This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
Leben und Tod des Königs Johann.
William Shakespeare
Übersetzt von Christoph Martin Wieland
Personen.
König Johann von England.
Prinz Heinrich, sein Sohn und Nachfolger.
Arthur, Herzog von Bretagne, Neffe des Königs.
Hubert, Vertrauter des Königs.
Pembrok, Essex, Salisbury und Bigot, Englische Lords.
Faulconbridge, nachmals Sir Richard Plantagenet, unehlicher Sohn
König Richards des Ersten.
Robert Faulconbridge, vermeynter Bruder des Bastards.
Jacob Gurney, Diener der Lady Faulconbridge.
Peter von Pomfret, ein Prophet.
Philipp, König von Frankreich.
Ludwig, der Dauphin.
Der Herzog von Östreich.
Cardinal Pandolpho, des Pabsts Legat.
Melun, ein Französischer vom Adel.
Chatilion, Französischer Gesandter bey König Johann.
Elinor, Königin-Mutter von England.
Constantia, Arthurs Mutter.
Blanca, Tochter Königs Alphonso von Castilien, und Nichte des
Königs Johann.
Lady Faulconbridge, Mutter des Bastard und des Robert Faulconbridge.
Bürger von Angiers, Herolde, Nachrichter, Boten, Soldaten und andre
stumme Personen.
Der Schauplaz, zuweilen in England, zuweilen in Frankreich.
Erster Aufzug.
Erste Scene.
(Der Engländische Hof.)
(König Johann, die Königin Elinor, Pembroke, Essex und Salisbüry
mit Chatilion treten auf.)
König Johann.
Wohlan, saget Chatilion, was will Frankreich von uns?
Chatilion.
So spricht, nächst seinem Gruß der König von Frankreich, durch mich,
mit der Majestät, der geborgten Majestät von England hier--
Elinor.
Ein ausserordentlicher Eingang; geborgte Majestät!
König Johann.
Seyd ruhig, meine werthe Mutter; hört die Gesandtschaft.
Chatilion.
Philipp von Frankreich nimmt im Namen und in Kraft des Rechts von
deines verstorbnen Bruders* Gottfried Sohn, Arthur's Plantagenet,
rechtmäßigen Anspruch an diese schöne Insel, an Irrland, Poitiers,
Anjou, Touraine und Maine, und begehrt von dir, daß du das Schwerdt
niederlegest, das einer unrechtmäßigen Herrschaft über diese
verschiednen Titel sich anmasset, und solches dem jungen Arthur
einhändigest, deinem Neffen und rechtmäßigen souverainen König.
{ed.-* (Geoffroi Plantagenette), Sohn des Grafen von Anjou, bekam
durch seine Vermählung mit König Heinrich des 1sten von England
einziger Tochter und erklärten Erbin, Matthilde, ein Recht an die
Crone von England, wozu sein ältester Sohn nachmals unter dem Namen
Heinrichs des 2ten würklich gelangte. Heinrich der 2te vereinigte
also mit der Crone von England Anjou, Poitou, Touraine und Maine,
und durch seine Vermählung mit Eleonor, Erbin von Aquitanien, (die
von ihrem ersten Gemahl (Louis le Jeune) von Frankreich, wegen
Untreue verstossen worden,) auch das Herzogthum Aquitanien. Seinen
ältesten Sohn Gottfried (von welchem hier die Rede ist), vermählte
er mit Constantia, Tochter und Erbin von Conan Grafen von Bretagne;
die Crone hingegen kam nach Heinrichs Tod an seinen jüngern Sohn
Richard (Coeur de Lion.) Nach dessen Abgang bemeisterte sich
(Johannes sine Terra), dessen Geschichte dieses Stük enthält, zum
Nachtheil Arthurs, des hinterlaßnen Erben seines ältern Bruders
Gottfrieds von Bretagne, der Crone, und der von Heinrich dem 2ten
derselben einverleibten Französischen Besizungen; und der darüber
zwischen ihm und dem König (Philippe Auguste) entstandne Krieg
macht den Anfang dieses Trauerspiels.}
König Johann.
Und was folget, wenn wir uns dessen weigern?
Chatilion.
Der stolze Widerspruch eines blutigen Kriegs, dir mit Gewalt die
Rechte abzudrängen, die du gewaltthätiger Weise vorenthältst.
König Johann.
Hier haben wir Krieg um Krieg, Blut um Blut und Wiederspruch um
Wiederspruch; antwortet das dem König von Frankreich.
Chatilion.
So nimm dann die Kriegs-Erklärung meines Königs aus meinem Munde,
den lezten Auftrag meiner Gesandtschaft.
König Johann.
Bring ihm die meinige zurük, und so scheid' im Frieden; denn eh du
berichtet haben kanst, daß ich kommen werde, soll Frankreich den
Donner meiner Canonen hören.** Hinweg dann; sey du die Trompete
unsers Zorns, und das plözliche Vorzeichen euers Untergangs.
Pembrok, sorget dafür, daß er mit einem anständigen Geleit aus
unserm Reich entlassen werde; lebe wohl, Chatilion.
{ed.-** Zu Anfang des dreizehnten Seculi nemlich.}
(Chatilion und Pembroke gehen ab.)
Elinor.
Wie nun, mein Sohn? Sagt' ich nicht immer, diese ehrgeizige
Constantia werde nicht ruhen, bis sie Frankreich und alle Welt für
die Ansprüche ihres Sohns in Flammen gesezt habe? Allem diesem
hätte man zuvorkommen und in der Güte beylegen können, was nun der
blutige und gefahrvolle Kampf zweyer Königreiche entscheiden soll.
König Johann.
Unser völliger Besiz, und unser Recht--
Elinor.
Wenn unser Besiz nicht kräftiger ist als unser Recht, so muß es uns
beyden übel gehen; laßt euch mein Gewissen das ins Ohr sagen, da es
niemand hört als der Himmel, ihr und ich.
Essex.
Gnädigster Herr, es ist hier eine Streitsache, die aus der Provinz
zu Eurer Majestät Entscheidung gebracht wird, die seltsamste, die
ich jemals gehört. Soll ich die Partheyen hereinführen?
König Johann.
Laßt sie herein kommen--Unsre Abteyen und Prioreyen sollen die
Unkosten dieses Kriegs bezahlen--Wer seyd ihr?
Zweyte Scene.
(Robert Faulconbridge und Philipp, sein Bruder, der Bastard,
treten auf.)
Philipp.
Euer Majestät getreuer Unterthan, ein Edelmann in Northamptonshire
gebohren, und wie ich behaupte, der älteste Sohn von Robert
Faulconbridge, einem Kriegsmann, den die ehrenvolle Hand des Königs
Richard (Coeur-de-Lion) im Felde zum Ritter geschlagen.
König Johann (zu Robert.)
Wer bist du?
Robert.
Der Sohn und Erbe von diesem nemlichen Faulconbridge.
König Johann.
Ist dieser der Ältere, und du bist der Erbe? Ihr seyd also nicht
von einer Mutter, scheint es?
Philipp.
Wir sind ganz gewiß von einer Mutter, mächtiger König, das ist
jedermann bekannt, und, wie ich glaube, auch von einem Vater; doch
wegen der Gewißheit dieses leztern Puncts muß ich Euer Majestät an
den Himmel und meine Mutter anweisen; denn davon bin ich nicht
gewisser als alle andre Menschen-Kinder.
Elinor.
Hinweg mit dir, du ungesitteter Mensch! Schämst du dich nicht,
deiner Mutter Ehre durch diesen Zweifel zu verwunden?
Philipp.
