Königin.
Den Leichnam des Ermordeten wegzuschaffen, bey dem er sich so
gebehrdet, daß man deutlich siehet, wie sein Wille keinen Theil an
dem Werk seiner Raserey habe. Er beweint, was er gethan hat.
König.
O Gertrude, kommt mit mir; die Sonne soll nicht bälder die Gebirge
berühren, als wir ihn von hier zu Schiffe senden wollen: Und was
diese böse That betrift, so werden wir alles unsers Ansehens und
unsrer Klugheit nöthig haben, um ihren Folgen vorzubauen--He!
Güldenstern! (Rosenkranz und Güldenstern kommen zurük.) Meine
Freunde, geht, und nehmet noch einige Leute mit euch; Hamlet hat in
einem Anfall von Raserey den Polonius erschlagen, und ihn aus
seiner Mutter Cabinet weggeschleppt; geht, sucht ihn auf, redet
freundlich mit ihm, und bringt den Leichnam in die Schloß-Capelle.
Ich bitte euch, säumt euch keinen Augenblik.
(Rosenkranz und Güldenstern gehen ab.)
Kommt, Gertrude, wir wollen die Klügste von unsern Freunden
zusammenberuffen lassen, und ihnen anzeigen, sowol was wir zu thun
vorhaben, als was Hamlet unglüklicher Weise gethan hat. Es ist nur
allzu besorglich, daß das Gerücht diese That in kurzem durch die
ganze Welt flüstern, und vielleicht unsern Namen durch heimliche
Anschuldungen vergiften wird--Kommt, kommt; mein Gemüth ist voller
Unruh und innerlichem Streit--
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Hamlet tritt auf.)
Hamlet.
Nun liegt er wo er hin gehört--
(Hinter der Scene: Hamlet! Prinz Hamlet!)
Hamlet.
Was für ein Lerm? Wer ruft Hamlet? Ha, da kommen sie angestochen--
(Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Rosenkranz.
Was habt ihr mit dem todten Körper angefangen, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ihn dem Staub gegeben, zu dem er ein Anverwandter ist.
Rosenkranz.
Sagt uns, wo er liegt, damit wir ihn abholen und in die Capelle
tragen können.
Hamlet.
Das bildet euch nicht ein--
Rosenkranz.
Was einbilden?
Hamlet.
Daß ich euer Geheimniß verschweigen könnte und mein eignes nicht.
Zudem, wenn der Fräger ein Erdschwamm ist, was für eine Antwort kan
der Sohn eines Königs geben?
Rosenkranz.
Seht ihr mich für einen Schwamm an, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ja Herr, für einen Schwamm, der des Königs Blike, Winke und Minen
aufsaugt; aber solche Diener thun einem König den besten Dienst
erst am Ende; wenn er dessen bedarf, was ihr eingeschlukt habt, so
drukt er euch aus, und ihr werdet wieder der trokne löchrichte
Schwamm, der ihr vorher waret.
Rosenkranz.
Ich weiß nicht was ihr damit sagen wollt, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Das ist mir lieb; eine spizige Rede schläft in einem närrischen Ohr.
Rosenkranz.
Gnädiger Herr, ihr müßt uns sagen, wo der Leichnam ist, und mit uns
zum Könige gehen.
Hamlet.
Der Leichnam ist schon beym Könige, aber der König nicht bey dem
Leichnam. Der König ist ein Ding--
Güldenstern.
Ein Ding, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Von--Nichts: fährt mich zu ihm; Verstek dich, Fuchs, und alle
hinten drein.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Der König tritt auf.)
König.
Ich habe Befehl gegeben, ihn zu mir führen, und den Leichnam
aufsuchen zu lassen; wie gefährlich es ist, diesen Menschen so frey
herumgehen zu lassen! Und doch dürfen wir ihn nicht nach der
Strenge des Gesezes behandeln; der Pöbel, der seine Neigungen nicht
nach seiner Vernunft, sondern nach seinen Augen abmißt; der Pöbel,
der ihn liebt, würde in seiner Bestraffung, nicht ihr Verhältniß
gegen sein Verbrechen, sondern nur die Härte der Straffe sehen.
Glüklicher Weise fügt es sich, daß dieser Vorfall zu seiner
plözlichen Verschikung einen Vorwand giebt. Gegen verzweifelt
gewordene Schäden muß man verzweifelte Mittel gebrauchen oder gar
keine. (Rosenkranz tritt auf.) Was giebts? Was ist vorgefallen?
Rosenkranz.
Gnädigster Herr, wir können nicht von ihm heraus bringen, wo der
Leichnam hingekommen ist.
König.
Wo ist dann er?
Rosenkranz.
Draussen, Gnädigster Herr, mit einer Wache, euern Befehl erwartend.
König.
Führt ihn herein.
Rosenkranz.
He! Güldenstern, fährt den Prinzen herein. (Hamlet und
Güldenstern treten auf.)
König.
Nun, Hamlet, wo ist Polonius?
Hamlet.
Beym Essen.
König.
Beym Essen? wo dann?
Hamlet.
Nicht wo (er) ißt, sondern wo er gegessen wird; eine gewisse
Versammlung von politischen Würmern ist wirklich an ihm. Wo es
aufs Schmausen ankommt, ist in der Welt nichts über einen Wurm.
Wir mästen alle Creaturen damit sie uns mästen sollen, und für wen
mästen wir uns als für Maden? Euer fetter König, und euer magrer
Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwey Schüsseln auf eine
Tafel; das ist das Ende vom Liede.
König.
O weh! o weh!
Hamlet.
Ein Mensch, kan mit dem Wurm der einen König gegessen hat, einen
Fisch angeln, und den Fisch essen, der diesen Wurm gegessen hat.
König.
Was willst du damit sagen?
Hamlet.
Nichts, als daß ich euch zeigen will, wie es mit einem König so
weit kommen kan, daß er eine Reise durch die Gedärme eines Bettlers
machen muß.
König.
Wo ist Polonius?
Hamlet.
Im Himmel, schikt nur hin, und laßt nach ihm fragen. Wenn ihn euer
Abgesandter dort nicht findt, so sucht ihn an dem andern Orte
selbst. Aber, im Ernst zu reden, wenn ihr ihn binnen diesem Monat
nicht findet, so werdet ihr ihn riechen, wenn ihr die Treppe in die
Galerie hinauf geht.
König.
Geht, sucht ihn dort.
Hamlet.
Er wird euch gewiß nicht davon lauffen.
König.
Hamlet, diese deine That macht zu deiner eignen Sicherheit (für
welche wir eben so sehr besorgt sind, als höchlich wir das was du
gethan hast, mißbilligen) nothwendig, daß du in feuriger Eile nach
England abgehest. Schike dich also dazu an; das Schiff liegt
fertig, der Wind ist günstig, deine Gefährten warten, und alles
kehrt sich schon nach England hin.
Hamlet.
Nach England?
König.
Ja, Hamlet.
Hamlet.
Gut.
König.
So ist es, wenn du unsre Absichten kennnest.
Hamlet.
Ich sehe einen Cherub, der sie sieht; aber kommt, nach England!
Lebet wohl, liebe Mutter.
König.
Dein liebender Vater, Hamlet.
Hamlet.
Meine Mutter; Vater und Mutter ist Mann und Weib; Mann und Weib ist
Ein Fleisch, und also seyd ihr meine Mutter--Kommt nach England!
(Er geht ab.)
König.
Folgt ihm auf dem Fusse; lokt ihn mit guten Worten an Bord; keinen
Aufschub! Ich will ihn noch in dieser Nacht fort haben. Hinweg,
es ist alles schon fertig und gesegelt, was sonst zur Sache gehört;
ich bitte euch, macht hurtig--
(Rosenkranz und Güldenstern gehen ab.)
