angenehmer ist.  (Banquo und Fleance treten auf, mit einer Fakel.)

2. Mörder.
Ein Licht, ein Licht.

3. Mörder.
Er ist's.

1. Mörder.
Macht euch fertig.

Banquo.
Es giebt einen Regen auf die Nacht.

1. Mörder.
Laß ihn nur fallen.

(Sie fallen über Banquo her.)

Banquo.
O, Verrätherey!  Flieh, Fleance, flieh, flieh, flieh; du kanst mein
Rächer seyn.  O!  Sclave.

(Banquo stirbt, Fleance entflieht.)

3. Mörder.
Wer löschte das Licht aus?

3. Mörder.
Es ist nur eins gethan, der Sohn ist entwischt.

2. Mörder.
Wir haben die beßre Hälfte unsers Geschäfts verlohren.

1. Mörder.
Gut, wir wollen gehn, und sagen, was gethan ist.

(ab.)



Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in einen prächtigen Saal im Schlosse.)
(Eine aufgerüstete Tafel, mit Speisen.  Macbeth, Lady Macbeth,
 Rosse, Lenox, Lords und Gefolge treten auf.)


Macbeth.
Ihr kennt euren Rang, Milords, sezt euch, alle, vom ersten zum
lezten, herzlich willkommen!

Lords.
Wir danken Eu.  Majestät.

Macbeth.
Wir wollen uns selbst bald hier bald da unter die Gesellschaft
mischen, und den aufwartsamen Gastwirth machen; Unsre Wirthin
scheint ihre Rolle zu vergessen, aber wir wollen sie bey
Gelegenheit ersuchen, ihre Gäste willkommen zu heissen.

(Sie sezen sich.)

Lady.
Thut Ihr's an meiner Statt, Sir, gegen alle unsre Freunde; mein
Herz wenigstens heißt sie alle willkommen.

(Der erste Mörder kommt an die Thüre.)

Macbeth.
Sieh, wie ihre dankbaren Herzen dir entgegen wallen!  Beyde Seiten
sind besezt; hier will ich mich in die Mitte sezen; seyd munter,
wir wollen bald den Becher rund um die Tafel gehen lassen--

(er erblikt den Mörder, geht gegen die Thüre zu, und sagt leise:)

Es ist Blut in deinem Gesicht--

Mörder.
So ist es Banquo's.

Macbeth.
Ist er geliefert?

Mörder.
Gnädigster Herr, ich erspart' ihm die Mühe, sich die Gurgel selbst
abzuschneiden.

Macbeth.
Du bist der Erste unter allen Gurgel-Abschneidern; und der nächste
an dir ist, der dem Fleance das nehmliche that; Wenn du der wärst,
so hast du deines gleichen nicht.

Mörder.
Königlicher Herr, Fleance ist entronnen.

Macbeth.
So kommt mein Fieber wieder; sonst wär' ich vollkommen gesund
gewesen; ganz wie Marmor, gegründet wie ein Fels, unumschränkt und
allgemein, wie die umgebende Luft: Nun bin ich eingeschlossen,
angebunden, und meinen alten Zweifeln und Besorgnissen überliefert.
Aber Banquo ist doch sicher?

Mörder.
Ja, mein Gnädigster Herr: Denn er ligt in einem Graben, mit zwanzig
tiefen Wunden in seinem Kopfe, wovon die kleinste tödtlich war.

Macbeth.
Ich danke dir; hier liegt die erwachsne Schlange; der Wurm, der
entflohen ist, hat die Fähigkeit, mit der Zeit Gift zu zeugen, aber
keine Zähne für die dermalige.  Geh du izt, morgen wollen wir's
noch einmal hören.

(Der Mörder geht ab.)

Lady.
Mein Königlicher Herr, ihr reguliert eure Freunde nicht wohl; wenn
man bey einem Gastmal nur essen soll, so könnte man das zu Hause
bequemer thun; ausser Hause sind Unterhaltung und gemeinschaftliche
Frölichkeit das Gewürz, ohne welches die besten Schüsseln
unschmakhaft sind.

(Banquo's Geist steigt empor, und sezt sich an den Plaz, den man
für Macbeth leer gelassen.)

Lenox.
Gefällt es Eu.  Hoheit, Plaz zu nehmen?

Macbeth.
Hier hätten wir nun die Zierden unsers Vaterlandes beysammen, wenn
die verdienstvolle Person unsers Freundes Banquo nicht mangelte;
gebe der Himmel, daß seine Abwesenheit eher von einem Mangel an
Gefälligkeit gegen uns, als von einem Unglük, das ihm zugestossen,
herrühre!

Rosse.
Seine Abwesenheit, Sire, macht sein Versprechen tadelhaft.  Gefällt
es Eu.  Hoheit, uns mit Ihrer königlichen Gesellschaft zu beglüken?

Macbeth

(mit Entsezen, indem er den Geist erblikt, den sonst niemand sieht.)


Die Tafel ist voll!

Lenox.
Hier ist ein aufbehaltner Plaz, Sire.

Macbeth.
Wo?

Lenox.
Hier, mein Gnädigster Herr--Was bewegt Eu.  Hoheit so sehr?

Macbeth (ausser sich.)
Welcher von euch hat das gethan?

Lords.
Was dann, Gnädigster Herr?

Macbeth (zum Geist.)
Du kanst nicht sagen, ich hab es gethan: schüttle deine blutigen
Loken nicht so gegen mich!

Rosse.
Meine Herren, wir wollen aufstehen; seine Hoheit ist nicht wohl.

Lady.
Bleibet sizen, lieben Freunde, Milord ist oft so, und ist von
Jugend an so gewesen.  Ich bitte euch, behaltet eure Pläze.  Der
Anstoß daurt nur einen Augenblik, in einem Gedanken wird er wieder
wohl seyn.  Wenn ihr viel Aufmerksamkeit auf ihn habt, so macht ihr
ihn böse und verlängert dadurch sein Übel.  Esset und gebt nicht
acht auf ihn.--

(Bey Seite zu Macbeth.)