Auch thue ich es nicht, Gnädigste Frau; ich habe keine Ursache dazu,
das ist meines Bruders Sache, das geht mich nichts an; wenn er so
was beweisen kan, so bringt er mich wenigstens um schöne
fünfhundert Pfund des Jahrs; der Himmel schüze meiner Mutter Ehre
und mein Erbgut!
König Johann.
Ein guter runder Geselle; aber warum macht er denn einen Anspruch
an dein Erbgut, wenn er der jüngere Bruder ist?
Philipp.
Ich weiß nicht warum, ausser daß er gerne meine Güter hätte; es ist
wahr, er warf mir einmal vor, daß ich unehlich gezeugt sey, allein
das ist eine Sache, die ich lediglich meiner Mutter überlasse; ich
kan nicht wissen, ob ich ehlich oder unehlich gezeugt bin; aber das
weiß ich, daß ich eben so wohl gemacht bin als er. (Sanft mögen
die Gebeine ruhen, die diese Mühe für mich genommen haben!)
Vergleichet unsre Gesichter, gnädigster Herr, und thut den
Ausspruch. Wenn der alte Sir Robert uns beyde gemacht hat, und
dieser Sohn ihm ähnlich sieht; o alter Sir Robert, so dank ich dem
Himmel auf meinen Knien, daß ich dir nicht ähnlich sehe.
König Johann.
Ha, was für einen Pikelhäring hat uns der Himmel hier zugeschikt?
Elinor.
Er hat einen Zug von (Coeur de Lion's) Gesicht, und einen ähnlichen
Ton der Stimme; findet ihr nicht einige Ähnlichkeiten mit meinem
Sohn, in der stämmichten Gestalt dieses jungen Menschen?
König Johann.
Ich betrachte ihn schon lange deßwegen, und find' ihn durchaus
Richard;
(zu Robert.)
Nun, Geselle, sage dann, was bewegt dich einen Anspruch an deines
Bruders Güter zu machen?
Philipp.
Weil er ein halbes Gesicht hat, wie mein Vater; um dieses halben
Gesichts willen möcht er gerne mein ganzes Erbgut haben; ein
groschenmäßiges Halb-Gesicht, fünfhundert Pfund des Jahrs!
Robert.
Mein gnädigster Souverain, wie mein Vater noch lebte, brauchte der
König, euer Bruder, meinen Vater viel--
Philipp.
Gut, Herr, das kan euch nichts von meinen Gütern geben; ihr müßt
sagen, wie er meine Mutter brauchte.
Robert.
--und verschikte ihn einst in einer Gesandtschaft nach Deutschland,
wo er über wichtige Angelegenheiten der damaligen Zeit mit dem
Kayser Unterhandlung pflegen sollte; der König machte sich indessen
seine Abwesenheit zu Nuze, und hielt sich die ganze Zeit über in
meines Vaters Haus auf; wie er's da so weit gebracht, daß er--ich
schäme mich es zu sagen; allein Wahrheit ist Wahrheit; Kurz, es
lagen Meere und Länder zwischen meinem Vater und meiner Mutter, wie
dieser junge Herr hier gezeugt wurde; das hab' ich aus meines
Vaters eignem Munde. Auf seinem Todbette vermachte er seine Güter
durch ein Testament mir, und blieb bis in seinen Tod dabey, daß
dieser, meiner Mutter Sohn, nicht der seinige sey; und wenn er's
auch wäre, so kam er volle vierzehn Wochen vor der gesezmäßigen
Zeit in die Welt: Ich bitte also Euer Majestät mir zuzusprechen,
was mein ist, meines Vaters Güter, nach meines Vaters leztem Willen.
König Johann.
Mein guter Kerl, euer Bruder ist in der Ehe gebohren; euers Vaters
Weib brachte ihn während ihrem Ehestand; wenn sie untreu war, so
ist es ihr Fehler, und ein Zufall dem alle Männer ausgesezt sind,
welche Weiber nehmen. Sag mir einmal, wie, wenn mein Bruder, der
deinem Vorgeben nach, die Mühe nahm diesen Sohn zu zeugen, ihn
deinem Vater als seinen Sohn abgefodert hätte? Hätte nicht dein
Vater ein Kalb, das ihm seine Kuh gebracht, gegen die Ansprüche der
ganzen Welt behaupten können? Wahrhaftig, guter Freund, das hätt'
er können; gesezt also auch, er wäre meines Bruders Sohn, so hätte
doch mein Bruder keinen Anspruch an ihn machen, noch hätt' ihn euer
Vater deßwegen, weil er nicht sein sey, verläugnen können; aus
allem diesem folgt also, daß meiner Mutter Sohn euers Vaters Erben
zeugte, und daß euers Vaters Erbe euers Vaters Güter haben muß.
Robert.
Soll denn meines Vaters lezter Wille keine Kraft haben, ein Kind zu
enterben, das nicht sein ist?
Philipp.
Von keiner grössern Kraft mich zu enterben, Herr, als, denk ich,
sein Wille mich zu zeugen war.
Elinor.
Was wolltest du lieber seyn, ein Faulconbridge, wie dieser hier, um
deine Güter zu haben; oder ein natürlicher Sohn von (Coeur de Lion),
ein Prinz vom Geblüte, und keine Güter dazu?
Philipp.
Gnädigste Frau, und wenn mein Bruder meine Gestalt hätte, und ich
hätte die seinige, Sir Roberts seine, wie er; und wenn meine Beine
zwo solche Spindeln wären, meine Arme solch Aalhautiges Zeug, und
mein Gesicht so dünne, daß ich keine Rose* in mein Ohr steken
könnte, ohne daß die Leute sagten: Seht, da geht Drey-Viertels-
Pfennig--Und wenn gleich diese Gestalt Erbe von allen seinen Gütern
wäre, so will ich nimmer von diesem Plaz kommen, wenn ich sie nicht
von Fuß auf hingeben wollte, um dieses Gesicht zu haben; ich wollt'
um alles in der Welt nicht Sir Nobb seyn.
{ed.-* Um diese Anspielung zu verstehen muß man wissen, daß die
Königin Elisabeth unter allen Beherrschern von England die erste
und lezte war, die Drey-Halb-Pfenninge, und Drey-Viertels-Pfenninge
schlagen ließ, auf denen sich ihr Bildniß bald mit bald ohne die
Rose, befand. Theobald.}
Elinor.
Du gefällst mir; willt du dein Erbtheil vergessen, ihm deine Güter
überlassen und mir folgen? Ich bin ein Soldat, und im Begriff
wider Frankreich Dienste zu thun.
Philipp.
Bruder, nimm du meine Güter, und laß mir mein Gesicht, das deinig'
hat dir fünfhundert Pfund jährlich erworben; aber wenn du es für
fünf Pfenning verkauffen kanst, so glaube du habest wohl gelößt.
Gnädigste Frau, ich bin bereit, euch bis in den Tod zu folgen.
Elinor.
Was das betrift, so will ich lieber daß ihr mir voran geht.
Philipp.
In unsrer Provinz erfordert die Höflichkeit, daß man die Vornehmern
zuerst gehen lasse.
König Johann.
Wie nennst du dich?
Philipp.
Philipp, Gnädigster Souverain, so ward ich genennt; Philipp, des
guten alten Sir Roberts seiner Frauen ältester Sohn.
König Johann.
Von nun trage den Namen von dem, dessen Gestalt du trägst; knie
nieder, Philipp, um grösser aufzustehen.
(Er schlägt ihn zum Ritter.)
Steh als Sir Richard Plantagenet auf.
Philipp.
