William Shakespear

Leben und Tod des Königs Johann
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Blanca (zu Ludwig.)
Meines Oheims Wille ist in dieser Sache der meinige; was er nur
immer an euch sehen mag, das ihm gefällt, dieses Etwas, das ihm
gefällt, kan ich ohne Mühe zu meinem Willen übertragen; oder, um
eigentlicher zu reden, wenn ihr wollt, kan ich es leicht meiner
Liebe aufnöthigen.  Milord, ohne euch über alles was ich
liebenswürdiges an euch sehe, zu schmeicheln, will ich nur soviel
sagen, daß ich nichts an euch sehe, was, wenn gleich die Tadelsucht
selbst Richter seyn sollte, einiges Hasses würdig wäre.

König Johann.
Was sagen diese jungen Leute?  Was sagt ihr, meine Nichte?

Blanca.
Daß ihre Ehre sie verbindet, alles zu thun, was eurer Klugheit ihr
zu befehlen belieben wird.

König Johann.
Redet dann, Prinz Dauphin, könnt ihr diese Lady lieben?

Ludwig.
Fragt mich vielmehr, ob es mir möglich sey, sie nicht zu lieben;
denn ich liebe sie im höchsten Grade.

König Johann.
So geb' ich dir also Volquessen, Touraine, Maine, Poitiers und
Anjou, diese fünf Provinzen, mit ihr; und über dieses noch die
volle Summe von dreyßigtausend Mark Englischen Geldes.  Philipp von
Frankreich, wenn du damit zufrieden bist, so befiehl deinem Sohn
und deiner Tochter einander die Hände zu geben.

König Philipp.
Wir sind es vollkommen zufrieden, ihr jungen Prinzen, vereinigst
eure Hände.

Östreich.
Und eure Lippen dazu; denn ich erinnre michs noch wohl daß ich es
so machte, wie ich das erstemal versprochen wurde.

König Philipp.
Nun, ihr Bürger von Angiers, öffnet eure Thore, um die Freundschaft
einzulassen die ihr gestiftet habt, damit ohne Verzug diese
Vermählung in St.  Martins Capelle sollennisirt werden könne.  Ist
die Lady Constantia nicht in dieser Gesellschaft?  Doch sie kan
nicht hier seyn; ihre Gegenwart würde diesem neugeschloßnen
Verglich ein starkes Hinderniß in den Weg gelegt haben.  Wo ist sie,
und ihr Sohn, wer kan es mir sagen?

Ludwig.
Sie sizt voll Traurigkeit und Unwillen in Eurer Majestät Gezelt.

König Philipp.
Bey meiner Ehre, dieses Bündniß das wir getroffen haben, wird ihrer
Schwermuth wenig Lindrung geben.  Bruder von England, wie können
wir diese Fürstliche Wittwe zufrieden stellen?  Zu Behauptung ihres
Rechts sind wir gekommen, und nun haben wir uns, Gott weiß es, zu
unserm eignen Vortheil, auf eine andre Seite gedreht.

König Johann.
Wir wollen alles gut machen; denn wir wollen den jungen Arthur zum
Herzog von Bretagne und Grafen von Richmond ernennen, und ihn
überdiß zum Herrn dieser schönen reichen Stadt machen.  Ruffet die
Lady Constantia; ladet sie eilfertig zu unsrer Feyrlichkeit ein;
wenn wir gleich nicht das ganze Maaß ihres Willens erfüllen, so
werden wir sie doch in gewissem Maasse befriedigen, und wenigstens
ihren Ausruffungen den Mund stopfen.  Izt laßt uns zu Vollziehung
dieser unvorgesehnen und unvorbereiteten Solennität keine Zeit
verliehren.

(Alle gehen ab, bis auf Faulconbridge.)



Sechste Scene.


Faulconbridge.
Närrische Welt!  närrische Könige!  närrisches Zeug zusammen!
Johann, um Arthurn sein Recht zum Ganzen zu benehmen, begiebt sich
freiwillig eines Theils; und Frankreich, dem das Gewissen seine
Rüstung angeschnallt, den Eifer und Christliche Liebe als Gottes
eignen Waffenträger ins Feld geführt, läßt sich nun von diesem
Vorsaz-Ändrer entwafnen, diesem schlauen Teufel, diesem Mäkler,
der immer der Treue den Hals bricht, diesem täglichen Eidbrecher,
der alle Menschen verführt, Könige, Bettler, Alte, Junge, und der
die Mädchen selbst, die sonst nichts äusserliches zu verliehren
haben als das Wort Mädchen, die armen Dinger auch um das betrügt;
diesem glattmaulichten Stuzer, diesem kizelnden Schmeichler,
Interesse--Interesse, der die ganze Welt aus ihrem ebnen
natürlichen Lauf heraushebt, und ohne alle gerade Richtung, Absicht
und Regel forttreibt.  Und eben dieses Interesse, diese Kupplerin,
dieser Mäkler, dieser allesverwandelnde Zauberer, auf das Auge des
wankelmüthigen Philipps geplakt, hat ihn von seinem festgesezten
Endzwek, von einem beschloßnen und ehrenvollen Krieg, zu einem
höchst schimpflichen und niederträchtigen Frieden gezogen--Und
warum ziehe ich wider dieses Interesse los, als weil es noch bisher
nicht um mich gebuhlt hat; nicht, weil ich die Stärke hätte die
Hand zuzuschliessen, wenn seine schönen Engel mir die ihrige
darreichen würden; sondern weil meine Hand, die noch immer leer
gelassen worden, gleich einem armen Bettler über die Reichen
schmählt.  Wohl dann, so lang ich ein Bettler bin, will ich über
die Reichen schmählen, und sagen, es sey keine grössere Sünde als
reich seyn: Und wenn ich reich bin, dann soll meine Tugend darinn
bestehen, daß ich behaupte, es sey kein Laster als Dürftigkeit.
Wenn Könige selbst ihren Eid aus Eigennuz brechen, so sey du mein
Gott, Gewinnst; denn dir allein will ich dienen.

(Er geht ab.)




Dritter Aufzug.



Erste Scene.
(Des Französischen Königs Gezelt.)
(Constantia, Arthur und Salisbüry, treten auf.)


Constantia.
Gegangen, um sich zu vermählen?  Um einen Frieden zu schwören?
Treuloses Blut mit treulosem Blut vereinigt!  Gegangen, um Freunde
zu seyn?  Ludwig soll Blanca haben, und Blanca diese Provinzen?  Es
ist nicht so, du hast dich verredet, du hast nicht recht gehört; es
kan nicht seyn, du sagst nur, es sey so; ich bin versichert daß du
nicht die Wahrheit sagst, denn dein Wort ist nur der eitle Athem
eines gemeinen Mannes.  Glaube mir, Mann, ich glaube dir nicht, ich
habe den Eid eines Königs für das Gegentheil; du sollt dafür
gestraft werden, daß du mich so erschrekt hast; denn ich bin krank,
und leicht in Furcht zu sezen; mißhandelt und unterdrükt, und also
voller Furcht; eine Wittwe ohne Mann, ohne Beschüzer, also der
Furcht unterworffen; ein Weibsbild, von Natur zur Furchtsamkeit
gebohren; und wenn du izt gleich bekennen würdest, daß du nur
gescherzt habest, so könnte ich doch meine in Unordnung gebrachten
Lebensgeister nicht sogleich wieder beruhigen, sondern sie werden
diesen ganzen Tag zittern und schaudern.  Was soll dieses
Kopfschütteln bedeuten?  Warum siehst du meinen Sohn so traurig an?
Warum legst du die Hand auf deine Brust?  Warum diese Thränen, die
wie ein aufgeschwollner Bach über ihre Ufer stürzen?  Sind diese
schwermüthigen Seufzer Bekräftigungen deiner Worte?  So sprich noch
einmal, nicht deine vorige Erzählung, sondern nur diß einzige Wort,
ob deine Erzählung wahr ist oder nicht?