Seyd ihr ein Mann?

Macbeth.
Ja, und ein herzhafter dazu, weil ich den Muth habe etwas
anzuschauen, das den Teufel erblassen machen könnte.

Lady (bei Seite.)
O vortrefliches Zeug!  das ist wieder die Mahlerey eurer Furcht;
das ist der in der Luft gezükte Dolch, der euch, sagtet ihr, zu
Duncan leitete--O!  diese Einfälle und Erscheinungen würden sich
besser in ein von der Großmutter geerbtes Weiber-Mährchen bey einem
Winter-Feuer schiken--Schämt euch!  Was macht ihr für Gesichter?
Wenn alles vorbey ist, so seht ihr weder mehr noch weniger als
einen Stuhl.

Macbeth.
Ich bitte dich, sieh hieher!  Sieh!  Schau!  he!  was sagt ihr?

(Er zeigt mit dem Finger auf den Geist.)

Wie?  was frag ich darnach?  wenn du niken kanst, so red' auch!--
Wenn Beinhäuser und Gräber diejenigen, die wir begraben,
zurüksenden müssen: So sollen künftig die Magen der Geyer unsre
Grabmäler seyn.

(Der Geist verschwindt.)

Lady (immer bey Seite.)
Wie?  noch immer so unmännlich thöricht!

Macbeth.
So wahr ich hier stehe, ich sah ihn--

Lady.
Fy, schämt euch!

Macbeth.
Es ist von jeher Blut vergossen worden, schon in jenen alten Zeiten,
eh noch menschliche Sazungen das gemeine Wesen säuberten; ja, und
von dort an bis izt sind Mordthaten verübt worden, die zu
entsezlich sind, um angehört zu werden.  Es war immer so, daß wenn
einem das Hirn heraus war, so starb der Mann und dann war's aus;
aber izt steigen sie mit zwanzig tödlichen Wunden auf ihrem Kopfe
wieder hervor, und vertreiben uns aus unsern Stühlen; das ist weit
seltsamer als ein solcher Mord.

Lady (laut.)
Mein liebster Gemahl, eure Freunde vermissen euch.

Macbeth.
Ich vergaß mich--

(laut.)

Gebt nicht acht auf mich, meine würdigste Freunde, ich bin einer
wunderlichen Schwachheit unterworfen, aber es ist nichts für
diejenigen, die ihrer gewohnt sind--Kommt, ich will erst auf eure
Gesundheit trinken, und mich dann sezen: Gebt mir Wein, füllt den
Becher voll--ich trinke auf das Wohlseyn der ganzen Tafel und
unsers theuren Freunds Banquo, den wir vermissen; ich wollt' er
wäre hier!  auf seine und aller Gesundheit!

Lords.
Wir danken unterthänigst.

(Der Geist steigt wieder empor.)

Macbeth.
Hinweg, aus meinem Gesicht!  Laß die Erde dich verhüllen!  Deine
Beine sind marklos, dein Blut ist kalt, du hast keine Seh-Kraft in
diesen Augen, mit denen du mich so drohend anstarrest.

Lady.
Haltet das, meine edlen Lords, für nichts als eine gewöhnliche
Sache; es ist nicht anders; das einzige ist, daß es das Vergnügen
unterbricht, das wir gehabt hätten.

Macbeth.
Was ein Mann darf, darf ich auch--Komm du in der Gestalt eines
Russischen Bären auf mich zu, eines gewafneten Nashorns, oder eines
Hyrkanischen Tygers; komm in einer jeden andern Gestalt, als dieser,
und meine starken Nerven sollen nie erzittern: Oder lebe wieder
auf, und fordre mich in eine Wüste auf den Degen aus; wenn ich's
zitternd abschlage, dann nenne mich die Puppe eines Mädchens.
Hinweg, schreklicher Schatten!  Unwesentliches Schrek-Bild, weg!--

(Der Geist verschwindet.)

Wie, so--sobald du fort bist, bin ich wieder ein Mann:

(Die Lords stehen auf.)

Ich bitte euch, bleibt sizen.

Lady.
Ihr habt durch diese ungewohnten fieberhaften Anstösse unsre gute
Gesellschaft aus der Fassung gebracht, und die Frölichkeit verbannt.
Kan man denn solche Dinge nicht wie eine Sommer-Wolke vorbey
gehen lassen, ohne so ausser sich selbst zu kommen?

Macbeth.
Ihr sezt mich in ein noch grössres Erstaunen, als worinn ich vor
war, wenn ich denke, daß ihr solche Erscheinungen anschauen, und
die natürliche Rubin-Farbe eurer Wangen behalten könnt, wenn die
meinigen vor Entsezen weiß werden!

Rosse.
Was für Erscheinungen, Gnädigster Herr?

Lady.
Ich bitte euch, redet nicht; er wird immer schlimmer und schlimmer;
Fragen machen ihn vollends rasend: Gute Nacht, allen auf einmal.
Wartet nicht auf Befehl zum Aufstehen, sondern geht alle zugleich.

Lenox.
Wir wünschen Sr.  Majestät gute Nacht, und bessere Gesundheit.

Lady.
Gute Nacht, allerseits.

(Die Lords gehen ab.)

Macbeth.
Es will Blut haben, sagen sie; Blut will Blut haben; ich weiß
Exempel, daß Steine sich gerührt, und Bäume geredt haben.
Wahrsager, welche die geheimen Verhältnisse der Dinge kennen, haben
schon durch Krähen und Dolen den verborgensten Mörder ans Licht
gebracht--Wie weit ist die Nacht schon?

Lady.
So weit, daß sie bereits mit dem Morgen streitet, wer von ihnen
Nacht, und wer Morgen sey.

Macbeth.
Was sagst du dazu, daß Macduff sich weigert, auf unsern Befehl zu
erscheinen?

Lady.
Schiktet ihr nach ihm?

