William Shakespear

König Heinrich der vierte Der Erste Theil
Go to page: 123
Prinz Heinrich.
Wie gehts, diker Jak?  Wie gehts, Matraze?

Falstaff.
Ha, ist das nicht Hal?  Hey da, närrischer Junge, was zum T**
machst du in Warwikschire?  Ah, mein guter Lord von Westmorland,
ich bitt' euch um Verzeihung; ich dachte Euer Herrlichkeit sey
würklich schon zu Schrewsbury.

Westmorland.
In der That, Sir John, es wäre mehr als Zeit daß ich dort seyn
sollte, und ihr auch; aber meine Leute sind schon dort.  Der König
giebt auf uns alle acht, das kan ich euch sagen; wir müssen diese
Nacht alle fort.

Falstaff.
Gut, sorget nicht für mich, ich bin so wachtsam wie eine Kaze,
wenn's Rahm zu mausen giebt.

Prinz Heinrich.
Sag mir Jak, wem sind diese Kerls, die dort hinter uns drein kommen?

Falstaff.
Mein, Hal, mein.

Prinz Heinrich.
In meinem Leben hab ich keine so armselige Lumpenhunde gesehen.

Falstaff.
Wohl, wohl; sie sind gut genug zum Verschiessen; Futter für Pulver,
Futter für Pulver; sie füllen einen Graben so gut aus als brave
Leute; das sind Leute, die ich dem Tod zuführe, Mann.

Westmorland.
Das ist schon gut, aber, sie sehen doch gar zu armselig und hungrig
aus, Sir John, gar zu bettelhaft.

Falstaff.
Auf meine Treu, was ihre Armuth anlangt, so weiß ich nicht woher
sie sie haben; und ihr hungriges Aussehen betreffend, so bin ich
gewiß, daß sie es mir nicht abgesehen haben.

Prinz Heinrich.
Darauf will ich selber schwören--Aber, Junge, beschleunige dich,
wir müssen weiter; Percy ist schon ausgerükt.

Falstaff.
Wie, ist der König schon im Lager?

Westmorland.
Das ist er, Sir John; ich fürchte, wir halten uns zu lang auf.

Falstaff.
Gut: ein anders ist zu einem Treffen, und ein anders zu einem
Schmause gehen; man kommt zum ersten immer früh genug.

(Sie gehen ab.)



Vierte Scene.
(Verwandelt sich in Schrewsbury.)
(Hot-Spur, Worcester, Dowglas und Vernon treten auf.)


Hot-Spur.
Wir wollen ihn diese Nacht angreiffen.

Worcester.
Es kan nicht seyn.

Dowglas.
So gebt ihr ihm einen Vortheil.

Vernon.
Nicht ein Haar.

Hot-Spur.
Wie könnt ihr das sagen?  Wartet er nicht auf Verstärkung?

Vernon.
Das thun wir auch.

Hot-Spur.
Seine Erwartung ist gewiß, die unsre zweifelhaft.

Worcester.
Besinnt euch besser, mein lieber Neffe; haltet euch diese Nacht
noch ruhig.

Vernon.
Thut das, Milord.

Dowglas.
Ihr rathet nicht wohl; die Furcht giebt euch diesen Rath ein.

Vernon.
Lästert mich nicht, Dowglas; bey meinem Leben!  (und ich habe Muth
genug, diß mit meinem Leben zu behaupten,) wenn wahre Ehre mir ruft,
so geh ich so wenig mit Furcht zu Rath als ihr, Milord, oder
irgend ein Schotte in der Welt.  Morgen im Schlachtfeld soll sichs
zeigen, wer von uns sich fürchtet.

Dowglas.
Gut, oder diese Nacht.

Vernon.
Ich bin's zufrieden.

Hot-Spur.
Diese Nacht, sag ich.

Vernon.
Kommt, kommt, es kan nicht seyn; mich wundert sehr, wie Männer von
so grosser Erfahrenheit als ihr die Ursache übersehen können, die
den Aufschub nothwendig machen.  Meines Vetters Vernons Pferde sind
noch nicht da, Worcester's Reuterey kam erst heute, und nun sind
die Pferde müd, ohne Feuer, und der Ruhe bedürftig.

Hot-Spur.
Das sind auch des Feindes seine; gröstentheils von der Reise
abgemattet; da hingegen die mehresten von den unsrigen vollkommen
ausgeruht haben.

Worcester.
Der König ist uns zu sehr an der Zahl überlegen; um Gottes willen,
Neffe, wartet bis wir unsre Macht beysammen haben.

(Man hört eine Trompete, die das Zeichen zu einer Unterredung bläst.)



Fünfte Scene.
(Sir Walter Blunt zu den Vorigen.)


Blunt.
Ich komme mit gnädigen Anerbietungen von seiner Majestät, wenn ihr
mir Gehör geben wollt.

Hot-Spur.
Willkommen, Sir Walter Blunt; und wollte Gott, ihr wäret
entschlossen, wie wir; einige von uns lieben euch, und eben diese
beneiden eure Verdienste und euern Namen, weil ihr nicht auf unsrer
Seite, sondern als Feind uns entgegen steht.

Blunt.
Und verhüt' es der Himmel, daß ich anders stehen sollte, so lang
als ihr, pflichtvergeßner Weise, gegen die geheiligte Majestät
stehet.  Aber zu meinem Geschäfte--Der König verlangt zu wissen,
was für Beschwerungen, oder was für eine Ursach euch bewogen habe,
den einheimischen Frieden durch verwegne Feindseligkeiten zu
stören?  Wenn der König eure Verdienste um ihn, die er eingesteht,
auf irgend eine Art vergessen haben sollte, so verlangt er, daß ihr
eure Klagen führen sollt; eure Wünsche sollen euch ohne Verzug mit
Wucher und mit vollkommner Begnadigung für euch, und für diejenige
die von euch verleitet worden, gewähret seyn.

