Silence.
Ist das der Sir John, Vetter, der heute mit Soldaten hieher kommen
soll?
Schallow.
Eben der Sir John, eben der; ich erinnre mich noch, wie er vor der
Thür des Collegii dem Schoggan ein Loch in den Kopf schlug, da er
nur noch eine kleine Krabbe war, kaum so hoch, was ich sage; und
noch am nemlichen Tag schlug er sich hinter Grays-Inn mit einem
gewissen Samson Stokfisch einem Obst-Händler herum, daß die Fezen
davon flogen. O das närrische Zeug das wir angegeben haben! Und
wenn ich denke, wie viele von meinen alten Bekannten schon todt
sind!
Silence.
Die Reyhe wird an uns auch kommen, Vetter.
Schallow.
Gewiß, o das ist gewiß, wahrhaftig, wahrhaftig; der Tod ist, wie
der Psalmist sagt, allen gewiß; alle Menschen müssen sterben. Habt
ihr ein hübsches Joch Ochsen auf dem Stamforder Markt verkauft?
Silence.
Meiner Treu, Vetter, ich war nicht dort.
Schallow.
Alle Menschen müssen sterben, ja wol! Ey, lebt auch der alte
Double noch in eurer Stadt?
Silence.
Er ist todt, Sir.
Schallow.
Ist er todt? Seht doch, seht doch; er spannte einen guten Bogen;
und ist er todt? Er war ein guter Bogenschüze. John von Gaunt
mochte ihn wol leiden, und wettete viel Geld auf seinen Kopf. Todt!
Er schoß euch auf zweyhundert und vierzig Schritte das Centrum
heraus, daß es eine Lust war zuzusehen--Was gilt izt die Mandel
Schaafe?
Silence.
Darnach sie sind; eine Mandel gute Schaafe mag izt sieben bis acht
Pfund werth seyn.
Schallow.
So ist der alte Double todt!
Vierte Scene.
(Bardolph und der kleine Lakay zu den Vorigen.)
Silence.
Hier kommen zween von Sir John Falstaffs Leuten, denk' ich.
Schallow.
Guten Morgen, mein werther Herr.
Bardolph.
Ich bitte euch, wer ist Junker Schallow, der Friedens-Richter?
Schallow.
Ich bin Robert Schallow, Sir, ein armer Land-Edelmann in dieser
Gegend, und einer von Sr. Majestät Friedens-Richtern; worinn kan
ich zu euern Diensten seyn?
Bardolph.
Mein Hauptmann, Sir, empfiehlt sich euch; mein Hauptmann Sir John
Falstaff; ein ansehnlicher Edelmann, beym Himmel! und ein braver
Officier.
Schallow.
Er empfiehlt sich seinem Diener; ich weiß daß er ein Mann ist, der
seinen Degen versteht. Was lebt der gute Ritter? Darf ich fragen,
wie sich Milady, seine Gemalin, befindt?
Bardolph.
Um Vergebung, Sir, ein Soldat ist besser accommodirt als mit einer
Frau.
Schallow.
Das ist wol gegeben, Sir; und recht wol gegeben, dazu, in der That--
Besser accommodirt--es ist gut, ja in der That ist es; gute Phrases,
sicher, sind, und waren immer in grossem Werth, accommodirt--es
kommt von (accommodo;) recht gut, eine recht gute Phrasis.
Bardolph.
Um Vergebung, Sir, ich habe das Wort so gehört. Phrases nennt
ihr's? Beym Element, ich weiß nicht was Phrases ist; aber was
dieses Wort betrift, da will ich mit meinem Degen behaupten, daß es
ein gutes soldatenmässiges Wort ist, und ein Wort das einem
unvergleichliche Dienste thun kan. Accommodirt, das ist, wenn
einer--wie sie's nennen--accomodirt ist; oder wenn einer, es mag
nun seyn was es will, wovon man denken kan, es accommodire ihn; ihr
versteht mich schon, es ist ein vortreffliches Ding darum.
Fünfte Scene.
(Falstaff zu den Vorigen.)
Schallow.
Ihr habt vollkommen recht. Seht, hier kommt der gute Sir John.
Gebt mir eure gute Hand: gebt mir Eurer Herrlichkeit gute Hand: Bey
meiner Treu, ihr seht recht gut aus, recht gut für einen Mann von
euern Jahren. Willkommen, guter Sir John.
Falstaff.
Es erfreut mich, euch zu sehen, mein lieber Herr Robert Schallow:
das ist Herr Sure-Card, wo mir recht ist--
Schallow.
Nein, Sir John, es ist mein Vetter Silence; Mein College in der
königlichen Commißion.
Falstaff.
Mein guter Herr Silence, es ist nicht mehr als billig daß ihr des
Friedens wegen da seyd.
Silence.
Eu. Herrlichkeit ist willkommen.
Falstaff.
Ey, das ist heisses Wetter, meine Herren; habt ihr mir um ein halb
Duzend wakre Kerle gesehen?
Schallow.
Sapperment, das haben wir, Sir: Wollt ihr euch nicht sezen?
Falstaff.
So laßt mich sie sehen, wenn ich bitten darf.
Schallow.
Wo ist der Rodel? wo ist der Rodel? wo ist der Rodel? Laßt sehen,
laßt sehen, laßt sehen; so, so, so, So; ja, meiner Six, Sir Ralph
Schimmlich; sie sollen herbey kommen, so wie ich sie aufruffe; sie
sollen auftreten wie ich sie aufruffe, das sollen sie. Laßt sehen,
wo ist Schimmlicht?
Schimmlich.
Hier, mit Verlaub.
Schallow.
Was sagt ihr zu diesem da, Sir John? Ein guter grobgliediger
Geselle; jung, stark, und aus einer guten Freundschaft.
Falstaff.
Ist dein Name Schimmlich?
Schimmlich.
Ja, mit Eurer Erlaubniß.
Falstaff.
So ist es die höchste Zeit, daß man dich brauche.
Schallow.
Ha, ha, ha, ein vortrefflicher Einfall, mein Treu! Ein Ding wird
schimmlicht, wenn man's nicht braucht; unvergleichlich gut. Ein
guter Einfall, Sir John, ein guter Einfall!
Falstaff.
Zeichnet ihn auf.
Schimmlich.
Ich bin gezeichnet genug, wenn ihr mich meines Wegs gehen lassen
wolltet; meine Großmutter wird ihre liebe Noth haben jemand zu
finden, der ihr ihre Haushaltung versieht; ihr brauchtet mich gar
nicht zu zeichnen, daß ihr's wißt; es sind Leute genug die gehen
können, ohne mich.
Falstaff.
Geh, geh; nur ruhig, Schimmlich, du must gehen, Schimmlich; es ist
Zeit, daß du gebraucht wirst.
Schimmlich.
Gebraucht?
Schallow.
Still, Bursche, still; auf die Seite! wißt ihr, wo ihr seyd? Zu
den andern, Sir John--Laßt mich sehen; Simon Schatten.
Falstaff.
Sapperment, den muß ich haben, der ist gut zum Untersizen; er wird
ein ziemlich kühler Kriegsheld seyn.
Schallow.
Wo ist Schatten?
Schatten.
Hier, Sir.
Falstaff.
Schatten, wessen Sohn bist du?
Schatten.
Meiner Mutter Sohn, Sir.
Falstaff.
Deiner Mutter Sohn! Das ist sehr wahrscheinlich; und deines Vaters
Schatten, aber nicht von deines Vaters Körper; das begegnet oft
genug, in der That.
Schallow.
Gefällt er euch, Sir John?
Falstaff.
Schatten wird im Sommer gute Dienste thun; schreibt ihn auf; wir
haben schon eine Menge solcher Schatten im Muster-Buch; sie sind
immer gut, die Lüken auszufüllen.