Und, England, wenn du meine Freundschaft werth hältst, wie du in
Ansehung meiner Macht thun solltest, da die Narben noch so rauh und
roth aussehen, die das dänische Schwerdt dir gegraben hat: So magst
du dich hüten, unsern Auftrag, der nichts geringere als den
unfehlbaren Tod Hamlets zum Gegenstand hat, kaltsinnig auszuführen.
Thu es England; Denn er raßt in meinem Blut wie ein zehrendes
Fieber, und du must mich curieren. Bis ich weiß daß es geschehen
ist, werde ich, so groß mein Glüks-Stand ist, keines frohen
Augenbliks geniessen.
(Er geht ab.)
Vierte Scene.
(Ein Lager an den Grenzen von Dännemark.)
(Fortinbras zieht mit einem Kriegs-Heer auf.)
Fortinbras.
Geh Hauptmann, vermelde dem dänischen Könige meinen Gruß; sag ihm,
daß seiner Bewilligung gemäß, Fortinbras um den freyen Durchzug
durch sein Reich ansuche; und sag ihm, wofern seine Majestät uns zu
sehen verlange, so würden wir ihm persönlich unsre Aufwartung
machen.
Hauptmann.
Ich werde es ausrichten, Gnädiger Herr.
Fortinbras.
Marschiert weiter--
(Fortinbras geht mit der Armee wieder ab.)
(Hamlet, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Hamlet.
Mein guter Herr, wessen Völker sind das?
Hauptmann.
Sie sind aus Norwegen, mein Herr.
Hamlet.
Was ist ihr Vorhaben, mein Herr, wenn ich bitten darf?
Hauptmann.
Gegen einen Theil von Pohlen.
Hamlet.
Wer commandiert sie, mein Herr?
Hauptmann.
Fortinbras, des alten Norwegen Neffe.
Hamlet.
Gilt es dem ganzen Pohlen, oder ist die Frage nur von einem
District an den Grenzen?
Hauptmann.
Wenn ich euch die runde Wahrheit sagen soll, so gehen wir um einen
kleinen Flek Landes einzunehmen, wovon der Name das einträglichste
ist--wenn er fünf Ducaten einträgt--Fünf? Ich möcht' es nicht
darum in Pacht nehmen, auch würde es weder den Norwegen noch den
Pohlen mehr abwerfen, wenn es versteigert werden sollte.
Hamlet.
Wenn das ist, so wird sich der Polak wenig bekümmern, es euch
streitig zu machen.
Hauptmann.
Allerdings; er hat es schon mit einer starken Mannschaft besezt.
Hamlet.
Zweytausend Seelen und zwanzigtausend Ducaten werden nicht
zureichend seyn, diesen Streit um einen Stroh-Halm auszumachen.
Das ist das Apostem von übermässiger Grösse und Ruhe, das inwendig
aufbricht, ohne von aussen eine Ursache zu zeigen, warum der Mann
sterben muß. Ich danke euch, mein Herr, für eure Nachrichten.
Hauptmann.
Gott behüte euch, mein Herr.
Rosenkranz.
Gefällt's euch weiter zu gehen, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Ich will gleich wieder bey euch seyn; geht nur ein wenig voraus.
(Sie gehen ab.)
Hamlet (allein.)
Müssen nicht alle Gelegenheiten gegen mich auftreten, und meine
edle Saumseligkeit beschämen? Was ist ein Mann, wenn alles was er
mit seiner Zeit gewinnt, Essen und Schlaffen ist? Ein Thier,
nichts bessers. O gewiß, Er, der uns mit einer Denkungs-Kraft
erschuf, die in einem so weiten Umkreis zurük und vor sich sieht,
gab uns dieses Vermögen, diese Gott-ähnliche Vernunft nicht, sie
ungebraucht rosten zu lassen. Wie dann? Ist es thierische
Unachtsamkeit, oder sind es Bedenklichkeiten; ist es eine zu genaue
Erwegung des Ausgangs, (ein Gedanke, der, wenn er geviertheilet
wird, nur einen Theil Weisheit und drey Viertel von einer feigen
Memme in sich hat:) was die Ursache ist daß ich noch lebe, um von
diesen Dingen als von solchen zu reden, die erst noch geschehen
sollen? Da ich doch Ursache, Willen, Vermögen und Mittel habe, sie
auszuführen--Was für ein Beyspiel! Ein so zahlreiches Heer, von
einem zarten jungen Prinzen angeführt, dessen Geist, von göttlicher
Ruhm-Begierde geschwellt, einem unsichtbaren Ausgang Troz bietet,
und alles was sterblich und ungewiß ist, allem was Zufall, Gefahr
und Tod vermögen, aussezt, und das um eine Eyer-Schaale--Das ist
nicht ein grosses Herz, das nur durch grosse Gegenstände in
Bewegung gesezt werden kan; auf eine edle Art die Gelegenheit zu
Händeln in einem Stroh-Halm finden, wenn es die Ehre fodert--Das
nenn' ich groß. Was steh' ich dann, ich, der einen ermordeten
Vater, eine entehrte Mutter habe, (Betrachtungen, meine Vernunft
und mein Blut zugleich aufzureizen!) was steh ich, und laß alles
schlaffen? Indeß ich, zu meiner Schande, zusehe, wie der Tod über
zwanzigtausend Männern herabhängt, die um einer Grille, um eines
vermeynten Ehren-Punkts willen, so ruhig in ihr Grab wie in ihr
Bette gehen; für ein Stükchen Boden fechten, das nicht weit genug
zu einem Grab für die Erschlagnen wäre. O meine Seele! So seyen
dann, von diesem Augenblik an, deine Gedanken blutig, oder höre auf
zu denken!
(Geht ab.)
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast.)
(Die Königin, Horatio, und ein Hof-Bedienter.)
Königin.
Ich will sie nicht sprechen.
Hofbedienter
Sie ist ausser sich, in der That, nicht recht bey sich selbst; ihr
Zustand verdient Mitleiden.
Königin.
Was will sie dann?
Hofbedienter
Sie spricht immer von ihrem Vater; sagt, sie höre, es gehe alles
bunt über Ek in der Welt; ruft ach und oh, schlägt sich auf die
Brust; stößt einen Stroh-Halm unwillig vor sich her; sagt Dinge,
die nur einen halben Sinn haben--die an sich nichts sind, aber dem
Hörer Anlaß zu Schlüssen geben, und mit den Winken, dem Kopf-
Schütteln und andern Gebehrden, die sie dazu macht, zwar ihre wahre
Meynung nicht deutlich machen, aber gerade so viel zu verstehen
geben, daß man sie mißverstehen kan.
Horatio.
Es wäre gut, wenn man mit ihr redete, denn sie könnte in
übelgesinnten Gemüthern seltsame Muthmassungen erweken. Laßt sie
herein kommen--
Königin (vor sich.)
Meiner kranken Seele scheint jeder Kinder-Tand das Vorspiel irgend
einer tragischen Begebenheit--So ist die Natur der Sünde; so
verräth sie sich selbst durch ihre immerwährende Furcht verrathen
zu werden. (Ophelia tritt auf.)
Ophelia.
Wo ist die schöne Majestät von Dännemark?
Königin.
Was macht ihr, Ophelia?
Ophelia (singend.)
Woran erkenn ich deinen Freund, wenn ich ihn finden thu?
An seinem Muschel-Hut und Stab und seinem hölzern Schuh.
Königin.
Ach! das arme Mädchen! was willt du mit diesem Liede?
Ophelia.
Sagt ihr das? Nein, ich bitte euch, hört zu.
(singend.)
