William Shakespear

Hamlet, Prinz von Dännemark
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Geist.
Schwört!

(Sie schwören.)

Hamlet.
Gieb dich zur Ruh, gieb dich zur Ruh, unglüklicher Geist.  So, ihr
Herren; ich empfehle und überlasse mich euch wie ein Freund seinen
Freunden, und was ein so armer Mann als Hamlet ist, thun kan, euch
seine Liebe und Freundschaft auszudrüken, das soll, ob Gott will,
nicht fehlen.  Wir wollen gehen, aber immer eure Finger auf dem
Mund, ich bitte euch: Die Zeit ist aus ihren Fugen gekommen; o!
unseliger Zufall!  daß ich gebohren werden mußte, sie wieder
zurecht zu sezen!  Nun, kommt, wir wollen mit einander gehen.

(Sie gehen ab.)




Zweyter Aufzug.



Erste Scene.
(Ein Zimmer in Polonius Hause.)
(Polonius und Reinoldo treten auf.)


Polonius.
Übergieb ihm dieses Geld und diese Papiere.

Reinoldo.
Ich werde nicht ermangeln, Gnädiger Herr.

Polonius.
Es würde überaus klug von euch gehandelt seyn, ehrlicher Reinold,
wenn ihr euch vorher, eh ihr zu ihm geht, nach seiner Aufführung
erkundigen würdet.

Reinoldo.
Das war auch mein Vorsaz, Gnädiger Herr.

Polonius.
Meiner Treu, das war ein guter Gedanke; ein sehr guter Gedanke.
Seht ihr, Herr, zuerst erkundiget euch, was für Dähnen in Paris
seyen, und wie, und wer, und wie bemittelt, und wo sie sich
aufhalten, und was sie für Gesellschaft sehen, und was sie für
einen Aufwand machen; und findet ihr aus ihren Antworten auf diese
Präliminar-Fragen, daß sie meinen Sohn kennen, so kommt ein wenig
näher; stellt euch, als ob ihr ihn so von weitem her kenntet--zum
Exempel, so--Ich kenne seinen Vater und seine Freunde, und zum
Theil, ihn selbst--Merkt ihr was ich damit will, Reinoldo?

Reinoldo.
Ja, sehr wohl, Gnädiger Herr.

Polonius.
Und zum Theil ihn selbst--Doch könnt ihr hinzu sezen--nicht sehr
genau; aber wenn es der ist, den ich meyne, so ist er ein ziemlich
wilder junger Mensch--Solchen und solchen Ausschweiffungen ergeben--
Und da könnt ihr über ihn sagen, was ihr wollt; doch nichts was
seiner Ehre nachtheilig seyn könnte; auf das müßt ihr wol Acht
geben; aber wol solche gewöhnliche Excesse von Muthwillen und
Wildheit, welche gemeiniglich Gefährten der Jugend und Freyheit zu
seyn pflegen--

Reinoldo.
Als wie Spielen, Gnädiger Herr--

Polonius.
Ja, oder trinken, fluchen, Händel machen, den Weibsbildern
nachlaufen--So weit dürft ihr schon gehen.

Reinoldo.
Aber das würde ja seiner Ehre nachtheilig seyn.

Polonius.
Das nicht, wenn ihr euch in den Ausdrüken ein wenig vorsehet: Ihr
müßt eben nicht so weit gehen, und ihn beschuldigen, daß er ein
öffentlicher Huren-Jäger sey, das ist nicht meine Meynung; ihr müßt
so von seinen Fehlern reden, daß sie für Fehler der Freyheit,
Ausbrüche eines feurigen Blutes, einer noch ungebändigten Jugend-
Hize, die allen jungen Leuten gemein sind, angesehen werden können.

Reinoldo.
Aber, warum, Gnädiger Herr--

Polonius.
Warum ihr das thun sollt?

Reinoldo.
Ja, Gnädiger Herr, das wollt' ich fragen.

Polonius.
Gut, Herr, das will ich euch sagen; es ist ein Kunstgriff, Herr,
und, beym Element, ich denke einer von den feinen.  Seht ihr, wenn
ihr meinem Sohn dergleichen kleinen Fehler beyleget, daß man denken
kan, es sey ein junger Bursche, der ein wenig im Machen mißgerathen
sey--versteht ihr mich, so wird derjenige, mit dem ihr in
Conversation seyd, und den ihr gern ausholen möchtet, wenn er den
jungen Menschen, von dem die Rede ist, gelegenheitlich etwann einer
oder der andern von vorbesagten Ausschweiffungen sich schuldig
machen, gesehen hat, so zählt darauf, daß er sich folgender massen
gegen euch herauslassen wird: Mein werther Herr, oder Herr
schlechtweg, oder mein Freund, oder wie er dann sagen mag--

Reinoldo.
Sehr wohl, Gnädiger Herr--

Polonius.
Und dann, Herr, thut er das--thut er--was wollt ich sagen--Ich
wollte da was sagen--wo blieb ich?

Reinoldo.
Bey dem, wie er sich gegen mich herauslassen würde--

Polonius.
Wie er sich herauslassen würde--ja, meiner Six--er würde sich so
herauslassen--Ich kenne den jungen Herrn, ich sah ihn gestern oder
vorgestern, oder einen andern Tag mit dem und dem; und wie ihr sagt,
da spielte er, da gerieth er in Hize, da fieng er beym Ballspiel
Händel an; oder vielleicht, ich sah ihn in diß oder jenes
verdächtige Haus gehen, Videlicet in ein Bordell, oder dergleichen--
Seht ihr nun, daß auf diese Weise der Angel eurer Lüge diesen
Karpen der Wahrheit fangen könnt--Das sind die Wege, wie wir andern
Gelehrten und Staatisten, durch Winden und Sondiren, (per
indirectum), hinter die wahre Beschaffenheit der Sachen zu kommen
pflegen: Ich mache euch kein Geheimniß aus dieser Frucht meiner
ehmaligen Lectur und Erfahrung, damit ihr sie nun bey meinem Sohn
applicieren könnt--Ihr habt mich doch begriffen; habt ihr nicht?

Reinoldo.
Ja wohl, Gnädiger Herr.

Polonius.
So behüt euch Gott; lebt wohl.

Reinoldo.
Mein Gnädiger Herr--

Polonius.
Ihr müßt trachten, daß ihr durch euch selbst hinter seine Neigungen
kommt.

Reinoldo.
Das will ich, Gnädiger Herr.

Polonius.
Und macht, daß er seine Musik fleissig exerciert.

Reinoldo.
Wohl, Gnädiger Herr.

(Reinold geht ab.)






Zweyte Scene.
(Ophelia tritt auf.)


Polonius.
Lebt wohl--Ha, was giebts, Ophelia?  Was wollt ihr?

Ophelia.
Ach, Gnädiger Herr Vater, ich bin so erschrekt worden!

Polonius.
Womit, womit, ums Himmel willen?

Ophelia.
Gnädiger Herr Vater, weil ich in meinem Zimmer saß und nähte, da
kam der Prinz Hamlet, sein Wammes von oben an bis unten ungeknöpft,
keinen Hut auf dem Kopf, seine Strümpfe nicht aufgezogen, ohne
Kniebänder, bis auf die Zehen herunter gerollt, so bleich wie sein
Hemde, zitternd, daß seine Kniee an einander anschlugen, und mit
einem Blik von so erbärmlicher Bedeutung, als ob er aus der Hölle
herausgelassen worden wäre, damit er von ihren Schreknissen reden
sollte; in dieser Gestalt stellte er sich vor mich hin.

Polonius.
Er wird doch nicht aus Liebe zu dir toll worden seyn?

Ophelia.
Ich weiß es nicht, Gnädiger Herr Vater, aber, auf meine Ehre, ich
besorg es.

Polonius.
Was sagte er dann?

