William Shakespear

Hamlet, Prinz von Dännemark
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(Er geht ab.)

König.
Ich bitte euch, guter Horatio, habet acht auf ihn.

(Horatio geht ab.) (zu Laertes.)

Stärket eure Geduld durch unsre lezte Abrede.  Wir wollen uns
nicht länger säumen, die Hand an die Ausführung zu legen--Liebe
Gertrude, gebet eurem Sohn einige Hüter zu--Dieses Grab soll ein
würdiges Denkmal bekommen--Und nun wollen wir unsrer Ruhe eine
Stunde schenken.

(Sie gehen ab.)






Dritte Scene.
(Verwandelt sich in eine Halle im Palast.)
(Hamlet und Horatio treten auf.)

(Hamlet erzehlt seinem Vertrauten,auf was Weise er den Inhalt der
 königlichen Commission, womitRosenkranz und Güldenstern beladen
 waren, entdekt und vereitelthabe.  Da diese ganze Scene nur zur
 Benachrichtigung der Zuhörerdient, so wären zwey Worte hinlänglich
 gewesen, ihnen zu sagen wassie ohnehin leicht erraten könnten.
 Hamlet hatte Ursache einMißtrauen in die Absichten des Königs bey
 seiner Versendung nachEngland zu sezen.  Er schlich sich also
 während daß die beydenGesandten schliefen, in ihre Cajute, fingerte
 ihr Pakett weg, zogsich damit in sein eigenes Zimmer zurük, erbrach
 das königlicheSigel und fand einen gemeßnen Befehl an den
 Englischen König,vermöge dessen dem Hamlet sobald er angelangt seyn
 würde, der Kopfabgeschlagen werden sollte--Er stekte dieses Papier
 zu sich, undsezte sich hin, eine andre Commission zu schreiben,
 worinn derKönig aufs ernstlichste beschwohren wurde, so lieb ihm
 dieFreundschaft Dännemarks (von welchem England damals abhängig
 war)sey, die Überbringer dieses Schreibens unverzüglich aus dem
 Wegeräumen zu lassen.  Zu gutem Glüke hatte er seines Vater Signet
 inder Tasche; und zu noch grösserm Glük war es dem grossen
 dähnischenSigel vollkommen gleich; er faltete also dieses Schreiben
 eben sowie das erste, unterschrieb und sigelte es, und legte es
 sogeschikt an die Stelle des andern, daß Rosenkranz und
 Güldensterndie Verwechslung nicht gewahr wurden, und also bey ihrer
 Ankunft inEngland wie Bellerophon, ihr eigenes Todesurtheil
 überlieferten.Horatio findet hiebey bedenklich, daß dieser
 mißlungene Ausgang desKöniglichen Bubenstüks nicht lange verborgen
 bleiben könne.  Hamletberuhigst sich hierüber daß doch die Zwischen-
 Zeit sein sey, undnicht mehr als ein Augenblik erfordert werde, dem
 Leben einesMenschen ein Ende zu machen.  Indessen bedaurt er, daß
 er sichdurch den Affect habe hinreissen lassen, den Laertes zu
 beleidigen,und nimmt sich vor, daß er sich bemühen wolle, seine
 Freundschaftwieder zu erlangen.)*