Salisbury.
So wahr als ihr Ursache habt, diejenige für falsch zu halten,
welche schuld an der Wahrheit meiner Aussage sind.

Constantia.
Oh, wenn du mich lehrst diese kummervolle Zeitung zu glauben, so
lehre diese kummervolle Zeitung wie sie mich tödten soll, damit ihr
Glaube und mein Leben so an einander stossen, wie die Wuth von
zween ergrimmten Männern, die in dem Augenblik da sie auf einander
treffen, fallen und sterben.  Ludwig vermählt sich mit Blanca?  O
Junge, was bist dann du?  Frankreich, Freund von England?  Was wird
dann aus mir?  Geh, Mann, ich kan deinen Anblik nicht ausstehen
diese Zeitung hat dich zu einem abscheulichen Mann gemacht.

Salisbury.
Was habe ich dann Übels gethan, gute Lady, als das Übel
anzuzeigen, das andre gethan haben?

Constantia.
Welches aber an sich selbst so scheußlich ist, daß es alle die nur
davon reden abscheulich macht.

Arthur.
Ich bitte euch, Mutter, gebt euch zufrieden.

Constantia.
Wenn du, der mich zufrieden seyn heißt, häßlich wärest, ungestalt,
und deiner Mutter Leibe schimpflich, voller Fleken und ekelhafter
Finnen, lahm, albern, buklicht, krummbeinicht, ungeheuer, und mit
Kräze und Eiterbeulen überdekt; dann wollt' ich mich nicht
bekümmern, dann wollt' ich mich zufrieden geben; denn alsdann würd'
ich dich nicht lieben, nein, noch würdest du deiner hohen Geburt
werth seyn, und eine Crone verdienen.  Aber du bist schön, und
Natur und Glük haben bey deiner Geburt, du theurer Knabe, sich
vereiniget, dich groß zu machen.  Wie die Natur dich begabt hat,
kanst du mit Lilien und halb entfalteten Rosen um den Vorzug
streiten.  Aber das Glük!  oh sie ist treulos worden, sie ist von
dir abgefallen, hält stündlich mit deinem Oheim zu, und hat mit
ihrer goldnen Hand Frankreich an sich gerissen, und dahin gebracht,
die Ehre der unumschränkten Herrschaft in den Staub zu treten, und
seine Majestät zu ihrer Kupplerin zu machen.  Frankreich ist eine
Kupplerin zwischen dem Glük und Johann, dem Glük, dieser ehrlosen
Meze, und diesem räuberischen Johann.  Sag mir, Bursche, ist
Frankreich nicht meineidig?  Vergift' ihn mit Worten, oder geh
deines Weges, und laß mich allein bey diesen Kränkungen, die ich
allein tragen muß.

Salisbury.
Verzeihet mir, Madam, ich darf nicht ohne euch zu den Königen zurük
kommen.

Constantia.
Du darfst, du sollst, ich will nicht mit dir gehen; ich will meinen
Schmerz lehren stolz zu seyn; denn Schmerz ist stolz, und macht
seinen Besizer eigensinnig.  Zu mir, und zu dem Hofstaat meines
grossen Kummers mögen die Könige sich versammeln; denn mein Kummer
ist so groß, daß nichts als die unbewegliche gigantische Erde ihn
unterstüzen kan; hier siz' ich und mein Schmerz; hier ist mein
Thron, sage den Königen, daß sie kommen und sich vor ihm büken.

(Sie sezt sich auf den Boden.)



Zweyte Scene.
(König Johann, König Philipp, Ludwig, Blanca, Elinor,
 Faulconbridge und Östreich.)


König Philipp.
Es ist wahr, schöne Tochter; und dieser gesegnete Tag soll auf ewig
in Frankreich festlich seyn.  Diesen Tag feyrlicher zu machen, hält
die glorreiche Sonne in ihrem Lauf inne, und spielt den Alchymisten,
indem sie durch den Glanz ihres funkelnden Auges die magre
klumpichte Erde in schimmerndes Gold verwandelt.  Der jährliche
Kreislauf, der diesen Tag wiederbringt, soll ihn nie anders als
einen Fest-Tag sehen.

Constantia (indem sie aufsteht.)
Ein unglüklicher Tag, und nicht ein Fest-Tag!  Was hat dieser Tag
verdient?  Was hat er gethan, daß er mit goldnen Buchstaben unter
die heiligen Zeiten in den Calender gesezt werden soll?  Nein,
stoßt ihn vielmehr aus der Woche aus, diesen Tag der Schande, der
Unterdrükung und des Meineids; oder wenn er ja stehen bleiben muß,
so laßt schwangre Frauen beten, daß sie ihrer Bürde nicht an diesem
Tag entbunden werden; laßt, ausser an diesem Tag, den Seefahrer
keinen Schiffbruch fürchten, und keinen Vertrag gebrochen werden,
der nicht an diesem Tage gemacht worden; ja, alles was an diesem
Tage angefangen wird, nehm' ein unglükliches Ende, und die Treue
selbst verwandle an ihm sich in Falschheit und Betrug!

König Philipp.
Beym Himmel, Lady, ihr habt keine Ursache die freudigen Begegnisse
dieses Tages zu verwünschen; hab ich euch nicht meine Majestät zum
Unterpfand gegeben?

Constantia.
Ihr habt mich mit einer nachgemachten Majestät betrogen, die,
sobald sie auf den Probstein gestrichen worden, sich falsch
befunden hat; ihr seyd meineidig, meineidig seyd ihr; ihr kam't in
Waffen, meiner Feinde Blut zu vergiessen, und vermischet und
verstärket es nun mit dem eurigen.  Freundschaft und geschminkter
Friede haben den Plaz der kühnen Streitbegierde und des edeln
kriegrischen Zorns genommen, und unsre Unterdrükung ist zum Sigel
dieses Bundes gemacht worden.  Waffnet, waffnet euch, ihr
himmlischen Mächte, wider diese meineidigen Könige; eine Wittwe
ruft: Sey mein Gemahl, o Himmel!  Laß diesen Ungöttlichen Tag sich
nicht im Frieden schliessen; sondern sende, eh die Sonne
untergegangen seyn wird, bewaffnete Zwietracht zwischen diese
treulosen Könige.  Höre mich, o höre mich!

Östreich.
Lady Constantia, gebt euch zufrieden.

Constantia.
Krieg, Krieg, keinen Frieden; Frieden ist Krieg für mich.  O
Lymoges, o Östreich!  du schändest diesen edeln Raub, womit du
pralest!  du Sclave, du Elender, du Memme, du kleiner Hasenritter,
in nichts groß als in Niederträchtigkeit, und nie herzhaft als wenn
du dich hinter die stärkste Parthey verbergen kanst; du Ritter der
Fortuna, der nie ficht, wenn dieses wetterläunische Fräulein nicht
neben dir steht, und dir Bürge für deine Sicherheit ist; du bist
auch meineidig, und schmeichelst den Grossen.  Was für ein Narr
bist du, für ein kriechender Narr, zu pralen und zu stampfen und zu
schwören, daß du meine Parthey halten wollest; du kaltherziger
Sclave, hast du nicht wie ein Donner an meiner Seite gesprochen?
Geschworen, daß du die Waffen für mich führen wollest, und mich
ermahnet, mich deinem Glüke und deiner Stärke anzuvertrauen?  Und
nun trittst du auch zu meinen Feinden über?  du, eine Löwen-Haut
tragen?  herab damit, wenn du noch eine Schaam in dir hast, und
häng' ein Kalbsfell um diese ehrlosen Schultern.