Bruder von mütterlicher Seite, gebt mir eure Hand; mein Vater gab
mir Ehre, der eure giebt euch Land. Nun, gesegnet sey die Stunde,
es mag Nacht oder Tag gewesen seyn, da ich gezeugt und Sir Robert
abwesend war.
Elinor.
Der echte Geist der Plantagenet's. Ich bin deine Großmutter,
Richard, nenne mich so.
Philipp.
Durch einen Zufall, Gnädigste Frau, nicht in der Ordnung; doch was
thut das? Ob man zum Fenster hinein kommt oder zur Thüre, wenn man
nur drinn ist; näher oder weiter vom Ziel, wohl getroffen ist wohl
geschossen, und ich bin ich, ich mag gezeugt seyn wie ich will.
König Johann.
Geh, Faulconbridge, du hast nun was du wünschtest; ein güterloser
Ritter macht dich zu einem begüterten Junker. Kommt, Madam; komm,
Richard, wir müssen nach Frankreich eilen, nach Frankreich, es ist
höchste Zeit.
Philipp.
Bruder, leb wohl; ich wünsche dir viel Glüks, denn du bist mit
Erlaubniß der Geseze auf die Welt gekommen.
(Alle gehen ab, bis auf Philipp.)
Dritte Scene.
Philipp.
Meine Ehre steht nun auf einem bessern Fuß als zuvor, aber mein
Vermögen hat sich um manchen Fuß Landes verschlimmert. Sey es dann;
izt kan ich doch ein jedes Gretchen zu einer Lady machen--"Guten
Tag, Sir Richard"--Grossen Dank, Camerad--und wenn er Görge heißt,
kan ich ihn Peter nennen; denn neugebakner Adel vergißt der Leute
Nahmen; man würde zuviel vergeben, wenn man noch auf solche
Kleinigkeiten acht haben wollte, und solche Leute sind nicht fein
genug für eure Gesellschaft. Izt ist der gereißte Mann* meiner
Gnaden Tisch-Genosse, er und sein Zahnstocher; und wenn mein
ritterlicher Magen angefüllt ist, nun dann saug' ich an meinen
Zähnen, und catechisire meinen Spizbart aus fremden Ländern--
(Mein werther Herr), (so fang ich auf meinen Ellenbogen gestüzt an,)
(darf ich euch bitten)--das ist nun die Frage; und dann kommt
gleich die Antwort wie ein ABC-Buch: (O mein Herr,) sagt die Antwort,
(ich bin gänzlich zu euerm Befehl, zu euern Diensten, ganz der
Eurige, mein Herr--Nein, mein Herr,)sagt die Frage, (ich, mein
werthester Herr, bin der Eurige;)und so, eh die Antwort recht
gehört hat was die Frage will, wartet sie euch schon mit einem
Dialogus von Complimenten auf, spricht dann von Alpen und Apenninen,
von den Pyrenäen und dem Flusse Po, und weiß das Gespräch so lange
hinaus zu ziehen, bis es vom Abend-Essen abgebrochen wird. Das ist
polite Gesellschaft, die sich für einen emporstrebenden Geist, wie
der meinige, schikt! Denn der ist nur ein Bastard der Zeit, der
die Kunst nicht versteht sich beliebt zu machen, und nicht nur in
seiner äusserlichen Gestalt, in seinem Aufzug und in seinen
Manieren, dem Geschmak seiner Zeit schmeichelt; sondern auch aus
einer innerlichen Quelle den süssen, süssen, süssen Gift, der den
Gaumen der Leute so reizend küzelt, von sich zu geben weiß. Eine
Kunst, die ich zwar nicht ausüben will, um andre zu betrügen, aber
die ich zu lernen gedenke, damit ich von andern nicht betrogen
werde. Sie soll die Stuffen meiner Erhöhung mit Blumen bestreuen.
Aber wer kommt hier so eilfertig, in Reit-Kleidern? Was für ein
weiblicher Courier ist diß? Hat sie keinen Mann, der die Müh
nehmen mag, ein Horn vor ihr her zu blasen? Himmel, es ist meine
Mutter! Nun, meine werthe Lady, was bringt euch so eilfertig nach
Hofe?
{ed.-* Es ist bekannt, daß damals alle Welt auf Abentheuer
ausgieng, und gereißte Leute in größtem Ansehn stuhnden, und, wie
bey unsern Nachbarn die (Beaux-Esprits), das Recht hatten, sich bey
grossen Herren zu Gaste zu laden.}
Vierte Scene.
(Lady Faulconbridge, und Jacob Gurney treten auf.)
Lady.
Wo ist der Sclave, dein Bruder; wo ist er, der sich erfrecht meine
Ehre öffentlich anzutasten?
Philipp.
Mein Bruder Robert, des alten Sir Roberts Sohn, Colbrand, der Riese,
der nemliche gewaltige Mann; ist es Sir Robert's Sohn, den ihr
sucht?
Lady.
Sir Roberts Sohn? Ja, du unehrerbietiger Junge, Sir Roberts Sohn;
warum spottest du über Sir Roberten?
Philipp.
Jacob Gurney, willt du so gut seyn, und uns ein wenig allein lassen?
Gurney.
Von Herzen gerne, mein lieber Philipp.
Philipp.
Philipp!--Verschone mich, Jacob; es sind kurzweilige Dinge heraus
gekommen; hernach ein mehrers davon.
(Jacob geht ab.)
Gnädige Frau, ich war nie des alten Sir Roberts Sohn; Sir Robert
hätte seinen Theil an mir an einem Charfreytag essen können, ohne
daß er seine Fasten gebrochen hätte. Sir Robert war ein ganz
wakrer Mann; aber, meiner Treu, bekennt die Wahrheit! Hätt' er
mich machen können? Das konnte Sir Robert nicht; wir kennen seine
Arbeit. Sagt mir also, liebe Mutter, wem bin ich für diese Figur
verpflichtet? Sir Robert konnte nimmermehr so ein Bein machen
helfen?
Lady.
Hast du dich auch mit deinem Bruder wider mich verschworen? Du,
der um deines eignen Vortheils willen meine Ehre vertheidigen
sollte? Was soll dieses Gespötte bedeuten, du höchst unbesonnener
Bube?
Philipp.
Ritter, Ritter, liebe Mutter--und Basilisco* ähnlich. Wie? ich
bin zum Ritter geschlagen; ich hab es auf meiner Schulter. Aber
Mutter, ich bin nicht Sir Roberts Sohn; ich hab auf Sir Robert und
meine Güter Verzicht gethan; ehliche Geburt, Name, alles ist hin;
laß mich also, liebe Mutter, laß mich meinen Vater kennen; irgend
ein wakrer Mann, hoff ich; wer war es, Mutter?
{ed.-* Eine Anspielung auf den Beynamen (Coeur de Lion), den König
Richard führte. (Cor Leonis), ein Fixstern von der ersten Grösse
im Löwen, wird auch Basilisco genennt. Warbürton.}
Lady.
Hast du dem Namen Faulconbridge entsagt?
Philipp.
So herzlich, als ich dem Teufel entsage.
Lady.
König Richard, (Coeur de Lion), war dein Vater; durch langwieriges
und heftiges Zusezen ward ich endlich verführt, in meines Ehmanns
Bette Plaz für ihn zu machen. Der Himmel vergebe mir meine
Übertretung! Aber du bist die Frucht meiner schweren Sünde, zu
der ich so stark gereizt wurde, daß ich nicht länger wiederstehen
konnte.
Philipp.