{ed.-* Man kan hieraus schliessen, daß HamletAbsichten gegen den
König gehabt habe; es war aber doch nichtsbestimmtes, kein Entwurf,
wobey er sich seiner eignen Sicherheitund eines glüklichen Ausgangs
hätte versichert halten können--Hamlet soll und will seinen Vater
rächen--Dieser Wille beherrschtihn vom ersten Actus des Stüks bis
zum Ende, ohne daß er jemalsselbst weiß, oder nur daran denkt wie
er dabey zu Werke gehen wolle--Allein wir haben längst gesehen, daß
die Anlegung der Fabel, dieVerwiklung und die Entwiklung derselben
gerade die Stüke sind,worinn unser Poet schwerlich jemand unter
sich hat.  Indessengefällt doch dem Englischen Parterre kein Stük
ihres Shakespearsmehr als dieses.  Man sollte sagen, es
simpathisiere mit ihnen.Der Humor des Hamlet (Denn das was ihn in
dem ganzen Lauf des Stüksbeherrscht, ist viel weniger Leidenschaft
als Laune,) diese kalte,raisonnirende oder richtiger zu reden,
phantasirende Melancholie,die nur dann und wann in plözliche und
eben so schnell wiedersinkende Wind-Stösse von Leidenschaft
ausbricht, dieseGleichgültigkeit gegen sein eigens Leben, welche
das grosseVorhaben der Rache, wovon seine Seele geschwellt ist,
demungefehren Zufall überlaßt, und es nicht der Mühe werth hält
einenPlan anzulegen oder Präcautionen zu nehmen, um nicht selbst in
denFall seines Feindes verwikelt zu werden--Alles dieses sind Züge,
worinn Engländer ihr eignes Bild zu sehr erkennen, um nicht
weitstärker davon interessiert zu werden, als durch die
idealischenCharakters und die starken soutenierten Leidenschaften
der Heldendes Corneille.  Shakespears Helden, zumal seine Lieblings-
Helden,sind alle (Humoristen), und vermuthlich ist dieses eine
Haupt-Ursache, warum ungeachtet Sprache, Sitten und Geschmak sich
seitseiner Zeit so sehr verändert haben, dieser Autor doch für
seineLandsleute immer neu bleibt, und etwas weit anzügelichers für
siehat, als alle die neuern, welche nach französischen
Modellengearbeitet haben.}





Vierte Scene.
(Oßrik des Königs Hofnarr, kommt dem Hamlet zu melden, der König
 habe eine Wette mit Laertes angestellt, daß ihm Hamlet im Fechten
 überlegen sey.  Diese Scene ist mit der unübersezlichen Art von Wiz,
 Wortspielen und Fopperey angefüllt, worinn unser Autor seine
 damaligen Rivalen eben so weit als an Genie und an wahren
 Schönheiten hinter sich ließ.  Nach einem langen Ball-Spiel mit Wiz,
 unter welchen einige Satyrische Züge gegen die gezwungene und)
 precieuse(Hof-Sprache der damaligen Zeit mit einlauffen, fertigt
 Hamlet den Narren mit der Antwort an den König ab, daß er auf der
 Stelle bereit sey, den Wett-Kampf mit Laertes zu unternehmen.  Bald
 darauf tritt ein Herr vom Hofe auf, und kündigt an, daß der König,
 die Königin, und der ganze Hof im Begriff seyen zu kommen und dem
 Wett-Kampf beyzuwohnen.  Er sezt hinzu: Die Königin ersuche den
 Prinzen, vor Anfang des Gefechts sich eine Weile mit Laertes auf
 einen freundschaftlichen Fuß zu unterhalten.  Hamlet verspricht es
 zu thun, und der Höfling geht ab.)


Horatio.
Ich besorge ihr verliehret die Wette Gnädiger Herr.

Hamlet.
Ich glaub es nicht; ich bin, seit dem er nach Frankreich gieng, in
beständiger Übung gewesen, ich halte mich des Siegs gewiß.  Aber
du kanst dir nicht vorstellen, wie übel mir allenthalben hier ums
Herz ist--Allein das hat nichts zu bedeuten.

Horatio.
Ich denke nicht so, mein liebster Prinz.

Hamlet.
Es ist nichts, blosse Kinderey; und doch wär es vielleicht genug,
um ein Weibsbild unruhig zu machen.

Horatio.
Wenn euch euer Herz eine geheime Warnung giebt, so folgt ihm.  Ich
will ihnen entgegen gehen, und sagen, ihr seyd izo nicht disponiert.

Hamlet.
Nein, nein, ich halte nichts auf Ahnungen; die Vorsehung erstrekt
sich bis über den Fall eines Sperlings.  Ist es izt, so ist es
nicht ein andermal; ist es nicht ein andermal, so ist es izt; und
ist es nicht izt, so wird es ein andermal seyn--Alles kommt darauf
an, daß man bereit sey.




Fünfte Scene.
(Der König, die Königin, Laertes und eine Anzahl Herren vom Hofe,
 Oßrik und einige Bedienten mit Rappieren und Fecht-Handschuhen.
 Ein Tisch und Flaschen mit Wein darauf.)


König.
Kommt, Hamlet, kommt, und nemmt diese Hand von mir.

(Er giebt ihm des Laertes Hand.)