Macbeth.
Ich hör es vor der Hand; aber ich will nach ihm schiken; es ist
kein Than unter ihnen allen, in dessen Hause ich nicht einen
Bedienten in meinem Solde habe.  Morgen früh will ich zu den Zauber-
Schwestern; sie müssen mir mehr sagen; dann nun bin ich schon
gezwungen, zu meinem Besten, durch die schlimmsten Mittel, das
Ärgste zu wissen.  Ich bin so tief in Blut hineingestiegen, daß
wenn ich izt nicht weiter fortwatten wollte, das Zurükgehen so
gefährlich wäre als jenes; ich habe wunderbare Dinge im Kopf, die
meine Hand fordern, und ausgeführt werden müssen, eh sie nur
vermuthet werden können.

Lady.
Es mangelt euch an dem, was alle Wesen nöthig haben, an Schlaf.

Macbeth.
Komm, wir wollen auch schlafen gehen; mein Fehler ist nur die
Furcht eines Neulings, der durch Übung noch nicht abgehärtet ist:
wir sind in solchen Thaten noch Kinder.

(Sie gehen ab.)



Sechste Scene.*
(Verwandelt sich in die Heide.)
(Donner und Bliz.  Die drey Hexen treten auf, und begegnen der
 Hecate.)


(Hecate beschilt die drey Schwestern, daß sie sich eigenmächtig
unterfangen, den Macbeth durch räthselhafte Vorhersagungen zu
verführen, ohne sie, als ihre Vorsteherin, daran Antheil nehmen zu
lassen.  Sie bestellt sie hierauf auf Morgen an den Acherontischen
Brunnen, und befiehlt ihnen, alle ihre Gefässe und Zauber-
Materialien bereit zu halten; sie selbst, sagt sie, sey im Begriff
gewisse Dünste aus dem Mond zu hohlen, durch deren magische
Zubereitung sie gesonnen sey, so künstliche Phantomen vor Macbeths
Augen zu bringen, daß er, zu seinem Verderben von ihnen betrogen,
in tollkühner Sicherheit, sich über alle Zufälle des Glücks und den
Tod selbst hinweggesezt glauben werde.  Hierauf hört man eine Musik
und einen Gesang.  Hecate sagt, daß ihr kleiner) Spiritus
familiaris (sie abruffe, und die Zauberinnen fliegen allerseits
davon.)

{ed.-* Diese und die erste Scene des vierten Aufzugs sind schwehrlich
in irgend eine Sprache zu übersezen.  Sie würden es nicht seyn,
wenn sie nicht mit dem (metro) der vierfüßigen Jamben und dem Reim,
alle ihre gräßliche und hexenmäßige Anmuth verlöhren.}



Siebende Scene.
(Verwandelt sich in ein Zimmer.)
(Lenox und ein andrer Lord.)


Lenox.
Was ich sagte, war nur, euch auf die Spur zu bringen; ihr könnt nun
selbst weiter gehen--ich sage nur, die Sachen sind wunderlich
gegangen.  Der huldreiche Duncan wurde von Macbeth betraurt--das
denk' ich wohl, er war ja todt--und der tapfre rechtschaffne Banquo
reisete zu spät in der Nacht.  Ihr könnt, wenn es euch so beliebt,
auch sagen, Fleance hab' ihn umgebracht, denn Fleance nahm ja die
Flucht: Man sollte eben nicht so spät in der Nacht reisen.  Wo ist
der Mensch, dem jemals der Gedank eingefallen wäre, daß Malcolm und
Donalbain solche Ungeheuer seyn sollten, ihren so gütigen Vater zu
ermorden?  Eine verdammte That!  Wie schmerzte sie nicht den
ehrlichen Macbeth!  Tödtete er nicht augenbliklich in frommer Wuth
die beyden Thäter, die vom Wein und Schlaf überwältiget, zu Boden
lagen?  War das nicht edel von ihm gehandelt?  Gewiß; und weislich
dazu, denn wer hätte ohne Verdruß anhören können, wenn die Buben es
geleugnet hätten?  So daß er also, wie ich sagte, in der ganzen
Sache sich sehr fein betragen hat; und ich zweifle nicht, hätte er
Duncans Söhne unter seinem Schlüssel, (wie er sie, wenn uns der
Himmel gnädig ist, nicht haben soll) sie sollten finden, was es auf
sich hat, einen Vater zu ermorden; und so auch Fleance.  Doch
Stille!  denn um etlicher freymüthiger Worte willen, und weil er
bey des Tyrannen Gastmal nicht erschienen ist, fiel, wie ich höre,
Macduff in Ungnade.  Könnt ihr mir sagen, Sir, wo er sich dermalen
aufhält?

Lord.
Duncans Sohn, dessen angebohrnes Recht der Tyrann vorenthält, lebt
am Englischen Hof, und empfängt von dem frommen Eduard so viele
Freundschaft und Ehren-Bezeugungen, daß die Mißgunst des Glüks ihm
nichts von seinem hohen Ansehen entwendet zu haben scheint.  Dahin
ist nun auch Macduff abgegangen, um den König zu bitten, daß er
Northumberland und den tapfern Siward zu seinem Beystand weken
möchte, damit wir, nächst dem, der über uns seinen allmächtigen
Beyfall dazu geben wird, mit ihrer Hülfe unsern Tischen wieder
Speise, und unsern Nächten Schlaf geben, mördrische Dolche von
unsern Festen und Gastmählern entfernen, einem rechtmäßigen Herrn
dienen, und ehrenvolle Belohnungen empfangen mögen.  Die Nachricht
von allem diesem hat den Tyrannen so erbittert, daß er schleunige
Kriegs-Zurüstungen macht.

Lenox.
Schikte er nach Macduff?

Lord.
Ja, und mit einem unbedingten "Sir, ich nicht", dreht mir der
mißvergnügte Abgeschikte seinen Rüken und murmelt, als wollt' er
sagen: ihr werdet euch die Stunde reuen lassen, da ihr mich mit
dieser Antwort beladen zurükschiktet.