(Er ist todt, Fräulein, er ist todt und dahin,
Ein grüner Wasen dekt sein Haupt, und seinen Leib ein Stein.)
(Der König tritt auf.)
Königin.
Aber meine liebe Ophelia--
Ophelia.
Ich bitte euch, horcht auf--
(Weiß ist dein Hemd, wie frischer Schnee.)
Königin.
O weh! Seht hieher, mein Herr.
Ophelia. Mit Blumen rings umstekt;
Sie gehn mit ihm ins Grab, benezt
Mit treuer Liebe Thau.
König.
Wie steht's um euch, junges Fräulein?
Ophelia.
Wohl, Gott sey bey euch! Die Leute sagen, die Eule sey vorher eine
Bekers-Tochter gewesen. Herr Gott! wir wissen was wir sind, aber
wir wissen nicht, was wir werden können. Gott segne euch das
Mittag-Essen!
König.
Traurigkeit über ihren Vater--
Ophelia.
Ich bitte euch, nichts mehr von dieser Materie; wenn sie euch
fragen, was es bedeuten sollte, so sagt ihnen das:
(Auf Morgen ist Sant Valentins Tag, und früh vor Sonnenschein
Ich, Mädchen, komm ans Fenster zu dir, und will dein Valentin seyn.
Da stuhnd er auf, und zog sich an, und ließ sie in sein Haus;
Sie gieng als Mädchen ein zu ihm, doch nicht als Mädchen aus.)
König.
Holdselige Ophelia!
Ophelia.
In der That, und ohne einen Eid, das soll das lezte seyn:
Bey Kilian und Sanct Charitas,
Das garstige Geschlecht!
Sie thun's sobald der Anlaß kommt;
Beym Hahn, es ist nicht recht.
Sie sprach: Bevor ihr mich ertappt,
Verspracht ihr mir die Eh;
Bey jener Sonn', ich hätt's gethan,
Was gabst du dich umsonst?
König.
Wie lang ist sie schon in diesem Zustande?
Ophelia.
Ich hoffe, alles soll gut gehen. Wir müssen Geduld haben; und doch
kan ich nicht anders als weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den
kalten Boden hineinlegen sollen; mein Bruder soll es erfahren, und
hiemit dank' ich euch für euern guten Rath. Kommt, wo ist meine
Kutsche?--Gute Nacht, meine Damen; gute Nacht, schöne Damen; gute
Nacht, gute Nacht.
(Sie geht ab.)
König (zu Horatio.)
Folgt ihr, und laßt genau auf sie Acht geben, ich bitte euch--
(Horatio geht ab.)
Das ist der Gift eines tiefen Grams, eine Folge von ihres Vaters
Tod. O Gertrude, Gertrude, wenn Unglük kommt, so kommt es nicht
einzeln, wie Kundschafter, sondern Schaaren-weis. Erst der
gewaltsame Tod ihres Vaters--Dann die Entfernung euers Sohns, die
er sich durch jene Mordthat gerechtest zugezogen--Das Volk von
ungesunden Muthmassungen über den Tod des guten Polonius, die von
einem Ohr ins andre geflüstert werden, aufgebracht und zur Empörung
bereit--Es war unvorsichtig von uns gehandelt, daß wir ihn heimlich
bestatten liessen--Die arme Ophelia ihres schönen Verstandes
beraubt--und was noch das schlimmste ist, so ist ihr Bruder in
geheim aus Frankreich zurükgekommen, hält sich verborgen, zieht
Erkundigung ein, und wird Ohrenbläser genug finden, die ihn mit
giftigen Reden über die Ursache von seines Vaters Tod ansteken
werden--O meine liebste Gertrude, das ist mehr als nöthig ist, mich
das Schlimmste besorgen zu machen.
(Man hört ein Getöse hinter der Scene.)
Königin.
Himmel, was für ein Getöse ist das?
Sechste Scene.
(Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.)
König.
Wo sind meine Schweizer? Laßt sie die Thüre bewachen--Was willst
du?
Hofbedienter
Rettet euch, Gnädigster Herr. Der über seine Ufer schwellende
Ocean frißt nicht mit reissenderm Ungestüm die Furten und Sandbänke
weg, als der junge Laertes, an der Spize eines aufrührischen
Hauffens eure Wachen zu Boden wirft; das Lumpenvolk nennt ihn Lord,
und nicht anders als ob die Welt erst izt anfienge, und Geseze,
Gebrauch und alles was die Bande der Gesellschaft befestiget, auf
einmal vergessen wären, ruffen sie: Machen wir den Laertes zu
unserm König! Kappen, Hände und Zungen geben ihren Beyfall bis in
die Wolken; alles schreyt: "Laertes soll unser König seyn, Laertes
König."
Königin. (Man hört das Getümmel näher)
Wie sie schreyen! Mit welcher Wuth von Freude! O, das sind nur
Rechen-Pfenninge, ihr falschen Dänischen Hunde--
(Laertes tritt auf, mit einer Partey vor der Thüre.)
König.
Die Thüren sind erbrochen.
Laertes.
Wo ist dieser König?--Ihr Herren! Bleibt ihr alle draussen stehen.
Alle.
Nein, wir wollen auch hinein.
Laertes.
Ich bitte euch, laßt mich gewähren.
Alle.
Wir wollen, wir wollen.
(Sie gehen ab.)
Laertes.
Ich danke euch; bewachet die Thüre. O du schändlicher König,
schaffe mir meinen Vater her.
Königin.
Ruhiger, guter Laertes.
Laertes.
Der Tropfe Bluts, der ruhig in mir ist, ruft mich zum Bastart aus;
nennt meinen Vater einen Hahnreyh; und brennt die Hure hier, hier
mitten zwischen die keusche und unbeflekte Augbraunen meiner
ehrlichen Mutter.
König.
Was ist die Ursache, Laertes, daß deine Empörung sich dieses
Riesenmässige Ansehen giebt? Laßt ihn gehen, Gertrude; besorget
nichts für eure Person; es ist etwas so Göttliches um einen König
hergezäunt, daß Verrätherey zu dem was sie gerne wollte, durch die
Vergitterung nur hineinguken kan; ohne die Kraft zu haben ihren
Willen ins Werk zu sezen. Sagt mir, Laertes, warum seyd ihr so
aufgebracht? Laßt ihn gehen, Gertrude--Redet, Mann!
Laertes.
Wo ist mein Vater?
König.
Todt ist er.
Königin.
Aber nicht durch seine Schuld.
König.
Laßt ihn fragen, bis er genug hat.
Laertes.
Warum ist er todt? Wie gieng es zu, daß er todt ist? Ich werde
mich nicht durch Ausflüchte abweisen lassen! Zur Hölle, Lehens-
Pflicht! Zum schwärzesten Teufel, du Eyd, den ich schwur!
Gewissen und Religion selbst in den tiefsten Brunnen! Ich troze
der Verdammniß; auf dem Punkt wo ich stehe, sind beyde Welten
nichts in meinen Augen; laß kommen was kommt; ich will Rache haben,
Rache für meinen Vater, volle überfliessende Rache!
König.
Wer soll euch denn aufhalten?
Laertes.
Nicht die ganze Welt; und was mein Vermögen betrift, so will ich so
damit haushalten, daß ich mit wenigem weit kommen will.
König.
Mein lieber Laertes, wenn ihr von dem Schiksal euers Vaters gewisse
Nachricht einziehen wollt, ist es bey euch beschlossen, daß ihr
beydes Freund und Feind, ohne Unterschied, eurer Rache aufopfern
wollt?
Laertes.
Niemand als seine Feinde.
König.
Wollt ihr wissen wer sie sind?
Laertes.
Seinen Freunden will ich mit ofnen Armen entgegen eilen, und sie
gleich dem Pelican mit meinem eignen Blut erhalten.