Ophelia.
Er nahm mich bey der Hand, und hielt mich fest; hernach trat er um
die ganze Länge seines Arms zurük, und die andre Hand hielt er so
über seine Stirne, und dann sah er mir scharf ins Gesicht, als ob
er es abzeichnen wollte.  So stuhnd er eine gute Weile; zulezt
schüttelte er mir den Arm ein wenig, wankte dreymal so mit dem Kopf
auf und nieder, und holte dann einen so tiefen und erbärmlichen
Seufzer, daß ich nicht anders dachte, als er würde den Geist
aufgeben.  Drauf ließ er mich gehen, drehte seinen Kopf über die
Schulter, und schien seinen Rükweg ohne Augen zu finden; denn, er
kam ohne ihre Hülfe zur Thür hinaus, und heftete sie zulezt noch
mit einem traurigen Blik auf mich.

Polonius.
Komm mit mir, ich will den König aufsuchen.  Das ist nichts anders,
als die Wirkung einer übermässigen und ausser sich selbst
gebrachten Liebe; denn die Gewalt der Liebe ist so heftig, daß sie
den Menschen zu so verzweifelten Handlungen treiben kan, als irgend
eine andre Leidenschaft, womit unsre Natur behaftet ist.  Es ist
mir Leid dafür; habt ihr ihn etwa kürzlich hart angelassen?

Ophelia.
Nein, Gnädiger Herr Vater; alles was ich that, war bloß, daß ich
nach euerm Befehl keine Briefe von ihm annahm, und ihn nicht vor
mich kommen ließ.

Polonius.
Und darüber ist er närrisch worden.  Es ist mir leid, daß ich die
Natur seiner Zuneigung zu dir nicht besser beobachtet habe.  Ich
besorgte, er kurzweile nur so, und suche dich zu verführen; aber
der Henker hole meine voreilige Besorgniß; es scheint es sey eine
Eigenschaft des Alters, die Vorsichtigkeit zu weit zu treiben, so
wie bey jungen Leuten nichts gemeiners ist als gar keine zu haben.
Kommt, wir wollen zum Könige gehen.  Er muß Nachricht hievon
bekommen; die Entdekung dieses Geheimnisses kan uns lange nicht so
viel Verdruß zuziehen, als wir davon haben könnten, wenn wir länger
schweigen würden.

(Sie gehen ab.)






Dritte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast.)
(Der König, die Königin, Rosenkranz, Güldenstern, Edle und andre
 vom Königlichen Gefolge.)


König.
Willkommen, Rosenkranz und Güldenstern.  Ausserdem, daß wir ein
besonderes Verlangen getragen haben euch zu sehen, hat uns noch die
Nothwendigkeit, Gebrauch von euch zu machen, zu dieser eilfertigen
Beschikung vermocht.  Ihr habet vermuthlich etwas von Hamlets
Verwandlung gehört; so muß ich es nennen, da er weder dem
Äusserlichen noch Innerlichen, noch sich selbst mehr ähnlich ist.
Was das seyn mag, was, ausser seines Vaters Tod, ihn zu dieser
Entfremdung von sich selbst gebracht hat, kan ich mir nicht träumen
lassen.  Ich bitte euch also beyde, da ihr von eurer ersten Jugend
an mit ihm auferzogen worden, und die Gleichheit des Alters euch zu
seiner Vertraulichkeit mehr Recht als andern giebt, so haltet euch
nur eine kleine Zeitlang an unserm Hofe auf, um ihm Gesellschaft zu
leisten, ihn in allerley Lustbarkeiten zu ziehen, und zu versuchen,
ob ihr nicht Gelegenheit findet von ihm heraus zu loken, was die
uns unbekannte Ursache seiner ungewöhnlichen Schwermuth ist, und ob
sie so beschaffen ist, daß wir derselben abzuhelfen im Stande sind.

Königin.
Meine liebe Herren, er hat viel von euch gesprochen, und ich bin
gewiß daß niemand in der Welt ist, auf den er mehr hält als auf
euch beyde.  Wenn ihr uns so viele Gefälligkeit und guten Willen
erweisen, und euch so lange hier bey uns aufhalten wollet, als zu
Erreichung unsrer Absicht und Erwartung nöthig seyn mag, so seyd
versichert, daß euer Besuch einen Dank erhalten soll, wie es der
Erkenntlichkeit eines Königs anständig ist.

Rosenkranz.
Eure Majestäten haben beiderseits eine so unumschränkte Macht über
uns, daß sie da befehlen können, wo es ihnen beliebt zu bitten.

Güldenstern.
Wir gehorchen also beyde, und geben alles was wir sind zum Pfand
des Eifers, womit wir uns bestreben werden, unsre Dienste zu euern
Füssen zu legen.

König.
Ich danke euch, werther Rosenkranz und Güldenstern.

Königin.
Ich danke euch, werther Güldenstern und Rosenkranz, und ersuche
euch, sogleich zu gehen, und meinem ganz unkenntlich gewordnen Sohn
einen Besuch zu geben.  Geh einer von euch, und führe diese Herren
zu Hamlet.

Güldenstern.
Gebe der Himmel, daß ihm unsre Gegenwart und unsre Verwendungen
angenehm und heilsam sey!

(Rosenkranz und Güldenstern gehen ab.)

Königin.
Amen!  (Polonius zu den Vorigen.)

Polonius.
Gnädigster Herr; die Abgesandten nach Norwegen sind glüklich wieder
angelangt.

König.
Du bist immer der Vater guter Zeitungen gewesen.

Polonius.
Bin ich, Gnädigster Herr?  Seyd versichert, mein Gebieter, ich
halte auf meine Pflicht wie auf meine Seele, beydes gegen meinen
Gott und gegen meinen huldreichesten König; und ich denke, (oder
mein Kopf müßte alle die Mühe, die ich in meinem Leben auf die
politische Wahrsager-Kunst gewandt, vergebens gehabt haben,) ich
denke, ich habe die wahre Ursache von Hamlets Wahnwiz ausfündig
gemacht.

König.
O, so redet von dem, was mich am meisten verlangt zu hören.

Polonius.
Gebet vorher den Abgesandten Audienz; meine Neuigkeit soll der
Nachtisch von diesem grossen Schmause seyn.

König.
So erweiset ihnen die Ehre, und führet sie selbst ein.

(Polonius geht ab.)

Er sagt mir, meine liebste Königin, er habe die wahre Quelle von
unsers Sohnes Krankheit ausfindig gemacht.

Königin.
Ich besorge, es ist im Grunde keine andre, als seines Vaters Tod
und unsre übereilte Vermählung.




Vierte Scene.
(Polonius kommt mit Voltimand und Cornelius zurük.)


König.
Gut, wir wollen ihm die Würmer schon aus der Nase ziehen--
Willkommen, meine guten Freunde!  Redet, Voltimand, was bringt ihr
uns von unserm Bruder Norwegen?

Voltimand.
Die verbindlichste Erwiederung euers Grusses mit allen
freundschaftlichen Erbietungen.  Auf unsre erste Anzeige schikte er
aus, die Werbungen seines Neffen abzustellen, welche er für eine
Zurüstung gegen Pohlen gehalten hatte; wie er aber besser zur Sache
sah, befand sich's, daß es in der That gegen Eu.  Majestät
abgesehen war: Bey dieser Entdekung führte er grosse Klagen, daß
seine Alters-Schwachheit und Unvermögenheit so mißbraucht werde,
und ließ den Fortinbras sogleich in Verhaft nehmen; dieser (damit
wir unsre Erzählung kurz zusammen fassen) unterwarf sich, nahm von
seinem Oheim einen scharfen Verweiß ein, und gelobete demselben
zulezt in die Hand, daß er die Waffen niemals gegen Eu.  Majestät
ergreifen wolle.  Hierüber hatte der alte Norwegen eine so grosse
Freude, daß er ihm auf der Stelle ein jährliches Gehalt von
dreytausend Kronen ausmachte, mit dem Auftrag, die bereits
angeworbnen Truppen gegen den König in Pohlen zu gebrauchen; zu
welchem Ende er dann Eu.  Majestät in gegenwärtigem Schreiben
ersucht, daß es ihr gefallen möchte, selbigen den ruhigen Durchzug
durch ihre Staaten zu dieser Unternehmung zu gestatten, unter
denjenigen Bedingnissen und Sicherheits-Clausuln, welche in
bemeldtem Schreiben enthalten sind.

