Macduff.
O grausame, aber nur allzuwahrhafte Beschreibung!
Malcolm.
Was ist die neueste Beschwerde?
Rosse.
Jede Minute brütet eine neue aus.
Macduff.
Wie steht's um mein Weib?
Rosse.
Wie? wohl--
Macduff.
Und um alle meine Kinder?
Rosse.
Auch wohl--
Macduff.
Hat der Tyrann ihre Ruhe nicht gestört?
Rosse.
Nein, sie waren in guter Ruhe, wie ich sie verließ.
Macduff.
Ich merk euch an, daß ihr mir etwas verbergen wollt: redet frey
heraus, wie geht es?
Rosse.
Wie ich abreisete, um die Zeitungen mit denen ich schwer beladen
bin, hieherzutragen, gieng ein Gerüchte, daß verschiedne brave
Leute aus dem Wege geräumt worden seyen; welches mir desto
glaublicher war, weil ich die Völker des Tyrannen ausrüken sah.
Nun ist die höchste Zeit zu helfen; euer blosser Anblik würde in
Schottland Krieger erschaffen, und Weiber zum fechten aufmuntern,
um dieses unerträglichen Jammers loß zu werden.
Malcolm.
Laß es ihren Trost seyn, daß wir im Begriff sind, zu kommen: der
huldreiche König von England hat uns den wakern Siward mit
zehentausend Männern geliehen, den ältesten und besten Kriegs-Mann
in der ganzen Christenheit.
Rosse.
Wollte der Himmel, ich könnte diesen Trost mit einem andern
erwiedern! Aber ich habe Dinge zu sagen, die ich lieber in eine
einöde Wüste hineinheulen wollte--
Macduff.
Was betreffen sie? die allgemeine Sache? Oder ist es ein
besonderer Schmerz, der irgend einer einzelnen Brust zugehört?
Rosse.
Es ist kein redliches Gemüth, das nicht Theil daran nimmt, ob
gleich das Ganze euch allein gehört.
Macduff.
Wenn es mein ist, so enthaltet mir's nicht länger vor--redet!
Rosse.
O! Laßt um dessentwillen, was ich sagen muß, den Ton meiner Stimm'
euern Ohren nicht auf ewig verhaßt werden! Es ist das
schmerzlichste, was ihr jemals gehört habt.
Macduff.
Hem! ich errath es.
Rosse.
Euer Schloß ist überrumpelt, euer Weib und eure Kinder unmenschlich
niedergemezelt worden--die Umstände zu erzählen, wäre euern Tod auf
den ihrigen häuffen.
Malcolm.
Barmherziger Himmel!--Wie, Mann! drükt euern Hut nicht so auf eure
Augbrauen--Gebt euerm Schmerz Worte: ein stummer Schmerz preßt
seine Klagen in das Herz zurük, und macht es brechen.
Macduff.
Meine Kinder auch!
Rosse.
Weib, Kinder, Hausgenossen, alles was er fand.
Macduff.
Und mußt' ich abwesend seyn! Auch mein Weib um gebracht?
Rosse.
Wie ich sagte.
Malcolm.
Fasset euch; Raache soll die Arzney seyn, womit wir diesen
tödlichen Schmerz heilen wollen.
Macduff.
Er hat keine Kinder--alle meine artigen Püpchen? Alle, sagtet ihr?
wie, alle? O höllischer Geyer! alle? Wie, alle meine armen
Hühnchen, und ihre Mutter, auf einen verfluchten Schluk?
Malcolm.
Rächet euch wie ein Mann--
Macduff.
Das will ich: aber erst will ich fühlen wie ein Mann. Ich kan
nicht gleich vergessen, daß ich sie hatte, daß sie das kostbarste
waren was ich hatte--Konnte der Himmel zusehen, und nahm sich ihrer
nicht an? Sündenvoller Macduff! um deinetwillen wurden sie
erschlagen! Ich unglükseliger! Nicht um ihrer Missethaten, um der
meinigen willen wurden sie geschlachtet: der Himmel gebe ihnen nun
Ruhe!
Malcolm.