Hot-Spur.
Der König ist sehr gütig; und wir wissen wol, daß der König weiß,
wenn es Zeit ist zu versprechen, und wenn, zu halten.  Mein Vater,
mein Oheim und ich selbst sezten ihm die Crone auf, die er trägt;
und zu einer Zeit, da er nicht sechs und zwanzig Mann stark war, da
er verachtet, unglüklich und heruntergebracht, ein armer muthloser
Verbannter, in sein Vaterland angekrochen kam; da hieß ihn mein
Vater am Ufer willkommen, und da er ihn schwören und bey Gott
betheuren hörte, er komme nur um Herzog von Lancaster zu seyn, sein
Erbtheil in Besiz zu nehmen, und seine Begnadigung zu suchen,
schwor ihm mein Vater, aus Mitleiden und gutem Herzen, daß er ihm
beystehen wolle, und that es auch.  Wie nun die Lords und die Edeln
des Reichs sahen, daß er von Northumberland unterstüzt war, kamen
sie, bald mehr bald weniger, ihm ihre Büklinge und Kniebeugungen zu
machen, giengen ihm aus Städten, Fleken und Dörfern entgegen,
warteten an allen Zäunen und Heken auf ihn, stunden in Hohlwegen,
legten Geschenke vor ihm aus, schwuren ihm Eide, und gaben ihm ihre
Erben, die, in goldnen Schaaren, wie Edelknaben an seinen Fersen
hinterher zogen.  Nunmehr, da er seine Grösse sah, stieg er mir ein
wenig höher als das Gelübde das er anfangs, da sein Blut noch
demüthig floß, auf dem nakten Ufer von Ravenspurg gethan hatte; nun
fängt er an von Verbesserungen gewisser Staats-Gebrechen, von
Aufhebung gewisser Edicte zu reden, die, wie er sagt, dem gemeinen
Wesen sehr beschwerlich wären, schreyt über Mißbräuche, und scheint
über die Bedrükung seines Vaterlands zu weinen; und durch diesen
Schein, durch diese Mine von Gerechtigkeit gewinnt er alle Herzen,
die er dadurch zu angeln sucht: Geht dann weiter, schlägt mir allen
Günstlingen, die der abwesende König zur Regierung des Reichs
hinterlassen hatte, die Köpfe ab.--

Blunt.
Ich kam nicht, solche Dinge anzuhören.

Hot-Spur.
Also zur Hauptsache; kurz hernach, sezte er den König ab, beraubte
ihn bald darauf so gar des Lebens, und bemächtigte sich so des
ganzen Staats.  Um dieses Betragen noch schlimmer zu machen, lidt'
er, daß sein Vetter, der Graf von March, (der wenn jeder erhält was
ihm gehört, in der That sein König ist) in Wales, eingebauert würde,
und ließ ihn dort ohne Ranzion im Kerker ligen; warf mitten in
meinen glüklichen Siegen, einen unverdienten Groll auf mich, suchte
mich durch Kunstgriffe in Fallen zu loken, strich meinen Oheim aus
der Zahl der Staatsräthe aus, jagte in einem Anstoß von Wuth meinen
Vater vom Hofe, brach Eid auf Eid, häufte Beleidigungen auf
Beleidigungen, und trieb uns endlich in dieser Vereinigung unsre
Sicherheit zu suchen, und zugleich sein Recht zur Crone zu prüfen,
welches wir nicht gültig genug finden, um lange zu dauern.

Blunt.
Ist das die Antwort, die ich dem Könige zurükbringen soll?

Hot-Spur.
Nein, Sir Walter; wir wollen uns eine Weile zurükziehen.  Geht zum
König zurük, und würket eine zulängliche Versicherung von ihm aus,
die uns zur Wiederkehr Muth machen könnte; und morgen früh soll ihm
mein Oheim unsre Gesinnungen überbringen: und hiemit lebet wohl!

Blunt.
Ich wünschte, ihr wolltet Gnade und Freundschaft annehmen.

Hot-Spur.
Es kan geschehen, wenn wir können.

Blunt.
Der Himmel geb' es!

(Sie gehen ab.)



Sechste Scene.
(Verwandelt sich in den Palast des Erzbischoffs von York.)
(Der Erzbischoff und Sir Michell treten auf.)


York.
Hier, mein lieber Sir Michell, bringt diesen versiegelten Brief mit
geflügelter Eile dem Lord Marschall; dieser ist an meinen Vetter
Scroop, und die übrigen an ihre Addressen.  Wenn ihr wißtet wie
viel daran gelegen ist, ihr würdet eilen.

Sir Michell.
Gnädigster Herr, ich errathe ihren Inhalt.

York.
Es ist leicht möglich.  Morgen, mein lieber Sir Michell, ist ein
Tag, der dem Leben von zehntausend Menschen das Urtheil sprechen
wird.  Denn, meinen Nachrichten zufolge, ist der König mit einer
grossen und schnell-aufgebotnen Macht gegen den Lord Percy nach
Schrewsbury angerükt; und ich besorge, Sir Michell, Northumberlands
Krankheit, auf dessen Beystand man am meisten gezählt hatte, und
Owen Glendowers Abwesenheit, der von dräuenden Propheceyungen zurük
gehalten worden, werden nachtheilige Folgen haben; Percy's Macht
ist nicht stark genug, es mit dem König aufzunehmen.

Sir Michell.
Wie, Milord, Dowglas und Mortimer sind ja bey ihm.

York.
Nein, Mortimer nicht.

Sir Michell.
Aber Mordake, Vernon, Heinrich Percy, und Milord von Worcester sind
doch da, und mit ihnen eine Schar von tapfern jungen Helden, von
den auserlesensten edeln Jünglingen.

York.
Das ist so; aber der König hat den Adel des ganzen Reichs
aufgeboten: der Prinz von Wales, Lord John von Lancaster, der edle
Westmorland, der tapfre Blunt, und viele andre von gleichem Werth,
Männer von Ansehn und Kriegs-Erfahrenheit, sind bey seinem Heer.