Lenox.
Er mag sich das zu einer Erinnerung dienen lassen, sich so weit zu
entfernen, als er immer kan.  Irgend ein heiliger Engel fliege nach
Englands Hof, und entfalte sein Anbringen eh er kommt; damit
schleunige Rettung diesem unserm leidenden Vaterland zu Hülf eile,
dem eine verfluchte Hand Verderben droht.

Lord.
Ich will ihm mein Gebet nachsenden.

(Sie gehen ab.)




Vierter Aufzug.



Erste Scene.
(Eine finstre Höle; in deren Mitte ein grosser Kessel über einem
 Feuer steht.)

(Donner und Blize.  Die drey Hexen treten auf, und ermuntern sich
zu ihrem Vorhaben; alsdann gehen sie unter einem seltsamen Zauber-
Spruch rund um den Kessel herum, und werfen die mancherley
Ingredienzien zu ihrer Bezauberung, (z.  ex.  Frosch-Zehen, Otter-
Zungen, Eidexen-Beine, Fledermaus-Haar, Wolfs-Zahn, Schierlings-
Wurzeln, Ziegen-Galle, die Leber von einem Juden, die Nase von
einem Türken, und die Lippe von einem Tartar u.s.w.) in den Kessel;
nachdem alles genug gekocht hat, wird das) Decoctum (mit eines
Säuglings Blut abgekühlt, und das Zauberwerk ist fertig.  Hierauf
erscheint Hecate mit drey andern Hexen, giebt ihren Beyfall zu dem
was gemacht worden, und befiehlt ihnen, einen Tanz und Gesang um
den Kessel anzufangen; dieses geschieht mit Musik, und hierauf
erscheint in der)



Zweyten Scene
(Macbeth.)


Macbeth.
Wie geht's, ihr geheimnißreichen, schwarzen, mitternächtlichen
Unholden?  Was macht ihr da?

Alle.
Ein Werk ohne Namen.

Macbeth.
Ich beschwöre euch bey dem, den ihr verehrt, antwortet mir, durch
was für Mittel ihr auch dazu gelangen möget; müßtet ihr gleich die
Winde entfesseln, und sie gegen Kirchen kämpfen lassen; müßten
gleich die schäumenden Wellen im allgemeinen Sturm die ganze
Schiffahrt verschlingen, Schlösser über die Häupter ihrer Hüter
einstürzen, und Paläste und Pyramiden ihren Gipfel bis zu ihrem
Grund niederbeugen; ja müßte die ganze Natur darüber zusammenfallen.
Antwortet mir auf das, was ich euch frage.

1. Hexe.
Rede!

2. Hexe.
Frage!

3. Hexe.
Wir wollen antworten.

1. Hexe.
Sag, ob du die Antwort lieber aus unserm Mund, oder von unsern
Meistern hören willt?

Macbeth.
Ruft sie, ich will sie sehen.

1. Hexe.
Nehmt Blut von einer Sau, die ihre neun Ferkel gefressen hat, und
Fett, das vom Galgen eines Mörders getrieft, und werft es in die
Flamme.

Alle.
Komm, wer du auch seyst, und zeige dich und deine Schuldigkeit.

(Donner und Bliz.)

(Eine Erscheinung von einem bewafneten Haupt steigt aus dem Boden
empor.)

Macbeth.
Sage mir, du unbekannte Macht--

1. Hexe.
Er weiß schon deine Gedanken; höre was er sagt, aber du rede nichts.

Erscheinung.
Macbeth!  Macbeth!  Macbeth!  Hüte dich vor Macduff !  Hüte dich
vor dem Than von Fife!--Entlaßt mich--Genug!

(Die Erscheinung steigt wieder herab.)

Macbeth.
Wer du auch seyn magst, ich danke dir für deine Warnung.  Du hast
meiner ungewissen Furcht eine Richtung gegeben.  Aber nur noch ein
Wort--


1. Hexe.
Er läßt sich nicht befehlen; hier ist ein andrer mächtigerer, als
der erste.

(Donner.)

(Eine Erscheinung von einem blutigen Kinde steigt empor.)

Erscheinung.
Macbeth, Macbeth!  Macbeth!

Macbeth.
Hätt' ich drey Ohren, ich wollte dir aufhorchen.

Erscheinung.
Sey blutig, kühn und entschlossen; verlache was ein Mensch gegen
dich vermag: denn von niemand, der von einem Weibe geboren ward,
soll Macbeth jemals Harm empfangen.

(Die Erscheinung steigt herab.)

Macbeth.
So lebe, Macduff!  Was hab' ich nöthig, dich zu fürchten?  Und doch
will ich die Sicherheit doppelt sicher machen, und ein Pfand vom
Schiksal nehmen; du sollt nicht leben, damit ich der
bleichsüchtigen Furcht sagen könne, sie lüge, und mitten im
Donnerwetter schlafe.

(Donner.)

(Eine Erscheinung von einem gekrönten Kinde, mit einem Baum in der
Hand, steigt empor.) Was ist diß, das gleich dem Abkömling eines
Königs emporsteigt, und um seine kindliche Stirne den Cirkel der
Majestät trägt?

Alle.
Horch, aber rede nicht!

Erscheinung.
Sey muthig wie ein Löwe, stolz und unbekümmert, wer murre, wer sich
auflehne, wer sich gegen dich verschwöre.  Macbeth soll niemals
bezwungen werden, bis der grosse Birnam-Wald auf Dunsinans Hügel
gegen ihn angezogen kommen wird.

(Steigt herab.)

Macbeth.
Das wird niemals geschehen.  Wer kan den Bäumen von Birnam befehlen,
daß sie ihre tiefen Wurzeln entfesseln?  Angenehmes Orakel!  Gut!
Wenn die Empörung ihr Haupt nicht erheben soll, bis der Wald von
Birnam von seinem Plaz aufsteht, so wird unser Macbeth die Dauer
der Natur ausleben--und doch pocht mein Herz noch, ein einziges
Ding zu wissen; sagt mir, (wenn eure Wissenschaft so weit reicht)
wird Banquos Nachkommenschaft jemals in diesem Reiche herrschen?