Laßt das euer Schwerdt wezen, laßt Schmerz sich in Wuth verwandeln:
erleichtert euer Herz nicht, sezt es in Flammen.
Macduff.
O ich könnte weinen und schreyen wie ein Weib! aber, du gütiger
Himmel, schneide allen Aufschub ab! bring du, Stirne gegen Stirne,
mich und diesen Schottischen Teufel zusammen; bring ihn nur so nah
daß ihn mein Schwerdt erreichen kan, und wenn ich ihn entrinnen
lasse, dann, o Himmel, dann vergieb ihm auch!
Malcolm.
Dieser Ton geht männlich! Kommt, wir wollen zum Könige, unsre
Völker sind marschfertig, wir haben nichts mehr nöthig als Abschied
zu nehmen. Macbeth ist reif abgeschüttelt zu werden, und die
Mächte über uns sezen ihre Werkzeuge an. Gehet, und erfrischet
euch diese Nacht auf den morgenden Tag.
(Sie gehen ab.)
Fünfter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein Vorzimmer in Macbeths Schlosse.)
(Ein Arzt und eine Kammer-Frau treten auf.)
Arzt.
Ich habe nun zwoo Nächte mit euch gewacht, aber ich finde nichts
daß eure Erzählung bestättiget. Wenn war es, da sie das leztemal
gieng?
Kammer-Frau.
Seitdem seine Majestät zu Felde gezogen ist, hab' ich sie gesehen,
daß sie aus ihrem Bett aufstuhnd, ihren Schlafrok um sich warf, ihr
Cabinet aufschloß, Papier herausnahm, es zusamenlegte, überschrieb,
laß, hernach siegelte, und dann wieder zu Bette gieng; und das
alles im tiefsten Schlafe.
Arzt.
Das zeigt eine grosse Unordnung in der Natur an! zu gleicher Zeit
die Wohlthat des Schlafs geniessen, und Geschäfte des Wachens thun!
Ausser dem Herumgehn und andern würklichen Verrichtungen, hörtet
ihr sie in dieser schlummernden Bewegung jemals etwas reden?
Kammer-Frau.
Dieses, Sir, möcht' ich ihr nicht nachsagen.
Arzt.
Gegen mich dürft ihr's wohl, und es ist sehr nöthig, daß ihr's thut.
Kammer-Frau.
Weder gegen euch, noch eine andre lebende Seele, da ich keinen
Zeugen habe, der meine Aussage bekräftigen könnte. (Lady Macbeth
tritt mit einem Wachslicht auf.) Seht, seht! hier kommt sie; so
pflegt sie zu gehen, und bey meinem Leben, in tiefem Schlaf;
beobachtet sie nur, aber haltet euch ruhig.
Arzt.
Wie kam sie zu dem Lichte?
Kammer-Frau.
Es stuhnd neben ihrem Bette: sie hat immer Licht bey sich; es ist
ihr Befehl.
Arzt.
Ihr seht, sie hat die Augen offen.
Kammer-Frau.
Ja, aber ihre Empfindung ist geschlossen.
Arzt.
Was macht sie izt? Seht, wie sie ihre Hände wascht.
Kammer-Frau.
Das bin ich schon gewohnt, sie ihre Hände so waschen zu sehen; ich
habe schon gesehen, daß sie eine ganze Viertelstunde an einem fort
nichts anders that.
Lady Macbeth.
Hier ist noch ein Fleken.
Arzt.
Horcht, sie redt. Ich will alles aufschreiben, was sie sagt, damit
ich nichts vergesse.
Lady Macbeth.
Weg, du verdammter Fleken; weg, sag ich--Eins,--zwey; wohlan dann,
so ist es hohe Zeit--Die Hölle ist dunkel. Fy, Milord, fy! ein
Soldat und erschroken? Was brauchen wir uns zu fürchten, daß es
auskomme, da niemand mächtig genug ist, uns zur Rechenschaft zu
ziehen?--aber, wer hätte gedacht, daß der alte Mann so viel Blut in
ihm hätte?
Arzt.
Hört ihr das?
Lady Macbeth.
