Delphine Lettau and Mike Pullen
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Der Erste Theil von König Heinrich dem vierten
William Shakespeare
Mit dem Leben und Tod von Heinrich Percy, genannt Hot-Spur.
Übersetzt von Christoph Martin Wieland
Personen.
König Heinrich der vierte.
Heinrich, Prinz von Wales, und Johann, Herzog von Lancaster,
Söhne des Königs.
Worcester, Northumberland, Hot-Spur, Mortimer, Erzbischoff von York,
Dowglas, Owen Glendower, Sir Richard Vernon und Sir Michell,
Feinde des Königs.
Westmorland, Sir Walter Blunt und Sir John Falstaff, von des
Königs Parthey.
Poins, Gadshill, Peto und Bardolph, Falstaffs Cameraden.
Lady Percy.
Lady Mortimer, Glendowers Tochter.
Die Wirthin Quikly.
Ein Scheriff, verschiedne Bediente im Wirthshaus, Fuhrleute,
Reisende, und andre stumme Personen.
Die Scene liegt in England.
Erster Aufzug.
Erste Scene.
(Der Hof in London.)
(König Heinrich, der Herzog von Lancaster, der Graf von
Westmorland, und andre Lords treten auf.)
König Heinrich.
Von Sorgen erschüttert und von blassem Kummer abgehärmt, finden wir
endlich den Augenblik, wo der geschrekte Friede wieder zu Athem
kommen kan, um in abgebrochenen Accenten von neuen Arbeiten zu
reden, die an weit entfernten Ufern unsern Muth beschäftigen sollen.
Nicht länger soll diese Erde das Blut ihrer eignen Kinder trinken,
nicht länger einheimische Zwietracht ihre Felder verheeren, und
mit dem eisernen Tritt des Kriegs ihre blühenden Auen zerstampfen.
Diese gegeneinander rükende Schlacht-Ordnungen, die gleich den
Meteoren eines witternden Himmels, alle von einerley Natur, von
einerley Ursprung, noch kürzlich mit der ganzen Wuth eines
Bürgerkrieges auf einander stiessen, sollen nun in gleichlauffenden
Linien, in schöner einträchtiger Ordnung, einen Weg ziehen; nicht
länger sollen Brüder gegen Brüder, Freunde gegen Freunde stehen;
nicht länger der mördrische Stahl, gleich einem übeleingescheideten
Messer, seinen eignen Herrn verwunden. Nein, meine Freunde; zu
jenem geheiligten Grabe Christi, unter dessen heilbringendem Creuz
wir zu streiten geschworen haben, wollen wir mit unserm Englischen
Kriegsheer ziehen, um diese Ungläubigen aus jenen heiligen Gefilden
zu treiben, über welche die gesegneten Füsse gegangen sind, die vor
vierzehnhundert Jahren zu unserm Heil an das bittre Creuz genagelt
worden sind. Jedoch dieses unser Vorhaben ist schon ein Jahr alt;
es ist unnöthig euch zu sagen, daß wir gehen wollen, und wir sind
izo nicht deßhalb zusammen gekommen. Laßt mich also von euch
vernehmen, mein geliebter Vetter von Westmorland, was unsre Raths-
Versammlung gestern wegen dieser wichtigen Unternehmung geschlossen
hat.
Westmorland.
Gnädigster Herr, man betrieb diese Geschäfte mit grossem Eifer, und
es wurden verschiedne Überschläge der Unkosten entworfen: Als ein
ganz unverhofter Courier, mit verdrießlichen Zeitungen beladen,
dazwischen kam, von denen die schlimmste war, daß der edle Mortimer,
der die Leute von Hereford-Schire gegen den aufrührischen
Glendower führte, von den Welschen gefangen, und über tausend von
seinen Leuten niedergemezelt worden seyen, an deren todten Körpern
die Weiber der Welschen solche Mißhandlungen, eine so viehische
schaamlose Verstümmlung ausgeübt, die ohne Erröthen sich nicht
erzählen läßt.
König Heinrich.
Es scheint also, die Nachrichten von diesem Aufstand haben unser
Geschäfte nach dem gelobten Lande abgebrochen?
Westmorland.
Diese von noch mehrern begleitet, thaten es, Gnädigster Herr; denn
es kamen noch mehr ungleiche und mißbeliebige Zeitungen aus Norden
an. Am Kreuz-Erhöhungs-Tag geriethen dieser muthreiche Hot-Spur,
der junge Heinrich Percy, und Archibald, dieser tapfre und
ruhmvolle Schotte, zu Holmedon in ein blutiges Handgemeng, soviel
man aus den Anstalten und der Wut des Angriffs schliessen konnte;
denn derjenige, der diese Zeitung brachte, eilte mitten in der
stärksten Hize des Gefechts davon, ohne den Ausgang abzuwarten.
König Heinrich.
Hier ist ein werther und getreu-eifriger Freund, Sir Walter Blunt,
der nur eben von seinem Pferd abgestiegen ist, um uns von Holmedon
die willkommne Nachricht zu bringen, daß der Graf von Douglas
geschlagen sey. Zehntausend kühne Schotten, und drey und zwanzig
Ritter sah Sir Walter auf den Ebnen von Holmedon in ihrem Blute
sich wälzen. Mordak, Grafen von Fife, den ältesten Sohn des
geschlagnen Douglas, und die Grafen von Athol, Murry, Angus und
Menteith hat Hot-Spur gefangen bekommen. Ist das nicht eine schöne
Beute? Eine edle That? Ha, Vetter, ist es nicht?
Westmorland.
In der That, ein Sieg, worauf ein Prinz stolz zu seyn Ursach hätte.
König Heinrich.
O warum nennst du dieses Wort, um traurige Gedanken in mir zu
erregen, und mich zur Sünde des Neids zu reizen, daß Milord
Northumberland der Vater eines so würdigen Sohns seyn soll; eines
Sohns, dessen Namen der Ruhm stets im Munde fährt; der gleich dem
höchsten Baum in einem Hayn, über alle andre emporragt; der
Liebling des Glüks, und ihr Stolz; indeß daß ich mit eben dem Blik,
der seinen Ruhm übersieht, zügellose Schwelgerey und Schande die
Stirne meines jungen Harry besudeln sehe. O könnt' es bewiesen
werden, daß irgend eine nächtliche trippelnde Fee unsre Kinder in
der Wiege verwechselt, und meinen Sohn Percy, den Seinigen
Plantagenet genennt hätte!--Aber laßt mich diesen Gedanken nicht
nachhängen--Was denkt ihr Vetter, von dieses jungen Percy Stolz?
Er behält die Gefangenen, die er in diesem Gefechte machte, für
sich zurük; und läßt mir sagen, daß ich keinen als Mordake, den
Grafen von Fife, haben soll.
Westmorland.
Das ist seines Oheims Eingebung, das ist Worcester, der allen
Anscheinungen nach übel gegen euch gesinnt ist; der ists, der ihn
seine Federn aufblähen, und seinen jungen Kamm gegen eure Hoheit
emporsträuben macht.
König Heinrich.
Ich habe nach ihm geschikt, um ihn deßwegen zur Verantwortung zu
ziehen, und das ist die Ursach, weswegen wir genöthigt sind, unser
heiliges Vorhaben nach Jerusalem aufzuschieben. Vetter, wir wollen
auf nächsten Mittwoch unsern grossen Rath in Windsor versammeln.
Benachrichtiget die Lords hievon, aber eilet schleunig zu uns zurük;
dann es muß noch mehr gesagt und gethan werden, als uns der
Unwille izt zu sagen erlaubt.
Westmorland.
Ich gehorche, mein gebietender Herr.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Ein Zimmer des Cron-Prinzen.)
(Heinrich, der Prinz von Wales, und Sir John Falstaff treten auf.)