Nun, bey diesem Tageslicht, wenn ich wieder gezeugt werden sollte,
Madame, wollt' ich mir keinen bessern Vater wünschen. Einige
Sünden tragen ihre Lossprechung auf Erden mit sich; Euer Fehler
entsprang nicht aus eurer Thorheit; ihr mußtet nothgedrungen euer
Herz als einen Tribut für gebietende Liebe, demjenigen ausliefern,
gegen dessen Wuth und unbezwingbare Stärke der unerschrokne Löwe
selbst keinen Kampf wagen durfte, noch sein königliches Herz vor
Richards Hand schüzen konnte. Wer einem Löwen mit Gewalt das Herz
aus dem Leibe reissen kan, mag leicht ein weibliches Herz gewinnen.
Ja, meine Mutter, von ganzem Herzen dank ich dir für meinen Vater.
Wenn jemand lebt, der sich erfrecht zu sagen, daß du nicht recht
thatest, wie ich gezeugt ward, dessen Seele will ich zur Hölle
schiken. Komm, Lady, ich will dich meinen Anverwandten vorstellen,
und sie sollen sagen, wie Richard mich zeugte, wär es Sünde gewesen
wenn du Nein gesagt hättest.
(Sie gehen ab.)
Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
(Vor den Mauern der Stadt Angiers.)
(Philipp-August, König von Frankreich, Ludwig der Dauphin, der
Herzog von Östreich, Constantia und Arthur.)
Ludwig.
Willkommen vor Angiers, dapfrer Herzog!--Arthur, dein grosser Oheim,
Richard, der den Löwen seines Herzens beraubte, und die heiligen
Kriege in Palästina ausfocht, kam durch diesen dapfern Herzog vor
der Zeit ins Grab. Nun ist er, um seiner Nachkommenschaft
Erstattung deßhalb zu thun, auf unsre Einladung gekommen, seine
Fahnen für deine Sache auszuspreiten, und deinen unnatürlichen
Oheim, Johann von England, aus dem ungerechten Besiz deiner
Erbländer vertreiben zu helfen. Umarm' ihn, Prinz, lieb' ihn, und
heiß' ihn willkommen.
Arthur.
Gott wird euch (Coeur de Lion's) Tod desto eher verzeihen, da ihr
seinem Neffen das Leben gebet, und sein verfolgtes Recht mit den
Flügeln eurer Kriegs-Macht umschattet. Mit einer unmächtigen Hand
heiß' ich euch willkommen, aber mit einem Herzen voll
unverfälschter Liebe; willkommen, Herzog, vor den Mauern von
Angiers.
Ludwig.
Ein edler Junge! Wer wollte dir nicht zu deinem Recht helfen?
Östreich.
Diesen zärtlichen Kuß leg' ich auf deine Wange, als das Siegel
meines feyrlichen Versprechens, daß ich nicht eher in meine Heimath
zurük kehren will, bis Angiers und die gerechten Ansprüche die du
in Frankreich hast, zugleich mit dieser blassen weiß-ufrichten
Insel, deren Fuß die heulenden Wellen des Oceans zurük stößt, und
ihre Einwohner von andern Ländern abschneidet, bis dieses von der
See umzäunte England, dieses von Wasser gemauerte Bollwerk, dessen
stolze Sicherheit allen auswärtigen Anfällen Troz bietet, bis
dieser äusserste Winkel von Westen selbst dich als seinen König
grüssen wird; bis zu diesem Augenblik, schöner Knabe, will ich
nicht an meine Heimath denken, sondern den Waffen folgen.
Constantia.
O nehmet seiner Mutter Dank an, Dank einer armen Wittwe, bis euer
starker Arm ihm zu der Macht helfen wird, eure Freundschaft besser
erwiedern zu können.
Östreich.
Der Friede des Himmels ruhet auf denjenigen, die ihre Schwerdter in
einem so gerechten und wohlthätigen Krieg entblössen.
König Philipp.
Wohlan dann, an die Arbeit; unsre Maschinen sollen gegen die Stirne
dieser widerspenstigen Stadt gerichtet werden; ruffet unsern Kriegs-
Obersten, um den Plan zum vortheilhaftesten Angriff zu machen.
Entweder wollen wir unsre königlichen Gebeine vor diesen Mauern
niederlegen, oder wenn wir gleich in französischem Blut auf den
Markt-Plaz watten müßten, Angiers diesem jungen Prinzen unterwürfig
machen.
Constantia.
Wartet noch auf die Antwort, die euer Abgesandter bringen wird; ihr
könntet sonst eure Schwerdter zu voreilig mit Blute besudeln.
Vielleicht bringt Milord Chatilion aus England eine friedliche
Abtretung dieses Rechts, welches ihr durch Krieg erzwingen wollet;
und wenn dieses geschähe, würden wir einen jeden Tropfen Bluts
bereuen, den eine zu rasche Hize so unzeitig vergossen hätte.
(Chatilion zu den Vorigen.)
König Philipp.
Ein Wunder, Madam! Seht, auf euern Wunsch ist unser Gesandter,
Chatilion, angelangt; meld uns in Kürze, werther Lord, was England
uns zur Antwort giebt; wir warten hier müßig auf dich. Rede,
Chatilion.
Chatilion.
So wendet also eure Macht von dieser armseligen Belagerung, und
spornet sie zu einem wichtigern Geschäft auf. England, voll
Unwillens über unsre gerechte Forderungen, hat sich in Waffen
gestellt; die widrigen Winde, die meine Rükreise verzögerten, haben
ihm Zeit gegeben, alle seine Legionen zugleich mit mir ans Land zu
sezen. Er rükt mit eilfertigen Märschen gegen diese Stadt an;
seine Stärke ist groß, und seine Krieger voller Muth. Mit ihm
kommt die Königin-Mutter, eine Ate, die ihn zu Zwietracht und
Blutvergiessen anhezt; mit ihr, ihre Nichte, die Infantin Blanca
von Spanien; mit ihnen ein natürlicher Sohn des abgelebten Königs,
und mit ihm alle unbändigen Köpfe des Landes. Rasche, feurige,
tollkühne Freywillige, mit Frauenzimmer-Gesichtchen und Drachen-
Herzen, haben ihre angestammten Güter verkauft, und tragen ihr
Erbtheil zuversichtlich auf dem Rüken, um hier ein neues Glük zu
suchen. Kurz, eine auserlesnere Schaar unerschrokner Geister, als
der englische Boden diesesmal übergewälzt hat, schwamm niemals über
die schwellende Fluth, um Unheil und Verwüstung in der Christenheit
anzurichten. Das zürnende Getöse ihrer Trummeln unterbricht eine
umständliche Nachricht; sie sind im Anzug. Bereitet euch also zu
einer Unterhandlung oder zum Gefecht.
(Man hört Trummeln.)
König Philipp.
Wie schlecht sind wir auf eine solche Expedition versehen!
Östreich.
Je unerwarteter sie ist, desto eifriger müssen wir uns zur
Gegenwehr stellen; Unser Muth soll mit der Gefahr steigen. Laßt
sie denn willkommen seyn, wir sind gerüstet.
Zweyte Scene.
(Der König von England, Faulconbridge, Elinor, Blanca, Pembroke
und andre zu den Vorigen.)
König Johann.
Friede sey mit Frankreich, wenn Frankreich im Frieden unsern
rechtmäßigen Einzug in unsre Stadt gestattet; wo nicht, so blute
Frankreich, und der Friede schwinge sich gen Himmel, indeß daß wir,
Gottes grimmvoller Sachwalter, den stolzen Übermuth züchtigen, der
seinen Frieden in den Himmel zurük treibt.
König Philipp.