Der Than von Fife hatte eine Frau; wo ist sie nun?--Wie, wollen
diese Hände nimmer rein werden?--Nichts mehr hievon, Milord, nichts
mehr hievon, ihr verderbt alles mit diesem Starren.
Arzt.
Geht, geht; ihr wißt etwas, das ihr nicht solltet.
Kammer-Frau.
Sie hat gesprochen, was sie nicht sollte, dessen bin ich gewiß; der
Himmel weiß, was sie wissen mag.
Lady Macbeth.
Das riecht immer noch nach Blut; alle Gewürze von Arabien können
diese kleine Hand nicht anders riechen machen. Oh, oh, oh!
Arzt.
Was für ein Seufzer das war! Sie hat etwas schweres auf dem Herzen.
Kammer-Frau.
Ich wollte um die ganze Hoheit ihrer Person kein solches Herz in
meinem Busen haben.
Arzt.
Wohl, wohl, wohl--
Kammer-Frau.
Das gebe Gott, daß es so sey, Sir--
Arzt.
Diese Krankheit geht über meine Erfahrung; indeß hab' ich doch
solche Nachtwandler gekannt, die als gute Christen in ihrem Bette
gestorben sind.
Lady Macbeth.
Wascht eure Hände, werft euern Schlafrok um, seht nicht so blaß aus--
Ich sag's euch noch einmal, Banquo ist begraben, er kan aus seinem
Grabe nicht wiederkommen.
Arzt.
Würklich?
Lady Macbeth.
Zu Bette, zu Bette; man klopft an der Pforte: kommt, kommt, kommt,
kommt, gebt mir eure Hand: Was geschehen ist, kan nicht geändert
werden. Zu Bette, zu Bette, zu Bette.
(Lady Macbeth geht ab.)
Arzt.
Geht sie nun zu Bette?
Kammer-Frau.
Geradesweges.
Arzt.
Man lispelt einander entsezliche Dinge in die Ohren. Unnatürliche
Thaten bringen unnatürliche Unruhen hervor, und ein angestektes
Gewissen murmelt sein Geheimniß seinem tauben Kopf-Küssen zu. Sie
bedarf mehr eines Geistlichen, als eines Arztes. Gott, Gott,
vergieb uns allen!--Sehet zu ihr! Entfernet alles von ihr womit
sie sich Schaden thun könnte, und lasset sie keinen Augenblik
unbewacht, und hiemit, gute Nacht. Mein Gemüth ist ganz bestürzt
und mein Gesicht wie nebel-trunken--Ich denke, aber reden darf ich
nicht.
Kammer-Frau.
Gute Nacht, Herr Doctor.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in ein Gefilde, mit einem Wald in der Ferne.)
(Menteth, Cathneß, Angus, Lenox und Soldaten treten auf.)
Menteth.
Die Englische Macht ist nahe, von Malcolm, seinem Oheim Siward und
dem tapfern Macduff angeführt. Sie brennen von Raache:
Beleidigungen, wie sie erlidten haben, würden abgestorbene Büssende
zu Wuth und blutigen Thaten aufreizen.
Angus.
In der Gegend des Waldes von Birnam können wir uns am besten mit
ihnen vereinigen; sie kommen denselben Weg.
Cathness.
Weiß jemand, ob Donalbain bey ihnen ist?
Lenox.
Es ist gewiß, Sir, daß er nicht bey ihnen ist; Ich hab' eine Liste
von allen ihren Edeln: Siwards Sohn ist dabey, und eine Menge
unbärtiger Jünglinge, die eben izt ihre erste Probe von Mannheit
ablegen.
Menteth.
Was macht der Tyrann?
Cathness.
Er befestiget Dunsinan ungemein stark; einige sagen, er sey rasend;
andre, die ihn weniger hassen, nennen es eine heroische Wuth; aber
das ist gewiß, daß er, in der verzweiffelten Sache, die er zu
verfechten hat, nicht Meister von sich selbst bleiben kan.
Angus.
