König Richard.
Denkt was ihr wollt; wir nehmen alle seine Güter, Mobilien,
Baarschaften und Ländereyen, zu unsern Händen.
York.
Wenigstens will ich kein Augenzeuge davon seyn; lebet wohl, mein
gebietender Herr; was hieraus entstehen wird, kan niemand sagen.
Aber aus schlimmen Handlungen läßt sich ohne Mühe weissagen, daß
ihre Folgen nicht gut seyn können.
(Er geht ab.)
König Richard.
Geh, Buschy, ungesäumt zu dem Grafen von Wiltschire, und ersuch ihn
zu uns nach Ely-House zu kommen, und der Vollziehung dieses
Geschäftes vorzustehen. Morgen wollen wir nach Irland, es ist Zeit.
Indessen ernennen wir, während unsrer Abwesenheit, unsern Oheim
York zum Lord-Statthalter von England, denn er ist rechtschaffen,
und war uns jederzeit zugethan. Kommet, meine Königin; morgen
müssen wir uns scheiden; beruhigt euch, wir werden nicht lange
abwesend seyn.
(König Richard, Königin und Gefolge gehen ab.)
Vierte Scene.
(Northumberland, Willoughby und Roß bleiben.)
Northumberland.
Nun, Milords, der Herzog von Lancaster ist todt.
Ross.
Und lebt wieder in seinem Sohn, der nun Herzog von Lancaster ist.
Willoughby.
Dem Namen, nicht den Einkünften nach.
Northumberland.
Beyden nach, wenn Gerechtigkeit ihr Recht erhält.
Ross.
Mein Herz ist voll; aber es muß von Schweigen brechen, eh ihm eine
freymüthige Zunge leichter machen kan.
Northumberland.
Bezieht sich das, was ihr reden möchtet, auf den Herzog von
Hereford, so sagt es kühnlich heraus, Mann; mein Ohr horcht mit
Freuden allem Guten entgegen, was von ihm gesagt wird.
Ross.
Alles Gute, was ich für ihn thun kan, ist, Mitleiden mit ihm zu
haben, daß er seines Erbguts so beraubt worden ist.
Northumberland.
Nun, beym Himmel, Schande ist es, daß solche Kränkungen, solche
Ungerechtigkeiten gegen ihn, einen königlichen Prinzen, und manche
andre von edlem Blut, in diesem dem Umsturz nähernden Lande
niederträchtig ertragen werden sollen! Der König ist nicht er
selbst, unköniglich läßt er von Schmeichlern sich leiten; und was
sie aus Raubsucht oder aus Haß gegen irgend einen aus uns anzetteln
möchten, das wird der König nach der Schärfe gegen uns, unser Leben,
unsre Kinder und Erben ausführen.
Ross.
Die Gemeinen hat er durch übermäßige Auflagen ausgesogen, und
dadurch ihre Herzen verlohren; die Edeln hat er wegen abgestorbner
Händel gebüßt, und ihre Herzen verlohren.
Willoughby.
Nichts destoweniger werden unter allerley Namen täglich neue
Erpressungen ausgesonnen; aber, was um Gottes willen! soll endlich
daraus werden?
Northumberland.
Kriege haben alle diese Summen nicht verzehrt; denn er hatte nie
keinen Krieg, sondern gab vielmehr durch einen schimpflichen
Verglich hin, was seine Vorältern durch Siege gewonnen hatten; er
hat mehr Aufwand im Frieden gemacht, als sie in allen ihren Kriegen.
Ross.
Der Graf von Wiltschire hat das Königreich im Pacht.
Willoughby.
Der König ist Bankrutt worden.
Ross.
Und ungeachtet aller seiner schweren Auflagen, muß er den
vertriebnen Herzog berauben, um Geld für diese Irländischen Unruhen
zu haben.
Northumberland.
Seinen edeln Blutsverwandten!--Höchst ausgearteter König! Aber,
Milords, wir hören dieses fürchterliche Gewitter singen, und suchen
doch keinen Schirm gegen den Sturm; wir sehen den Wind unsern
Segeln zusezen, und doch ziehen wir sie nicht ein, sondern gehen
unbesorgt unter.
Ross.
Wir sehen den Schiffbruch vorher, und es ist noch keine Anstalt
gegen die Gefahr gemacht, weil wir so geduldig die Ursachen unsers
Schiffbruchs leiden.
Northumberland.
Nicht so; selbst durch die hohlen Augen des Todes, sehe ich Leben
hervorschauen; aber ich darf es nicht sagen, wie nah' uns unsre
Hülfe ist.
Willoughby.
Wir haben unsre Gedanken nicht vor dir verborgen; laß uns auch die
deinigen theilen.
Ross.
Rede zuversichtlich, Northumberland; wir drey sind nur du selbst,
und wenn du mit uns sprichst, sind deine Worte nur wie Gedanken;
also rede kühnlich!
Northumberland.
So höret dann, meine Freunde, was für geheime Nachrichten ich von
(Port le blanc), einem Hafen in Bretagne, habe. Heinrich von
Hereford, Rainald, Lord Cobham, der unlängst mit dem Herzog von
Exeter gebrochen hat; sein Bruder, der neue Erzbischoff von
Canterbury, Sir Thomas Erpingham, Sir John Ramston, Sir John
Norbrew--, Sir Robert Waterton, und Franz Coines; alle diese,
von dem Herzog von Bretagne mit allen Nothwendigkeiten versehen,
sind würklich im Begriff, mit acht langen Schiffen und dreytausend
streitbaren Männern, eine Landung an unsern Nordischen Küsten zu
wagen; vielleicht haben sie schon gelandet, und warten nur bis der
König nach Irland abgegangen ist. Wann wir nun entschlossen sind,
unser sclavisches Joch abzuschütteln, die gebrochnen Schwingen
unsers sinkenden Vaterlandes wieder neu zu befiedern, die entehrte
Crone von einem schimpflichen Versaz wieder einzulösen; den Staub
abzuwischen, der unsers Scepters reines Gold verbirgt, und der
Majestät ihre eigne Gestalt wieder zu geben: So folget mir
schleunig nach Ravenspurg. Zaudert ihr aber, oder fürchtet ihr
euch, so zu thun, so bleibet zurük, und seyd verschwiegen; so will
ich allein gehen.
Ross.
Zu Pferd, zu Pferd! Laßt die zaudern die sich fürchten.
Willoughby.
Wenn anders mein Pferd aushält, so will ich der erste dort seyn.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Der Hof.)
(Die Königin, Buschy und Bagot treten auf.)
Buschy.
Gnädigste Frau, Eure Majestät ist viel zu niedergeschlagen. Ihr
versprachst dem König beym Abschied, alle sich selbsthärmende
Gedanken zu entfernen, und eine frohe Gemüthsfassung zu unterhalten.
Königin.
Dem Könige zu gefallen, that ich's; mir selbst zu gefallen kan
ich's nicht thun; und doch weiß ich keine Ursache, warum ich einen
solchen Gast, wie der Kummer ist, willkommen heissen sollte, als
diese, weil ich einem so werthen Gast, wie mein Richard ist, leb'
wohl sagen mußte; und doch ist mir, als ob irgend ein noch
ungebohrner Kummer, im Schooß des Schiksals reiffend, mir
bevorstehe; meine innerste Seele zittert über etwas, ohne zu wissen
was es ist; ausgenommen, daß es nicht die Trennung von dem König
meinem Gemal ist.
Buschy.
