Pembroke.
Allein, da euer königlicher Wille erfüllt werden mußte, so ist
dieser Actus nun ein neu-erzähltes altes Mährchen; jedoch, weil
eine ungelegne Zeit dazu genommen worden, bey der lezten
Wiederholung, widrig und übel aufgenommen.
Salisbury.
Das graue und wohlbekannte Angesicht des alten ächten Herkommens
ist dadurch sehr entstellt; es giebt, gleich einem unversehns sich
drehenden Winde, dem Lauf der Gedanken einen neuen Schwung, schrekt
die stuzende Überlegung auf, und macht gesunde Gesinnungen krank,
und Wahrheit verdächtig, da es in einer so neuzugeschnittnen
Kleidung aufzieht.
Pembroke.
Wenn Handwerksleute sich bemühen noch besser zu machen als gut, so
bringt ihr Fleiß Mißgeburten hervor; und die Entschuldigung eines
Fehlers macht oft den Fehler desto schlimmer, weil die
Entschuldigung ein neuer Fehler ist; wie Lappen, die auf einen
kleinen Riß gesezt werden, ein Gewand durch die Verbergung des
Risses mehr entstellen, als der Riß that, eh er so geflikt war.
Salisbury.
Aus diesen Betrachtungen mißriethen wir diese neue Krönung eh sie
vollzogen wurde; allein es gefiel Eu. Hoheit darüber hinaus zu
gehen, und wir lassens uns alle wol gefallen; indem alles und jedes,
was wir wollen könnten, vor Eu. Hoheit Willen Halte machen muß.
König Johann.
Einige Ursachen von dieser doppelten Krönung hab' ich euch schon
eröffnet, und ich halte sie für stark. Noch weit stärkere werd'
ich euch zu seiner Zeit entdeken, und ich bin also dieses Puncts
wegen ohne Furcht. Inzwischen zeiget nur an, was ihr gerne
verbessert hättet, und ihr sollt erfahren, wie bereitwillig ich
eure Bitten anhören und erfüllen will.
Pembroke.
Erlaubet also, Gnädigster Herr, daß ich, als derjenige, der die
Zunge von diesen allen ist, und die Gedanken ihres Herzens
ausspricht, (für Sie sowol als mich selbst, am meisten aber für
eure eigne Sicherheit, für welche wir alle unsre besten Bemühungen
anwenden) angelegenst um die Befreyung des jungen Arthur bitten;
dessen Einsperrung die murmelnden Lippen des Mißvergnügens in
gefährliche Reden auszubrechen reizt. Wenn ihr das, was ihr in
Ruhe besizt, auch mit Recht besizt, warum soll die Furcht (die, wie
man sagt, sonst nur den Fußtritt des Unrechts begleitet,) euch
bewegen, euern jungen Neffen einzusperren, ihn in einer
barbarischen Unwissenheit zu lassen, und seiner Jugend alle
Vortheile einer guten Erziehung zu versagen? Laßt euch also
gefallen, damit die Übelgesinnten keinen Vorwand haben, dessen sie
bey Gelegenheit sich bedienen könnten, uns eine Bitte zu gewähren,
wozu Ihr selbst uns aufgemuntert habet, und ihm seine Freyheit zu
schenken, um die wir nicht anders zu unserm besten bitten, als weil
unser bestes von dem Eurigen abhängt. (Hubert zu den Vorigen.)
König Johann.
Ich bin es zufrieden, und vertraue seine Jugend eurer Aufsicht an--
Hubert, was bringt ihr Neues?
Pembroke (zu Salisbury.)
Das ist der Mann, der die blutige That thun sollte, er zeigte einem
von meinen Freunden, den Befehl den er dazu hatte. Das Bild einer
gräßlichen Übelthat lebt in seinem Auge; sein betretnes und
gezwungnes Aussehen verräth ein sehr beunruhigtes Herz, und mir ist
bange, die That möchte schon geschehen seyn, die ihm befohlen
worden.
Salisbury.
Der König verändert die Farbe alle Augenblike, sie kommt und geht
von seinem Vorhaben zu seinem Gewissen, und von diesem zu jenem,
wie Herolde zwischen zwey fürchterlichen Schlacht-Ordnungen; seine
Gemüthsbewegung schwillt so sehr an, daß sie nothwendig aufbrechen
muß.
Pembroke.
Und wenn sie aufbricht, so fürcht ich, es wird nichts anders
herauskommen, als der schändliche Eiter von eines holdseligen
Kindes Tod.
König Johann.
Wir können der mächtigen Hand des Todes keinen Einhalt thun. Er
sagt uns, Arthur sey diese Nacht gestorben.
Salisbury.
In der That, wir besorgten, seine Krankheit möchte unheilbar seyn.
Pembroke.
In der That, wir hörten, wie nah er dem Tode war, eh das Kind
selbst fühlte daß es krank war. Dafür muß Rede und Antwort gegeben
werden, hier oder anderswo.
König Johann.
Warum heftet ihr so feyrliche Blike auf mich? Denkt ihr, ich trage
die Scheere der Göttin des Schiksals? Hab' ich über den Puls des
Lebens zu befehlen?
Salisbury.
Es ist augenscheinlich, daß es nicht richtig zugegangen; und es ist
schändlich, daß Grösse es auf eine so grobe Art zu erkennen giebt.
Wie gut ihr euer Spiel dadurch gemacht habt, wird sich zeigen, und
hiemit gehabt euch wohl.
Pembroke.
Warte noch, Lord Salisbury, ich will mit dir gehen, und das
Erbtheil dieses armen Kindes, sein kleines Königreich von einem
gewaltsamen Grabe suchen. Dieses Blut, das ein Recht an alles was
auf dieser Insel athmet, hatte, schließt nun ein Raum von drey
Schuhen ein. Es ist izt eine schlimme Welt! Aber das muß nicht so
gelidten werden; dieses kan, und in kurzem, allen unsern
Beschwerden zum Ausbruch helfen.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Ein Courier zu den Vorigen.)
König Johann (für sich.)
Sie brennen vor Unwillen; es reuet mich; es ist kein sichrer Grund
der auf Blut gelegt wird, und das Leben wird durch eines andern Tod
schlecht gesichert.
(Zum Courier.)
Du siehst erschroken aus! Wo ist das Blut, das ich sonst in
deinen Wangen wohnen gesehen habe? Ein trüber Himmel erheitert
sich nicht ohne einen Sturm; schütte dein Ungewitter herab; wie
geht es in Frankreich?
Courier.
Niemals ist in einem Land eine so fürchterliche Kriegszurüstung
gemacht worden als in Frankreich, zu einem Einfall in England. Sie
haben uns die Eilfertigkeit abgelernt; denn da euch berichtet
werden sollte, daß sie sich rüsten, kommt die Zeitung schon, daß
sie geländet haben.
König Johann.
In was für einer Trunkenheit haben denn unsre Freunde geschlafen?
Wo ist unsrer Mutter Sorgfalt? daß eine solche Armee in Frankreich
aufgestellt werden soll, und wir nicht einmal etwas davon hören?
Courier.
Gnädigster Herr, ihre Ohren sind mit Staub verstopft; den ersten
April starb eure edle Mutter, und wie ich höre, ist drey Tage
vorher auch die Lady Constantia in Raserey verstorben. Doch dieses
habe ich nur von einem schwärmenden Gerüchte; ob es wahr oder
falsch ist, weiß ich nicht.
König Johann.
Hemme deine Geschwindigkeit, gefahrvolle Zeit; o! mach einen
Waffenstillstand mit mir, bis ich meine mißvergnügten Pairs
befriedigst habe. Wie? Meine Mutter todt? Wie übel muß es also
in meinen Französischen Staaten gehen!--Unter wessen Anführung
haben diese Völker aus Frankreich, die du mir ankündigest, hier
geländet?