König.
Nun, das heißt wie ein gutes Kind und wie ein Edelmann gesprochen.
Daß ich an euers Vaters Tod unschuldig bin, und daß ich aufs
empfindlichste dadurch betrübt worden, das soll euerm Verstand so
klar werden, als der Tag euerm Auge ist.
(Man hört hinter der Scene ein Geschrey: Laßt sie hinein.)
Laertes.
Nun, was giebt's, was für ein Lerm ist das?
Siebende Scene.
(Ophelia, auf eine phantastische Art mit Stroh und Blumen
geschmükt, tritt auf.)
Laertes.
O Hize, trokne mein Gehirn auf! Thränen, siebenmal gesalzen,
brennet die Empfindung und Sehens-Kraft meiner Augen aus! Beym
Himmel, diese Verfinsterung deiner Vernunft soll mir so vollwichtig
bezahlt werden, bis die Wagschale an den Balken stößt--O Rose des
Mayen! Holdes Mädchen, liebe Schwester, angenehmste Ophelia!--
Himmel! ists möglich daß der Verstand eines jungen Mädchens so
sterblich seyn soll, als das Leben eines alten Mannes? Die Natur
ist in Liebe verfallen, und sendet dem geliebten Gegenstand das
Kostbarste was sie hat zum Andenken nach.
Ophelia (singend.)
Sie senkten ihn in kalten Grund hinab,
Und manche Thräne blieb auf seinem Grab.
Fahr wohl, mein Täubchen!
Laertes.
Hättest du deinen Verstand, und strengtest ihn an, mich zur Rache
zu bereden, er könnte nicht halb so viel rühren--
Ophelia.
Ihr müßt singen--Hinab, hinab--Ihr wißt ja das Lied?--Es war der
ungetreue Hausmeister, der seines Herrn Tochter entführte--Hier ist
Rosmarin, es ist zum Angedenken; ich bitte dich, Liebe, denk' an
mich; und hier sind Vergiß nicht mein--Hier ist Fenchel für euch,
und Agley--Hier ist Raute für euch,
(sie theilt im Reden ihre Blumen aus.)
und hier ist welche für mich. Wir könnten sie Gnaden-Kraut oder
Sonntags-Kraut nennen; ihr dürft eure Raute wol mit einigem
Unterschied tragen. Hier ist eine Maaß-Liebe; ich wollte euch gern
einige Veylchen geben, aber sie verwelkten alle, da mein Vater
starb: Sie sagen, er hab' ein schönes Ende genommen:
(singend:)
(Denn der Hanserl ist doch mein einziges Leben.)
Laertes.
Wer könnte bey einem solchen Anblik geduldig bleiben!
Ophelia. Und kommt er dann nicht wieder zurük?
Und kommt er dann nicht wieder zurük?
Nein, nein, er ist todt, geh in dein Tod-Bett!
Er kommt nicht wieder zurük.
Sein Bart war so weiß als Schnee
Ganz Silber-farb sein Haupt;
Er ist weg, er ist weg, und wir seufzen umsonst;
Friede sey mit seiner Seele!
Und mit allen Christen-Seelen--Gott behüte euch.
(Sie geht ab.)
Laertes.
Seht ihr das, ihr Götter?
König.
Laertes, laßt mich euern Schmerz theilen, oder ihr versagt mir mein
Recht: Geht wenn ihr zweifelt, leset eure verständigsten Freunde
aus, sie sollen Richter zwischen mir und euch seyn: Finden sie daß
wir auf irgend eine Art, geradezu oder verdekter Weise, in diese
Sache eingeflochten sind--so soll unser Königreich, unsre Krone,
unser Leben, und alles was wir unser nennen, euch zur Genugthüung
verfallen seyn. Ist es aber nicht, so leihet uns eure Geduld, und
wir wollen gemeinschaftlich mit einander arbeiten, eure Rache zu
befriedigen.
Laertes.
Laßt es so seyn. Die Art seines Todes, seine heimliche Bestattung,
ohne Ehren-Zeichen, ohne einiges Gepränge, das seinem Stand gebührt
hatte, alle Umstände ruffen so laut, als ob sie von der Erde bis in
Himmel gehört werden wollten, daß ich sie in Untersuchung ziehen
solle.
König.
Das thut: und wo ihr die Beleidigung findet, dahin lasset die
Straffe fallen. Ich bitte euch, folget mir.
(Sie gehen ab.)
Achte Scene.
(Horatio mit einem Bedienten tritt auf.)
Horatio.
Wer sind diese Leute, die mit mir sprechen wollen?
Bedienter.
Matrosen, mein Herr; sie sagen, sie haben Briefe für euch.
Horatio.
Laß sie hereinkommen--Ich kan nicht begreiffen, aus welchem Theil
der Welt ich Briefe bekommen sollte, wenn sie nicht vom Prinzen
Hamlet sind. (Einige Matrosen treten auf.)
Matrosen.
Gott helfe euch, Herr.
Horatio.
Dir auch.
Matrosen.
Das wird er auch, wenn er will, Herr--Hier ist ein Brief an euch,
Herr--wenn ihr euch Horatio nennt, wie man mir gesagt hat; er kommt
von dem Abgesandten, der nach England geschikt wurde.
Horatio (überließt den Brief.)
Horatio, wenn du dieses überlesen haben wirst, so verschaffe diesen
Leuten Gelegenheit vor den König zu kommen; sie haben Briefe an ihn.
Eh wir noch zween Tage auf dem Meere waren, verfolgte uns ein See-
Räuber von sehr stattlichem Ansehen. Da wir uns von ihm übersegelt
sahen, entschlossen wir uns zur Gegenwehr, und währendem Handgemeng
sprang ich zu ihnen an Bord--Augenbliklich liessen sie unser Schiff
fahren, und so blieb ich ihr Gefangner. Sie haben mir begegnet,
wie Diebe die zu leben wissen; das macht, sie wußten warum, und sie
sollen mir's nicht umsonst gethan haben. Mache, daß der König
seinen Brief überkommt, und suche mich dann so eilfertig auf, als
ob du vor dem Tode lieffest. Ich habe dir Worte ins Ohr zu sagen,
die dich taub machen werden; und doch sind sie viel zu leicht für
ihren Inhalt. Diese guten Bursche werden dich zu mir bringen.
Rosenkranz und Güldenstern sezen ihren Lauf nach England fort. Ich
habe dir viel von ihnen zu erzählen. Lebe wohl. "Dein Hamlet."
Kommt, ich will für die Bestellung eurer Briefe sorgen; und desto
eilfertiger, damit ihr mich ohne Verzug zu demjenigen führen könnet,
der euch geschikt hat.
(Sie gehen ab.)
Neunte Scene.
(Der König und Laertes treten auf.)
König.
Nunmehr muß dann euer Gewissen selbst meine Freysprechung sigeln,
und ihr müsset überzeugt seyn, daß ich euer Freund bin, da ihr
gesehen habt, daß eben derjenige, von dessen Hand euer edler Vater
fiel, mir selbst nach dem Leben getrachtet hat.
Laertes.
Die Beweise reden. Aber erlaubet mir zu fragen, warum ihr gegen
Übelthaten von so ungeheurer Beschaffenheit nicht gerichtlich
procedirt habet; da doch eure eigne Sicherheit, Klugheit, und alles
in der Welt euch rathen mußte, den Thäter zur Rechenschaft zu
ziehen?
König.
Zwoo besondre Ursachen haben mich davon abgehalten, die in euren
Augen vielleicht weniger Stärke haben als in den meinigen. Die
Königin seine Mutter lebt, so zu sagen, fast von seinen Bliken, und
ich selbst (es mag nun eine Tugend oder eine Schwachheit seyn:)
liebe sie so zärtlich, daß ich ihren Wünschen nichts versagen kan.