Falstaff.
He, Hal,* was für Zeit ists am Tage, Junge?
{ed. * Harry und Hal, sind abgekürzte Namen, statt Heinrich, so in
vertraulichem Umgang gebraucht worden.}
Prinz Heinrich.
Deine löbliche Gewohnheit, dich in altem Sect zu besauffen, zu
fressen, bis du alle Knöpfe aufthun must, und den ganzen Nachmittag
auf Bänken zu schnarchen, wikelt deinen Wiz in soviel Fett und
Schmeer ein, daß du so gar verlernst, recht zu fragen, was du recht
wissen möchtest. Was, zum Teufel, hast du mit der Zeit am Tag zu
thun? Ja, wenn die Stunden Becher voll Sect wären, die Minuten
Capaunen, die Gloken Zungen von Kupplerinnen, die Uhren Schilde von
H**häusern, und die schöne Sonne selbst ein hübsches roßiges Mensch
in feuerfarbem Taft, dann liesse sich noch begreiffen, warum du
nach der Zeit fragtest.
Falstaff.
Mein Treu, ihr geht mir nah' zu Leibe, Hal; denn wir andern, die
vom Beutelschneiden Handwerk machen, und beym Mond und dem
Silbergestirn herumgehen, und nicht beym Phöbus, "ihm dem edeln
Knecht so schön",** aber ich bitte dich, mein süsses Närrchen, wenn
du einmal König bist--wozu Gott deine Gnaden (Majestät wollt' ich
sagen, denn Gnade wirst du keine haben)--
{ed. ** (he, that wandring Knight so fair)--eine Zeile aus einer
alten Ballade.
Warburton.}
Prinz Heinrich.
Wie? Keine?
Falstaff.
Nein, mein Seel, nicht so viel als zu einem Prologus für ein paar
Eyer in Butter nöthig ist.
Prinz Heinrich.
Gut, und wie weiter? Hey da, rund heraus, keine Umstände!
Falstaff.
Sapperment nun dann, Närrchen, wenn du König bist, so sorge hübsch
dafür, daß wir andre ehrlichen Kerle, die ihr Handwerk bey Nacht
treiben, bey Tage von der Justiz ungeschoren bleiben. Laß uns der
Diana ihre Forster bleiben, Ritter vom Schatten, Lieblinge des
Monds; und laß die Leute sagen, wir seyen Leute von guter
Aufführung, da wir, gleich der See, von unsrer edeln und keuschen
Gebieterin, dem Mond, geführt werden***, unter deren Schuz und
Anführung wir--stehlen.
{ed. *** Die Spässe des Hrn. John Falstaff sind nicht immer
übersetzlich, weil sie sich gar zu oft auf Wortspiele gründen, wie
hier, wo (government) und (govern) in einer ganz verschiednen
Bedeutung genommen werden, die sich im Deutschen nicht recht
ausdrüken ließ, und weswegen auch die Antwort des Prinzen nicht
recht paßt.}
Prinz Heinrich.
Du hast recht, und dein Gleichniß paßt nicht übel; das Glük von uns
andern Mond-Rittern, nimmt immer ab und zu wie die See, weil es wie
die See vom Mond beherrscht wird. Zum Exempel, ein Beutel mit Gold
herzhaft weggeschnappt in lezter Montags-Nacht, wird wieder
lüderlich durchgebracht am Dienstag-Morgen; mit Fluchen und (leg
ab) gewonnen, mit Jauchzen und (bring herein) durchgewonnen; izt in
einer so niedrigen Ebbe als der Fuß einer Leiter, und in einem
Augenblik in einer so hohen Fluth als der Querbalken eines Galgens.
Falstaff.
Meiner Six, du hast recht, Junge; und ist meine Wirthin in der
Schenke nicht ein recht angenehmes Mensch?
Prinz Heinrich.
Wie der Honig von Hybla, alter Junge; und ist nicht ein Wamms von
Büffel ein recht angenehmes Stük Kleidung auf die Dauer?
Falstaff.
Wie, was, was willt du damit sagen, närrischer Junge? Was gehen
mich deine Sticheleyen und deine Quidditäten an? Was, Pestilenz!
hab' ich mit einem Wamms von Büffel zu thun?
Prinz Heinrich.
Und was, schwere Noth! Hab ich mit meiner Wirthin in der Schenke
zu thun?
Falstaff.
Gut, hast du sie nicht oft und viel zum Abrechnen geruffen?
Prinz Heinrich.
Hab ich dich jemals geruffen, daß du deinen Theil an der Zeche
zahlen sollst?
Falstaff.
Nein, die Gerechtigkeit muß ich dir wiederfahren lassen, du hast
alles dort bezahlt.
Prinz Heinrich.
Ja, und allenthalben, so lang mein Sekel reichte; und wenn er leer
war, so hab ich meinen Credit gebraucht.
Falstaff.
Das ist wahr, und so gebraucht, daß, wenn es nicht vermuthlich wäre,
daß du der vermuthliche Erbe--Aber ich bitte dich, Närrchen, willt
du auch noch einen Galgen in England stehen lassen, wenn du König
bist? Willt du zugeben, daß ein resoluter Kerl von dem alten
rostigen grotesken Popanz, Gesez, sich schicanieren lassen soll?
Hänge mir ja keinen Dieb, wenn du König bist, das sag' ich dir.
Prinz Heinrich.
Das will ich auch nicht; du sollt sie hängen.
Falstaff.
Ich? Unvergleichlich! Beym Sapperment! Ich will ein
vortrefflicher Richter seyn.
Prinz Heinrich.
Du verstehst mich nicht; ich meyne, du sollst in Person die Diebe
hängen, und also ein vortrefflicher Henker werden.
Falstaff.
Gut, Hal, gut; das wär' ein Handwerk das sich zu meinem Humor so
gut schikte, als bey Hof aufzuwarten, das kan ich dir sagen.
Schlapperment! ich bin so schwermüthig wie ein Kater, oder wie ein
Bär, den man bey den Ohren zieht.
Prinz Heinrich.
Oder wie ein alter Löwe, oder wie eines Liebhabers Laute?
Falstaff.
Ja, oder wie die Scharrpfeiffe in einem Lincolnschirer Dudelsak.
Prinz Heinrich.
Was sagst du zu einem Hasen, oder zur Melancholey einer Koth-Lache?
Falstaff.
Du hast Gleichnisse von schlimmem Geschmak; und du bist in der That
der allerunvergleichlichste ausserordentliche Spizbube von einem
artigen jungen Prinzen--Aber, Hall, ich bitte dich, plage mich
nicht mehr mit solchen eiteln Dingen; ich wollte zu Gott, du und
ich wüßten eine Gelegenheit, wo man gute Namen zu Kauff kriegen
könnte; ein alter Lord aus dem Staats-Rath kriegte mich lezthin
euertwegen auf der Strasse zu paken, Sir; aber ich gab nicht acht
darauf was er sagte, ob er gleich sehr weislich sprach, und noch
dazu auf der Strasse.
Prinz Heinrich.
Du thatest wol, denn die Weisheit läßt ihre Stimme hören auf den
Gassen, und niemand achtet ihr.
Falstaff.
O du hast eine verdammte Anziehungs-Kraft, mein Seel, du könntest
einen Heiligen verführen. Du hast mir viel böses gethan, Hal, Gott
vergeb es dir. Eh ich dich kannte, Hal, wußt' ich nichts; und izt
bin ich, wenn einer die Wahrheit sagen wollte, wenig besser als
einer von den Schlimmsten. Ich muß diß Leben aufgeben, und ich
will es aufgeben; bey G***, wenn ich es nicht thue, so sey ich ein
Hunds**! Ich will keinem Königssohn in der Christenheit zulieb zum
T** fahren.
Prinz Heinrich.