Sir Michell.
Zweifelt nicht, Milord, sie werden tapfer empfangen werden.

York.
Ich hoffe nicht weniger; aber es ist doch nöthig zu fürchten, und
um das schlimmste was begegnen könnte, zu verhüten, so eilet, Sir
Michell.  Denn wenn Lord Percy nicht die Oberhand erhält, so hat
der König im Sinn, eh er seine Truppen auseinander gehen läßt, uns
hier einen Besuch zu machen, und die Vorsichtigkeit selbst
erfordert, das äusserste gegen ihn zu thun.  Beschleuniget euch
also, ich muß gehen und noch an andre Freunde schreiben; und hiemit
lebet wohl, Sir Michell.

(Sie gehen ab.)




Fünfter Aufzug.



Erste Scene.
(Das Königliche Lager zu Schrewsbury.)
(König Heinrich, der Prinz von Wales, Lord John von Lancaster,
Graf von Westmorland, Sir Walter Blunt und Falstaff treten auf.)


König Heinrich.
Wie blutig die Sonne von jenem buschichten Hügel herab sieht!  Der
Tag erblaßt vor Schreken über ihren Grimm.

Prinz Heinrich.
Der Südwind bläßt die Trompeten zu ihrem Vorhaben, und kündigt
durch sein hohles Flüstern im Laub ein Ungewitter, und einen
stürmischen Tag vorher.

König Heinrich.
So sympathisirt also das Wetter mit den Verliehrenden; denn für die
Gewinnenden ist das Garstige schön.

(Die Trompeten erschallen.)

(Worcester und Sir Richard Vernon treten auf.)

König Heinrich.
Wie nun, Milord von Worcester.  Es ist nicht fein, daß ihr und ich
auf einen solchen Fuß zusammen kommen sollen.  Ihr habt unser
Zutrauen betrogen, habt uns genöthigt unsre bequemen Friedens-
Kleider abzuwerfen, und unsre alten Glieder in harten Stahl zu
zwängen; es ist nicht wohl gethan, Milord, es ist nicht wohl gethan.
Was ist nun eure Gesinnung?  Wollt ihr wieder in die Sphäre des
Gehorsams zurük kehren, worinn ihr ein so schönes und natürliches
Licht von euch gabet, und nicht länger ein aufgedunsenes Meteor,
ein furchterwekendes Wunderzeichen seyn, ein Vorbote von Unheil für
noch ungebohrne Zeiten?

Worcester.
Vergönnet mir Gehör, mein Gebietender Herr; was mich selbst betrift,
so könnt' ich mir gerne gefallen lassen, den Rest meines Lebens in
Ruhe zuzubringen: Ich versichre, daß ich den Tag dieses
öffentlichen Bruchs nicht gesucht habe.

König Heinrich.
Ihr habt ihn nicht gesucht, Sir?  Woher kommt er dann?

Falstaff.
Er fand die Rebellion in seinem Wege ligen, und da hub er sie eben
auf.

Prinz Heinrich.
Still, Schmeerbauch, still.

Worcester.
Es gefiel Eurer Majestät, eure günstigen Blike von mir und meinem
ganzen Hause zu wenden; und doch muß ich euch erinnern, Gnädigster
Herr, daß wir eure ersten und eifrigsten Freunde waren.  Um
euertwillen brach ich in Richards Zeiten meinen Marschalls-Stab,
und reißte Tag und Nacht, euch entgegen zu gehen, und eure Hand zu
küssen, zu einer Zeit, da ihr an Macht und Ansehen weit unter mir
war't; ich, mein Bruder, und sein Sohn waren es, die mit ihrer
Gefahr euch in euer Vaterland wieder einsezten.  Ihr schwurt uns,
zu Doncaster schwur't ihr diesen Eid, ihr hättet keine Absichten
gegen den Staat, und verlangtet nichts weiters als euer angefallnes
Recht, den Siz von Gaunt, das Herzogthum von Lancaster; hiezu
schwuren wir euch unsern Beystand: Aber da in kurzer Zeit das Glük
wie ein Plazregen auf euch herabregnete, und sowohl unsre Hülfe als
die günstigen Umstände der Zeit, die Abwesenheit des Königs, die
Mißbräuche einer unbesonnenen Regierung, die Bedrükungen, die ihr
erlidten hattet, und die widrigen Winde, die den König in Irland so
lange zurükhielten, daß ganz England ihn für todt hielt, sich
vereinigten euch groß zu machen; wußtet ihr euch dieses
Zusammenflusses von Vortheilen so wohl zu bedienen, daß ihr, eures
Eides zu Doncaster uneingedenk, die oberste Regierung selbst in
eure Hände spieltet; und nun machtet ihr's uns, die euch genährt
hatten, gerade wie es die undankbare Brut des Gukguks dem Sperling
macht, ihr bemeistert euch unsers Nestes, und wuchset, von uns
geäzt, zu einer solchen Grösse an, daß unsre Liebe selbst sich, aus
Furcht verschlungen zu werden, nicht erkühnen durfte euch nahe zu
kommen; sondern mit schüchternem Flügel mußten wir unsre Sicherheit
ausser euerm Gesichte suchen, und unsre Sicherheit allein ist die
Ursache, die uns genöthigt hat, uns auf diese Weise zu vereinigen,
und Mittel gegen euch zu gebrauchen, die ihr durch unfreundliches
Bezeugen, gefährliche Gesinnungen, und Verlezung eurer uns
zugeschwornen Verheissungen uns gegen euch selbst in die Hände
gegeben habt.