Alle.
Verlange nicht mehr zu wissen.

(Der Kessel sinkt in den Grund.)

Macbeth.
Ich will befriedigt seyn.  Versagt ihr mir's, so fall' ein ewiger
Fluch auf euch!  Laßt michs wissen.  Warum sinkt der Kessel?  und
was für ein Getön ist das?

(Man hört einen Marsch von Hautbois.)

1. Hexe.
Erscheint!

2. Hexe.
Erscheint!

3. Hexe.
Erscheint!

Alle.
Erscheint vor ihm, und härmt sein Herz!
Kommt wie Schatten, und verschwindet wieder.  (Acht Könige, von
Banquo geführt, erscheinen einer nach dem andern, und gehen langsam
bey Macbeth vorbey; der lezte hält einen Spiegel in der Hand.)

Macbeth (während daß sie vorbeygehen.)
Du gleichst zu sehr dem Geist des Banquo; hinab!--deine Crone
verwundet meine Augäpfel--Du gleichst dem ersten--und du dem
vorigen--Ihr garstigen Unholden, wofür zeigt ihr mir das?  ein
Vierter!--Erstarre, mein Auge!  Wie?  wird sich dieser verdammte
Zug bis an den jüngsten Tag erstreken?  Noch einer?--Ein Siebenter!
Ich will nicht mehr sehen--aber da kommt noch der Achte, und trägt
einen Spiegel, worinn er mir noch viele andre zeigt; ja ich sehe
einige, welche doppelte Reichs-Äpfel und dreyfache Scepter tragen.
* Abscheuliches Gesichte!  Nein, nun, seh ich, ist's wahr; denn der
wundenvolle Banquo lächelt auf mich, und deutet mit der Hand auf
diese hier--wie, ist es so?

{ed.-* Dieses war ein Compliment für Jacob den I.  der beyde Inseln
und die drey Reiche zuerst unter ein Haupt brachte, und dessen Haus,
der Sage nach, von Banquo abstammte.}

1. Hexe.
Ja, Sir, alles ist so.  Aber warum steht Macbeth so erstaunt da?
Kommt, Schwestern, laßt uns, seine Geister aufzumuntern, ihm die
beste unsrer Lustbarkeiten zeigen; ich will die Luft bezaubern,
Musik zu unserm grotesken Rundtanz zu machen, damit dieser grosse
König sagen könne, daß wir ihm Ehre angethan haben.**

{ed.-** Reime, im Original; wie alles was die Hexen im ganzen
Stüke sprechen.}

(Musik.  Die Hexen machen einen Tanz und verschwinden.)

Macbeth.
Wo sind sie?  Weg?--Laß diese verderbliche Stunde auf ewig
verflucht im Calender stehen!--Komm herein, du draussen!  (Lenox
kommt herein.)

Lenox.
Was befiehlt Eu.  Hoheit?

Macbeth.
Saht ihr die Zauber-Schwestern?

Lenox.
Nein, gnädigster Herr.

Macbeth.
Kamen sie nicht bey euch vorbey?

Lenox.
Nein, in der That, nicht, Sire.

Macbeth.
Verpestet sey die Luft, durch die sie reiten!  und verdammt alle
die ihnen trauen!--Ich hörte das Stampfen von Pferden im Gallop.
Wer kam vorbey?

Lenox.
Es waren zween oder drey, Gnädigster Herr, die euch Nachricht
bringen, daß Macduff nach England geflohen ist.

Macbeth.
Nach England geflohen?

Lenox.
Ja, gnädigster Herr.

Macbeth.
Zeit, du entziehst meinem furchtbaren Vorsaz sein Opfer--die
Ausführung sollt' allemal an den Fersen der Entschliessung gehen.
Von diesem Augenblik an soll jeder Erstling meines Herzens
unmittelbar in meine Hand übergehen.  Und eben izt, meine Gedanken
mit Handlungen zu krönen, sey es gedacht und gethan!  Ich will
Macduffs Schloß überfallen, Fife im Sturm wegnehmen, und sein Weib,
seine Kinder und alle die unglüklichen Seelen, die zu seinem Stamme
gehören, der Schneide des Schwerts Preiß geben.  Das soll keine
Pralerey eines Narren seyn; die That soll gethan seyn, eh der
Entschluß noch erkaltet ist--Aber keine Gesichter mehr!--Wer sind
diese Männer?  Komm, begleite mich zu ihnen.

(Sie gehen ab.)



Dritte Scene.
(Verwandelt sich in Macduffs Schloß zu Fife.)
(Lady Macduff, ihr kleiner Sohn, und Rosse treten auf.)


Lady Macduff.
Was hat er denn gethan, daß er flüchtig werden mußte?

Rosse.
Ihr müßt Geduld haben, Madam.

Lady.
Er hat keine; seine Flucht war Raserey; wenn es unsre Handlungen
nicht thun, so machen uns unsre Besorgnisse zu Verräthern.

Rosse.
Ihr wißt nicht, ob es seine Klugheit oder seine Furcht war--

Lady.
Klugheit?  Sein Weib, seine Kinder, seinen Siz, seine Titel an
einem Ort vor sicher halten, von dem er selbst entflieht?  Er liebt
uns nicht, er hat das natürliche Gefühl nicht; der arme Zaunkönig
sogar, der allerkleinste unter den Vögeln, hat Muth, wenn seine
Jungen im Nest sind, gegen die Eule zu kämpfen: Seine Furcht ist
alles, seine Liebe nichts; und wie groß ist nun da die Klugheit, wo
die Flucht aller Vernunft und Pflicht so zuvorrennt?

Rosse.
Meine theureste Base, ich bitte euch, mäßiget euch; euer Gemahl ist
edel, ist weise, ist bedächtlich, und weiß am besten, was die Zeit
erfordert.  Ich darf mehr nicht sagen, aber grausam sind die Zeiten,
wo wir Verräther sind, und uns selbst nicht kennen: wo wir uns von
unsrer Furcht regieren lassen, und doch nicht wissen was wir
fürchten; sondern auf einer wilden und stürmischen See hin und her
getrieben irren.  Ich beurlaube mich von euch; aber ich will in
kurzem wieder da seyn; Wenn die Sachen am schlimsten sind, müssen
sie gar aufhören oder wieder gut werden.  Lebet wohl mein
liebenswürdiger Vetter.