Wo wollen wir morgen einen Beutel rauben, Hans?
Falstaff.
Wo du willt, Junge, ich mache mit; thue ichs nicht, so heisse mich
einen Hunds** und gieb mir Maulschellen.
Prinz Heinrich.
Die Beßrung deines Lebens geht gut von statten, wie ich sehe; nur
erst Stoßseufzer, izt Strassenrauben.
Falstaff.
Wie, Hal, das ist mein Beruf, Hal; es ist einem keine Sünde, in
seinem Beruf zu arbeiten. He! wer kommt? Poins! Nun werden wir
hören, ob Gadshill etwas ausfündig gemacht hat--O wenn die Leute
aus Verdienst selig würden, welches Loch in der Hölle wäre heiß
genug für diesen da!
Dritte Scene.
(Poins zu den Vorigen),
Falstaff.
Das ist der allgewaltigste Spizbube, der jemals einem ehrlichen
Mann Halt! zugeruffen hat.
Prinz Heinrich.
Guten Morgen, Ned.
Poins.
Guten Morgen, mein lieber Hal. Was sagt Monsieur Gewissen? Was
sagt Sir John Sect und Zukerhans? Wie habt ihr's mit einander, du
und der Teufel, wegen deiner Seele, die du ihm verwichnen Char-
Freytag um ein Glas Madera-Wein und einen kalten Capaunen-Schenkel
verkauft hast?
Prinz Heinrich.
Sir John hält sein Wort; der Teufel soll seine Waare haben; ihr
wißt daß er nie kein Sprüchwort gebrochen hat; er wird dem Teufel
geben, was ihm gehört.
Poins.
So wirst du verdammt, wenn du dem Teufel dein Wort hältst?
Prinz Heinrich.
Sonst würde er verdammt, weil er den Teufel betrogen hätte.
Poins.
Aber, meine Jungens, meine Jungens, morgen früh, um vier Uhr, nach
Gadshill; es sind Pilgrims auf dem Weg, die mit reichen Opfern nach
Canterbury, und Kauffleute die mit wohlgespikten Beuteln nach
London gehen. Ich habe Visiere für euch alle, und ihr habt Pferde
für euch selbst. Gadshill ligt diese Nacht zu Rochester, ich hab
auf morgen Nachts ein Nacht-Essen in East-Cheap bestellt. Es ist
eine Sache die wir so sicher thun können, als schlaffen; wenn ihr
gehen wollt, so will ich euch eure Beutel mit Cronen voll stopfen;
wollt ihr nicht, so bleibt da, und der Henker hole euch.
Falstaff.
Hört ihr, Yedward; wenn ich daheim bleibe und nicht mit gehe, so
will ich euch dafür hängen, daß ihr gegangen seyd.
Poins.
Willt du das, Vielfraß?
Falstaff.
Hal, willt du einer von uns seyn?
Prinz Heinrich.
Wer, ich rauben? Ich, ein Dieb? Nein, bey meiner Treu!
Falstaff.
Du hast weder Ehre noch Tapferkeit im Leibe, wenn du das thust; du
willt deine guten Freunde so im Stich lassen? Meiner Six, du hast
keinen Tropfen königliches Blut im Leib, wenn du nicht um zehn
Schillinge das Herz hast zu ruffen: Halt!
Prinz Heinrich.
So sey es dann, einmal in meinem Leben will ich ein Tollkopf seyn.
Falstaff.
Nun, das heißt einmal brav gesprochen.
Prinz Heinrich.
Nein, geh' es wie es will, ich bleibe zu Hause.
Falstaff.
Bey G** so will ich ein Verräther seyn, wenn du König bist.
Prinz Heinrich.
Ich bekümmre mich nichts darum.
Poins.
Sir John, ich bitte dich, laß den Prinzen und mich allein; ich will
ihm solche Gründe vorlegen, daß er gewiß gehen soll.
Falstaff.
Gut, mögest du den Geist der Ueberredung haben, und er Ohren zu
hören, damit was du redest bewegen möge, und was er hört geglaubt
werde. Lebet wohl indessen, ihr sollt mich in East-Cheap finden.
(Falstaff geht ab.)
Poins.
Nun, mein lieber süsser Zuker-Prinz, reitet morgen mit mir. Ich
hab einen Spaß im Kopf, den ich allein nicht ausführen kan.
Falstaff, Bardolph, Peto und Gadshill sollen diese Leute berauben,
auf die wir einen Anschlag gemacht haben; ihr und ich wollen nicht
dabey zugegen seyn; wenn sie dann die Beute haben, und ihr und ich
sie ihnen nicht abjagen, so haut diesen Kopf von meinen Schultern.
Prinz Heinrich.
Aber wie werden wir von ihnen kommen, wenn wir mit ihnen ausreiten?
Poins.
Wie? Wir wollen vor oder nach ihnen fort, und ihnen einen gewissen
Plaz bestimmen, wo wir zusammentreffen wollen, und den können wir
ja hernach verfehlen, wenn's uns beliebt; und dann werden sie das
Abentheuer allein unternehmen, und sobald sie damit fertig sind, so
wollen wir über sie her.
Prinz Heinrich.
Gut; aber es ist vermuthlich, daß sie uns an unsern Pferden, an
unsern Kleidern, und an hundert andern Merkmahlen erkennen werden.
Poins.
Für das ist schon Rath geschaft. Unsre Pferde sollen sie nicht
sehen, denn die wollen wir im Wald anbinden; unsre Visiere wollen
wir gegen andre verwechseln, wenn wir von ihnen weg sind; und,
Sapperment! ich habe Ueberröke von Schetter im Vorrath, unter
denen niemand unsre Kleider kennen soll.
Prinz Heinrich.
Aber ich besorge, sie werden uns zu stark seyn.
Poins.
O was das anbetrift, zween von ihnen kenne ich als ein Paar so ächt-
gebohrne Memmen, als jemals den Rüken gewiesen haben; und was den
dritten betrift, wenn der sich länger wehrt als recht ist, so will
ich alles Gewehr verschwören. Der gröste Spaß von der Sache wird
in den miraculosen Lügen bestehen, die dieser nemliche dike
Spizbube uns vorsagen wird, wenn wir zum Nacht-Essen zusammen
kommen; wie er es zum wenigsten mit dreyßig aufgenommen, was für
Hiebe er bekommen, was für Gefahren er bestanden habe; und in der
Art, wie wir ihn aller dieser Aufschneidereyen überweisen werden,
ligt der Spaß.
Prinz Heinrich.
Gut, ich will mit dir gehen; sorge für alles was wir nöthig haben,
und erwarte mich auf morgen Nachts in East-Cheap. Leb' wohl.
Poins.
Lebet wohl, Milord.
(Poins geht ab.)
Prinz Heinrich.
Ich kenne auch alle, und will noch eine Weile diesen zügellosen
Humor eurer müßigen Lüderlichkeit in der Höhe halten; aber hierinn
will ich die Sonne nachahmen, die den unedeln anstekenden Dünsten
erlaubt, ihre Schönheit der Welt zu verbergen; damit, sobald es ihr
gefällt, wieder sie selbst zu seyn, sie desto mehr bewundert werde,
wenn sie, eine Zeitlang vermißt, auf einmal durch die faulen und
häßlichen Wolken hervorbricht, welche sie zu erstiken geschienen
hatten. Wenn das ganze Jahr aus lauter Fest-Tagen bestünde, so
würde man des Feyerns so überdrüßig werden als des Arbeitens; sie
sind nur erwünscht, weil sie selten kommen, und nichts gefällt mehr
als seltne Dinge. So werde ich, wenn ich einst dieses ausgelaßne
Wesen von mir werfe, und eine Schuld bezahle die ich nie
versprochen habe, die Besorgnisse der Leute um so mehr zuschanden
machen, je besser ich seyn werde als mein Wort. Und gleich einem
glänzenden Edelstein auf einem dunkeln Grund, wird meine
Verbesserung, meine Fehler überschimmernd, schöner scheinen, und
mehr Augen auf sich ziehen, als ein Leben, das keine Folie hat,
wodurch es erhoben wird.