Schallow.
Thomas Warze!
Falstaff.
Wo ist er?
Warwik.
Hier, Sir.
Falstaff.
Heißt du Warze?
Warwik.
Ja, Sir.
Falstaff.
Du siehst so ziemlich zerlumpt aus, Warze.
Schallow.
Soll ich ihn aufschreiben?*
{ed. * Das Sinnreiche der Antwort, welche Falstaff hierauf giebt, ligt
in dem Doppelsinn des Worts prick, welches eigentlich stechen
bedeutet; und wie das französische Wort (piquer) auch so viel heißt,
als jemands Namen zu einem gewissen Dienst, wozu man einen
gebrauchen will, auszeichnen.}
Falstaff.
Das wäre sehr überflüßig; alle seine Habschaft ist auf seinen Rüken
gebaut, und das ganze Werk steht auf Stek-Nadeln; stecht ihn nicht
noch mehr.
Schallow.
Ha, ha, ha, was ihr für gute Einfälle habt, Sir! ha ha! das muß
man euch lassen, darinn seyd ihr ein Meister, das muß man euch
lassen.--Franz Schwächlich--
**--------------
{ed. ** So sehr Hr. Schallow die wizigen
Einfälle bewundert, welche Falstaff aus Gelegenheit der Namen und
Profeßionen dieser Recruten hat, so ekelhaft fangen sie an, dem
Uebersezer, und vermuthlich auch dem Leser zu werden. Wir
überschlagen also den Aufruf des Franz Schwächlich, Frauenzimmer-
Schneiders, und Peter Bulkalbs, nebst anderm frostigem und zum
Theil völlig unübersezlichem Zeug, so in dieser Scene vorkommt.}
Falstaff.
Sind das nun alle?
Schallow.
Man hat noch zween mehr ruffen lassen, aber ihr braucht nur viere
von hier; kommt also mit mir herein, Sir, und nehmt bey mir auf den
Mittag vorlieb.
Falstaff.
Kommt, ich will eins mit euch trinken, aber bis über Mittag kan ich
mich nicht aufhalten. Es freut mich euch zu sehen; aufrichtig, es
freut mich, Herr Schallow.
Schallow.
O Sir John erinnert ihr euch noch daran, wie wir die ganze Nacht in
der Windmühl in Sanct Georgen-Feld lagen?
Falstaff.
Nichts mehr davon, Herr Schallow, nichts mehr davon.
Schallow.
Ha! es war eine lustige Nacht. Und lebt Hannchen Nacht-Werk auch
noch?
Falstaff.
Sie lebt noch, Herr Schallow.
Schallow.
Sie konnte nie von mir wegkommen.
Falstaff.
Nie, nie; sie sagte immer: Man kan doch nicht ohne Hrn. Schallow
seyn!
Schallow.
Sapperment, ich konnte ihr recht im Herzen weh machen; Sie war
damals eine (Bona-roba.) Stehen ihre Sachen noch gut?
Falstaff.
Sie ist eben alt, Herr Schallow, alt.
Schallow.
Sie muß alt seyn, das ist wahr; sie kan nicht anders als alt seyn;
ganz gewiß, alt ist sie, sie hatte schon Robin Nachtwerk von dem
alten Nachtwerk, eh ich noch in Clements-Inn kam.
Silence.
Das war schon vor fünf und fünfzig Jahren.
Schallow.
Ha, Vetter Silence, du solltest gesehen haben, was dieser Ritter
und ich gesehen haben!--Ha, Sir John, hab' ich nicht recht?
Falstaff.
Wir haben des Nachts manchmal die Gloken auf allen Thürmen schlagen
gehört.
Schallow.
Das haben wir, das haben wir, meiner Treu, Sir John, das haben wir;
unsere Wach-Parole war, hem, Jungens!--Kommt, wir wollen zum Mittag-
Essen; o was wir für Zeiten gesehen haben! Kommt, kommt!
Bulkalb.
Lieber Herr Corporal Bardolph, seyd mein guter Freund, hier habt
ihr vier Harry-Zehnschilling-Stüke in französischen Cronen. In
gutem Ernst, seht ihr, ich wollte eben so gern gehangen seyn, Sir,
als gehen; und doch für meinen Theil, Sir, fragt' ich nichts
darnach, es ist eben bloß daß ich keine Lust dazu habe, seht ihr,
und für meinen Theil blieb ich halter eben lieber bey meinen
Freunden; sonst, Herr, fragt ich eben für meinen Theil nicht viel
darnach.
Bardolph.
Schon gut; steh nur auf die Seite.
Schimmlich.
Und lieber Herr Corporal-Hauptmann, meiner alten Großmutter zu lieb,
seyd mein guter Freund; wenn ich fort bin, hat sie keinen Menschen,
der ihr ihre Sachen thut, und sie ist alt und kan selbst nicht
mehr fortkommen; es soll mir auf vierzig Schilling nicht ankommen.
Bardolph.
Gut, gut, steh' auf die Seite.
Schwächlich.
Ich bekümmre mich nichts drum, ein Mensch kan nur einmal sterben;
und gestorben muß es seyn, ich will mich herzhaft darein ergeben;
ist es mein Schiksal, wohl und gut; wo nicht, so ist's nichts desto
schlimmer. Niemand ist zu gut dazu, seinem Fürsten zu dienen; und
es mag gehen wie es will, wer in diesem Jahr stirbt, ist quitt für
das nächste.
Bardolph.
Das heißt wie ein braver Kerl gesprochen.
Falstaff.
Kommt, Sir, welche von diesen Leuten soll ich haben?
Schallow.
Die viere, die euch am besten gefallen.
Bardolph (zu Falstaff leise.)
Sir, ein Wort mit euch--Schimmlicht und Bulkalb bieten drey Pfund
an, wenn ihr sie freylassen wollt.
Falstaff.
Gut, gut.
Schallow.
Nun, Sir John, welche viere wollt ihr haben?
Falstaff.
Wählt ihr für mich.
Schallow.
Nun so sey es dann, Schimmlich, Bulkalb, Schwächlich und Schatten.
Falstaff.
Schimmlich und Bulkalb--Was euch betrift, Schimmlich, bleibt ihr da,
bis ihr aufgebraucht seyd, und ihr, Bulkalb, wachßt bis man euch
brauchen kan; ich will keinen von euch.
Schallow.
Sir John, Sir John, ihr thut euch ja selbst Unrecht, sie sind ja
gerade die zween ansehnlichsten, und ich wollte euch gerne mit den
besten bedient wissen.
Falstaff.
Herr Schallow, wollt ihr mich lehren, wie ich meine Leute auswählen
soll? Bekümmre ich mich was darum, wie groß, wie dik oder wie
stark die Leute sind, was für breite Schultern sie haben, oder wie
dik ihre Beine sind? Ich sehe auf Herz, Herr Schallow. Seht mir
diesen Warze hier, ich steh euch davor, so zerlumpt er aussieht, so
soll er mir drauf zuschlagen, wie ein Zinngiessers-Hammer; der Kerl
ist flink, das kan ich euch sagen. Und dieser schindeldürre
Geselle, Schatten, hier, das ist ein Mann für mich; das ist ein
Mann, dem der Feind nicht beikommen kan; der Feind könnte eben so
leicht nach der Schärfe eines Federmessers zielen als nach ihm; und
wenn es um eine Retirade zu thun ist, wie behend wird dieser
Schwächlich, der Frauenzimmer-Schneider, davon lauffen? O, gebt
mir die unansehnlichen Leute, und behaltet diese grossen Kerle für
euch. Gebt mir Warzen eine Flinte in die Hand Bardolph---
-------------Diese Bursche werden ihre Sachen nicht übel machen.
