William Shakespear

König Heinrich der vierte Der Erste Theil
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Lady.
Wie?  In so weit?

Hot-Spur.
Nicht einen Zollbreit mehr.  Aber hörst du, Käthe, wohin ich gehe,
sollt du auch gehen.  Heute will ich abreisen, und morgen sollst du
mir folgen.  Bist du nun zufrieden, Käthe?

Lady.
Ich muß wohl.

(Sie gehen ab.)



Siebende und achte Scene.
(Der Schauplaz verwandelt sich in das Wirthshaus zum Bären-Kopf in
East-Cheap.)
(Ein paar unübersezliche Scenen, im Geschmak der trübsten Hefen
der pöbelhaftesten Canaille, zwischen dem Prinzen Heinrich, Poins,
Franz, dem Kellerjungen, und dem Wirth.  Folgende Stelle ist das
Beste davon.)


Prinz Heinrich.
Ich hab, glaub' ich, auf einmal alle Launen im Leibe, die jemals
Launen gewesen sind, seit den alten 'Tagen des guten Großvater
Adams bis auf das Säuglings-Alter dieser gegenwärtigen zwölften
Stunde Mitternachts.  Und doch bin ich nicht von Percy's Humor,
dieses Eisenfressers aus Norden, der mir sechs oder sieben Duzend
Schotten zum Frühstük todt schlägt, und wascht dann seine Hände,
und sagt zu seiner Frauen: Der Henker hole dieses ruhige Leben!
Ich habe ja nichts zu thun.  "O mein süsser Harry", sagt sie dann,
"wie viele hast du heute todt geschlagen?" Gebt meinem Rothschimmel
zu trinken, sagt er, und antwortet ihr eine Stunde drauf ganz
kaltsinnig, ihrer vierzehn, oder so was, eine Kleinigkeit--Ich
bitte dich, ruf mir den Falstaff herein; ich will den Percy machen,
und der verdammte Schweinsbraten soll die Dame Mortimer, sein Weib,
agiren.  Ruft den Schmeer-Bauch herein!



Neunte Scene.
(Falstaff, Gadshill, Bardolph und Peto zu den Vorigen.)


Poins.
Willkommen, Jak; wo bist du gewesen?

Falstaff.
Daß die schwere Noth alle feige Memmen, sag ich, und die Kränke
oben drauf; und Amen!  Gieb mir ein Glas Sect, Junge--Eh ich diese
Lebensart fortseze, will ich Fuß-Soken nähen, und sie wieder fliken,
wenn sie brechen.  Daß die Pestilenz alle feige Memmen!  Gieb mir
ein Glas mit Sect, Schurke.  Ist denn keine Tugend mehr in der Welt?

(Er trinkt.)

Prinz Heinrich.
Hast du den Titan nie ein Stük Butter küssen gesehen?  und wie es
von den zärtlichen Sachen, die er ihm sagte, wegschmolz?  Wenn du's
gesehen hast, so sieh' diese Composition.

Falstaff.
Ihr Galgenschwengel, hier ist ja Kalk* in diesem Sect; es ist doch
nichts als Schelmerey in spizbübischen Leuten; aber eine Memme ist
noch ärger als ein Glas Sect worinn Kalk ist.  Eine nichtswürdige
Memme!--Geh deines Wegs, alter Jak, stirb wenn du willt; wenn
Tapferkeit, wahre Tapferkeit nicht auf dem ganzen Erdenrund
vergessen ist, so bin ich ein Pikling.  Es leben nicht drey brave
Männer ungehangen in England, und einer von ihnen ist fett, und
wird, Gott helf ihm, nach gerade alt--eine böse Welt, sag ich!  Ich
wollt' ich wär' ein Weber**; ich könnte Psalmen singen, und Lieder
wie man's haben wollte.  Daß die Pestilenz alle Memmen, sag ich!

{ed. * Sir Richard Hawkins, einer von der Königin Elisabeth
See-Capitains, sagt in seinen Reisen S. 379: "Seitdem die
Spanischen Secte in unsern Wirtshäusern so gemein sind, die in der
Zubereitung mit Kalk vermischt werden, um sich länger zu erhalten,
beklagt sich unsre Nation über Stein, Wassersucht, und eine
Menge andrer Krankheiten, von denen wir nichts wußten, eh der
Gebrauch dieser Weine so sehr überhand nahm.  Ausserdem vergeht
kein Jahr, daß nicht zwey Millionen Cronen dafür aus unserm Lande
gehen etc." Dieses leztere war in der That ein wesentliches Übel.
Aber daß Kalk den Stein verursachen soll, muß wohl nur ein
Vorurtheil des guten ehrlichen alten Mannes gewesen seyn, indem in
einem weit weisern Alter ein altes Weib ihr Glük damit gemacht hat,
uns zu zeigen, daß Kalk eine Arzney gegen den Stein sey.  Warburton.}

Prinz Heinrich.
Was giebts, Wollsak!  was brummt ihr?

Falstaff.
Ein Königs-Sohn?  Wenn ich dich nicht mit einem Dolch von einem
Span aus deinem Königreich hinaus jagen, und alle deine Unterthanen
wie eine Heerde wilder Gänse vor dir her treiben will, so will ich
meine Tage kein Haar mehr an meinem Kinn tragen.  Ihr, Prinz von
Wales?

Prinz Heinrich.
Wie, du H**sohn von einem diken Flegel, was hast du denn?

Falstaff.
Seyd ihr nicht eine Memme?  Antwortet mir auf das, und Poins hier?

Prinz Heinrich.
Du Wanst, wenn du mich eine Memme nennst, so bist du des Todes.

Falstaff.
Ich hätte dich eine Memme geheissen?  Eh will ich dich zur Hölle
gehen sehen, eh ich dich eine Memme heissen wollte; aber tausend
Pfund wollt' ich drum geben, wenn ich so geschwinde lauffen könnte,
wie du.  O!  was das betrift, eure Schultern habt ihr so gerad als
ihr's wünschen könnt, ihr bekümmert euch nichts darum, euern Rüken
sehen zu lassen.  Nennt ihr das, euern Freunden den Rüken deken?
Daß die Pest ein solches Rükendeken hätte!  Gebt mir ein Glas Sect.
Ich will eine H** seyn, wenn ich heute noch einen Tropfen
getrunken habe.

Prinz Heinrich.
O du Schurke!  du hast ja dein Maul kaum abgewischt, seitdem du das
leztemal getrunken hast.

Falstaff.
Das ist all eins.

(Er trinkt.)

Daß die Pest alle feige Memmen, dabey bleib ich!

Prinz Heinrich.
Was willt du denn damit?

Falstaff.
Was ich damit will?  hier sind unser vier, die diesen Morgen
tausend Pfund geraubt haben.

Prinz Heinrich.
Wo ist das Geld?  Wo ist es?

Falstaff.
Wo es ist?  Zum T** ist es, genommen ist es uns worden; ihrer
hundert gegen uns arme viere.

Prinz Heinrich.
Was sagst du, ihrer hundert?

Falstaff.
Ich will ein H*f*t seyn, wenn ich mich nicht zwey Stunden lang mit
einem Duzend von ihnen herumgehauen habe.  Es ist ein Mirakel, daß
ich davon gekommen bin.  Ich bin achtmal durch mein Wamms gestossen
worden, viermal durch die Hosen, mein Schild ist durch und durch
gehauen, und mein Schwerdt hat Scharten wie eine Hand-Säge, (ecce
signum.) Ich habe mich nie besser gehalten, seitdem ich ein Mann
bin.  Hätten's andre auch so gemacht!  Daß sie die Pest, die Memmen!
--Laßt sie reden; wenn sie mehr oder weniger sagen als wahr ist, so
sind sie Schurken, und Kinder der Finsterniß.

Prinz Heinrich.
Redet, ihr Herren, wie gieng es dann her?

Gadshill.
Wir vier machten uns an ihrer zwölf ungefehr--


Falstaff.
Sechszehn wenigstens, Milord.

Gadshill.
Und banden sie.

Peto.
Nein, nein, gebunden wurden sie nicht.