Östreich.
O daß ein Mann mir das sagte!

Faulconbridge.
Und häng' ein Kalbsfell um diese ehrlosen Schultern.

Östreich.
Untersteh dich das zu sagen, Schurke, wenn dir dein Leben lieb ist.

Faulconbridge.
Und häng' ein Kalbsfell um diese treulosen Schultern.

Östreich.
Mich däucht, Richards Stolz und Richards Fall sollt' eine Warnung
für euch seyn, Herr.

Faulconbridge.
Was für Worte sind das?  Wie schwanken meine Sehnen!  Meines Vaters
Feind in meines Vaters Raub gehüllt!  Wie flüstert mir Alecto ins
Ohr: Zögre nicht, Richard, schlage den nichtswürdigen Kerl zu Boden,
zieh ihm dieses unvergleichliche Ehrenzeichen ab, das Denkmal des
Triumphs deines Vaters über die Wilden--Nun bey seiner Seele
schwöre ich, bey meines Vaters Seele, ich will nicht zweymal die
Sonne aufgehen sehen, bis ich dieses Siegeszeichen von deinem Rüken
gezogen, und dir das Herz davor zerschmettert habe, daß du dich
unterstanden es zu tragen.

König Johann.
Höre auf, du mißfällst uns mit solchen Reden, und vergissest dich
selbst.



Dritte Scene.
(Pandolph zu den Vorigen.)


König Philipp.
Hier kommt der heilige Legat des Papsts.

Pandolph.
Heil euch, ihr gesalbten Stadthalter des Himmels!  An dich, König
Johann, geht meine heilige Gesandtschaft.  Ich, Pandolph, Cardinal
Erz-Bischof von Meiland, und Legat des Papsts Innocentius allhier,
frage dich in seinem Namen auf dein Gewissen, warum du gegen die
Vorrechte der Kirche, unsrer heiligen Mutter, den erwählten Erz-
Bischof von Canterbüry, Stephan Langton, so vorsezlicher und
gewaltthätiger Weise von diesem heiligen Stuhl zurükstossest?
Dieses ists, was in unsers vorbesagten heiligsten Vaters, Papsts
Innocentius, Namen, ich dich fragen soll.

König Johann.
Was für ein irdischer Name kan den freyen Athem geheiligter Könige
zu Fragstüken anhalten?  Du kanst keinen schlechtern, unwürdigern
und lächerlichern Namen erdenken, Cardinal, um mich zu einer
Antwort zu vermögen, als des Papsts seinen.  Sag ihm das, und seze
noch dieses aus Englands Mund hinzu, daß wir nicht gestatten werden,
daß ein Italiänischer Priester Zehnden oder Zoll in unsern
Gebieten einziehe; sondern, so wie wir in unsern Reichen, unter dem
Himmel das oberste Haupt sind, so wollen wir auch unter ihm, diesem
grossen Oberherrn, allein und ohne Beyhülf einer sterblichen Hand,
dieses unser Ansehen behaupten.  Sagt das dem Papst, mit
Beyseitsezung aller Ehrfurcht gegen ihn und seine anmaßliche
Autorität.

König Philipp.
Bruder von England, ihr lästert indem ihr so sprecht.

König Johann.
Ob gleich ihr und alle Könige der Christenheit euch von diesem
unruhigen Priester auf eine grobe Art hintergehen laßt, daß ihr
einen Fluch fürchtet, der sich mit Geld abkauffen läßt, und durch
das Verdienst von abschäzigem Gold, Quark, Staub, verfälschten
Ablaß von einem Menschen erkauft, der bey diesem Handel den Ablaß
sich selber abkauft, ob gleich ihr und alle übrigen, euch so grob
betrügen laßt, diesen heiligen Taschenspieler mit Einkünften zu
überhäuffen; so hab ich doch Muth, ich allein, mich dem Papst
entgegenzusezen, und halte seine Freunde für meine Feinde.

Pandolph.
So sey dann du, kraft der rechtmäßigen Gewalt die ich habe, mit dem
Fluch und Bann der Kirche belastet; und gesegnet soll der seyn, der
sich wider seine Lehenspflicht gegen einen Kezer empört; und
verdienstlich soll die Hand genennt werden, canonisirt und als
heilig verehrt, die, durch was für ein Mittel es auch sey, dir dein
verfluchtes Leben nimmt.

Constantia.
O laß es erlaubt seyn, daß mir Rom eine Weile Plaz mache, ihm zu
fluchen.  Guter Vater Cardinal, sprich du Amen zu meinen Flüchen;
denn ohne eine Kränkung, wie die meinige, ist keine Zunge, die
Gewalt hat, ihm recht zu fluchen.

Pandolph.
Hier, Lady, ist die gesezmäßige Vollmacht, die meinen Fluch
rechtmäßig macht.

Constantia.
Ist es der meinige minder?  Wenn das Gesez kein Recht thun kan, so
laßt rechtmäßig seyn, daß das Gesez kein Unrecht hindre; das Gesez
kan meinem Kinde hier sein Königreich nicht geben; denn der, der
von seinem Königreich Meister ist, ist Meister vom Gesez; da nun
das Gesez selbst vollkommnes Unrecht ist, wie kan das Gesez meiner
Zunge verbieten zu fluchen?

Pandolph.
Philipp von Frankreich, wenn du nicht selbst in den Bann fallen
willst, so laß die Hand dieses Erz-Kezers fahren, und biete die
ganze Macht von Frankreich wider ihn auf, es wäre dann, daß er sich
unter Rom demüthigte.

Elinor.
Wirst du blaß, Frankreich?  Laß deine Hand nicht gehen.

Constantia.
Habe Sorge, Teufel, damit Frankreich sich nicht ändre, und durch
Zurükziehung seiner Hand die Hölle eine Seele verliehre.

Östreich.
König Philipp, gieb dem Cardinal Gehör.

Faulconbridge.
Und häng' ein Kalbsfell um seine ehrlosen Schultern.

Östreich.
Gut, Galgenschwengel, ich muß diese Beleidigungen einsteken, weil--

Faulconbridge.
deine Hosen weit genug dazu sind, sie zu tragen.

König Johann.
König Philipp, was sagst du zu dem Cardinal?

Constantia.
Was kan er anders sagen, als wie der Cardinal.

Ludwig.
Bedenket euch, Vater; die Frage ist, ob ihr euch den schweren Fluch
von Rom, oder den leichten Verlust von Englands Freundschaft
zuziehen wollt; wählet das leichteste Übel.

Blanca.
Das ist Rom's Fluch.

Constantia.
Ludwig, halte fest; der Teufel versucht dich hier in Gestalt einer
schmuken jungen Braut.

König Johann.
Der König ist unruhig, und giebt keine Antwort.

Constantia (zu Philipp.)
O entfernt euch von ihm, und antwortet recht.

Östreich.
Thut das, König Philipp, hängt nicht länger im Zweifel.

Faulconbridge.
Häng nichts als ein Kalbsfell, du allerangenehmste Laus.

König Philipp.
Ich bin ganz in Verwirrung, und weiß nicht was ich sagen soll.

Pandolph.
Die Verwirrung würde noch grösser seyn, wenn du exkomunicirt und
verflucht würdest.