Herr Schallow, Gott behüte euch; lebt wohl, Herr Silence. Ich
mache wie ihr seht, nicht viel Complimente; lebt wohl, meine Herren,
beiderseits. Ich danke euch; ich muß noch ein duzend Meilen
machen, eh es Nacht ist. Bardolph, gieb den Soldaten Uniformen.
Schallow.
Sir John, der Himmel geleite euch, und benedeye eure Waffen, und
geb' uns bald Frieden. Besucht mein Haus, wenn ihr zurükkommt; wir
wollen die alte Bekanntschaft wieder erneuern; vielleicht geh ich
dann mit euch nach Hofe.
Falstaff.
Es sollte mir angenehm seyn, Herr Schallow.
Schallow.
Gut, gut, es bleibt dabey, ein Mann ein Wort. Lebt wohl.
(Sie gehen ab.)
Vierter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein Wald in Yorkschire.)
(Der Erzbischoff von York, Mowbray, Hastings und Coleville treten
auf.)
York.
Wie nennt man diesen Wald?
Hastings.
Es ist Gaultree-Wald, Milord.
York.
Hier wollen wir Halte machen, Milords, und Kundschafter ausschiken,
um die Stärke des Feinds zu erkundigen.
Hastings.
Es ist schon geschehen.
York.
Ihr habt wol gethan. Nun, meine Freunde und Brüder in dieser
grossen Angelegenheit, muß ich euch entdeken, daß ich kürzlich
Briefe von Northumberland erhalten habe, deren kalter Inhalt dieser
ist: Er wünschte in Person, und mit einer Macht, die seinem Stande
proportioniert wäre, bey uns zu seyn; da es ihm aber unmöglich sey,
eine solche aufzubringen, so habe er sich nach Schottland
zurükgezogen, bis Zeit und Vermögen ihm erlauben würden, mehr zu
thun. Den Beschluß macht er mit herzlichen Wünschen, daß unsre
Unternehmung die Gefahr eines so mächtigen Widerstands überleben
möge.
Mowbray.
So stürzt also das ganze Gebäude von Hoffnungen ein, das wir auf
ihn gegründet hatten. (Ein Bote zu den Vorigen.)
Hastings.
Nun, was bringt ihr Neues?
Bote.
Von der Westseite dieses Waldes, und kaum noch eine Meile entfernt,
rükt der Feind in stolzer Schlachtordnung an; und soviel aus dem
Grund den sie deken, abzunehmen ist, schäze ich ihre Anzahl
höchstens auf dreyßig tausend Mann.
Mowbray.
Das ist gerade soviel als wir vermutheten. Laßt uns aufbrechen, um
ihnen ins Gefild entgegen zu rüken.
Zweyte Scene.
(Westmorland zu den Vorigen.)
York.
Was für ein stattlicher Kriegs-Oberster kommt hier auf uns zu?
Mowbray.
Ich denke, es ist Milord von Westmorland.
Westmorland.
Heil und geneigten Gruß von unserm Feld-Herrn, dem Prinzen John von
Lancaster.
York.
Saget an, Milord von Westmorland, was ist der Beweggrund eurer
Anherkunft?
Westmorland.
An euch, Milord, soll dann vornehmlich der Inhalt meiner Rede
gerichtet seyn. Käme die Empörung in ihrer eignen Gestalt, in
verächtlichen, pöbelhaften Rotten, von blutigen Jünglingen
angeführt, von wilder Raubsucht gespornt, und von Lotterbuben und
Bettlern unterstüzt; wenn der Aufruhr, sage ich, in dieser seiner
wahren, natürlichen und eigenthümlichen Gestalt erschiene, so
würdet ihr, ehrwürdiger Vater, und diese edeln Lords nicht hier
seyn, seine verabscheute Häßlichkeit mit euerm ehrenvollen Ansehn
aufzuschmüken. Ihr, Milord Erzbischoff, dessen Siz durch
einheimischen Frieden beschüzt wird, dessen Bart die Silber-Hand
des Friedens berührt, dessen Gelahrtheit und Wissenschaft der
Friede begünstiget hat, und dessen weisser Priester-Schmuk die
Unschuld, die Sanftmuth und jede gesegnete Eigenschaft des Friedens
abbildet; warum übersezt ihr euch selbst aus der Sprache des
Friedens, die so viel Anmuth hat, in die harte und rauhtönende
Sprache des Kriegs? Warum, warum verwandelt ihr eure Bücher in
Hellebarden, eure Dinte in Blut, eure Federn in Lanzen, und eure
göttliche Zunge in eine kriegrische Trompete?
York.
Warum thue ich diß? Das ist die Frage; und darauf antworte ich
kürzlich: Wir sind alle krank, und haben uns selbst durch
Ueppigkeit und Schwelgerey ein brennendes Fieber zugezogen, um
dessen willen wir izt bluten müssen; es ist die nemliche Krankheit,
an der unser voriger König Richard starb. Doch, mein sehr edler
Lord von Westmorland, meine Absicht ist hier nicht den Arzt zu
spielen; auch ist es weit von mir entfernt, als ein Feind des
Friedens, mich unter die Hauffen kriegrischer Männer einzumengen;
diese mir sonst fremde Gestalt ist nur auf eine Weile angenommen,
um ausschweiffende üppige Gemüther, die das Uebermaaß ihres Glüks
krank gemacht hat, wieder in Ordnung zu bringen, und die
Verstopfungen zu reinigen, die den natürlichen Lauf unsers Lebens-
Blutes selbst zu hemmen angefangen haben. Ich will mich deutlicher
erklären: Ich habe das Uebel so unsre Waffen thun können, und
dasjenige so wir leiden, genau gegen einander abgewogen, und finde
unsre Beschwerden schwerer als unsre Verschuldungen. Wir sehen,
welchen Weg der Strom der Zeit läuft, und werden von der gewaltsam
daherstürmenden Gelegenheit aus unsrer friedsamen Sphäre
weggerissen. Wir werden den Inhalt aller unsrer Klagen, sobald es
die Zeit erheischen wird, Punct für Punct bekannt machen; Klagen,
die wir dem König schon vor langer Zeit vorgelegt haben, ohne daß
wir durch unser inständiges Bitten erhalten konnten, nur angehört
zu werden. Wenn wir beleidiget werden, und unsre Beschwerungen
entfalten wollen, so wird uns der Zutritt zu seiner Person von eben
denjenigen abgeschlagen, die uns am meisten beleidiget haben. Die
Gefahr jener neulichen Tage, deren Andenken mit noch sichtbarem
Blut auf die Erde geschrieben ist; und die gegenwärtigen Beyspiele
die uns jede Minute darstellt, haben uns in diese übelanständige
Waffen-Rüstung gezwungen; nicht den Frieden oder irgend einen Zweig
desselben zu brechen, sondern vielmehr einen wahren und dauerhaften
Frieden, einen Frieden der den Namen mit der That führe, zu
erzielen.
Westmorland.
Wenn ist euch jemals eine rechtliche Klage abgeschlagen worden?
Worinn seyd ihr von dem Könige zum Unmuth gereizt worden? Welcher
Peer ist heimlich aufgestiftet worden, euch anzutasten; daß ihr
dieses gesezwidrige blutige Patent der meuterischen Empörung mit
einem göttlichen Sigel gültig zu machen, und das Schwerdt des
Bürger-Kriegs einzusegnen berechtiget seyn solltet?
York.
Mein Bruder General, das gemeine Wesen, ist durch eine ungerechte
Partheylichkeit gegen einige von seinen Kindern zum Nachtheil der
andern, in eine häusliche Tyrannie ausgeartet, welche der besondere
Gegenstand meiner Klagen ist.
Westmorland.
Es ist in diesem Stük noch nirgends keine Noth einer Staats-
Verbesserung vorhanden; und wann es wäre, so kommt sie euch nicht
zu.