Falstaff.
Du Raker, sie wurden gebunden, einer nach dem andern; wenn's nicht
so ist, so will ich ein Jude seyn, ein hebräischer Jude.

Gadshill.
Wie wir nun theilten, so überfielen uns sechs oder sieben frische
Männer.

Falstaff.
Und banden die andern los, und da kamen die übrigen.

Prinz Heinrich.
Wie?  Fochtet ihr dann mit ihnen allen?

Falstaff.
Mit Allen?  Ich weiß nicht was ihr Alle nennt; aber wenn ich nicht
wenigstens mit fünfzig von ihnen fochte, so will ich ein Büschel
Rettiche seyn.  Wenn ihrer nicht zwey oder drey und fünfzig an dem
armen alten Jak waren, so sey ich keine zweybeinichte Creatur.

Poins.
Der Himmel verhüte, daß ihr keine von ihnen ermordet habt!

Falstaff.
Gut, das kan er nun nicht mehr verhüten.  Ich habe zween von ihnen
gepfeffert; zween, das kan ich sagen, hab' ich bezahlt, zween in
Schetter-Röken.  Ich will dir was sagen, Hal; wenn ich dich anlüge,
so spey' mir ins Gesicht, nenn' mich einen Gaul; du kennst meine
alte Manier im parieren; so lag ich, und so führt ich meine Klinge;
vier Schurken in Schetter fielen über mich her, wie gesagt.

Prinz Heinrich.
Was, viere?  Du sagtest eben, es seyen nur zween gewesen.

Falstaff.
Viere, Hal, viere sagte ich.

Poins.
Ja, ja, er sagte viere.

Falstaff.
Diese viere fielen mich alle von vornen an, und stiessen tapfer auf
mich zu; aber ich machte nicht viel Federlesens, sondern faßte auf
einmal alle ihre sieben Klingen mit meinem Schild auf; so--


Prinz Heinrich.
Sieben?  Es waren ihrer ja nur viere diesen Augenblik.

Falstaff.
In Schetter.

Poins.
Ja, ja, vier in Schetter-Röken.

Falstaff.
Sieben, bey meinem Bauch, oder ich bin ein H*f*t.

Prinz Heinrich (leise zu Poins.)
Ich bitte dich, laß ihn machen, es werden noch mehr draus werden.

Falstaff.
Hörst du mich, Hal?

Prinz Heinrich.
Ja, und versteh dich auch, Jak.

Falstaff.
Gut, gut, es ist auch werth daß man aufhorche; diese neun Kerle in
Schetter, wovon ich dir sagte--

Prinz Heinrich.
So, schon wieder zween mehr--

Falstaff.
Wie sie sahen, daß ihre Klingen abgebrochen waren, fiengen sie an
zurük zu weichen; aber ich gieng ihnen mit Händen und Füssen zu
Leibe, und in einem Gedanken, lagen sieben von eilfen im Gras.

Prinz Heinrich.
Das ist entsezlich.  Eilf Männer von Schetter aus zween!

Falstaff.
Aber da führte mir der T** drey mißgezeugte Schurken in Kendal-Grün
auf den Rüken, die auf mich zuwalkten; denn es war so dunkel, Hal,
daß du deine Hand nicht hättest sehen können--

Prinz Heinrich.
Diese Lügen sind so dik und fett als du selbst bist.  Wie, du
kleyen-hirnichter Wanst, du H**sohn von einem unflätigen,
schmuzigen Schmeer-Bauch--

Falstaff.
Wie?  Bist du toll, bist du toll?  Ist es nicht die Wahrheit, die
Wahrheit?

Prinz Heinrich.
Wie konntest du denn sehen, daß diese Leute in Kendal-Grün gekleidt
waren, wenn es so dunkel war, daß du deine Hand nicht sehen
konntest?  Komm, laß sehen wie du das machtest; was sagst du hierzu?

Poins.
Nun, Jak, wie machtet ihr das, sagt einmal.

Falstaff.
Wie, ihr wollt's mit Gewalt wissen, mit Gewalt?  Nein, und wenn ich
auf dem Strappado wäre, oder auf allen Foltern der ganzen Welt, ich
wollt' euch nichts sagen, wenn ihr's mit Gewalt wissen wolltet.

Prinz Heinrich.
Es ist Zeit dem Spaß ein Ende zu machen.  Wißt also, diese
blutreiche Memme hier, dieser Bett-Druker, dieser Pferd-Rüken-
Brecher, dieses Gebürge von Fleisch--

Falstaff.
Weg mit euch, ihr Hunger-Darm, ihr Aal-Haut, ihr dürre Kalbs-Zunge,
ihr Ochsen-Ziemer, ihr Stok-Fisch--O wenn ich nur einen längern
Athem hätte!--Was ist dir noch mehr ähnlich?  Ihr Ellen-Maaß, ihr
Fiddelbogen-Futteral, ihr langer Rauf-Degen--

Prinz Heinrich.
Gut, verschnauffe eine Weile, und fahre hernach fort; und wenn du
dich in niederträchtigen Gleichnissen erschöpft hast, so höre mich
nur dieses sagen.

Poins.
Horch auf, Jak.

Prinz Heinrich.
Wir beyde sahen euch viere ihrer viere angreifen, ihr bandet sie,
und bemeistertet euch ihrer Baarschaft; nun gebt Achtung wie es
weiter gierig.  Wir beyde fielen hierauf über euch viere her,
jagten euch auseinander, und nahmen euch eure Beute weg; so ist's
und wir können sie euch hier im Hause zeigen.  Und ihr, Falstaff,
ihr trugt eure Kutteln so leicht weg, mit einer so behenden
Hurtigkeit, und brülltet so kläglich um Gnade, und renntet und
brülltet in einem fort, so gut als ich jemals ein Stierkalb brüllen
hörte.  Was für ein Sclave bist du, deinen Degen so zu zerhaken wie
du gethan hast, und dann zu sagen, es sey vom Fechten gekommen?
Was für eine Ausflucht, was für eine Lüge, was für eine Höle kanst
du ausfündig machen, dich vor dieser offenbaren, unläugbaren
Schande zu verbergen?

Poins.
Komm, laß es uns hören, Jak.  Wie willst du dir nun hinaushelfen?

Falstaff.
Bey G**, ich kannte euch so gut, als der so euch gemacht hat.  Wie,
hört ihr, meine Herren, hätt' ich den präsumtiven Erben umbringen
sollen?  Hätt' ich meine Hand an den Cron-Prinzen legen sollen?
Wie, du weißst, daß ich so tapfer als Hercules bin; aber der
Instinct hielt mich dißmal zurük; der Löwe greift niemals den Cron-
Prinzen an: Der Instinct ist ein mächtiges Ding.  Aus Instinct ward
ich eine Memme, und ich werde mein Lebenlang deßwegen von dir und
mir nur eine desto bessere Meinung haben; denn das beweißt
unleugbar, daß ich ein tapfrer Löwe bin, und daß du der ächte Cron-
Prinz bist.  Aber, bey G**, Jungens, es freut mich, daß ihr das
Geld habt--Wirthin!  riegle die Thüre; wache die Nacht durch, und
bete Morgens.  Hey da, ihr lustigen Brüder, Jungens, Gold-Püpchens,
sagt, wie wollen wir uns lustig machen?  Wollen wir eine Comödie
(ex tempore) spielen?

{ed. ** In der Verfolgung der Protestanten in Flandern unter
Philipp dem 2ten, brachten diejenigen die bey dieser Gelegenheit
nach England kamen, die Wollen-Manufacturen mit.  Diese waren
Calvinisten, welche jederzeit durch ihre Neigung zum
Psalmensingen sich unterschieden haben.
Warburtun.}

Prinz Heinrich.
Ich bins zufrieden--und der Inhalt soll dein Davon lauffen seyn.

Falstaff.
Ah!--nichts mehr hievon, Hal, wenn du mich lieb hast.



Zehnte Scene.
(Die Wirthin kommt herein und meldet dem Prinzen, daß ein Herr von
Hofe da sey, der auf Befehl des Königs mit ihm sprechen wolle.
Falstaff wird abgeschikt zu hören was er wolle.)