König Philipp.
Guter ehrwürdiger Vater, sezet euch an meine Stelle, und saget mir,
was ihr thun würdet?  Diese königliche Hand und die meinige sind
nur erst zusammengefügt, und eine innerliche Vereinigung unsrer
Seelen durch ein feyrliches Bündniß und die ganze Stärke
geheiligter Eydschwüre unauflöslich gemacht worden.  Der lezte
Athem, den unsre Lippen zu Worten bildeten, war festgeschworne
Treue, Friede, Freundschaft und aufrichtige Liebe zwischen uns und
unsern Königreichen.  Und unmittelbar vor diesem Friedenschluß,
nicht länger als daß wir zu Beschwörung desselben die Hände waschen
konnten, waren sie, der Himmel weiß es, mit neuvergoßnem Blut
beflekt.  Und sollen nun diese Hände, die nur erst davon gereiniget,
nur erst in Freundschaft zusammengefügt worden, sich wieder
trennen, die beschworne Treue brechen, und des Himmels spotten?
Sollen wir so unbeständige Kinder aus uns selbst machen, einen
Augenblik darauf wieder unsre Hände zurükzuziehen?  Soll die
beschworne Treue wieder abgeschworen, und das Brautbette des
lächelnden Friedens von blutigem Krieg zertreten werden?  O
heiliger Mann, mein ehrwürdiger Vater, laßt es nicht so seyn!
Erfindet, rathet, schlaget einen gelindern Weg vor, und wir wollen
uns glüklich schäzen, euch zu willfahren und Freunde zu bleiben.

Pandolph.
Alle Form ist unförmlich, und jeder Weg ein Irrweg, der nicht der
Freundschaft mit England entgegensteht.  Zu den Waffen also; sey
der Verfechter unsrer Kirche, oder die Kirche unsre Mutter wird
ihren Fluch über dich aussprechen, den Fluch einer Mutter über
einen rebellischen Sohn.  Frankreich, es wäre dir besser eine
Schlange bey ihrer Zunge, einen ergrimmten Löwen bey seiner
mördrischen Taze, einen hungernden Tyger bey seinen Zähnen zu
halten, als in Freundschaft diese Hand zu halten, die du hältst.

König Philipp.
Ich kan wohl meine Hand aber nicht meinen Eyd zurük ziehen.

Pandolph.
Du machst also die Pflicht zu einem Feind der Pflicht und sezest,
wie in einem Bürger-Krieg, Eyd gegen Eyd, und Versprechen gegen
Versprechen.  Hast du nicht dein erstes Gelübde dem Himmel gethan,
nemlich ein Beschüzer unsrer Kirche zu seyn, und muß dieses nicht
zuerst erfüllt werden?  Was du seitdem geschworen hast, ist wieder
dich selbst geschworen, und kan nicht von dir vollzogen werden;
denn wenn du geschworen hast unrecht zu thun, so besteht das
Unrecht darinn, wenn du deinen Schwur hältst; und wenn du ihn nicht
hältst, wofern ihn zu halten unrecht ist, so kanst du deine Pflicht
nicht besser halten, als wenn du ihn nicht hältst.  In diesem Fall
ist das Rechtmäßigste, zweymal Unrecht zu thun; es scheint unrecht,
aber das Unrecht wird dadurch wieder recht, und Untreue heilt
Untreue, wie Feuer in den gerösteten Adern eines Menschen, der
verbrennt wird, das Feuer kühlt.  Die Religion ist es, was
beschworne Gelübde halten macht; allein du hast wider die Religion
geschworen; du schwörst bey etwas, wider welches du schwörst, und
machst einen Eid zur Sicherheit deiner Treue, gegen einen Eid,
dessen Treue du dadurch unsicher machst.  Wenn man schwört, so
schwört man ja allein, daß man nicht meineidig seyn soll; was für
ein Gespötte wär' es sonst zu schwören?  Du aber schwörst allein,
um falsch zu schwören; und bist meineidig, wenn du hältst was du
geschworen hast.* Dein lezter Eid, den du gegen deinen ersten
geschworen hast, ist also in dir selbst eine Empörung gegen dich
selbst.  Und du kanst nimmermehr einen bessern Sieg davon tragen,
als wenn du dein beßres Selbst gegen diese eiteln schwindlichten
Eingebungen waffnest; wozu unser Gebet, wenn du es annehmen willst,
dir beystehen soll.  Wo nicht, so wisse, daß unsre Flüche so heftig
auf dich blizen sollen, daß du nicht vermögend seyn wirst sie
abzuschütteln, sondern unter ihrer schwarzen Last in Verzweiflung
sterben wirst.

{ed.-* In dieser langen Rede läßt Shakespeareden Legaten seine
Geschiklichkeit in der Casuistik zeigen; und das abentheurliche
Gemengsal von Wortspielen und Non-sens, woraus sie besteht, soll,
nach seiner Absicht die Scholastische Dialectik lächerlich machen.
Wenn der Legat, wie im Verfolg des Stüks geschieht, als ein
Staatsmann redet, spricht er aus einem ganz andern Ton; und ich
vermuthe, die Absicht war zu zeigen, daß die Römischen Höflinge
ungleich bessere Politici als Theologi seyen.  Warbürton.}

Östreich.
Rebellion, offenbare Rebellion--

Faulconbridge.
Kan es denn nicht seyn?  Ist denn kein Kalbsfell da, das dir dein
Maul stopfen kan?

Ludwig.
Vater, zu den Waffen.

Blanca.
An deinem Hochzeit-Tage?  Wider das Blut, mit dem du dich vermählt
hast?  Wie?  Sollen erschlagne Menschen unserm Fest beywohnen?
Sollen brausende Trompeten und lautlermende Trummeln, den Tact zu
unserm hochzeitlichen Gepränge geben?  O höre mich, mein Gemahl, (o
Himmel!  wie neu ist dieses Wort in meinem Munde!) um dieses Namens
willen, den meine Zunge izt zum erstenmal ausspricht, auf meinen
Knien, bitt' ich dich, ergreiffe die Waffen nicht gegen meinen
Oheim.

Constantia.
O, auf meinen Knien bitte ich dich, und sollt ich so lange knien,
bis sie hart würden, du tugendhafter Dauphin, wende die vom Himmel
zugedachte Rache nicht ab.

Blanca.
Izt ist die Gelegenheit, da du mir deine Liebe beweisen kanst; was
für ein Beweggrund kan mehr bey dir gelten, als der Name einer
Gemahlin?

Constantia.
Das was ihn und dich aufrecht erhält, seine Ehre.  O deine Ehre,
Ludwig, deine Ehre!--

Ludwig.
Ich erstaunen wie Euer Majestät so kalt seyn kan, da so wichtige
Betrachtungen auf sie würken.

Pandolph.
Ich will den Fluch über sein Haupt aussprechen.

König Philipp.
Du sollst es nicht nöthig haben.  England, ich falle von dir ab.

Constantia.
O edle Wiederkehr der verbannten Majestät!

Elinor.
O schändliche Empörung der Französischen Unbeständigkeit!

König Johann.
Frankreich, du sollst diese Stunde noch in dieser Stunde bereuen.

Blanca.
So muß die Sonne in Blut untergehen.  Schöner Tag, fahr' wohl!  Wo
ist die Parthey mit der ich gehen muß?  Ich stehe zwischen beyden,
jede Armee hat eine Hand, und indem ich beyde halte, reissen sie
sich in ihrer Wuth von einander, und zerstüken mich.  Gemahl, ich
kan nicht beten, daß du gewinnen mögest; Oheim, ich bin gezwungen
zu beten, daß du verliehrest; Vater, ich kan das Glük nicht auf
deine Seite wünschen; Großmutter, ich will nicht wünschen, daß
deine Wünsche erhört werden; keine Parthey kan gewinnen, ohne daß
ich auf der andern verliehre.

Ludwig.
Folget mir, Madame, euer Glük hängt nun von dem meinigen ab.

Blanca.
Wo mein Glük lebt, stirbt mein Leben.

König Johann.
Vetter, geh und ziehe unsre Völker zusammen.

(Faulconbridge geht ab.)

Frankreich, ich bin von einem Grimm entflammt, dessen Hize nichts
als Blut, das Blut, das kostbarste Blut von Frankreich löschen kan.