König.
Wir sind es ganz wol zufrieden, und werden, bey gelegnerer Zeit
dieses Schreiben lesen, überdenken und beantworten.  Inzwischen
danken wir euch für eure glüklich angewandte Bemühung.  Gehet izt
und ruhet aus; auf die Nacht wollen wir uns mit einander lustig
machen.  Seyd nochmals freundlich willkommen!

(Die Gesandten gehen ab.)

Polonius.
Dieses Geschäfte ist nun glüklich geendigt.  Mein Gnädigst
gebietender Herr, und meine Gnädigste Frau; weitläufig zu
exponieren, was Majestät und was Pflicht ist, warum der Tag Tag,
die Nacht Nacht, und die Zeit Zeit ist, wäre nichts anders als Tag,
Nacht und Zeit verderben.  Demnach und alldieweilen dann die Kürze
die Seele des Wizes, und Weitläufigkeit im Vortrag nur den Leib und
die äusserliche Auszierung desselben ausmacht, so will ich mich der
Kürze befleissen: Euer edler Sohn ist toll; toll, nenn ich es, denn
um von der wahren Tollheit eine Definition zu geben, was ist sie
anders, als sonst nichts zu seyn als toll?  Doch das wollen wir izo
beyseite sezen--

Königin.
Mehr Stoff mit weniger Kunst, wenn es euch beliebig wäre.

Polonius.
Gnädigste Frau, ich kan drauf schwören, daß ich vor dißmal gar
keine Kunst gebrauche.  Daß er toll ist, ist wahr; daß es wahr ist,
ist zu bedauren--eine drollige Figur--Aber sie mag reisen; denn ich
will hier gar keine Kunst gebrauchen.  Wir wollen also zum Grund
legen, daß er toll ist; nun ist übrig, daß wir die Ursache von
diesem Effect, oder richtiger zu reden, die Ursache von diesem
Defect ausfindig machen.  Das bleibt übrig, und dieses Residuum ist
diß--Überleget die Sache.  Ich habe eine Tochter; habe, sag' ich,
so lange sie mein ist; und diese hat, aus schuldiger Pflicht und
Gehorsam, merket wol, mir dieses zugestellt; nun rathet einmal,
oder bildet euch ein was es seyn mag.

(Er öffnet einen Brief und ließt:)

"An den himmlischen Abgott meiner Seele, die reizerfüllteste
Ophelia"--Das ist eine schlimme Redensart, eine abgeschmakte
Redensart: Reizerfüllteste ist eine abgeschmakte Art zu reden: Aber
ihr werdet's erst noch hören--"Diese Zeilen auf ihren
unvergleichlichen weissen Busen, diese--

Königin.
Kommt das von Hamlet an sie?

Polonius.
Gnädigste Frau, nur eine kleine Geduld, ich will meine Schuldigkeit
thun.

(Er ließt:)

Zweifle an des Feuers Hize,
Zweifle an der Sonne Licht,
Zweifle ob die Wahrheit Lüge,
Schönste, nur an deinem Siege
Und an meiner Liebe nicht.  O, meine liebste Ophelia, ich bin böse
über diese Verse; ich verstehe die Kunst nicht meine Seufzer an den
Fingern abzuzählen, aber daß ich dich so vollkommen liebe als du
liebenswürdig bist, das glaube.  Adieu.  Der deinige so lange diese
Maschine sein ist, Hamlet." Dieses hat mir also meine Tochter aus
pflichtschuldigem Gehorsam gezeigt, und überdas noch weiters meine
Ohren mit allen seinen Nachstellungen, so wie sie nach Zeit, Ort
und Umständen sich begeben haben, bekannt gemacht.

König.
Aber wie hat sie seine Liebe aufgenommen?

Polonius.
Was denket ihr von mir?

König.
Daß ihr ein ehrlicher und pflichtvoller Mann seyd.

Polonius.
So möchte ich in der Probe gerne bestehen.  Aber was könntet ihr
denken?  Wie ich diese feurige Liebe gewahr wurde, (und ich muß
euch gestehen, daß ich sie merkte, eh mir meine Tochter was davon
sagte,) was hätten Eu.  Königliche Majestäten denken können?  Wenn
ich einen Pult oder eine Schreib-Tafel vorgestellt, oder aus
weitaussehenden Absichten den Tauben und Stummen gemacht, oder über
diese Liebe mit gleichgültigen Augen hingesehen hätte, was würdet
ihr denken?  Aber nein, ich gieng fein gerade durch, und besprach
mein junges Frauenzimmer folgender maassen: Prinz Hamlet ist ein
Prinz, und also über deiner Sphäre; es kan nicht seyn; und dann gab
ich ihr Regeln, wie sie sich vor ihm unsichtbar machen, keine
Bottschaften von ihm vor sich lassen, und weder Briefchen noch
Geschenke annehmen sollte--Das that sie nun; aber sehet was die
Früchte meines Raths gewesen sind.  Denn, daß ich es kurz mache,
wie er abgewiesen wurde, so gerieht er in Traurigkeit, hernach
verlohr er den Appetit, darauf den Schlaf, dadurch verfiel er in
Schwachheit, aus dieser in ein Delirium, und so von Grad zu Grad,
endlich in die Tollheit, worinn er nun raset, und welche wir alle
beweinen.

König.
Denkt ihr das?

Königin.
Es kan gar wol möglich seyn.

Polonius.
Ist jemals eine Zeit gewesen, das möcht' ich doch gerne wissen, wo
ich positive gesagt habe, es ist so, und es hat sich anders
befunden?

König.
Meines Wissens nicht.

Polonius.
Wenn es anders ist, will ich meinen Kopf verlohren haben.  Wenn ich
nur einige Umstände weiß, so will ich allemal finden, wo die
Wahrheit verstekt liegt, und wenn sie im Mittelpunkt der Erde
stekte.

König.
Aber wie könnten wir der Sache gewisser werden?

Polonius.
Ihr wißt, daß er manchmal vier Stunden hinter einander hier in der
Galerie auf- und abgeht.

Königin.
Es ist so.

Polonius.
Um eine solche Zeit will ich meine Tochter zu ihm lassen: Ihr und
ich wollen uns hinter eine Tapete versteken, und da wollen wir
beobachten, was vorgehen wird: Liebt er sie nicht, und hat seine
Vernunft nicht darüber verlohren, so will ich meine Minister-Stelle
aufgeben, ein Bauer werden und Mist auf meine Felder führen.

König.
Wir wollen die Sache näher erkundigen.




Fünfte Scene.
(Hamlet, in einem Buche lesend, tritt auf.)


Königin.
Seht, da kommt der arme Tropf daher, in einem Buch lesend--wie
schwermüthig er aussieht!

Polonius.
Ich bitte euch, entfernt euch beyde.  Ich will ihn anreden.

(Der König und die Königin gehen ab.)

O, mit Erlaubniß--Wie befindet sich mein Gnädigster Prinz Hamlet?
--

Hamlet.
Wohl, Gott sey Dank.

Polonius.
Kennt ihr mich, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Sehr wol; ihr seyd ein Fisch-Händler.

Polonius.
Das bin ich nicht, Gnädiger Herr.

Hamlet.
So wollt' ich, ihr wäret so ein ehrlicher Mann.