Friede sey mit England, wenn dieser Krieg aus Frankreich nach
England zurükkehrt, um dort im Frieden zu leben. Wir lieben
England, und nur um Englands willen, schwizen wir hier unter der
Last der Waffenrüstung. Diese unsre Arbeit sollte dein
freywilliges Werk seyn. Aber du bist so weit entfernt, England zu
lieben, daß du seinen rechtmäßigen König unterdrükt, die Erbfolge
aufgehoben, die Kindheit des gesezmäßigen Erben mißbraucht, und an
der jungfräulichen Ehre der Crone Gewalt verübt hast. Schaue hier
auf deines Bruders Gottfrieds Gesicht! Diese Augen, diese Stirne,
sind nach den seinigen abgedrukt; in diesem kleinen Inbegriff ist
die vollständige Form enthalten, die in Gottfried verstarb, und die
Hand der Zeit wird diese verjüngte Gestalt in einen eben so grossen
Format ausdehnen. Dieser Gottfried war von Geburt dein ältrer
Bruder, und dieser hier ist sein Sohn. England war Gottfrieds
Recht, und dieser hat es von Gottfried ererbt; wie kommt es dann,
um Gottes willen! daß du ein König genennt wirst, so lange
lebendiges Blut in diesen Schläfen schlägt, die einen Anspruch an
die Crone haben, welche du zur Ungebühr trägst?
König Johann.
Von wem hast du diesen grossen Auftrag, Frankreich, mich zur
Antwort auf deine Fragstüke zu ziehen?
König Philipp.
Von diesem obersten Richter, der in königlichen Seelen den edlen
Gedanken erwekt, gewaltthätigen und ungerechten Thaten nachzufragen.
Dieser Richter hat mich zum Beschüzer dieses Knabens gemacht;
unter seinem Schuze klag' ich deine Ungerechtigkeit an, und mit
seinem Beystand hoff' ich sie zu bestraffen.
König Johann.
Du massest dich eines Ansehens an, das dir nicht zukommt.
König Philipp.
Entschuldige es; es geschieht, um ungerechte Anmassung
niederzuschlagen.
Elinor.
Wer ist der, den du einer unrechtmäßigen Anmassung beschuldigest?
Constantia.
Laßt mich die Antwort geben: Der anmaßliche König, dein Sohn.
Elinor.
Hinweg, Unverschämte; dein Bastard soll König seyn, damit du eine
Königin seyn, und die ganze Welt hofmeistern könnest!
Constantia.
Mein Bette war deinem Sohn immer so getreu, als das deinige deinem
Gemahl; und dieser Knabe sieht seinem Vater Gottfried gleicher als
Johann dir, ob ihr gleich an Sitten einander so gleich seyd als der
Regen dem Wasser, und der Teufel seiner Mutter. Mein Sohn ein
Bastard! Bey meiner Seele, ich glaube nimmermehr, daß sein Vater
so ächt war als er ist; es kann nicht seyn, wenn gleich du seine
Mutter wärest.
Elinor.
Das ist eine feine Mutter, Junge, die deinen Vater beschimpft.
Constantia.
Das ist eine feine Großmutter, Junge, die dich beschimpfen will.
Östreich.
Stille!
Faulconbridge.
Horcht dem Ausruffer.
Östreich.
Wer Teufel bist du?
Faulconbridge.
Einer der den Teufel mit euch spielen will, Herr, sobald er euch
und euern Überzug* allein zu paken kriegen kan. Ihr seyd der Hase
im Sprüchwort, der todte Löwen beym Bart zupft; ich will euch das
Fell einschmauchen, wenn ich euch kriege; nehmt euch in acht; in
der That, ich will, in der That.
{ed.-* Um diese und verschiedne andre in einer der folgenden Scenen
vorkommenden Spöttereyen und Grobheiten, die Faulconbridge dem
Herzog von Östreich sagt, zu verstehen, muß man wissen, daß dieser
Herzog mit einer Löwenhaut umhüllt auf der Bühne erscheinen muß.
König Richard hatte, wie man sagt, während seinem berühmten
Kreuzzug, worinn er seine persönliche Herzhaftigkeit und Stärke
durch eine Menge ritterlicher Thaten bewies, auch einen
ausserordentlich grossen Löwen bezwungen, und die Haut desselben,
zum Zeichen dieses Siegs, nachher allezeit getragen oder bey sich
geführt. Dieser Haut bemächtigte sich der Herzog von Östreich,
nachdem er, wie bekannt ist, den König Richard, durch Hinterlist
und Betrug in seine Gewalt bekommen; und soll, aus einer allerdings
lächerlichen Pralerey, selbige, als eine Beute, die er einem so
grossen Helden wie Richard abgenommen, nach dessen Tod allezeit
getragen haben.}
Blanca.
O wie wohl stuhnd dem dieser Löwen-Rok an, der dem Löwen diesen Rok
abzog!
Faulconbridge.
Er ligt so stattlich auf seinem Rüken, als des grossen Alcides
Löwenhaut auf dem Rüken eines Esels; aber, Esel, ich will euch
diese Last von euerm Rüken abnehmen, oder euch noch eine auflegen,
davon euch die Schultern krachen sollen.
Herzog.
Was für ein Schwärmer ist das, der unsre Ohren mit einem solchen
Übermaaß von vergeblichem Athem betäubt? König Philipp,
entschliesset euch ohne längeres Zaudern, was wir thun wollen.
König Philipp.
Weiber und Narren, brecht eure Conferenz ab. König Johann, hier
ist mein Vortrag in wenig Worten: England, Irrland, Anjou, Touraine
und Maine fordre ich im Namen des jungen Arthurs von dir; willt du
sie abtreten, und die Waffen niederlegen?
König Johann.
Eher mein Leben--Ich biete dir Troz deßhalb, Frankreich. Arthur
von Bretagne, begieb dich in meinen Schuz, und ich will dir aus
Liebe mehr geben, als der feige Arm von Frankreich jemals für dich
gewinnen kan. Ergieb dich, Junge.
Elinor.
Komm zu deiner Groß-Mama, Kind.
Constantia (indem sie eine kindische Art zu reden affectirt.)
Thu's, Kind, geh zu Groß-Mama, Kind. Gieb Groß-Mama Königreich,
und Groß-Mama giebt dem Kind ein Zukerchen, eine Kirsche, eine
Feige; es ist eine gute Groß-Mama.
Arthur.
Meine liebe Mutter, gebt euch zufrieden. Ich wollt', ich läge tief
in meinem Grab; ich bin nicht werth, daß man soviel Lerms
meinetwegen mache.
Elinor.
Seine Mutter beschämt ihn so, der arme Junge, er weint.
Constantia.
Das Unrecht, das ihm seine Großmutter zufügt, nicht die Schande die
ihm seine Mutter macht, zieht diese den Himmel rührenden Perlen aus
seinen armen Augen, die der Himmel als ein Schuzgeld annehmen wird;
ja mit diesen Thränen wird sich der Himmel gewinnen lassen, sich
seines Rechts anzunehmen, und euch zur Straffe zu ziehen.
Elinor.
Ungeheuer, scheuest du dich nicht, Himmel und Erde zu lästern?
Constantia.
Ungeheuer, scheust du dich nicht, Himmel und Erde zu beleidigen?
Wie kanst du mich anklagen, daß ich lästre? Du und die deinigen
usurpiren die Länder, Regalien und Gerechtsame dieses unterdrukten
Waysen; es ist der Sohn deines ältesten Sohns, und in nichts
unglüklich als darinn, daß er von dir abstammt. Deine Sünden
werden an diesem armen Kinde heimgesucht; der Ausspruch des Gesezes
ligt auf ihm, da er nur im dritten Glied von deinem
Sündempfangenden Leib entfernt ist.