König Philipp.
Deine Wuth soll dich aufzehren, und du sollt in Asche
zusammenfallen, eh unser Blut diß Feuer löschen soll.  Sieh zu dir
selbst, du wagest viel.

König Johann.
Nicht mehr als der so mir dräuet.  Zun Waffen!  hinweg!

(Sie gehen ab.)



Vierte Scene.
(Verwandelt sich in das Schlachtfeld.)
(Lerm; Gefecht; Faulconbridge mit Östreichs Kopf, tritt auf.)


Faulconbridge.
Nun bey meinem Leben, dieser Tag wird entsezlich heiß; irgend ein
feuriger Teufel brütet in der Luft, und schüttet Unheil herab.
Hier lig du, Östreichs Kopf,--So hat König Richards Sohn sich
seines Gelübds entlediget, und der unsterblichen Seele seines
Vaters Östreichs Blut zum Todten-Opfer gebracht.  (König Johann,
Arthur und Hubert treten auf.)

König Johann.
Hier Hubert, bring diesen Knaben in Verwahrung--Richard, ermuntre
dich; meine Mutter wird in ihrem Gezelt bestürmt, und ist, wie ich
besorge, gefangen.

Faulconbridge.
Ich befreyte sie, Gnädigster Herr; ihre Hoheit ist in Sicherheit,
besorget nichts.  Aber zurük, mein König; noch ein wenig Arbeit
wird diesen Tag zu einem glüklichen Ende bringen.

(Sie gehen ab.)



Fünfte Scene.
(Lermen; Gefecht; Flucht; König Johann, Elinor, Arthur,
 Faulconbridge, Hubert und Lords treten wieder auf.)


König Johann.
So soll es seyn;

(zu seiner Mutter.)

Euer Gnaden soll unter einer starken Bedekung zurükbleiben;

(zu Arthur.)

Vetter, sieh nicht so traurig aus; deine Großmama hat dich lieb,
und dein Oheim will deines Vaters Stelle bey dir vertreten.

Arthur.
O diß wird meine Mutter vor Schmerz sterben machen.

König Johann (zu Faulconbridge.)
Vetter, auf, nach England; eile voran, und siehe, daß du noch vor
unsrer Ankunft unsre reichen Äbte schüttelst; sez du ihre
gefangnen Engel in Freyheit; der hungrige Krieg muß an den fetten
Ribben des Friedens zehren.  Vollziehe unsern Auftrag mit dem
äussersten Nachdruk.

Faulconbridge.
Gloke, Buch und Kerze sollen mich nicht zurüktreiben, wo Gold und
Silber mich einladen einen Besuch zu machen.  Ich verlasse Eu.
Majestät; Großmutter, wenn mir anders einmal einfällt fromm zu seyn,
will ich für eure Wohlfahrt beten; und hiemit küß' ich euch die
Hand.

Elinor.
Lebe wohl, mein lieber Vetter.

König Johann.
Vetter, lebe wohl.

(Faulconbridge geht ab.)

Elinor.
Komm zu mir, kleiner Vettermann--auf ein paar Worte--

(Sie nimmt den Arthur auf die eine Seite des Theaters.)

König Johann (zu Hubert auf der andern Seite.)
Komm hieher, Hubert.  O mein lieber Hubert, wir sind dir sehr
verbunden; in diesen Mauern von Fleisch ist eine Seele die dein
Schuldner ist, und deine Liebe mit Wucher zu bezahlen gedenkt.
Glaube mir, mein guter Freund, der freywillige Eid, womit du dich
zu meinem Dienst verbunden hast, lebt in diesem Busen und wird
theuer geachtet.  Gieb mir deine Hand, ich wollte dir etwas sagen--
aber ich will es auf eine gelegnere Zeit versparen.  Beym Himmel,
Hubert, ich bin recht beschämt, wenn ich denke, wie grosse
Verbindlichkeiten ich dir habe.

Hubert.
Ich bin es, der Euer Majestät unendlich verpflichtet ist.

König Johann.
Mein guter Freund, du hast noch keine Ursache das zu sagen--Aber du
sollt bekommen--und so langsam die Zeit auch kriechen mag, so soll
sie doch kommen, daß ich dir Gutes thun kan.  Ich hatte dir was zu
sagen--Aber, laß es gehen: Die Sonne ist am Himmel, und der stolze
Tag, von den Freuden der Welt umgeben, ist zu üppig, zu voll von
Lustbarkeiten, um mir Gehör zu geben.  Wenn die mitternächtliche
Gloke mit ihrer ehernen Zunge über die schlaftrunkne Geschöpfe der
Nacht Eins erschallen liesse; wenn dieser Plaz wo wir stehn, ein
Kirchhof wäre, und du vom Gefühl von tausend Beleidigungen besessen
wärst; oder wenn der saure Geist der Melancholie dein Blut, das izt
küzlend in deinen Adern auf- und ab rollt, so dik wie Leim gemacht
hätte; oder wenn du sehen könntest ohne Augen, hören könntest ohne
Ohren, und mir antworten ohne Zunge; wenn du, ohne Augen, ohne
Ohren, ohne den beleidigenden Schall von Worten, durch blosse
Gedanken mit mir reden könntest; denn wollt' ich, troz dem
großaugichten wachtsamen Tag meine Gedanken in deinen Busen
ausschütten--Aber so, will ich nicht--Und doch liebe ich dich sehr,
und bey meiner Treue, ich denke, du liebest mich auch.

Hubert.
So sehr, daß ich, ich schwör es beym Himmel, alles unternehmen will,
was Euer Majestät mir befehlen kan, wenn gleich der Tod mit der
That verknüpft wäre.

König Johann.
Weiß ich nicht, daß du es thun würdest?  Guter Hubert, Hubert,
Hubert, wirf dein Auge auf jenen Knaben; ich will dir was sagen,
Freund; er ist eine rechte Schlange in meinem Wege, und wohin ich
den Fuß sezen will, ligt er vor mir.  Verstehst du mich?  Du bist
sein Hüter.

Hubert.
Und ich will ihn so hüten, daß er Eu.  Majestät nimmer in den Weg
kommen soll.

König Johann.
Tod.

(leise.)

Hubert.
Gnädigster Herr.

König Johann.
Ein Grab.

Hubert.
Er soll nicht leben.

König Johann.
Genug, nun könnt' ich aufgeräumt seyn.  Hubert, ich habe dich lieb.
Gut, ich will nicht sagen, was ich für dich thun will; Vergiß es
nicht--

(indem er zu Elinor zurükgeht.)

Madame, lebet wohl, ich will Euer Majestät die bewußten Truppen
zusenden.

Elinor.
Mein Segen geht mit euch.

König Johann (zu Arthur.)
Izt nach England, Vetter; Hubert soll euer Mann seyn, und euch mit
aller schuldigen Ehrerbietung zu Diensten stehen, auf, nach Calais,
hinweg!

(Sie gehen ab.)



Sechste Scene.
(Verwandelt sich in den Französischen Hof.)
(König Philipp, Ludwig, Pandolpho, und Gefolge treten auf.)


König Philipp.
So wird durch ein heulendes Ungewitter auf dem Meer eine ganze
Armade von vereinbarten Segeln zerstreut und von einander
verschlagen.*

{ed.-*Dieses Gleichniß, das an sich selbst an diesem Ort nicht zur
Sache paßt, ist, wie viele andere Stellen in diesem Stüke, eine
Anspielung auf die spanische Invasion im Jahr 1588, und die
damalige Zeit-Umständ; indem dieses Schauspiel längstens einen oder
zween Winter darnach zum erstenmal aufgeführt wurde.  Warburton.}

Pandolph.
Nur guten Muth gefaßt, alles soll noch gut gehen.