Mowbray.
Warum nicht ihm, für seinen Theil, und uns allen, die noch die
Schmerzen der Wunden der vorigen Zeiten, und die ungerechte und
drükende Hand der gegenwärtigen fühlen?
Westmorland.
O Milord Mowbray, betrachtet die Zeiten in der natürlichen
Verknüpfung mit ihren Ursachen und Umständen, und ihr werdet
bekennen müssen, daß es in der That die Zeit und nicht der König
ist, worüber ihr euch zu beklagen habt. Und dennoch kan ich, was
eure eigne Person betrift, nicht absehen, wie ihr, weder vorn König,
noch der dermaligen Zeit, nur einen Zoll breit Grund hernehmen
könnt, Beschwerden darauf zu bauen. Wurdet ihr nicht in alle
Herrschaften und Güther des Herzogs von Norfolk, eures edeln und
ruhmwürdigen Vaters, wieder eingesezt?
Mowbray.
Womit hatte mein Vater verdient ihrer entsezt zu werden, wenn ich
diese Wieder-Einsezung für etwas mehr halten soll, als was man mir
schuldig war? Wider seinen Willen und sein Herz, wurde der König,
der ihn liebte, durch die damalige Verfassung des Staats gezwungen,
ihn zu verbannen. Und o! damals, da Harry Bolingbroke und er sich
in ihre Sättel geschwungen hatten, da ihre schnaubenden Rosse
ungeduldig dem Sporn zum Angriff entgegenwieherten, da sie ihre
Lanzen eingelegt, ihre Visiere herabgezogen hatten, da ihre
feurigen Augen aus stählernen Oeffnungen hervor funkelten, und die
laute Trompete sie zum Kampf zusammenblies; damals, damals, (da
nichts anders meinen Vater von Bolingbroks Brust hätte zurükhalten
können) als der König seinen Stab hinwarf, warf er sein eigen Leben
hin, warf er sich selbst hin, und das Leben aller derjenigen, die
durch Anklage oder durch die Wuth des Schwerdts unter Bolingbroke
gefallen sind.
Westmorland.
Ihr redet hier, Lord Mowbray, und wißt nicht was ihr redet. Der
Graf von Hereford wurde damals für den tapfersten Ritter von ganz
England gehalten. Wer weiß, auf wen das Glük gelächelt hätte? Und
hätt' auch euer Vater den Sieg erhalten, so würde er ihn gewiß
nimmermehr aus Coventry hinausgetragen haben. Das ganze Land haßte
ihn, und schrie ihm mit einer allgemeinen Stimme Flüche zu; alle
ihre Liebe, alle ihre Wünsche, waren für Hereford, den Gegenstand
ihrer brünstigen Zuneigung, dem sie, in der That, mehr Segnungen
zurieffen, mehr Beyfall zujauchzten, als dem König selbst--Doch diß
führt mich nur von meinem Vorhaben ab: Ich komme hier von dem
Prinzen unserm Feldherrn, euern Beschwerden nachzufragen, und euch
in seiner Durchlaucht Namen zu sagen, daß er euch Gehör geben will,
und daß euch alle billige Forderungen, die ihr machen könnt,
zugestanden werden sollen, ohne daß auch nur der blosse Gedanke,
daß ihr Feinde gewesen seyd, dagegen in Betracht kommen solle.
Mowbray.
Er hat uns gezwungen, ihm dieses Anerbieten abzudringen, welches
aus blosser Politik, nicht aus guter Meynung gemacht wird.
Westmorland.
Mowbray, ihr treibet die Einbildung zu weit, wenn ihr es so
aufnehmt. Dieses Anerbieten kommt aus Gnade, nicht aus Furcht.
Denn seht, dort, nah genug, um von euern Bliken erreicht zu werden,
ligt unser Heer, und, bey meiner Ehre! keine Seele in ihm, die
nicht den blossen Gedanken der Furcht verschmähe. Unsre Schlacht-
Ordnung hat mehr Männer von Namen als die eurige, unsre Leute sind
geübter in den Waffen, unsre Munition ist zum wenigsten eben so
stark, und unsre Sache die bessere. Wie könnte, bey solchen
Umständen, unser Herz schlechter seyn? Sagt also nicht, unser
Anerbieten sey abgedrungen.
Mowbray.
Gut, mit meinem Willen wird man sich in keine Unterhandlungen
einlassen.
Westmorland.
Das beweist nur die Schändlichkeit euers Vergehens; ein böser
Schade leidet kein Anrühren.
Hastings.
Hat der Prinz John Vollmacht von seinem Vater, sich auf alle
Bedingungen, worauf wir schlechterdings bestehen mögen, einzulassen,
und den Vergleich einzurichten, wie es ihm und uns gefallen mag?
Westmorland.
Das ligt in dem Namen unsers Generals; mich wundert, wie ihr eine
so überflüßige Frage thun möget.
York.
Wenn dieses ist, Milord von Westmorland, so nehmt dieses Papier; es
enthält alle unsre Beschwerungen: Wird allen hierinn erwähnten
Puncten abgeholfen, uns und allen unsern Anhängern, gegenwärtigen
und abwesenden, der Pardon in gehöriger Form ertheilt, und eine
vollständige Sicherheit unsrer Freyheit und unsers Eigenthums für's
Künftige gewähret werden; so sind wir bereit die Waffen
niederzulegen, und in unsre gesezmäßige Ordnung wieder einzutreten.
Westmorland.
Ich will es dem Feldherrn überbringen. Gefällt es euch, Milords,
so wollen wir im Gesicht unsrer beydseitigen Armeen wieder zusammen
kommen, um entweder die Sache gütlich zu enden, (welches der Himmel
geben wolle!) oder die Schwerdter sogleich herbeyzuruffen, die den
Ausschlag geben müssen.
York.
Wir sind es zufrieden, Milord.
(Westmorland geht ab.)
Dritte Scene.
Mowbray.
Es ist etwas in meinem Busen, das mir sagt, unser Friede werde
unter keinerley Bedingungen Bestand haben.
Hastings.
Besorget das nicht; wenn wir unsern Frieden unter so ausgedehnten
und vortheilhaften Bedingungen erhalten, als diejenige, worauf wir
schlechterdings bestehen wollen; so wird er so feste stehen, als
ein felsichtes Gebürge.
Mowbray.
Gut; aber alle diese Bedingungen werden uns doch nie das Zutrauen
des Königs geben; wir werden immer mit einem Auge beobachtet werden,
das voraus geneigt ist, uns schuldig zu finden; und die
schlechteste Ursache, der eitelste Schatten eines Verdachts wird
das Andenken dieser That wieder aufweken. Unsre künftige Treue mag
den flammenden Eifer der Märtyrer haben, sie wird doch immer zu
kalt befunden werden; und das argwöhnische Auge des Vorurtheils
wird in unsern Verdiensten selbst Entwürfe neuer Verbrechen sehen.
York.
Nein, nein Milord; glaubt mir, der König ist dieser allzugrossen
Schärfe und dieser nagenden Besorgnisse selbst überdrüßig; er hat
gefunden daß jeder Argwohn, dem er durch den Tod ein Ende macht,
zween Grössere in den Ueberlebenden erwekt. Er wird also seine
Schreibtafel rein auswischen, und, um seiner gegenwärtigen Ruhe
willen, die Erinnrung vergangner Unruhen von sich entfernt halten.
Denn er weiß allzuwol, daß er dieses Land nicht so genau ausjäten
kan, als seine argwöhnische Gemüthsart es wünschte. Seine Feinde
sind so sehr mit seinen Freunden zusammengewurzelt, daß er keinen
Feind ausreuten kan, ohne zugleich einen Freund zu entkräften. So
daß dieses Land, wie ein böses Weib, das seinen Mann so sehr
aufgebracht hat, ihr Schläge anzubieten, indem er schlagen will,
ihm sein Kind entgegen strekt, und dadurch die beschloßne
Züchtigung in seinem aufgehobnen Arm zurük hält.