Ein jeder würklicher Schmerz hat zwanzig Schatten die ihm gleich
sehen, und es doch nicht sind; durch den Crystall blendender
Thränen, sieht das Auge der Traurigkeit einen einzigen Gegenstand
in viele gespalten. Gleich gewissen perspectivischen Figuren, die,
wenn man sie geradezu anschaut, nichts als verworrene Striche
zeigen, aber aus einem gewissen schiefen Sehpunct eine regelmäßige
Gestalt darstellen, zeigen sich euch, indem ihr euers Gemals
Abwesenheit seitwärts anseht, Gestalten von Kummer, welche, wenn
sie angesehen werden, wie sie sind, nichts als blosse Schatten von
dem was nicht ist, sind. Trauret also über nichts mehr als die
Abreise euers Gemals; mehr ist nicht sichtbar, oder ist es doch nur
aus dem falschen Gesichtspunct der Traurigkeit, die oft über
eingebildete Übel, wie über wahre, weint.
Königin.
Es mag so seyn; und doch sagt meine innerste Seele mir etwas anders;
dem sey wie ihm wolle, ich kann mich nicht erwehren traurig zu
seyn, auf eine so bange Art traurig, daß wenn die Überlegung mir
gleich sagt, es sey nichts, dieses ängstigende Nichts mich doch
nichts desto minder schmachten und welken macht.
Buschy.
Es ist blosse Einbildung, meine gnädigste Königin.
Königin.
Nichts weniger als Einbildung; Einbildung entspringt allemal aus
irgend einem vorhergegangenen Schmerz; so ist der meinige nicht.
Denn Nichts hat das Etwas gebohren das mich ängstiget; aber was es
ist, das ist noch unbekannt.*
{ed.-* Im Original ist dieses viel spizfündiger gesagt:
(For nothing hath begot my something-grief,
Or something hath, the nothing that I grieve.
But what it is, that is not yet Known, what
I cannot name, 'tis nameless Woe, I wot.)}
Sechste Scene.
(Green zu den Vorigen.)
Green.
Der Himmel erhalte Euer Majestät!--Ich erfreue mich, euch zu sehen,
meine Herren--Ich hoffe, der König hat sich noch nicht nach Irland
eingeschift.
Königin.
Warum hoffst du das; es ist mehr Ursache zu hoffen, daß er's gethan
habe; denn seine Absichten erfordern Behendigkeit, und seine
Behendigkeit giebt gute Hoffnung; warum sagst du also, du hoffest
er sey noch nicht zu Schiffe?
Green.
Damit Er, auf welchem alle unsre Hoffnung beruht, seine Macht zurük
behalten hätte, um die Hoffnung eines Feindes zur Verzweiflung zu
bringen, der trozig seinen Fuß in dieses Land gesezt hat. Der
verbannte Bolingbroke hat sich selbst zurük beruffen, und ist mit
emporgestrekten Waffen glüklich zu Ravenspurg angelangt.
Königin.
Das verhüte der Himmel!
Green.
O Gnädigste Frau, es ist nur allzuwahr; und was noch schlimmer ist,
der Lord Northumberland, der junge Percy, sein Sohn, die Lords von
Roß, Beaumond und Willoughby mit allen ihren mächtigen Freunden
sind zu ihm übergegangen.
Buschy.
Wie? Habt ihr denn den Northumberland und alle von dieser
rebellischen Rotte nicht für Verräther erklärt?
Green.
Das haben wir, und darauf hat der Graf von Worcester seinen Stab
zerbrochen, seine Oberhofmeister-Stelle niedergelegt, und sich mit
allen königlichen Haus-Bedienten zum Bolingbroke geflüchtet.
Königin.
O Green, du bist die Wehmutter meines Kummers. Nun hat meine Seele
ihr Ungeheuer zur Welt gebracht. Bolingbroke ist die unglükliche
Geburt meines ahnenden Weh's, und ich eine keuchende neu-entbundne
Mutter, sinke aus einer Angst, einem Schmerz, in den andern.
Buschy.
Lasset den Muth noch nicht sinken, Gnädigste Frau.
Königin.
Und warum soll ich nicht? Ich will verzweifeln, ich will mit der
betrügerischen Hoffnung in Feindschaft stehen; sie ist eine
Schmeichlerin, die den Tod nur zurük hält, um durch ihre
täuschenden Eingebungen das Gefühl seiner Streiche zu übertäuben.
Siebende Scene.
(York zu den Vorigen.)
Green.
Hier kommt der Herzog von York.
Königin.
Mit Zeichen des Kriegs um seinen bejahrten Naken. O, seine Blike
sind von sorgenvollen Geschäften verdüstert! Guter Oheim, um des
Himmels willen, eine tröstliche Zeitung!
York.
So müßte ich meine Gedanken belügen; der Trost ist im Himmel, und
wir sind auf einer Welt, wo nichts als Kreuz, Sorge und Kummer lebt.
Euer Gemal ist gegangen, um in der Ferne zu retten, was ihm andre
indeß daheim entreissen. Ich ward hier zurük gelassen, um dieses
Land zu unterstüzen; ich, der vom Alter gedrükt, kaum mich selbst
tragen kan. Nun kommen die kranken Tage, die seine
Ausschweiffungen nach sich gezogen haben; nun wird er seine Freunde,
die ihm schmeichelten, kennen lernen. (Ein Bedienter kommt herein.)
Bedienter.
Milord, euer Sohn war schon abgereist, wie ich ankam.
York.
Schon abgereist; Nun, so geh alles, welchen Weg es will. Die Edeln
sind übergegangen, die Gemeinen kalt, und wanken schon wie ich
besorge, auf Herefords Seite--Geh du nach Plaschie, zu meiner
Schwester von Glocester; bitte sie, daß sie mir unverzüglich
tausend Pfund schike; halt, hier ist mein Ring.
Bedienter.
Milord, ich habe vergessen zu sagen, daß an dem nemlichen Tag da
ich hinkam, und anfragte--Aber ich werde euch betrüben, wenn ich es
sage.
York.
Was ist es dann?
Bedienter.
Eine Stunde eh ich kam, starb die Herzogin.
York.
Gerechter Himmel! Was für eine Fluth von Plagen stürzt sich auf
einmal über dieses unglükselige Land! Ich weiß nicht, was ich thun
soll; wollte Gott! der König hätte (ohne daß eine Untreue von mir
ihn dazu aufgefordert hätte) meinen Kopf mit meines Bruders
Gloster's seinem abschlagen lassen. Wie, sind schon Jacht-Schiffe
nach Irland abgegangen? Wo sollen wir Geld zu diesem Krieg
hernehmen? Kommt, Schwester; (Base, wollt' ich sagen,) ich bitte
euch um Vergebung.--
(Zum Bedienten.)
Geh' du heim, Bursche, bestelle einige Wagen, und belade sie mit
den Waffen, die du finden wirst--Meine Herren, wollt ihr gehen, und
die Truppen mustern? Ich versichre euch, daß ich nicht weiß, wie
ich die Sachen, in der Unordnung, worinn sie mir in die Hände
gegeben worden, ordnen soll.--Beyde sind meine Bruders-Söhne; der
eine ist mein Souverain, beydes mein Eid und meine Pflicht befiehlt
mir, ihn zu schüzen; der andre, gleichfalls mein Neffe, hat Unrecht
vom König erlidten; Gewissen und Natur befehlen mir seinem Recht
beyzustehen. Nun, etwas muß gethan seyn: Kommt, Base, ich will für
eure Sicherheit sorgen. Geht, mustert eure Leute, und erwartet
mich zu Berkley-Castle; ich will auch nach Plaschie--Aber die Zeit
wird es nicht zulassen. Alles ist uneben, alles in der äussersten
Unordnung.