Lady Macduff.
Er hat einen Vater, und ist doch vaterloß.

Rosse.
Ich bin so sehr ein Thor, daß wenn ich mich länger aufhielte, meine
Schwachheit mich selbst beschämen, und euch nur trostloser machen
würde.  Ich muß mich auf einmal losreissen.

(Rosse geht ab.)

Lady.
Armer Junge, dein Vater ist todt?  Was willt du nun anfangen?  Wie
willt du leben?

Sohn.
Wie die Vögel, Mutter.

Lady.
Wie, von Würmern und Fliegen?

Sohn.
Von was ich kriegen kan, meyn' ich; sie machen's auch so.

Lady.
Armes Vögelchen!  du würdest weder Nez noch Leimruthe, weder Fallen
noch Strike fürchten.

Sohn.
Warum sollt' ich, Mutter?  Die armen Vögelchen!  wie wollten sie
das machen?  Aber, mein Vater ist nicht todt, wenn ihr's schon sagt.

Lady.
Ey ja, er ist todt; wo willt du nun einen Vater hernehmen?

Sohn.
Aber wo wollt ihr einen Mann hernehmen?

Lady.
Wie!  ich kan ihrer zwanzig auf dem nächsten Markt kauffen.

Sohn.
So kauft ihr sie nur, um sie wieder zu verkauffen?

Lady.
Du redst so gescheidt als du kanst, und doch in der That gescheidt
genug für dich.

Sohn.
War mein Vater ein Verräther, Mutter?

Lady.
Ja, das war er.

Sohn.
Was ist ein Verräther?

Lady.
Wie, einer der schwört und lügt.

Sohn.
Und die sind alle Verräther, die das thun?

Lady.
Ein jeder, der das thut, ist ein Verräther und muß gehangen werden.

Sohn.
Und müssen die alle gehangen werden, die schwören und lügen?

Lady.
Ein jeder.

Sohn.
Wer muß sie hängen lassen?

Lady.
Wer?  die ehrlichen Leute.

Sohn.
So sind die Lügner und Schwörer nur Narren; denn es sind ihrer so
viele, daß sie stark genug wären, die ehrlichen Leute zu schlagen
und hängen zu lassen.

Lady.
Gott helfe dir, du armer Junge!  Aber was willt du um deinen Vater
thun?

Sohn.
Wenn er todt wäre, so würdet ihr um ihn weinen; und wenn ihr nicht
um ihn weinen würdet, so wäre es ein gutes Zeichen, daß ich bald
wieder einen andern Vater bekäme.

Lady.
Kleines Plaudermaul!  wie du redst!  (Ein Fremder zu den Vorigen.)

Fremder.
Heil euch, schöne Dame!  Ihr kennt mich nicht, aber euer hoher
Stand macht euch vielen bekannt, die es euch nicht sind.  Ich
besorge, daß irgend eine Gefahr über euerm Haupte schwebe.  Wenn
ihr die Warnung eines gemeinen Manns annehmen wollt, so laßt euch
hier nicht antreffen; fliehet unverzüglich mit euern Kindern.  Ich
bin vielleicht unhöflich, daß ich euch so erschreke; aber es würde
unmenschlich seyn, wenn ich es nicht thäte, da ihr keinen Augenblik
zu verliehren habt, der Himmel bewahre euch!  Ich darf mich nicht
länger aufhalten.

(Er geht ab.)

Lady Macduff.
Wohin sollt' ich fliehen?  Ich habe ja nichts böses gethan.  Aber
nun besinn' ich mich; ich bin in einer Welt, wo böses thun oft
löblich ist, Gutes thun, für eine gefährliche Thorheit gehalten
wird.  Was ist nun zu thun?  Soll ich auf meine Unschuld mich
beruffen, und mich hinter diesem weiblichen Schilde sicher glauben?--
Was für Gesichter sind diese?

(Die Mörder treten auf.)

Mörder.
Wo ist euer Mann?

Lady Macduff.
Ich hoffe, an keinem so schändlichen Orte, daß ihn deines gleichen
finden sollen.

Mörder.
Er ist ein Verräther.

Sohn.
Du lügst, du zottelköpfiger Spizbube!

Mörder.
Was sagst du, ey du junge Brut von Verrätherey--

(Er ermordet ihn.)

Sohn.
Er hat mich umgebracht, Mutter; flieht, flieht, ich bitte euch.

(Lady Macduff entflieht mit Geschrey um Hülfe; die Mörder verfolgen
sie.)



Vierte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast des Königs von England.)
(Malcolm und Macduff treten auf.)


Malcolm.
Laß uns irgend einen einöden Schatten suchen, und dort unsre
kummervollen Herzen leer weinen.

Macduff.
Laß uns lieber das tödliche Schwert fest halten, und wie wakre
Männer unser zu Boden gestürztes Leben schirmen; jeden neuen Morgen
heulen neue Wittwen, schreyen neue Waysen, schlagen neue Klagen an
den Himmel an, der wie aus Mitleid abgebrochne Töne des Schmerzens
wiederhallt.

Malcolm.
Was ich glaube, will ich beweinen; was ich weiß, will ich glauben;
und was ich ändern kan, sobald ich die Zeit zum Freund habe, das
will ich.  Was ihr vorhin sagtet, mag sich vielleicht so verhalten.
Dieser Tyrann, dessen blosser Name unsre Zungen lähmt, wurde einst
für ehrlich gehalten; ihr liebtet ihn, und noch hat er euch nicht
beleidigt.  Ich bin zwar jung; aber doch könntet ihr euch durch
mich ein Verdienst um ihn machen, es ist Klugheit, ein schwaches,
armes, unschuldiges Lamm aufzuopfern, um einen erzürnten Gott zu
besänftigen.