Polonius.
Ehrlich, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Ja, Herr; ehrlich seyn, das ist, so wie die heutige Welt geht, so
viel als aus Zehntausenden ausgeschlossen seyn.

Polonius.
Das ist wol wahr, Gnädiger Herr.

Hamlet.
Denn wenn die Sonne Maden in einem todten Hunde zeugt, die doch ein
Gott ist, aber sobald sie ein Aaß küßt--Habt ihr eine Tochter?

Polonius.
Ja, Gnädiger Herr.

Hamlet.
Laßt sie nicht in der Sonne gehen; Empfängniß ist ein Segen, aber
wie eure Tochter empfangen könnte, ist keiner; gebt Acht auf das.

Polonius.
Was wollt ihr damit sagen?--

(vor sich.)

Immer die gleiche Leyer, von meiner Tochter; und doch kannte er
mich anfangs nicht; er hielt mich für einen Fisch-Händler.  Es ist
weit mit ihm gekommen; aber ich erinnre mich wol, daß ich in meiner
Jugend erschreklich viel von der Liebe ausgestanden habe, es war
diesem ziemlich nahe--Ich will ihn noch einmal anreden.  Was leset
ihr, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Worte, Worte, Worte.

Polonius.
Wovon ist die Rede, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Zwischen wem?

Polonius.
Ich meyne, was der Inhalt dessen, was ihr leset, sey?

Hamlet.
Calumnien, Herr; denn der satirische Bube da sagt, alte Männer
hätten graue Bärte, und runzlichte Gesichter, ihr Augen trieften
Amber und Pflaumen-Baum-Harz, und sie hätten vollen Mangel an
Verstand mit sehr schwachen Schinken.  Welches alles, mein Herr,
ich zwar mächtiglich und festiglich glaube; aber doch halt' ich es
für Unhöflichkeit, daß es so niedergeschrieben worden; denn ihr
selbst, Herr, würdet so alt als ich seyn, wenn ihr wie ein Krebs
rükwärts gehen könntet.

Polonius (vor sich.)
Wenn das Tollheit ist, wie es dann ist, so ist doch Methode drinn--
Wollt ihr nicht ein wenig aus der freyen Luft gehen, Gnädiger Herr?

Hamlet.
In mein Grab.

Polonius.
In der That, das wäre aus der freyen Luft--

(vor sich.)

wie nachdrüklich manchmal seine Antworten sind!  Das ist ein
Vortheil der unsinnigen Leute, daß sie zuweilen Einfälle haben, die
einem der bey seinen Sinnen ist, nicht so schnell und leicht von
statten giengen--Ich will ihn verlassen, und sogleich Anstalt zu
einer Zusammenkunft zwischen ihm und meiner Tochter machen--

(laut)

Gnädigster Herr, ich nehme meinen unterthänigen Abschied von euch.

Hamlet.
Mein Leben ausgenommen, könnt ihr mir in der Welt nichts nehmen,
dessen ich so leicht entrathen kan.

Polonius.
Lebet wohl, Gnädiger Herr.

Hamlet (vor sich.)
Die verdrießlichen alten Narren!




Sechste Scene.
(Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)


Polonius.
Ihr sucht vermuthlich den Prinzen Hamlet; hier ist er.

(Er geht ab.)

Rosenkranz.
Gott erhalte euch, Gnädiger Herr.

Güldenstern.
Mein theurester Prinz!

Hamlet.
Ah, meine werthen guten Freunde!  Wie lebst du, Güldenstern?  Ha,
Rosenkranz, ihr ehrlichen Jungens, wie geht's euch beyden?

Rosenkranz.
Wie es so unbedeutenden Erden-Söhnen zu gehen pflegt.

Güldenstern.
Eben darinn glüklich, daß wir nicht gar zu glüklich sind--Wir sind
eben nicht der Knopf auf Fortunens Kappe.

Hamlet.
Doch nicht die Solen an ihren Schuhen?

Rosenkranz.
Das auch nicht, Gnädiger Herr.

Hamlet.
Ihr hangt also an ihrem Gürtel--Gut; was bringt ihr denn neues?

Rosenkranz.
Nichts, Gnädiger Herr, als daß die Welt ehrlich worden ist.

Hamlet.
So ist der jüngste Tag im Anzug; aber eure Zeitung ist falsch.
Verstattet mir einmal eine vertrauliche Frage: Womit habt ihr euch
an der Göttin Fortuna versündiget, meine guten Freunde, daß sie
euch hieher in den Kerker geschikt hat?

Güldenstern.
In den Kerker, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Dännemark ist ein Kerker.

Rosenkranz.
So ist die ganze Welt einer.

Hamlet.
Ein recht stattlicher, worinn viele Thürme, Gefängnisse und Löcher
sind, unter denen Dännemark eines der ärgsten ist.

Rosenkranz.
Wir denken nicht so, Gnädiger Herr.

Hamlet.
Nicht?  Nun so ist es auch nicht so für euch: Es ist nichts so gut
oder so schlimm, das nicht durch unsre Meynung dazu gemacht wird:
Für mich ist es ein Gefängniß.

Rosenkranz.
Wenn das ist, so macht es euer Ehrgeiz dazu; es ist zu enge für
euern Geist.

Hamlet.
O Gott, ich wollte mich in eine Nußschale einsperren lassen, und
mir einbilden, daß ich König über einen unendlichen Raum sey; wenn
ich nur nicht so schlimme Träume hätte.

Güldenstern.
Welche Träume im Grunde nichts anders als Ehrgeiz sind; denn was
ist das ganze Wesen des Ehrsüchtigen, als ein Schatten von einem
Traum?

Hamlet.
Ein Traum ist selbst nur ein Schatten.

Rosenkranz.
Allerdings, und ich halte den Ehrgeiz für etwas so leichtes und
unwesentliches, daß er nur der Schatten eines Schattens genennt zu
werden verdient.

Hamlet.
Nach dieser Art zu urtheilen, sind unsre Bettler, Körper; und unsre
Monarchen und aufgespreißten Helden, der Bettler Schatten.  Wollen
wir nach Hofe?  Denn, auf meine Ehre, raisonnieren ist meine Sache
nicht.

Beyde.
Wir sind zu Euer Gnaden Aufwartung.

Hamlet.
Keine solche Complimente: Ich möchte euch nicht zu meinen übrigen
Bedienten rechnen: Denn wenn ichs euch als ein ehrlicher Mann sagen
soll, ich habe ein sehr fürchterliches Gefolge; aber in vollem
Vertrauen, was thut ihr hier in Elsinoor?

Rosenkranz.
Wir sind blos hieher gekommen, euch unsern Besuch abzustatten.

Hamlet.
Ich bin so bettelarm, daß ich so gar an Dank arm bin; doch dank ich
euch, und versichert euch, meine theuren Freunde, mein Dank ist zu
theuer um einen Halb-Pfenning.  Seyd ihr nicht beruffen worden?
war es euer eigner Gedanke?  Ist es ein Besuch aus freyem gutem
Willen?  Kommt, geht mit der Sprache heraus--Kommt, kommt; nun so
sagt dann--

Güldenstern.
Was sollen wir sagen, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Das gilt mir gleich, wenn es nur zur Sache taugt.  Man hat euch
holen lassen; ich sehe eine Art von Geständniß in euern Augen,
welches eure Bescheidenheit nicht Kunst genug hat zu maskieren.
Ich bin gewiß, der gute König und die Königin haben euch holen
lassen.

Rosenkranz.
Zu was Ende, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Daß ihr mich ausforschen sollt; aber laßt mich euch bey den Rechten
unsrer Cameradschaft, bey der Übereinstimmung unsrer Jugend, bey
den Banden unsrer niemals unterbrochnen Liebe, und bey allem was
ein beßrer Redner als ich bin, euch noch theurers vorhalten könnte,
beschwören, mir aufrichtig und gerade heraus zu sagen, ob man euch
nicht habe holen lassen?