Courier.
Unter dem Dauphin. (Faulconbridge und Peter von Pomfret zu den
Vorigen.)
König Johann.
Du hast mich mit diesen bösen Zeitungen ganz schwindlicht gemacht--
(Zu Faulconbridge.)
Nun, was sagt die Welt zu unserm Verfahren? Stopfe mir nicht noch
mehr solche schlimme Neuigkeiten in den Kopf, er ist schon voll.
Faulconbridge.
Wenn ihr euch fürchtet das schlimmste zu hören, so müßt ihr das
schlimmste ungehört über euern Kopf einstürzen lassen.
König Johann.
Habe Geduld mit mir, Vetter; ich war einen Augenblik betäubt; aber
izt athme ich wieder frey, und kan alles hören, was mir irgend eine
Zunge sagen kan.
Faulconbridge.
Wie ich mit der Geistlichkeit zu Werke gegangen bin, können die
Summen die ich zusammen gebracht am besten sagen. Allein indem ich
das Land, um hieher zu kommen, durchreiset bin, find' ich das Volk
in einem seltsamen Anstoß von Schwärmerey, von Rumoren besessen und
voll wunderlicher Träume, voller Furcht und Schreken, ohne zu
wissen, was sie fürchten; und hier ist ein Prophet, den ich von den
Strassen von Pomfret, wo ihm ein unzähliches Volk nachlief,
weggenommen, und mit mir gebracht habe. Er sang ihnen in rauhen
hartklingenden Reimen, daß vor nächstem Auffahrts-Tag, mittags, Eu.
Hoheit die Crone niederlegen würden.
König Johann.
Du eitler Träumer, warum thatest du das?
Peter.
Weil ich vorher weiß, daß es geschehen wird.
König Johann.
Hubert, hinweg mit ihm, ins Gefängniß, und auf den Tag, mittags,
wenn ich, wie er sagt, die Crone niederlegen soll, laß ihn
aufhängen. Bring ihn in sichre Verwahrung und komm wieder, denn
ich habe dich nöthig.
(Hubert geht mit Peter ab.) (Zu Faulconbridge.)
O mein liebster Vetter, hörst du die Zeitung, die sich von einer
Landung ausbreitet?
Faulconbridge.
Jedermanns Mund ist voll davon; überdas traf ich den Lord Bigot und
den Lord Salisbury an, mit Augen so roth wie frisch angeblasenes
Feuer, und noch viele andre, welche giengen Arthurs Grab zu suchen,
der, wie sie sagen, diese Nacht auf euer Anstiften ermordet worden
sey.
König Johann.
Mein lieber Vetter, geh, wage dich in ihre Gesellschaft; ich hab'
einen Weg ihre Liebe wieder zu gewinnen; bringe sie vor mich.
Faulconbridge.
Ich will sie aufsuchen.
König Johann.
Aber eile; du kanst nicht zu sehr eilen. O laßt mich keine
einheimische Feinde haben, wenn auswärtige Gegner meine Städte mit
dem furchtbaren Pomp eines trozigen Einfalls schreken! Sey mein
Mercurius, seze Flügel an deine Füsse, und fliege, wie ein Gedanke,
von ihnen zu mir zurük.
Faulconbridge.
Der Geist der Zeit soll mich eilen lehren.
(Er geht ab.)
König Johann.
Das ist gesprochen, wie ein muntrer junger Edelmann sprechen soll.
Folg ihm; vielleicht hat er einen Courier zwischen mir und den
Pairs nöthig; du taugst am besten dazu.
Courier.
Von Herzen gerne, mein Gebieter.
(Geht ab.)
König Johann.
Meine Mutter todt!
Vierte Scene.
(Hubert tritt auf.)
Hubert.
Gnädigster Herr, man sagt, es haben sich diese Nacht fünf Monde
sehen lassen; viere seyen stille gestanden, und der fünfte habe
sich mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit um die andern vier
herumgedreht.
König Johann.
Fünf Monde?
Hubert.
Alte Männer und alte Mütterchen, auf den Strassen, machen
gefährliche Propheceyungen hierüber; des jungen Arthurs Tod ist
immer in ihrem Mund, und wenn sie von ihm reden, so schütteln sie
die Köpfe und wispern einander ins Ohr; und der so redt, faßt den
Hörer bey der Hand, indem der, so zuhört, Gebehrden des Entsezens
macht, die Stirne rümpft, den Kopf schüttelt und die Augen verdreht.
Ich sah einen Schmidt mit seinem Hammer, der, indeß daß sein
Eisen auf dem Ambos erkaltete, mit ofnem Maul die Zeitungen eines
Schneiders einschlang, der mit seinem Ellstab und seiner Scheer in
der Hand, in halbangezognen Schuhen, in die er vor Eilfertigkeit
den unrechten Fuß gestekt hatte, von viel tausend tapfern Franzosen
erzählte, die in Kent in Schlachtordnung stünden; bis ein andrer
hagrer, ungewaschner Handwerksmann seiner Erzählung ein Ende machte,
und von Arthurs Tod redte.
König Johann.
Warum suchst du mich durch dergleichen Schrekbilder zu beunruhigen?
Warum wiederholst du Arthurs Tod so oft? Deine Hand ist sein
Mörder gewesen; ich hatte Ursachen seinen Tod zu wünschen, du
hattest keine.
Hubert.
Ich hatte keine, Sire? Wie? Reiztet ihr mich nicht dazu an?
König Johann.
Es ist ein Fluch der Könige, Sclaven um sich zu haben, die ihre
Launen für Befehle nehmen; die einen blossen Wink des Herrn für ein
Gesez halten, das sie zu jeder blutigen That berechtigt, und die
Gedanken der gefährlichen Majestät zu befolgen glauben, wenn sie
vielleicht mehr aus einem Anstoß von schlimmem Humor als aus
überlegter Absicht sauer sieht.
Hubert.
Hier ist eure Hand, und euer Sigel, für das was ich that.
König Johann.
O, wann die lezte Rechnung zwischen Himmel und Erde gemacht werden
wird, dann wird diese Hand und diß Sigel wider uns zeugen! Wie oft
wird eine Übelthat nur darum gethan, weil wir die Mittel, sie zu
thun, vor uns sehen! Wärest du nicht bey der Hand gewesen, ein
Geselle, den die Hand der Natur zu Ausführung einer Schandthat
ausgezeichnet hat, dieser Mord wäre mir niemals in den Sinn
gekommen. Dein grelles Aussehen, die Geschiklichkeit, die
Willigkeit zu gefährlichen Dingen und blutigen Bubenstüken, die ich
an dir fand, versuchte mich--Und du, um dich einem König beliebt zu
machen, machtest dir kein Gewissen, einen Prinzen zu ermorden.
Hubert.
Gnädigster Herr--
König Johann.
Hättest du nur deinen Kopf geschüttelt, nur eine Pause gemacht, da
ich dir einen dunkeln Wink von meinem Vorhaben gab, nur einen
bedenklichen zweifelhaften Blik auf mich geworffen, oder mich
gebeten, daß ich deutlich reden sollte; die Schaam würde mich stumm
gemacht und deine Furcht auch in mir Furcht erwekt haben. Aber du
verstuhndest mich aus blossen Zeichen, und antwortetest auch durch
blosse Zeichen; ja, ohne einen Augenblik zu stoken, liessest du
dein Herz einwilligen, und dem zufolge deine rauhe Hand die That
vollbringen, die beyder Zungen zu nennen sich scheuten--Hinweg aus
meinem Gesicht, laß dich nimmer vor mir sehen. Meine Edeln
verlassen mich, mein Reich wird überfallen, und die feindlichen
Heere stehen schon vor meinen Thoren gelagert; und ach! in diesem
Königreich meiner Seele, in diesen Grenzen von Blut und Athem,
herrscht Feindseligkeit und bürgerlicher Aufruhr zwischen meinem
Gewissen und meines Neffen Tod.