Eilfte Scene.
(Falstaff kommt zurük, und bringt die Zeitung von dem Aufstand,
den Percy, Northumberland, Douglas, und Glendower, im Norden von
England erregt, und daß der Prinz auf morgen zum König, seinem
Vater, beschieden sey.  Dieses giebt zu einer kleinen Comödie von
der pöbelhaftest-bürlesken Art Anlas, worinn Falstaff den König
macht, und den Prinzen wegen seiner unanständigen Lebensart und
lüderlichen Gesellschaft ausschilt, jedoch mit Ausnahme des
einzigen Falstaff, von dem er viel Gutes sagt.  Der Prinz behauptet,
Falstaff habe den König nicht recht gemacht, übernimmt diese Rolle
selbst, läßt Falstaffen den Prinzen seyn, und sagt alsdann eben so
viel böses von Falstaff als dieser vorhin Gutes von sich selbst
gesagt hatte.  Folgendes mag zur Probe dienen:)


Prinz Heinrich (in der Person des Königs.)
Ich höre grosse Klagen über dich.

Falstaff (in der Person des Prinzen.)
Sakerlot!  Gnädigster Herr, sie sind alle erlogen--

Prinz Heinrich.
Du schwörst, unartiger Bube?  Von nun an komm nimmer vor meine
Augen!  Du gehst einen verderblichen Weg; es ist ein Teufel, der
dich jagt, ein Teufel in Gestalt eines fetten alten Manns; eine
Tonne von einem Mann ist deine Gesellschaft.  Wie, schämst du dich
nicht mit diesem Weinfasse umzugehen, mit diesem zusammengeballten
Klumpen von Bestialität, mit diesem ungeheuren Kessel voll Sect,
mit diesem ausgestoßen Felleisen von Kutteln,--diesem ehrwürdigen
Laster, dieser grauen Büberey, diesem Vater Spizbuben, dieser
bejahrten Eitelkeit?  Wozu ist er gut, als Sect zu kosten und
auszutrinken?  Worinn ist er nett und manierlich, als einen
Capaunen zu zerlegen und aufzuessen?  Worinn hat er Verstand als in
Ränken?  Wozu braucht er seine Ränke als zu Bubenstüken?  Worinn
ist er ein Lotterbube als in allen Dingen?  Und worinn ist er
löblich als in nichts?

Falstaff.
Wen meynt Euer Majestät?

Prinz Heinrich.
Diesen ruchlosen schändlichen Verführer der Jugend, Falstaff,
diesen alten weißbartigen Satan.

Falstaff.
Milord, den Mann kenn' ich.

Prinz Heinrich.
Das weiß ich wol.

Falstaff.
Aber wenn ich sagte, daß er ein schlimmerer Mann sey als ich selbst,
so sagt' ich mehr als ich weiß.  Daß er alt ist, davon zeugen
leider!  seine weissen Haare; aber daß er, mit Respect vor euch zu
sagen, ein H**jäger sey, das läugne ich schlechterdings.  Wenn Sect
und Zuker etwas unrechtes ist, so helf G** den Schlimmen!  Wenn alt
und aufgeräumt seyn, eine Sünde ist, so kenn' ich manchen alten
Wirth, der verdammt werden müßte; wenn fett seyn, Haß verdient, so
müßten Pharaons magre Kühe liebenswürdig seyn.  Nein, Gnädigster
Herr, verbannet Peto, verbannet Bardolph, verbannet Poins; aber den
guten alten Jak Falstaff, den wakern Jak Falstaff, den ehrlichen
Jak Falstaff, den tapfern Jak Falstaff, und desto tapfrer, da er,
wie man nicht läugnen kan, der alte Jak Falstaff ist, den verbannt
nicht aus Harry's Gesellschaft: Wolltet ihr den guten diken Jak von
mir verbannen, so verbannet eben so mehr die ganze Welt von mir--
([Diese unvollkommne Probe, (denn man hat dennoch einige Blümchen
auslassen müssen) wird den Leser vermuthlich geneigt machen, dem
Uebersezer in Absicht der Falstaffischen Scenen Vollmacht zu geben,
darüber nach eignem Belieben zu schalten.  Man muß ein Engländer
seyn, diese Scenen von Engländern spielen sehen, und eine gute
Portion Pounsch dazu im Kopfe haben, um den Geschmak daran zu
finden, den Shakespears Landsleute gröstentheils noch heutiges
Tages an diesen Gemählden des untersten Grads von pöbelhafter
Ausgelassenheit des Humors und der Sitten finden sollen.])
(Bardolph und die Wirthin lauffen erschroken herein, und melden,
daß der Scheriff mit der Wache vor der Thüre sey, und das Haus
durchsuchen wolle.  Prinz Heinrich übernimmt es ihn abzufertigen,
nachdem er Falstaffen und den übrigen befohlen, sich zu verbergen.)



Zwölfte Scene.
(Der Scheriff kommt mit einem von den Fuhrleuten der Beraubten,
und fragt nach Falstaffen, welchen er beschuldigt, den Raub
begangen zu haben.  Der Prinz antwortet ihm ganz ernsthaft, und
also in reimlosen Versen (denn Shakespear ist, wie wir wissen, ein
genauer Beobachter des Decorum,) der Mann sey nicht hier, indem er
ihn Geschäfte halber ausgeschikt habe; er giebt aber dem Scheriff
sein Ehrenwort, daß er ihn bis morgen Mittags stellen, und wenn es
sich finde, daß er den Raub begangen, der Justiz überlassen wolle.
Der Scheriff nimmt hierauf seinen demüthigen Abschied, und der
Prinz erklärt sich gegen Peto, daß er den Beraubten ihr Geld mit
Wucher wieder zurükgeben, morgen nach Hofe und von da zu Felde
gehen, sie aber allerseits mit sich nehmen, und bey der Armee
anständig unterbringen wolle.)




Dritter Aufzug.



Erste Scene.
(Des Archi-Diaconus von Bangor Haus in Wales.)
(Hot-Spur, Worcester, Mortimer und Owen Glendower treten auf.)


Mortimer.
Diese Versprechungen sind schön, die Partheyen zuverläßig, und
unser Vorhaben voller Hoffnung eines glüklichen Ausgangs.

Hot-Spur.
Milord Mortimer, und Vetter Glendower, wollt ihr nicht Plaz nehmen?
Und ihr, Oheim Worcester--Der Henker hol' es!  ich habe die Land-
Carte vergessen.

Glendower.
Nein, hier ist sie.  Sezt euch, Vetter Percy, sezt euch, guter
Vetter Hot-Spur: Denn wenn Lancaster euch bey diesem Namen nennen
hört, dann erblassen seine Wangen, und mit einem emporsteigenden
Seufzer wünscht er, daß ihr im Himmel seyn möchtet.

Hot-Spur.
Und ihr in der Hölle, so oft er von Owen Glendower reden hört.

Glendower.
Ich tadle ihn nicht; in meiner Geburts-Stunde erfüllte sich die
Stirne des Himmels mit feurigen Gestalten und brennenden Meteoren;
wißt, der ganze Erdball zitterte in seinen innersten Gewölben, wie
eine Memme, als ich gebohren ward.

Hot-Spur.
Das würd' er gethan haben, wenn in der nemlichen Stunde eurer
Mutter Kaze Junge gehabt hätte, und ihr nie gebohren worden wäret.

Glendower.
Ich sage, die Erde bebte wie ich gebohren ward.

Hot-Spur.
Und ich sage, wenn die Erde das that, so dachte sie nicht wie ich,
in so fern ihr euch einbildet, sie zitterte aus Furcht vor euch.

Glendower.
Die Himmel waren lauter Feuer, und die Erde bebte.

Hot-Spur.
Die Erde bebte also, weil sie den Himmel in Feuer sah, und nicht
weil ihr gebohren wurdet.  Die kranke Natur bricht oft in seltsame
Paroxismen aus; die Erde wird zuweilen von dem unbändigen Wind, der
in ihren Leib eingekerkert ist, mit einer Art von Colik gequält; er
sträubt sich durchzubrechen, und schüttelt die gute alte Mutter so
stark, daß hohe Schlösser und bemooßte Glokenthürme umstürzen.  Wie
ihr gebohren wurdet, so hatte unsre Groß-Mutter Erde eben einen
solchen Anstoß von Bauchweh, und das war alles.