Er fühlt nun, wie die Werkzeuge seiner geheimen Mordthaten sich
gegen ihn selber kehren; jeder Augenblik gebihrt einen Abfall, der
ihm seinen eignen Treubruch vorwirft; diejenigen, denen er noch
befiehlt, bewegen sich allein auf Befehl, nicht aus Liebe; izt
fühlt er, daß sein Titel so fluttrig um seine Schultern hängt, als
ein Riesen-Rok um einen zwergmäßigen Dieb.
Menteth.
Wer kan sich dann wundern, wenn seine bestürzten Sinnen auffahren
und zurükzittern, da alles was in ihm ist, sich selbst verdammt?
Cathness.
Gut, so wollen wir gehn, und unsern Gehorsam dahin tragen, wohin er
gehört; der Arzney unsers kranken Vaterlands entgegengehen, und zu
seiner Heilung, unser Blut bis auf den lezten Tropfen hergeben.
Lenox.
Wenigstens soviel als nöthig ist, die königliche Blume zu bethauen,
und das Unkraut zu ertränken. Laßt uns gegen Birnam vorrüken.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Das Schloß zu Dunsinan.)
(Macbeth, ein Arzt, und Bediente.)
Macbeth.
Bringt mir keine Zeitungen mehr, laßt sie alle fliehen: Bis der
Birnam-Wald sich nach Dunsinan bewegt, kennt Macbeth keine Furcht.
Was ist der Knabe Malcolm? Ward er nicht von einem Weibe gebohren?
Geister, die den ganzen Zusammenhang der sterblichen Begegnisse
kennen, haben so ausgesprochen: Fürchte nichts, Macbeth; keiner,
der von einem Weibe gebohren ward, soll jemals Gewalt über dich
haben--So flieht dann, flieht ihr abtrünnigen Thanes, und mischt
euch unter diese Englische Zärtlinge. Der Geist, der mich
beherrscht, das Herz das mich befeurt, kan nie von Zweifeln wanken,
nie von Furcht erschüttert werden. (Ein Bedienter tritt auf.) Daß
dich der Teufel schwarz räuchre, du milchsuppichter Bengel! Wie
kommst du zu diesem gansmäßigen Aussehn?
Bedienter.
Zehen Tausend--
Macbeth.
Gänse, Schurke?
Bedienter.
Soldaten, Gnädigster Herr--
Macbeth.
Geh, streich dein Gesicht vorher roth an, du weißlebrichter Bube!
Was für Soldaten, Lumpenhund? Daß du verdammt wärest! Deine
Wangen von weissem Tuch steken mir noch die andern mit Feigheit an.
Was für Soldaten, Molken-Gesicht?
Bedienter.
Die Englische Macht, mit eurer Erlaubniß.
Macbeth.
Thu mir dein Gesicht aus den Augen--Seyton!--Ich werde krank wenn
ich's ansehe--Seyton, sag ich.--Ich habe lange genug gelebt: mein
Leben ist nach und nach ins Welken herabgesunken, in gelbes Laub,
und das was das hohe Alter begleiten sollte, Ehre, Zuneigung,
Gehorsam, Freunde, an das darf ich nur nicht gedenken: alles was
ich dagegen zu erwarten habe, sind Flüche, nicht laut, aber desto
tieffer, leere Complimente, Athem, den das arme Herz gern versagen
wollte, wenn es dürfte. Seyton! --
(Seyton tritt auf.)
Seyton.
Was ist euer gnädigster Befehl?
Macbeth.
Giebt's keine neue Zeitungen?
Seyton.
Es hat sich alles bestättiget, Gnädigster Herr, was berichtet
worden ist.
Macbeth.
Ich will fechten, bis mir das Fleisch von den Knochen abgehakt ist;
gieb mir meine Waffen.
Seyton.
Es ist noch nicht nöthig.
Macbeth.
Ich will sie anlegen. Schikt mehr Reuter aus, stöbert die ganze
Landschaft auf, laß die Schurken aufhängen, die von Furcht reden.
Gieb mir meine Rüstung. Was macht eure Patientin, Doctor?
Arzt.
Gnädigster Herr, ihre Krankheit besteht hauptsächlich in
schwermüthigen Einbildungen, die sie in ihrer Ruhe stören.
Macbeth.