Hubert.
Waffnet euch gegen eure andern Feinde, ich will zwischen euch und
euerm Gewissen Friede machen. Der junge Arthur lebt noch; diese
meine Hand ist noch eine jungfräuliche, unschuldige Hand, und von
Blut unbeflekt. Noch niemals ist in diesen Busen ein
meuchelmördrischer Gedanke gekommen, und ihr habt durch euer
Urtheil von meinem Aussehen die Natur verleumdet. So rauh es
scheinen mag, so bedekt es doch ein Gemüth, das zu edel ist, der
Henker eines unschuldigen Kindes zu seyn.
König Johann.
Lebt Arthur noch? O so eile zu den Pairs, giesse diese Nachricht
auf ihren flammenden Grimm, und zähme sie zu ihrer Schuldigkeit.
Vergieb der Auslegung, die meine Leidenschaft über deine Gestalt
gemacht hat, denn meine Wuth war blind; und Augen, in denen meine
Einbildung eine Blutschuld funkeln sah, stellten dich mir
gräßlicher dar als du bist. O, antworte mir nicht, sondern bringe
mir die erzürnten Lords mit der äussersten Geschwindigkeit in mein
Cabinet. Ich beschwöre dich nur langsam; renne noch eilfertiger.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Eine Strasse vor einem Gefängniß.)
(Arthur tritt verkleidet an die Mauer desselben.)
Arthur.
Die Mauer ist hoch, und doch will ich herunter springen. Guter
Boden, sey mitleidig und thu mir kein Leid. Es kennt mich hier
niemand, und wenn man mich auch kennte, so macht mich diese Gestalt
eines Schifferjungens völlig unerkenntlich. Ich fürchte mich, und
doch will ich es wagen. Wenn ich herunter komme, und unbeschädigt
bleibe, will ich tausend Mittel finden, davon zu kommen; es ist
eben so gut mein Leben zu wagen, indem ich zu entkommen suche, als
mein Leben zu verliehren, wenn ich bleibe.
(Er springt herab.)
Weh mir, meines Oheims Geist ist in diesen Steinen! Himmel, nimm
meine Seele auf, und England meine Gebeine.
(Er stirbt.)
(Pembrok, Salisbury und Bigot treten auf.)
Salisbury.
Lords, ich will ihm zu St. Edmondsbury entgegen kommen; es ist für
uns das sicherste; wir können in den gefährlichen Umständen, worinn
wir sind, dieses freundliche Anerbieten nicht ausschlagen.
Pembrok.
Wer überbrachte diesen Brief von dem Cardinal?
Salisbury.
Der Graf von Melun, ein Französischer Edelmann, dessen mündliche
Erzählung von des Dauphins guter Gesinnung gegen uns mir noch weit
mehr gesagt hat, als dieser Brief
Bigot.
So wollen wir ihm dann morgen früh entgegen gehen.
Salisbury.
Oder vielmehr uns auf den Weg machen, denn wir werden zween lange
Tagreisen haben, eh wir bey ihm eintreffen werden. (Faulconbridge
zu den Vorigen.)
Faulconbridge.
Ich freue mich, euch noch einmal anzutreffen, Milords; der König
ersucht durch mich um eure unverzügliche Gegenwart.
Salisbury.
Der König hat sich selbst aus unserm Besiz gesezt; wir wollen
seinen dünnen besudelten Rok nicht mit unsrer reinen Ehre füttern,
noch den Fuß begleiten, der, wohin er tritt, blutige Fußstapfen
zurük läßt. Kehrt zurük, und sagt ihm das; wir wissen das ärgste.
Faulconbridge.
Was ihr auch denken möget, so wären gute Worte, wie ich glaube, das
beste.
Salisbury.
Sir, Sir, Ungeduld hat ein Privilegium.
Faulconbridge.
Es ist wahr, seinem Besizer zu schaden, und sonst niemandem.
Pembroke.
Hier ist das Gefängniß; wer ligt hier?
(Indem er Arthur gewahr wird.)
Salisbury.
O Tod, stolz auf die Zerstörung dieser reinen und fürstlichen
Schönheit. Die Erde hat keine Grube, diese That zu verbergen.
Bigot.
Der Meuchelmord, als ob er selbst verabscheute, was er gethan hat,
legt sie offenbar zur Schau aus, um die Rache aufzureizen.
Salisbury.
Sir Richard, was denkt ihr? Habt ihr jemals so etwas gesehen, oder
gelesen, oder gehört, oder euch vorstellen können, als ihr hier
sehet; ja, könnt ihr es begreiffen, ob ihr's gleich sehet? Könnte
die Denkungs-Kraft, ohne einen solchen Gegenstand, eine solche
Vorstellung hervorbringen? Es ist der Gipfel, die höchste Spize,
das Äusserste von dem Äussersten was der Meuchelmord wagen kan;
es ist die blutigste Schandthat, die wildeste Unmenschlichkeit, der
niederträchtigste Streich, den jemals die starr-augichte Wuth den
Thränen des sanften Mitleidens dargestellt hat.
Pembrok.
Alle Mordthaten die jemals geschehen sind, werden durch diese
entschuldiget; sie ist so einzig, so mit keiner andern zu
vergleichen, daß sie die noch ungebohrnen Sünden der Zukunft rein
und heilig, und einen jeden Menschen-Mord zu einem blossen Scherz
macht, in Vergleichung mit diesem abscheulichen Spektakel.
Faulconbridge.
Es ist eine verfluchte That, eine gottlose That einer mördrischen
Hand, wenn es anders die That irgend einer Hand ist.
Salisbury.
Wenn es die That irgend einer Hand ist? Wir hatten eine Art von
Licht, was erfolgen würde. Es ist die schändliche That von Huberts
Hand, die hierinn das Werkzeug zu dem Willen des Königs gewesen ist.
Und hier, schwöre ich meine Seele von allem Gehorsam gegen ihn
los, hier vor dem Ruin dieses anmuthigen Lebens kniend, und athme
zu dieser athemlosen Vortreflichkeit den Weyhrauch eines Gelübdes,
eines heiligen Gelübdes, daß ich eher von keinem Vergnügen des
Lebens kosten, eher keiner Freude und keiner Ruhe den Zutritt zu
mir lassen will, bis ich diese ermordete Unschuld durch die
feyrlichste Rache versöhnt haben werde.
Pembrok. Bigot.
Unsre Seelen bekräftigen dein heiliges Gelübde!
Sechste Scene.
(Hubert zu den Vorigen.)
Hubert.
Milords, ich suche euch allenthalben mit feurigster Eile; Arthur
lebt, und der König sendet nach euch.
Salisbury.
O, er ist kühn und erröthet nicht zu todt; hinweg, du verabscheuter
Lasterbube, aus meinem Gesicht!
Hubert.
Ich bin kein Lasterbube.
Salisbury.
Muß ich dem Gesez zuvorkommen?
(Er zieht seinen Degen.)
Faulconbridge.
Euer Schwerdt ist glänzend, Sir, stekt es wieder ein.
Salisbury.
Nicht eher, bis ich ihm eines Mörders Haut zur Scheide gemacht habe.
Hubert.