König Heinrich.
Diese Dinge habt ihr freylich zu Papier gebracht, auf Marktpläzen
ausruffen, und von den Canzeln ablesen lassen, um der Rebellion
eine Farbe anzustreichen, wodurch unbesonnene Schwindel-Köpfe und
armselige Malcontenten, die nur durch einen allgemeinen Jammer
gedeyhen können, angelokt werden möchten.  Und wenn hat es dem
Aufruhr jemals an solchen Wasserfarben, seine Sache zu
überstreichen, oder an verzweifelten Bettlern gemangelt, die nach
einer Zeit von Verwirrung und Zerrüttung hungern?

Prinz Heinrich.
In unsern beyden Heeren ist manche Seele, die für diese trozige
Ausforderung theuer bezahlen wird.  Sagt euerm Neffen, der Prinz
von Wales vereinige sich mit der ganzen Welt zum Lobe von Heinrich
Percy: Bey meinen Hoffnungen!  (dieses gegenwärtige Unterfangen bey
Seite gesezt,) denk ich nicht, daß ein braverer, unerschroknerer
und tapfrerer junger Mann in der Welt lebt als er; er, den die
Natur hervorgebracht zu haben scheint, das Gedächtniß der ehmaligen
Helden in unserm Alter zu erneuern.  Was mich betrift, zu meiner
Schande sag ich's, ich habe mein Leben noch mit keiner edeln That
bezeichnet; und er ist berechtigt, mich des Namens eines Ritters
unwürdig zu halten, wie ich höre daß er's thut.  Aber vor seiner
Majestät erklär' ich mich hier, ich bin's zufrieden, daß er sich
des ganzen Vortheils seines ruhmvollen Namens über mich bediene,
und erbiete mich, um beyder Theile Blut zu sparen, in einem
einzelnen Kampf mein Glük mit ihm zu versuchen.

König Heinrich.
Und wir sezen Vertrauen genug in dich, Prinz von Wales, dein
Erbieten gut zu heissen, so unendlich viele Betrachtungen dir
gleich im Wege stehen--Nein, guter Worcester, nein; wir lieben
unser Volk; wir lieben auch diejenigen, die sich auf euers Neffen
Seite haben verleiten lassen; und wollen sie unsre angebotne Gnade
annehmen, so soll er und sie und ihr, und ein jeder wer er seyn mag,
wieder mein Freund seyn, und ich will der seinige seyn.  Diß sagt
euerm Neffen, und meldet mir zurük, was er thun will.  Will er sich
aber nicht zum Ziel legen, so wacht scharfe Züchtigung an meiner
Seite, und sie soll ihr Amt thun.  Hiemit kehrt zurük; wir wollen
izt durch keine Antwort beunruhiget seyn; unser Anerbieten ist edel,
überlegt es wohl.

(Worcester und Vernon gehen ab.)

Prinz Heinrich.
Es wird nicht angenommen werden, bey meinem Leben!  Dowglas und Hot-
Spur sind beyde zu stolz, sich von einer Welt in Waffen schreken zu
lassen.

König Heinrich.
Also hinweg, jeder Anführer an seinen Plaz.  Sobald wir ihre
Antwort haben, wollen wir den Angriff thun; und Gott sey auf unsrer
Seite, wie unsre Sache gerecht ist!

(Sie gehen ab.)



Zweyte Scene.
(Der Prinz und Falstaff bleiben zurük.)


Falstaff.
Hal, wenn du mich im Treffen ligen siehst, so sey so gut und leg
mich so zu rechte; es ist ein Freundschafts-Dienst--

Prinz Heinrich.
Den dir niemand, als ein Colossus leisten kan.  Sprich dein Gebet
und leb wohl.

Falstaff.
Ich wollt' es wäre Bettzeit, Hall, und alles wäre vorbey.

Prinz Heinrich.
Wie?  du bist dem Himmel deinen Tod schuldig, und du must doch
einmal bezahlen.

Falstaff.
Aber nicht izt; und es sollte mir leid seyn, wenn ich ihn vor
meinem Termin bezahlte.  Was brauch' ich so voreilig zu seyn, da er
mich nicht anfordert?  Gut, was thut das zur Sache, die Ehre
fordert mich auf--Ganz recht, und wenn mich also die Ehre
auffordert und ich komme um, wie dann?  Kan die Ehre mir ein Bein
ansezen?  Nein: Oder einen Arm?  Nein: Oder kan sie mir den Schmerz
einer Wunde wegnehmen?  Nein: Die Ehre versteht sich also nicht auf
die Chirurgie?  Nein: Was ist dann die Ehre?  Ein Wort: Was ist das
Wort Ehre?  Luft.  Wer hat sie?  Der arme Jak, der an einer
Mittwoche starb.  Fühlt er sie dann?  Nein.  Hört er sie?  Nein.
Sie fällt also nicht in die Sinnen?  Nicht in die Sinnen eines
Todten.  Aber lebt sie etwann mit den Lebenden?  Nein, das läßt ihr
der Neid nicht zu.  Ich verlange also nichts davon; die Ehre ist
nichts mehr als ein gemahlter Wappenschilt an einem Sarge, und hier
endet sich mein Catechismus.

(Er geht ab.)



Dritte Scene.
(Verwandelt sich in Percys Lager.)
(Worcester und Vernon treten auf.)


Worcester.
O nein, mein Neffe muß das gütige Anerbieten des Königs nicht
erfahren, Sir Richard.

Vernon.
Und doch wär's am besten, er wißt' es.