(Er geht ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in einen Saal des königlichen Palasts.)
(König Heinrich, Northumberland, Worcester, Hot-Spur, Sir Walter
Blunt, und andre treten auf.)
König Heinrich.
Mein Blut ist zu kalt und zu milde gewesen, daß es bey einem so
unanständigen Betragen nicht aufwallte; ihr habt meine schwache
Seite gefunden, und tretet deßwegen meine Geduld mit Füssen; aber
versichert euch, ich will künftighin mehr seyn, was meine Würde,
als was meine Gemüthsart fordert, die zu sanft und milde gewesen
ist, und deßwegen die Ehrfurcht verlohren hat, die eine stolze
Seele nur dem Stolzen bezahlt.
Worcester.
Unser Haus, Gnädigster Herr verdienet wahrlich nicht daß die
Geissel der Grösse gegen selbiges gebraucht werde, und dazu noch
eben dieser Grösse, die unsre eigne Hände so stattlich zu machen
geholfen haben.
Northumberland.
Mein Gnädigster Herr--
König Heinrich.
Worcester, entferne dich; ich sehe Ungehorsam und Drohung in deinen
Augen. O Sir, eure Mine ist zu kühn und zu entschlossen, und die
Majestät kan unmöglich trozbietenden Stolz auf der Stirne eines
Unterthanen dulden. Ihr habt Erlaubniß uns zu verlassen. Wenn wir
euern Rath oder eure Dienste nöthig haben, werden wir euch ruffen
lassen.
(Worcester geht ab.)
Ihr wolltet ja reden--
(Zu Northumberland.)
Northumberland.
Ja, mein Gnädigster Herr; diese Gefangne die in Eu. Majestät Namen
abgefordert wurden, und die Heinrich Percy zu Holmedon gemacht hat,
sind, wie er sagt, nicht so schlechterdings verweigert worden, wie
man Euer Majestät berichtet hat. Entweder Mißgunst oder
Mißverständniß ist dieses Vergehens schuldig, nicht mein Sohn.
Hot-Spur.
Mein Gnädigster Herr, ich versagte keine Gefangne; aber dessen
erinnre ich mich, wie die Action zu Ende war, und ich, ganz
aufgetroknet von Hize und Arbeit, athemlos und abgemattet auf mein
Schwerdt mich lehnte, da kam ein gewisser junger Herr, nett,
zierlich aufgepuzt, frisch wie ein Bräutigam, und sein kürzlich
abgeschohrnes Kinn sah aus wie ein Stoppeln-Feld im Herbst. Er war
parfumirt wie ein Specerey-Krämer, und hielt zwischen seinem Finger
und seinem Daumen eine Schnupf-Büchse, die er alle Augenblike vor
die Nase hielt; immer hatte er was zu lächeln und zu schwazen; und
wie die Soldaten todte Körper vorbey trugen, hieß er sie ungezogne
Flegel, eine so unsaubre und unartige Bürde zwischen den Wind und
seine Adeliche Person zu bringen. Er fragte mich mit einem Strom
von Sonntags- und Frauenzimmer-Redensarten nach hundert Sachen, und
forderte mir endlich auch, zu Handen Eurer Majestät meine Gefangnen
ab. Ich, den meine Wunden überall schmerzten, und verdrießlich
darüber, daß mich ein solcher Papagay zur Unzeit übertäuben sollte,
antworte ihm im Unmuth und in der Ungeduld, ich weiß nicht was; er
sollte sie haben, oder er sollte sie nicht haben; denn es machte
mich toll, etwas das einem Mann ähnlich sah, vor mir zu sehen, das
von so vielen Farben schimmerte, und so süß roch, und von Flinten
und Trummeln und Wunden so Kammerfräulein-mäßig redte, und mir
sagte, für eine innerliche Quetschung sey kein unfehlbarers Mittel
als Spermacet, und es sey recht zu bedauren, sey es, daß dieser
verfluchte Salpeter aus den Eingeweiden der unschuldigen Erde
hervorgegraben worden sey, der so viele brave wolgewachsene Leute
so elendiglich umgebracht habe: Und wenn nur diese nichtswürdigen
Flinten nicht wären, so würde er selbst ein Soldat geworden seyn--
Auf alles dieses sein kühles, unzusammenhängendes Geplauder gab ich
also, Gnädigster Herr, nur obenhin Antwort wie ich sagte; und ich
bitte euch, laßt seinen Bericht nicht die Gültigkeit einer Anklage
gegen einen Mann haben, der eurer Majestät so ergeben ist als ich.
Blunt.
Die Umstände in Ueberlegung gezogen, Gnädigster Herr, so könnte
alles was Harry Percy damals zu so einer Person, an so einem Ort,
und in so einer Zeit gesagt haben möchte, billiger Maassen für todt
und abgethan gehalten, und nimmer zu seinem Nachtheil wieder
erwähnt werden. Denn was er damals sagte, dem entsagt er ja izo
wieder, wie ihr seht.
König Heinrich.
Wie, und doch weigert er sich seine Gefangnen auszuliefern, ausser
mit der Bedingung, daß wir seinen Schwager, den närrischen Mortimer,
unverzüglich auf unsre eigne Unkosten auslösen sollen; ihn, der
geflissentlich das Leben aller derjenigen aufgeopfert hat, die er
gegen diesen Zauberer, diesen verdammten Glendower anführte, dessen
Tochter, wie wir hören, Mortimer kürzlich geheurathet hat. Sollen
unsre Kisten etwann ausgeleert werden, um einen Verräther
heimzukauffen? Nein, auf den nakten Wallischen Bergen laßt ihn
verhungern; nimmer werd' ich den Mann für meinen Freund halten,
dessen Zunge von mir nur den Aufwand eines Pfennigs verlangt, den
aufrührischen Mortimer auszulösen.
Hot-Spur.
Den aufrührischen Mortimer? Das veränderliche Glük des Kriegs,
nicht sein Wille, hat ihn in die Hände der Feinde fallen lassen,
Gnädigster Herr; und zum Beweiß daß dieses die Wahrheit sey,
braucht es keine andre Zeugen, als alle diese Wunden, die er
empfieng, da er an dem beschilften Strande des anmuthigen Severns,
in einzelnem Kampf, Stirne gegen Stirne, den grösten Theil einer
Stunde lang den furchtbaren Glendower aufhielt. Dreymal ruhten sie,
um wieder zu Athem zu kommen, dreymal tranken sie, auf Verabredung,
vom Wasser des schnellen Severns, der, von ihren blutigen Bliken
erschrekt, angstvoll zwischen seinem zitternden Schilfrohr fortrann
und sein krauses Haupt im holen Ufer verbarg, vom Blut dieser
muthigen Kämpfer beflekt. Niemals hat unedle heuchlerische
Verrätherey ihren Anschlägen mit so tödtlichen Wunden eine Farbe
angestrichen; so großmüthig verschwendet kein Verräther sein Blut.
Gestattet also nicht, Gnädigster Herr, daß der edle Mortimer durch
eine so unverdiente Beschuldigung entehrt werde.
König Heinrich.
Du lügst zu seinem Vortheil, Percy, du lügst; Niemals ist er mit
Glendower ins Handgemeng gekommen; er hätte eben so viel Muth
gehabt, es mit dem Teufel aufzunehmen, als mit Owen Glendower.
Schämst du dich nicht, solche Dinge vorzugeben? Aber, beym Himmel!
von dieser Stund an laßt mich nicht mehr von Mortimer reden hören.