Hamlet.
Ich bitte um eure Vergebung, mein Herr, ich habe euch bleidiget;
aber vergebet mirs und versichert mich dessen als ein Edelmann.
Alle Gegenwärtigen wissen, und ihr müßt es gehört haben, mit was
für einer unglüklichen Gemüths-Krankheit ich gestraft bin.  Was ich
gethan habe, das in euch Natur, Ehre und Rache gegen mich aufreizen
möchte, hat, ich erklär' es hier öffentlich, meine Raserey gethan;
Es war nicht Hamlet der euch beleidigte--Hamlet war nicht er selbst,
da er es that, er verabscheut die That seiner Raserey; sie ist der
Beleidiger, er auf der Seite der Beleidigten; seine Raserey ist des
armen Hamlets Feind.  Laßt also meine feyerliche Erklärung daß ich
keinen Vorsaz hatte, übels zu thun, mich so fern in euern
edelmüthigen Gedanken frey sprechen, als ob ich meinen Pfeil über
ein Haus geschossen, und meinen Bruder verwundet hätte.

Laertes.
Ich bin befriedigt, in so fern ich Sohn und Bruder bin, Namen, die
in diesem Fall mich am meisten zur Rache auffordern; Aber als ein
Edelmann, kan und will ich keine Versöhnung eingehen, bis ich von
einigen ältern und bewährten Richtern dessen was die Ehre fodert,
die Versicherung erhalten habe, daß ich es ohne meinen Namen zu
entehren thun könne.  Inzwischen nehme ich, bis dahin, eure
angebotene Freundschaft als Freundschaft an, und will sie nicht
mißbrauchen.

Hamlet.
Ich bin zufrieden, und auf diesen Fuß bin ich bereit, diesen
freundschaftlichen Wett-Kampf zuversichtlich zu bestehen.  Gebt uns
die Rappiere.

Laertes.
Kommt, eins für mich.

Hamlet.
Ich werde eure Folie seyn, Laertes; eure Kunst wird aus meiner
Unwissenheit desto feuriger hervorstralen, wie ein Stern aus der
Finsterniß der Nacht; in der That.

Laertes.
Ihr scherzet, mein Herr.

Hamlet.
Nein, bey dieser Hand.

König.
Gebt ihnen Rappiere, Oßrik.  Hamlet, ihr wisset, worauf ich
gewettet habe?

Hamlet.
Ich weiß es, Gnädigster Herr; Eure Majestät hat sich in Gefahr
gesezt, zu verliehren.

König.
Ich besorge nichts; ich habe euch beyde fechten gesehen, weil er
aber indessen stärker worden ist, so haben wir das Gewette
angestellt.

Laertes.
Dieses Rappier ist zu schwer, laßt mich ein anders sehen.

Hamlet.
Das meine ist mir ganz recht; diese Rappiere haben alle die rechte
Länge.

König.
Füllt mir diese Dekel-Gläser mit Wein!  Wenn Hamlet den ersten oder
zweyten Stoß beybringt, oder bis zum dritten sogleich erwiedert, so
laßt alle Canonen loßfeuren; der König wird auf Hamlets bessern
Athem trinken, und in den Becher soll eine Perle geworfen werden,
reicher als die kostbarste die jemals ein dänischer König in seiner
Crone getragen hat.  Gebt mir die Becher: Und laßt es die Kessel-
Pauken den Trompeten kundmachen, die Trompeten den Canonieren
draussen, die Canonen dem Himmel, die Himmel der Erde, daß der
König auf Hamlets Gesundheit trinke--Komt, fangt an, und ihr Herren
Richter, habt gute Acht.

Hamlet.
Kommt dann, mein Herr.

Laertes.
Wohlan, Gnädiger Herr--

(Sie fechten.)

Hamlet.
Einer--

Laertes.
Nein--

Hamlet.
Thut den Ausspruch--

Oßrik.
Ein Stoß, und das ein ziemlich fühlbarer.

Laertes.
Gut--Noch einmal--

König.
Haltet ein--zu trinken!  Hamlet, diese Perle ist dein--Auf deine
Gesundheit!--Gebt ihm den Becher--

(Trompeten und Pauken und mit Salve von Geschüz.)

Hamlet.
Ich will diesen Gang erst ausfechten--Sezt ihn indessen hin--

(sie fechten)

--Wohlan--wieder einen Stoß--was sagt ihr?

Laertes.
Gestreift, gestreift, ich gesteh' es.

König.
Unser Sohn wird gewinnen.

Königin.
Er ist zu fett und von zu kurzem Athem.  Hier Hamlet, nimm mein
Schnupftuch und wische dir die Stirne--Die Königin trinkt dirs zu,
Hamlet, auf dein gutes Glük! --

(Sie trinkt aus dem Becher, der für Hamlet bestimmt war.)