König Philipp.
Was kan gut gehen, wenn es uns so übel geht?  Sind wir nicht
geschlagen?  Ist nicht Angiers verlohren?  Arthur gefangen?
Verschiedne von unsern besten Freunden erschlagen?  Und unser
blutiger Gegner, mit verächtlichem Troz nach England zurükgegangen?

Ludwig.
Was er gewonnen hat, hat er befestiget: So kluge Entwürfe, mit
einem solchen Feuer ausgeführt, eine so gute Ordnung, in einem so
ungestümen Lauf ist ohne Exempel; wer hat jemals von einer Action
wie diese ist, gelesen oder gehört?

König Philipp.
Ich könnte es nach wohl ertragen, daß England dieses Lob erhielte,
wenn ich nur wenigstens ein Beyspiel, für unsre Schande kennte.
(Constantia zu den Vorigen.) Sehet, wer kommt hier?  Das Grab einer
Seele, das den unsterblichen Geist wider seinen Willen in der
verhaßten Gefangenschaft eines gequälten Athems hält.  Ich bitte
dich, Lady, komm mit mir hinweg.

Constantia.
Seht, seht, das ist nun der Ausgang euers Friedens.

König Philipp.
Geduld, gute Lady; guten Muth, theure Constantia.

Constantia.
Nein, ich biete allem Rath, aller Hoffnung Troz, ausser dem was
allem Rath und aller Hoffnung ein Ende macht.  Tod, Tod; o
angenehmer liebenswürdiger Tod!  du wohlriechender Gestank, du
gesunde Fäulniß, steh auf aus deinem Lager einer ewigen Nacht, du
Abscheu und Schreken des Glüks; und ich will deine ekelhaften
Knochen küssen, und meine Augen in deine holen Augen-Löcher steken,
und diese Finger mit den Würmern, die in dir hausen, umwinden, und
diesen Mund mit deinem vermoderten Staub verstopfen, und ein
scheusliches Gerippe werden, wie du.  Komm, grinse mich an, und ich
will denken du lächelst, und dich wie dein Weib umarmen; o du
Liebling des Elends, komm, komm zu mir!

König Philipp.
O schöne Bekümmerniß, stille!

Constantia.
Nein, nein, ich will nicht, so lang ich noch Athem habe zu schreyen;
o, daß meine Zunge im Munde des Donners stäke, damit ich mit
meinem Schmerz die ganze Welt erschüttern, und dieses entfleischte
faule Gerippe vom Schlaf aufweken könnte, das die Anrufung einer
schwachen weiblichen Stimme nicht hören will.

Pandolph.
Lady, ihr stoßt Unsinn aus, nicht Schmerz.

Constantia.
Du versündigest dich, das du das glaubst; ich bin nicht unsinnig;
dieses Haar das ich ausrauffe, ist mein; mein Nam ist Constantia,
ich war Gottfrieds Weib; der junge Arthur ist mein Sohn, und er ist
verlohren!  Ich bin nicht unsinnig; wollte Gott, ich wär' es!  denn
alsdann könnt' ich vergessen, wer ich bin.  O wenn ich es könnte,
was für einen Schmerz würd' ich vergessen!  Predige irgend eine
Philosophie, die mich unsinnig mache, und du sollt canonisirt
werden, Cardinal.  Denn, weil ich nicht unsinnig bin, sondern
meinen Schmerz fühle, so arbeitet mein vernünftiger Theil, wie ich
mich von diesem Jammer befreyen möge, und lehrt mich, daß ich mich
erstechen oder erhängen soll.  Wenn ich unsinnig wäre, würd' ich
meinen Sohn vergessen, oder in meinem Wahnwiz denken, das nächste
Wikel-Kind sey mein Sohn; ich bin nicht unsinnig; zu gut, allzugut
fühl ich die eigene Quaal jedes besondern Jammers.

König Philipp.
Bindet diese fliegenden Loken auf; O was für Liebe seh ich in
dieser schönen Menge ihrer Haare; wohin nur von ungefehr ein
Silbertropfe gefallen ist, eben zu diesem Tropfen drängen sich
zehntausend feurige Freunde in geselligem Schmerz zusammen, gleich
wahren unzertrennlichen, getreuen Liebhabern, die mit einander im
Unglük ausharren.

Constantia.
Nach England, wenn ihr wollt.--

König Philipp.
Bindet eure Haare auf

Constantia.
Ja, das will ich; und warum will ich es thun?  Ich riß sie aus
ihren Fesseln, und rief.  O daß diese Hände meinem Sohne so die
Freyheit geben könnten, wie sie diesen Haaren ihre Freyheit gegeben
haben!  Aber nun beneid' ich ihre Freyheit, und will sie wieder in
ihre Fesseln schliessen, weil mein armes Kind ein Gefangner ist.
Und Vater Cardinal, ich hab' euch sagen gehört, wir werden unsre
Freunde im Himmel wieder kennen.  Wenn das ist, so werd ich meinen
Jungen nimmer wieder sehen.  Denn seit der Geburt Cains, des ersten
männlichen Kindes bis zu dem, der erst gestern seufzte, ist keine
anmuthigere Creatur gebohren worden.  Aber nun wird der Krebs des
Kummers meine Rosenknospe fressen, und die angebohrne Schönheit von
seinen Wangen jagen; er wird aus holen Augen wie ein Gespenst
schauen, so düster und hager wie ein vom Fieber ausgezehrter
Kranker, und so wird er sterben und wenn er so wieder aufersteht,
und ich ihn in dem himmlischen Hofe wieder antreffe, so werd' ich
ihn nicht kennen; und also werd ich meinen holdseligen Arthur
nimmer, nimmer wieder sehen.

Pandolph.
Ihr überlaßt euch euerm Schmerz zu sehr.

Constantia.
Das sagt mir einer, der niemals einen Sohn hatte--

König Philipp.
Ihr liebet euern Schmerz, wie ihr euer Kind liebt.

Constantia.
Mein Schmerz füllt den Plaz meines abwesenden Kindes aus, ligt in
meinem Bette, geht mit mir auf und ab, zeigt mir seine anmuthigen
Blike, wiederholt seine Worte, erinnert mich an alle seine
liebreizenden Eigenschaften; ich hab' also Ursache meinen Schmerz
zu lieben.  Gehabt ihr euch wohl; hättet ihr einen solchen Verlust
erlidten wie ich, so könnte ich bessern Trost geben als ihr thut.
Ich will diesen Prunk nicht auf meinem Kopf leiden,

(Sie reißt ihren Kopfzeug ab.)

da eine solche Unordnung in meinem Verstand ist.  O Gott, mein
Kind, mein Arthur, mein schöner Sohn!  Mein Leben, meine Freude,
meine Nahrung, mein Alles in der Welt!  Mein Trost, die einzige
Lindrung meines Kummers!  Mein Sohn!  Mein Sohn!

(Sie geht ab.)

König Philipp.
Ich besorge, es entsteht noch ein Unglük; ich will ihr folgen.



Siebende Scene.


Ludwig.
Es ist nichts in der Welt, das mir mehr Vergnügen geben kan; das
Leben ist mir so ekelhaft als ein zweymal erzähltes Mährchen, das
die schlaffen Ohren eines schläfrigen Menschen plagt.  Eine bittre
Schmach hat den angenehmen Geschmak der Welt verderbt, so daß sie
izt nach lauter Schande und Bitterkeit schmekt.

Pandolph.
Eh eine heftige Krankheit geheilt wird, unmittelbar vor dem
Augenblik der wiederkehrenden Gesundheit, ist der Anstoß am
heftigsten; scheidende Übel scheinen am schlimmsten, indem sie
verschwinden.  Was habt ihr denn durch den Verlust dieses Tages
verlohren?