Hastings.
Ueberdem hat der König an den neulichen Verbrechern alle seine
Ruthen abgenuzt, so daß es ihm izt sogar an Werkzeugen zur
Züchtigung fehlt; und seine Macht, wie ein Löwe dem die Klauen
benommen sind, zwar drohen, aber nicht fassen kan.
York.
Es ist in der That so; seyd also versichert, mein lieber Lord
Marschall, daß wenn wir mit dem König nur erst recht ausgesöhnt
sind, unser Frieden, wie ein gebrochnes Glied das wieder
eingerichtet worden, nur desto stärker werden soll.
Mowbray.
Ich wünsch' es. Hier kommt Milord von Westmorland zurük.
(Westmorland zu den Vorigen.)
Westmorland.
Der Prinz ist nicht weit von hier; gefällt es euch, Milords, mit
seiner Durchlaucht, in gleicher Entfernung von beyden Armeen
zusammen zu kommen?
Mowbray.
Milord von York, so gehet dann in Gottes Namen voran.
York.
Gehet ihr voran, und grüsset seine Durchlaucht: Milord, wir kommen.
Vierte Scene.
(Prinz John von Lancaster tritt auf.)
Lancaster.
Mir ist angenehm, mein Vetter Mowbray, euch hier anzutreffen; guten
Tag, mein lieber Lord Erzbischoff, und so euch, Lord Hastings, und
allen. Milord von York, ihr hattet ein weit bessers Ansehen, wenn
euch eure Heerde, von der Gloke versammelt, umzirkelte, voller
Ehrfurcht eure Erklärung des heiligen Texts anzuhören, als izt in
dieser Gestalt eines eisernen Mannes, in der ihr eine Rotte von
Aufrührern mit der Trummel aufreizet, um das Wort in Schwerdt, und
Leben in Tod zu verwandeln. Der Mann, der das Herz eines Monarchen
hat, und im Sonnenschein seiner Gewogenheit reift, wie viel Böses,
wenn er die Macht des Königs mißbrauchen wollte, wie viel Unheil
könnte er im Schatten eines solchen Ansehens anrichten? So ist es
mit euch bewandt, Lord Bischoff. Wer hat nicht davon gehört, wie
tief eure Einsicht in die Bücher des Himmels ist? In unsern Augen
seyd ihr der Sprecher in seinem Parlament; wir glauben die Stimme
des Himmels selbst zu hören, wenn wir euch hören; wir sehen euch
als den Canal an, durch den die Gnaden des Himmels zu uns fliessen,
und durch den wir ihm unsre Bitten vortragen. O! wer muß nicht
glauben, daß ihr das ehrwürdige Ansehen euers Amts mißbraucht, und
gleich einem treulosen Günstling, den Namen euers Fürsten zu
Ausübung böser Thaten gelten macht? Ihr habt unter einem
verstellten Eifer für die Sache Gottes, die Unterthanen seines
Statthalters, meines Vaters, aufgewigelt, und sie, beydes gegen den
Himmel und gegen ihn, in diesen Schwarm hier zusammen getrieben.
York.
Gnädigster Herr, ich bin nicht gegen euern Vater hier; sondern, wie
ich bereits dem Lord von Westmorland sagte, die Verwirrung dieser
Zeiten treibt uns zusammen, und gruppiert uns in diese ungeheure
Form, um unsre Sicherheit zu erhalten. Ich sandte Eu. Durchlaucht
die besondern Puncte, worinn wir uns beschwert befinden, und womit
wir bey Hofe mit Verachtung abgewiesen worden sind. Daher dieser
Aufstand, der durch Gewährung unsrer gerechten Forderungen
augenbliklich wieder gestillet werden kan, um zahm und unterwürfig
sich zu den Füssen der Majestät hinzulegen.
Mowbray.
Wo nicht, so sind wir bereit, unser Glük bis auf den lezten Mann zu
versuchen.
Westmorland.
Gefällt es Euer Durchlaucht, ihnen darauf zu antworten, in wie fern
ihr ihre Artikel genehmiget?
Lancaster.
Ich genehmige sie alle, und gestehe sie alle zu; und hier schwör
ich, bey dem ehrenvollen Blut von dem ich stamme, meines Vaters
Absichten sind mißgedeutet worden, und es sind einige um ihn, die
seinen Willen und seine Autorität mit einer übertriebnen Schärfe
gelten gemacht haben. Milord, diese Beschwerden sollen schleunig
gehoben werden, bey meinem Leben! sie sollen. Wenn ihr hiemit
zufrieden seyd, so entlaßt eure Truppen, wie wir mit den unsrigen
thun werden; und laßt uns hier zwischen beyden Heeren uns umarmen,
und auf unsre wiederhergestellte Freundschaft trinken, damit ihrer
allen Augen diese Pfänder unsrer Aussöhnung mit nach Hause tragen
mögen.
York.
Ich nehme euer Fürstliches Wort für die Abstellung dieser
Beschwerden.
Lancaster.
Ich geb' es euch, und will es behaupten; und hiemit trink ich Eu.
Gnaden zu.
Hastings (zu Coleville.)
Geh, Hauptmann, und kündige der Armee diese Friedens-Zeitung an;
laß sie ihren Sold haben und gehen; ich weiß, es wird ihnen
angenehm seyn. Beschleunige dich, Hauptmann.
(Coleville geht ab.)
York.
Auf euer Wohlseyn, Milord von Westmorland.
Westmorland.
Ich werde Eu. Gnaden Bescheid thun, und wenn ihr wißtet, wie viele
Mühe ich angewandt habe, diesen Frieden zu Stande zu bringen, ihr
würdet desto muntrer trinken; aber ich werde künftig Anlas haben,
euch meine Freundschaft deutlicher zu zeigen.
York.
Ich seze keine Zweifel in sie.
Westmorland.
Es erfreut mich. Auf eure Gesundheit, Milord und Vetter Mowbray.
Mowbray.
Die Gesundheit die ihr mir wünscht, käme sehr gelegen, denn es wird
mir plözlich etwas übel.
York.
Vor schlimmen Zufällen sind die Menschen gemeiniglich munter, und
Bangigkeit ist oft der Vorbote einer glüklichen Begebenheit.
Westmorland.
Seyd also munter, Vetter, weil diese plözlichen Anstösse von
Bangigkeit von so glüklicher Bedeutung sind.
York.
Glaubt mir, es ist mir ungemein leicht ums Herz.
Mowbray.
Desto schlimmer, wenn eure eigne Regel wahr ist.
(Man hört ein Freuden-Geschrey.)
Lancaster.
Der Friede ist angekündigt; horcht! wie sie froloken.
Mowbray.
Nach einem Sieg würde das angenehm getönt haben.
York.
Ein Frieden ist die glüklichste Art von Erobrung; beyde Theile sind
dann überwunden, und keiner verliehrt.
Lancaster (zu Westmorland.)
Geht, Milord, und entlaßt auch unsre Armee.
(Westmorland geht ab.)
Und wenn es euch gefällt, mein lieber Lord, so wollen wir die
Truppen bey uns vorbeyziehen lassen, damit wir sehen, mit was für
Leuten wir uns hätten messen sollen.
York.
Geht, Lord Hastings, und laßt sie hier vorbey ziehen, eh sie
auseinander gehen.
(Hastings geht ab.)
Lancaster.
Ich hoffe, Milords, wir werden diese Nacht beysammen ligen.
Fünfte Scene.
(Westmorland kommt zurük.)
Lancaster.
Nun, Vetter, warum bleibt unsre Armee stehen?
Westmorland.