König Johann.
Tollhäuslerin, hört auf!
Constantia.
Ich habe nur das noch zu sagen, daß er nicht nur um ihrer Sünde
willen gestraft wird, sondern Gott hat ihre Sünde und sie zur
Strafe dieses entfernten Abkömmlings gemacht, der um ihrentwillen
gestraft wird, und mit ihrer Strafe ihre Sünde; sein Unrecht, ihr
Unrecht, der Büttel ihrer Sünde, alles in der Person dieses Kindes
gestraft, und alles um ihrentwillen; daß sie die Pest!**
{ed.-** Dieses Ungeheuer von einer aller Sprach- und Vernunftlehre
trozbietenden Rede, hat man, da ihr ohnehin nicht zu helfen ist,
von Wort zu Wort geben wollen, wie sie der Autor giebt; Deutschen
Unsinn für Englischen Unsinn.}
Elinor.
Du unverständiges Lästermaul, ich kan ein Testament aufweisen, das
deines Sohnes Recht entkräftet.
Constantia.
So, wer zweifelt daran? Ein Testament?--Ein falsches Testament,
ein Weiber-Testament, einer unnatürlichen Großmutter Testament.
König Philipp.
Stille, Lady; schweigt oder mäßigt euch; es schikt sich übel für
diese Versammlung diesen euern übeltönenden Wiederholungen immer
Halt zu ruffen. Laßt eine Trompete diese Leute von Angiers auf die
Mauern fordern; sie sollen sich erklären, wessen Recht sie gelten
lassen wollen, Arthur's oder Johann's.
(Trompeten.)
Dritte Scene.
(Ein Bürger von Angiers kommt auf die Mauern.)
Bürger.
Wer ist der, der uns auf die Mauern hervorgeruffen hat?
König Philipp.
Es ist Frankreich, im Namen Englands.
König Johann.
England in seinem eignen Namen. Ihr Männer von Angiers, und meine
lieben Unterthanen--
König Philipp.
Ihr werthen Männer von Angiers, Arthurs Unterthanen, unsre Trompete
rief euch zu dieser gütlichen Unterredung--
König Johann.
In Betreff unsrer gerechten Sache; höret uns also zuerst; diese
Französischen Fahnen, die hier, so nah' an eurer Stadt, vor euern
Augen sich verbreiten, sind zu euerm Verderben hieher gezogen; der
Bauch ihrer Canonen ist mit Grimm angefüllt, sie sind schon
gerichtet, ihren eisernen Zorn gegen eure Mauern auszuspeyen; diese
Franzosen stellen sich mit allen Zurüstungen zu einer blutigen
Belagerung und einem unbarmherzigen Verfahren vor die Augen eurer
Stadt und vor eure verschloßnen Thore; und, ohne unsre Annäherung,
würden diese schlafenden Steine, die euch umgürten, durch den Stoß
ihrer Maschinen aus ihrem ruhigen Leim-Bette gerissen, und der
blutigen Gewalt ein gräßlicher Ruin gemacht worden seyn, auf euern
Frieden einzustürmen; aber, auf unsern Anblik, euers rechtmäßigen
Königs, (der, des Ungemachs verdoppelter Märsche nichts achtend,
herbey geeilt ist, einen mächtigen Entsaz vor eure Thore zu bringen,
und die bedräuten Wangen eurer Stadt unzerkrazt zu erhalten,) seht,
die bestürzten Franzosen selbst eine Unterredung antragen, und nun,
für in Feuer gekleidete Kugeln, die ein schüttelndes Fieber in
euern Mauern machen sollten, sanfte in Rauch eingehüllte Worte
losschiessen, um eure Ohren durch ein betrügliches Getöne zu
bethören; aber glaubet ihnen, wie sie es verdienen, werthe Bürger,
und lasset uns, euern König ein, dessen müde Lebensgeister, von
dieser übertriebnen Eile abgemattet, Herberge innert euren
Stadtmauern suchen.
König Philipp.
Wenn ich gesprochen habe, so antwortet uns beyden. Seht! an
dieser rechten Hand, deren Schuz durch die heiligsten Gelübde dem
Rechte dessen, den sie hält, geweyhet ist, steht der junge
Plantagenet, Sohn von dem ältern Bruder dieses Mannes, und König
über ihn und alles, was er inne hat. Um seines zu Boden getretnen
Rechts willen treten wir in kriegrischem Marsch diese grünen Ebnen
vor eurer Stadt, ohne einigen Vorsaz einer Feindseligkeit gegen
euch, ausser wozu uns, von eurer Widerspenstigkeit gereizt, ein
mildthätiger Eifer zur Erhaltung dieses unterdrükten Kindes, in
unserm Gewissen nöthiget. Weigert euch also nicht, eine Pflicht zu
erstatten, die ihr demjenigen unleugbar schuldig seyd, der sie zu
fordern berechtigt ist, nemlich, diesem jungen Prinzen; so soll
unsern Waffen, gleich einem bemaulkorbten Bären, sicher anzusehen,
alle Beleidigung verboten seyn, die Bosheit unsrer Canonen gegen
die unverwundbaren Wolken des Himmels ausgelassen werden, und mit
einem friedsamen und ungestörten Rükzug, mit ungebrauchten
Schwerdtern und unversehrten Helmen, wollen wir dieses muthige Blut
wieder heimtragen, welches wir gegen eure Mauern auszuspeyen
gekommen waren, und eure Weiber, Kinder und euch im Frieden lassen.
Solltet ihr aber so thöricht seyn, dieses unser zuvorkommendes
Anerbieten auszuschlagen, so bildet euch nicht ein, daß diese alten
Mauern euch gegen unsre Kriegs-Abgesandten schüzen werden, wenn
gleich alle diese Engländer mit ihrer Macht in ihrem rauhen Umkreis
gelagert wären. Sagt uns also, will eure Stadt uns im Namen
desjenigen, für welchen wir euch dazu auffordern, als ihren Herrn
erkennen; oder sollen wir das Zeichen zum Angriff geben, und in
Blut wattend in unser Eigenthum einziehen?
Bürger.
Unsre Antwort ist kurz: Wir sind des Königs von England Unterthanen;
für ihn und kraft seines Rechts, haben wir diese Stadt inne.
König Johann.
So erkennet dann euern König, und lasset mich ein.
Bürger.
Das können wir nicht; demjenigen der es beweißt, daß er König ist,
wollen wir uns als getreue Unterthanen beweisen; so lange aber
dieses nicht geschehen seyn wird, sollen unsre Thore gegen die
ganze Welt verriegelt bleiben.
König Johann.
Beweißt nicht die Crone von England den König? Und wenn dieses
nicht genug ist, so bring ich euch Zeugen, zweymal fünfzehntausend
Herzen voll von Englischem Blut--
Faulconbridge.
(Hurensöhne und andre.)
König Johann.
Die bereit sind, unser Recht mit ihrem Leben zu beweisen.
König Philipp.
Eben so viele, und von so gutem Blut als jene--
Faulconbridge.
(Die Hurensöhne auch mitgezählt.)
König Philipp.
Stehen hier, ihm seine Fordrung ins Angesicht zu widersprechen.
Bürger.
Biß ihr ausgemacht haben werdet, wessen Recht das vorzüglichste ist,
halten wir für den Vorzüglichsten das Recht von beyden zurük.
König Johann.
So vergebe dann Gott die Sünden aller der Seelen, die zum
furchtbaren Erweis unsers Königlichen Titels, noch eh der Abendthau
fallen wird, in ihre ewige Wohnung geflohen seyn werden!