Worcester.
Dann wären wir alle verlohren.  Es ist unmöglich, es kan nicht seyn,
daß der König sein Versprechen halte, wieder unser Freund zu seyn;
er wird uns nimmer trauen, und bald genug Mittel gefunden haben,
uns neuer Verbrechen zu beschuldigen, um dieses bestraffen zu
können.  Ein niemals einschlummernder Verdacht wird, so lange wir
leben, hundert spähende Augen auf uns geheftet halten; denn der
Verrätherey traut man nicht mehr als einem Fuchs, der, so zahm er
sich stellt, und so freundlich man mit ihm umgeht, doch immer einen
Rest von seinen angebohrnen Tüken behält.  Wir möchten aussehen wie
wir wollten, frölich oder düster, so würd' es uns übel ausgedeutet
werden; kurz, wir würden gehalten werden wie die Ochsen im Stall,
je besser gefüttert, desto näher dem Tode.  Meines Neffen Vergehen
könnte noch vergessen werden; ihm kömmt die Entschuldigung der
Jugend und des Bluts zustatten; sein Beyname Hot-Spur giebt ihm
schon ein Privilegium, und man schreibt bey ihm alles auf die
Rechnung des cholerischen Temperaments, von dem er beherrscht wird;
ich und sein Vater müßten für seine Sünde büssen.  Wir hätten ihn
verleitet, würd' es heissen; wir als die Quelle von allem, müßten
für alles bezahlen.  Laßt ihn also, mein lieber Vetter, ja nichts
von dem Anerbieten des Königs wissen, es mag gehen wie es will.

Vernon.
Sagt ihm was ihr für gut haltet, ich will es bekräftigen.  Hier
kommt euer Neffe.



Vierte Scene.
(Hot-Spur und Dowglas zu den Vorigen.)


Hot-Spur.
Mein Oheim ist wieder da: Sezt den Lord von Westmorland in Freyheit.
Oheim, was giebt's Neues?

Worcester.
Der König ist entschlossen, es auf ein Treffen ankommen zu lassen.

Dowglas.
So wollen wir ihn durch den Lord von Westmorland heraus fordern.

Hot-Spur.
Lord Dowglas, geht und sagt ihm das.

Dowglas.
Das will ich, und mit Freuden.

(Dowglas geht ab.)

Worcester.
Der König scheint gar nicht zum Verzeihen geneigt.

Hot-Spur.
Batet ihr darum?  Das verhüte Gott!

Worcester.
Ich sagte ihm ganz glimpflich von unsern Beschwerungen, von seinem
gebrochnen Eid; und er wußte sich nicht besser zu helfen, als daß
er seinen Meineid mit einem zweyten läugnete.  Er nennt uns
Rebellen, Verräther, und droht ganz trozig, uns nach der Schärfe
davor zu züchtigen.  (Dowglas kommt zurük.)

Dowglas.
Waffnet euch, Milords, waffnet euch; ich habe dem König Heinrich
eine brave Ausfordrung in die Zähne gestossen; Westmorland, der als
Geisel hier war, trägt sie ihm zu, und er kan nun nicht anders als
sie schleunig wieder zurük bringen.

Worcester.
Der Prinz von Wales trat vor dem König hervor, und forderte euch
zum Zweykampf heraus, Neffe.

Hot-Spur.
Wollte der Himmel, wir beyde hätten den Handel allein auszumachen,
und niemand müßte heut kurzen Athem holen, als ich und Harry
Monmouth!  Sagt mir, sagt mir, wie sprach er von mir?  That er
verächtlich?

Vernon.
Nein, auf meine Seele!  In meinem Leben hört' ich keine
bescheidnere Ausforderung; ein Bruder könnte den andern nicht
höflicher auffordern, wenn es um eine blosse Waffenübung, um ein
Ritterspiel zu thun wäre.  Er bezeugte alle Hochachtung gegen euch,
die ein Mann fordern kan, erhob euern Werth mit einer fürstlichen
Zunge, und sprach von euern Verdiensten wie eine Chronik; und was
in der That ein Zeichen eines fürstlichen Gemüths war, er sprach
mit Schaamröthe von sich selbst, und beschalt seine übel
zugebrachte Jugend mit einem Anstand, der zu beweisen schien, daß
seine bessere Seele über die andre meister seyn könne, sobald er
wolle.  Hier hielt er inn; aber laßt mich der Welt sagen, wenn er
den Neid dieses Tages überlebt, so hat England nie eine schönere
Hoffnung besessen, so sehr auch die Ausschweiffungen seiner Jugend
sie verdunkelt haben.

Hot-Spur.
Vetter, ich glaube du bist in seine Thorheiten verliebt; ich habe
nie von einem Prinzen gehört, der die ausgelassenste Wildheit so
weit getrieben hätte.  Aber sey er was er will, eh es Nacht ist,
will ich ihn mit einer so soldatischen Umarmung bewillkommen, daß
er unter meiner Höflichkeit zusammenschrumpfen soll.  Zun Waffen,
hurtig!  Und ihr, Cameraden, und Freunde, bedenkt selbst was ihr zu
thun habt, da ich, der die Gabe der Beredsamkeit nicht hat, nicht
geschikt bin, euer Blut durch meinen Zuspruch zu erhizen.



Fünfte Scene.
(Ein Bote zu den Vorigen.)


Bote.
Milord, hier sind Briefe für Eu.  Gnaden.

Hot-Spur.
Ich kan sie izt nicht lesen.  O meine Freunde, wir haben eine kurze
Zeit zu leben, und von dieser kurzen Zeit eine einzige Minute
unedel zu verschwenden, wäre zu lange.  Ueberleben wir diesen Tag,
so leben wir, um auf Könige zu treten; sterben wir, ist das nicht
ein schöner Tod, wenn Könige mit uns sterben müssen?  (Ein andrer
Bote.)

Bote.
Gnädiger Herr, der König ist im Anzug.

Hot-Spur.
Ich dank ihm, daß er mich in meinem Mährchen unterbricht, denn
reden ist nicht meine Sache.  Nur noch diß, ein jeder thue sein
Bestes.  Und hier zieh ich ein Schwerdt, dessen Stahl ich, an
diesem gefahrvollen Tage, mit dem besten Blut, das ich finden kan,
färben werde.  Nun, (Esperanza!) Percy!* und rükt aus; laßt alle
die muntern Instrumente des Kriegs ertönen, und bey dieser Musik
laßt uns einander umarmen; denn ich wollte den Himmel an die Erde
sezen, daß einige von uns die Zeit nicht sehen werden, einander
wieder so zu bewillkommen.