Der andre Grund ist die allgemeine Zuneigung, welche das Volk zu
ihm trägt, und die so weit geht, daß sie seine Fehler selbst
übergülden und seine Verbrechen zu Tugenden machen würden: so daß
meine Pfeile, zu schwach befiedert für einen so starken Wind, auf
mich selbst zurük gefallen, und nicht dahin gekommen wären, wohin
ich gezielt hätte.
Laertes.
Und so muß ich einen edlen Vater verlohren haben, und eine
Schwester zu Grund gerichtet sehen, deren Vortreflichkeit unser
ganzes Zeitalter herausfoderte, ihres gleichen zu zeigen--Aber
meine Rache soll nicht ausbleiben.
König.
Laßt euch das nichts von euerm Schlafe nehmen. Ihr müßt mich nicht
für einen so phlegmatischen milchlebrichten Mann halten, der sich
den Bart mit Gewalt ausrauffen läßt, und es für Kurzweil aufnimmt.
Ihr sollt bald mehr hören. Ich liebte euern Vater, und liebe mich
selbst, und dieses, hoff ich, wird euch nicht zweifeln lassen--Was
giebts? Was Neues? (Ein Bote.)
Bote.
Briefe, Gnädigster Herr, vom Prinzen Hamlet. Diesen an Eu.
Majestät, und diesen, an die Königin.
König.
Von Hamlet? Wer brachte sie?
Bote.
Matrosen, sagt man; ich sah sie nicht; die Briefe wurden mir von
Claudio gegeben, der sie von ihnen empfieng.
König.
Laertes, ihr sollt sie hören--Verlaßt uns, ihr--
(Der Bote geht ab.)
"Durchlauchtiger und Großmächtiger! Dieses soll euch
benachrichtigen, daß ich nakend in euer Königreich ausgesezt worden
bin. Auf Morgen werd' ich mir die Erlaubniß ausbitten, eure
Königliche Augen zu sehen; wo ich dann (in Hoffnung Verzeihung
deßwegen zu erhalten) erzählen werde, was die Gelegenheit zu dieser
schleunigen Wiederkunft gegeben hat." Was soll dieses bedeuten?
Sind die andern auch zurükgekommen? Ist es ein Kunstgriff--oder
ist gar nichts an der Sache?
Laertes.
Kennt ihr die Hand?
König.
Es ist Hamlets Handschrift--Nakend, und hier sagt er in einem
Postscript, allein--Könnt ihr mir sagen, was ich davon denken soll?
Laertes.
Ich begreiffe nichts davon, Gnädigster Herr; aber laßt ihn kommen;
mein Herz lebt wieder auf von dem Gedanken, daß ich es erleben
werde, ihm in seine Zähne zu sagen, das thatest du--
König.
Wenn es so ist, Laertes--ob ich gleich eben so wenig begreiffe daß
es ist, als wie es anders seyn kan--wollt ihr euch von mir weisen
lassen?
Laertes.
Ja, nur nicht daß ich ruhig bleiben soll.
König.
Was ich vorhabe, wird dir zu deiner eignen Gemüths-Ruhe verhelfen;
Wenn er nun wieder gekommen ist, weil ihm die Reise nicht anständig
war, und er nicht gesinnt ist, sie von neuem zu unternehmen; so
habe ich so eben etwas ausgedacht, das ihn unfehlbar zu seinem Fall
befördern soll, ohne daß sein Tod den mindesten Vorwurf nach sich
ziehen, noch seine Mutter selbst den Kunstgriff merken, sondern ihn
dem blossen Zufall beymessen soll.
Laertes.
Ich will mich weisen lassen, und desto lieber, wenn ihr es so
einrichten könnet, daß ich das Werkzeug bin.
König.
Das ist auch meine Meynung: Es ist seitdem ihr auf Reisen seyd, und
zwar in Hamlets Gegenwart, oft von einer gewissen Geschiklichkeit
gesprochen worden, worinn ihr ausserordentlich groß seyn sollt:
Alle eure übrigen Gaben zusammengenommen, erwekten nicht so viel
Eifersucht in ihm als diese einzige, die in meinen Augen die
geringste unter allen ist.
Laertes.
Was kan das seyn, Gnädigster Herr?
König.
Eine blosse Feder auf dem Hute der Jugend, aber doch nöthig; denn
die Jugend hat in der leichten und nachlässigen Liverey die sie
trägt, nicht weniger Anstand als das gesezte Alter in seinen Pelzen
und langen Ceremonien-Kleidern--Es sind ungefehr zween Monate, daß
ein junger Cavalier aus der Normandie hier war; die Normänner
werden für gute Reiter gehalten; wie ich selbst gesehen habe, da
ich ehmals gegen die Franzosen diente; aber bey diesem jungen
Menschen dachte man, daß es nicht natürlich zugehe; er schien mit
seinem Pferd zusammengewachsen, und wie ein Centaur, halb Mensch
und halb Pferd zu seyn, so bewundernswürdig hatte er sich zum
Meister desselben gemacht. Er übertraf alles, was man sich davon
einbilden kan.
Laertes.
Es war ein Normann?
König.
Ein Normann.
Laertes.
So soll's mein Leben gelten, wenn es nicht Lamond war.
König.
Der war's.
Laertes.
Ich kenne ihn wohl; er ist in der That der Ausbund und die Zierde
der ganzen Nation.
König.
Dieser erzehlte uns von euch, und legte euch eine so bewunderns-
würdige Geschiklichkeit in der Vertheidigungs-Kunst, besonders mit
dem Rappier, bey, daß er behauptete, es würde ein Wunder seyn, wenn
sich jemand finden sollte, der es mit euch aufnehmen dürfte. Er
schwur die besten Fechter seiner Nation hätten weder Behendigkeit,
Auge noch Kunst, so bald sie es mit euch zu thun hätten--Mein Herr,
diese Erzählung vergiftete den Hamlet mit solchem Neid, daß er den
ganzen Tag nichts anders that als wünschen und beten, daß ihr bald
zurük kommen möchtet, um mit ihm zu fechten. Nun aus diesem--
Laertes.
Was wollt ihr aus diesem machen, Gnädigster Herr?
König.
Laertes, war euch euer Vater lieb? Oder seyd ihr nur ein Gemählde
von einem Traurenden, ein Gesicht ohne Herz?
Laertes.
Warum diese Fragen?
König.
Nicht als ob ich denke, ihr liebtet euern Vater nicht, sondern weil
ich weiß, daß die Liebe, wie alles andre, der Gewalt der Zeit
unterworfen ist, daß sie in ihrer Flamme selbst eine Art von Dacht
oder Wike hat, wovon sie endlich geschwächt und verdunkelt wird,
und kurz, daß sie, wenn sie zu ihrer Stärke angewachsen ist, an
ihrer eignen Vollblütigkeit sterben muß. Was wir thun wollen,
sollten wir sogleich thun, wann wir es wollen; denn dieses Wollen
ist veränderlich, und hat so viele Abfälle und Hindernisse als es
Zungen, Hände und Umstände giebt, welche uns, wenn die Gelegenheit
einmal versäumt ist, die Ausführung vielleicht so schwer machen,
daß wir auch den Willen verliehren, so vielen Schwierigkeiten troz
zu bieten. Doch, um das Geschwür aufzustechen--Hamlet kommt zurük;
was wäret ihr fähig zu unternehmen, um mehr durch Thaten als Worte
zu zeigen, daß ihr euers Vaters Sohn seyd?
Laertes.
Ihm die Gurgel in der Kirche abzuschneiden.
König.