Rosenkranz (zu Güldenstern.)
Was sagt ihr hiezu?

Hamlet.
Nicht so, denn ich hab' ein Aug auf euch; wenn ihr mich liebet so
haltet nicht zurük.

Güldenstern.
Man hat uns ruffen lassen, Gnädiger Herr.

Hamlet.
Ich will euch sagen wofür; so habt ihr euch doch keine Verrätherey
vorzuwerfen, und eure Treue gegen den König und die Königin wird um
keine Feder leichter.  Ich habe, seit einiger Zeit, warum weiß ich
selbst nicht, alle meine Munterkeit verlohren, alle meine gewohnten
Übungen aufgegeben; und in der That es ist mit meiner Schwermuth
so weit gekommen, daß diese anmuthige Erde mir nur ein kahles
Vorgebürge; dieses prächtige Baldachin die Luft, seht ihr, dieses
stolze über uns hangende Firmament, diese majestätische Deke mit
goldnen Sphären eingelegt, mir nicht anders vorkommt, als wie ein
stinkender Sammelplaz pestilenzischer Ausdünstungen.  Was für ein
Meisterstük ist der Mensch!  Wie edel durch die Vernunft!  Wie
unbegrenzt in seinen Fähigkeiten!  An Gestalt und Bewegungs-Kraft
wie vollendet und bewundernswürdig!  Im Würken wie ähnlich einem
Engel!  Im Denken wie ähnlich einem Gott!  Die schönste Zier der
Schöpfung!  Das vollkommenste aller sichtbaren Wesen!  Und doch,
was ist in meinen Augen diese Quintessenz von Staub?  Der Mensch
gefällt mir nicht, und das Weib eben so wenig; ohngeachtet ihr es
durch euer Lächeln zu verstehen zu geben scheint.

Rosenkranz.
Gnädiger Herr, ich hatte keinen Gedanken an das.

Hamlet.
Warum lachtet ihr dann, wie ich sagte, der Mensch gefalle mir nicht?

Rosenkranz.
Ich lachte, weil mir dabey einfiel, was für einen magern Unterhalt,
bey solchen Umständen, die Comödianten, bey Euer Gnaden finden
werden; wir stiessen unterwegs auf sie, und sie sind im Begriff
hieher zu kommen, um euch ihre Dienste anzubieten.

Hamlet.
Derjenige, der den König macht, soll mir willkommen seyn; seine
Majestät soll Tribut von mir empfangen; der irrende Ritter soll
sein Rappier und seine Tarsche brauchen; der Liebhaber soll nicht
gratis seufzen; die lustige Person soll ihre Rolle ruhig bis zu
Ende spielen; der Hans Wurst soll alle lachen machen, deren Lunge
ohnehin von scharfen Feuchtigkeiten gekizelt wird, und die Damen
sollen sagen was sie denken, oder die reimlosen Verse sollen es
entgelten.  Was für Comödianten sind es?

Rosenkranz.
Die nemlichen, welche sonst euern Beyfall hatten, die Schauspieler
von der Stadt.

Hamlet.
Wie kommt es, daß sie reisen?  Ihre Residenz war für ihren Ruhm und
ihren Beutel vorteilhafter.

Rosenkranz.
Ich denke, ihre Abdankung ist die Folge einiger Veränderungen,
welche neuerlich gemacht worden sind.

Hamlet.
Stehen sie noch in dem nemlichen Credit wie vormals, als ich in der
Stadt war?  Haben sie noch so viel Zulauf?

Rosenkranz.
Nein in der That, den haben sie nicht.

Hamlet.
Wie kommt das, fangen sie an rostig zu werden?

Rosenkranz.
Nein, sie geben sich noch immer so viele Mühe als zuvor; aber es
ist ein Nest voll Kinder zum Vorschein gekommen, kleine Kichelchen,
die beym Haupt-Wort eines Sazes aus allen Kräften ausgrillen, und
auch jämmerlich genug geschlagen werden, bis sie es so gut gelernt
haben; die sind izt Mode, und überplappern die gemeinen
Schauspieler (so nennen sie's) dermassen, daß manche, die einen
Degen an der Seite tragen, vor Gänsespulen erschraken, und das Herz
nicht haben, sie zu besuchen.*

{ed.-* Diese ganze Stelle bezieht sich auf einen damaligen
theatralischen Streit, durch gewisse Schauspiele veranlaßt, welche
von den Chor-Knaben von des Königs Jacob I.  Capelle aufgeführt
wurden.}

Hamlet.
Kinder, sagt ihr, seyen es?  Und wer unterhält sie?  Wie werden sie
salariert?  Werden sie das Handwerk nur so lange treiben, als sie
singen können?  Und wenn sie sich endlich zu gemeinen Comödianten
ausgewachsen haben, (wie sie doch zulezt werden müssen, wenn sie
keine Mittel haben,) werden sie sich alsdann nicht beschweren, daß
ihre Autoren ihnen vormals so schöne Exclamationen gegen ihre eigne
künftige Profession in den Mund gelegt haben?

Rosenkranz.
Bey meiner Ehre, es wurde auf beyden Seiten grosser Lerm gemacht,
und die Nation hält es für keine Sünde, sie noch mehr zum Streit
aufzureizen.  Es war eine geraume Zeit lang mit dem schönsten Stük
von der Welt kein Geld zu verdienen, wenn der Poet und der
Schauspieler diese wichtige Streitfrage nicht mit hineinbrachten,
und ihren Gegnern links und rechts Ohrfeigen austheilten.

Hamlet.
Ist's möglich?

Güldenstern.
O, ich kan Euer Gnaden versichern, es ist hizig hergegangen.

Hamlet.
Und tragen die Jungens es davon?**

{ed.-** Man hat diese Redensart, welche auch im Französischen
gewöhnlich ist,

(est-ce que les Enfans l'emportent?)

um der Antwort willen beybehalten müssen.}

Güldenstern.
Das thun sie, Gnädiger Herr; den Hercules mit samt seiner Ladung.

Hamlet.
Mich wundert es nicht; denn mein Oheim ist König in Dännemark, und
die Nemlichen, welche bey meines Vaters Leben Frazen-Gesichter
gegen ihn geschnitten hätten, geben izt zwanzig, vierzig, fünfzig,
ja hundert Ducaten, um sein Bildniß in Miniatur zu haben.*** Es ist
etwas mehr als natürliches hierinn, das wol werth wäre, daß die
Philosophen sich Mühe gäben, es zu erforschen.

{ed.-*** Ein Stich über den Beyfall den die Chor-Knaben bey dem
König und dem Hofe fanden.}

(Man hört ein Getöse.)

Güldenstern.
Da kommen die Comödianten.

Hamlet (zu Güldenstern und Rosenkranz.)
Meine Herren, ihr seyd willkommen in Elsinoor, gebt mir eure Hände;
kommt, kommt; wir wollen die Ceremonien bey Seite legen.  Das muß
unter uns ausgemacht seyn, sonst würde mein Betragen gegen diese
Comödianten (gegen welche ich, gewisser Ursachen wegen, höflich
seyn werde,) mehr Verbindliches zu haben scheinen, als mein
Bezeugen gegen euch.  Ihr seyd willkommen; aber mein Oheim-Vater,
und meine Tante-Mutter haben sich betrogen.

Güldenstern.
Wie so, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Ich bin nur toll bey Nord oder Nord-West; wenn der Wind von Suden
bläßt, kan ich einen Falken sehr wol von einer Hand-Säge
unterscheiden.****

{ed.-**** Ein damals gewöhnliches Sprüchwort.  Eigentlich soll es
heissen, einen Falken von einem Reyger-Nest; allein das gemeine
Volk machte aus (Hern-shaw, (I know a hawk from a hern-shaw)
hand-saw) eine Hand-Säge, vermuthlich, damit die Redensart
possierlicher klinge, wie es vielen Sprüchwörtern zu gehen pflegt.}





Siebende Scene.
(Polonius zu den Vorigen.)