(York und die Königin gehen ab.)
Achte Scene.
Buschy.
Der Wind ist günstig, neue Zeitungen nach Irland zu schiken, aber
bringt keine zurük. Wir werden nimmermehr eine hinlängliche Macht,
um dem Feind Widerstand zu thun, aufbringen können.
Green.
Ausserdem sind wir dem Haß derer, die den König hassen, desto näher,
je näher wir der Liebe des Königs sind.
Bagot.
Und das sind die unbeständigen Gemeinen; ihre Liebe ligt in ihrem
Beutel; wer ihren Beutel ausleert, füllt ihre Herzen mit tödtlichem
Haß.
Buschy.
Wenn dieses ist, so ist der König mit allen Stimmen verurtheilt.
Bagot.
Und so ist uns unser Urtheil auch gesprochen.
Green.
Gut; ich will zu meiner Sicherheit nach Bristol, der Graf von
Wiltschire ist schon da.
Buschy.
Ich will mit euch; denn von den erbitterten Gemeinen haben wir
nicht viel bessere Dienste zu gewarten, als daß sie uns in Stüken
zerreissen werden. Wollt ihr mit uns, Bagot?
Bagot.
Nein; ich will zu Sr. Majestät nach Irland. Lebet wohl; wenn mir
mein Herz die Wahrheit sagt, so werden wir Drey nimmer wieder
zusammen kommen.
Buschy.
Das kommt darauf an, ob York den Bolingbroke zurükschlagen wird.
Green.
Der arme York! Das Geschäfte, das er übernommen hat, ist nicht
leichter, als wenn er den Sand zählen, und das Meer austrinken
wollte. Wenn einer an seiner Seite ficht, so werden tausend
fliehen.
Buschy.
Lebet wohl für ein und allemal.
Green.
Wir können einander wol wieder sehen.
Bagot.
Ich besorge, nimmer.
(Sie gehen ab.)
Neunte Scene.
(Verwandelt sich in eine wilde Gegend, in Glocester-Schire.)
(Bolingbroke und Northumberland treten auf.)
Bolingbroke.
Wie weit ist es noch, Milord, von hier nach Berkley?
Northumberland.
Ich bin hier fremde in Glocester-Schire; diese hohen wilden Hügel,
und diese rauhen unebnen Wege, machen unsern Marsch langsam und
sehr beschwerlich; und doch hat eure angenehmste Gesellschaft mich
beydes vergessen gemacht. Ich bedaure nur Roß und Willoughby, die
auf ihrem Weg von Ravenspurg nach Cotschold das Glük ermangeln
müssen, so ich izt geniesse; doch die Hoffnung erleichtert ihnen
den ihrigen, und die Hoffnung des Genusses genießt beynahe schon so
viel, als der Genuß selbst.
Bolingbroke.
Eure Freundschaft treibt den Werth meiner Gesellschaft viel zu hoch,
aber wer kommt hier? (Percy zu den Vorigen.)
Northumberland.
Es ist mein Sohn, der junge Heinrich Percy, von meinem Bruder
Worcester abgeschikt: Woher, Harry, was macht dein Oheim?
Percy.
Ich hoffte, Milord, bey euch Nachricht von ihm zu holen.
Northumberland.
Wie, ist er nicht bey der Königin?
Percy.
Nein, Milord, er hat den Hof verlassen, seinen Stab zerbrochen, und
die Königliche Hofstatt zerstreut.
Northumberland.
Wie? Aus was Ursache? Er war nicht so gesinnt, da ich ihn das
leztemal sprach.
Percy.
Weil Euer Gnaden als ein Verräther ausgeruffen worden ist. Er ist
nach Ravenspurg abgegangen, um dem Herzog von Hereford seine
Dienste anzubieten; und mich hat er nach Berkley geschikt, um die
Stärke der Kriegs-Völker zu erkundigen, die der Herzog von York
daselbst zusammengebracht hat, mit dem Befehl von da gerade nach
Ravenspurg zu eilen.
Northumberland.
Hast du den Herzog von Hereford vergessen?
Percy.
Nein, Milord, man kan nicht vergessen, wessen man sich nie erinnert
hat; meines Wissens hab' ich ihn in meinem Leben nie gesehen.
Northumberland.
So lern' ihn dann izt kennen; diß ist der Herzog.
Percy.
Gnädigster Herr, ich erbiete euch meine Dienste, so wie sie sind,
schwach, roh und jugendlich; zunehmende Jahre werden sie reiffer,
und euers Beyfalls würdiger machen.
Bolingbroke.
Ich danke dir, edler Percy; sey versichert, daß ich mich in nichts
anderm so glüklich schäze, als in einem Herzen, das seiner guten
Freunde nicht vergessen kan; und so, wie mein Glük mit deiner Liebe
reiffen wird, soll es jederzeit die Belohnung deiner treuen Liebe
seyn. Mein Herz macht diesen Vertrag, und hier siegelt ihn meine
Hand.
Northumberland.
Wie weit ist es von hier nach Berkley? und was für Bewegungen
macht der gute alte York mit seinen Truppen dort?
Percy.
Das Schloß steht dort hinter jenem Gebüsche, und ist, wie ich hörte,
mit dreyhundert Mann besezt; die Lords, York, Berkley und Seymour
sind darinn, sonst niemand von Namen und Ansehn. (Roß und
Willoughby zu den Vorigen.)
Northumberland.
Hier kommen die Lords von Roß und Willoughby, blutig vom Spornen,
und feuerroth von Eile.
Bolingbroke.
Willkommen, Milords; ich weiß, eure Liebe verfolgt einen verbannten
Verräther; alle meine Schäze bestehen noch in leerem Dank, der,
wenn er reicher geworden ist, die Vergeltung eurer Liebe und eurer
Dienste seyn soll.
Ross.
Eure Gegenwart macht uns reich genug, Milord;
Willoughby.
Und ersezt uns die Arbeit überflüßig, wodurch wir sie erhalten
haben.
Bolingbroke.
Immer mehr Dank!--(die Wiedervergeltung der Armen,) bis mein noch
unmündiges Glük zu Jahren kommt, müssen Worte für mein
erkenntliches Herz Bürge seyn. Aber wer kommt hier? (Berkley zu
den Vorigen.)
Northumberland.
Es ist Milord von Berkley, däucht mich.
Berkley.
Milord von Hereford, mein Auftrag geht an euch.
Bolingbroke.
Milord, meine Antwort ist zu Lancaster; ich bin gekommen, diesen
Namen in England zu suchen, und ich muß diesen Titel in eurer Zunge
finden, eh ich auf etwas antworten kan, das ihr sagt.
Berkley.
Meine Absicht, Milord, ist gar nicht, einen Titel von euern Würden
wegzunehmen; ich komme zu euch, Milord, (Lord wovon ihr nur wollt)
von demjenigen der izt der Erste in diesem Land ist, von dem Herzog
von York, um zu erfahren, was euch antreibt, den Vortheil der
Abwesenheit des Königs zu nehmen, und unsern angebohrnen Frieden
durch einheimische Waffen zu schreken?
Zehnte Scene.
(York zu den Vorigen.)
Bolingbroke.
Ich werde nicht nöthig haben, meine Antwort durch euch zu versenden;
hier kommt Se. Gnaden selbst. Mein edler Oheim!
(Er kniet vor ihm nieder.)
York.
Zeige mir, statt diesen betrüglich demüthigen Knien ein aufrichtig
unterwürfiges Herz.
Bolingbroke.
Mein gnädigster Oheim!
York.