Glendower.
Vetter, diese Reden würde ich nicht von vielen andern ertragen.
Erlaubt mir euch noch einmal zu sagen, daß bey meiner Geburt die
Stirne des Himmels voller feuriger Gestalten war; die Geissen
rennten von den Bergen herab, und die Heerden auf den Feldern
brüllten auf eine unnatürliche Art vor Schreken.  Diese Zeichen
deuteten an daß ich ausserordentlich seyn würde, und der ganze Lauf
meines Lebens hat bewiesen, daß ich nicht in die Classe der
gewöhnlichen Menschen gehöre.  Wo lebt, innert den seebespühlten
Grenzen von England, Wales und Schottland, der Mann der sich rühmen
kan, mein Lehrmeister gewesen zu seyn?  Und dennoch hab ich den
Sohn eines Weibs noch nicht gesehen, der es in irgend einer
Wissenschaft oder Kunst mit mir aufnehmen könnte.

Hot-Spur.
Ich glaube selbst, daß niemand besser welsch redt--ich will zum
Mittag-Essen.

Mortimer.
Ruhig, Vetter Percy; ihr macht ihn noch böse.

Glendower.
Ich kan die Geister aus dem Abgrund hervorrufen.

Hot-Spur.
Das kan ich auch, und das kan jedermann; aber kommen sie, wenn ihr
ihnen ruft?

Glendower.
Wie, ich kan dich dem Teufel gebieten lehren.

Hot-Spur.
Und ich kan dich den Teufel beschämen lehren; du darfst nur die
Wahrheit reden: Sprich wahr, und beschäme den Teufel, sagt das
Sprüchwort.  Wenn du im Stand bist ihn zu beschwören, so bring ihn
her; und ich will im Stand seyn, ihn mit Schaam wieder wegzujagen.
O!  sagt euer Lebenlang die Wahrheit, und beschämt den Teufel.

Mortimer.
Kommt, kommt, wozu soll dieses Gewäsche nüzen?

Glendower.
Dreymal hat Heinrich Bolingbroke sich meiner Macht entgegen
gestellt; dreymal hab ich ihn von den Ufern des Wye und des
silbersandigen Severn, ohne Stiefel und von Gewittern verfolgt,
heimgeschikt.

Hot-Spur.
Heimgeschikt, ohne Stiefeln und noch dazu in schlimmem Wetter.  Wie,
ins T** Namen, entgieng er dem Fieber?

Glendower.
Kommt, hier ist die Carte; wollen wir nach unsern dreyfachen
Ansprüchen unser Recht theilen?

Mortimer.
Der Archi-Diaconus hat es schon, sehr gleich, durch drey Linien
getheilt: England, vom Trent bis hier zum Severn, Süd- und Ostwärts,
ist mein Antheil; alles was gegen Westen ligt, Wales, und alle
diese fruchtbaren Länder innert den Ufern des Severn, sollen Owen
Glendowers seyn; und, Vetter Percy, der übrige nordliche Theil,
jenseits des Trent, euer.  Unser dreyfacher Verglich ist bereits
aufgesezt, und wenn die Instrumente gesiegelt und ausgewechselt
seyn werden, welches in dieser Nacht noch geschehen kan, so wollen
wir, ihr, Vetter Percy, und ich, und Mylord von Worcester, morgen
ausrüken, um uns, der Abrede gemäß, zu Schrewsbury mit euerm Vater
und den Schottischen Völkern zu vereinbaren.  Mein Vater Glendower
ist noch nicht fertig, auch haben wir in diesen vierzehn Tagen
seiner noch nicht vonnöthen; und diese Zeit ist mehr als
hinreichend,

(zu Glendower)

daß ihr eure Vasallen, Freunde und Nachbarn aufbieten könnet.

Glendower.
Ich werde in kürzerer Frist bey euch seyn, Milords; und ich will
euch eure Ladys mitbringen, von denen ihr euch izt, ohne Abschied,
wegstehlen müßt; denn es wird eine Welt voll Wasser vergossen
werden, wenn ihr und eure Weiber scheiden müßt.

Hot-Spur.
Mich däucht, mein Antheil, Nordwärts von Burton hier, ist lange
nicht so groß als der eurige.  Seht, wie dieser Fluß, indem er sich
hier schlangenweis zurük krümmt, mir einen grossen halben Mond von
dem schönsten Theil meines ganzen Landes abschneide.  Ich will den
Strom hier aufgetroknet haben, und hier soll in einem neugegrabnen
Canal der glatte silberne Trent schön und eben dahinfliessen; er
soll sich nicht mit so tieffen Krümmungen winden, und mich hier
eines so reichen Bodens berauben.

Glendower.
Er soll sich nicht winden?  Er soll, er muß; ihr seht ja, er thut's.

Mortimer.
Aber ihr seht ja, daß er hier auf dieser Seite euch eben so viel
wieder zulegt, als er euch auf der andern abschneidet.

Worcester.
Ja, aber es wird nur wenig Mühe brauchen ihn hier herüber zu leiten,
um auf der Nordseite diesen Strich Lands zu gewinnen, und dann
fließt er gerad und eben.

Hot-Spur.
Ich will es so haben, es wird bald geschehen seyn.

Glendower.
Ich werde keine Veränderung zugeben.

Hot-Spur.
Ihr wollt nicht?

Glendower.
Nein, und ihr sollt keine machen.

Hot-Spur.
Und wer ist der, der nein dazu sagen wird?

Glendower.
Der bin ich.

Hot-Spur.
So sagt es auf welsch, damit ich es nicht verstehe.

Glendower.
Ich kan englisch reden, Lord, so gut als ihr, denn ich ward am
Englischen Hof erzogen; ich habe manches englische Lied als
Jüngling auf meiner Harfe begleitet, und den Beyfall der Schönsten
erlangt, wenn ich meine Stimme mit ihren Accenten vermählte; eine
Geschiklichkeit, die man nie an euch gesehen hat.

Hot-Spur.
Glaubt mir, es sollte mir leid seyn, wenn es anders wäre.  Ich
wollte lieber eine Kaze seyn, und, Miau, schreyen!--als einer von
diesen schnurrenden Reimen-Mäklern; ich will lieber einen küpfernen
Kerzenstok umfallen hören, oder ein ungeschmiertes Rad in der Achse
kirren, es würde mir lange nicht so weh in den Zähnen thun, als
dieses läppische Geklingel von Poeterey; das ist ja nicht anders,
als wie wenn man einen stolpernden Klepper zwingen will, einen
guten Schritt zu gehen.

Glendower.
Kommt, kommt, Trent soll abgeleitet werden.

Hot-Spur.
Was bekümmert mich das?  Ich will dem ersten Freund der mir gute
Dienste thut, dreymal so viel Land geben; aber hier, versteht mich
wohl, wo es um einen Vertrag zu thun ist, wollt ich um den neunten
Theil eines Haars schicaniren.  Sind die Instrumente aufgesezt?
Können wir gehen?

Glendower.
Der Mond scheint hell, ihr könnt diese Nacht abreisen; ich will den
Schreiber treiben, und indessen eure Weiber auf euern Abschied
vorbereiten; ich fürchte meine Tochter wird unsinnig davon werden,
so verliebt ist sie in ihren Mortimer.

(Er geht ab.)



Zweyte Scene.


Mortimer.
Fy, Vetter Percy, warum könnt ihr meinen Vetter nicht unangefochten
lassen?