Polonius.
Ich wünsche euch viel Gutes, meine Herren.

Hamlet.
Hört ihr, Güldenstern, und ihr auch; diß grosse Wiegen-Kind, das
ihr hier vor euch seht, ist noch nie aus seinen Windeln gekommen.

Rosenkranz.
Vielleicht ist er zum andern mal drein gekommen, denn man sagt,
alte Leute zweymal Kinder.

Hamlet.
Ich seh es ihm an, daß er kommt, mir von den Comödianten zu
sprechen--Gebt Acht darauf--Ihr habt recht, mein Herr; lezten
Montag früh war es so, in der That.

Polonius.
Gnädiger Herr, ich habe euch was neues zu sagen.

Hamlet.
Gnädiger Herr, ich habe (euch) was neues zu sagen; als Roscius ein
Comödiant zu Rom war--


Polonius.
Die Comödianten sind hier angekommen, Gnädiger Herr.

Hamlet.
Was?

Polonius.
Auf meine Ehre--

Hamlet.
Jeder Comödiant kam also auf seinem Esel--

Polonius.
Die besten Schauspieler in der Welt, es sey nun für Tragödie,
Comödie, Historie, Pastoral, Tragi-Comödie, Comical-Pastoral, oder
was ihr immer wollt; für sie ist Seneca nicht zu schwer, und
Plautus nicht zu leicht.  Wenn Wiz und Freyheit das einzige Gesez
sind, so findet man ihres gleichen nicht in der Welt.

Hamlet.
(O Jephta, Richter in Israel)*, was für einen Schaz hast du!

{ed.-* Dieses und was Hamlet dem Polonius antwortet, scheinen
Bruchstüke aus alten Balladen zu seyn.}

Polonius.
Was hatte er für einen Schaz, Gnädiger Herr?

Hamlet.
(Ein' Tochter hatt' er, und nicht mehr,
Ein hübsches Mädchen, das liebt er sehr.)

Polonius (vor sich.)
Immer stekt ihm meine Tochter im Kopf

Hamlet.
Hab' ich nicht recht, alter Jephta?

Polonius.
Wenn ich der Jephta bin, den ihr meynt, Gnädiger Herr, so hab ich
eine Tochter, die ich sehr liebe.

Hamlet.
Nein, das folgt nicht.

Polonius.
Was folgt denn, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Was?  Zum Exempel,

(Da trug sich zu, wie ich sagen thu--) ihr kennt ja das Liedchen?
Aber da kommen die ehrlichen Leute, die mir heraushelfen--
(Vier oder fünf Schauspieler treten auf.) Willkommen, ihr Herren,
willkommen allerseits--Es freut mich, dich wohl zu sehen--
Willkommen meine guten Freunde--Ha!  Alter Freund!  Du hast ja
einen hübschen Bart bekommen, seit dem wir uns gesehen haben--wie,
meine hübsche Jungfer, ihr seyd ja um eine Pantoffel-Höhe
gewachsen?  Ich will hoffen, daß es eurer schönen Stimme nichts
geschadet haben werde--Ihr Herren, ihr seyd alle willkommen; wir
wollen nur gleich zur Sache--eine hübsche Scene, wenn ich bitten
darf; kommt, kommt; eine kleine Probe von eurer Kunst, eine Rede,
worinn recht viel Affect ist--

1. Schauspieler.
Was für eine Rede, Gnädiger Herr?

Hamlet.
Ich hörte dich einmal eine declamieren, aber auf die Schaubühne kam
sie nicht; wenigstens nicht mehr als einmal; denn das Stük, so viel
ich mich erinnere, gefiel dem grossen Hauffen nicht; es war Stör-
Rogen (Caviar) für den Pöbel; aber, wie ich und andre, deren
Urtheil ich in solchen Sachen traue, es ansahen, war es ein
vortreffliches Stük; viel Einfalt und doch viel Kunst in der Anlage
des Plans, und die Scenen wol disponiert; nichts affectiertes in
der Schreibart; kein Salz, (sagte jemand) in den Worten, um der
Mattigkeit der Gedanken nachzuhelfen; keine Redensarten noch
Schwünge, worinn man statt der redenden Person den sich selbst
gefallenden Autor hört; kurz, ein natürlicher, ungeschminkter Styl,
wie der Kenner sagte.  Ich erinnre mich sonderheitlich einer Rede,
die mir vorzüglich gefiel; es war in einem Dialoge des Äneas mit
der Dido, die Stelle, wo er von Priams Tochter sprach.  Wenn ihr's
noch im Gedächtniß habt, so fangt bey der Zeile an--Laßt sehen,
laßt sehen--"Der rauhe Pyrrhus, gleich dem Hyrcanischen Tyger"--
Nein, so heißt es nicht--es fangt mit dem Pyrrhus an--"Der rauhe
Pyrrhus, dessen Rüstung, schwarz wie sein unmenschliches Herz,
jener Nacht glich, da er auf Verderben laurend, im Bauch des
fatalen Pferdes verborgen lag, hatte nun die furchtbare Schwärze
seiner Waffen mit einer noch gräßlichern Farbe beflekt; nun ist er
von Kopf zu Fuß ganz blutroth; entsezlich besprizt mit Blut von
Vätern, Müttern, Söhnen, Töchtern, in die düstre Flamme gehüllt,
deren verdammter Schein den Weg schnöder Mörder beleuchtet--So von
Wuth und Hize lechzend, so mit gestoktem Blut überzogen, sucht mit
funkelnden Augen der höllische Pyrrhus den alten Anherrn Priam auf."

Polonius.
Bey Gott, Gnädiger Herr, das war gut declamirt; mit einem guten
Accent, und mit einer geschikten Action.

1. Schauspieler.
Er findet ihn, von Griechen umringt, die er aber mit zu
kurzgeführten Streichen, zurükzutreiben sucht.  Sein altes Schwerd,
ungehorsam dem kraftlosen Arm, führt lauter unschädliche Hiebe und
bleibt liegen, wohin es fällt--welch ein Gegner, die Wuth des
daherstürzenden Pyrrhus aufzuhalten, der Wütrich hohlt zu einem
tödtlichen Streich weit aus; aber von dem blossen Zischen seines
blutigen Schwerds fällt der nervenlose Vater zu Boden.  Das
gefühllose Ilion selbst schien diesen Streich zu fühlen, seine
flammenden Thürme stürzten ein, und der entsezliche Ruin macht
sogar den Pyrrhus stuzen; denn, seht, sein Schwerd, im Begriff, auf
das milchweisse Haupt des ehrwürdigen Priams herab zu fallen, blieb,
so schien es, in der Luft steken; Pyrrhus stuhnd, wie ein
gemahlter Tyrann, unthätig, dem Unentschloßnen gleich, der zwischen
seinem Willen und dem Gegenstand im Gleichgewicht schwebt; aber, so,
wie wir oft wenn ein Sturm bevorsteht, ein tiefes Schweigen durch
die Himmel wahrnehmen das Rad der Natur scheint zu stehen, die
trozigen Winde schweigen, und unter ihnen liegt der Erdkreis in
banger Todes-Stille; auf einmal stürzt der krachende Donner,
Verderben auf die Gegend herab: So feurt den unmenschlichen Pyrrhus,
nach dieser kleinen Pause, ein plözlicher Sturm von Rachsucht
wieder zur blutigen Arbeit an: Gefühlloser fielen nie die Hämmer
der Cyclopen auf die glühende Masse herab, woraus sie des Kriegs-
Gottes undurchdringliche Waffen schmieden; als nun des Pyrrhus
Schwerdt auf den hülflosen Greisen fällt--Hinaus, hinaus, du Meze,
Fortuna!  O ihr Götter alle, vereiniget euch, stehet alle zusammen,
sie ihrer Gewalt zu berauben: Zerbrechet alle Speichen und Felgen
ihres Rades, und rollet die zirkelnde Nabe von dem Hügel des
Himmels bis in den Abgrund der Hölle hinab!