Ludwig.
Alle ruhmvollen, frohen, glüklichen Tage meines Lebens.

Pandolph.
Glaubet mir, dann hättet ihr verlohren, wenn ihr diesen Tag
gewonnen hättet.  Nein, nein; wenn's das Glük am besten mit den
Menschen meynt, so sieht es sie mit einem dräuenden Auge an.  Es
ist unglaublich, wie viel König Johann gerade dadurch verlohren hat,
was er für klaren Gewinn rechnet.  Schmerzt es euch nicht, daß
Arthur sein Gefangner ist?

Ludwig.
So herzlich, als er sich freut daß er ihn hat.

Pandolph.
Euer Verstand ist noch so jung als euer Blut.  Nun höre mich aus
einem prophetischen Geiste reden; der blosse Athem der Worte die
ich reden werde, soll jeden Staub, jeden Strohhalm, jedes kleine
Hinderniß aus dem Wege wehen, der deinen Fuß gerade zu Englands
Thron führen wird; höre also!  Johann hat sich Arthurs bemächtiget,
und es ist unmöglich, daß, so lange warmes Leben in seinen jungen
Adern spielt, Johann, der seinen Thron usurpirt, eine Stunde, ein
Minute, ja nur einen Augenblik ruhig athmen könnte.  Ein Scepter
der mit einer unrechtmäßigen Hand geführt wird, muß so gewaltthätig
erhalten werden, als er gewonnen worden; und wer auf einem
schlüpfrigen Plaz steht, ist nicht so zärtlich, daß ihm etwas zu
garstig seyn sollte, woran er sich halten kan.  Damit Johann stehen
könne, muß Arthur fallen; und so sey es, da es nicht anders seyn
kan.

Ludwig.
Aber was kan ich durch Arthurs Fall gewinnen?

Pandolph.
Vermöge des Rechts eurer Gemalin Blanca, könnt ihr alsdann in alle
Ansprüche Arthurs eintreten.

Ludwig.
Und Ansprüche, Leben und alles verliehren, wie Arthur.

Pandolph.
Wie grün und jung ihr in dieser alten Welt noch seyd!  König Johann
thut das wichtigste für euch; die Umstände conspiriren mit euch,
und der, so in Vergiessung des rechtmäßigen Bluts seine Sicherheit
sucht, wird nichts als eine blutige und unsichre Sicherheit finden.
Diese Übelthat wird die Herzen seines ganzen Volks erkälten, und
ihren Eifer für ihn so sehr gefrieren machen, daß sie den
schlechtesten Anlas, seiner Regierung ein Ende zu machen, mit
Freuden ergreiffen werden.  Es wird keine natürliche Ausdünstung in
der Luft seyn, kein Mißgriff der Natur, kein Wetter-Tag, kein
gemeiner Sturmwind, keine gewöhnliche Naturbegebenheit, denen sie
nicht eine übernatürliche Ursache geben, die sie nicht Meteore,
Wunderzeichen, Mißgeburten und Vorbedeutungen, kurz, Zungen des
Himmels nennen werden, die überlaut wider Johann um Rache schreyen.

Ludwig.
Es ist aber möglich, daß er dem jungen Arthur das Leben läßt, und
sich begnügt, ihn in einer ewigen Gefangenschaft zu halten.

Pandolph.
O Prinz, wenn er von eurer Annäherung hören wird, und Arthur nicht
schon fort ist, so stirbt er denselben Augenblik: Und dann werden
die Herzen aller seiner Unterthanen sich wider ihn empören, sich
nach Veränderung sehnen, und von dieser blutigen That Anlas zu
Aufruhr und Krieg nehmen.  Mich däucht, ich sehe diesen Lermen
schon vor meinen Füssen; und o!  was kan für euch glüklichers
gebrütet werden, als was ich gesagt habe!--Der Bastard
Faulconbridge ist nun in England, brandschäzet die Kirche, und übet
unchristliche Gewaltthätigkeit aus.  Wenn nur zwölf bewehrte
Franzosen dort wären, sie würden wie ein Zusammenruf seyn, und in
einem Augenblik zehntausend Engländer an ihrer Seite sehen; oder
wie ein kleiner Schneeball, der sich herabwälzt und ein Berg wird.
Edler Dauphin, folge mir zum Könige; es ist erstaunlich, was für
Folgen aus ihrem Mißverständniß gezogen werden können.  Izt, da
ihre Seelen von Unwillen bis oben an gefüllet sind, izt England zu;
ich will an dem Könige treiben.

Ludwig.
Grosse Beweggründe zeugen grosse Thaten; wir wollen gehen; wenn ihr
Ja sagt, wird der König gewiß nicht Nein sagen.

(Sie gehen ab.)




Vierter Aufzug.



Erste Scene.
(Verwandelt sich in England.)
(Ein Gefängniß.)

(Hubert und zween Nachrichter treten auf.)


Hubert.
Macht mir diese Eisen glühend, und, du dort, bleibe hinter den
Tapeten stehen; und wenn ich mit dem Fuß stampfe, so rausch hervor
und binde den Knaben, den du bey mir finden wirst, fest an den
Lehnstuhl: Gieb wol Acht; hinweg und wache.

Nachrichter
Ich hoffe, euer Befehl werde die That verantworten.

Hubert.
Unnöthige Bedenklichkeiten!  Fürchtet nichts, habt Sorge--Junger
Herr, kommt hervor, ich hab' euch was zu sagen.  (Arthur tritt auf.)

Arthur.
Guten Morgen, Hubert.

Hubert.
Guten Morgen, kleiner Prinz.

Arthur.
Mit einem grossen Anspruch ein so kleiner Prinz als einer seyn mag.
Ihr seyd traurig.

Hubert.
In der That, ich bin schon lustiger gewesen!

Arthur.
Der Himmel sey mir gnädig!  Mich däucht, niemand sollte traurig
seyn als ich; doch erinnre ich mich, wie ich noch in Frankreich war,
an junge Leute, die aus lauter Muthwillen so traurig waren, wie
die Nacht.  So wahr ich ein Christ bin, wär ich nur aus dem
Gefängniß und hütete Schaafe, ich wollte so frölich seyn als der
Tag lang ist.  Und das wollt' ich auch hier seyn, wenn ich nicht
von meinem Oheim noch mehr böses besorgte.  Ist es mein Fehler, daß
ich Gottfrieds Sohn worden bin?  In der That, es ist nicht; und
wollte Gott ich wäre euer Sohn, so würdet ihr mich lieben, Hubert.

Hubert (vor sich.)
Wenn ich mit ihm rede, so wird er durch sein unschuldiges Geschwäze
mein erstorbnes Mitleiden aufweken.  Ich will also eilen, und
meinen Auftrag vollziehen.

Arthur.
Seyd ihr krank, Hubert!  Ihr seht heute so blaß aus; gewißlich, ich
wollt' ihr wäret ein wenig krank, damit ich die ganze Nacht neben
euch sizen und mit euch wachen könnte.  Ach!  ich liebe euch mehr,
als ihr mich lieb habt.

Hubert.
Seine Reden dringen mir ins Herz.

(Er zeigt ihm ein Papier.)

Ließ hier, junger Arthur--

(Bey Seite.)

Wie nun, närrisches Wasser, must du mein gefrohrnes Mitleiden
aufthauen!  Ich muß es kurz machen, oder mein Entschluß vertröpfelt
in weibischen Thränen aus meinen Augen--Könnt' ihr's nicht lesen?
Ist es nicht schön geschrieben?

Arthur.
Nur zu schön Hubert, zu einer so häßlichen Absicht.  So müßt ihr
meine beyden Augen mit Eisen ausbrennen.

Hubert.
Ich muß, junger Herr.