Stille, stille; ich will nichts von deinen Titeln; ich bin keines
Verräthers Oheim, und das Wort Gnade wird in einem verbrecherischen
Mund entweiht. Warum haben deine geächteten, verbannten Füsse sich
erfrecht, den Staub von Englands Boden zu betreten? Und, was noch
ärger ist, wie haben sie sich erfrecht, so viele Meilen über ihren
friedsamen Busen einher zu ziehen, und ihre erblassenden Einwohner
mit dem Gepränge einer kriegrischen Schlacht-Ordnung zu schreken?
Kommst du, weil der gesalbte König abwesend ist? Wie, unbesonnener
Jüngling, der König ist noch da, seine Gewalt ligt in einem
treuvollen Busen. Wär' ich nur noch Herr von jener jugendlichen
Stärke wie damals, da der brave Gaunt, dein Vater, und ich, den
schwarzen Prinzen, diesen jungen Kriegsgott, mitten aus den Linien
von zehntausend Franzosen erledigten; o! wie schnell sollte dieser
izt entnervte Arm, deinen Übermuth züchtigen!
Bolingbroke.
Mein gnädigster Oheim, laßt mich nur erst wissen, von was für einer
Art mein Verbrechen ist.
York.
Von der schlimmsten Art, Aufruhr und fluchwürdiger Hochverrath. Du
bist ein Landsverwiesener, und kommst hier, bevor deine Zeit
verflossen ist, in herausfordernden Waffen deinem Oberherrn Troz zu
bieten.
Bolingbroke.
Wie ich verwiesen wurde, war ich Hereford; nun, da ich komme, komme
ich für Lancaster. Ich bitte Euer Gnaden, betrachtet das Unrecht,
das mir zugefügt worden, mit einem unpartheyischen Auge. Ihr seyd
mein Vater, denn mich däucht, in euch sehe ich den bejahrten Gaunt
wieder lebend. O! denn, mein Vater! Könnt ihr gestatten, daß ich
verurtheilt seyn soll, ein herumschweifenden Flüchtling zu seyn,
und aller meiner Rechte und Regalien beraubt, gleichgültig
zuzusehen, wie sie unter lumpichte Taugenichts ausgetheilt werden,
die gestern noch Bettler waren? Wozu war ich gebohren? Wenn der
König mein Vetter, König von England ist, so muß es unstreitig seyn,
daß ich Herzog von Lancaster bin. Ihr habt einen Sohn, den
Aumerle, mein edler Vetter; wäret ihr zuerst gestorben, und er wäre
so niedergetreten worden, er würde in seinem Oheim Gaunt einen
Vater, einen eifrigen Verfechter seines Rechts, gefunden haben.
Man versagt mir die Besiznehmung von meinen angeerbten Titeln und
Gütern, wozu mir doch meine Patenten die Befügniß geben. Meines
Vaters Güter werden zerstreut und verkauft, und wie alles übrige
unnüzer Weise durchgebracht. Was wollt ihr, daß ich in solchen
Umständen thun soll? Ich bin ein Unterthan, und reclamire das
Gesez; man versagt mir Anwalde, ich bin also genöthigt, in eigner
Person die Ansprüche an mein angestammtes Erbgut gelten zu machen.
Northumberland.
Der edle Herzog ist zu sehr gekränkt worden.
Ross.
Es ligt nur bey euer Gnaden, ihm Recht wiederfahren zu lassen.
Willoughby.
Schlechte Leute sind durch seine Erbgüter groß gemacht worden.
York.
Milords von England, laßt mich euch sagen, daß ich gegen die
Kränkungen meines Neffen nicht unempfindlich gewesen bin, und mich
so sehr ich konnte bemühet habe, ihm sein Recht zu verschaffen.
Aber auf eine solche Art zu kommen, in trozigen Waffen zu kommen,
und sein Recht durch unerlaubte Gewalt zu suchen, das geht nicht an;
und ihr, die ihr ihm hierinn beysteht, begünstiget die Empörung,
und seyd alle Rebellen.
Northumberland.
Der Herzog hat geschworen, daß er nur gekommen sey, sein Recht zu
suchen; und ihm zu diesem zu verhelfen, haben wir alle durch einen
theuren Eid uns anheischig gemacht; und mög' auf ewig den die
Freude meiden, der seinen Eid bricht!
York.
Gut, gut, ich sehe den Ausgang dieser Waffen; ich muß es bekennen,
es ist nicht in meiner Macht, ihn zu verhindern; aber könnte ich's,
bey dem der mich erschaffen hat! ihr solltet mir alle gebunden und
in den Staub gebükt, euer verwürktes Leben von der königlichen
Gnade erflehen! Nun, da ich ohne Kräfte bin, so wisset, daß ich
soviel als neutral bleiben werde. Und hiemit gehabt euch wohl; es
wäre dann, daß es euch beliebte, in dieses Schloß zu kommen, und
die Nacht da auszuruhen.
Bolingbroke.
Ein Anerbieten, mein Oheim, das wir annehmen wollen; aber wir
müssen Euer Gnaden erbitten, mit uns nach Bristol-Castle zu gehen,
worinn, wie man sagt, Buschy, Bagot, und ihre Mitschuldigen sich
halten, diese Raupen des gemeinen Wesens, die ich auszureuten
geschworen habe.
York.
Es mag seyn, ich will gehen--Doch nein, laßt mich ruhig bleiben;
ich will nicht von denen seyn, die die Geseze meines Vaterlands
brechen. Weder Feinde noch Freunde, seyd ihr mir willkommen; und
Dinge, denen nicht mehr zu helfen ist, sollen mich auch nicht mehr
bekümmern.
(Sie gehen ab.)
Eilfte Scene.
(In Wales.)
(Salisbury und ein Officier treten auf.)
Officier.
Milord von Salisbury, wir haben zehen Tage gewartet, und die gröste
Mühe gehabt, unsre Landleute bey einander zu behalten; da wir aber
noch immer keine Nachrichten von dem König erhalten, so wollen wir
wieder auseinander gehen. Lebet wohl!
Salisbury.
Gedulde dich nur noch einen einzigen Tag, du rechtschaffner
Welschmann; der König sezt all sein Vertrauen in dich.
Officier.
Man glaubt, der König sey todt; wir warten nicht länger. Die
Lorbeer-Bäume in unserm Lande sind alle verdorben, Wunderzeichen
schreken die Fix-Sterne vom Himmel; der bleiche Mond schaut blutig
auf die Erde herab, und hagre Propheten lispeln furchtbare
Veränderung. Reiche Leute sehen traurig aus, und Bettler und
Spizbuben tanzen und springen; die eine, aus Furcht zu verliehren
was sie gewonnen haben, die andre, in Hoffnung durch Krieg und
Zerrüttung zu gewinnen. Alles dieses sind Zeichen, die den Tod der
Könige ankündigen--Lebet wohl; unsre Landleute sind alle wieder
auseinander gegangen, und lassen sich nicht benehmen, daß König
Richard todt sey.
(Er geht ab.)
Salisbury.
Ach! Richard! ach! mit thränenbeladnen Augen seh' ich deinen
Glanz, gleich einem fallenden Stern, vom Firmament zur Erde sinken.
Die Sonne sizt weinend im niedrigen West, und propheceyt Stürme,
Unruhen und Unglük. Deine Freunde sind zu deinen Feinden
übergegangen, und alle Umstände vereinigen sich zu deinem Verderben.
(Er geht ab.)
Dritter Aufzug.
Erste Scene.
(Bolingbroks Lager zu Bristoll.)