So heile sie davon. Kanst du die Schmerzen eines kranken Gemüths
nicht stillen, einen eingewurzelten Kummer aus dem Gedächtniß
ziehen, die eingegrabnen Unruhen des Hirns ausglätten, und den
überladenen Busen von diesem gefährlichen Unrath reinigen, der das
Herz beklemmt?
Arzt.
Hierinn muß der Kranke selbst das Beste thun.
Macbeth.
Wirf deine Arzneyen den Hunden vor, ich will keine--Komm, leg mir
meine Rüstung an; gieb mir meinen Stab. Seyton, schike du--Doctor,
die Thanes fallen von mir ab--Kommt, Sir, macht hurtig--Doctor,
wenn du das Wasser meines Lands besehen, seine Krankheit ausfündig
machen, es ausreinigen und zu seiner vorigen Gesundheit wieder
herstellen könntest, dann wollt ich dir zujauchzen, bis die weite
Welt von allgemeinem Wiederhall erschallte--Zieh mich ab, sag' ich--
was für Rhebarber, Senesblätter, oder was für Purgazen könnten wol
diese Engländer abtreiben? Hörst du nichts von ihnen?
Arzt.
Ja, mein gnädigster Herr; eure königliche Zurüstungen machen, daß
wir etwas davon hören.
Macbeth.
Bring mir's in mein Zimmer--Mir kan der Tod nicht bange machen, bis
der Birnam-Wald nach Dunsinan kommt.
(Er geht ab.)
Arzt.
Wär' ich nur einmal mit ganzer Haut von Dunsinan, mich sollte
sobald kein Gewinst wieder dahin ziehen.
(Geht ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in den Birnam-Wald.)
(Malcolm, Siward, Macduff, Siward's Sohn, Menteth, Cathneß, Angus,
und Soldaten, im Marsch.)
Malcolm.
Vettern, ich hoffe der Tag ist nahe, da Schlaf-Zimmer wieder sicher
seyn werden.
Menteth.
Wir zweifeln nicht daran.
Siward.
Wie heißt der Wald vor uns?
Menteth.
Birnam-Wald.
Malcolm.
Laßt jeden Soldaten sich einen Ast abhauen, und ihn vor sich her
tragen; wir werden dadurch die Anzahl unsers Heers beschatten, und
die Kundschafter in Verwirrung sezen.
Soldaten.
Es soll geschehen.
Siward.
Wir hören nichts anders, als daß der Tyrann sich noch immer in
Dunsinan eingeschlossen hält, und es dort auf eine Belagerung
ankommen lassen will.
Malcolm.
Es ist seine lezte Hoffnung; er sieht sich von allen Seiten
verlassen, und die ihm noch dienen, sind gezwungne Leute, deren
Herzen abwesend sind.
Macduff.
Laßt unsern gerechten Tadel die Bestätigung des Ausgangs erwarten,
und schiken wir uns izt an, als brave Soldaten zu fechten!
Siward.
Die Zeit ist da, die uns durch eine gerechte Entscheidung unsern
König und unser Eigenthum zusprechen wird. Speculative Gedanken
sagen nur ihre unsichre Hoffnungen; Streiche müssen den gewissen
Ausgang entscheiden; und diesem laßt uns nun mit Muth
entgegenziehen.
(Sie marschieren ab.)
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in das Schloß Dunsinan.)
(Macbeth, Seyton und Soldaten, mit Trummeln und Fahnen, treten auf.)
Macbeth.
Hänget unsre Fahnen über die Mauren heraus, man schreyt immer: Sie
kommen. Aber die Festigkeit unsers Schlosses spottet einer
Belagerung. Laßt sie da ligen, bis Hunger und Fieber sie aufreiben.
Wären sie nicht von denen unterstüzt, die auf unsrer Seite seyn
sollten, wir wären ihnen zuversichtlich, Bart gegen Bart, entgegen
gegangen, und hätten sie wieder heimgeprügelt--Was für ein Lerm ist
das?
(Man hört ein Geschrey von Weibsleuten.)
Seyton.
Es sind die Weibsleute, welche schreyen, Gnädigster Herr.