(Sie umarmen sich und gehen ab.  Die Trompeten lassen sich hören.)

{ed. * Diß war, nach Halls Chronik Bl.  22, das Wort zum Angriff in
Percy's Armee.  Pope.}



Sechste Scene.
(Der König mit seiner Armee; man bläßt zum Angriff.)
(Hernach treten Dowglas und Sir Walter Blunt auf.)


Blunt.
Wer bist du, daß du mir überall so in den Weg kommst?  Was für Ehre
suchst du an mir einzulegen?

Dowglas.
Wisse denn, mein Name ist Dowglas, und ich verfolge dich deßwegen
so, weil man mir sagt, du seyst ein König.

Blunt.
Man sagt dir die Wahrheit.

Dowglas.
Der Lord von Stafford hat bereits davor bezahlt, daß er dir gleich
sieht; denn weil ich ihn für dich ansah, König Harry, so hat ihm
dieses Schwerdt ein Ende gemacht.  Und so soll es auch dir thun, es
wäre dann, daß du dich mir gefangen geben willst.

Blunt.
Ich bin nicht gebohren mich zu ergeben, du übermüthiger Schotte,
und du sollt einen König finden, der Staffords Tod rächen wird.

(Sie fechten, Blunt fällt.)

(Indem tritt Hot-Spur auf.)

Hot-Spur.
O Dowglas, hättest du zu Holmedon so gefochten, nie hätt ich über
einen Schotten gesiegt.

Dowglas.
Alles ist gethan, alles gewonnen, todt ligt der König hier!

Hot-Spur.
Wo?

Dowglas.
Hier.

Hot-Spur.
Dieser, Dowglas?  Nein: Ich kenne sein Gesicht zu wohl; ein braver
Ritter war es, sein Name war Blunt; er trägt nur eine Rüstung wie
der König.

Dowglas.
Ah!  du Unsinniger!  zu theuer hast du einen geborgten Titel
erkauft.  Warum sagtest du mir, du seyst ein König?

Hot-Spur.
Der König hat viele, die in seinen Kleidern gehen.

Dowglas.
So will ich, bey meinem Schwerdt, alle seine Kleider umbringen,
seine ganze Garderobe, Stük für Stük bis ich ihn selbst antreffe.

Hot-Spur.
Auf und hinweg; unsre Leute halten sich so gut, daß wir uns den
Sieg versprechen können.

(Sie gehen ab.)



Siebende und achte Scene.
(Falstaff und der Prinz Heinrich.) (Falstaff redt im Ton einer
Memme eine kleine Weile mit sich selbst; der Prinz der dazu kommt
verlangt seinen Degen von ihm; Falstaff will ihn nicht hergeben, so
lange Percy noch lebe, und bietet dem Prinzen sein Pistol an; indem
es der Prinz aus dem Hulfter herausziehen will, zieht er eine
Flasche mit Sect heraus; ein lautes Gelächter aus dem Paradies
bewillkommt diesen guten Einfall, und die Absicht dieser Scene ist
erreicht.)



Neunte Scene.
(Trompeten und Feldgeschrey; Excursionen; der König, der Prinz,
Lord John von Lancaster, und der Graf von Westmorland treten auf.)


König Heinrich.
Ich bitte dich, Harry, zieh' dich zurük, du blutest zu stark; Lord
John von Lancaster, geht ihr mit ihm.

Lancaster.
Nicht eher, Gnädigster Herr, bis ich auch blute.

Prinz Heinrich.
Ich bitte Eu.  Majestät, auszuharren, unsre Entfernung möchte unsre
Freunde in Verwirrung sezen.

König Heinrich.
Ich will; Milord von Westmorland, führt ihn in sein Zelt.

Westmorland.
Kommt, Milord, ich will euch in euer Zelt führen.

Prinz Heinrich.
Mich führen, Milord?  Ich bedarf eurer Hülfe nicht.  Der Himmel
verhüte, daß eine Nadelrize den Prinzen von Wales von einem solchen
Feld wie dieses ist, treiben soll, wo so viel Edle Männer in ihrem
Blute zertreten ligen, und triumphierende Rebellen den Tod um sich
her verbreiten.

Lancaster.
Wir athmen hier zu lange; kommt, Vetter von Westmorland, auf diesem
Weg ligt unsre Pflicht; um's Himmels willen, kommt.

Prinz Heinrich.
Beym Himmel, du hast mich betrogen, Lancaster; ich dachte nicht daß
du Herr von einem solchen Geiste seyst; sonst liebt' ich dich als
einen Bruder, John, aber nun lieb' ich dich wie meine eigne Seele.

König Heinrich.
Ich sah' ihn dem Lord Percy mit einem Muth die Spize bieten, den
ich von einem so jungen Krieger nicht vermuthen durfte.

Prinz Heinrich.
O, dieser Junge hat Feuer für uns alle.

(Sie gehen ab.)

(König Heinrich bleibt; Dowglas tritt auf.)

Dowglas.
Wieder ein König?  Sie wachsen wie die Köpfe der Hydra.  Ich bin
Dowglas, allen verderblich die diese Farbe tragen--Wer bist du, der
hier die Person eines Königs machen will?

König Heinrich.
Der König selbst, Dowglas, der herzlich bedaurt, daß du schon so
viele Schatten von ihm angetroffen, eh du ihn selbst gefunden hast.
Ich habe zween Söhne, die dich und Percy auf dem ganzen
Schlachtfeld aufsuchen; aber da du mir so glüklich in die Hände
fällst, will ich's mit dir aufnehmen; vertheidige dich!

Dowglas.
Ich fürchte, du bist auch nur ein Phantom; und doch trägst du dich
in der That wie ein König; aber mein bist du, das bin ich gewiß,
wer du auch bist, und so will ich dich gewinnen.

(Sie fechten; indem der König in Gefahr ist, kommt der Prinz von
Wales dazu.)