Arthur.
Und ihr wollt es?

Hubert.
Und ich will.

Arthur.
Habt ihr das Herz dazu?  wenn euch nur der Kopf weh that, so band
ich euch mein Schnupftuch um die Stirne; (mein bestes das ich hatte,
eine Princeßin hatt' es mir gestikt;) und ich fordert' es niemals
wieder von euch; und des Nachts hielt' ich euch mit meiner Hand den
Kopf, und wachte bey euch die ganze Nacht durch, und fragte alle
Minuten: was fehlt euch?  oder, wo thut's euch weh?  oder, was kan
ich euch zu liebe thun?  Manches armen Manns Sohn würde still
gelegen seyn, und nicht ein einziges freundliches Wort zu euch
gesagt haben, und ihr hattet einen Prinzen zum Krankenwärter--Doch
nein, ihr könnt denken, meine Liebe zu euch sey nur verstellt und
eigennüzig gewesen.  Thut es, wenn ihr wollt; wenn es dem Himmel so
gefällt, daß ihr übel mit mir umgehen sollt, nun dann, so müßt ihr--
wollt ihr mir die Augen ausreissen, die euch niemals nur einen
sauern Blik gaben, und es auch niemals thun sollen?

Hubert.
Ich habe geschworen, daß ich es thun wolle, und ich muß sie mit
glühenden Eisen ausbrennen.

Arthur.
Ach, niemand, als in dieser eisernen Zeit, würde das thun.  Das
Eisen selbst, obgleich feuerroth von Hize, würde, wenn es an diese
Augen käme, meine Thränen trinken, und in ihrem unschuldigen Wasser
seine feurige Wuth löschen.  Seyd ihr härter als Eisen?  O!  wenn
ein Engel zu mir gekommen wäre und hätte mir gesagt, Hubert werde
mir die Augen ausstossen, ich hätt' es ihm nicht geglaubt; keiner
andern Zunge würd' ichs glauben, als deiner eignen.

Hubert (stampft auf den Boden, und die Männer kommen herein.)
Hervor, thut wie ich euch befehle.

Arthur (erschroken.)
O Hubert, rette mich!  Meine Augen sind schon aus, nur von den
grimmigen Bliken dieser blutigen Männer.

Hubert.
Gebt mir das Eisen sag ich, und bindet ihn hieher.

Arthur.
O Gott, wozu habt ihr nöthig so ungestüm-rauh zu seyn?  Ich will
mich nicht sträuben, ich will wie ein Stein still halten.  Um des
Himmels willen, Hubert, laßt mich nicht binden!  Nein, höre mich,
Hubert, treibe diese Männer weg, und ich will ruhig still sizen wie
ein Lamm.  Ich will mich nicht regen, nicht wimpern, kein Wort
reden, und das Eisen nicht zornig ansehen: Schiket nur diese Männer
fort, und ich will euch vergeben, was ihr mir auch für Marter
anthun möget.

Hubert.
Geht, bleibt vor aussen, laßt mich allein mit ihm.

Nachrichter.
Es ist mir lieber, weit von einer solchen That zu seyn.

(Sie gehen ab.)

Arthur.
Ach, so hab ich meinen Freund weggetrieben; er hat einen
erschreklichen Blik, aber ein mitleidiges Herz; laßt ihn wieder
herein kommen, damit sein Mitleiden das eurige aufweke.

Hubert.
Komm, Junge, bereite dich.

Arthur.
Ist denn kein Mittel?

Hubert.
Keines, als deine Augen zu verliehren.

Arthur.
O Himmel!  daß doch nur ein Stäubchen, ein Splitterchen, eine Müke,
ein irrendes Haar in den eurigen wäre; wenn ihr fühltet, was für
Ungemach die kleinsten Dinge in diesem kostbaren Sinn anrichten,
euer grausames Vorhaben müßt' euch entsezlich vorkommen.

Hubert.
Ist diß dein Versprechen; komm her, schweig und rühre dich nicht--

Arthur.
Hubert, du willt mir nicht erlauben, daß ich um meine Augen jammere;
ach, heisse mich nicht schweigen, Hubert, heisse mich's nicht;
oder schneide mir die Zunge aus, wenn du willt, und laß mich nur
meine Augen behalten.  Sieh, bey meiner Treu, das Eisen ist kalt,
und würde mir kein Leid thun.

Hubert.
Ich kan es wieder heiß machen, Junge.

Arthur.
Nein, in rechtem Ernst, das Feuer ist vor Schmerz todt, daß es, zum
Trost der Menschen erschaffen, zu einer solchen Grausamkeit
gebraucht werden soll.  Seht nur selbst, diese brennenden Kohlen
haben keine Kraft mehr; der Athem des Himmels hat sie ausgelöscht,
und mit reuiger Asche überstreut.

Hubert.
Aber ich kan sie mit meinem Athem wieder anblasen.

Arthur.
Und wenn ihr's thut, Hubert, so werdet ihr sie nur erröthen, und
über euer Verfahren vor Schaam glühen machen; ja, vielleicht werden
sie euch in die Augen funkeln, wie ein Hund, der zum Angreiffen
genöthigt wird, nach seinem Meister schnappt, der ihn anhezt.  Alle
Dinge, die ihr gebrauchen könnt mir übels zu thun, versagen ihren
Dienst; ihr allein habt nicht einmal so viel Erbarmen mit mir, als
Feuer und Eisen, Geschöpfe, die doch zu den unbarmherzigsten
Verrichtungen gebraucht werden.

Hubert.
Wohlan dann, sieh und lebe; ich will deine Augen nicht anrühren,
wenn mir gleich dein Oheim alle seine Schäze geben wollte.  Und
doch hab' ich geschworen; und ich war entschlossen, mit diesem
Eisen hier sie auszubrennen.

Arthur.
O!  nun seht ihr wieder wie Hubert aus.  Alle diese Weile war't ihr
verlarvt.

Hubert.
Stille, nichts weiter.  Adieu; euer Oheim darf nichts anders wissen,
als daß ihr todt seyd.  Ich will diese hündische Auflaurer mit
falschen Nachrichten anfüllen; und du, holdseliges Kind, schlaffe
ruhig, und sicher, daß Hubert, um die ganze Welt, dir nichts Leides
thun wollte.

Arthur.
O Himmel!  ich danke euch, Hubert.

Hubert.
Stille, nichts weiter; geh' sachte mit mir hinein; ich seze mich
keiner kleinen Gefahr um deinetwillen aus.

(Sie ziehen ab.)



Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in den Hof von England.)
(König Johann, Pembroke, Salisbury, und andre Lords treten auf.)


König Johann.
So sizen wir dann noch einmal wieder hier, noch einmal gekrönt, und,
wie ich hoffe, mit gewognen Augen angesehen.

Pembroke.
Dieses noch einmal, war, mit Euer Hoheit Erlaubniß, überflüßig; ihr
seyd vorher schon gekrönt worden, und dieser königliche Schmuk ist
euch niemals abgerissen, niemals die euch zugeschworne Treue durch
Empörung gebrochen worden.  Kein Verlangen nach Veränderungen hat
das Land beunruhiget, und niemand hat sich, in Hoffnung sein Glük
zu verbessern, nach neuen Staats-Auftritten gelüsten lassen.

Salisbury.
Dieser doppelte Pomp einen Titel zu befestigen, der vorhin schon
sicher war, ist eben soviel als feines Gold übergülden, die Lilie
weiß färben, die Viole parfumiren, das Eis glätten, den Regenbogen
mit einer neuen Farbe bereichern, und dem schönen Auge des Himmels
durch ein Fakel-Licht einen höhern Glanz geben wollen; es ist
vergebliche Verschwendung und lächerlicher Überfluß.
                
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