Macbeth.
Ich habe die Furcht ganz verlernt; es war eine Zeit, da mich der
Schrey einer Nachteule schauern gemacht hätte--Aber das ist nun
anders; ich habe mit Schrekgespenstern zunachtessen gelernt: Das
Entsezlichste ist mit meinen blutigen Gedanken so vertraulich
worden, daß ich nicht mehr erschreken kan. Was bedeutete das
Geschrey?
Seyton.
Die Königin ist todt!
Macbeth.
Sie hätte ein andermal sterben sollen; es würde wol einmal die Zeit
dazu gekommen seyn. Morgen, und Morgen, und Morgen kriecht in
seinem Pygmäen-Schritt von einem Tag zum andern; alle unsre Gestern
haben buntschekigte Narren, die auf dem Wege des Todes vor ihnen
her gaukeln. Aus, aus, kleine Kerze! Leben ist nur ein wandelnder
Schatten, ein armer Schauspieler, der seine Stunde lang auf dem
Schauplaze sich spreißt, und ein grosses Wesen macht, und dann
nicht mehr bemerkt wird. Es ist ein Mährchen, das ein Dummkopf
erzählt, voll Schall und Bombast, aber ohne Sinn. (Ein Bote tritt
auf.) Du kommst, deine Zunge zu brauchen; mach' es kurz.
Bote.
Gnädigster Herr, ich sollte sagen, was ich gesehen hab, und weiß
nicht wie ich es sagen soll.
Macbeth.
Gut, sag es, Sir.
Bote.
Wie ich auf dem Hügel auf meinem Posten stand, schaut' ich gegen
Birnam und da dauchte mich, der Wald bewege sich gegen mich her.
Macbeth (schlägt ihn.)
Du lügenhafter Schurke!
Bote.
Laßt mich euern Grimm erfahren, wenn es nicht so ist; binnen dieser
drey Meilen könnt ihr ihn selbst kommen sehen; wie ich sage, einen
Wald, der sich herbewegt.
Macbeth.
Wenn du gelogen hast, sollst du lebendig an den nächsten Baum
aufgehangen werden, bis du vor Hunger zusammenschrumpfest: Sagst du
die Wahrheit, so bekümmr' ich mich nichts darum, wenn du es mir so
machst--Aber, wie, wenn ein Doppelsinn in den Worten dieses Teufels
läge, der seinen Lügen die Gestalt der Wahrheit zu geben pflegt?--
Fürchte dich nicht, bis der Birnam-Wald nach Dunsinan kommt--und
nun kommt ein Wald gegen Dunsinan. Die Waffen an, die Waffen an,
und hinaus! Wenn es so ist, wie er sagt, so ist entfliehen und
hier bleiben gleich sicher--Ich fange an, dieser Sonne überdrüßig
zu werden--Schlagt die Sturmgloke--Stürmt, ihr Winde, und
zerschmettert in allgemeinem Schiffbruch die ganze Natur--Hinweg!
wenn wir sterben müssen, so wollen wir doch mit den Waffen in den
Händen sterben.
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
(Vor Dunsinan.)
(Malcolm, Siward, Macduff und ihr Kriegsheer, mit Zweigen.)
Malcolm.
Nun sind wir nahe genug; werft eure laubichten Schirme weg, und
zeigt euch als diejenigen die ihr seyd. Ihr, Ehrwürdiger Oheim,
sollt mit meinem Vetter, euerm edeln Sohn, unser erstes Treffen
anführen; und Macduff und ich wollen, nach euern Befehlen, das
übrige auf uns nehmen, was zu thun seyn wird.
Siward.
Gehabt euch wohl; finden wir nur noch vor Nacht die Schaaren des
Tyrannen, so laßt uns geschlagen werden, wenn wir nicht fechten.
Macduff.
Laßt alle unsre Trompeten zum Angriff blasen.
(Sie gehen ab. Man bläßt zum Angriff.)
(Macbeth tritt auf.)
Macbeth.