Prinz Heinrich.
Hebe deinen Kopf auf, du nichtswürdiger Schotte, oder du sollst
nimmer ihn nicht wieder empor heben: die Geister von Scherley,
Stafford und Blunt sind in meinen Armen; der Prinz von Wales ists,
der dir dräut, und der nie verspricht, was er nicht zu bezahlen
gedenkt.

(Sie fechten, Dowglas flieht.)

Munter, Gnädigster Herr!  Wie befindet sich Euer Majestät?  Sir
Nicolas Gawsey hat um Hülfe geschikt, und das hat auch Clifton
gethan.  Ich will gerade zu Clifton.

König Heinrich.
Bleib und athme einen Augenblik.  Du hast meine verlohrne Achtung
wieder erkauft, Harry, und durch diese edle Rettung bewiesen, daß
dir mein Leben nicht gleichgültig ist.

Prinz Heinrich.
O Himmel!  das gröste Unrecht thaten die mir, die jemals gesagt
haben, daß ich euern Tod wünsche.  Wär' es so, so hätt ich nur
Dowglassens dräuende Hand allein über euch lassen können; sie würde
euer Ende schneller als alles Gift der Welt befördert, und euerm
Sohn die verrätherische Mühe erspart haben.

König Heinrich.
Eile du izt zu Clifton; ich will zu Sir Nicolas Gawsey.

(Der König geht ab.)



Zehnte Scene.
(Hot-Spur, der Prinz von Wales.)


Hot-Spur.
Wenn ich recht sehe, so bist du Harry Monmouth.

Prinz Heinrich.
Du sprichst, als ob ich meinen Namen verläugnen wolle.

Hot-Spur.
Mein Nam' ist Harry Percy.

Prinz Heinrich.
Ich sehe also einen sehr tapfern Rebellen, der diesen Namen trägt.
Ich bin der Prinz von Wales, und denke nicht, Percy, länger neben
mir um den Preis der Ehre zu buhlen.  Zween Sterne können ihren
Lauf nicht in einer Sphäre halten, und Ein England kan sich in kein
doppeltes Reich für Harry Percy, und für den Prinzen von Wales
theilen.

Hot-Spur.
Auch soll es nicht; die Stunde ist gekommen, die einem von uns
beyden ein Ende machen muß; und wollte der Himmel, dein Name im
Krieg wär' izt so groß als meiner.

Prinz Heinrich.
Er soll größer werden, eh wir von einander scheiden, und ich will
alle diese aufblühenden Ehren von deinem Kamme pflüken, um einen
Kranz für meine Stirne daraus zu machen.

Hot-Spur.
Ich kan dich nicht länger so prahlen hören.

(Sie fechten.)

(Falstaff kommt dazu.)

Falstaff.
Bravo, Hall, drauf los, Hall!  Hey sa, ihr werdet hier kein
Kinderspiel finden, das kan ich euch sagen.  (Dowglas tritt auf,
und ficht mit Falstaff, der sogleich zu Boden fällt, als ob er todt
sey; Dowglas geht wieder ab, und der Prinz stößt den Percy nieder.)

Hot-Spur.
O Harry, du hast mich meines Ruhms beraubt; der Verlust des Lebens
schmerzt mich weniger, als alle die stolzen Titel, die du mir
abgewonnen hast; sie verwunden meine Seele tiefer als dein Schwerdt
mein Fleisch; aber die Seele ist eine Sclavin des Lebens, und das
Leben ein Spiel des Glüks--O, ich könnte propheceyen, wenn die
kalte Hand des Todes nicht auf meiner Zunge läge, nun, Percy, bist
du Staub, eine Speise für--

(Er stirbt.)

Prinz Heinrich.
Würmer, braver Percy.  Fahr du wohl!  Unglüklicher Ehrgeiz, wie
klein schrumpfest du zusammen!  Wie dieser Leib noch einen Geist in
sich hatte, war ein Königreich ein zu kleiner Raum für ihn; izt
sind zween Schritte verächtliche Erde Raums genug.  Diese Erde, die
den todten Percy trägt, trägt keinen Lebenden, der ihm gleicht.
Wär'st du noch empfindlich, so würd' es mir nicht erlaubt seyn,
meiner Achtung für dich diesen Ausbruch zu lassen.  Aber nun laß
mich dein zerfeztes Antliz verhüllen, und nimm diesen lezten Dienst
der Liebe von meiner Hand.  Fahre wohl, und nimm deinen Ruhm mit
dir gen Himmel; deine Schmach schlafe mit dir in deinem Grab, und
werde nicht in deiner Grabschrift erwähnt!--

(Er sieht Falstaffen.)

Wie, alte Bekanntschaft?  Konnte alle diese Menge Fleisch nicht
ein wenig Leben verwahren?  Armer Jak, fahr wohl!  Einen bessern
Mann möcht' ich besser gespart haben.*

(Geht ab.)

{ed. * Man läßt hier ein halb Duzent kahle Reime weg, die des
Prinzen unwürdig sind, und die ganze Scene entstellen.}



Eilfte Scene.
(Falstaff steht wieder auf, und amüsirt sich selbst mit frostigen
Wortspielen über die Vorsichtigkeit die er gehabt, sich todt zu
stellen.  Zulezt besorgt er, Percy möchte auch wieder aufwachen,
und giebt ihm deßwegen noch einen Stoß, indem die folgende Scene
angeht.)



Zwölfte Scene.
(Prinz Heinrich, und John von Lancaster treten auf.)


Prinz Heinrich.
Komm, Bruder John; du hast dich das erstemal vortrefflich wol
gehalten.

Lancaster.
Sachte, wen haben wir hier?  Sagtet ihr mir nicht, dieser dike Kerl
sey todt?

Prinz Heinrich.
Das that ich, ich sah ihn ohne Athem auf dem Boden ligen.  Bist du
bey Leben, oder sehen wir dein Gespenst?  Rede, unsre Ohren müssen
das Zeugniß unsrer Augen bestätigen, wenn wir ihnen glauben sollen;
du bist nicht, was du scheinst.