Die Officiers, welche den Befehl, Stand zu halten, aus Eu.
Durchlaucht Mund haben, wollen nicht gehen, bis sie den Befehl dazu
von Euch selbst bekommen würden.
Lancaster.
Sie kennen ihre Schuldigkeit. (Hastings kommt zurük.)
Hastings.
Milord, unsre Armee ist bereits zerstreut: Gleich jungen noch
unbejochten Stieren rennten sie gegen Ost, West, Süd und Nord davon;
oder wie, wenn die Schule aus ist, die Schul-Jungens in wimmelndem
Gedräng hervor stürmen, und jeder seinem Haus oder seinem Spielplaz
zuspringt.
Westmorland.
Eine gute Zeitung, Milord Hastings, für welche ich dich, Verräther,
und euch, Lord Erzbischoff, und euch, Lord Mowbray, sämtlich als
des Hochverraths schuldig in Verhaft nehme.
Mowbray.
Ist das ein erlaubtes und rechtschaffnes Verfahren?
Westmorland.
War es euer Aufstand?
York.
Brecht ihr eure Treue so?
Lancaster.
Ich versprach euch keine; ich versprach euch, daß diesen
Beschwerden abgeholfen werden sollte, worüber ihr klagtet, und bey
meiner Ehre, ich will es mit der christlichen Sorgfalt halten. Ihr
aber, Empörer, empfangt den Lohn eurer Thaten. Der Ausgang eurer
thörichten Unternehmung entspricht der Unbesonnenheit ihres Anfangs--
Laßt unsre Trummeln rühren, verfolgt die zerstreuten Flüchtlinge,
der Himmel, nicht wir, hat an diesem Tag einen unblutigen Sieg für
uns erfochten--Man sorge davor, daß diese Verräther bis zu ihrem
Todes-Urtheil wol verwahret werden.
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
(Ein Kriegs-Getümmel. Excursionen. Falstaff und Coleville treten
auf.)
Falstaff.
Wie ist euer Name, Sir? Von welchem Stand seyd ihr? Und von
welchem Plaz, wenn ich bitten darf?
Coleville.
Ich bin ein Ritter, Sir, und mein Nam ist Coleville vom Thal.
Falstaff.
Gut, Coleville ist also euer Nam', ein Ritter ist euer Stand, und
euer Plaz das Thal. Coleville soll immer euer Name bleiben, ein
Verräther euer Stand, und ein Loch im Gefängniß euer Plaz; ein Ort
das tief genug ist, damit ihr immer Coleville vom Thal bleibet.
Coleville.
Seyd ihr nicht Sir John Falstaff?
Falstaff.
Ein so braver Mann, Sir, als er, ich mag seyn wer ich will; wollt
ihr euch ergeben, Sir, oder soll ich um euertwillen schwizen? Muß
ich schwizen, so sind meine Schweiß-Tropfen die Thränen deiner
Freunde, die deinen Tod beweinen. Zittre also so gut du kanst, und
bitte um Gnade.
Coleville.
Ich denke, ihr seyd Sir John Falstaff, und in dieser Meynung geb
ich mich zu euerm Gefangnen.
Falstaff.
Ich hab' eine ganze Schule voll Zungen in diesem Bauch und nicht
eine einzige davon redt was anders als meinen Namen: Hätt' ich nur
einen Bauch von etwas indifferenterm Umfang, ich wäre ohne weiters
der activste Kerl in ganz Europa; mein Wanst, mein Wanst, mein
Wanst ist mein Unglük--Hier kommt unser General. (Der Prinz John
von Lancaster, und Westmorland treten auf.)
Lancaster.
Die Hize ist vorbey, folgt ihnen nicht weiter, ruft die Unsrigen
zurük, mein lieber Vetter Westmorland.
(Westmorland geht ab.)
Nun, Falstaff, wo seyd ihr diese ganze Zeit über gewesen? Wenn
alles und jedes vorbey ist, dann kommt ihr. Diese Langsamkeit
schikt sich nicht gut zu euerm Handwerk; bey meinem Leben, sie wird
über lang oder kurz noch einmal einem Galgen den Rüken brechen.
Falstaff.
Es solte mir leid thun, Milord, wenn es nicht so wäre; ich habe nie
anders gehört, als daß Verweise und Demüthigungen der Lohn der
Tapferkeit sind. Denkt ihr, ich sey eine Schwalbe, ein Pfeil oder
eine Kugel? Kan ich armer alter Mann die Geschwindigkeit eines
Gedankens haben? Ich eilte mit dem äussersten Punct des äussersten
Grads der Möglichkeit hieher. Ich habe hundert und etlich und
achtzig Postpferde zu Schanden geritten; und kaum war ich
abgestiegen, so nahm' ich, so matt ich von der Reise war, in meiner
reinen und immaculirten Tapferkeit diesen Sir John Coleville vom
Thal, einen ganz furiosen Ritter und höchst furchtbaren Feind,
gefangen: Doch was sag ich? Er sah mich, und ergab sich; so daß
ich in Wahrheit mit jenem Haaken-nasichten Gesellen aus Rom da, dem
Cäsar, sagen kan: ich kam, sah und siegte.
Lancaster.
Das war eine blosse Höflichkeit von ihm daß er sich ergab, und ihr
könnt euch kein Verdienst daraus machen.
Falstaff.
Ich weiß nicht; hier ist er, und hier liefr' ich ihn aus, und bitte
Eu. Durchlaucht, daß es mit den übrigen Thaten dieses Tages
aufgeschrieben werden möge; oder bey G*** ich will eine eigne
Ballade darauf machen lassen, und oben drüber mein Bild in
Holzschnitt, und Colevillen wie er mir die Füsse küßt; wenn ich
genöthiget werde, so was zu thun, und wenn ihr nicht alle wie
verguldte Doppel-Pfennige gegen mich aussehen sollt, und ich am
hellen Himmel des Ruhms euch nicht eben so weit überglänzen werde,
als der Vollmond die Funken in einer heissen Asche, die nur wie
Steknadel-Köpfe gegen ihn aussehen, so glaubt keinem Edelmann auf
sein Wort. Laßt mir also mein Recht wiederfahren; laßt das
Verdienst steigen.
Lancaster.
Zum Steigen ist das deine zu schwer.
Falstaff.
So laßt es scheinen.
Lancaster.
Dazu ist es zu dicht.
Falstaff.
Laßt es nur etwas thun, mein gütiger Lord, das mir wohl thut, und
nennt es wie ihr wollt.
Lancaster.
Ist dein Name Coleville?
Coleville.
Ja, Milord.
Lancaster.
Du bist ein berüchtigter Rebell, Coleville.
Coleville.
Ich bin, Milord, was bessere als ich sind, die mich hieher führten;
hätt' ich ihnen rathen sollen, ihr solltet sie theurer bezahlt
haben, als ihr habt.
Falstaff.
Ich weiß nicht, wie theuer sie sich selbst verkauften, aber du
warst ein so gutherziger Geselle, und gabst dich gratis weg; und
ich danke dir davor.
Siebende Scene.
(Westmorland zu den Vorigen.)
Lancaster.
Nun, habt ihr das Nachsezen gehemmet?
Westmorland.
Unsre Leute sind wieder zurük, und warten nur auf Befehl, wegen der
Gefangnen.
Lancaster.
Sendet also Colevillen mit seinen Consorten nach York, ihr Urtheil
unverzüglich zu empfangen. Blunt, führe sie ab, und sorge daß sie
wol bewacht werden.
(Blunt geht mit Coleville ab.)
Und nun, Milords, will ich nach Hofe; ich höre, der König mein
Vater ist krank; unsre Zeitungen sollen uns zuvorkommen, und ihr,
Vetter, sollet sie seiner Majestät überbringen; vielleicht werden
sie von beßrer Würkung seyn, als alle andre Arzneyen. Wir werden
euch sobald als möglich folgen.