König Philipp.
Amen, Amen!--Zu Pferde, ihr Ritter, zu den Waffen!
Faulconbridge.
Sanct Georg, der den Lindwurm trillte, und seither immer zu Pferd
vor meiner Wirthin Thüre sizt, helf uns aus diesem Handel!
(Zu Östreich.)
Kerl, wär ich daheim in eurer Höle, Kerl, bey eurer Löwin, ich
wollt euch einen Ochsen-Kopf auf eure Löwenhaut sezen, und ein
Ungeheuer aus euch machen.
Östreich.
Still, nichts mehr!
Faulconbridge.
O zittre, du hörst den Löwen brüllen.
König Johann (zu Faulconbridge.)
Wir wollen weiter in die Ebne vorrüken, um unsre Regimenter besser
ausbreiten und stellen zu können.
Faulconbridge.
So macht fein geschwinde, daß ihr den Vortheil des Plazes gewinnt.
König Philipp (zu Östreich, mit dem er vorher leise gesprochen.)
Gut; die übrigen laßt auf dem andern Hügel sich sezen. Gott und
unser Recht!
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Man blaßt zum Angriff; beyde Armeen werden handgemein, Gefecht;
endlich tritt der Herold von Frankreich mit Trompeten vor das Stadt-
Thor.)
Französischer Herold.
Ihr Männer von Angiers, öffnet eure Thore weit, und laßt den jungen
Arthur, Herzog von Bretagne, ein, der durch Frankreichs Hand an
diesem Tag manchen Englischen Müttern Stoff zu Thränen gegeben hat;
ihre Söhne ligen auf dem blutigen Grunde verzettelt, und mancher
Wittwe Mann krümmt sich im Staub, und umfaßt mit kalten Armen die
blutgefärbte Erde; indeß daß der wohlfeil-erkaufte Sieg um die
tanzenden Paniere der Franzosen scherzt, die in triumphierender
Unordnung bey der Hand sind, als Sieger einzuziehen, und Arthur von
Bretagne zu Englands und euerm König auszuruffen.
(Ein Englischer Herold tritt mit Trompeten auf.)
Englischer Herold.
Freuet euch, ihr Männer von Angiers, läutet eure Gloken; König
Johann, euer und Englands König, ist im Anzug, als Meister von
diesem heissen blutigen Tage. Die Rüstungen derer, die diesen
Morgen in so hellem Silberglanz vor euch vorbeyzogen, kehren alle
in Französischem Blute vergüldet zurük; nicht ein einziger
Federbusch, der auf einem Englischen Helme winkte, ist von einem
Französischen Speer abgeschlagen worden; unsre Fahnen kommen in den
nemlichen Händen wieder, die sie entfalteten als wir auszogen, und
gleich einem lustigen Truppen Jäger, kommen unsre frölichen
Engländer, alle mit bepurpurten Händen zurük, in dem Lebensblut
ihrer sterbenden Feinde gefärbt. Öffnet eure Thore, und laßt die
Sieger einziehen.
Bürger.
Ihr Herolde, wir haben von unsern Thürmen euerm ganzen Gefecht, vom
Angriff bis zum Abzug zusehen können; unsre schärfsten Augen haben
keinen Vorzug oder Vortheil auf einen von beyden Partheyen entdeken
können; Blut hat Blut erkauft, und Streiche haben Streichen
geantwortet; Stärke, Muth, Dapferkeit und Glük waren auf beyden
Seiten gleich. So sind auch wir gegen beyde, bis einer der
Grösseste bleibt; so lange sie so im Gleichgewicht stehen, halten
wir unsre Stadt für keinen, sondern für beyde.
Fünfte Scene.
(Die beyden Könige mit ihrem Heer treten auf verschiednen Seiten
auf.)
König Johann.
Frankreich, hast du noch mehr Blut wegzuwerfen? Sprich, willt du
dem Strom unsers Rechts seinen friedfertigen Lauf lassen; oder soll
er von dir gestört, aus seinem natürlichen Canal hervorschwellen,
und deine angrenzenden Ufer überströmen?
König Philipp.
England, du hast in diesem hizigen Wettkampf nicht einen einzigen
Tropfen Bluts mehr zurükgebracht als wir; eher hast du mehr
verlohren. Und ich schwöre bey dieser Hand, die diesen
weitgrenzenden Erdstrich beherrschet; eh wir diese gerechten Waffen
niederlegen, wollen wir dich, gegen den wir sie tragen, in den
Staub niederlegen, oder selbst die Zahl der Todten mit einem
königlichen Schatten vermehren!
Faulconbridge.
Ha! Majestät!--Wie hoch steigt dein Stolz, wenn das goldne Blut
der Könige in Feuer gesezt wird! Oh, nun füttert der Tod seine
morschen Kinnbaken mit Stahl, Schlachtschwerdter sind seine Zähne
und Griffe, und nun schmaußt er und frißt sich, indeß daß die
Könige hadern, an Menschenfleisch satt. Warum stehen diese
königlichen Linien so unbeweglich? Ruft zum Angriff, ihr Könige;
zurük in das blutbeflekte Feld, ihr gleichmächtigen Fürsten, ihr
Feuer-sprudelnden Geister! Laßt die Niederlage des einen Theils
den Frieden des andern bekräftigen. Bis dahin Streiche, Blut und
Tod!
König Johann.
Für wessen Parthey erklären sich nun die Leute in der Stadt?
König Philipp.
Sprecht, ihr Bürger; wen erkennt ihr für euern König?
Bürger.
Den König von England, sobald wir ihn kennen.
König Philipp.
Erkennt ihn in Uns, die wir hier sein Recht verfochten haben.
König Johann.
In Uns, die wir unser eigner grosser Abgeordneter sind, und im
Besiz unsrer eignen Person uns hier befinden, Herr von unsrer
Gegenwart, von Angiers, und von euch.
Bürger.
Eine grössere Macht, als die eurige, widerspricht all dieses, und
bis sie ausser allem Zweifel ist, schliessen wir unsre erste
Bedenklichkeit in unsre stark verrigelte Thore ein. Könige sind
unsre Furcht, so lange bis unsre Furcht von einem gewissen Könige
aufgelöst, gereinigt und ausgetrieben seyn wird.
Faulconbridge.
Diese unverschämten Gesellen von Angiers spotten eurer, ihr Könige,
und stehen sicher auf ihren Zinnen, wo sie wie auf einem
Amphitheater, unsern arbeitvollen Todes-Scenen und Aufzügen mit
weitoffnen Augen und richtendem Blik zusehen. Laßt euch von mir
rathen, ihr Könige; seyd gleich den Aufrührern von Jerusalem eine
Weile Freunde, und vereinigst eure äusserste Macht wider diese
Stadt. Laßt Frankreich von Osten, und England von Westen ihre bis
an die Mündung gefüllte Canonen wider sie richten, bis ihr Seele-
schrekendes Geschrey die steinernen Rippen dieser trozigen Stadt zu
Boden geklafft hat; ich wollte unverzüglich auf diese Schindmähren
spielen, bis die Verwüstung ihnen keine andre Schuzwehr als die
umgebende Luft übrig liesse. Wenn dieses geschehen ist, dann
trennt eure vereinbarte Macht wieder, sondert eure vermengten
Fahnen ab, und sezet Antliz gegen Antliz, und Schwerdt gegen
Schwerdt. Dann wird Fortuna in einem Augenblik aus einem von
beyden Theilen ihren glüklichen Günstling auswählen, dem sie die
Ehre dieses Tages zuwenden, und den sie mit einem glorreichen Siege
küssen wird. Wie gefällt euch dieser wilde Rath, mächtige Fürsten?