(Bolingbroke, York, Northumberland, Roß, Percy, Willoughby, mit
Buschy, und Green, als Gefangnen treten auf.)
Bolingbroke.
Bringt diese Männer näher herbey--Buschy, und Green, ich will eure
Seelen da es nun an dem ist, daß sie von ihren Leibern scheiden
müssen, nicht mit so harten Vorwürfen ängstigen, als euer
verderbliches Leben verdient hat, denn das wäre Unbarmherzigkeit;
aber um euer Blut von meinen Händen zu waschen, will ich hier, vor
dieser Versammlung, einige Ursachen eures Todes entfalten. Ihr
habt einen Fürsten, den seine Geburt und sein angebohrner Edelmuth
zu einem grossen und glüklichen Könige bestimmte, mißgeleitet,
verderbt und unglüklich gemacht. Ihr habt ihn durch die
Ausschweiffungen, wozu ihr ihn reiztet, in gewissem Sinn von seiner
Königin geschieden, die geheiligten Rechte eines königlichen
Ehbettes geschmälert, und die schönen Wangen einer liebenswürdigen
Fürstin durch die Thränen beflekt, die eure Beleidigungen aus ihren
Augen erpreßten. Ich selbst, durch das Glük meiner Geburt, ein
Prinz vom königlichen Geblüte, und von dem König, meinem
Blutsverwandten, werth gehalten, bis ihr durch giftige Eingebungen
mich ihm verdächtig gemacht; ich selbst habe meinen Naken unter
euern Verfolgungen beugen müssen, und, das bittre Brodt der
Verbannung essend, meinen Engländischen Athem in ausländische
Wolken verseufzt; indeß, daß ihr meine Herrschaften aufgezehrt,
meine Waldungen und Lusthayne ausgehauen, mein Wappen von meinen
Thoren abgerissen, und mir kein andres Zeichen übrig gelassen habt,
wodurch ich der Welt zeigen kan, daß ich ein Edelmann bin, als die
Meynung der Leute und das Blut in meinen Adern: Dieses und viel
mehr, viel mehr als zweymal so viel, verurtheilt euch zum Tode.
Sehet, daß ihr Urtheil an ihnen vollzogen werde.
Buschy.
Willkommner ist mir der Streich des Todes, als Bolingbroke England
ist--Milords, gehabt euch wohl.
Green.
Mein Trost ist, daß der Himmel unsre Seelen aufnehmen, und die
Ungerechtigkeit mit den Qualen der Hölle straffen wird.
Bolingbroke.
Milord von Northumberland, sehet, daß sie abgethan werden--Mein
Oheim, ihr sagtet, die Königin befinde sich in ihrem Hause; um des
Himmels willen, sorget davor, daß ihr geziemend begegnet werde;
sagt ihr, daß ich sie meiner Ehrfurcht und Ergebenheit versichre;
traget ja Sorge dafür, daß ihr mein Gruß überbracht werde.
York.
Ich habe einen von meinen Edelleuten mit Briefen abgeschikt, worinn
eure freundschaftliche Gesinnungen ausführlich erklärt sind.
Bolingbroke.
Ich danke euch, mein gütiger Oheim, kommt, Milords, kommt, zum
Gefecht mit Glendower und seinen Anhängern; noch eine Weile Arbeit,
und dann Feyer-Abend.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in eine Küste von Wales.)
(Trummeln und Trompeten.
König Richard, Aumerle, der Bischoff von Carlisle, und Soldaten
treten auf.)
König Richard.
Barkloughly-Castle nennt ihr jenes dort?
Aumerle.
Ja, Gnädigster Herr; wie findet Eure Majestät die Landluft, nach
den Beschwerlichkeiten der See?
König Richard.
Sie muß mir wol angenehm seyn--Freuden-Thränen erfüllen meine Augen,
da ich noch einmal wieder den Boden meines Königreichs betrete.
Theure Erde, ich umarme dich, obgleich Aufrührer dich mit den Hufen
ihrer Pferde verwunden. Wie eine lang von ihrem Kinde getrennte
Mutter, beym Wiedersehn lächelnd in zärtliche Thränen zerfließt, so
grüß' ich dich, zugleich weinend und lächelnd, meine Erde, und
drüke dich an meine Königliche Brust. O, nähre nicht deines Königs
Feind, holde Erde, und labe nicht mit deinen Erquikungen seinen
raubgierigen Muth: Sende die Schlangen, die deinen Gift in sich
saugen, und schwellende Kröten in ihren Weg, ihre verräthrischen
Füsse zu verwunden, die mit gewaltthätigen Tritten dich stampfen;
und wenn sie eine Blume von deinem Busen pflüken wollen, so
bewaffne sie, ich bitte dich, mit einer laurenden Natter, deren
zweygespizte Zunge den Tod in die Adern der Feinde deines Herrn
sprize. Spottet nicht, Milords, daß ich leblose Dinge beschwöre;
diese Erde wird ein Gefühl haben, und diese Steine werden zu
bewaffneten Kriegern werden, eh ihr gebohrner König unter den
Waffen schändlicher Empörer fallen soll.
Bischoff.
Fürchtet euch nicht, Gnädigster Herr; diese Gewalt, die euch zum
Könige schuf, hat Macht genug, euch troz aller Welt als König zu
erhalten. Aber wir müssen die Mittel ergreiffen, die uns der
Himmel anbietet.
Aumerle.
Seine Meynung ist, daß wir zu schläfrig sind, Gnädigster Herr, und
dem Bolingbroke Zeit lassen, durch unsre Sicherheit immer stärker
zu werden.
König Richard.
Untröstlicher Vetter, weißst du nicht, daß wenn das forschende Auge
des Himmels hinter unsrer Halbkugel verborgen ist und der Unterwelt
leuchtet, daß dann Diebe und Mörder ungesehn herumschleichen und
Räubereyen und blutige Gewalt verüben; aber sobald die
wiederkehrende Sonne die stolzen Gipfel der östlichen Hügel glühen
macht, und ihr Licht durch jede verbrecherische Gruft blizt, daß
dann Mord und Verrath und jede schändliche Sünde, aus der
Finsterniß schwarzem Mantel hervorgezogen, bloß und nakend da stehn,
und über sich selbst erzittern? So, wenn dieser Räuber, dieser
verräthrische Bolingbroke, der während dieser ganzen Nacht, da wir
unsern Lauf bey den Antipoden vollbrachten, ungestört
herumschwärmte, uns unsern Thron im Osten besteigen sehen wird,
werden seine Verräthereyen, in seinem schaamglühenden Angesicht
enthüllt, den Tag nicht ertragen können, der sie vor ihrer eignen
grauenvollen Gestalt erzittern machen wird. Alle Wasser der
ungestümen See sind nicht fähig, das geheiligte Öl von einem
gesalbten Könige wegzuwaschen; und der Athem sterblicher Menschen
kan denjenigen nicht entsezen, den der Herr zu seinem Statthalter
ernannt hat. Für einen jeden Mann, den Bolingbroke aufgetrieben
hat, sein Schwerdt gegen unsre Crone zu ziehen, hat der Himmel für
seinen Richard einen glorreichen Engel in himmlischem Sold, und wo
Engel fechten, da müssen schwache Menschen fallen.--
Dritte Scene.
(Salisbury zu den Vorigen.)
König Richard.
--Willkommen, Milord, wie weit ist eure Macht entfernt?
Salisbury.