(Sie gehen ab.)
Achte Scene.
(Verwandelt sich in den Palast zu Westmünster.)
(König Heinrich, Warwik, Clarence und Glocester treten auf.)
König Heinrich.
Nun, Milords, wenn der Himmel diesem Streit, der vor unsrer Thüre
blutet, ein glükliches Ende macht, so wollen wir unsre Jugend in
höhere Gefilde führen, und hinfort keine andre als geheiligte
Schwerdter ziehen. Unsre Flotte ist ausgerüstet, unsre Macht
beysammen, die Regierung in unsrer Abwesenheit ist bestellt, und
alles ist so wie wir's wünschen; ausser daß wir uns ein wenig
besser befinden sollten, und noch verziehen müssen, bis diese
Rebellen zu paaren getrieben sind.
Warwik.
Beydes, Gnädigster Herr, wird, wie wir nicht zweifeln, in kurzem
nach Wunsch erfolgen.
König Heinrich.
Humphrey, mein Sohn von Glocester, wo ist der Prinz euer Bruder?
Glocester.
Gnädigster Herr, ich denke, er ist nach Windsor auf die Jagd
gegangen.
König Heinrich.
Mit was für Gesellschaft?
Glocester.
Ich weiß es nicht, Milord.
König Heinrich.
Ist nicht sein Bruder, Thomas von Clarence, bey ihm?
Glocester.
Nein, Gnädigster Herr, er ist hier gegenwärtig.
Clarence.
Was wünscht mein Gebietender Herr und Vater?
König Heinrich.
Nichts als Gutes für dich, Thomas von Clarence. Wie kommt es, daß
du nicht bey dem Prinzen deinem Bruder bist? Er liebt dich, und du
sezest ihn bey Seite, Thomas; du hast einen bessern Plaz in seinem
Herzen als deine Brüder, trage Sorge dazu, mein Sohn, du kanst
dereinst nach meinem Tod die Mittels-Person zwischen ihm und deinen
Brüdern seyn, und ihnen wichtige Dienste thun. Verabsäume ihn also
ja nicht; und verscherze den Vortheil seiner Liebe nicht, durch den
Schein der Kaltsinnigkeit, oder, als wenn du dich nichts um ihn
bekümmertest. Er ist gütig und freundschaftlich gegen diejenige,
die er ihm ergeben sieht; er hat Thränen für andrer Leiden, und
eine immer offne Hand zur Wohlthätigkeit. Allein, wenn er gereizt
wird, ist er lauter Feuer, launig wie der Winter, und gäh wie ein
Windsstoß an einem kühlen Morgen. Man muß sich daher nach seiner
Gemüthsart richten lernen. Tadelt ihn wegen seiner Fehler, jedoch
mit Ehrerbietung, wenn ihr sehet daß er bey guter Laune ist; aber
wenn er aufgebracht ist, so gebt ihm Plaz, bis seine Leidenschaft,
wie ein zu Grund sinkender Wallfisch, durch ihre eigne heftige
Bewegungen sich entkräftet hat. Lerne diß, Thomas, und du wirst
ein Schirm deiner Brüder seyn, ein goldner Reiff, der sie
zusammenbinden wird, damit das vereinigte Gefäß ihres Bluts, wenn
es, wie vielleicht begegnen kan, durch den Gift heimlicher
Aufstiftungen in Gährung gesezt wird, nicht lek werde, und sollt'
es gleich stärker würken als Aconitum oder rasches Schieß-Pulver.
Clarence.
Ich werde mir angelegen seyn lassen, seine Liebe zu verdienen.
König Heinrich.
Warum bist du nicht zu Windsor bey ihm, Thomas?
Clarence.
Er ist nicht zu Windsor; er speißt in London zu Mittag.
König Heinrich.
Und wer ist bey ihm? Kanst du mir's sagen?
Clarence.
Poins, und seine andern gewöhnlichen Begleiter.
König Heinrich.
Der fetteste Boden trägt das meiste Unkraut, und er das edle Bild
meiner Jugend, ist ganz damit überwachsen; Ursache zu einem Kummer,
der sich über mein Leben hinaus erstrekt. Das Blut weint aus
meinem Herzen, wenn ich mir die regellosen Tage, die verderbten
Zeiten vorstelle, die ihr sehen werdet, wenn ich einst bey meinen
Voreltern schlafe: Denn wenn seine wilde Schwelgerey keinen Zügel
mehr hat, wenn Wuth und schäumendes Blut seine Räthe sind, wenn
Macht und schlimme Sitten sich vereinbaren; oh, mit was für
stürmenden Schwingen wird er seinem Fall und Verderben entgegen
stürzen.
Warwik.
Mein Gnädigster Herr, ihr mißkennt ihn in diesem Augenblik. Der
Prinz studiert nur seine Gesellschafter, wie eine fremde Sprache;
will man die Sprache besizen, so ist nöthig daß man auch das
unanständigste Wort ansehe und lerne; wenn man's aber einmal
versteht, so weiß Eu. Majestät, daß es zu keinem andern Gebrauch
kommt, als daß man es kennt und verabscheut. So wird es der Prinz,
zu seiner Zeit, mit seinen Gesellschaftern halten, und die Kenntniß
die er von ihnen hat, wird eine Art von Modell oder Maasstab seyn,
woran er den Werth beßrer Leute messen wird.
König Heinrich.
Selten macht die Biene ihren Waben in ein Todten-Aaß.--Wer kommt
hier? Westmorland?
Neunte Scene.
(Westmorland tritt auf.)
Westmorland.
Heil, Gnädigster Herr, und neues Glük, zu demjenigen, so ich
anzukündigen komme! Prinz John, euer Sohn küßt eure königliche
Hand; Mowbray, der Bischoff Scroop, Hastings und die übrigen haben
die Straffe eurer Geseze erfahren, kein einziges aufrührisches
Schwerdt ist mehr entblößt, und der Friede treibt seine Oliven
allenthalben hervor. Die Art und Weise und den ganzen Zusammenhang
der Umstände, wie alles dieses geschehen ist, geruhe Euer Majestät
mit beßrer Musse aus dieser Relation zu ersehen.
(Er übergiebt ein Papier.)
König Heinrich.
O Westmorland, du bist ein Sommer-Vogel, der mitten im Winter den
aufgehenden Tag ansingt. (Harcourt zu den Vorigen.) Seht, noch
mehr Neuigkeiten.
Harcourt.
Der Himmel bewahre Eure Majestät vor Feinden, und stehen Feinde
gegen euch auf, so mögen sie fallen wie diejenige, von denen ich
komme, euch Nachricht zu geben. Der Graf von Northumberland, und
der Lord Bardolph, mit einer ansehnlichen Macht von Engländern und
Schotten, sind von dem Scheriff von Yorkschire aufs Haupt
geschlagen worden. Die nähere Umstände und Folgen dieser Action
enthält dieses Paquet.
König Heinrich.
Und warum müssen diese guten Zeitungen mich kränker machen? Kan
das Glük keine unvermengte Gunst gewähren, und muß, wenn sie uns
nichts als Gutes zu sagen hat, der angenehme Inhalt wenigstens in
häßlichen Lettern geschrieben seyn? Entweder giebt sie einen guten
Magen und nichts zu essen; oder sie stellt uns ein Banquet auf, und
nimmt den Appetit hinweg. Ich sollte mich über diese gute
Zeitungen erfreuen, und nun vergeht mir mein Gesicht, und mein Kopf
wird mir ganz taumlicht. O! o! kommt näher--mir wird ganz übel--
Glocester.
Der Himmel stärke Eu. Majestät.
Clarence.
O mein königlicher Vater!
Westmorland.