Polonius.
Das ist zu lang.

Hamlet.
Es soll mit euerm Bart zum Barbier--Ich bitte dich, fahre fort; er
muß Wortspiele oder schmuzige Mährchen haben, oder er schläft ein--
Weiter fort, zur Hecuba--

1. Schauspieler.
Aber wer, o wer izt die vermummte Königin gesehn hätte--

Hamlet.
Die vermummte Königin?

Polonius.
Das ist gut, vermummte Königin, ist gut.

Schauspieler.
Wie sie, in Verzweiflung, mit nakten Füssen auf- und nieder rannte,
und weinte, daß die Flammen von ihren Thränen hätten verlöschen
mögen; ein besudelter Lumpe auf diesem Haupt, wo kürzlich noch das
Diadem funkelte; und statt des Königlichen Purpurs ein Bettlaken,
das erste was sie im betäubenden Schreken ergriff, um ihre
schlappen, von häufigem Gebähren ganz ausgemergelte Lenden
hergeworffen; wer das gesehen hätte, würde mit in Gift getauchter
Zunge Verwünschungen gegen das Glük ausgestossen haben--Doch, wenn
die Götter selbst sie gesehen hätten, in dem Augenblik sie gesehen
hätten, da Pyrrhus, mit unmenschlichem Muthwillen, die Glieder
ihres Gemahls vor ihren Augen in kleine Stüke zerhakte, das
ausberstende Geschrey, das sie da machte, würde sie, (es wäre dann,
daß sie von sterblichen Dingen gar nicht gerührt werden,) würde die
brennenden Augen des Himmels in Thränen aufgelöst, und die Götter
in Leidenschaft gesezt haben.

Polonius.
Seht nur, ob er nicht seine Farbe verändert, und ob er nicht
Thränen in den Augen hat?  Ich bitte dich, laß es genug seyn.

Hamlet.
Gut, wir wollen den Rest dieser Rede auf ein andermal sparen--Mein
guter Herr,

(zu Polonius)

wollt ihr dafür sorgen, daß diese Schauspieler wohl besorgt
werden?  Hört ihr's, laßt ihnen nichts abgehen; es sind Leute, die
man in Acht nehmen muß; sie sind lebendige Chroniken ihrer Zeit; es
wäre euch besser, eine schlechte Grabschrift nach euerm Tod zu
haben, als ihre üble Nachrede, weil ihr lebt.

Polonius.
Gnädiger Herr, ich will ihnen begegnen, wie sie es verdienen.

Hamlet.
Behüt uns Gott, Mann, weit besser!  Wenn ihr einem jeden begegnen
wolltet, wie er's verdient, wer würde dem Staup-Besen entgehen?
Begegnet ihnen, wie es eurer eignen Ehre und Würde gemäß ist.  Je
weniger sie verdienen, je mehr Verdienst ist in eurer Gütigkeit.
Nehmt sie mit euch hinein.

Polonius.
Kommt, ihr Herren.

(Polonius geht ab.)

Hamlet.
Folget ihm, meine guten Freunde: Morgen wollen wir ein Stük hören--
Hörst du mich, alter Freund, kanst du die Ermordung des Gonzago
aufführen?

Schauspieler.
Ja, Gnädigster Herr.

Hamlet.
So wollen wir's Morgen auf die Nacht haben.  Ihr könnt doch, im
Nothfall eine Rede von einem Duzend oder sechszehn Zeilen studieren,
die ich noch aufsezen, und hinein bringen möchte?  Könnt ihr nicht?

Schauspieler.
Ja wohl, Gnädigster Herr.

Hamlet.
Das ist mir lieb.  Geht diesem Herrn nach, aber nehmt euch in Acht,
daß ihr ihn nicht zum besten habt.

(Zu Rosenkranz und Güldenstern.)

Meine guten Freunde, ich verlasse euch bis diese Nacht; ihr seyd
willkommen in Elsinoor.

Rosenkranz.
Wir empfehlen uns zu Gnaden--

(Sie gehen ab.)





Achte Scene.


Hamlet (allein).
Ja, so behüt euch Gott: endlich bin ich allein--O, was für ein
Schurke, für ein nichtswürdiger Sclave bin ich!  Ist es nicht was
ungeheures, daß dieser Comödiant hier, in einer blossen Fabel, im
blossen Traum einer Leidenschaft, soviel Gewalt über seine Seele
haben soll, daß durch ihre Würkung sein ganzes Gesicht sich
entfärbt, Thränen seine Augen füllen, seine Stimme bricht, jeder
Gesichtszug, jedes Gliedmaß, jede Muskel die Heftigkeit der
Leidenschaft, die doch bloß in seinem Hirn ist, mit solcher
Wahrheit ausdrükt--und das alles um nichts?  Um Hecuba--Was ist
Hecuba für ihn, oder er für Hecuba, daß er um sie weinen soll?  Was
würd er thun, wenn er die Ursache zur Leidenschaft hätte, die ich
habe?  Er würde den Schauplaz in Thränen ersäuffen, und mit
entsezlichen Reden jedes Ohr durchbohren; die Schuldigen würden von
Sinnen kommen, und die Schuldlosen selbst wie Verbrecher erblassen--
und ich, träger schwermüthiger Tropf, härme mich wie ein
milzsüchtiger Grillenfänger ab, fühle die Grösse meiner Sache nicht,
und kan nichts sagen--nein, nichts, nichts für einen König, der
auf eine so verruchte Art seiner Crone und seines Lebens beraubt
worden ist!--Bin ich vielleicht eine Memme?  Wer darf mich einen
Schurken nennen, mir ein Loch in den Kopf schlagen, mir den Bart
ausrauffen, und ins Gesicht werfen?  Wer zwikt mich bey der Nase,
oder wirft mir eine Lüge in den Hals, so tief bis in die Lunge
hinab?  Wer thut mir das?  Und doch sollt' ich es leiden--Denn es
kan nicht anders seyn, ich bin ein Daubenherziger Mensch, der keine
Galle hat, die ihm seine Unterdrükung bitter mache; wenn es nicht
so wäre, hätte ich nicht bereits alle Geyer der Gegend mit dem
vorgeworfnen Aas dieses Sclaven gemästet?  Der blutige kupplerische
Bube!  Der gewissenlose, verräthrische, unzüchtige, unbarmherzige
Bösewicht!--Wie, was für eine niederträchtige Geduld hält mich
zurük?  Ich, der Sohn eines theuren ermordeten Vaters, von Himmel
und Hölle zur Rache aufgefodert, ich soll wie eine feige Meze, mein
Herz durch Worte erleichtern, wie eine wahre Gassen-Hure in Schimpf-
Worte und Flüche ausbrechen--und es ist Hirn in diesem Schedel!  Fy,
der Niederträchtigkeit!  Es muß anders werden!--Ich habe gehört,
daß Verbrecher unter einem Schauspiel durch die blosse Kunst des
Poeten und des Schauspielers so in die Seele getroffen worden, daß
sie auf der Stelle ihre Übelthaten bekennt haben.  Wenn ein Mord
gleich keine Zunge hat, so muß doch ehe das lebloseste Ding Sprache
bekommen, als daß er unentdekt bleiben sollte.  Ich will diese
Comödianten etwas der Ermordung meines Vaters ähnliches vor meinem
Oheim aufführen lassen.  Ich will sein Gesicht dabey beobachten;
ich will ihm die Wike bis aufs Fleisch in die Wunde bohren; wenn er
nur erblaßt, so weiß ich was ich zu thun habe.  Der Geist, den ich
gesehen habe, kan der Teufel seyn; denn der Teufel hat die Macht
eine gefällige Gestalt anzunehmen; vielleicht mißbraucht er meine
Schwermuth und Trübsinnigkeit (Geister, durch die er eine besondere
Gewalt hat) mich zu einer verdammlichen That zu verleiten.  Ich
will einen überzeugendern Grund haben als diese Erscheinung; und im
Schauspiel soll die Falle seyn, worinn ich das Gewissen des Königs
fangen will.