Sie haben mich an einen Pfosten angebunden, ich kan nicht
entfliehen, sondern muß, wie ein gehezter Bär, für mein Leben
fechten. Wer ist der, den kein Weib gebohren hat? Ich will ihn
fürchten, sonst keinen. (Der junge Siward tritt auf.)
Junge Siward.
Wie ist dein Name?
Macbeth.
Du würdest zittern wenn du ihn hörtest.
Junge Siward.
Das würd' ich nicht, und wenn du dir gleich einen heissern Namen
gäbest, als irgend einer in der Hölle.
Macbeth.
Mein Nam' ist Macbeth.
Junge Siward.
Der Teufel selbst könnte mir keinen verhaßtern nennen.
Macbeth.
Und keinen furchtbarern.
Junge Siward.
Du lügst, du verworfner Tyrann, mit meinem Schwerdt will ich
beweisen, daß du es gelogen hast. (Sie fechten, und der junge
Siward fällt.)
Macbeth.
Dich hat ein Weib gebohren--Ich lächle nur zu Schwerdtern, die von
Weiber-Söhnen geschwungen werden.
(Er geht.)
(Das Kriegs-Getümmel daurt fort. Macduff tritt auf.)
Macduff.
Von daher kommt das Getümmel: Tyrann, zeige dein Gesicht; wenn du
von einer andern als meiner Hand gefallen bist, so werden die
Geister meines Weibes und meiner Kinder mir keine Ruhe lassen. Ich
kan nicht auf diese armseligen Kernen schlagen, deren Ärme
gedungen sind ihre Speere zu tragen; du must es seyn, Macbeth, oder
ich steke mein Schwerdt unbesudelt wieder in die Scheide--dort
solltest du seyn; dieser grosse Lerm scheint einen vom ersten Rang
anzukünden. Laß mich ihn finden, Glük, mehr verlang' ich nicht.
(Er geht ab.)
(Getümmel. Malcolm und Siward treten auf.)
Siward.
Gnädigster Herr, auf dieser Seite ist das Schloß unser: Des
Tyrannen Leute fechten mehr für uns als für ihn; die edeln Thanes
halten sich vortreflich; noch eine kleine Arbeit, so ist der Tag
euer.
Malcolm.
Wir haben mit Feinden zu thun, deren Streiche alle neben uns vorbey
gehen.
Siward.
Wir wollen in das Schloß hinein, Gnädigster Herr.
(Sie gehen ab.)
Siebende Scene.
(Getümmel. Macbeth tritt auf.)
Macbeth.
Wie? Ich sollte hier den Römischen Narren machen und auf meinem
eignen Schwerdt sterben? Nein, so lang ich noch was lebendiges um
mich sehe, will ich es besser gebrauchen. (Indem er wieder abgehen
will, stößt Macduff auf ihn.)
Macduff.
Zurük, Höllenhund, zurük!
Macbeth.
Unter allen Menschen bist du der einzige, dem ich ausgewichen bin:
Geh deines Weges, meine Seele ist mit dem Blut der deinigen schon
beladen genug.
Macduff.
Ich habe keine Worte; meine Stimme ist in meinem Schwerdt! du
blutigerer Bösewicht als Worte dich mahlen können--
(Sie fechten).)
Macbeth.
Du verliehrst deine Mühe; eben so leicht möchtest du die
unverwundbare Luft mit deinem Schwerdt durchlöchern, als mich
bluten machen; laß es auf sterbliche Schädel fallen; ich trage ein
bezaubertes Leben, das keinem weichen kan, der von einem Weibe
gebohren ward.
Macduff.
So verzweifle! Verruchter, und laß den Teufel, dem du gedient hast,
dir sagen, daß Macduff unzeitig aus seiner Mutter Leib geschnitten
ward.
Macbeth.
Verflucht sey die Zunge, die mir das sagt, denn sie hat den besten
Theil meiner Mannheit entnervet; und verflucht sey, wer diesen
gauklerischen Teufeln mehr glaubt, die uns mit Wizspielen und
Doppelsinn betrügen; die ihr Versprechen unserm Ohr halten, und es
unsrer Hoffnung brechen! Ich will nicht mit dir fechten.
Macduff.