Schikt mir eure Gefangnen durch die schleunigste Veranstaltung,
oder ihr sollt Nachrichten von mir bekommen, die euch nicht
gefallen werden--Milord Northumland, wir erlauben euch mit euerm
Sohn abzureisen. Eure Gefangnen, oder ihr sollt mehr von mir hören.
(König Heinrich geht ab.)
Hot-Spur.
Und wenn der Teufel käme und sie mir abheulen wollte, so schik' ich
sie nicht. Ich will ihm nach, und ihm das sagen; ich muß meinem
Herzen Luft machen, und wenn es mit Gefahr meines Kopfs wäre.
Northumberland.
Wie? von Zorn trunken? Verziehe noch einen Augenblik, hier kommt
dein Oheim. (Worcester zu den Vorigen.)
Hot-Spur.
Nicht mehr von Mortimer reden? Aber ich will von ihm reden, und
möge meine Seele keine Gnade im Himmel finden, wenn ich mich nicht
zu ihm schlage. Entweder will ich alle diese Adern ausleeren, und
mein Herzensblut, Tropfen für Tropfen in den Staub hingiessen, oder
ich will den zu Boden getretnen Mortimer so hoch in die Luft
emporheben als diesen König, diesen undankbaren gefühllosen
übermüthigen Bolingbroke.
Northumberland.
Bruder, der König hat euern Neffen unsinnig gemacht.
Worcester.
Wer brachte ihn denn in Hize, wie ich fortgegangen war?
Hot-Spur.
Er will mit Gewalt meine Gefangnen haben, und wie ich darauf
bestund, daß er meinen Schwager auslösen sollte, da erblaßt' er wie
eine Leiche, indem er mich ansah, und zitterte vor dem blossen
Namen Mortimer.
Worcester.
Ich kan's ihm nicht verdenken. Wurde nicht Mortimer von Richarden,
der nun todt ist, als der nächste Thronfolger erklärt?
Northumberland.
Das wurde er; ich war bey der Ausruffung zugegen, es geschah zu
eben der Zeit, da der unglükliche König (dessen erlidtnes Unrecht
uns Gott verzeihen wolle!) gegen die Irländischen Rebellen auszog;
von denen er, durch Englands Aufstand abgeruffen, zurük kehrte, um
abgesezt, und bald hernach ermordet zu werden.
Worcester.
Eine That, die uns in den Augen der ganzen Welt entehrt, und zum
Abscheu gemacht hat.
Hot-Spur.
Aber sachte, ich bitte euch--König Richard erklärte also meinen
Bruder Mortimer zum Thronfolger?
Northumberland.
Er that es, meine eigne Ohren haben es gehört.
Hot-Spur.
Nun, so kan ich den König, seinen Vetter, nicht verdenken, daß er
ihn auf den kahlen Bergen verhungert zu sehen wünschte. Aber soll
es dann seyn, daß ihr, welche die Crone auf den Kopf dieses
undankbaren Mannes seztet, und um seinetwillen den verhaßten Fleken
der Verrätherey und des Meuchelmords tragt; soll es seyn, daß ihr
eine Welt voll Flüche auf euch nehmen wollt, um die Werkzeuge, die
verächtlichen Werkzeuge, die Strike, die Leiter und der Henker
eines Bolingbroks zu seyn? (O! vergebet mir, daß ich so
schändliche Benennungen gebrauchen muß, um den Mißbrauch anzuzeigen,
den dieser listige König von euch macht.) Und soll es, o Schande!
soll in unsern Tagen gesagt, und in Jahrbücher auf künftige Zeiten
gebracht werden, daß Männer von eurer Geburt und Macht sich, (wie
ihr beyde, Gott vergeb' es euch! gethan habt,) zu einer so
ungerechten Sache verbunden haben, als diese war, Richarden, diese
anmuthige liebliche Rose, zu Boden zu treten, und diesen Dornbusch,
Bolingbrok, an seine Stelle zu pflanzen? Soll es zu eurer noch
grössern Schande gesagt werden, daß ihr von demjenigen, für welchen
ihr dieser Schande euch unterzogen, zur Belohnung mißhandelt,
geäffet und verächtlich auf die Seite geworffen worden? Nein, es
ist noch Zeit, eure verbannte Ehre wieder zu lösen, und euch in die
gute Meynung der Welt wieder einzusezen. Rächet euch, rächet die
Beleidigungen dieses übermüthigen Königs, der Tag und Nacht nur
darauf denkt, wie er die Schuld, die er euch eingestehen muß, mit
euerm Tod bezahlen wolle. Ich sage also--
Worcester.
Nein, Vetter, saget nichts mehr. Es ist nun an mir, euch
Geheimnisse von tiefem und gefahrvollem Inhalt zu entfalten, so
gefährlich, und verwegen als es wäre, auf der schwachen Brüke eines
Speers über einen lautheulenden Waldstrom zu gehen.
Hot-Spur.
Fällt er hinein, gute Nacht. Entweder schwimmen oder untergehen--
Sendet Gefahr von Osten gegen Westen, so soll Ehre von Norden gegen
Süden sie durchkreuzen, und dann laßt sie sich mit einander
herumbalgen--O! das Blut wallt feuriger einen Löwen aufzuweken,
als den Lauf einer Hindin zu beflügeln.
Northumberland.
Der Gedanke irgend einer grossen Unternehmung treibt ihn über die
Grenzen der Geduld.
Hot-Spur.
Beym Himmel, mich däucht, es wäre nur ein leichter* Sprung, die
glänzende Ehre von dem blaßwangichten Mond herab zu reissen, oder
sich in die Tieffe eines bodenlosen Abgrunds hinab zu täuchen, und
die ertrunkne Ehre bey den Haaren herauf zu ziehen, wenn der Genuß
ihrer Vorzüge mit keinem Nebenbuhler getheilt, der Preiß einer
solchen Unternehmung wäre.
{ed. * Hr. Warburton erinnert sich hiebey einer Stelle des
Euripides, worinn dieser vortreffliche Mahler der Leidenschaften
dem Eteocles den nemlichen Gedanken in den Mund legt: Mutter, ich
gesteh es unverhohlen, ich stiege dort wo die Sonne hervor geht
über die Sterne hinauf, oder hinab in den Abgrund der Erde, wenn
es möglich wäre, der Götter unumschränkten Thron zu bekommen.
S. 262 des 1sten Theils des Euripides, nach der Uebersezung des
Hrn. Professor Steinbrüchels.}
Worcester.
Mein lieber Vetter, hört mir einen Augenblik zu, wenn es die
Lebhaftigkeit eurer Gemüths-Bewegung erlaubt.
Hot-Spur.
Ich bitte euch um Vergebung.
Worcester.
Eben diese edlen Schotten, die eure Gefangnen sind--
Hot-Spur.
Ich will sie alle für mich behalten; beym Himmel, er soll keinen
einzigen haben, kein Haar von einem Schotten, und wenn dieses Haar
seine Seele erlösen könnte; ich will sie behalten, bey dieser Hand!
Worcester.
Ihr rennt immer fort, und hört mich nicht an; ihr sollt ja diese
Gefangnen behalten.
Hot-Spur.
Das will ich auch; dabey bleibts. Er sagte, er wolle den Mortimer
nicht auslösen; er verbot mir von Mortimer zu reden; aber ich will
ihn ausfinden, wenn er schläft, und ihm in sein Ohr hallen:
Mortimer! Ich will einen Staaren abrichten lassen, daß er nichts
als Mortimer ruffe, und will ihm den Staaren geben, um seinen Zorn
immer in Athem zu erhalten.
Worcester.
Hört doch, Vetter, nur ein Wort.
Hot-Spur.