Falstaff.
Nein, das ist gewiß; ich bin nicht gedoppelt; aber wenn ich nicht
Hans Falstaff bin, so will ich ein Hans Dampf seyn.  Hier ligt
Percy; wenn euer Vater mir eine Ehre dafür anthun will, so mag er's;
wo nicht, so kan er den nächsten Percy selber umbringen.  Ich
hoffe entweder Graf oder Herzog zu werden, das kan ich euch
versichern.

Prinz Heinrich.
Wie?  Ich erlegte den Percy, und dich sah ich todt ligen.

Falstaff.
Thatst du das?  Herr, Herr!  Wie die Welt dem Lügen ergeben ist!
Ich versichre euch, ich lag ohne Athem auf dem Boden, und er auch;
aber wir stunden beyde zugleich wieder auf, und fochten eine ganze
lange Stunde, nach der Gloke von Schrewsbury; wenn man mir's
glauben will, gut; wo nicht, so mögen diejenige, so die Tapferkeit
belohnen sollten, die Sünde auf sich nehmen; ich will mein Leben
dran sezen, daß ich ihm die Wunde in das dike Bein gegeben habe:
Wenn der Mann noch lebte, und es läugnen wollte, ich wollte ihm ein
Stük von meinem Degen zu fressen geben.

Lancaster.
Das ist die seltsamste Begebenheit, die ich jemals gehört habe.

Prinz Heinrich.
Das ist der seltsamste Bursche, Bruder John--Komm du, nimm dein
Bagage hübsch auf den Rüken, und wenn eine Lüge dir was Gutes thun
kan, so will ich sie, dir zu gefallen, mit den günstigsten
Ausdrüken übergülden, die ich finden kan.--

(Man hört zum Rükzug blasen.)

Das Feld ist unser!  Komm, Bruder, wir wollen mitten auf das
Schlachtfeld, und sehen, welche von unsern Freunden noch leben, und
welche gefallen sind.

(Sie gehen ab.)

Falstaff.
Ich will auch hinter drein.  Das will ich doch sehen, wie sie mich
belohnen werden.  Der Himmel lohn' es dem, der mich belohnt!  Wenn
ich groß werde, so werd' ich um die Hälfte meines Bauchs kleiner
werden; denn ich will dann purgieren, und den Sect lassen, und ein
ordentliches Leben führen, wie ein Edelmann thun soll.

(Er geht ab.)



Dreyzehnte Scene.
(Trompeten: König Heinrich, der Prinz von Wales, Lord John von
Lancaster, Graf von Westmorland, mit Worcester und Vernon als
Gefangnen, treten auf.)


König Heinrich.
So fand die Empörung noch allemal ihre Züchtigung.  Uebelgesinnter
Worcester, sandten wir nicht euch allen Gnade, Verzeihung, und
freundschaftliche Erbietungen zu?  Und du erfrechtest dich unsre
Erklärung in das Gegentheil zu verkehren, und durch diesen Betrug
deines Vetters Zutrauen zu seinem Verderben zu mißbrauchen!  Drey
tapfre Ritter, die an diesem Tag auf unsrer Seite gefallen sind,
ein edler Graf, und viele andre wakern Leute würden noch leben,
wenn du redlich, wie ein Christ, für das Beste unsrer Armeen
gedacht hättest.

Worcester.
Was ich gethan habe, dazu zwang mich meine Erhaltung; und ich
unterziehe mich geduldig meinem Schiksal, da es nicht in meiner
Macht stund, ihm auszuweichen.

König Heinrich.
Führet Worcestern und Vernon zum Tode; den übrigen Mitschuldigen
geben wir noch Frist.  Wie steht es im Felde?

Prinz Heinrich.
Der tapfre Schotte, Lord Douglas, wie er sah, daß keine Hoffnung
übrig war, diesen Tag zu gewinnen; daß Percy erschlagen war, und
die Furcht alle seine Leute ergriffen hat, entfloh mit den übrigen;
und ein Fall, den er that, richtete ihn so übel zu, daß er in die
Hände der Nachsezenden fiel.  Er ist in meinem Zelt, und ich bitte
Euer Majestät um die Gnade, daß ich über ihn disponieren dürfe.

König Heinrich.
Herzlich gern.

Prinz Heinrich.
So übertrag' ich dann euch, Bruder Lancaster, die Vollziehung
dieses rühmlichen Werks der Großmuth.  Geht zu Douglas, und sezt
ihn, ohne Lösegeld und Bedingung, in völlige Freyheit.  Die
Tapferkeit, die er an dem heutigen Tag auf unsre Köpfe erprobet hat,
hat uns gelehrt, so schöne Thaten selbst an unsern Feinden
hochzuschäzen.

Lancaster.
Ich danke Euer Gnaden für einen Auftrag, den ich sogleich mit
Vergnügen befolgen werde.

König Heinrich.
Nun bleibt nichts übrig, als unsre Macht zu theilen.  Ihr, Sohn
Johann, und mein Vetter Westmorland, sollt euch in möglichstes Eile
nach York wenden, um Northumberlanden und den Prälaten Scroop
anzugreiffen, die sich wie wir hören, mit grossem Eifer zum Krieg
rüsten.  Ich selbst und mein Sohn Harry, werden nach Wales ziehen,
mit Glendower und dem Grafen von March zu fechten.  [Noch ein Tag
wie dieser, wird der Empörung den Muth benehmen; laßt uns, nach
einem so schönen Anfang, nicht ablassen, bis wir alles Unsrige
wieder gewonnen haben.]*

{ed. * Reime im Original.}



Heinrich dem vierten, von William Shakespeare.

Mit dem Leben und Tod von Heinrich Percy, genannt Hot-Spur.

Übersetzt von Christoph Martin Wieland.
                
Go to page: 123
 
 
Хостинг от uCoz