Zurük, Lord Salisbury; zurük, sag ich; beym Himmel, mein Degen ist
so scharf als der eurige; ich möchte nicht, Lord, daß ihr euch
selbst vergässet, oder die Gefahr meiner abgenöthigten Gegenwehr
reiztet; oder ich möchte, von eurer Wuth aufgefodert, euern Werth,
euern Adel und eure Grösse vergessen.
Bigot.
Hinweg, Misthaufe, unterstehst du dich einem Edelmann zu trozen?
Hubert.
Nicht für mein Leben; aber meine Unschuld untersteh ich mich gegen
einen Kayser zu vertheidigen.
Salisbury.
Du bist ein Mörder.
Hubert.
Zwingt mich nicht es zu werden; izt, bin ich noch keiner; Wessen
Zunge falsch redet, redt nicht wahr, und wer nicht wahr redt, lügt.
Pembroke.
Haut ihn in Stüken.
Faulconbridge.
Halte Frieden, sag ich.
Salisbury.
Auf die Seite, Faulconbridge, oder ich will dir die Haut abziehen.
Faulconbridge.
Du würdest leichter dem Teufel die Haut abziehen, Salisbury. Wenn
du dich erkühnst mich nur sauer anzusehen, nur deinen Fuß
vorzusezen, oder ein unanständiges Wort gegen mich auszustossen, so
schlag ich dich tod nieder. Steke deinen Degen bey Zeiten ein,
oder ich will dich und deinen Bratspieß so zusammenpleuen, daß du
denken sollst, der Teufel aus der Hölle sey über dich gekommen.
Bigot.
Was willt du thun, ruhmvoller Faulconbridge? Einem Bösewicht
beystehen, einem Mörder?
Hubert.
Lord Bigot, ich bin keiner.
Bigot.
Wer ermordete diesen Prinzen?
Hubert.
Es ist noch keine Stunde seit ich ihn gesund verlassen habe; ich
ehrt' ihn, ich liebt' ihn, und ich will mein lebenlang den Verlust
seines süssen Lebens beweinen.
Salisbury.
Trauet nicht diesem heuchelnden Wasser in seinen Augen; ein
Bösewicht kan auch weinen, und eine lange Übung macht, daß seine
erzwungene Zähren Ströme des Mitleidens und der Unschuld scheinen.
Folget mir alle, deren Seelen den unreinen Geruch eines
Schlachthauses verabscheuen; ich erstike in den Ausdünstungen
dieser Schandthat.
Bigot.
Hinweg nach Edmondsbury, zu dem Dauphin.
Pembrok.
Saget dem König, dort könn' er uns erfragen.
(Die Lords gehen ab.)
Siebende Scene.
Faulconbridge.
Das ist eine feine Welt; wißt ihr was um diese saubre Arbeit?
Hubert, wann du diese That gethan hast, so reicht eine grenzenlose
Güte nicht zu, dir zu vergeben.
Hubert.
Hört mich nur an, Sir.
Faulconbridge.
Ha! ich will dir was sagen; du bist verdammt, so schwarz--Nein,
nichts ist so schwarz, tiefer verdammt als Lucifer; es ist kein so
scheußlicher Teufel in der Hölle wie du seyn wirst, wenn du diß
Kind umgebracht hast.
Hubert.
Bey meiner Seele--
Faulconbridge.
Wenn du nur deinen Willen zu dieser Unmenschlichkeit gegeben hast,
so verzweifle; und wenn du keinen Strik hast, so wird der dünnste
Faden, den jemals eine Spinne aus ihrem Leib gezogen hat, stark
genug werden, dich zu erdrosseln; ein Rohr wird ein Balken werden,
dich daran zu hängen; oder wenn du dich ersäuffen willt, so gieß
nur ein wenig Wasser in einen Löffel, und es wird soviel seyn als
der ganze Ocean, zureichend, einen solchen Bösewicht zu erstiken.
Du bist mir äusserst verdächtig.
Hubert.
Wenn ich durch That, Einwilligung oder nur durch die Sünde eines
Gedankens an dem Raub dieses anmuthsvollen Lebens schuldig bin, so
möge die Hölle selbst neue Qualen nöthig haben mich zu martern. Er
war wohl da ich ihn verließ.
Faulconbridge.
Geh, trag' ihn in deinen Armen fort. Ich bin ganz betäubt, däucht
mich, und verliehre meinen Weg unter den Dornen und Gefahren dieser
Zeit--Wie wenig Mühe brauchst du, ganz England aufzuheben! Aus
diesem kleinen zerbrochnen Gehäuse der rechtmäßigen Königs-Würde
ist das Leben, der Friede, die Treue von diesem ganzen Königreich
gen Himmel geflogen; und das verlaßne England als ein Ding, das
keinen rechtmäßigen Eigenthümer hat, ist dem überlassen, der es
zuerst zu paken kriegt. Der hündische Krieg sträubt nun, um den
halbabgenagten Knochen der Majestät, seinen zürnenden Kamm, und
bläkt die Zähne gegen die freundlichen Augen des Friedens. Nun
stossen auswärtige Kriegsschaaren und einheimische Mißvergnügte in
gerader Linie auf einander, und öde Verwüstung laurt, wie ein Rabe
auf ein angestektes und gefallenes Stük Vieh, auf den stürzenden
Fall des überwältigten Pomps. Nun ist derjenige glüklich, den sein
Priester-Rok und sein Gürtel vor diesem Ungewitter zu Hause bewahrt--
Tragt das Kind hinweg, und folget mir unverzüglich; ich gehe zu
dem König; tausend Geschäfte warten auf uns, und der Himmel selbst
schießt einen zürnenden Blik auf dieses Land.
(Sie gehen ab.)
Fünfter Aufzug.
Erste Scene.
(Der Englische Hof.)
(König Johann, Pandolph und Gefolge treten auf.)
König Johann.
Hiemit übergeb ich in eure Hand diesen Cirkel meiner Königs-Würde.
(Er giebt ihm die Crone.)
Pandolph.
Empfanget wieder aus dieser meiner Hand, als ein Lehen des Papsts,
eure königliche Grösse und Autorität.
König Johann.
Und nun haltet euer geheiligtes Wort; gehet den Franzosen entgegen,
und bedienet euch aller Gewalt, die ihr von Sr. Heiligkeit habt,
ihnen, eh sie unser ganzes Reich in Flammen sezen, die Grenzen zu
versperren. Unsre mißvergnügten Grafschaften lehnen sich auf,
unser Volk sträubt sich gegen seine Pflicht, und schwört einem
fremden Blute Treue und Unterwürfigkeit. Dieser Schwall einer
fieberhaften Schwärmerey kan von euch allein besänftiget werden.
Säumet also nicht; denn die gegenwärtige Zeit ist so krank, daß sie,
ohne die Hülfe schleuniger Arzneymittel, gar bald unheilbare
Folgen nach sich zöge.
Pandolph.
Mein Athem war es, der wegen euers halsstarrigen Bezeugens gegen
den Papst, dieses Ungewitter erregte; nachdem ihr euch aber auf
eine so glükliche Art verändert habt, so soll eben dieser Athem,
diesen Sturm des Kriegs wieder hinweg hauchen, und schönes Wetter
in euerm erschütterten Lande machen. An diesem Auffahrts-Tage,
erinnert euch dessen wol, geh ich, auf den Eid hin so ihr zum
Dienst des Papsts geschworen habt, die Franzosen zu vermögen, daß
sie die Waffen niederlegen.
(Er geht ab.)
König Johann.
Ist heute Auffahrts-Tag? Sagte nicht der Prophet: An diesem Tage,
zu Mittag, sollt ich meine Crone niederlegen? Was hab ich gethan;
ich meynte, es sollte durch Gewalt geschehen, aber dem Himmel sey
Dank, es geschah bloß freywillig. (Faulconbridge tritt auf.)