Hamlet.
Gütige Mutter--

König.
Gertrude trinkt nicht--

Königin.
Ich will, mein Herr; ich bitte euch um Vergebung.

König (vor sich.)
Es ist der vergiftete Becher; nun ist's zu spät--

Hamlet.
Ich darf noch nicht trinken, Gnädige Frau; eine kleine Geduld--

Königin.
Komm, laß mich dein Gesicht abwischen.

Laertes.
Diesesmal will ich ihm gewiß eins anbringen.

König.
Ich glaub es nicht.

Laertes (bey Seite.)
Und doch ist es fast gegen mein Gewissen.

Hamlet.
Kommt, den dritten Gang, Laertes; ihr tändelt nur; ich bitte euch,
gebraucht euch eurer äussersten Stärke; ich sorge ihr wollt mich
nur zu sicher machen.

Laertes.
Sagt ihr das?  Wohlan dann.

(Sie fechten.)

Oßrik.
Es hat noch keiner nichts--

Laertes.
Da habt es dann--

(Laertes verwundet Hamleten; hernach verwechseln sie in der Hize
des Gefechts die Rappiere, und Hamlet verwundet den Laertes.)

König.
Trennet sie, sie gerathen in Hize.

Hamlet.
Nein, noch einmal--

Oßrik.
Seht zu der Königin hier, ho!

Horatio.
Sie bluten beyde--Wie geht's euch, Gnädigster Herr?

Oßrik.
Wie steht's um euch, Laertes?

Laertes.
Wie eine Schneppe in meiner eignen Schlinge, Ossrik; billig sterb'
ich durch das Werkzeug meiner schnöden Verrätherey.

Hamlet.
Was macht die Königin--

König.
Es ist nur eine Ohnmacht, weil sie Blut gesehen hat.

Königin.
Nein, nein, der Trank, der Trank--O mein theurer Hamlet!  der Trank,
der Trank--Ich bin vergiftet--

(Die Königin stirbt.)

Hamlet.
O Abscheulichkeit!  he!  laßt die Thüren verrigelt werden:
Verrätherey!  wer ist der Thäter--

Laertes.
Hier ist er; Hamlet, du bist des Todes, kein Arzneymittel in der
Welt kan dich retten.  Du hast für keine halbe Stunde mehr Leben in
dir, das verräthrische Werkzeug ist in deiner Hand, ohne Knopf und
vergiftet; der schändliche Kunstgriff ist mein eignes Verderben
worden.  Sieh, hier lieg ich, um nicht mehr aufzustehen; deine
Mutter ist vergiftet; ich kan nicht mehr--Der König, der König hat
die Schuld.

Hamlet.
Und diß Rappier auch vergiftet?  Nun, Gift, so thu was du kanst--

(Er ersticht den König.)

Alle.
Verrätherey!  Verrätherey!

König.
O helft, meine Freunde, vertheidiget mich, ich bin nur verwundet--

Hamlet.
Hier, du blutschändrischer, mördrischer, verdammter Dähne, trink
diesen Becher aus--ist die Perle hier?  Folge meiner Mutter--

(Der König stirbt.)

Laertes.
Er hat empfangen was er verdient hat.  Er selbst mischete das Gift.
Laß uns einander verzeihen, edler Hamlet; mein und meines Vaters
Tod komme nicht über dich, noch deiner über mich!

(Er stirbt.)

Hamlet.
Der Himmel mög' ihn dir nicht zurechnen!  Ich bin des Todes,
Horatio--Unglükliche Königin, Adieu!--Ihr, die ihr mit erblaßten
Gesichtern umhersteht, und vor Entsezen über diesen Vorfall zittert;
ihr, die ihr nur die stummen Personen oder die Zuhörer bey diesem
Trauerspiel seyd--hätte ich nur Zeit--aber der Tod liegt zu hart
auf mir--oh, ich könnte euch Dinge sagen--laß es seyn!--Horatio,
ich sterbe; du lebst, dir überlaß ich meine Ehre und meine
Rechtfertigung bey den Unberichteten.

Horatio.
Das glaubt nicht, daß ich leben werde--Ich bin mehr ein alter Römer
als ein Dähne--Hier ist noch von dem Trank übrig.