Hot-Spur.
Ich kan nicht anders; er macht mich manchmal toll, wenn er mir vom
Maulwurf und der Ameise erzählt, und von den Propheceyungen des
Träumer Merlins, und von einem Drachen, und von einem Fisch ohne
Floßfedern, und von einem Greiffen mit beschnittnen Flügeln, und
von einer hüpfenden Kaze, kurz von einer Menge solchem
abgeschmaktem Hocus-Pocus, das mir die Geduld ausgehen macht.  Ich
will euch was sagen, er hielt mich verwichne Nacht zum wenigsten
neun Stunden auf, mir die Namen der verschiednen Teufel
herzurechnen, die seine Lakeyen seyn sollen; ich schrie--hum!--und--
wohl, wohl!  Aber ich gab ihm nicht auf ein Wort Acht.  O!  er ist
so beschwerlich wie ein müdes Pferd, oder ein keiffendes Weib;
ärger als ein rauchiges Haus.  Ich wollte lieber bey Käs und
Knoblauch in einer Windmühle leben, und weit von ihm seyn; als
Kazen fressen, und seinem Geschrey zuhören, in irgend einem
Sommerhaus in der Christenheit.

Mortimer.
Er ist, bey allem dem, ein verdienstvoller Edelmann,
ausserordentlich belesen, und in den seltsamsten Wissenschaften
erfahren; tapfer wie ein Löwe; überaus leutselig, und gütig wie die
Minen von Indien.  Soll ich's euch sagen, Vetter; er giebt euerm
Temperament ungemein viel nach, und thut sich selbst die gröste
Gewalt an, wenn ihr ihn auf eine so anzügliche Art in seinem Humor
durchkreuzt; ich versichre euch, der Mann lebt nicht, der ihn ohne
Gefahr, so wie ihr gethan habt, hätte reizen dürfen.  Aber thut es
nicht oft, ich bitte euch.

Worcester.
In der That, Milord, ihr seyd zu tadelsüchtig, und habt, seitdem
ihr hier seyd, genug gethan, um seine Geduld aufs äusserste zu
bringen.  Ihr müßt diesen Fehler nothwendig verbessern lernen, Herr.
Ob dieses hastige Wesen gleich manchmal Grösse, Muth und Feuer
anzeigt, (und das ist der größte Vortheil den ihr davon haben
könnet;) so giebt es hingegen auch öfters das Ansehen einer rohen
Wildheit, eines Mangels an Lebensart und Sitten, und den Schein von
Stolz, Aufgeblasenheit, übertriebner Einbildung und Verachtung
andrer Leute; Fehler, wodurch ein Mann, mit den grösten Verdiensten,
die er sonst haben mag, die Herzen der Leute verliehrt, und die
einen Fleken auf die ganze schöne Seite werfen, wodurch er sonst
die Hochachtung der Welt gewonnen hätte.

Hot-Spur.
Gut, ihr habt mich nun genug geschulmeistert denke ich; ich
verlang' euch den Vorzug der Höflichkeit nicht streitig zu machen--
hier kommen unsre Weiber, und wir wollen unsern Abschied nehmen.



Dritte Scene.
(Glendower mit Lady Mortimer und Lady Percy, zu den Vorigen.)


Mortimer.
Das ist ein Umstand, der mir oft tödtlichen Verdruß macht, mein
Weib kann nicht englisch reden, und ich nicht welsch.

Glendower.
Meine Tochter weint, sie will nicht von euch scheiden, sie will
auch ein Soldat werden, sie will in den Krieg.

Mortimer.
Milord, sagt ihr, sie und meine Tante Percy sollen uns in kurzem
folgen.

(Glendower spricht welsch mit ihr, und sie antwortet ihm darinn.)

Glendower.
Sie will sich nicht trösten lassen; eine kleine eigensinnige Hexe,
bey der keine Ueberredung anschlagen will.

Mortimer.
Ich versteh' deine Blike, ich bin ein Meister in diesem anmuthigen
Welsch, das du aus diesen zween schwellenden Himmeln hervorathmest,
und, wären wir nicht in Gesellschaft, ich wollte dir in der
nemlichen Sprache antworten; ich verstehe deine Küsse, und du die
meinige, in dieser fühlbaren Unterredung haben wir keinen
Dollmetscher nöthig; aber ich will nicht ruhen, Liebe, bis ich
deine Sprache gelernt habe; denn von deinen Lippen tönt das Welsche
so anmuthig als aus einer Sommerlaube der süsse Gesang einer Feen-
Königin, von den entzükenden Griffen ihrer goldnen Laute beseelt.

Glendower.
O!  wenn du in Zärtlichkeit schmilzst, so wird sie gar unsinnig
werden.

(Die Lady redt wieder welsch.)

Mortimer.
Ach!  hierinn bin ich die Unwissenheit selbst.

Glendower.
Sie bittet, daß ihr euch niederlegen und euer holdes Haupt auf
ihrem Schooß ruhen lassen sollt, und sie will euch den Gesang
singen, den ihr so gerne hört, und euer Blut in eine angenehme
Schwermuth wiegend, den Gott des Schlafs auf euern Augliedern
krönen; euch in dieses zauberische Mittel zwischen Schlaf und
Wachen senken, das dem Gemische von Nacht und Tag ähnlich ist, eine
Stunde eh der Gott des Lichts seinen goldnen Lauf aus Osten beginnt.

Mortimer.
Von Herzen gerne will ich mich sezen, und sie singen hören;
inzwischen, denk' ich, werden unsre Papiere fertig werden.

Glendower.
Thut das, und obgleich die Musicanten, die euch dazu aufspielen
sollen, tausend Meilen weit von hier in der Luft hangen, so sollen
sie doch in einem Wink zugegen seyn.  Sezt euch, und horcht.

Hot-Spur.
Komm, Käthe, du bist eine Meisterin im Niederligen; komm, geschwind,
geschwind, daß ich meinen Kopf auf deine Schooß legen kan.

Lady.
Geht, alberne Gans.

(Die Musik fängt an.)

Hot-Spur.
Nun merk' ich, daß der Teufel welsch versteht; bey unsrer Frauen,
er ist kein schlimmer Musicant; kein Wunder, daß er so wunderliche
Launen hat.

Lady Percy.
Wenn es die Launen ausmachten, so müßtet ihr über und über
musicalisch seyn: Ligt still, ihr Dieb', und hört die Lady welsch
singen.

Hot-Spur.
Ich wollte lieber meine Lady Brake auf irländisch heulen hören.

Lady.
Soll ich dir deinen Kopf zerbrechen?

Hot-Spur.
Nein.

Lady.
Nun, so lig still.

Hot-Spur.
Das auch nicht, das schikt sich nur für eine Lady.

Lady.
Nun, so helf dir Gott!

Hot-Spur.
In der welschen Lady Bette.

Lady.
Was sagtest du?

Hot-Spur.
Still, sie singt.

(Lady Mortimer singt ein welsches Lied.)



Hot-Spur.
Komm, Käthe, du must mir auch eins singen.

Lady Percy.
Ich gewiß nicht, bey meiner Treu.

Hot-Spur.
Bey deiner Treu?  du schwörst ja wie ein Zukerbekers-Weib!  Nicht
du, bey deiner Treu!  und, so wahr ich leb, und, hol mich Gott, und,
so wahr als die Sonn am Himmel ist; wenn man dich so armselig
schwören hört, so dächte man, du seyst nie weiter als bis nach
Finsbury gekommen.  Schwör mir wie eine Lady, Käthe, die du bist,
einen hübschen den Mund ausfüllenden Schwur, und überlaß das meiner
Treu und dergleichen Pfeffer- und Ingwerkrämerische Blümchen, den
ehrlichen Leuten die am Sonntag ihr hübsches Kleid anziehen.--Komm,
sing.

Lady.
Ich will nicht singen.

Hot-Spur.
Und ich will gehen; wenn die Aufsäze fertig sind, so können wir in
zwo Stunden schon fort seyn.  Kommt mit, wenn ihr wollt.

(Er geht ab.)

Glendower.
Kommt, kommt, Lord Mortimer; ihr seyd, däucht mich, so träge zum
Gehen als Lord Percy feurig ist.  Unsre Instrumente werden fertig
seyn; wir wollen nur sigeln und dann gleich zu Pferde.

Mortimer.
Von Herzen gerne.

(Sie gehen ab.)



Vierte Scene.
(Verwandelt sich in den Audienz-Saal zu Windsor.)
(König Heinrich, der Prinz von Wales, Lords und Gefolge treten auf.)