Faulconbridge.
Ganz Kent hat sich ergeben; nichts hält sich noch als Dover-Castle;
London hat wie ein freundlicher Wirth den Dauphin und sein
Kriegsheer aufgenommen; eure Edeln wollen euch nicht hören, sondern
sind im Begriff, ihre Dienste euerm Feind anzubieten; und die
kleine Zahl eurer wankenden Freunde treibt wilde Betäubung hin und
her.
König Johann.
War die Nachricht, daß Arthur lebe, nicht vermögend, meine Lords
zur Wiederkehr zu mir zu bewegen?
Faulconbridge.
Sie haben ihn todt auf die Strasse geworffen gefunden; ein leeres
Kästchen, woraus der Juweel so darinn verschlossen war, das Leben,
von irgend einer verdammten Hand weggestohlen worden.
König Johann.
Der nichtswürdige Bube Hubert sagte mir, er lebe.
Faulconbridge.
Ich wollte für ihn schwören daß er nichts anders wußte--aber warum
seyd ihr so niedergeschlagen? Warum seht ihr so traurig? Seyd
groß in Thaten, wie ihr es in Entschliessungen gewesen seyd. Laßt
die Welt keine Furcht, kein banges Mißtrauen in einem königlichen
Auge lesen; seyd unternehmend, wie die Gelegenheit die euch
auffordert. Sezet dem Feuer Feuer entgegen, drohet dem Dräuer und
trozet der rümpfenden Stirne der pralenden Gefahr; so werden eure
Anhänger, die ihre Aufführung von ihrem Oberhaupt borgen, durch
euer Beyspiel groß werden, und einen unerschroknen Muth fassen.
Hinweg, und schimmert wie der Kriegs-Gott, wenn er dem Sieg
entgegenzieht; zeigt Kühnheit und Vertrauen auf euch selbst und
euer Glük! Wie, sollen sie den Löwen in seiner Höle aufsuchen, und
sie sollen ihn da erschreken, ihn zittern machen? O! laßt das
nicht gesagt werden. Geht dem Feind herzhaft auf den Leib, und
ringet mit ihm, eh er in das Herz euers Landes eindringt.
König Johann.
Der Legat des Papsts ist bey mir gewesen, und ich habe Frieden mit
ihm gemacht, und er hat mir versprochen, den Dauphin wieder heim zu
schiken.
Faulconbridge.
O unrühmliches Bündniß! Fremde sollen in unser Land einfallen, und
wir sollen kein anders Mittel haben, als Unterhandlungen, Compromiß
und erbettelten Waffenstillstand, um sie uns vom Halse zu schaffen?
Ein unbärtiger Junge, ein verzärtelter seidener Stuzer soll
übermüthig über unsre Felder einherziehn, seinen Muthwillen auf
einem kriegerischen Boden herumtummeln, der Luft mit dem bunten
Gepränge seiner flatternden Fahnen spotten, und keinen Widerstand
finden? Zu den Waffen, mein Königlicher Herr; vielleicht erhält
der Cardinal seine Absicht nicht; und wenn er sie auch erhält, so
laßt doch wenigstens von uns gesagt werden, daß wir in der
Verfassung gewesen, uns wehren zu können.
König Johann.
Ich übertrage dir die Gewalt, alles anzuordnen und zu thun, was du
in unsern gegenwärtigen Umständen nöthig findest.
Faulconbridge.
Auf dann, und guten Muth gefaßt; ich bin gewiß, daß unsre Parthey
im Stande wäre, einem stärkern Feind entgegen zu gehen.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Das Lager des Dauphins.)
(Ludwig, Salisbury, Melun, Pembrok, Bigot und Soldaten, treten in
Waffenrüstung auf.)
Ludwig.
Mein Herr von Melun, laßt eine Copey hievon genommen, und zu unsrer
Erinnerung wol aufgehoben werden; den gegenwärtigen Aufsaz aber
gebt diesen Lords zurük, damit sie auch eine schriftliche Erklärung
unsers geneigten Willens haben, und wir sowol als sie, wenn wir
diese Papiere überlesen, uns erinnern worauf wir geschworen haben,
und unser Wort fest und unverbrüchlich halten.
Salisbury.
Auf unsrer Seite soll es niemals gebrochen werden. Und ob wir
gleich, edler Dauphin, euer Betragen gegen uns durch Zuschwörung
einer freywilligen Ergebenheit und unerzwungnen Treue erwiedern; so
glaubet mir doch, Prinz, ich bin nicht erfreut, daß ein solches
Geschwär der gegenwärtigen Zeit bey der verachteten Rebellion ein
Pflaster suchen, und den eingewurzelten Krebs einer Wunde durch
viele heilen muß. O, es kränkt meine Seele, daß ich dieses Metall
von meiner Seite ziehen muß, um ein Wittwen-Macher zu seyn, und
dieses in einem Lande, wo rühmlicher Widerstand und rechtmäßige
Gegenwehr über den Namen Salisbury schreyen! Aber so ist die
verpestete Krankheit dieser Zeit beschaffen, daß wir unser Recht zu
heilen, gezwungen sind die Hand des kühnen Unrechts und der
regellosen Gewaltthätigkeit anzuruffen. Und sollt es uns nicht
schmerzen, o meine tiefgekränkten Freunde, daß wir, die Söhne und
Kinder dieser Insel, gebohren seyn sollen, die Stunde zu sehen, da
wir, zu einem ausländischen Kriegsheer gesellt, über ihren schönen
Busen einhertreten, und die Linien ihrer Feinde ausfüllen; (ich muß
mich wegwenden, und die Schmach dieser traurigen Nothwendigkeit
beweinen) die Stunde zu sehen, da wir das Volk eines entfernten
Landes wider unser eignes unterstüzen, und unbekannten Fahnen hier
folgen müssen? Wie, hier? O mein Volk, möchtest du dich
zurükziehen können! Möchte Neptun, der dich ringsumfaßt, dich in
seinen Armen aus dem Schooß deines mütterlichen Bodens hinweg an
irgend ein Heidnisches Ufer tragen, wo diese Christlichen Heere das
Blut des Hasses in eine Ader des Friedens zusammenlegten könnten,
anstatt es hier so unnachbarlich zu vergiessen.
Ludwig.
Du zeigst hierinn eine edle Sinnesart; und der grosse Trieb, der in
deinem Busen kämpft, verursacht ein Erdbeben von edeln Empfindungen
in dir. Oh was für einen edeln Kampf zwischen Nothwendigkeit und
Liebe zum Vaterland hast du gekämpft! Laß mich diesen ehrwürdigen
Thau abwischen, der wie fliessendes Silber über deine Wangen rollt.
Mein Herz ist schon von den Thränen eines Frauenzimmers
zerschmolzen, die doch eine gewöhnliche Überschwemmung sind; aber
dieser Ausbruch von männlichen Thränen, dieser von dem Ungewitter
einer grossen Seele zusammengetriebne Regen, macht mein Auge
starren, und sezt mich in ein grösseres Erstaunen, als wenn ich das
ganze Gewölbe des Himmels auf einmal mit brennenden Meteoren
überwälzt sähe. Heitre deine Stirne auf, ruhmvoller Salisbury, und
treibe durch ein grosses Herz diesen Sturm hinweg. Überlaß diese
Thränen jenen Säuglings-Augen, die niemals die riesengleiche Welt
in Wuth gesehen, und das Glük nirgends als bey Lustbarkeiten und
üppigen Schmäusen kennen gelernt haben. Komm, komm, du sollt deine
Hand so tief in den Beutel des reichen Wohlstands steken als Ludwig
selbst; so, Milords, sollt ihr alle, die ihre Sehnen an die Stärke
der meinigen anknüpfen.