Hamlet.
Wenn du ein Mann bist, so gieb mir den Becher; laß gehen; beym
Himmel, ich will ihn haben.  O mein redlicher Horatio, was für
einen verwundeten Namen, werd' ich bey diesen Umständen hinter mir
lassen!  Wenn du mich jemals in deinem Herzen getragen hast, so
verbanne dich selbst noch eine Weile von der Glükseligkeit, und
schleppe dich noch so lange in dieser mühseligen Welt, bis du mein
Andenken gerechtfertiget hast.

(Man hört einen Marsch und bald darauf ein Salve hinter der Scene.)

Was für ein kriegrisches Getöse ist das?




Sechste Scene.
(Oßrik tritt auf.)


Oßrik.
Der junge Fortinbras, welcher siegreich von Pohlen zurük kommt,
beehrt die Abgesandten von England mit diesem kriegerischen Gruß.

Hamlet.
O ich sterbe, Horatio; die Stärke des Gifts überwältigt meinen
Geist: Ich kan nicht so lange leben, die Nachrichten aus England zu
hören.  Aber ich sehe vorher, daß die Wahl auf Fortinbras fallen
wird; er hat meine sterbende Stimme: Das sag ihm mit allen den
Umständen, die diesen Ausgang--Es ist vorbey--

(Er stirbt.)

Horatio.
Nun bricht ein edles Herz; gute Nacht, liebster Prinz, und Engels-
Schwingen mögen dich zu deiner Ruhe tragen!--Wie, die Trummeln
kommen näher?  (Fortinbras und die Englischen Gesandten, mit
Trummeln, Fahnen, und Gefolge treten auf.)

Fortinbras.
Was für ein Anblik ist das?

Horatio.
Der kläglichste und ausserordentlichste, den eure Augen jemals
sehen werden.

Fortinbras.
Vier fürstliche Leichen, todt und in ihrem Blut liegend--O stolzer
Tod, was für ein Gastmal giebst du in deiner höllischen Grotte, daß
du so viele Prinzen mit einem Streich geschlachtet hast.

Abgesandten.
Der Anblik ist entsezlich, und unsre Commission aus England kommt
zu späte.  Die Ohren sind fühlloß, die uns Audienz geben sollten.
Wir sollten ihm melden, daß sein Befehl an Rosenkranz und
Güldenstern vollzogen worden: Von wem werden wir nun unsern Dank
erhalten?

Horatio.
Nicht von diesem Munde (des Königs), hätte er noch das Vermögen zu
reden: Denn er gab niemals keinenBefehl daß sie sterben sollten.
Allein, nachdem es sich nungefüget hat, daß ihr beyderseits so
schiklich, ihr von demPolnischen Krieg und ihr von England, zu
dieser blutigen Sceneangekommen seyd; so gebet Befehl, daß diese
Leichen auf einemerhöheten Gerüste ausgesezt werden, damit ich der
Welt, für welchealles noch ein Geheimniß ist, sagen könne, wie
diese Dinge sichzugetragen haben.  Ihr werdet dann von grausamen,
blutigen undunnatürlichen Thaten hören, wie einige durch
verrätherische Ränke,andre durch den blossen Zufall, und wie am
Ende die mißlungenenAnschläge auf ihrer Erfinder eignen Kopf
gefallen sind.  Von allemdiesem kan ich umständliche und echte
Nachricht geben.

Fortinbras.
Mich verlangt es zu hören--Die Anstalten sollen gemacht, und der
Adel zusammen beruffen werden.  Was mich betrift so umarme ich mein
Glük mit traurigem Herzen; ich habe einiges Recht an dieses
Königreich, welches ich durch diese Zufälle nun geltend zu machen
veranlaßt bin.

Horatio.
Auch hievon hab ich zu reden, und aus einem Munde, dessen Stimme
manche andre nach sich ziehen wird: Aber lasset die Anstalten
unverzüglich gemacht werden, izt, da die Gemüther noch bestürzt und
unfähig sind Entwürfe zu machen, die zu neuen Verwirrungen Anlaß
geben könnten.  (Fortinbras giebt Befehl, daß Hamlets Leiche unter
kriegerischer Musik, von vier Hauptmännern auf das Gerüste getragen
werde--(Sie marschieren ab, und das Stük hört mit einem abermaligen
Salve aus dem kleinen Geschüz auf.)



von William Shakespeare (Übersetzt von Christoph Martin Wieland).
                
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