Hier verschwör ich feyrlich alle andre Gedanken, als wie ich diesen
Bolingbroke quälen und tollmachen wolle. Und was diesen
eisenfresserischen Prinzen von Wales betrift, dächt' ich nicht, es
würde seinem Vater lieb seyn, wenn ihm ein Unglük begegnete, er
sollte mir mit einem Krug Weißbier vergiftet werden.
Worcester.
Lebt wohl, Neffe; ich will mit euch reden, wenn ihr besser im
Stande seyd, zuzuhören.
Northumberland.
Wie, was für ein wespen-züngichter, ungeduldiger Narr bist du, in
diesen weibischen Humor auszubrechen, und niemand hören zu wollen
als dich selbst?
Hot-Spur.
Wie? seht ihr, mir ist, als ob ich mit Ruthen gehauen, mit Nesseln
gepeitscht und von Ameisen gestochen werde, wenn ich nur den Namen
dieses schändlichen falschen Bolingbroke höre. Zu Richards Zeiten--
Wie hieß doch der Ort?--daß ihn die Pest!--er ligt in Glocester-
Schire--es war wo der hirnlose Herzog seinen Oheim ins Garn lokte,
seinen Oheim York--wo ich meine Knie zum erstenmal vor diesem König
der Liebkosungen, vor diesem Bolingbroke bog; wie ihr und er von
Ravenspurg kam't.
Northumberland.
Zu Berkley-Castle.
Hot-Spur.
Dort war es; ha! was für eine Menge überzükerte Complimente machte
mir damals dieser schwänzelnde Windhund vor! Wenn sein unmündiges
Glük zu Jahren gekommen seyn würde--und edler Harry Percy, und
liebster Vetter--Der Teufel hole solche Schmeichler!--Gott verzeih'
mir's! Guter Oheim, sagt izt was ihr wollt, ich bin fertig.
Worcester.
Nein, wenn ihr noch nicht fertig seyd, so macht nur fort, wir
wollen warten, bis es euch gelegen ist.
Hot-Spur.
Ich bin fertig, auf meine Ehre.
Worcester.
So wollen wir wieder zu unsern Schottischen Gefangnen. Gebt sie
unverzüglich ohne Lösegeld frey, und bedient euch dieses Sohns des
Dowglas, um ein Heer in Schottland zusammen zu bringen, welches, um
verschiedner Ursachen willen, die ich euch schriftlich zuschiken
will, euch ohne Mühe zugestanden werden wird. Ihr, Milord von
Northumberland, schleichet euch, indeß daß euer Sohn in Schottland
beschäftigt ist, in das Vertrauen dieses edlen und beliebten
Prälaten ein, des Erzbischoffs--
Hot-Spur.
Von York, nicht wahr?
Worcester.
Ja, der den Tod seines Bruders, des Lord Scroop, zu Bristol, sehr
hart empfindt. Ich rede nicht aus blosser Vermuthung, was
vielleicht geschehen könnte; sondern von einer Sache, die schon
entworffen, beschlossen und verabredet ist; von einer Sache, die
nur auf eine solche Gelegenheit wartet, um zum Ausbruch zu kommen.
Hot-Spur.
Ich rieche was; bey meinem Leben, es muß gut gehen!
Northumberland.
Wie voreilig du bist!
Hot-Spur.
Es kan unmöglich anders als ein edler Entwurf werden! Und dann
sollen sich die Schottische Macht, und Yorks Anhang mit Mortimer
vereinigen, ha!
Worcester.
Das sollen sie.
Hot-Spur.
In der That, das ist über die Maassen wol ausgesonnen.
Worcester.
Die Ursache ist nicht gering, die uns so schleunig als es möglich
ist, unsre Köpfe emporzuheben befiehlt, wenn wir sie retten wollen.
Denn so niedrig wir sie immer tragen möchten, so wird der König
doch immer denken, daß er unser Schuldner sey; und daß wir uns
nicht eher für befriedigt halten werden, bis er seine Schuld
heimgezahlt habe. Ihr seht ja bereits, wie er uns je länger je
mehr von seinem Vertrauen und von seiner Zuneigung entfernt.
Hot-Spur.
Das thut er, das thut er; wir wollen Rache an ihm nehmen.
Worcester.
Vetter, lebt wohl. Geht nicht weiter in dieser Sache, als ich euch
durch meine Briefe anweisen werde. Wenn die Zeit reif seyn wird,
und das wird bald seyn, dann will ich in Geheim zu Glendower und
Mortimer mich begeben, wo ihr und Dowglas und unsre Völker, auf
meine Veranstaltungen, glüklich zusammen kommen sollen, um unser
Glük, das izt an einem Faden hängt, in unsern eignen starken Armen
zu tragen.
Northumberland.
Lebet wohl, Bruder; ich habe die beste Hoffnung, daß alles gut von
statten gehen werde.
Hot-Spur.
Lebt wohl, Oheim; O laßt die Stunden eilen, bis im blutigen
Schlachtfeld das Klirren der Schwerdter und das Aechzen der
Sterbenden mein belustigtes Ohr umtönt.
Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein Wirthshaus bey Rochester.) (Ein Fuhrmann tritt mit einer
Laternen in der Hand auf, ruft dem Hausknecht, und giebt ihm eine
Commißion wegen seines Pferds; ein andrer Fuhrmann kommt dazu, und
die Flöhe in diesem Wirthshaus, worüber beyde sich beklagen, geben
Anlas zu einer kleinen Unterredung im fuhrmännischen Geschmak,
worinn, daß dich die Pest! und, geh' an Galgen, die schönsten
Blümchen sind. Gadshill, einer aus des Prinzen von Wales Bande,
kommt dazu, und erkundigt sich mit guter Manier bey ihnen, wenn die
Reisende, mit denen sie in diesem Wirtshaus angekommen, nach London
abzugehen gedenken.)
Zweyte Scene.
(Ein kleines Gespräch zwischen Gadskill und einem Bedienten im
Wirthshaus, welches, ausser den Nachrichten, die der leztere dem
ersten von den Passagiers im Hause giebt, in einer Art von
Wizwechsel besteht, wovon der Uebersezer bekennt, daß es ihm
unmöglich fällt, die deutsche Sprache damit zu bereichern.
Diejenige, welche vielleicht glauben, daß er diese Unmöglichkeit
mit etwas weniger Trägheit hätte überwinden können, mögen sich zur
Probe an den sinnreichen Wörtern:) long-staff-six-penny-strikers(,
und) Mustachiopurple-hued-malt-worms (üben; und wenn ihnen auch
diese nicht zu schwer seyn sollten, so werden sie doch gestehen,
daß die unsaubern Wortspiele, die einen Theil dieser Scene
ausmachen, unübersezlich sind. Das beste ist, daß der Leser nicht
einen einzigen gesunden Gedanken, oder guten Einfall dabey
verliehrt. Man mag aus dem was wir übersezen, den Schluß auf
dasjenige machen, was wir auslassen müssen.)
Dritte Scene.
(Verwandelt sich in die Landstrasse.)
(Prinz Heinrich, Poins und Peto treten auf.)
Poins.
Kommt, verbergt euch, verbergt euch; ich habe Falstaffs Pferd auf
die Seite gethan, und er murrt wie ein gummierter Sammet.
Prinz Heinrich.
Halt dich ruhig. (Falstaff tritt auf.)
Falstaff.
Poins, Poins! daß du gehangen wärst! Poins!
Prinz Heinrich.
Still, du fettnierichter Spizbube, was für ein Geheul machst du da?
Falstaff.
Wie, Poins! Hal!
Prinz Heinrich (zu Poins.)
Er ist auf den Hügel hinauf gegangen, ich will geh'n und ihn
aufsuchen.
Falstaff (auf einer andern Seite.)