Dritte Scene.
(Pandolph zu den Vorigen.)
Ludwig.
Wie, hier eilet, däucht mich, ein Engel auf uns zu; sehet, der
heilige Legat kommt, uns Verhaltungs-Befehle vom Himmel zu bringen,
und unsern Unternehmungen durch seinen Beyfall das Sigel des Rechts
aufzudrüken.
Pandolph.
Heil dir, edler Prinz von Frankreich; das nächste ist dieses: König
Johann hat sich mit Rom ausgesöhnt; windet also diese dräuenden
Fahnen auf, und zähmet den grimmigen Geist des wilden Kriegs, damit
er, gleich einem Löwen der im Hause zahm aufgezogen worden,
freundlich zu den Füssen des Friedens lige, und ausser durch sein
Ansehen ferner keinen Schaden thue.
Ludwig.
Mit Euer Gnaden Erlaubniß, ich werde nicht zurük gehen. Ich bin
nicht gebohren, um mir befehlen zu lassen, und irgend eines
Souverains in der Welt Diener und Werkzeug zu seyn. Euer Athem
blies zuerst die todte Kohle des Kriegs zwischen mir und diesem
gezüchtigten Königreich an, und legte Materie zu, dieses Feuer zu
nähren; allein nun ist es schon zu heftig, um von eben dem
schwachen Winde, der es anfachte, wieder ausgeblasen zu werden.
Ihr lehrtet mich meine Befügnisse und Ansprüche an dieses Land
kennen, ihr allein legtet diese Unternehmung in mein Herz; und izt
kommt ihr, und sagt mir, Johann habe Frieden mit Rom gemacht! Was
geht mich sein Friede an? Kraft des Rechts so ich durch meine
Vermählung erhalten, spreche ich, da Arthur todt ist, dieses Land
als mein Eigenthum an; und nun da es halb erobert ist, soll ich
zurük gehen, weil Johann seinen Frieden mit Rom gemacht hat? Bin
ich Roms Sclave? Was für Subsidien hat Rom zu dieser Unternehmung
hergegeben, was für Volk, oder was für Kriegs-Vorrath? Bin ichs
nicht allein, der die Last derselben trägt? Wer anders als ich,
und diejenigen die meinen gerechten Anspruch unterstüzen, schwizt
in diesem Geschäft und führt diesen Krieg? Hab ich nicht diese
Insulaner mir zujauchzen gehört, (vive le Roi!) wie ich gegen ihre
Städte angezogen bin? Hab' ich hier nicht die besten Carten, um
dieses Spiel zu gewinnen, das um eine Crone gespielt wird? Und nun
soll ich es aufgeben, da ich den Saz schon in Händen habe? Nein,
bey meiner Seele, das will ich nicht thun.
Pandolph.
Ihr seht nur auf das Äusserliche dieses Geschäfts.
Ludwig.
Äusserlich oder innerlich, ich will nicht wieder heimgehen, bis
ich mein Vorhaben auf eine so glorreiche Art ausgeführt haben werde,
als ich zu hoffen von euch selbst aufgemuntert worden bin--
(Man hört eine Trompete.)
Was für eine muntre Trompete fordert uns hier auf?
Vierte Scene.
(Faulconbridge zu den Vorigen.)
Faulconbridge.
Vergönnet mir, nach dem Gebrauch gesitteter Völker, ein ruhiges
Gehör: ich bin von dem König abgeschikt, um von euch, mein heiliger
Lord von Meiland, zu vernehmen, wie ihr ihm euer Wort gehalten
habet; und nachdem eure Antwort beschaffen seyn wird, wird es die
Erklärung seyn, zu der meine Zunge bevollmächtiget ist.
Pandolph.
Der Dauphin will sich durch meine Vorstellungen nicht bewegen
lassen, und sagt rund heraus, er wolle die Waffen nicht niederlegen.
Faulconbridge.
Bey allem dem Blut, das jemals von männlicher Wuth gekocht hat, der
Jüngling sagt recht. Höret izt unsern Engländischen König: Denn so
spricht seine Majestät durch mich; er ist vorbereitet, und die
Ursache davon ist, weil er es seyn soll. Auf diesen poßierlichen
Affenzug, auf diese geharnischte Mummerey, und unbesonnenes
Spiegelgefecht, auf dieses läppische Kriegsheer von sauersehenden
Knaben, lächelt der König herab; und ist in guter Verfassung,
diesen Zwergen-Krieg, diese Pygmäen-Waffen aus dem Umfang seines
Gebiets hinaus zu peitschen. Sollte diese Hand, welche Stärke
genug hatte, euch vor euern Hausthüren zu prügeln, und zu machen,
daß ihr, gleich Wasserkübeln, euch in gemaurte Brunnen täuchen,
unter die Schindeln eurer Ställe klettern, wie Pfänder in Kästen
und Kuffern eingeschlossen ligen, und euch zu euern Schweinen
verkriechen mußtet; daß ihr euere Sicherheit in Kellern und
Gefängnissen suchtet, und schon schaudertet und vor Angst zittertet,
wenn ihr nur einen Englischen Hahn krähen hörtet, in der
Einbildung, es sey die Stimme eines bewaffneten Engländers; diese
siegreiche Hand sollte hier entkräftet hangen, nachdem sie euch in
euern Kammern gezüchtiget hat? Nein; wißt, der dapfre Monarch ist
in Waffen, und schwebt gleich einem Adler über seinen Horst, um
jeden Unfall, der sich seinem Neste nähert, wegzuscheuchen. Und
ihr ausgeartete, ihr undankbare Rebellen, ihr blutigen Neronen, die
den Leib ihrer theuren Mutter England aufreissen, erröthet vor
Schaam; denn eure eignen Frauen und blaß-wangichte Töchter, kommen,
gleich Amazonen, hinter Trummeln hertrippelnd, vertauschen ihre
Fingerhüte um eiserne Handschuhe, ihre Nadeln um Lanzen, und ihre
sanftmüthigen Herzen um Grimm und Blutdurst--
Ludwig.
Hier mache deiner Pralerey ein Ende, und kehr im Frieden heim; wir
gestehen dir zu, daß du besser schimpfen kanst als wir; gehab dich
wohl; wir schäzen unsre Zeit zu hoch, sie mit einem solchen
Plauderer zu verderben.
Pandolph.
Laßt mich izt auch reden--
Faulconbridge.
Nein, ich will reden.
Ludwig.
Ich will keinen von beyden anhören, rührt die Trummeln, und laßt
die Zunge des Kriegs für unsre Sache reden.
Faulconbridge.
In der That, eure Trummeln wenn sie geschlagen werden, werden
schreyen, und so werdet ihr thun, wenn ihr geschlagen seyd; weke
nur ein Echo mit dem Geschrey deiner Trummel auf, und du wirst
sogleich eine andre hören, die bey der Hand ist, so laut
zurükzuschallen als die deinige; schlage noch eine, und wieder eine
andre, soll, so laut als die deinige, in die Ohren des Firmaments
rasseln, und dem holen Gebrüll des Donners Troz bieten. Denn, ohne
sich auf diesen hinkenden Legaten zu verlassen, den er mehr zum
Scherz als aus Noth gebraucht hat, ist der tapfre König Johann in
der Nähe, und ein Tod mit nakten Rippen sizt auf seiner Stirne;
dessen Amt an diesem Tage ist, die Franzosen bey tausenden
aufzufressen.
Ludwig.
Rührt die Trummeln, um diese Gefahr aufzusuchen.
Faulconbridge.
Du sollt sie finden, Dauphin, zweifle nicht.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in ein Schlachtfeld.)