Macduff.
Ich bin kein Verräther.

Malcolm.
Aber Macbeth ists.  Macht und Würden können einen tugendhaften
Character verfälschen.  Ich bitte euch um Vergebung; meine Gedanken
können euch zu nichts anders machen als ihr seyd; Engel glänzen
immer fort, ob schon die glänzendsten fielen: wenn gleich alle
bösen Dinge die Gestalt des Guten annähmen, so muß doch das Gute
immer diese Gestalt behalten.

Macduff.
Ich habe meine Hoffnungen verlohren.

Malcolm.
Vielleicht eben da, wo ich meine Zweifel fand.  Wie?  ihr solltet
in so gefährlichen Umständen euer Weib und eure Kinder, die
kostbaren Pfänder der Liebe verlassen, ohne auch nur Abschied zu
nehmen?--Ich bitte euch, treibet mich nicht weiter; meine
Besorgnisse sollen euch nicht beleidigen, sondern nur meine
Sicherheit seyn: ihr könnt ein sehr rechtschaffner Mann seyn, ich
mag denken was ich will.

Macduff.
So blute dann, blute, mein armes Vaterland!  und du, eingethronte
Tyranney, seze dich feste, denn Redlichkeit darf dich nicht
erschüttern--Dulde du deine Kränkungen, sein Titel ist bestätiget.
Gehabe dich wohl, Lord.  Um allen den Raum, den der Tyrann in
seinen Klauen hält, und den reichen Ost dazu, wollt ich der Elende
nicht seyn, für den du mich ansiehst.

Malcolm.
Werdet nicht unwillig; was ich sage, kommt nicht eigentlich von
einem Mißtrauen her, so ich in euch seze.  Ich denke unser
Vaterland sinkt unters Joch, es weint, es blutet, und jeder neue
Tag ist eine neue Wunde zu seinen vorigen.  Ich zweifle nicht, es
würden Hände für mein Recht aufgehoben werden; und hier bietet mir
Englands mitleidige Freundschaft etliche Tausende an.  Aber gesezt
auch, ich träte endlich auf des Tyrannen Haupt, oder trüg' es an
der Spize meines Schwerdts, so wird mein armes Vaterland nichts
dabey gewinnen; es wird nur noch mehr Gebrechen haben, als zuvor,
und von seinem Nachfolger noch mehr und auf eine mannichfaltigere
Art leiden als jemals.

Macduff.
Und wer sollte der seyn?

Malcolm.
Mich selbst meyn ich,* mich, in welchen alle besondre Laster so
eingepfropft sind, daß wenn sie sich aufthun und ausbreiten werden,
der schwarze Macbeth schneeweiß scheinen, und der arme Staat ihn,
mit meiner grenzenlosen Bosheit verglichen, für ein mildes Lamm
ansehen wird.

{ed.-* Diese Unterredung Malcolms mit Macduff ist aus den Chroniken
von Schottland genommen.  Pope.}

Macduff.
Aus allen Legionen des flammenden Abgrunds kan kein verruchterer
Teufel als Macbeth hervorkommen.

Malcolm.
Ich gesteh' es, er ist blutgierig, schwelgerisch, geizig, falsch,
tükisch, launisch, boßhaft, und stinkt nach jeder Sünde, die einen
Namen hat.  Aber in meiner Ruchlosigkeit ist kein Boden, nein,
keiner; eure Weiber, eure Töchter, eure Mütter und eure noch
unzeitigen Mädchen reichten nicht zu, die Cisterne meiner Lust
aufzufüllen; und es sind keine Schranken, keine Hindernisse zu
ersinnen, die meine unbändige Begierde nicht überspringen würde.
Besser, Macbeth herrsche als ein Solcher.

Macduff.
Grenzenlose Üppigkeit ist eine Art von Tyranney; und hat schon
manchen Thron vor der Zeit leer gemacht, ist schon der Sturz
mancher Könige gewesen.  Aber fürchtet euch deßwegen nicht zu
übernehmen, was euer ist; ihr könnt euren Ergözungen ein weites
Ziel steken, ohne sie dem allgemeinen Auge auszusezen.  Wir haben
willige Damen genug; es kan kein solcher Geyer in euch seyn, dessen
Gefräßigkeit zu ersättigen, nicht alle diejenigen zureichen sollten,
die sich der Majestät freywillig widmen werden, sobald sie diese
Neigung an ihr bemerkt haben.

Malcolm.
Überdas, wächst unter meinen andern unordentlichen Neigungen, ein
so unersättlicher Geiz, daß wenn ich König wäre, ich meine Edeln
aus dem Wege räumen würde, um ihre Güter an mich zu reissen; bey
diesem würden mich seine kostbaren Mobilien reizen, bey jenem sein
Haus; der Anwachs meines Eigenthums würde nur wie eine Brühe seyn,
die mich immer hungriger machte; so daß ich an rechtschaffne Leute
ungerechte Händel suchen, und sie verderben würde, um ihre
Reichthümer zu haben.

Macduff.
Dieser Geiz schlägt tiefer ein, und breitet sich in verderblichere
Wurzeln aus, als die Wollust, die mit dem Sommer des Lebens ihre
Hize verliehrt; Er ist das Schwerdt gewesen, das unsre Könige
erschlagen hat: aber fürchtet auch dieses nicht; Schottland hat
Überfluß, eure Habsucht mit demjenigen anzufüllen, was euer
rechtmäßiges Eigenthum seyn wird.  Alles das ist noch erträglich,
wenn es durch andre Tugenden vergütet wird.

Malcolm.
Aber, die hab' ich nicht; von allen diesen königlichen Tugenden,
Gerechtigkeit, Wahrheit, Mäßigung, Standhaftigkeit, Güte, Gnade,
Demuth, Frömmigkeit, Geduld, Herzhaftigkeit, Tapferkeit, ist nicht
ein Funke in mir; alle meine Neigungen, alle Triebfedern meines
Willens sind eben so viele Laster, und ich übe jede auf alle
mögliche Arten aus.  Ja, hätt' ich das Vermögen dazu, ich würde die
süsse Milch der Eintracht in die Hölle schütten, den allgemeinen
Frieden aufstören, und die ganze Erde zu einem Schauplaz der
Verwüstung machen.