In der That sollte kein Plaz einen Mörder schüzen, noch der Rache
Grenzen sezen; aber mein guter Laertes, wollt ihr das thun?
Schließt euch in euer Zimmer ein. Hamlet soll bey seiner
Wiederkunft hören, daß ihr nach Hause gekommen seyd: Wir wollen ihm
Leute zuschiken, welche ein so grosses Lob von eurer
Geschiklichkeit im Fechten machen, und so viel und so lange davon
reden sollen, biß er es auf eine Wette ankommen lassen wird. Da er
selbst edelmüthig, zuversichtlich, und von allen Kunstgriffen fern
ist, wird er nicht daran denken, die Rappiere genau zu besehen, so
daß ihr leicht durch ein bißchen Taschenspielerey einen Degen ohne
Knopf mit euerm Rappier verwechseln, und durch einen geschikten
Stoß euern Vater rächen könnt.
Laertes.
Ich will es thun, und zu diesem Gebrauch meinen Degen mit einem
Saft beschmieren, den ich von einem Marktschreyer gekauft habe; der
so tödtlich ist, daß wenn man ein Messer nur darein taucht, keine
Salbe, und wenn sie aus den heilsamsten Kräutern die unter dem Mond
sind, gezogen wäre, denjenigen vom Tod erretten kan, der nur damit
gerizt wird; mit diesem Gift will ich die Spize meines Degens nezen,
damit auch die leichteste Wunde, die ich ihm beybringe, Tod sey.
König.
Wir wollen diese Sache besser überlegen; Zeit und Umstände müssen
abgewogen werden; und auf den Fall, daß uns dieser Anschlag in der
Ausführung mißlingen sollte, müssen wir einen andern zum
Rükenhalter haben. Sachte--Laßt sehen--Es soll eine feyrliche
Wette über eure Geschiklichkeit angestellt werden--Nun hab' ichs--
wenn ihr euch unterm Kampf erhizt habt, und er zu trinken begehrt,
will ich einen Becher für ihn bereit halten; wovon er nur schlürfen
darf, um unsre Absicht zu erfüllen, wofern er euerm Rappier entgeht.
Zehnte Scene.
(Die Königin zu den Vorigen.)
König.
Was giebt's, meine liebste Königin?
Königin.
Ein Unglük tritt dem andern auf die Fersen, so schnell folgen sie
auf einander: Eure Schwester ist ertrunken, Laertes.
Laertes.
Ertrunken? Oh, wo?
Königin.
Es ist eine gewisse Weide, am Abhang eines Wald-Stroms gewachsen,
die ihr behaartes Laub in dem gläsernen Strom besieht. Hieher kam
sie mit phantastischen Kränzen von Hahnen-Füssen, Nesseln, Gänse-
Blümchen und diesen langen rothen Blumen, denen unsre ehrlichen
Schäfer einen natürlichen Namen geben, unsre kalten Mädchens aber
nennen sie Todten-Finger; wie sie nun an diesem Baum hinankletterte,
um ihre Grasblumen-Kränze an die herabhängende Zweige zu hängen,
glitschte der Boden mit ihr, und sie fiel mit ihren Kränzen in der
Hand ins Wasser; ihre weitausgebreiteten Kleider hielten sie eine
Zeit lang wie eine Wasser-Nymphe empor; und so lange das währte,
sang sie abgebrochene Stüke aus alten Balladen, als eine die keine
Empfindung ihres Unglüks hatte, oder als ob sie in diesem Element
gebohren wäre; aber länger konnte es nicht seyn, als bis ihre
Kleider so viel Wasser geschlukt hatten, daß sie durch ihre Schwere
die arme Unglükliche von ihrem Schwanen-Gesang in einen nassen Tod
hinabzogen.
Laertes.
O Gott! So ist sie ertrunken!
Königin.
Es ist allzuwahr.
Laertes.
--Lebet wohl, mein Gebieter--meine weibische Thränen erstiken eine
Rede von Feuer, welche eben auflodern wollte--
(Er geht ab.)
König.
Kommt mit mir, Gertrude--Wie viel hatte ich zu thun, seine Wuth zu
besänftigen! Nun besorg ich, dieser Umstand wird sie von neuem
anflammen--Wir wollen ihm folgen.
(Sie gehen ab.)
Fünfter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein Kirch-Hof.)
(Zween Todtengräber mit Grabscheitern und Spaten treten auf.)
1. Todtengräber.
Kan sie denn in ein Christliches Begräbniß gelegt werden, wenn sie
eigenmächtig ihre (Salvation) gesucht hat?
2. Todtengräber.
Ich sage dir's ja, sie kan; mach also ihr Grab unverzüglich; die
Obrigkeit hat es durch einen Commissarius und Geschworne
untersuchen lassen, und gefunden, daß sie wie andre Christen
begraben werden soll.
1. Todtengräber.
Das kan nicht seyn, sie müßte sich denn zu ihrer
Selbstvertheidigung ertränkt haben?
2. Todtengräber.
So hat sich's eben befunden.
1. Todtengräber.
Es muß (se offendendo) geschehen seyn, anders ist's nicht möglich.
Denn da stekt der Knoten: Wenn ich mich selbst wissentlich ertränke,
so zeigt das einen (Actum) an; ein (Actus) aber hat drey Zweige:
Beginnen, thun und vollbringen; (ergel), ersäufte sie sich selbst
wissentlich.
2. Todtengräber.
Nein, hört mich nur an, Gevatter--
1. Todtengräber.
Mit Erlaubniß; seht einmal, hier liegt das Wasser, gut; hier steht
der Mann, gut: Wenn nun der Mann zu diesem Wasser geht und ertränkt
sich, so muß er eben, woll' er oder woll' er nicht, dran glauben;
gebt wol Acht auf das: Aber wenn das Wasser zu ihm kommt und
ertränkt ihn, so ertränkt er sich nicht selbst; (ergel), hat der,
der keine Schuld an seinem eignen Tode hat, sich das Leben nicht
selbst abgekürzt.
2. Todtengräber.
Aber sagt das Gesez das?
1. Todtengräber.
Sapperment, ja wohl, sagt es: Das müssen ja die Geschwornen
verstehen, die es untersucht haben--
2. Todtengräber.
Willt du wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt? Wenn sie kein
Gnädiges Fräulein gewesen wäre, sie würde gewiß ihre Lebtage in
kein Christliches Grab gekommen seyn.
1. Todtengräber.
Wie, du magst mir wol recht haben. Aber desto schlimmer, daß die
vornehmen Leute in der Welt mehr Recht haben sollen, sich zu hängen
oder zu ersäuffen als ihre Neben-Christen! Komm, meine Spate, her!
es sind doch keine ältere Edelleute als Gärtner, und Todten-Gräber;
sie haben ihre Profession von Adam her.
2. Todtengräber.
War der ein Edelmann?
1. Todtengräber.
Der erste, der jemals armirt gewesen ist.
2. Todtengräber.
Wie so, das?
1. Todtengräber.
Wie, bist du denn ein Heid? Verstehst du die Schrift nicht? Die
Schrift sagt, Adam habe gegraben: Hätt' er graben können, wenn er
keine Arme gehabt hätte? Ich will dir noch eine Frage vorlegen;
wenn du mir die rechte Antwort darauf giebst, so bekenne--
2. Todtengräber.
Was ist's dann?
1. Todtengräber.
Wer ist der, der stärker baut als Maurer und Zimmermann?
2. Todtengräber.
Das ist der Galgen-Macher; denn dessen sein Gebäu überlebt tausend
Innhaber.