(Alarm. König Johann und Hubert treten auf.)
König Johann.
Wie gehts uns an diesem Tag? O sag es mir, Hubert.
Hubert.
Übel, fürchte ich; wie befindet sich Euer Majestät?
König Johann.
Dieses Fieber, das mich so lange schon plagt, sezt mir gewaltig zu;
o mein Herz ist krank! (Ein Bote tritt auf.)
Bote.
Gnädigster Herr, euer dapfrer Vetter, Faulconbridge, bittet Euer
Majestät, das Feld zu verlassen, und ihn wissen zu lassen, welchen
Weg ihr nehmet.
König Johann.
Sag ihm in die Abtey bey Swinstead.
Bote.
Ich bring gute Zeitungen; der grosse Succurs, den der Dauphin
erwartete, hat vor drey Nächten auf den Sandbänken von Godwin
gestrandet; Richard hat diese Neuigkeit so eben erfahren; die
Franzosen wehren sich nur noch schwach, und fangen schon an sich
zurük zu ziehen.
König Johann.
Ach! ach! dieses tyrannische Fieber brennt mich aus, und läßt
mich dieser guten Zeitung nicht froh werden. Auf, nach Swinstead
zu; meinen Tragsessel her; ich kan es nicht länger aushalten; ich
bin ganz schwach.
(Gehen ab.)
Sechste Scene.
(Verwandelt sich in das Französische Lager.)
(Salisbury, Pembrok und Bigot, treten auf.)
Salisbury.
Ich glaubte nicht, daß der König noch so viel Freunde hätte.
Pembroke.
So auf einmal; sprecht den Franzosen Muth ein; wenn sie unglüklich
sind, sind wir verlohren.
Salisbury.
Der mißgezeugte Teufel, Faulconbridge, ist, troz allem Widerstand,
die einzige Ursach, daß wir diesen Tag verliehren.
Pembroke.
Man sagt, König Johann habe sich sehr krank aus der Schlacht
wegbegeben.
(Melun wird verwundet herbeygeführt.)
Melun.
Führet mich zu den Englischen Rebellen.
Salisbury.
Wie wir glüklich waren, hatten wir andre Namen.
Pembroke.
Es ist der Graf von Melun.
Salisbury.
Auf den Tod verwundet.
Melun.
Flieht, ihr edeln Engländer, ihr seyd gekauft und bezahlt. Ruft
die entlassene Treue wieder zurük, suchet euern König auf, und
fallet ihm zu Fuß; denn wenn Ludwig von diesem Tage Meister wird,
so gedenkt er euch die Mühe, die ihr nehmet, dadurch zu belohnen,
daß er euch die Köpfe abschlagen lassen will; das hat er geschworen,
und ich mit ihm, und viele andre mit mir, auf eben dem Altar zu St.
Edmondsbury, wo wir euch Freundschaft und ewige Liebe schwuren.
Salisbury.
Ist das möglich? Kan das wahr seyn?
Melun.
Hab ich nicht den scheuslichen Tod im Antliz? Blutet nicht das
wenige Leben, so ich noch habe, von Augenblik zu Augenblik weg, wie
ein Bild von Wachs im Feuer dahinschmilzt? Was in der Welt könnte
mich bewegen, izt zu betrügen, da aller Nuzen des Betrugs aufhört?
Wie könnt ich noch falsch seyn, da es wahr ist, daß ich sterben muß,
und nur durch Wahrheit jenseits des Grabes leben kan? Ich sag es
noch einmal: wenn Ludwig diesen Tag gewinnt, so ist er meineydig,
wenn diese eure Augen noch einen Tag in Osten aufgehen sehen;
sondern in eben dieser Nacht, deren schwarzer anstekender Athem
albereit den brennenden Kamm der alten, matten, ermüdeten Sonne
anhaucht; in dieser Nacht, sollt ihr zum leztenmal athmen, und für
die willkommne Verrätherey den gewöhnlichen Lohn der Verräther
bekommen. Empfehlet mich einem gewissen Hubert, der bey euerm
König ist; meine Liebe zu ihm, und die Erinnerung, daß mein
Großvater ein Engländer war, wekte mein Gewissen zu diesem
Bekenntniß auf. Bringet mich nun, ich bitte euch, dafür aus dem
Getümmel des Feldes an einen Ort, wo ich den Rest meiner Gedanken
in Ruhe ausdenken, und unter andächtigen Betrachtungen und Seufzern
meine Seele von diesem Leibe trennen kan.
Salisbury.
Wir glauben dir, und, auf meine Seele, ich bin erfreut über diese
günstige Gelegenheit, zu unsrer Schuldigkeit und zu unserm Könige
zurük zu kehren. Mein Arm soll dir beystehen, dich von hier hinweg
zu tragen, denn ich seh den ringenden Tod in deinen Augen. Hinweg,
meine Freunde, und von neuem auf die Flucht; doch glükliche Flucht,
die uns zu unsrer Pflicht zurük bringt!
(Sie gehen ab, und tragen Melun hinweg.)
Siebende Scene.
(Verwandelt sich in einen andern Theil des Französischen Lagers.)
(Ludwig und sein Gefolge treten auf.)
Ludwig.
Die Sonne däuchte mich, wollte heute nicht untergehen, sondern
blieb stehn, und machte die westlichen Wolken erröthen, da die
Engländer in muthlosem Weichen ihren eignen Boden zurükmassen; o
wir beschlossen den Tag auf eine rühmliche Art, da wir ihnen mit
einer vollen Ladung unsers, zwar unnöthigen, Geschüzes, nach einer
so blutigen Arbeit, gute Nacht sagten, und unsre zerfezten Fahnen
ruhig aufwanden, die lezten im Felde, und allerdings Meister davon--
(Ein Bote zu den Vorigen.)
Bote.
Wo ist mein Prinz, der Dauphin.
Ludwig.
Hier; was bringst du Neues?
Bote.
Der Graf von Melun ist erschlagen; die Englischen Lords sind durch
seine Vorstellungen zum Abfall bewogen worden; und die Verstärkung,
die ihr so lange gewünscht habt, ist auf den Sandbänken zu Godwin
zu Grunde gegangen.
Ludwig.
O schlimme, verdrießliche Zeitungen! So verdrießlich dacht' ich
diese Nacht nicht zu seyn, als ich es izt bin. Wer war der,
welcher sagte, König Johann sey geflohen, eine oder zwo Stunden, eh
die Nacht beyde Armeen schied?
Bote.
Wer es auch gesagt hat, hat die Wahrheit gesagt, Gnädigster Herr.
Ludwig.
Gut; haltet gute Wache diese Nacht über; der Tag soll nicht so
schnell seyn als ich, um es morgen noch einmal zu wagen.
(Sie gehen ab.)
Achte Scene.
(Ein freyer Plaz, unweit der Abtey zu Swinstead.)
(Faulconbridge und Hubert treten von verschiednen Seiten auf.)
Hubert.
Wer ist hier? Sprich! he! Rede augenbliklich, oder ich gebe
Feuer.
Faulconbridge.
Ein Freund. Wer bist du?
Hubert.
Von der Englischen Parthey.
Faulconbridge.
Und wohin gehst du?
Hubert.
Was geht das dich an? Frag ich dich denn nach deinen Verrichtungen,
daß du nach den meinigen fragst?
Faulconbridge.
Ich denke, du bist Hubert.
Hubert.
Du denkst richtig; ich will nun, auf alle Gefahr hin, glauben, du
seyest mein Freund, da du meine Stimme so gut kennest. Wer bist du?
Faulconbridge.