Schmekt er nicht ein wenig nach der Politik?
König Johann.
Nun bey dem Himmel, der über unsern Häuptern hängt, er gefällt mir.
Frankreich, laßt uns unsre Kräfte vereinbaren, und dieses Angiers
dem Erdboden gleich machen; dann wollen wir erst durch die Waffen
ausmachen, wer König davon seyn soll?
Faulconbridge (zu Frankreich.)
Und wenn du anders die Empfindlichkeit eines Königs hast, so richte,
da du eben so sehr als wir selbst von dieser halsstarrigen Stadt
beleidigt worden bist, den Rachen deiner Artillerie, wie wir der
unsrigen, gegen diese trozigen Mauern; und wenn wir sie zu Boden
geschmettert haben, nun, dann könnt ihr's mit einander aufnehmen,
und einander, wie es kommt, gen Himmel oder in die Hölle schiken.
König Philipp.
So wollen wir's machen; saget, wo wollt ihr angreiffen?
König Johann.
Wir wollen von Westen Zerstörung in den Busen dieser Stadt senden.
Östreich.
Ich von Norden.
König Philipp.
Unser Donner soll von Süden einen Hagel von Kugeln auf diese Stadt
regnen.
Faulconbridge (leise.)
Eine weise Einrichtung! Von Norden zu Süden; Östreich und
Frankreich werden einander ins Gesicht schiessen. Ich will sie
dazu aufreizen;
(laut;)
kommt, hinweg, hinweg!
Bürger.
Hört uns, grosse Könige; laßt euch gefallen noch einen Augenblik zu
verweilen, und ich will euch einen Vorschlag zum Frieden und zu
einem annehmlichen Verglich thun. Gewinnet lieber diese Stadt ohne
Wunden, und lasset diese Kriegsmänner, die als Schlachtopfer auf
den Wahlplaz hieher gekommen sind, ihr Leben wieder nach Hause
tragen, und in ihren Betten sterben. Verharret nicht auf euerm
Vorsaz, sondern höret mich, grosse Könige.
König Johann.
Redet, wir erlauben es, und wollen hören.
Bürger.
Diese Infantin von Spanien, Lady Blanca, ist nahe mit England
verwandt; betrachtet den jungen Ludwig, den Dauphin, und dieses
liebenswürdige Mädchen. Wenn wollüstige Liebe auf die Jagd der
Schönheit ausgehen wollte, wo könnte sie solche schöner finden, als
in Lady Blanca? Wenn keusche Liebe gehen wollte, die Tugend
aufzusuchen, wo könnte sie solche reiner finden, als in Lady
Blanca? Wenn ehrsüchtige Liebe ein Bündniß mit hohem Stande machen
will, in welchen Adern rinnt ein edler Blut als in Lady Blanca's?
So wie sie an Schönheit, Tugend und Geburt ist, so vollkommen ist
der junge Dauphin, in jedem Stüke; soll er nicht vollkommen seyn, o,
so sagt nur, er ist nicht sie; so wie ihr nichts anders mangelt,
(wenn das ein Mangel heissen kan,) als daß sie nicht er ist. Er
ist die Helfte eines vollkommnen Mannes, bestimmt, durch eine
solche Sie vollendet zu werden; und sie eine schöne getheilte
Vortreflichkeit, deren vollständige Vollkommenheit in ihm ligt. O!
zween solche Silberströme, wenn sie sich vereinigen, machen die
Ufer worinn sie zusammenfliessen, zu Paradiesen. Diese Vereinigung
soll mehr über unsre festverschloßnen Thore vermögen als Batterien;
denn sobald ihr dieses Bündniß beschlossen haben werdet, soll sich
der Mund des Zugangs, schneller als der Bliz des Pulvers ihn mit
Gewalt eröffnen könnte, von freyen Stüken weit aufthun, euch
einzulassen; aber ohne dieses Bündniß, ist die ergrimmte See nicht
halb so taub, sind Löwen nicht halb so unerschroken, und Berge und
Felsen so unbeweglich; nein, der Tod selbst ist in seiner
verderblichen Wuth nicht halb so unerbittlich, als wir, diese Stadt
zu behaupten.
Faulconbridge.
Das ist ein Redner, der das faule Gerippe des Todes aus seinen
Lumpen herausschüttelt. Das ist ein grosses Maul, in der That, das
Tod und Berge, Felsen und Seen ausspeyt, und von brüllenden Löwen
so vertraulich spricht, als Mädchen von dreyzehn Jahren von
Schooßhündchen. Was für ein Constabel zeugte dieses lustige Blut?
Er spricht lauter Canonen-Feuer, Rauch und Knall; er giebt Prügel-
Suppe mit seiner Zunge; unsre Ohren kriegen Stokschläge; er sagt
nicht ein Wort, das nicht eine derbere Maulschelle giebt als eine
Französische Faust. Zum Henker! Ich bin nie so mit Worten
abgepläut worden, seit ich meines Bruders Vater Papa genennt habe.
Elinor (zu König Johann, leise.)
Sohn, gieb diesem Vorschlag Gehör, geh dieses Bündniß ein, und gieb
ihnen mit unsrer Nichte eine Morgengabe, womit sie zufrieden seyn
können; denn durch dieses Band kanst du dein izt wankendes Recht an
die Crone so feste machen, daß jener grüne Bube keine Sonne haben
wird, um die Blüthe zu zeitigen, die eine mächtige Frucht
verspricht. Ich sehe Nachgiebigkeit in Frankreichs Bliken; sieh,
wie sie einander zuflüstern; fasse sie bey diesem Augenblik, da
ihre Seelen fähig sind, sich durch die Hoffnung einer vergrösserten
Macht bestechen zu lassen, sonst möcht' ihr Eifer für Arthurs Sache,
der izt durch den lauen Athem von sanften Bitten, Mitleiden und
Bedenklichkeiten aufgeschmelzt worden, wieder erkalten, und zu der
vorigen Härte gefrieren.
Bürger.
Was antworten Eure Majestäten auf den gütlichen Vorschlag unsrer
bedräuten Stadt?
König Philipp.
Sprecht zuerst, England, da ihr der erste waret, der seinen Antrag
an diese Stadt machte; was ist eure Gesinnung?
König Johann.
Wofern der hier gegenwärtige Dauphin, dein königlicher Sohn, in
diesem Buche der Schönheit lesen kan, ich liebe; so soll ihre
Mitgift soviel wägen als eine Königin; denn Anjou, und das schöne
Touraine, Maine, Poitou, und alles, was (diese belagerte Stadt hier
ausgenommen,) auf dieser Seite des Meers unsrer Crone einverleibt
ist, soll ihr Braut-Bette vergülden, und sie an Titeln, Würden und
Gütern so reich machen, als sie an Geburt, Erziehung und Schönheit,
jeder andern Princeßin in der Welt die Wage hält.
König Philipp.
Was sagst du denn, Junge? Sieh der Princeßin ins Gesicht.
Ludwig.
Ich thu es, Sire, und ich find' in ihren Augen ein Wunderwerk, oder
doch eine wunderbare Erscheinung, meinen eignen Schatten in ihren
Augen abgebildet, der, ob er gleich nur der Schatten euers Sohnes
ist, eine Sonne wird, und euern Sohn zu einem Schatten macht. Ich
versichre euch, ich liebte mich selbst noch nie bis izt, da ich
mich selbst in der schmeichelnden Tafel ihres Auges abgerissen
finde.