Das ist meine Straffe davor, daß ich in dieses Diebs Gesellschaft
raube; der Raker hat mir mein Pferd auf die Seite gethan, der
Henker weiß wo hin. Wenn ich nur noch vier Quadrat-Schuhe weiter
zu Fuß gienge, so würd' ich mir den Blasebalg zersprengen. Gut,
ich zweifle nicht, daß ich eines schönen Tods für alles diß sterben
werde, in so fern ich dem Galgen entgehe, wenn ich diesen Spizbuben
todtschlage. Ich habe diese zwey und zwanzig Jahre her seine
Gesellschaft stündlich verschworen, und doch bin ich immer mit dem
Galgenstrik behext. Ich will gehangen seyn, wenn mir der Raker
nicht einen Liebes-Trank eingegeben hat; es kan anders nicht seyn;
ich hab' einen Liebes-Trank bekommen. Poins! Hal! Daß ihr die
Pest hättet! Bardolph! Peto! Ich will verhungern, wenn ich einen
Schritt weiter stehle. Wenn es nicht eine so gute That wär' als
ein Glas Bier auszutrinken, wenn ich ein ehrlicher Mann würde und
diese Galgenschwengel verliesse, so will ich der ausgemachteste
Halunke seyn, der jemals mit Zähnen gekäut hat. Acht Ellen unebner
Grund ist siebenzig Meilen für mich, wenn ich zu Fuß gehen muß.
Das hol der Henker, wenn Diebe nicht einmal ehrlich an einander
seyn können!
(Er hört sie flüstern.)
He! daß euch die Pestilenz alle mit einander! Gebt mir mein
Pferd, ihr Schelme, gebt mir mein Pferd, und geht an den Galgen.
Prinz Heinrich.
Schweige, du Schmeer-Bauch, lieg nieder, leg dein Ohr hart an den
Boden, und horch, ob du nicht den Fußtritt von Reisenden hören
kanst.
Falstaff.
Habt ihr ein paar Hebel, oder etliche, daß ihr mich wieder aufheben
könnt, wenn ich einmal liege? Sapperment! Ich wollte um alles
Geld in deines Vaters Schazkammer, mein eigen Fleisch nicht noch
einmal so weit zu Fuß tragen. Was zum T** meynt ihr damit, daß ihr
mich so vexiert--Ich bitte dich, Prinz Hal, hilf mir zu meinem
Pferd, guter Königs-Sohn.
Prinz Heinrich.
Weg, du Schurke! Soll ich dein Stallknecht seyn?
Falstaff.
Geh, und häng dich selbst an deinen eignen Cronprinzlichen
Kniebändern auf. Wenn ich ertappt werde, so will ich euch für
diesen Streich bezahlen; ich will reden was ich weiß, das glaubt
mir. Wenn ich's nicht dahinbringe, daß man Gassenhauer auf euch
macht, und sie im Ton von H**liedern in den Strassen singt, so möge
ein Becher mit Sect mein Gift seyn! Wenn man einen Spaß so weit
treibt, und noch dazu zu Fuß! Ich haß' es! (Gadshill und Bardolph
zu den Vorigen.)
Gadshill.
Steh!
Falstaff.
Das thue ich, wieder meinen Willen.
Poins.
O, es ist unser Spion, ich kenn' ihn an der Stimme. Bardolph, was
giebts Neues?
Bardolph.
Maskirt euch, maskirt euch, zieht eure Visiere herab: es kommt dort
Geld für den König vom Hügel herunter, Geld, das in des Königs
Schazkammer geht.
Falstaff.
Du lügst, du Spizbube, es geht in des Königs Wirthshaus.
Gadshill.
Es ist genug, uns alle--(reich zu machen).
Falstaff.
An den Galgen zu bringen.
Prinz Heinrich.
Ihr Herren, stellt ihr Viere euch ihnen vorn in dem holen Weg
entgegen; Ned Poins und ich wollen tiefer herunter gehen; wenn sie
euch entrinnen, so fallen sie doch uns in die Hände.
Peto.
Aber wie viel sind ihrer?
Gadshill.
Ihrer acht oder zehen.
Falstaff.
Sakerlot! So werden sie ja uns berauben.
Prinz Heinrich.
Was Sir Hans Wanst für eine Memme ist!
Falstaff.
In der That, ich bin nicht Hans von Gaunt, euer Großvater, aber
doch auch keine Memme, Hal.
Prinz Heinrich.
Gut, wir wollen's auf die Probe ankommen lassen.
Poins.
Holla, Jak, dein Pferd steht hinter dem Zaun dort: wenn du's nöthig
hast, so wirst du's dort finden. Lebt wohl und haltet euch wohl!
Prinz Heinrich (zu Poins leise.)
Ned, wo sind unsre Ueberkleider?
Poins.
Hier, hart an uns; Laßt euch ja nicht sehen.
(Sie gehen auf die Seit.)
Falstaff.
Nun, meine Herren, ein jeder an seine Arbeit, wer das beste kriegt,
der hat's!
Vierte Scene.
(Einige Reisende treten auf.)
Reisende.
Kommt, Nachbar; der Junge soll unsre Pferde den Hügel herunter
führen; wir wollen eine Weile zu Fuß gehen, um eine Veränderung zu
machen.
Die Diebe.
Halt!
Reisende.
Gott helf uns!
Falstaff.
Schlagt zu; nieder mit ihnen, schneidet den Lumpenhunden die Hälse
ab, ha! Ihr verfluchtes Ungeziefer, ihr Schlingel von Spekfressern;
sie sind unsre Feinde, zu Boden mit ihnen, zieht sie aus.
Reisende.
O wir sind verlohren, wir und die unsrigen auf immer.
Falstaff.
An den Galgen, ihr dikbauchichten Schurken, seyd ihr verlohren?
Nein, ihr fetten Lümmel, ich wollt' euer ganzer Vorrath wäre hier;
nieder, ihr Spekseiten etc.
(Sie binden und berauben die Reisenden, und gehen ab.)
(Prinz Heinrich und Poins treten auf.)
Prinz Heinrich.
Die Diebe haben die ehrlichen Leute gebunden; wenn izt du und ich
die Diebe berauben, und mit der Beute im Triumph nach London ziehen
könnte, das wäre eine Materie für eine Woche, ein Gelächter für
einen Monat, und ein Spaß für immer.
Poins.
Sachte, ich höre sie kommen. (Die Diebe kommen zurük.)
Falstaff.
Kommt, meine Herren, wir wollen theilen, und dann zu Pferde, eh der
Tag anbricht. Wenn der Prinz und Poins nicht zwo ausgemachte
Memmen sind, so ist keine Billigkeit mehr in der Welt. Dieser
Poins hat nicht mehr Herz als eine wilde Ente.
(Indem sie theilen, werden sie von dem Prinzen und Poins überfallen.)
Prinz Heinrich.
Euer Geld!
Poins.
Ihr Galgenschwengel!
(Die Diebe rennen fort, und Falstaff, nachdem er einen oder zween
Streiche bekommen, läuft auch davon, und läßt die Beute dahinten.)
Prinz Heinrich.
Das hat nicht viel Mühe gekostet. Nun lustig zu Pferd; die Diebe
sind zerstreut, und in einen so grossen Schreken gesezt, daß sie
das Herz nicht haben, sich wieder zu sammeln; ein jeder hält den
andern für einen Gerichtsdiener. Hinweg, guter Ned. Wie wird der
arme dike Falstaff izt schwizen! Wenn ich nicht lachen müßte, ich
könnte Mitleiden mit ihm haben.
(Sie gehen ab.)
Fünfte Scene.
(Lord Percys Haus.)
(Hot-Spur tritt allein auf, einen Brief lesend.)
Hot-Spur.