König Heinrich.
Lords, verlaßt uns eine Weile; der Prinz von Wales und ich müssen
allein mit einander sprechen; aber entfernt euch nicht weit, denn
wir werden euch bald wieder nöthig haben.

(Die Lords gehen ab.)

Ich weiß nicht, ob es Gott so haben will, daß zu Befriedigung
seines geheimen Grimms über irgend eine mißfällige That meines
Lebens aus meinem eignen Blut ein Rächer und eine Peitsche für mich
entstehen sollte; aber der ganze Zusammenhang deiner Aufführung und
Lebensart läßt mich nichts anders glauben, als daß du ganz allein
zum Werkzeug der heissen Rache des Himmels wieder mich bestimmt
bist.  Oder sage mir, wär es sonst möglich, daß so zügellose und
niederträchtige Neigungen, so elende, so pöbelhafte, so schändliche,
so ruchlose Handlungen, so nichtswürdige Belustigungen, eine so
verächtliche, so wilde Gesellschaft, als diejenige womit du gepaart
oder mit der du vielmehr ganz in eins verwachsen bist, fähig seyn
sollten, dich deiner angebohrnen Hoheit vergessen zu machen, und
dein fürstliches Herz zu sich herunter zu ziehen?

Prinz Heinrich.
Gnädigster Herr, ich wünschte daß ich von allen Vergehungen so frey
wäre, als ich gewiß bin, mich von vielen reinigen zu können, die
mir zur Last gelegt werden.  Indessen erlaubet mir wenigstens so
viele Nachsicht von Euer Majestät zu erbitten, daß, wenn viele von
diesen nachtheiligen Erzählungen, womit niederträchtige Zeitungs-
Mäkler das Ohr der Fürsten zu umsumsen pflegen, sich falsch
befinden, meine aufrichtige Reue wegen einiger würklicher
Vergehungen, worinn meine Jugend ausschweiffend und tadelhaft
gewesen ist, Vergebung erlangen möge.

König Heinrich.
Der Himmel vergebe dir!  Aber laß mich dir mein Erstaunen darüber
bezeugen, Harry, daß deine Neigungen sich so weit von dem edeln
Flug aller deiner Vorältern entfernen.  Du hast durch deine rohe
Lebensart deinen Plaz im Staats-Rath verlohren, der nun durch
deinen jüngern Bruder erfüllt wird; du hast die Herzen des ganzen
Hofs, und alle Prinzen von meinem Blut verlohren.  Niemand hoffet
oder erwartet etwas Gutes von deiner Zeit, und jede Seele sagt sich
selbst prophetisch deinen Fall vorher.  Hätte ich deine Sitten
gehabt, hätt' ich in den Augen der Welt mich so gemein und
verächtlich gemacht, durch eine so pöbelhafte Gesellschaft mir
selbst meinen Werth benommen; die Meynung, die mir zur Crone half,
würde dem vorigen Besizer treu geblieben seyn, und mich in
ruhmloser Verbannung, unbemerkt und in der Menge des verdienstlosen
Hauffens, verlohren, vergessen haben.  Aber da ich selten gesehen
wurde, erschien ich niemals, ohne wie ein Comet, jedes Aug' auf
mich zu ziehen.  Die Väter sagten dann zu ihren Kindern: Diß ist er!
Wo, wo?  fragten andre; welcher ist Bolingbroke?  Und dann stahl
ich, wie ein andrer Prometheus, diese huldreiche Leutseligkeit vom
Himmel, dieses göttliche Feuer, wodurch die Könige die Liebe ihrer
Unterthanen nähren, entzog die Herzen des Volks durch die Demuth,
in die ich mich einkleidete, ihrem Oberherrn, und empfieng lautes
Zujauchzen und frolokende Grüsse, selbst in der Gegenwart des
gekrönten Königs.  Auf diese Art erhielt ich mich immer frisch und
neu in den Augen der Menge; und meine Gegenwart, mit desto größrer
Pracht begleitet, je seltner sie war, schien jedesmal ein
öffentliches Fest, das mit allgemeinen Freuden-Zeichen gefeyrt
wurde.  Der hüpfende König trabte indeß in einer Gesellschaft von
Hofnarren und schaalen Wizlingen, (wie dürre Reiser gleich
angezündt und gleich verbrennt), auf und nieder, vergab seine
Königliche Würde, mengte sich unter unbärtige Spaßvögel und Geken,
und erlaubte ihnen seine Majestät durch Scherze und unanständige
Vertraulichkeit zu entweihen; er ließ sich, wie die gemeinsten
Pflastertreter, in allen Gassen sehen, und sättigte die Leute durch
seinen täglichen Anblik so sehr, bis er ihnen ekelhaft wurde.
Mußte er sich hernach bey öffentlichen Anläsen sehen lassen, so
ward er nur, wie der Gukguk im Brachmonat, gehört, nicht geachtet;
geseh'n, aber mit dem nachläßigen Blik, der über einen alltäglichen
Gegenstand hinweggleitet; nicht mit dem weitoffnen wundervollen
Auge, das auf die sonnengleiche Majestät geheftet wird, wenn sie
selten aus ihrer Verhüllung hervorglänzt; sondern mit schläfrigen,
gesenkten Augliedern, mit dem düstern verdrießlichen Blik, den man
auf einen Feind wirft, von dessen Gegenwart man belästigt, gedrükt
und überfüllt wird.  Und in eben dieser Linie, Harry, stehst du.
Du hast deine fürstliche Vorrechte verlohren, indem du dich
niederträchtiger Gesellschaft Preiß gegeben hast.  Nicht ein
einziges Auge, das nicht deines alltäglich gewordnen Anbliks
überdrüßig ist; das meinige ausgenommen, das dich zu sehen verlangt
hat, und nun, wider meinen Willen, von den Zeichen einer
allzugrossen Zärtlichkeit überfließt.

Prinz Heinrich.
Ich werde mich beeifern, mein gnädigster Herr, künftig mehr ich
selbst zu seyn.

König Heinrich.
Um alles in der Welt, was du in dieser Stunde bist, war Richard
damals da ich aus Frankreich zu Ravenspurg ans Land sezte, und
gerade was ich damals war, ist Percy izt.  Bey meinem Scepter und
bey meiner Seele!  er hat mehr würklichen Antheil am Staat, als du,
der künftige Thronfolger.  Ohne Recht, ohne den Schatten eines
Rechts füllt er die Felder mit Harnischen, erhebt sein Haupt gegen
des Löwen gewafnete Tazen, und, ob er gleich nicht älter ist als du,
führt er doch bejahrte Helden und ehrwürdige Bischöffe zu blutigen
Schlachten an.  Was für eine unsterbliche Ehre hat er an dem
ruhmvollen Dowglas eingelegt, dessen grosse Thaten und seltne
Kriegs-Erfahrenheit ihm den Namen des größten Feldherrn in allen
Christlichen Königreichen erworben haben?  Dreymal hat dieser Hot-
Spur, dieser Kriegs-Gott in Windeln, dieser unmündige Held, den
grossen Douglas in offner Schlacht überwunden, einmal ihn sogar
gefangen genommen, aber wieder in Freyheit gesezt, und einen Freund
aus ihm gemacht, um mit seinem Beystand den Frieden und die
Sicherheit unsers Throns zu erschüttern.  Und was sagst du hiezu?
Percy, Northumberland, der Erzbischoff von York, Douglas und
Mortimer, haben einen Bund gegen uns gemacht, und empören sich--
Aber wem, und wozu erzähl' ich diese Neuigkeiten?  Wie, Harry, muß
ich vielleicht dich selbst, den nächsten an meinem Herzen und an
meinem Thron, auch dich, unter meine Feinde zählen?  Du bist fähig
genug, aus unterwürfiger feiger Niederträchtigkeit, oder einem
Anstoß von Spleen, in Percys Solde wider mich zu fechten; und, wie
ein Hund um seine Fersen dich schmiegend, und höflich einen
gnädigen Blik von ihm erbuhlend, zu zeigen, wie sehr du abgeartet
bist.