Weder näher noch ferner als dieser schwache Arm, mein Gnädigster
Herr. Ich habe trostlose Zeitungen zu bringen. Ein einziger Tag
zu spät, hat alle deine glüklichen Tage auf Erden umwölkt. O ruffe
den gestrigen Tag zurük, befiehl der Zeit zurük zu kehren, und du
wirst zwölftausend streitbare Männer haben. Dieser Tag, dieser
einzige unglükselige Tag zu spät, vernichtet deine Freuden, deine
Freunde, dein Glük und deinen Stand. Alle Welschen, haben, auf die
Zeitung von deinem Tode, sich zerstreut, oder sind zu Bolingbroke
übergegangen.
Aumerle.
Fasset Muth, Gnädigster Herr, warum seht ihr so blaß aus?
König Richard.
Nur noch vor einem Augenblik triumphierte das Blut von
zwanzigtausend Mann in meinem Gesicht, und nun sind sie
verschwunden; und bis wieder so viel Blut dahin zurük kommt, hab'
ich nicht Ursach bleich und todtenhaft auszusehen? Die Zeit hat
meinen Stolz zuschanden gemacht, und wer seine Seele retten will,
flieht von meiner Seite.
Aumerle.
Beruhiget euch, Gnädigster Herr, erinnert euch, wer ihr seyd.
König Richard.
Ich hatte mich selbst vergessen: Bin ich nicht ein König? Erwache,
du schüchterne Majestät, du schläfst! Ist nicht des Königs Name
soviel als vierzigtausend Namen? Rüste, rüste dich, mein Name; ein
elender Unterthan dräuet deiner glänzenden Majestät. Seht nicht so
auf den Boden, ihr Günstlinge eines Königs! Sind wir nicht hoch?
Laßt es uns wenigstens in Gedanken seyn. Ich weiß, mein Oheim York
hat ein ansehnliches Heer zu unserm Dienst aufgebracht. Aber wer
kommt hier?
Vierte Scene.
(Scroop zu den Vorigen.)
Scroop.
Ein besseres Glük falle meinem Könige zu, als meine kummerbeladne
Zunge ihm ankündigen muß.
König Richard.
Mein Ohr ist offen, und mein Herz gerüstet; das schlimmste was du
sagen kanst, ist nur zeitlicher Verlust. Sagst du, mein Königreich
sey verlohren? Nun dann, es war meine Sorge; was für ein Verlust
ist es, seiner Sorgen entlediget zu werden? Strebt Bolingbroke so
groß zu werden als wir? Grösser kan er nicht werden; und wenn er
doch immer ein Unterthan des Himmels bleibt, so bin ich das auch,
und so bleibt er meines gleichen. Empören sich unsre Unterthanen?
Das können wir nicht ändern; sie brechen ihre Treue gegen Gott eben
sowol als gegen uns. Ruffe immerhin Weh, Jammer, Verwüstung, Fall,
Untergang; das schlimmste ist der Tod, und der Tod hat seinen
unvermeidlichen Tag.
Scroop.
Es erfreut mich, daß Eure Majestät so gerüstet ist, unglükliche
Nachrichten zu ertragen. Wie ein ungestümer stürmischer Tag, der
die Silberströme so hoch über ihre Ufer schwellen macht, als ob die
ganze Welt in Thränen zerflossen wäre: So hoch über alle Schranken
schwellt Bolingbroks Wuth, und bedekt euer geschrektes Land mit
hartem schimmerndem Stahl, und mehr als stählernen Herzen. Weisse
Bärte haben ihre nakten dünnbehaarten Schädel gegen deine Majestät
bewaffnet; Knaben mit Weiber-Stimmen bemühen sich grob zu reden,
und schmiegen ihre weiblichen Gelenke in unbiegsam Waffen gegen
deine Crone; ja selbst Kunkel-Weiber schwingen rostige Hellebarden.
Alte und Junge stehen gegen deinen Thron auf, und alles geht
schlimmer, als ich es auszusprechen vermag.
König Richard.
O nur zu gut, zu gut erzählst du eine so böse Geschichte. Wo ist
der Graf von Wiltschire? Was ist aus Buschy worden? Wo ist Green?
Daß sie den Feind so ruhig sich über unsre Grenzen haben
ausbreiten lassen? Wenn wir die Oberhand erhalten, so sollen ihre
Köpfe davor bezahlen. Ich zweifle nicht, sie haben ihren Frieden
mit Bolingbroke gemacht.
Scroop.
Sie haben Frieden mit ihm gemacht, in der That, Gnädigster Herr.
König Richard.
O Bösewichter, Vipern, verdammte Verräther! Hunde, die sich leicht
gewinnen lassen, einem jeden liebzukosen! Schlangen, die ich in
meinem Busen erwärmte, und die nun mein Herz durchstechen! Drey
Judasse, jeder dreymal ärger als Judas! Haben sie Frieden gemacht?
Die flammende Hölle bekriege ihre beflekten Seelen für diese
Schandthat!
Scroop.
Die süsseste Liebe wird, wie ich sehe, wenn sie ihre Natur ändert,
zu bitterstem und tödtlichstem Haß. Entlasset ihre Seelen wieder
euers Fluchs; sie haben ihren Frieden mit Köpfen gemacht, nicht mit
Händen; diejenigen, denen ihr fluchet, haben des Todes
gewaltthätige Hand gefühlt, und ligen tief in geweihtem Grund.
Aumerle.
Ist Buschy, Green, und der Graf von Wiltschire todt?
Scroop.
Ja, alle drey verlohren zu Bristol ihre Köpfe.
Aumerle.
Wo ist denn der Herzog, mein Vater, mit seinen Völkern?
König Richard.
O! Frage nicht wo er ist; und niemand rede mehr von Trost! Von
Gräbern laßt uns reden, von Würmern und Grabschriften; laßt uns den
Staub zu unserm Papier machen, und mit regnenden Augen unsern
Jammer auf den Busen der Erde schreiben. Laßt uns von Testamenten
reden, und unsre Ausrichter erwählen--doch nein--Was können wir
vermachen, als unsre abgelegte Leiber der Erde? Unsre Länder,
unser Leben, alles ist Bolingbroks, und wir können nichts unser
nennen als den Tod, und dieses Bißchen Erde, das unsre Gebeine
deken wird. Ums Himmels willen! laßt uns hier auf den Boden
niedersizen, und einander melancholische Geschichten vom Tod der
Könige erzählen; wie einige entsezt, andre im Krieg erschlagen
worden; andre von den Geistern derjenigen verfolgt, so sie aus dem
Wege geräumt hatten; andre von ihren Weibern vergiftet, andre im
Schlaf umgebracht, alle ermordet!--denn in der holen Crone, die
eines Königs sterbliche Schläfe umfaßt, hält der Tod seinen Hof; da
sizt das groteske Ungeheuer und spottet mit grinsendem Lächeln
seines Pomps, erlaubt ihm einen Athem-Zug, eine kleine Scene lang
zu herrschen, gefürchtet zu werden, und mit Bliken zu tödten,
lispelt ihm eitle schwülstige Gedanken ein, als ob das Fleisch,
worinn sein Leben eingeschlossen ist, unzerstörbares Metall sey;
und wann er ihn so bethört hat, kommt er zulezt, durchbort mit
einer kleinen Steknadel seine Schläfe, und gute Nacht König!--
Bedekt eure Häupter, und verspottet nicht Fleisch und Blut mit
feyrlicher Ehrerbietung; werfet Ehrfurcht, Titel, Ceremoniel, und
alle diese Zeichen der Unterwürfigkeit weg; ihr habt mich diese
ganze Zeit her mißkannt. Ich lebe von Athem wie ihr, ich habe
Bedürfnisse wie ihr, fühle Schmerzen, habe Freunde vonnöthen, wie
ihr; so abhängig, wie ich also bin, wie könnt ihr mir sagen: ich
sey ein König?