Was du willt; wenn du magst, so kanst du mir die Ehre anthun, und
denken, daß ich gewisser Maassen ein Plantagenet bin.
Hubert.
Ha! daß ich dich mißkennen konnte! Du und die augenlose Nacht
haben mich beschämt; tapfrer Kriegsheld, vergieb mir, daß der
wohlbekannte Ton deiner Stimme meinem Ohr fremde klingen konnte.
Faulconbridge.
Kommt, kommt, (sans compliment;) was giebt es Neues?
Hubert.
Ich war im Begriff, euch aufzusuchen.
Faulconbridge.
So mach' es kurz; was hast du Neues?
Hubert.
O mein werther Herr, eine Zeitung, die sich für die Nacht schikt,
schwarz, gefahrvoll, trostlos und schreklich.
Faulconbridge.
Zeige mir ohne Umstände die Wunde deiner schlimmen Zeitung; ich bin
kein Weibsbild, ich will nicht darüber in Unmacht fallen.
Hubert.
Der König ist, wie ich besorge, von einem Mönchen vergiftet worden;
ich verließ ihn beynahe sprachlos, und eilte sogleich fort, um euch
von diesem Unfall zu benachrichtigen; damit ihr euch desto besser
auf die Folgen desselben gefaßt machen könnet, als wenn ihr zu spät
von ihm überraschet würdet.
Faulconbridge.
Wie bekam er das Gift? Wer credenzte ihm?
Hubert.
Ein Mönch, wie ich euch sagte; ein entschlossener Bösewicht, dem
die Gedärme sogleich davon geborsten sind. Doch der König kan noch
reden, und vielleicht wieder zurecht kommen.
Faulconbridge.
Wen liessest du seiner Majestät zur Aufwartung?
Hubert.
Wie? wißt ihr nicht, daß die Lords alle wieder zu ihm zurük
gefallen sind, und den Prinzen Heinrich mit sich gebracht haben,
auf dessen Fürbitte der König sie begnadiget hat. Sie alle sind
gegenwärtig bey seiner Majestät.
Faulconbridge.
Halt deinen Zorn zurük, mächtiger Himmel! Und leg' uns nicht mehr
auf, als wir tragen können! Ich muß dir sagen, Hubert, daß die
Helfte meiner Armee, indem ich diese Nacht über diese Untieffen
sezte, von der Fluth ergriffen worden; diese Lincoln-Sümpfe haben
sie verschlungen, und ich selbst, obgleich wohl beritten, bin mit
Noth davon gekommen. Laß uns eilen; führe mich zum Könige; ich
besorge, er möchte schon verschieden seyn, eh ich ihn sehe.
(Sie gehen ab.)
Neunte Scene.
(Verwandelt sich in einen Garten der Abtey zu Swinstead.)
(Prinz Heinrich, Salisbury und Bigot treten auf.)
Heinrich.
Es ist zu späte; sein ganzes Blut ist vom Gift angestekt, und sein
sonst so gesundes Gehirn, (welches einige für das zerbrechliche
Wohnhaus der Seele halten) kündigt uns durch die unordentlichen
Phantasien, die es hervordrängt, das Ende der Sterblichkeit an.
(Pembroke zu den Vorigen.)
Pembroke.
Der König redet noch, und glaubt, wenn er in die freye Luft
gebracht würde, so könnte sie die brennende Hize des Giftes lindern,
das ihn verzehrt.
Heinrich.
Laßt ihn hieher in den Garten tragen. Phantasirt er noch?
Pembrok.
Er ist ruhiger als ihr ihn verlassen habt; eben izt sang er.
Heinrich.
Dieses giebt uns wenig Hoffnung. Übel, die aufs äusserste
gekommen sind, fühlen sich selbst nicht mehr. Wenn der Tod einmal
die äusserlichen Theile benagt hat, läßt er sie unempfindlich, und
greift alsdann das Gemüth an, welches er durch ganze Legionen von
seltsamen Einbildungen anfällt und verwundet, die in ihrem Gedränge,
bey diesem lezten Sturm, sich selbst untereinander aufreiben; wie
wunderbar, daß der Tod singen soll--Doch es ist das traurige
Sterbelied dieses bleichen verschmachtenden Schwans, der aus der
Orgelpfeiffe der Sterblichkeit seine Seele und seinen Leib in die
ewige Ruhe singt.
Salisbury.
Seyd guten Muthes, Prinz, denn ihr seyd dazu gebohren, das was er
so roh und ungestalt zurückläßt, zu formen und zur Vollkommenheit
zu bringen.
(König Johann wird herbeygetragen.)
König Johann.
Ah, wohl, nun hat meine Seele freyen Paß; sie wollte nicht zum
Fenster oder zur Thüre hinaus. Es ist ein so heisser Sommer in
meinem Busen, daß sich alle meine Eingeweide zu Staub zerkrümmeln.
Ich bin eine Figur, die mit einer Feder auf Pergament gezogen
worden, und schrumpfe an diesem Feuer zusammen.
Heinrich.
Wie befindet sich Eu. Majestät?
König Johann.
Vergiftet, todt, vergessen; und keiner von euch will dem Winter
befehlen, daß er komme, und seine beeißten Finger in meinen Schlund
steke; noch machen, daß die Ströme meines Königreichs ihren Lauf
durch meinen brennenden Busen nehmen; noch dem Nord sagen, daß
seine kalten Winde meine ausgedörrten Lippen küssen, und mich
abkühlen sollen. Ich verlange ja nichts als einen kalten Trost,
und ihr seyd so unbarmherzig, so undankbar, und schlagt ihn mir ab.
Heinrich.
O! daß doch in meinen Thränen eine Kraft seyn möchte, euch
Lindrung zu verschaffen!
König Johann.
Das Salz darinn ist heiß. Ich habe die Hölle in mir, und das Gift
ist der Teufel, der darinn eingesperrt ist, mein ohne Hoffnung
verdammtes Blut zu peinigen.
Zehnte Scene.
(Faulconbridge zu den Vorigen.)
Faulconbridge.
Oh! ich bin athemlos und ganz abgebrüht, vor äusserster
Eilfertigkeit Eu. Majestät zu sehen.
König Johann.
Vetter, du kommst eben recht, mir die Augen zuzudrüken; das
Takelwerk meines Herzens ist zerrissen und verbrannt, und alle die
Thaue, womit mein Leben segeln sollte, sind bis auf einen einzigen
Faden, ein armes kleines Haar abgenuzt; mein Herz hängt nur noch an
einem einzigen schwachen Zwirn, der nur so lange halten wird, bis
du deine Zeitungen gesagt hast; und dann ist alles was du siehst,
nur ein Kloz und Model von zerstörter Majestät.
Faulconbridge.
Der Dauphin rüstet sich, hieher vorzudringen, und der Himmel weiß,
wie wir ihm begegnen sollen; denn ich habe in einer Nacht, da ich
mich mit Vortheil zurükziehen wollte, meine besten Truppen in den
Morästen von Lincoln verlohren, alle, ohne Rettung, von der
unerwarteten Fluth verschlungen.
(Der König stirbt.)
Salisbury.
Ihr athmet diese tödtlichen Zeitungen in ein todtes Ohr--Mein
Gebieter, mein König--doch--kaum ein König, izt diß.
Heinrich.
Eben so muß ich nun lauffen, und eben so stille stehn. Was für
Sicherheit, was für Hoffnung, kan uns diese Welt geben, wenn das,
was eben izt ein König war, so bald ein Erdkloß ist.
Faulconbridge.
Bist du dahin? O! ich bleibe nur zurük, das Amt der Rache statt
deiner zu vollziehen; und dann soll meine Seele dir im Himmel
aufwarten, wie sie dir auf Erden immer gedient hat--