"Was mich selbst betrift, Milord, so könnt ich um der Freundschaft
willen, die ich gegen euer Haus trage, wünschen, dort zu seyn." Er
könnte wünschen dort zu seyn; warum ist er denn nicht dort? "Um
der Freundschaft willen, die er gegen unser Haus trägt." Es zeigt
sich aus diesem, daß er seinen eignen Speicher mehr liebt als unser
Haus. Laßt doch weiter sehen: "Euere Unternehmung ist gefährlich."
Das wissen wir; es ist gefährlich einen Schnuppen zu kriegen, zu
schlaffen, zu trinken; aber laßt euch sagen, Milord Hasenfuß, daß
wir aus dieser Nessel-Gefahr, die Blume, Sicherheit, pflüken wollen.
"Eure Unternehmung ist gefährlich, die Freunde, die ihr nennt,
sind ungewiß, die Zeit selbst ist unschiklich, und euer ganzer
Entwurf zu leicht, einem so mächtigen Widerstand das Gegengewicht
zu halten." Sagt ihr das, sagt ihr das? So sag ich euch wieder
zurük, daß ihr eine schüchterne feige Hindin seyd, und daß ihr lügt.
Wo hat denn der Mann sein Hirn? Bey G**! Unser Entwurf ist ein
so guter Entwurf als jemals einer gemacht worden ist; unsre Freunde
sind zuverläßig und standhaft; ein guter Entwurf, gute Freunde, und
von denen man sich alles versprechen kan; ein vortrefflicher
Entwurf und recht gute Freunde! Was für ein kaltherziger Schurke
das ist! Wie? Milord von York billigt und begünstigt das Vorhaben
selbst und den Entwurf, und diese Memme hier--Bey meiner Hand, wär'
ich bey ihm, ich könnte ihm mit seiner Frauen Luftfächer das Hirn
ausschlagen. Ist nicht mein Vater, mein Oheim und ich selbst
dabey? Lord Edmund Mortimer, Milord von York, und Owen Glendower?
Ist nicht Dowglas dabey? Hab' ich nicht von ihnen allen Briefe,
daß sie auf den neunten dieses Monats ihre Waffen mit den meinigen
vereinbaren wollen? Sind nicht einige von ihnen würklich schon
ausgerükt? Was für ein verdammter Schurke ist das! Ha, ihr werdet
nun sehen, daß er in der Aufrichtigkeit seiner Zagheit und seines
kalten Bluts zum Könige gehen, und unser ganzes Vorhaben entdeken
wird. O ich könnte mich selbst in zwey spalten, daß ich eine
solche Schüssel voll geschwungne Milch in eine so edle Unternehmung
habe einmengen wollen. An den Galgen mit ihm, er mag es dem König
sagen. Wir sind gerüstet, ich will diese Nacht noch vorrüken.--
Sechste Scene.
(Lady Percy zu Hot-Spur.)
Hot-Spur.
--Was giebt's, Käthe? Ich muß dich in zwo Stunden verlassen.
Lady.
O mein liebster Lord, warum seyd ihr so allein? Wegen was für
eines Verbrechens ist eure Gemahlin diese Nacht von ihres Harrys
Bette verbannt worden? Sage mir, mein Liebster, was ist es, das
dir deinen Appetit, dein Vergnügen und deinen Schlaf raubt? Warum
heftest du deine Augen auf den Boden? Warum fährst du so oft auf,
wenn du allein sizest? Warum hast du die frische Farbe deiner
Wangen verlohren? Und warum giebst du mein Kleinod, meine Rechte
an dich, der trübsinnigen Schwermuth preiß? Unter deinem unruhigen
Schlummer hab ich an deiner Seite gewacht, und dich von Krieg und
Schlachten murmeln gehört; du redtest mit deinem Pferde, oder
rieffest, (Courage! Zum Treffen!) Du redtest von Ausfällen und
Rükzügen; von Laufgräben, Zelten, Palisaden, Schanzen, Brustwehren,
Carthaunen, Canonen, Feldschlangen, von Ranzionen der Gefangnen,
und von erschlagnen Soldaten--Deine Seele war so sehr mit
kriegrischer Arbeit beschäftigt, und hat selbst im Schlaf dich in
eine so große Bewegung gesezt, daß grosse Schweißtropfen auf deiner
Stirne gestanden, und die Muskeln deines Gesichts aufgelauffen sind,
wie wir an Leuten sehen, denen vor allzuhastiger Bewegung der
Athem zurück bleibt. O! was für schrekenvolle Zeichen sind das!
Ihr habt irgend ein schweres Geschäfte vor euch, und ich muß es
wissen, oder ihr liebt mich nicht. (Ein Bedienter kommt herein.)
Hot-Spur.
He! ist Willhelm mit dem Paquet abgegangen?
Bedienter.
Ja, Milord, schon vor einer Stunde.
Hot-Spur.
Hat der Kellner diese Pferde vom Scheriff gebracht?
Bedienter.
Eines, Milord, bracht' er eben izt.
Hot-Spur.
Was für eines? Den Rothschimmel, mit den gestuzten Ohren, nicht
wahr?
Bedienter.
Ja, Gnädiger Herr.
Hot-Spur.
Dieser Rothschimmel soll mein Thron seyn. Gut, ich will ihn gleich
besteigen. (O Esperance!)* Führte ihn der Kellner in den Parc?
{ed. * Dieses französische Wort ist vermuthlich da, damit es die Lady
Percy nicht verstehen solle.}
Lady.
Aber höret, Milord--
Hot-Spur.
Was willt du sagen, Milady?
Lady.
Was führt euch dann weg?
Hot-Spur.
Wie? Mein Pferd, Liebe, mein Pferd.
Lady.
Weg mit dir, du tollköpfiger Affe! Eine Wiesel hat nicht so viel
Spleen als ihr--Bey meiner Treue, ich will euer Geschäfte wissen,
das will ich. Ich fürchte mein Bruder Mortimer geht damit um,
seinen Anspruch gelten zu machen, und verlangt euern Beystand; aber
wenn ihr geht--
Hot-Spur.
Soweit zu Fuß zu gehen, würde mich müde machen, Liebe.
Lady.
Kommt, kommt, ihr kleiner Papagay, antwortet mir geradezu auf das
was ich euch frage. Ich breche dir deinen kleinen Finger ab, Harry,
wenn du mir nicht die ganze Wahrheit gestehst.
Hot-Spur.
Weg, weg, kleiner Kindskopf--Lieben! Ich liebe dich nicht, ich
denke nicht an dich, Käthe; es ist izt keine Zeit mit Puppen zu
spielen, und mit Lippen zu fechten. Izt ist es um blutige Nasen,
und gespaltete Hirnschädel zu thun--Was sagst du, Käthe? Was willt
du von mir?
Lady.
Liebt ihr mich dann nicht mehr? In der That nicht. Gut, so thut
es nicht. Denn wenn ich nicht mehr verdiene, von euch geliebt zu
werden, so bin ich auch nicht werth, daß ich mich selbst liebe.
Liebt ihr mich nicht? Nein, sag mir's, redst du im Scherz oder
nicht?
Hot-Spur.
Komm, willt du mich reiten sehen? Wenn ich zu Pferd bin, dann will
ich schwören, daß ich dich unendlich liebe. Aber hörst du, Käthe,
du mußt mich nicht weiter ausfragen, wohin ich gehe; noch
Muthmassungen anstellen, warum? Wohin ich muß, muß ich, und um es
kurz zu machen, diesen Abend müssen wir scheiden, liebste Käthe.
Ich weiß daß du verständig bist, aber doch nicht verständiger als
Harry Percy's Weib. Du hast Muth, so viel ein Weibsbild haben soll;
und an Verschwiegenheit übertrift dich gewiß kein Frauenzimmer in
der Welt. Ich zweifle also keinen Augenblik daran, daß du nichts
sagen wirst, wenn du nichts weißst; und in so weit hab' ich ein
vollkommnes Zutrauen zu dir, meine süsse Käthe.