Mein Gnädigster Gebieter, richtet euch auf, ermuntert euch!
Warwik.
Geduld, meine Prinzen; ihr wißt, diese Anstösse sind bey Sr.
Majestät nicht ungewöhnlich. Tretet weiter zurük, gebt ihm Luft,
er wird gleich besser werden.
Clarence.
Nein, nein, er kan diese Bangigkeiten nicht mehr lange aushalten.
Der langwierige Kummer, und die Unruhe seiner Seele haben die Mauer
welche sie einschliessen soll, durchgearbeitet; und das Leben
scheint allenthalben durch, und kan alle Augenblike ausbrechen.
Glocester.
Das Volk erschrekt mich: Man spricht von allerley unnatürlichen
Wunderzeichen und vaterlosen Mißgeburten; die Jahrszeiten haben
ihre Sitten geändert, und es ist, als ob das Jahr einige Monate
schlafend gefunden und sie übersprungen habe.
Clarence.
Der Fluß ist dreymal ohne Ebbe angeschwollen, und alte Leute (die
waschhaften Chroniken der Zeit) sagen, er habe eben das gethan, da
unser grosser Anherr Eduard starb.
Warwik.
Redet nicht so laut, Prinzen, der König erholt sich wieder.
Glocester.
Dieser Schlag wird ganz gewiß sein Ende seyn.
König Heinrich.
Ich bitte euch, hebt mich auf, und tragt mich in ein anders Zimmer:
Sachte, ich bitte euch; sorget davor, daß kein Getöse gemacht werde,
meine werthen Freunde, ausser irgend eine mitleidige, tröstende
Hand, wollte Musik meinem schmachtenden Geiste zuflüstern.
Warwik.
Ruft Musik in das Nebenzimmer--
König Heinrich.
Sezt mir die Crone auf dieses Küssen hier.
Clarence (bey Seite.)
Seine Augen sind hohl, und er verändert sich ungemein.
Warwik.
Nicht so laut, nicht so laut.
Zehnte Scene.
(Der Prinz Heinrich tritt auf.)
Prinz Heinrich.
Wo ist der Herzog von Clarence?
Clarence.
Hier bin ich, Bruder, voller Kummer.
Prinz Heinrich.
Warum das? Warum habt ihr alle Thränen in den Augen? Wie stehts
mit dem König?
Glocester.
Sehr schlecht.
Prinz Heinrich.
Weiß er die guten Zeitungen? Sagt sie ihm.
Glocester.
Er alterirte sich ungemein, da er sie hörte.
Prinz Heinrich.
Wenn er vor Freuden krank wurde, so wird er ohne Arzney gesund
werden.
Warwik.
Nicht so laut, Milords; liebster Prinz, redet leise; der König,
euer Vater, hat einen Ansaz zum Schlaffen.
Clarence.
Wir wollen in ein andres Zimmer gehen.
Warwik.
Gefällt es Eu. Hoheit, mit uns zu kommen?
Prinz Heinrich.
Nein; ich will mich hier sezen, und dem König wachen.
(Alle gehen ab, bis auf Prinz Heinrich.)
Warum ligt die Crone hier auf diesem Küssen, sie, die ein so
unruhige Bettgesellin ist? O du goldne Sorge! die so manche
durchwachte Nacht die Thüren des Schlummers weit offen hält, izt
lässest du ihn doch schlaffen! Aber nicht so gesund, nicht halb so
tief und süß als der schläft, der mit einem groben Tuch um seine
Schläffe, die lange Nacht hinweg schnarcht. O Majestät! du ligst
auf dem der dich trägt, wie eine goldne Rüstung, an einem heissen
Mittag.--Hier ligt eine Pflaumfeder auf seinen Lippen, die sich
nicht bewegt; wenn er athmete, so müßte dieser leichte Pflaum
nothwendig erregt werden. Ach! Mein Herr! Mein Vater! was für
ein Schlaf ist das? Das ist der Schlaf, der so manche Englische
Könige von diesem goldnen Reiff geschieden hat. Was dir nun von
mir gebührt, sind Thränen und herzliche Trauer, und die soll dir
Natur, Liebe und kindliche Zärtlichkeit in vollem Maaß bezahlen.
Was mir von dir gebührt, ist diese Königs-Crone, die von dir auf
mich, als den nächsten an dir, unmittelbar herabsinkt. Nun, hier
sizt sie;
(Er sezt sie auf.)
der Himmel soll sie schüzen; und legt in eines Riesen Arm die
Stärke der ganzen Welt, nimmer soll er diese angestammte Ehre von
meiner Stirne reissen. Ich will sie den meinigen verlassen, wie du
sie mir verlassen hast.
Eilfte Scene.
(Warwik, Glocester und Clarence kommen wieder.)
König Heinrich.
Warwik! Glocester! Clarence!
Clarence.
Ruft der König?
Warwik.
Was befiehlt Eu. Majestät? wie befindet Sie sich?
König Heinrich.
Warum ließt ihr mich so allein, Milords?
Clarence.
Gnädigster Herr, wir liessen den Prinzen meinen Bruder hier,
welcher sich sezen, und neben Eu. Majestät wachen wollte.
König Heinrich.
Den Prinzen von Wales? Wo ist er? laßt mich ihn sehen.
Warwik.
Hier ist eine Thür offen, er muß da hinausgegangen seyn.
Glocester.
Er gieng nicht durch das Zimmer, wo wir warteten.
König Heinrich.
Wo ist die Crone? Wer nahm sie von meinem Küssen.
Warwik.
Wie wir uns weg begaben, Gnädigster Herr, war sie noch da.
König Heinrich.
Der Prinz hat sie also weggenommen? Geht, sucht ihn auf. Ist er
so ungeduldig, daß er meinen Schlaf für meinen Tod ansieht? Sucht
ihn, Milord von Warwik, und schmählt ihn unverzüglich her.
(Warwik geht ab.)
Dieser Zug seiner Gemüthsart vollendet die Würkung meines Uebels,
und beschleunigt meinen lezten Augenblik. Seht, Söhne, was für
Dinge ihr seyd! Wie leicht sich die Natur zum Abfall bringen läßt,
wenn Gold der Versucher ist! Für diß haben närrische sorgenvolle
Väter ihren Schlaf mit Nachsinnen unterbrochen, ihr Gehirn mit
Sorgen erschöpft, ihre Gebeine mit Arbeit entkräftet; für diß, für
diesen Dank haben sie Tag und Nacht darauf gedacht, ihre Söhne
durch Künste und martialische Uebungen zu bilden, für diß haben sie
mit so vieler Mühe Gold auf Gold gehäuft. Gleich der Biene
flattern wir von Blume zu Blume, saugen ihre besten Düfte aus, und
wenn unsre Beine mit Wachs und unsre Lippen mit Honig beladen sind,
tragen wir's in den Stok; und wie Bienen, werden wir für unsre Müh
getödtet. Bittrer Gedanke für einen sterbenden Vater!--
(Warwik kommt zurück.) Nun, wo ist er? er, der nicht warten kan,
bis sein Freund, Krankheit, mit mir fertig ist?
Warwik.
Gnädigster Herr, ich fand den Prinzen in dem nächsten Zimmer, mit
Thränen der zärtlichsten Wehmuth seine Wangen badend, und in seiner
Mine und Stellung eine so tiefe, so rührende Bekümmerniß ausgedrükt,
daß die Grausamkeit selbst, bey seinem Anblik, ihren blutigen
Dolch mit milden Thränen gewaschen hätte.
König Heinrich.
Aber warum nahm er dann die Crone weg? (Der Prinz Heinrich zu den
Vorigen.) Seht, hier kommt er. Komm hieher zu mir, Harry; verlaßt
das Zimmer, laßt uns allein.
(Die Lords gehen ab.)