1. Todtengräber.
Dein Einfall gefällt mir nicht übel, in der That; der Galgen schikt
sich wol: Aber wie schikt er sich wol? Er schikt sich wol für
diejenigen die Übels thun; nun thust du übel zu sagen, der Galgen
sey stärker gebaut als die Kirche; (ergel), mag sich der Galgen wol
für dich schiken. Zur Sache, komm.
2. Todtengräber.
Wer stärker baue als Maurer und Zimmermann?
1. Todtengräber.
Ja, wenn du mir das sagen kanst, so will ich dich gelten lassen.
2. Todtengräber.
Beym Element, nun kan ich dir's sagen.
1. Todtengräber.
Nun, so sage--
2. Todtengräber.
Nein, Sakerlot, ich kan nicht. (Hamlet und Horatio treten in
einiger Entfernung von den Todtengräbern auf.)
1. Todtengräber.
Gieb's lieber auf, dein Esel wird doch nicht schneller gehen, du
magst ihn schlagen wie du willt; und wenn dich einer einmal wieder
fragt, so sage, der Todtengräber. Denn die Häuser, die er macht,
dauren bis zum jüngsten Tag: Geh einmal zum rothen Roß, und hol mir
ein Glas Brandtwein.
(Der 2te Todtengräber geht ab.)
(Der erste Todtengräber gräbt und singt ein Liedchen dazu.)
Hamlet.
Hat dieser Bursche kein Gefühl von seinem Geschäfte, daß er zum
Grabmachen singen kan?
Horatio.
Die Gewohnheit hat ihn so verhärtet, daß er bey einer solchen
Arbeit gutes Muths seyn kan.
Hamlet. (Indem der Todtengräber immer singend einen Schedel aufgräbt.)
Dieser Schedel hatte einst eine Zunge, und konnte singen--wie ihn
der Schurke in den Boden hinein schlägt, als ob es Cains des ersten
Mörders Kinnbaken wäre! und doch war der Schedel mit dem dieser
Esel izt so übermüthig zu Werke geht, vielleicht der Hirnkasten
eines Staatsmanns, eines von diesen Herren, die unserm Herrn Gott
selbst einen Nebel vormachen möchten; nicht so?
Horatio.
Es ist möglich, Gnädiger Herr--
Hamlet.
Oder eines Höflings, der sagen konnte: Guten Morgen, mein liebster
Lord; wie befindet sich Euer Herrlichkeit? Es kan Milord der und
der gewesen seyn, der Milord dessen seinem Pferd eine Lobrede
halten konnte, wenn er's ihm gerne abgebettelt hätte; nicht so?
Horatio.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Nicht anders; und nun ist Milady Wurm von allen ihren Anbetern
verlassen, und muß sich von eines Todtengräbers Spate aus dem Boden
herausschlagen lassen. Hier ist eine hübsche Revolution, wenn wir
den Verstand hätten sie zu sehen--Hier ist ein andrer: Kan das
nicht der Schedel eines Rechtsgelehrten gewesen seyn? Wo sind nun
seine Quidditäten und Qualitäten? Seine (Casus?) Seine Tituls?
Seine Ränke? Warum leidet er, daß ihn dieser grobe Geselle mit
seiner kothigen Schaufel aus seiner Retirade herausklopfen darf,
ohne eine Action gegen ihn anzustellen?--* Ich muß mit diesem
Burschen reden. Wessen Grab ist das, Bursche?
{ed.-* Hamlet sezt im Original diese kühlen Betrachtungen noch länger
fort, indem er sich vorstellt, daß es der Schädel eines reichen
Landsässen gewesen sey; man hat es aber unmöglich gefunden, diese
Stelle, deren gröster Nachdruk in etlichen Wortspielen besteht, zu
übersezen; und man würde diese ganze Scene eben sogern ausgelassen
haben, wenn man dem Leser nicht eine Idee von der berüchtigten
Todtengräber-Scene hätte geben wollen.}
Todtengräber.
Meines, Herr--
(er fängt wieder an zu singen.)
Hamlet.
Ich denk' es ist dein, denn du lügst darinn.
Todtengräber.
Und ihr lügt daraus, Herr, und also ist es nicht euers--
(Hier folgen noch etliche elende Reden, wovon das sinnreiche in dem
Wortspiel mit lie, welches Liegen und Lügen bedeutet, liegt.)
Hamlet.
Ich frage, wie der Mann heißt, für den du das Grab machst?
Todtengräber.
Ich mach es für keinen Mann, Herr.
Hamlet.
Für was für eine Frau dann?
Todtengräber.
Auch für keine Frau.
Hamlet.
Wer soll dann darinn begraben werden?
Todtengräber.
Eine die in ihrem Leben ein Weibsbild war, aber, Gott tröst ihre
Seele! nun ist sie todt.
Hamlet.
Was für ein determinierter Schurke das ist! In was für einer
Sprache müssen wir mit ihm reden, daß er uns nicht mit
Zweydeutigkeiten stumm mache? Bey Gott, Horatio, ich habe diese
drey Jahre her beobachtet, daß die Welt so spizfündig worden ist,
daß der Bauer seinen plumpen Wiz eben so hoch springen und so
seltsame Gambaden machen läßt, als der wizigste von unsern
Hofschranzen--Wie lange bist du schon ein Todtengräber?
Todtengräber.
Unter allen Tagen im Jahr kam ich an dem Tag dazu, da unser
verstorbner König Hamlet über den Fortinbras Meister wurde.
Hamlet.
Wie lang ist das?
Todtengräber.
Könnt ihr das nicht sagen? Das kan ein jeder Narr sagen: Es war
auf den nemlichen Tag, da der junge Hamlet auf die Welt kam, der
närrisch wurde, und nach England geschikt worden ist.
Hamlet.
Was, zum Henker! und warum wurde er nach England geschikt?
Todtengräber.
Warum? weil er närrisch worden ist; er soll dort seine fünf Sinnen
wieder kriegen; oder wenn er sie nicht wieder kriegt, so hat es
dort nicht viel zu bedeuten.
Hamlet.
Warum das?
Todtengräber.
Man wird es nicht an ihm gewahr werden; denn dort sind die Leute
eben so närrisch als er.
Hamlet.
Wie wurde er dann närrisch?
Todtengräber.
Auf eine gar seltsame Art, sagt man.
Hamlet.
Wie so, seltsam?
Todtengräber.
Sapperment, er wurde eben ein Narr, weil er seinen Verstand verlohr.
Hamlet.
Aus was für einem Grund?
Todtengräber.
Wie, hier, in Dännemark. Ich bin hier Todtengräber gewesen, von
meinen jungen Jahren an bis izt, diese dreissig Jahre.
Hamlet.
Wie lange kan wol ein Mensch in der Erde liegen, bis er verfault?
Todtengräber.
Wenn er nicht schon faul ist, eh er stirbt (wie wir denn heut zu
Tag manche Leichen haben, die kaum so lange halten, bis sie unterm
Boden sind) so kan er euch acht bis neun Jahre dauren; ein Loh-
Gerber dauert euch seine neun Jahre.
Hamlet.
Warum ein Loh-Gerber länger als andre Leute?
Todtengräber.
Warum, Herr? weil seine Haut von seiner Profession so gegerbt ist,
daß sie das Wasser länger aushält. Denn es ist nichts das einem
todten Körper eher den Garaus macht als Wasser. Hier ist ein
Schedel, der nun bereits drey und zwanzig Jahre im Boden liegt.
Hamlet.
Wessen war er?
Todtengräber.
Es war ein vertrakter Bursche, dem er gehörte; wer denkt ihr daß es
war?
Hamlet.
Ich weiß es nicht.
Todtengräber.
Daß die Pestilenz den Schurken! Er goß mir einmal eine Flasche mit
Rheinwein über den Kopf. Dieser nemliche Schedel, Herr, war Yoriks
Schedel, des Königlichen Hofnarrens.