Macduff.
O Schottland, Schottland!

Malcolm.
Wenn ein solcher zur Regierung tauglich ist, so redet; ich bin, wie
ich gesagt habe.

Macduff.
Zur Regierung tauglich?  Nein, nicht des Lebens werth.  O
unglükselige Nation!  Unter dem blutigen Scepter eines
unrechtmäßigen Herrschers seufzend, wenn wirst du deine glüklichen
Tage wiedersehen?  da der rechtmäßige Erbe deines Throns den Bann
der Ausschliessung über sich selbst ausspricht und seinen
geheiligten Ursprung lästert.  Dein königlicher Vater war der beste
König; die Königin, die dich gebahr, öfter auf ihren Knien als auf
ihren Füssen, starb jeden Tag den sie lebte.  O!  Fahre du wohl!
Diese Laster, deren du dich selbst anklagst, haben mich aus
Schottland verbannt.  O!  Mein Herz!  hier enden sich alle deine
Hoffnungen!

Malcolm.
Macduff, diese edle Leidenschaft, das Kind deiner Redlichkeit, hat
die schwarzen Zweifel von meiner Seele gewischt, und meine Gedanken
mit deiner Aufrichtigkeit und Ehre ausgesöhnt.  Der teuflische
Macbeth hat schon durch manche, die sich als meine Freunde
verstellen mußten, mich in seine Gewalt zu bekommen gesucht:
mißtrauische Klugheit war meine Sicherheit; aber Gott im Himmel sey
Zeuge zwischen mir und dir, daß ich, in diesem Vertrauen, wozu du
mich nunmehr gewonnen hast, mich gänzlich deiner Führung überlasse;
und bey ihm schwör' ich, daß alle diese Laster und Schanden, deren
ich mich selbst anklagte, ferne von mir sind.  Ich habe noch kein
Weib erkannt, noch nie mein Wort gebrochen, mich kaum desjenigen
gelüsten lassen, was mein eigen ist, und wollt den Teufel selbst
seinem Cameraden nicht verrathen; ich liebe die Wahrheit nicht
weniger als mein Leben, und die erste Unwahrheit, die aus meinem
Munde gegangen ist, war diese wieder mich selbst.  Was ich in der
That bin, steht dir und meinem armen Vaterlande zu diensten; wohin
würklich, noch vor deiner Ankunft der alte Siward mit zehentausend
tapfern Kriegs-Männern aufgebrochen ist.  Wir wollen ihm folgen,
und möge der Ausgang der Gerechtigkeit unsrer Sach' entsprechen!--
Warum schweiget ihr?

Macduff.
So willkommne und so unwillkommne Dinge auf einmal sind schwehr
zusammen zu reimen!



Fünfte Scene.
(Ein Arzt zu den Vorigen.)


Malcolm.
Gut, hernach mehr hievon!--Geht der König aus, ich bitte euch?

Arzt.
Ja, Milord; es ist ein Hauffen armer Leute hier, die auf seine
heilende Hand warten; ihre Krankheit macht die äussersten Versuche
der Kunst zu Schanden.  Aber so bald er sie berührt, (eine solche
Kraft hat der Himmel seiner geheiligten Hand eingegossen,) so
werden sie auf der Stelle gesund.

(Er geht ab.)

Malcolm.
Ich danke euch, Doctor.

Macduff.
Von was für einer Krankheit redte er?

Malcolm.
Man nennt es das Übel*; es ist eine höchst wunderthätige
Eigenschaft an diesem König, wovon ich, seit meinem Aufenthalt in
England, schon oft ein Augenzeuge war.  Wie er diese Gabe vom
Himmel erbeten, weiß er selbst am besten; gewiß ist, daß er Leute,
die mit seltsamen Geschwulsten und Geschwüren heimgesucht sind,
(ein erbärmlicher Anblik, und die Verzweiflung der Heil-Kunst!)
durch seine Berührung heilt, indem er, unter heiligen Gebeten, ein
goldnes Gepräge um ihren Hals hängt: und man sagt, er werde diesen
heilenden Segen allen Königen seinen Nachfolgern lassen.  Ausser
dieser wundervollen Heil-Kraft hat er noch die Gabe der
Prophezeyung, und verschiedne andre Segnungen hangen um seinen
Thron, welche beweisen, daß er ein Günstling des Himmels ist.

{ed.-* (The Evil), oder (the King's Evil) werden vorzugsweis in
England die Kröpfe genannt, welche (Eduardus Confessor) durch die
blosse Berührung mit seiner Hand geheilt haben soll.}



Sechste Scene.
(Rosse zu den Vorigen.)


Macduff.
Seht, wer hier kommt!

Malcolm.
Ein Landsmann; und doch kenn' ich ihn nicht.

Macduff.
Mein werther Vetter, seyd willkommen.

Malcolm.
Nun kenn ich ihn.  Der Himmel entferne bald die Ursachen, die uns
einander fremde machen!

Rosse.
Dazu sag' ich Amen, Gnädigster Herr.

Macduff.
Ist Schottland noch im alten Stand?

Rosse.
Ach!  Unser armes Vaterland, es erschrikt vor seinem eignen Anblik!
Es kan nicht mehr unsre Mutter genennt werden, sondern unser Grab;
ein Land, wo allgemeiner Jammer alle Angesichter verzehrt; wo man
das unwissende Wiegen-Kind allein noch lächeln sieht; wo Seufzen,
Ächzen und Schreyen die Luft erfüllen, ohne mehr bemerkt zu werden,
und beym Getön der Todtengloke kaum noch gefragt wird, um wen?  Wo
rechtschaffne Leute schneller dahin sind, als die Blumen auf ihren
Hüten, und sterben, eh sie krank geworden sind.
                
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