Bischoff.
Gnädigster Herr, weise Männer bejammern niemals ihre gegenwärtigen
Übel, sondern kommen gegenwärtig den Übeln zuvor, die sie künftig
bejammern müßten. Den Feind fürchten, giebt, da die Furcht die
Stärke schwächt, dem Feind einen Zuwachs von Stärke in unsrer
Schwäche, und so haben wir an unsrer eignen Thorheit einen Feind
mehr. Fürchtet euch, so seyd ihr geschlagen; kan es euch schlimmer
gehen, wenn ihr euch wehret? Fechtet ihr und kommt um, so sterbt
ihr doch edler, als wenn ihr aus Zagheit umkommt.
Aumerle.
Mein Vater hat Truppen; schiket nach ihm, und lernet aus einem
Gliedmaß einen Leib machen.
König Richard.
Du beschiltst mich mit Recht. Stolzer Bolingbroke, ich komme, um
durch Streiche deinen oder meinen lezten Tag zu entscheiden.
Dieser fiebrische Schauer von Furcht ist vorüber; es ist eine
leichte Arbeit zu gewinnen was unser eigen ist. Sage, Scroop, wo
ligt unser Oheim mit seiner Macht? Antworte etwas besseres, als
deine düstern Blike versprechen.
Scroop.
Wol mögt ihr aus meinen düstern und kummerbeladnen Augen urtheilen,
daß meine Zunge noch eine bösere Zeitung zu erzählen hat, wie man
aus der Beschaffenheit des Himmels auf das heitre oder ungestüme
Ende eines Tages zu schliessen pflegt. Ich mache den Peiniger,
indem ich das ärgste was ich sagen muß, in die Länge ziehe. Euer
Oheim York hat sich mit Bolingbroke vereiniget, alle eure
Nordischen Schlösser sind übergeben, und aller euer südlicher Adel
ist in Waffen auf seiner Parthey.
König Richard.
Du hast genug gesagt. Wehe dir, Vetter, daß du mich von diesem
guten Weg, worauf ich war, in Verzweiflung geführt hast. Was sagt
ihr izt? Was für Hoffnung haben wir nun? Beym Himmel! ich hasse
den auf ewig, der mir zumuthen will, noch etwas zu hoffen. Geht
nach Flint-Castle, dort will ich mich ungestört dem Gefühl meines
Jammers überlassen. Entlasset die Mannschaft die ich noch habe,
laßt sie zu demjenigen gehen, der Hoffnung hat zu steigen. Ich
habe keine mehr. Wende mir niemand etwas gegen diß ein; aller Rath
ist umsonst.
Aumerle.
Nur ein Wort, Gnädigster Herr--
König Richard.
Schmeicheleyen in solchen Umständen worinn ich bin, machen meine
Wunden nur tiefer. Entlaßt meine Leute; laßt sie gehen, laßt sie
aus Richards Nacht in Bolingbroks aufgehenden Tag.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Bolingbroks Lager bey Flint.)
(Ein Aufzug mit Trummeln und Fahnen, Bolingbroke, York,
Northumberland und Gefolge treten auf.)
Bolingbroke.
Diese Nachricht belehrt uns also, daß die Welschen zerstreut sind,
und daß Salisbury dem Könige entgegengegangen ist, der mit einer
kleinen Anzahl von Freunden kürzlich an dieser Küste angeländet ist.
Northumberland.
Die Zeitung ist schön und gut, Milord; Richard hat sein Haupt nicht
weit von hier verborgen.
York.
Es würde dem Lord Northumberland nicht übel anstehen, zu sagen,
König Richard. O! des unglüklichen Tags, da ein geheiligter König
sein Haupt verbergen muß!
Northumberland.
Euer Gnaden nimmt mir's anders auf als es gemeynt war; ich ließ
seinen Titel nur aus, um kürzer zu seyn.
York.
Es war eine Zeit, wo ich es euch nicht gerathen haben wollte, so
kurz mit ihm zu seyn, wenn es euch nicht gleichgültig gewesen, daß
er es so sehr mit euch sey, um euch eure ganze Kopfslänge kürzer zu
machen.
Bolingbroke.
Nehmet seinen Ausdruk nicht übler auf als recht ist, mein Oheim.
York.
Und nehmet ihr nicht mehr als recht ist, mein guter Neffe; oder ihr
vergeßt zulezt, daß der Himmel über euerm Haupt ist.
Bolingbroke.
Ich weiß es, mein Oheim, und widerseze mich seinem Willen nicht.
Wer kommt hier? (Percy zu den Vorigen.) Willkommen, Harry! Wie?
Will sich dieses Schloß noch nicht ergeben?
Percy.
Das Schloß ist gegen euern Einzug königlich bemannt, Milord.
Bolingbroke.
Königlich? Wie, enthält es denn einen König?
Percy.
Ja, Milord, es enthält einen König; König Richard ligt innert dem
Bezirk von jenem Leim und Stein, und bey ihm Lord Aumerle, Lord
Salisbury, Sir Stephan Scroop, und noch ein Geistlicher von
heiligem und ehrfurchtwürdigem Ansehn, dessen Name ich nicht
erfahren konnte.
Northumberland.
Vermuthlich der Bischoff von Carlisle.
Bolingbroke (zu Northumberland.)
Mein edler Lord, geht vor die Mauren dieses alten Schlosses,
fordert durch die eherne Stimme der Trompete eine Unterredung, und
sprecht so: Heinrich von Bolingbroke küsse auf seinen Knien König
Richards Hand, und sende ihm die Versicherung seiner
Unterthänigkeit und aufrichtigen Treue gegen seine Königliche
Person; sagt ihm, ich sey in dem nemlichen Augenblik bereit, meine
Waffen und Völker zu seinen Füssen niederzulegen, in welchem er mir
die Widerruffung meiner Landes-Verweisung und die Wieder-Einsezung
in meine Güter freywillig garantiren wolle; wo nicht, so werde ich
mich des Vortheils meiner Macht bedienen, und den Sommer-Staub mit
Regen von Blut legen, die aus den Wunden erschlagner Engländer sich
ergiessen sollen. Wie entfernt aber von Bolingbroks Herzen der
Gedanke sey, daß ein solch blutiges Ungewitter den frischen grünen
Schooß von König Richards Land überschwemmen solle, davon könne ihn
meine Mäßigung und Entfernung von allem pflichtwidrigen Gebrauch
meiner Obermacht überzeugen. Geht, erklärt ihm dieses, indessen
daß wir ohne das Getöse drohender Trummeln über diese Ebne
fortziehen, damit unser Betragen, von den zerfallnen Zinnen dieses
Schlosses beobachtet, die Wahrheit unsrer Erklärung bekräftige.
Mich däucht, König Richard und ich sollten uns mit nicht mindern
Schreknissen begegnen, als die Elemente des Feuers und des Wassers,
wenn ihr donnernder Zusammenstoß die bewölkten Wangen des Himmels
mit Thränen badet. Ist er das Feuer, so will ich das nachgiebige
Wasser seyn; er mag rasen, indeß daß ich meine Wasser auf die Erde
regne; auf die Erde, nicht auf ihn. Nähert euch den Mauren--Milord,
und beobachtet die Fassung des Königs genau.
Sechste Scene.
(Aufforderung von aussen, Antwort von innen; Trompeten-Klang,
König Richard, Bischoff von Carlisle, Aumerle, Scroop und Salisbury
kommen auf die Mauren.)
York.