Hamlet.
Dieser?
Todtengräber.
Dieser nemliche.
Hamlet.
Ach der arme Yorik. Ich kannte ihn, Horatio, es war der
kurzweiligste Kerl von der Welt; von einer unvergleichlichen
Einbildungs-Kraft: Er hat mich viel hundertmal auf seinem Rüken
getragen: Und nun, was für ein grausenhafter Anblik! Mein Magen
kehrt sich davon um. Hier hiengen diese Lippen, die ich wer weiß
wie oft küßte. Wo sind nun deine Scherze? Deine Sprünge? Deine
Liedchen? Wo sind die schnakischen Einfälle, welche die Tafel mit
brüllendem Gelächter zu erschüttern pflegten? Ist dir nicht ein
einziger übrig geblieben, um über dein eignes Grinsen zu spotten?
Nun geh mir einer in Mylady's Schlaf-Zimmer, und sag ihr; und wenn
sie sich einen Daumen dik übermahle, so müß' es doch zulezt (dazu)
mit ihr kommen--Ich bitte dich, Horatio, antworte mir nur auf Eine
Frage--
Horatio.
Was ist es, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Denkst du, Alexander habe auch so im Boden ausgesehen?
Horatio.
Eben so.
Hamlet.
Und so gerochen? Fy!
(Er riecht an dem Schedel.)
Horatio.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Zu was für einer unedeln Bestimmung können wir endlich herabsinken,
Horatio! Können wir nicht in unsrer Einbildung Alexanders edlem
Staube folgen, bis wir ihn an einem Ort finden, wo er ein Spund-
Loch stoppt?
Horatio.
Eine solche Betrachtung wäre gar zu spizfündig.
Hamlet.
Nein, gar nicht, im geringsten nicht: Die Betrachtung ist ganz
natürlich: Alexander starb, Alexander wurde begraben, Alexander
wurde zu Staub; der Staub ist Erde; aus der Erde machen wir Laim;
und konnte mit diesem Laim, worein er verwandelt wurde, nicht eine
Bier-Tonne gestoppt werden? Und so kan der Welt-Bezwinger Cäsar
eine Spalte in einer Mauer gegen den Wind gestoppt haben. Aber
sachte! Sachte eine Weile--da kommt der König--
Zweyte Scene.
(Der König, die Königin, Laertes, und ein Sarg mit einem Trauer-
Gefolge von Hofleuten, Priestern, u.s.w.)
Hamlet.
Die Königin--ein Gefolge von Hofleuten--Was ist das, was sie
begleiten? und warum mit so wenig Ceremonien? Das zeigt, daß die
Leiche, so sie begleiten von jemand ist, der gewaltthätige Hand an
sich selbst gelegt hat--Es muß eine Person von Stande gewesen seyn--
wir wollen uns ein wenig entfernt halten und acht geben.
Laertes.
Die übrigen Ceremonien?
Hamlet.
Das ist Laertes, ein sehr edler junger Mann: gieb acht--
Laertes.
Die übrigen Ceremonien?
Priester.
Ihre Obsequien sind so weit ausgedehnt worden, als wir ermächtigst
sind; ihr Tod war zweifelhaft; und hätte der Königliche Befehl die
Ordnung nicht übermocht, so sollte sie in einem ungeweihten Boden
bis zum Schall der lezten Trompete ihr Lager gehabt haben; statt
mildherziger Fürbitten sollten Scherben, und Kieselsteine auf sie
geworfen worden seyn; nun wird sie mit jungfräulichen Ehrenzeichen,
unter Gesang und Gloken-Geläut bestattet.
Laertes.
Und ist das alles was gethan werden soll?
Priester.
Es ist alles was gethan werden kan; es würde Entheiligung seyn, ihr
ein (requiem) zu singen und ihr die lezte Ehre die nur Seelen die
im Frieden abgeschieden sind, gebührt, zu erstatten.
Laertes.
Legt sie in die Erde; und aus ihrem schönen und unbeflekten Fleisch
mögen Violen hervorkeimen! Ich sage dir, hartherziger Priester,
meine Schwester wird ein Engel des himmlischen Thrones seyn, wenn
du heulend im Abgrund liegst.
Hamlet.
Wie? die schöne Ophelia?
Königin.
Das lezte lebe wohl, angenehme Schöne! Ich hoffte, du solltest
meines Hamlets Weib werden; ich dachte einst dein Braut-Bette zu
deken, holdes Mädchen, nicht dein Grab mit Blumen zu bestreuen.
Laertes.
O dreyfaches Weh falle zehnfältig dreymal über das verfluchte Haupt,
dessen gottlose That dich deiner schönen Vernunft beraubte.
Haltet noch ein, bis ich sie noch einmal in meine Arme geschlossen
habe.
(Er springt in das Grab.)
Nun werft euern Staub über den Lebenden und Todten, bis ihr aus
dieser Ebne ein Gebürge gemacht habt, das den alten Pelion und den
Himmelberührenden Olimpus übergipfle.
Hamlet, (der sich zu erkennen giebt.)
Wer ist der, dessen Schmerz sich so emphatisch ausdrukt? Dessen
Trauer-Töne die irrenden Sterne beschwören und sie zwingen, von
Erstaunen gefesselt, stille zu stehn und zu horchen? Der bin ich,
Hamlet, der Dähne.
(Er springt in das Grab.)
Laertes.
Der Teufel hole deine Seele!
(Er ringt mit ihm.)
Hamlet.
Du betest nicht schön. Ich bitte dich, deine Finger von meiner
Gurgel weg!--Wenn ich gleich nicht splenetisch und jähzornig bin,
so hab ich doch etwas gefährliches in mir, wovor du dich hüten
magst, wenn du klug bist. Deine Hand zurük.
König.
Reißt sie von einander--
Königin.
Hamlet, Hamlet--
Horatio.
Mein gnädigster Prinz, halltet euch zurük--
(Die Umstehenden machen sie von einander loß.)
Hamlet.
Was, ich will über diese Materie mit ihm fechten, bis meine
Auglider nicht länger niken können.
Königin.
O mein Sohn! was für eine Materie?
Hamlet.
Ich liebte Ophelien; vierzigtausend Brüder könnten mit aller ihrer
Liebe zusammen genommen die Summe der meinigen nicht aufbringen.
Was willt du für sie thun?
König.
O er ist rasend, Laertes--
Königin.
Um Gottes willen, habt Geduld mit ihm.
Hamlet.
Komm, zeig mir, was du thun willt. Willt du weinen? Willt du
fechten? Willt du fasten? Dich selbst zerfezen? Willt du Wein-
Essig trinken, ein Crocodil verschlingen? Ich will es thun--Kamst
du nur hieher, zu weinen? Vor meinen Augen in ihr Grab zu
springen? Laß dich lebendig mit ihr begraben; ich will es auch;
und wenn du von Bergen schwazest, so laß sie Millionen Jaucharten
auf uns werfen, bis die auf uns liegende Erde, den Ossa zu einem
Maulwurfs-Hauffen macht! Wahrhaftig! Wenn du großsprechen willt,
so kan ich das Maul so voll nehmen wie du.
Königin.
Er spricht in tollem Muth, und so wird der Paroxismus eine Weile
auf ihn würken; aber auf einmal wird, so geduldig als die weibliche
Daube, eh ihre goldbehaarten Jungen ausgekrochen sind, sein
Stillschweigen brütend sizen.
Hamlet.
Hört ihr, Herr--was ist die Ursache, daß ihr mir so begegnet? Ich
liebte euch allezeit: Aber es hat nichts zu sagen. Laßt den
Hercules selbst thun was er kan, die Kaze muß mauen und der Hund
seinen Lauf haben--