William Shakespear

Leben und Tod Königs Richard des zweyten
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König Richard.
Ritt er auf meinem Barber?  Sag mir, mein guter Freund, wie gieng
er unter ihm?

Stalknecht.
So stolz, als ob er den Boden aus Verachtung nicht berühren wolle.

König Richard.
So stolz, weil er Bolingbrok auf seinem Rüken hatte?  Die
Schindmähre hat Brodt aus meiner königlichen Hand gefressen; diese
Hand hat ihn so oft durch streicheln stolz gemacht.  Und er
stolperte nicht?  Er fiel nicht, und brach diesem übermüthigen Mann
den Hals, der seinen Rüken usurpirte?  Um Vergebung, du gutes Pferd!
du verdienst mein Schelten nicht; du warst dazu geschaffen, dem
Menschen unterthan zu seyn, und zum Tragen gebohren.  Ich war zu
keinem Pferd gemacht, und doch trag' ich die Last eines Esels, und
lasse mich von dem trottenden Bolingbroke mit Sporrn zerfleischen
und zuschanden reiten.



Zwölfte Scene.
(Ein Hüter mit einer Schüssel, zu den Vorigen.)


Hüter.
Kerl, mach' Plaz, du darfst nicht länger bleiben.

(Zum Stallknecht.)

König Richard.
Wenn du mich liebst, so ist es Zeit, daß du gehst.

Hüter.
Milord, beliebt es euch zu essen?

König Richard.
Kost' es vorher, wie du gewohnt bist.

Hüter.
Milord, ich darf nicht; Sir Pierce von Exton, der kürzlich auf des
Königs Befehl hieher gekommen ist, hat mir's verboten.

König Richard.
Der Teufel hole Heinrichen von Lancaster und dich!  Die Geduld geht
mir aus.

(Er schlägt den Hüter.)

Hüter.
Hülfe, Hülfe, Hülfe!--(Exton und Bediente zu den Vorigen.)

König Richard.
Wie?  was soll das bedeuten?  Kommt ihr mich zu ermorden?--
Unglükseliger, stirb durch dein eignes Schwerdt!

(Er reißt einem sein Schwerdt aus der Hand und stoßt ihn nieder.)

Geh du und füll' einen andern Plaz in der Hölle aus,

(er tödtet noch einen; Exton schlägt ihn mit einem Streich zu Boden,
)

diese Hand soll in unauslöschlichem Feuer brennen die mit des
Königs Blut des Königs eignes Land befleket hat!--Erheb' erhebe
dich, meine Seele, einen himmlischen Thron einzunehmen, indem mein
sterblicher Theil zur Erde sinkt.

(Er stirbt.)

Exton.
So voll von Tapferkeit als königlichem Blut!  Und dieses hab' ich
nun vergossen!  O wie wollt ich, daß diese That gut wäre!  Aber der
Teufel, der mir sagte, ich thue recht, sagt izt, daß sie in die Tag-
Bücher der Hölle eingeschrieben ist.  Ich will nun diesen todten
König zu dem lebenden tragen; ihr, schleppt die übrigen fort, und
sorgt, daß sie hier begraben werden.

(Sie gehen ab.)



Dreyzehnte Scene.
(Verwandelt sich in den Hof zu Windsor.)
(Trompeten; Bolingbroke, York, Lords und Gefolge treten auf.)


Bolingbroke.
Mein geliebter Oheim York, die neueste Nachricht die wir haben, ist,
das die Rebellen unsre Stadt Cicester in Glocesterschire in Brand
gestekt haben; aber wir hören nicht, ob sie geschlagen oder
gefangen worden--
(Northumberland zu den Vorigen.) Willkommen, Milord, was bringt
ihr neues?

Northumberland.
Zuerst wünsch' ich deiner geheiligten Person und Regierung
vollkommne Glükseligkeit; die nächste Zeitung ist, daß ich die
Köpfe von Salisbury, Spencer, Blunt und Kent nach London geschikt
habe.  Die Umstände ihrer Gefangennehmung sind aus diesem Papier
ausführlich zu ersehen.

Bolingbroke.
Wir danken dir, werther Percy, für deine Mühe, und werden deine
Verdienste nach Würden zu belohnen wissen.  (Fizwater zu den
Vorigen.)

Fizwater.
Gnädigster Herr, ich habe die Köpfe von Broccas und Sir Bennet
Seely von Oxford nach London geschikt, von zween jener zusammen-
verschwornen Verräther, die eure Majestät zu Oxford zu unterdrüken
suchten.

Bolingbroke.
Deine Bemühungen und Verdienste sollen nicht vergessen werden,
Fizwater; ich weiß und schäze ihren Werth.  (Percy und der Bischoff
von Carlisle zu den Vorigen.)

Percy.
Das Haupt der Zusammen-Verschwornen, der Abbt von Westmünster, hat,
von Schwermuth und Gewissens-Bissen erdrükt, seinen Leib dem Grab
abgetreten; aber hier ist Carlisle, der euerm königlichen Urtheil
über sein Verbrechen sich unterwirft.

Bolingbroke.
Carlile, diß ist dein Urtheil; wähle dir irgend eine stille
geheiligte Freystädte aus, und geniesse darinn deines Lebens; und
so wie du in Ruhe leben wirst, sollst du ruhig sterben: Ob du
gleich immer mein Feind warest, so ehr' ich doch deine Tugend.
(Exton tritt mit einem Sarg auf.)

Exton.
Grosser König, in diesem Sarg überliefre ich dir deine begrabne
Besorgnisse.  Hierin ligt athemlos der gröste von deinen Feinden,
Richard von Bourdeaux, von mir hieher gebracht.

Bolingbroke.
Exton, ich danke dir nicht; deine fatale Hand hat Schmach und Fluch
über mein Haupt, und über dieses ganze ruhmvolle Land gebracht.

Exton.
Aus euerm eignen Munde, Gnädigster Herr, that ich diese That.

Bolingbroke.
Man kan Gift nöthig haben, aber man liebt es nicht, und ich dich
eben so wenig; ob ich ihn gleich todt wünschte, so haß ich doch den
Mörder, und liebe nun den Ermordeten.  Nimm du die Schuld eines
bösen Gewissens für deine Mühe, aber weder meinen Beyfall noch
meine Gnade.  Geh, wandre wie Cain durch den Schatten der Nacht,
und zeige nie dem Tag dein verabscheutes Antliz.  Milords, ich
schwöre euch, meine Seele ist bekümmert, daß Blut mich besprengen
soll, damit ich wachsen möge.  Kommt, leget die Farbe der
kummervollen Traurigkeit an.  Ich will einen Zug in das gelobte
Land thun, um dieses Blut von meiner schuldigen Hand abzuwaschen.
Folget mir in stillschweigender Trauer, und weinet mit mir über
dieser unzeitigen Baare.

(Sie gehen alle ab.)



des zweyten, von William Shakespeare (Übersetzt von Christoph
Martin Wieland).
                
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