So ergieb dich dann, Memme, und lebe, um die Fabel und das
Schauspiel der Zeit zu seyn. Wir wollen dich, wie irgend ein
seltnes Ungeheuer, abgemahlt an einer Stange herumtragen lassen,
mit der Unterschrift: (Hier ist zu sehen der Tyrann.)
Macbeth.
Ich will mich nicht ergeben, den Boden vor des Knaben Malcolm's
Füssen zu küssen, und den Flüchen des lumpichten Pöbels zum Ziel zu
dienen. Wenn gleich der Birnam-Wald nach Dunsinan gekommen ist,
und du, mein Gegner, von keinem Weibe gebohren wardst, so will ich
doch das lezte versuchen. Hier zieh ich meinen Schild vor meinen
Leib; schlage zu, Macduff, und verdammt sey der, der zuerst ruft:
Halt, genug!
(Sie fechten, und entfernen sich vom Theater. Das Getümmel daurt
fort.)
Achte Scene.
(Man bläßt zum Abzug. Ein Trompeten-Stoß. Malcolm, Siward, Rosse,
Thanes und Soldaten, ziehen mit Trummeln und Fahnen auf.)
Malcolm.
Ich wollte, die Freunde, die wir missen, wären unbeschädigt
angelangt.
Siward.
Einige müssen schon drauf gehen, und doch ist so viel ich sehe, ein
so grosser Tag wolfeil gekauft.
Malcolm.
Macduff wird vermißt, und euer edler Sohn!
Rosse.
Euer Sohn, Milord, hat die Schuld eines Soldaten bezahlt; er lebte
nur bis er ein Mann war, und hatte nur so viel Zeit, seinen Muth
durch Thaten zu beweisen, so starb er als ein Mann.
Siward.
So ist er todt?
Rosse.
Ja, und schon vom Schlachtfeld weggetragen; ihr müßt euern Schmerz
nicht seinem Werth gleich messen, sonst hätt' er kein Ende.
Siward.
Hat er seine Wunden vornen?
Rosse.
Ja, in der Stirne.
Siward.
Nun dann, so sey er Gottes Soldat! Hätt' ich so viel Söhne als ich
Haare habe, ich wollt' ihnen keinen schönern Tod wünschen.
Malcolm.
Er ist einer grössern Trauer werth, und die will ich ihm erstatten.
Siward.
Er ist keiner grössern werth; sie sagen, er starb edel, und
bezahlte seine Zeche. Und so, sey Gott mit ihm!--Hier kommt ein
neuer Trost: (Macduff tritt mit Macbeths Kopf auf.)
Macduff.
Heil dir, König! Denn der bist du nun! Sieh' hier des Tyrannen
verfluchten Kopf; die Zeit ist frey; ich seh dich von den Edeln
deines Königreichs umgeben, die meinen Gruß in ihren Herzen
nachsprechen, und die ich nun bitte, ihre Stimmen mit der meinigen
zu erheben: Heil, König von Schottland!
Alle.
Heil, König von Schottland!
(Ein Trompeten-Stoß.)
Malcolm.
Wir wollen keine Zeit verliehren, bis wir mit eurer Liebe zu uns
abrechnen, und mit einem jeden unter euch quitt sind. Thanes und
Vettern, von nun an seyd Grafen, die ersten, die Schottland mit
diesem Ehren-Namen begrüßt hat. Was ferner zu thun ist, und die
erste Sorge unsrer neuangehenden Regierung seyn muß, die
Zurükberufung unsrer verbannten Freunde, der Proceß der grausamen
Werkzeuge dieses todten Schlächters und seiner teuflischen Königin,
(die, wie man glaubt, gewaltsame Hände an ihr eigen Leben gelegt
hat.) Dieses, und was sonst zu besorgen seyn wird, wollen wir, mit
des Himmels Beystand, in Maaß, Zeit und Ort zu Stande bringen: Und
hiemit danken wir euch allen auf einmal, und jedem insbesondere,
und laden euch nach Scone zu unsrer Crönung ein.
(Sie gehen unter Trompeten-Schall ab.)
MacBeth, von William Shakespeare
(Übersetzt von Christoph Martin Wieland).