Dritter Aufzug.



Erste Scene.
(Der Pallast.)
(Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz,
 Güldenstern, und Herren vom Hofe treten auf.)


König.
Ihr habt also nicht von ihm herausbringen können, was die Ursache
ist, warum er in den schönsten Tagen seines Lebens in diese
stürmische und Gefahr-drohende Raserey gefallen?

Rosenkranz.
Er gesteht, daß er sich in einem ausserordentlichen Gemüths-
Zustande fühle; aber was die Ursache davon sey, darüber will er
sich schlechterdings nicht herauslassen.

Güldenstern.
Auch giebt er nirgends keine Gelegenheit, wo man ihn ausholen
könnte, und wenn man würklich ganz nahe dabey zu seyn glaubt, ihn
zum Geständniß seines wahren Zustands zu bringen, so hat er, seiner
vorgeblichen Tollheit ungeachtet, doch List genug, sich immer
wieder aus der Schlinge zu ziehen.

Königin.
Empfieng er euch freundlich?

Rosenkranz.
Mit vieler Höflichkeit.

Güldenstern.
Doch so, daß man die Gewalt die er seinem Humor anthun mußte, sehr
deutlich merken konnte.

Rosenkranz.
Mit Fragen war er sehr frey, aber überaus zurükhaltend, wenn er auf
die unsrigen antworten sollte.

Königin.
Schluget ihr ihm keinen Zeitvertreib vor?

Rosenkranz.
Gnädigste Frau, es begegnete von ungefehr, daß wir unterwegs auf
eine Schauspieler-Gesellschaft stiessen; von dieser sagten wir ihm,
und es schien, als ob er eine Art von Freude darüber hätte: Sie
befinden sich würklich bey Hofe, und (wie ich glaube,) haben sie
bereits Befehl, diese Nacht vor ihm zu spielen.

Polonius.
Es ist nichts gewissers, und er ersucht Eure Majestäten, Zuschauer
dabey abzugeben.

König.
Von Herzen gern, es erfreut mich ungemein, zu hören, daß er so gut
disponiert ist.  Erhaltet ihn bey dieser Laune, meine guten Freunde,
und seyd darauf bedacht, daß er immer mehr Geschmak an dergleichen
Zeitvertreib finde.

Rosenkranz.
Wir wollen nichts ermangeln lassen, Gnädigster Herr.

(Sie gehen ab.)

König.
Liebste Gertrude, verlaßt ihr uns auch; wir haben heimliche
Anstalten gemacht, daß Hamlet hieher komme, damit er Ophelien, als
ob es von ungefehr geschähe, hier antreffe.  Ihr Vater und ich
wollen einen solchen Plaz nehmen, daß wir, ungesehn, Zeugen von
allem was zwischen ihnen vorgehen wird, seyn, und also durch uns
selbst urtheilen können, ob die Liebe die Ursache seines Trübsinns
ist oder nicht.

Königin.
Ich gehorche euch; und an meinem Theil, Ophelia, wünsch' ich, daß
eure Reizungen die glükliche Ursach von Hamlets Zustande seyn mögen:
Denn das würde mir Hoffnung machen, daß eure Tugend ihn, zu euer
beyder Ehre, wieder auf den rechten Weg bringen würde.

Ophelia.
Gnädigste Frau, ich wünsch' es so.

(Die Königin geht ab.)

Polonius.
Ophelia, geht ihr hier auf und ab--Gnädigster Herr, wenn es
beliebig ist, wollen wir uns hier verbergen--

(Zu Ophelia.)

Thut, als ob ihr in diesem Buche leset; damit das Ansehn einer
geistlichen Übung eure Einsamkeit beschönige.  Es begegnet nur gar
zu oft, daß wir mit der andächtigsten Mine und der frömmsten
Gebehrde an dem Teufel selbst saugen.

König (vor sich.)
Das ist nur gar zu wahr.  Was für einen scharfen Geissel-Streich
giebt diese Rede meinem Gewissen!  Die Wangen einer Hure durch
Kunst mit betrügerischen Rosen bemahlt, sind nicht häßlicher unter
ihrer Schminke, als meine That unter der schönen Larve meiner Worte--
O schwere Bürde!

Polonius.
Ich hör' ihn kommen; wir wollen uns entfernen, Gnädigster Herr.

(Alle, bis auf Ophelia gehen ab.)






Zweyte Scene.
(Hamlet tritt auf, mit sich selbst redend.)


Hamlet.
Seyn oder nicht seyn--Das ist die Frage--Ob es einem edeln Geist
anständiger ist, sich den Beleidigungen des Glüks geduldig zu
unterwerfen, oder seinen Anfällen entgegen zu stehen, und durch
einen herzhaften Streich sie auf einmal zu endigen?  Was ist
sterben?--Schlafen--das ist alles--und durch einen guten Schlaf
sich auf immer vom Kopfweh und allen andern Plagen, wovon unser
Fleisch Erbe ist, zu erledigen, ist ja eine Glükseligkeit, die man
einem andächtiglich zubeten sollte--Sterben--Schlafen--Doch
vielleicht ist es was mehr--wie wenn es träumen wäre?--Da stekt der
Haken--Was nach dem irdischen Getümmel in diesem langen Schlaf des
Todes für Träume folgen können, das ist es, was uns stuzen machen
muß.  Wenn das nicht wäre, wer würde die Mißhandlungen und Staupen-
Schläge der Zeit, die Gewaltthätigkeiten des Unterdrükers, die
verächtlichen Kränkungen des Stolzen, die Quaal verschmähter Liebe,
die Schicanen der Justiz, den Übermuth der Grossen, ertragen, oder
welcher Mann von Verdienst würde sich von einem Elenden, dessen
Geburt oder Glük seinen ganzen Werth ausmacht, mit Füssen stossen
lassen, wenn ihm frey stühnde, mit einem armen kleinen Federmesser
sich Ruhe zu verschaffen?  Welcher Taglöhner würde unter Ächzen
und Schwizen ein mühseliges Leben fortschleppen wollen?--Wenn die
Furcht vor etwas nach dem Tode--wenn dieses unbekannte Land, aus
dem noch kein Reisender zurük gekommen ist, unsern Willen nicht
betäubte, und uns riehte, lieber die Übel zu leiden, die wir
kennen, als uns freywillig in andre zu stürzen, die uns desto
furchtbarer scheinen, weil sie uns unbekannt sind.  Und so macht
das Gewissen uns alle zu Memmen; so entnervet ein blosser Gedanke
die Stärke des natürlichen Abscheues vor Schmerz und Elend, und die
grössesten Thaten, die wichtigsten Entwürfe werden durch diese
einzige Betrachtung in ihrem Lauf gehemmt, und von der Ausführung
zurükgeschrekt--Aber sachte!--wie?  Die schöne Ophelia?--Nymphe,
erinnre dich aller meiner Sünden in deinem Gebete.

Ophelia.
Mein Gnädiger Prinz, wie habt ihr euch diese vielen Tage über
befunden?

Hamlet.
Ich danke euch demüthigst; wohl--

Ophelia.
Gnädiger Herr, ich habe verschiedne Sachen zum Andenken von euch,
die ich euch gerne zurükgegeben hätte; ich bitte euer Gnaden, sie
bey dieser Gelegenheit zurük zu nehmen.
                
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