Seht, seht, der König tritt selbst hervor, gleich dem von Unmuth
erröthenden Phöbus, wenn er, aus der glühenden Pforte des Morgens
hervorgehend, neidische Wolken gewahr wird, die sich vereiniget
haben, seinen Glanz zu verhüllen, und die Pracht seines
schimmernden Zugs nach Westen zu verdunkeln. Und doch sieht er wie
ein König; seht, wie sein Auge, glänzend wie eines Adlers,
herrschende Majestät um sich her blizt. O beweinenswürdig, daß
eine so schöne Gestalt durch irgend einen Unfall entstellt werden
soll.
König Richard (zu Northumberland.)
Wir befremden uns, und stehen schon lange hier, auf die
ehrfurchtvolle Beugung deiner Knie zu warten, indem wir uns selbst
für deinen gesezmäßigen König hielten; und sind wir's, wie dürfen
sich deine Gelenke vergessen, den schuldigen Tribut der
Unterthänigkeit unsrer Gegenwart zu bezahlen? Sind wir's aber
nicht, so zeige uns die Hand Gottes, die uns unsrer
Statthalterschaft entlassen hat. Denn das wissen wir, daß keine
Hand von Blut und Knochen, ohne Entweihung, Diebstal und Verrath,
nach unserm geheiligten Scepter greiffen kan. Und ob ihr gleich
denkt daß alle von uns abgefallen, und wir allein und von Freunden
entblößt gelassen seyen, so sollt ihr doch wissen, der Allmächtige,
mein Herr, mustert um euertwillen Heere von Plagen in seinen Wolken,
die euch treffen werden, euch, die ihre Vasallen-Hände gegen mich
aufgehoben und der Majestät meiner Crone gedräuet haben, euch, und
eure noch ungebohrnen Kinder. Sagt dem Bolingbroke, (denn dort,
däucht mich, ist er,) daß ein jeder Schritt den er in meinem Lande
macht, Hochverrath ist--Er ist gekommen, das purpurne Testament des
blutigen Kriegs zu öffnen; aber eh die Crone, nach der er strebt,
ruhig auf sein Haupt herabsteigen wird, sollen zehentausend blutige
Cronen von Mutter-Söhnen die Blume von Englands Antliz entstellen,
die Farbe ihres jungfräulich-blassen Friedens in feurigen Grimm
verwandeln, und ihre fetten Weiden mit getreuem Englischem Blut
bethauen.
Northumberland.
Der König des Himmels verwehre, daß unser Herr, der König, so mit
bürgerlichen und unbürgerlichen Waffen angefallen werden solle!
Nein, dein edler Vetter, Heinrich von Bolingbroke, küßt voll
Ehrfurcht deine Hand, und schwört, bey dem ehrenvollen Grabmal, das
auf euers beydseitigen Ahnherrn königlichen Gebeinen ruht, bey der
geheiligten Quelle euers gemeinschaftlichen Bluts, und bey der
Helden-Hand seines verstorbnen Vaters, und bey seiner eignen Würde
und Ehre schwört er, daß seine Ankunft keinen andern Zwek hat, als
die Besiznehmung von seinen eignen Gerechtsamen und Gütern, deren
Zurükgab er auf seinen Knien erbittet. Wird bey euerm Königlichen
Wort ihm nur dieses zugestanden, so will er seine blinkenden Waffen
dem Rost überlassen, seine langmähnichten Rosse den Ställen, und
sein Herz dem getreuen Dienst Eurer Majestät. Diß schwört er, so
wahr er ein Prinz ist, und so wahr ich ein Edelmann bin, glaub' ich
seinen Schwur.
König Richard.
Northumberland, sag' ihm, so antwortet der König: Sein edler Vetter
ist sehr willkommen, und alle seine Forderungen, so viel ihrer seyn
mögen, sollen ohne Widerspruch zugestanden seyn. Sag' ihm in
unserm Namen so viel verbindliches und freundschaftliches, als du
nur immer kanst.--
(zu Aumerle.)
Wir erniedrigen uns, Vetter, nicht wahr, da wir so armselig
aussehen, und so gute Worte geben? Sollen wir Northumberland zurük
ruffen, den Verräther herausfordern lassen, und so sterben?
Aumerle.
Nein, Gnädigster Herr, bis die Zeit uns Freunde leiht, und unsre
Freunde ihre Schwerdter, bleibt uns nichts übrig als mit Worten zu
fechten.
König Richard.
O Gott! o Gott! daß diese meine Zunge, die das Urtheil der
Verbannung über jenen stolzen Mann ausgesprochen, dahingebracht
seyn soll, es mit liebkosenden Worten zurükzunehmen! o daß ich so
groß wäre als mein Schmerz, oder kleiner als mein Name; O daß ich
vergessen könnte was ich gewesen bin, oder nicht fühlte was ich izt
bin! Schwillst du auf, stolzes Herz? Ich gebe dir alle Freiheit,
schlage wie du willt, da meine Feinde die Freyheit haben, dich und
mich zu schlagen.
Aumerle.
Northumberland kommt von Bolingbroke zurük.
König Richard.
Was muß der König noch mehr thun? Muß er sich unterwerfen? Der
König soll es thun. Muß er abgesezt werden? Der König soll sich's
gefallen lassen. Muß er auch dem Namen eines Königs entsagen? In
Gottes Namen, es sey so. Ich will meine Juweelen für einen
Rosenkranz geben, meinen Palast für eine Einsiedeley, meine
schimmernden Kleider für einen Bettlers-Mantel, mein goldnes
Geschirr für einen hölzernen Teller; meinen Scepter für einen
Pilgrims-Stab, meine Unterthanen für ein Paar geschnizte Heilige,
und mein grosses Königreich für ein kleines Grab; ein kleines,
kleines Grab--ein dunkles Grab!--Oder ich will auf des Königs
Landstrasse begraben werden, auf einem ungangbaren Weg, wo meiner
Unterthanen Füsse stündlich auf ihres Königs Haupt trappen mögen;
denn auf mein Herz treten sie, da ich noch lebe; warum nicht auf
mein Haupt, wenn ich begraben bin?--Aumerle, du weinst? Mein
weichherziger Vetter! Wir wollen böses Wetter mit unsern
verachteten Thränen machen; unsre Seufzer und Thränen sollen das
Sommer-Korn legen, und eine Theurung in dieses rebellische Land
bringen. Oder wollen wir uns aus unserm Jammer eine Kurzweile
machen? Irgend ein artiges Spiel aus unsern fliessenden Thränen?
Als etwann, sie so lange an den nemlichen Ort tropfen zu lassen,
bis sie uns ein paar Gräber in die Erde eingefressen haben; und
wenn wir da ligen--Hier ligen zween Freunde, die sich ihr Grab mit
ihren Thränen gegraben haben. Würde uns das unser Elend nicht
versüssen? Wohl, wohl, ich sehe, ich rede phantastisch, und ihr
lachet über mich. Großmächtigster Prinz, Milord Northumberland,
was sagt der König Bolingbroke? Will seine Majestät dem Richard
erlauben zu leben, bis Richard stirbt? Ihr macht einen Scharr-Fuß,
und Bolingbroke sagt, ja.
Northumberland.
Gnädigster Herr, er wartet in dem Hofe, mit euch zu reden; gefällt
es euch herunter zu kommen?
König Richard.
Herunter, herunter komm ich, wie der schimmernde Phaeton, da er die
unbändigen Sonnen-Pferde nicht zu regieren wußte. In den Hof
herunter, ein König in den Hof herunter, auf den Ruf eines
Verräthers, um ihm seine Begnadigung zu geben. Herunter dann,
König, herunter!