Prinz Heinrich.
Denket nicht so, Gnädigster Herr, ihr werdet es anders finden, und
der Himmel verzeihe denen, die mich in Eu.  Majestät Gedanken so
tief erniedriget haben.  Aber an Percys Kopf will ich mich
rechtfertigen, und am Schluß irgend eines glorreichen Tages, mit
dem Bewußtseyn, daß ich's werth bin, euch sagen, ich sey euer Sohn;
und das soll der Tag seyn, er komme wann er will, da dieser Sohn
der Ehre und des Ruhms, dieser tapfre Hot-Spur, dieser überall
geprießne Ritter, und euer nichts geachteter Harry, im blutigen
Felde zusammen kommen werden.  Möchte immerhin jede Ehre die auf
seinem Helm sizt, und jede Schmach über meinem Haupte sich
verdoppeln!  Denn er soll kommen, der Tag, da dieser junge
Nordische Held seine glänzenden Thaten gegen meine Verachtung
austauschen soll.  Percy ist nur mein Factor, Gnädigster Herr, der
glorreiche Thaten für mich aufhäuffen muß; ich will ihn zu einer
scharfen Rechenschaft ziehen, und er soll mir jeden Ruhm, nicht den
kleinsten ausgenommen, einhändigen, oder ich will ihm die Rechnung
aus seinem Herzen reissen.  Diß versprach ich im Namen des Himmels
hier; und wenn ich lebe, um es zu vollbringen, so erlaubet mir Eu.
Majestät zu bitten, daß es als eine Genugthüung für die
Ausschweiffungen meiner Jugend angesehen werde.  Wo nicht, so
bezahlt das Ende des Lebens alle Schulden, und eher will ich
hundert tausend Tode sterben, eh ich den kleinsten Theil dieses
Gelübds brechen sollte.

König Heinrich.
Hundert tausend Rebellen sterben durch diese Erklärung.  Du sollst
einen Auftrag, und hiezu unbeschränkte Vollmacht bekommen.  (Blunt
kommt herein.) Was bringst du neues, Blunt?  Deine Blike kündigen
etwas Unerwartetes vorher.

Blunt.
Der Lord Mortimer von Schottland hat die Nachricht eingesandt, daß
Dowglas und die Englischen Rebellen den eilften dieses Monats zu
Schrewsbury sich vereinigen würden.  Sie machen ein furchtbares
Heer aus, wenn jeder von den Verschwornen sein Versprechen hält, so
furchtbar, als jemals die Empörung in einem Staat aufgebracht hat.

König Heinrich.
Der Graf von Westmorland, und mein Sohn Johann von Lancaster, sind
heute schon aufgebrochen; denn diese Nachricht ist schon fünf Tage
alt.  Auf nächste Mittwoche, Harry, sollt du, und Donnstags wollen
wir selbst ausziehen, und zu Bridgnorth wollen wir zusammentreffen.
Du, Harry, sollt deinen Marsch durch Glocester-Schire nehmen; und
in zwölf oder vierzehn Tagen soll unsre ganze Macht zu Bridgnorth
sich vereinbaren.  Hinweg!  jeder Augenblik, um den wir uns
verspäten, ist ein Vortheil für sie.

(Sie gehen ab.)



Fünfte und sechste Scene.
(Ein paar pöbelhafte und schmuzige Zwischen-Scenen aus dem
Wirthshaus zum Bären-Kopf in East-Cheap, zwischen Falstaff,
Bardolph, der Wirthin, dem Prinzen und Peto.)



Vierter Aufzug.



Erste Scene.
(Verwandelt sich in Schrewsbury.)
(Hot-Spur, Worcester und Dowglas treten auf.)


Hot-Spur.
Wohl gesprochen, mein edler Schotte, wenn nicht oft die Wahrheit
selbst, in diesem verschmizten Zeit-Alter, für Schmeicheley
gehalten würde.  Aber ein Dowglas muß von solchem Gehalt seyn, daß
kein Kriegsmann vom Gepräge dieser Zeit einen so allgemeinen Cours
durch die Welt habe wie er.  Beym Himmel, ich kan nicht schmeicheln;
aber einen bravern Plaz hat niemand in meinem Herzen als ihr.
Nein, nehmt mich beym Wort; sezt mich auf die Probe, Lord.

Dowglas.
Du bist der König der Ehre, und wenn jemand auf Erden Athem holt,
der dir den Vorzug streitig machen will, wer er auch sey, dem will
ich Troz bieten.  (Ein Bote zu den Vorigen.)

Hot-Spur.
Thut das, und ihr thut wohl--Was für Briefe hast du hier?--

Bote.
Von euerm Vater.

Hot-Spur.
Briefe von ihm?  Warum kommt er nicht selbst?

Bote.
Er kan nicht kommen, Milord, er ist gefährlich krank.

Hot-Spur.
Himmel!  Wie hat er die Musse in dieser entscheidenden Zeit krank
zu seyn?  Wer führt seine Truppen an?  Unter wessen Commando kommen
sie?

Bote.
Seine Briefe müssen seine Gesinnung entdeken; mir ist nichts
bekannt.

Hot-Spur.
Seine Gesinnung?

Worcester.
Muß er denn zu Bette liegen?

Bote.
Er lag schon vier Tage eh ich abgieng; und wie ich abreißte, waren
die Aerzte seinetwegen in grossen Sorgen.

Worcester.
Ich wollte, der Zustand dieser Zeit wäre erst geheilt gewesen, eh
er krank geworden wäre; seine Gesundheit war nie mehr werth, als
izt.

Hot-Spur.
Krank in einer solchen Zeit!  O!  diese Krankheit stekt das
Lebensblut unsrer Unternehmung an!  Sie wird unser ganzes Lager
ansteken.  Er schreibt mir hier, daß eine heftige Krankheit--und
daß seine Freunde durch Abgeordnete nicht sobald zusammen gebracht
werden könnten, ja daß er es nicht einmal rathsam halte, ein so
wichtiges und gefährliches Geschäft einer andern Seele als seiner
eigenen anzuvertrauen.  Indeß rathet er uns doch mit unsrer kleinen
Macht auszurüken, und eine Probe zu machen, wie das Glük für uns
gesinnt sey; denn, seinem Bericht nach, läßt sich nimmer zaudern,
indem der König von unserm ganzen Vorhaben unterrichtet ist.  Was
sagt ihr dazu?

Worcester.
Euers Vaters Krankheit ist ein grosser Nachtheil für uns.

Hot-Spur.
Es ist ein Glied, das uns abgehauen ist--und doch, in der That, ist
es nicht so; wir werden ihn würklich weniger vermissen als es izt
scheint.  Wär' es gut, unser ganzes Glük auf einen einzigen Wurf zu
sezen?  Ein so grosses Capital dem schlüpfrigen Ungefehr einer
zweifelhaften Stunde zu überlassen?  Es wäre nicht gut; denn wie
leicht könnten wir in dieser einzigen Stunde das Ende aller unsrer
Hoffnungen finden.

Dowglas.
Vermuthlich würd' es so gegangen seyn; da uns hingegen, wie die
Sachen izt ligen, eine Zuflucht übrig bleibt, deren Gewißheit uns
zu unserm Vorhaben desto kühner machen wird.

Hot-Spur.
So ists, ein Sammelplaz, wo wir uns wieder erholen können, wenn der
Teufel und ein feindseliger Zufall unsre erste Unternehmung
mißlingen macht.

Worcester.
Dem ungeachtet wünschte ich, euer Vater wäre hier.  Die Natur
unsrer Unternehmung leidet keine Theilung; viele, welche nicht
wissen, warum er abwesend ist, werden glauben, daß Klugheit, Treue,
und blosses Mißfallen an unserm Verfahren den Grafen zurük halte.
Ihr sehet leicht, wie nachtheilig eine solche Vermuthung unsrer
Parthey seyn muß.  Uns ist alles daran gelegen, die schwache Seite
unsrer Unternehmung zu verbergen, und jedes Taglicht, jede Öffnung
und Rize zu verstopfen, durch die das Auge der Vernunft in das
Inn're derselben dringen könnte.  Diese Abwesenheit euers Vaters
zieht einen Vorhang auf, der den Unberichteten eine Ursache zur
Furcht zeigt, wovon sie vorher nicht geträumt haben.

Hot-Spur.
Ihr geht zu weit, Milord.  Ich sehe seine Abwesenheit vielmehr als
einen Umstand an, der unserm grossen Vorhaben einen Glanz giebt,
und eine größre Meynung davon erweken muß, als wenn er hier wäre;
denn müssen nicht die Leute denken, wenn wir ohne ihn im Stande
seyen, dem Königreich einen Stoß zu versezen, so werden wir, mit
seinem Beystand, unfehlbar alles unter über sich kehren.  Noch geht
alles gut, noch ziehen alle unsre Strike.

Dowglas.
Wie wir's nur wünschen können; in Schottland wird kein Wort von
dergleichen Besorgnissen gehört.



Zweyte Scene.
(Sir Richard Vernon zu den Vorigen.)


Hot-Spur.
Mein Vetter Vernon, willkommen, bey meiner Seele!

Vernon.
Wollte der Himmel, daß meine Zeitung einen Willkomm werth wäre,
Milord.  Der Graf von Westmorland ist in Begleitung des Prinzen
Johann von Lancaster mit siebentausend Mann im Anzug.

Hot-Spur.
Das kan er; was mehr?

Vernon.
Ueberdem hab' ich in Erfahrung gebracht, daß der König in eigner
Person entweder schon ausgerükt, oder doch entschlossen sey, aufs
schleunigste mit einer grossen Macht hieher zu kommen.

Hot-Spur.
Er soll auch willkommen seyn.  Wo ist sein Sohn?  der leichtfüßige,
und tollköpfige Prinz von Wales und seine Cameraden, die die Welt
auf die Seite lachen, und ihr sagen, sie könne gehen wohin sie
wolle.

Vernon.
Sie sind alle gerüstet, alle in Waffen, alle befiedert wie die
Straussen, alle in Gold schimmernd wie die Bilder in der Kirche,
lebhaft wie der May, prächtig wie die Sonne im Junius, muthwillig
wie junge Geissen, und wild wie die Löwen.  Ich sah ihn, den jungen
Heinrich, mit aufgezognem Viesier, in voller Rüstung, gleich dem
beflügelten Mercur sich vom Boden auf- und so leicht in seinen
Sattel schwingen, als ob ein Engel aus den Wolken herabgeschlüpft
wäre, um auf einem feurigen Pegasus sich um die Unterwelt herum zu
tummeln.

Hot-Spur.
Nichts mehr, nichts mehr; dieses Lob ist ungesunder als die Sonn'
im Merz.  Laßt sie kommen; sie kommen als Schlacht-Opfer, mit
Blumen bekränzt, um der feueraugichten Kriegs-Göttin, alle warm und
blutend, aufgeopfert zu werden.  Der beschupte Mars soll bis an die
Ohren im Blut auf seinem Altar sizen.  Ich bin ganz in Feuer, da
ich höre, daß eine so reiche Beute so nah, und doch noch nicht
unser ist.  Kommt, laßt mich mein Pferd besteigen, welches mich wie
einen Donnerkeil gegen den Busen dieses Prinzen von Wales
schleudern soll.  Ein Harry soll dem andern begegnen, und nicht
ablassen, bis einer von beyden fällt.  O daß Glendower hier wäre!

Vernon.
Das erinnert mich noch an einen Umstand.  Ich hörte zu Worcester,
da ich durchritt, daß er vor diesen vierzehn Tagen seine Macht
nicht zusammenbringen kan.

Dowglas.
Das ist die schlimmste Zeitung unter allen.

Worcester.
Ja, in der That, das hat einen frostigen Ton.

Hot-Spur.
Wie stark mag des Königs Armee seyn?

Vernon.
Dreyßigtausend Mann.

Hot-Spur.
Laßt es vierzigtausend seyn; da mein Vater und Glendower nicht hier
sind, so mag unsre einzelne Macht diesen grossen Tag aushalten.
Kommt, wir wollen unsre Leute mustern; der jüngste Tag ist nahe;
sterben wir alle, und mit Freuden, wenn es je gestorben seyn muß!

Dowglas.
Redet nicht vom Sterben; für dieses nächste halbe Jahr fürcht' ich
den Tod nicht.

(Sie gehen ab.)



Dritte Scene.
(Verwandelt sich in eine Landstrasse ohnweit Coventry.)
(Falstaff und Bardolph treten auf.)


Falstaff.
Bardolph, geh du voran nach Coventry, und füll' mir eine Flasche
mit Sect: Unsre Soldaten sollen nur durchmarschiren; wir wollen
unser Nachtquartier zu Sutton-Cop-Hill nehmen.

Bardolph.
Wollt ihr mir Geld geben, Hauptmann?

Falstaff.
Leg du's aus, leg du's aus.

Bardolph.
Eine Flasche Sect macht einen Engel.*

{ed. * Eine Münze, die zehn Englische Schillinge gilt.}

Falstaff.
Und wenn sie's macht, so nimm ihn für deine Mühe; und wenn sie
zwanzig macht, so nimm alle zwanzig; ich stehe für das Gepräge.
Sag meinem Lieutenant Peto, daß er am Thor auf mich warten soll.

Bardolph.
Ich will, Hauptmann; Adieu.

(Er geht ab.)

Falstaff.
Wenn ich mich nicht meiner Soldaten schäme, so sey ich ein
Stokfisch: ich habe des Königs Werb-Patent verflucht mißbraucht.
An hundert und fünfzig Soldaten hab' ich dreyhundert und etliche
Pfund gewonnen.  Wie gieng das zu?  Ich preßte niemand als
haushäbiger Leute Bauer-Jungens, oder versprochne Junggesellen, die
schon zweymal proclamirt worden, so eine Gattung von warmen Sclaven,
die eben so gern den Teufel hörten als eine Trummel, Bursche die
vor dem blossen Namen einer Canone ärger zittern als eine
angeschoßne wilde Ente.  Ich presse mir keine andre als solche
geröstete Butterschnitten, die kaum soviel Herz im Leib haben, als
ein Steknadel-Kopf groß ist, und die kauffen sich alle vom Dienst
los.  Und nun besteht meine ganze Compagnie aus lauter alten
abgeschabnen Corporals, Lieutenants, und dergleichen; Leuten,
welche, die Wahrheit zu sagen, nie Soldaten gewesen sind, aber doch
so zerlumpt aussehen wie Lazarus in den alten Tapeten, wenn ihm des
reichen Schlemmers Hunde seine Schwären leken; abgedankte Bediente,
jüngere Söhne von jüngern Brüdern, rebellische Bierzapfer,
ausgehaußte Wirthe; kurz, alles Ungeziefer, das ein langer Friede
auszubrüten pflegt; Kerls, die euch glauben machten, ich habe
hundert und fünfzig verlohrne Söhne zusammengebracht, die nur eben
vom Schweinhüten und Treberfressen hergekommen seyen.  Ein
närrischer Bursche begegnete mir unterwegs, und sagte, ich hätte
alle Galgen abgeleert, und sogar todte Leichname gepreßt.  Keines
Menschen Auge hat jemals solche Vögel-Schreker gesehen; ich
marschire nicht mit ihnen durch Coventry, das ist eine ausgemachte
Sache.  Und die Galgenschwengel treten noch dazu mit so weit
auseinander gerekten Beinen einher, als ob sie in Fesseln giengen;
in der That, ich bekam die meisten von ihnen aus Gefängnissen.  Es
sind nicht mehr als anderthalb Hemder in meiner ganzen Compagnie,
und das halbe sind zwey zusammengenähte Teller-Tücher, wie ein
Herolds-Mantel ohne Ermel um die Schultern geworfen; und das Hemd
ist, wenn ich die Wahrheit sagen soll, meinem Wirth zu St.  Albans
gestohlen worden, oder dem rothnasichten Bierschenken zu Daintry.
Aber das ist all eins, sie werden Wäsche genug an jedem Zaune
finden.  (Der Prinz Heinrich und Westmorland treten auf.)
                
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